Meine Damen und Herren! Es ist immer etwas mißlich, in der dritten Lesung noch einmal einen sehr schwierigen und schwerwiegenden Antrag zu begründen, der in der zweiten Lesung abgelehnt worden ist. Wir haben uns entschlossen, diesen Antrag hier noch einmal vorzubringen, weil es bei diesem anscheinend so bedeutungslosen Antrag in Wirklichkeit um einen fundamentalen Grundsatz unseres ganzen Steuersystems geht und weil wir den Eindruck haben, daß die Ausführungen, die in der zweiten Lesung hier gegen unseren Antrag vorgebracht wurden, an den Dingen vorbeigehen, ja offensichtlich auf schwerwiegenden Irrtümern beruhen.
Wenn es sich hier bei dem § 33 a irgendwie um ein Steuerprivileg handelte, wie das in der zweiten Lesung behauptet worden ist, dann würden sich meine Freunde - und ich am allerwenigsten - kaum dazu hergeben, den Antrag hier noch einmal vorzubringen. Hier handelt es sich jedoch ganz und gar nicht um die Beseitigung irgendeines Steuerprivilegs. Es ist ganz unmöglich, diesen Antrag etwa mit der 7er-Gruppe usw. zusammenzubringen, nein, es geht hier um die Frage, ob der fundamentale Grundsatz des Steuerrechts gewahrt bleibt, nämlich die steuerliche Gleichberechtigung für alle. Das ist das Entscheidende.
Der Herr Finanzminister hat, wie ich in irgendeinem Aufsatz gelesen habe, neulich einmal gesagt: Dieselbe Last ist nicht dieselbe; es kommt immer darauf an, ob die Schultern stark genug sind, diese Last zu tragen. Ich glaube nicht, daß hier in diesem .Hause irgendein Kollege oder irgendeine Kollegin ist, die bestreitet, daß bei unseren Heimatvertriebenen und Ausgebombten die steuerliche
Leistungsfähigkeit erheblich schwächer ist als bei den Mitbürgern mit nominal gleichem Einkommen, die aber nicht in der unangenehmen Lage sind, sich nun nach der Währungsreform ihren Hausrat und ihre Kleidung allmählich wieder beschaffen zu müssen. Ich glaube, darüber herrscht hier gar kein Streit. Man sagt nun: Das ist ja auch nach wie vor anerkannt; dafür sind ja die Pauschbeträge da, und diese Pauschbeträge sind ja sogar noch erhöht worden, — als douceur für die Tatsache, daß die weitergehende bisherige Regelung nun wegfallen soll. Wir leiden unter dem weitverbreiteten Glauben, 'wir hätten schon ein so fortgeschrittenes Geldwesen, das mit einer gleichbleibenden Geldeinheit arbeitet und D-Mark 1950 sei gleich D-Mark 1951. Das ist bedauerlicherweise nicht der Fall. Wenn Sie sich einmal ansehen, wie der Index gestiegen ist—im letzten Jahre gerade der Index für Hausrat auf
186 —,
dann werden Sie sehen, daß die Erhöhung der Pauschbeträge kaum wesentlich mehr ist als ein entsprechender Ausgleich für die Tatsache, daß sich eben die Hausratsartikel wesentlich verteuert haben.
Aber das ist nicht allein das Entscheidende. In der Finanzwissenschaft besteht kein Zweifel darüber, daß die progressiven Tarife richtig sind. Das hat die Grenznutzenlehre ja bewiesen. Aber wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß der progressive Steuer-Tarif der einzig gerechte ist, der wirklich der Leistungsfähigkeit voll entspricht, dann muß man aber auch die Konsequenz ziehen, die die Finanzwissenschaft zieht: Wenn auf der anderen Seite eine unterschiedliche Leistungsfähigkeit ausgeglichen werden muß, wie das hier im Grundsatz an sich gar nicht bestritten ist, dann 1 kann man das nicht mit gleichbleibenden Pauschbeträgen machen. Wenn ich sage, hier ist ein Einkommensbezieher mit einem Einkommen von sagen wir, 5000 DM, und wenn ich der Ansicht bin, daß er durch den Verlust seines Hausrats eine solche Schwächung seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit erfahren hat, daß ich ihm dafür einen abzugsfähigen Betrag in Höhe von etwa 600 DM gewähren muß, kann ich mich nicht, wenn ich den Grundsatz der steuerlichen Gleichberechtigung aufrechterhalten will, auf den Standpunkt stellen, daß derjenige, der 10 000 DM Einkommen hat, auch keinen höheren Pauschbetrag zu haben braucht. Damit leugne ich, die Richtigkeit und Angemessenheit des progressiven Steuertarifs. Das ist der eine große finanzpolitische Gesichtspunkt, aus dem sich meine Freunde mit der vorgesehenen Regelung, nach der zusätzliche Aufwendungen nicht mehr anerkannt werden sollen, nicht einverstanden erklären können.
Nun kommt das andere Problem. Ich habe vorhin in der Rede des Herrn Vertreters des Bundesrats gehört, daß er bei irgendeiner Bestimmung — ich glaube, es war bei § 7, Herr Staatssekretär — meinte, hier handele es sich um Fragen, die durch den Lastenausgleich geregelt werden müßten; man solle aber in der Steuergesetzgebung nicht Dinge regeln, die in den Lastenausgleich hineingehörten. Herr Staatssekretär, hier kann ich Ihnen nicht folgen! Es ist für mich gar kein Zweifel daran möglich, daß der Sinn der modernen Finanzpolitik doch, gerade der ist, mit finanzpolitischen Mitteln volkswirtschaftliche Effekte zu erreichen und die volkswirtschaftlichen Aufgaben mit zu lösen. Auf Grund meiner Kenntnis des Lastenausgleichsproblems unterliegt es für mich auch nicht dem geringsten
Zweifel, daß wir dieses Problem nur lösen können, wenn wir auch in der Steuergesetzgebung auf das Vorhandensein der Geschädigtengruppen Rücksicht nehmen.
Hier geht es um das schwierigste Problem, das wir augenblicklich im Lastenausgleichsausschuß zu behandeln haben, nämlich die Frage der Hausratsentschädigung. Wer von den Kollegen mit im Lastenausgleichsausschuß ist, weiß ja, vor welch ungeheuren Schwierigkeiten wir hier stehen. Wir sind uns alle darüber klar, daß die Hausratsentschädigung eine der Grundfragen ist. Daran hängt das Herz der Hausfrauen, und weitgehend ist auch die Erhaltung der Arbeitsfreudigkeit von dem Heim abhängig. Wir müssen danach trachten, den Geschädigten irgendwie wieder zu Hausrat zu verhelfen, und können den verlorenen Hausrat nicht einfach als unwichtige Nebenfrage behandeln.
Auf der anderen Seite entsteht die Frage, woher die Mittel zu nehmen sind, um die enormen Hausratsverluste entsprechend zu entschädigen. Mit dieser Frage wird sich das Hohe Haus noch sehr eingehend beschäftigen müssen, wenn wir das Lastenausgleichsgesetz vorlegen. Für mich ist eines sicher: wir können den Menschen, die ihren Hausrat verloren haben, nicht allein mit Leistungen aus dem Lastenausgleichfonds helfen, einfach deshalb nicht, weil diese Mittel zum mindesten in den ersten Jahren dafür einfach nicht ausreichen. Wir werden hier, sosehr gerade ich das bedaure, wahrscheinlich zu unzulanglichen Summen Kommen, ob war wollen oder nicht. um so wichtiger ist es aber — und ich möchte noch einmal sehr stark das unterstreichen, was schon mein Kollege Trischler bei der zweiten Lesung hier hervorgehoben hat —, daß wir dann wenigstens denjenigen, die sich selber helfen müssen — weil wir einfach nicht in der Lage sind, die entsprechende Betrage aus dem Ausgleichsfonds aufzubringen —, mit Rücksicht auf die in diesen Anschaffungen liegende Schwächung ihrer sonstigen Kaufkraft eine Hilfestellung geben, indem wir die bisherige Regelung, die wohlüberlegt war und die ja dieses Hohe Haus nicht ohne Grund voriges Jahr angenommen hat, unbedingt beibehalten.
Ich kann mich mit dem, was zur Begründung für die Streichung der Steuerfreiheit der Mehranschaffungen in der amtlichen Bedingung angeführt worden ist, nicht einverstanden erklären. Es wird gesagt, dadurch entstehe einbesonderer Verwaltungsaufwand. Ach, da gibt es doch ganz andere Fälle, z. B. die schon erörterten Ausgaben für die Bewirtung von Geschäftsfreunden! Da sind große Verwaltungsvereinfachungen möglich, wenn man da nicht immer wieder alle Ausgaben nachprüfen muß. So zahlreich sind die Fälle des § 33 a gar nicht, daß hier wirklich ein ins Gewicht fallender Aufwand entsteht. Ich bin durchaus der Ansicht, daß wir alles tun müssen, um den Verwaltungsaufwand einzuschränken. Ich selber habe über diese Dinge wiederholt gearbeitet und publiziert. Diese Einsparungen mussen aber in einem richtigen Verhältnis zu dem Zweck stehen, der erreicht werden soll. Wenn es hier um fundamentale Fragen des Steuerrechts, um die Wahrung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung geht, dann kann ich einen solchen Fundamentalgrundsatz unmöglich einfach mit der Begründung aufgeben: Das macht mir zu viel Verwaltungsarbeit. Sie ist im übrigen gar nicht vorhanden.
Wenn in der Begründung weiter gesagt wird, daß gerade bei den Sonderanschaffungen viel Mißbrauch getrieben würde, so muß ich diesen Vorwurf — ich glaube, im Namen all der Millionen
Ausgebombten und Heimatvertriebenen — ganz entschieden zurückweisen. Meine Damen und Herren, wo ist ein Steuergesetz, das nicht umgangen werden kann? Leider Gottes haben wir das noch nicht. Es gibt viele Fälle im Steuerrecht — ich erinnere nur an die ominösen Kosten der Bewirtung von Geschäftsfreunden usw. —, bei denen viel mehr betrogen wird und mehr Umgehungen möglich sind, als hier in diesem Fall, wo es sich um Millionen von Mitbürgern handelt, die durch diesen wahnsinnigen Weltkrieg draußen alles verloren haben und denen der Staat bis heute noch keinen einzigen Pfennig hat zukommen lassen. Darum geht es doch hier. Gerade die Kreise, die von dieser Bestimmung betroffen werden, sind bisher außerhalb der Soforthilfe und praktisch ohne jede Hilfe und Entschädigungszahlung des Staates geblieben.
Wir gehen in unserem Antrag gar nicht so weit, daß wir die bisherige Verdoppelung der Pauschalbeträge beibehalten wollen. Nein, wir wollen uns nur — so ist der Antrag formuliert — dagegen zur Wehr setzen, daß in den Nominalbeträgen eine Verschlechterung gegenüber der bisherigen Regelung erfolgt. Daß durch die Indexsteigerung sowieso eine tatsächliche Verschlechterung vorhanden ist, das nehmen wir sogar noch in Kauf.
Ich darf also im Interesse all derer, die bisher noch keinerlei Entschädigung bekommen haben und die jetzt vor der unendlich schwierigen Aufgabe stehen, sich ihren verlorenen Hausrat und ihre verlorene Kleidung mit eigenen Mitteln, unter Einsatz ihres eigenen Einkommens wiederbeschaffen zu müssen, das Hohe Haus bitten, diesen Kreisen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, nicht aber ihnen Privilegien zu gewähren; davon ist gar keine Rede. Es geht um den Grundsatz der steuerlichen Gleichberechtigung auch für diese Kreise. Ich darf bitten, dem Umdruck Nr. 191 zuzustimmen.