Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf fordert der Bund von den Ländern die Abgabe von 31,3 Vo der den Ländern zustehenden Einnahmen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Das macht für das laufende Etatjahr den Betrag von 2,1 Milliarden DM aus, vielmehr soll es ausmachen. Nach dem Grundgesetz ist der Bund an und für sich zu einer solchen Maßnahme berechtigt. Im Art. 106 des Grundgesetzes heißt es in Abs. 3, daß der Bund durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Deckung seiner durch andere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben in Anspruch nehmen darf. Es heißt aber dann in demselben Absatz — und das scheint uns eine sehr weitgehende Einengung dieses Rechtes des Bundes zu sein —, daß der Bund von diesem Recht dann Gebrauch machen darf, wenn es sich „insbesondere" um die Deckung von Zuschüssen handelt, die der Bund den Ländern zur Deckung von Ausgaben auf den Gebieten des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des Wohlfahrtswesens zu gewähren verpflichtet ist. Nun, im vorliegenden Fall werden — das zeigt die Begründung, die die Bundesregierung ihrer Vorlage gegeben hat — diese Zuschüsse, die der Bund von den Ländern verlangt, keineswegs verwendet, um an finanzschwache Länder zur Förderung des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des allgemeinen Wohlfahrtswesens Zuschüsse zu zahlen. In der Regierungsvorlage steht ganz eindeutig, daß diese Anforderungen an die Länder zur „Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit des Bundes" gebraucht werden.
Der Herr Finanzminister sprach von dem wachsenden Aufgabenbereich des Bundes. Er stellte fest, daß im Zuge der Entwicklung der stärkere Lastenträger so zwangsläufig den kleineren an sich zieht. Er wollte wahrscheinlich damit sagen, dab der stärkere Lastenträger dem kleineren Lastenträger im Zuge der Entwicklung seine Bedingungen aufzwingt, daß er dem kleineren Lastenträger so langsam an die Brust drückt, bis dem der Atem ausgeht. Die „wachsende Aufgabe", die vor dem Bund und dieser seiner derzeitigen Regierung steht, ist eben die Vorbereitung des Krieges. Da in der Frage der Vorbereitung des Krieges die Länderregierungen und die Bundesregierung — von Nuancen abgesehen — einig sind, ist auch der Widerspruch der Länderregierungen im Bundesrat gegen diese Vorlage der Regierung nicht allzu groß.
Der Streitpunkt ist, wie gesagt, eine halbe Milliarde DM. Der Herr Bundesfinanzminister sagt: Das Mehraufkommen aus Einkommen- und Korperschaftsteuer nehme ich an mich. Er sagt dazu: Die Schätzungen über die Steuereinnahmen im vorigen Jahr, die ich aufgestellt habe, haben mir recht gegeben.
Ich bin der bescheidenen Meinung, daß die elf Landesfinanzminister, die der Auffassung sind, daß die derzeitigen Schätzungen des Herrn Bundesfinanzministers weit über das reale Ergebnis hinausgehen, mindestens so viel an Erfahrung und an Urteilskraft mitbringen wie der eine Herr Bundesfinanzminister.
Der bescheidenen Meinung bin ich. Ich mag mich irren. Aber fest steht, daß die Länderregierungen behaupten, diese Schätzungen des Bundesfinanzministers seien übersteigert. Sie behaupten darüber hinaus, daß die Schätzung von einer Milliarde Entlastung, von der der Bundesfinanzminister als Folge der Auswirkungen des zweiten Überleitungsgesetzes redet, ebenfalls übersteigert ist.
Aber sehr viel klarer, als die Länderregierungen ihre Bedenken gegen die Zahlen und das ganze Prinzip, das in diesem Entwurf verankert wird, zum Ausdruck bringen, tun das die Städte. Vor mir liegen einige Daten aus einer Stellungnahme des Deutschein Städtetages vom 19. April 1951. Ich
nehme an, daß sie den meisten Damen und Herren in diesem Hause bekannt sind. Dort heißt es: Die Steigerung der Einnahmen der Gemeinden aus Steuern von 1949 auf 1950 beträgt nicht einmal ganz 100 Millionen DM. Ferner heißt es darin: Es ist nicht ersichtlich, worauf der Bundesfinanzminister seine Schätzungen stützen zu können glaubt, der die Steigerung des Steueraufkommens von 1950 auf 1951 doppelt so hoch ansetzt wie im vergangenen Jahr.
Aber wer die Finanzlage der Gemeinden kennt, der weiß, daß die Kassenlage der Städte im Augenblick außerordentlich angespannt, j a teilweise katastrophal ist. Von einer Etatehrlichkeit bei den diesjährigen Haushaltsplänen, in der Hauptsache in einer großen Anzahl der Großstädte, kann überhaupt nicht mehr geredet werden. Dort ist genau so mit fiktiven Zahlen operiert, wie das in den Haushalten gewisser Länderregierungen und auch nach Behauptung der Länderregierungen im Haushalt des Bundesfinanzministeriums der Fall ist.
Fest steht, daß die Gemeinden selber aber die Belastungen, die Mehrausgaben, die sich ergeben aus der Erhöhung etwa der Besoldung der Beamten und Angestellten, der Löhne der Arbeiter, aus den Mehraufwendungen für die Pensionszahlungen, aus dem Ausgleichsbetrag nach dem Gesetz zur Durchführung des Art. 131 des Grundgesetzes, aus der Steigerung der Sachausgaben infolge des allgemeinen Preisauftriebes, auf 588 Millionen DM schätzen. Hinzu kommen aber auch die Mehraufwendungen — sie sind heute in ihrer Höhe noch nicht übersehbar -, die durch die geplante Einbeziehung der Kommunalbetriebe in den Lastenausgleich den Gemeinden entstehen werden.
Wie schlecht die Finanzlage der Länder im Augenblick ist, das geht doch wohl aus der Tatsache eindeutig hervor, die wir Mitte Mai in der „Welt" lesen konnten. Da stand, daß heute die Länder dem Bund 428 Millionen DM schulden. Wir wissen auch — der Herr Finanzminister hat das sehr zart angedeutet —, daß die Länderfinanzminister im Augenblick dabei sind, zu beraten, wie sie sich zu der Forderung des Herrn Bundesfinanzministers stellen sollen, der von ihnen bekanntlich die Nachzahlung der Beträge fordert, die 'auf Grund des neuen Gesetzes die Länder zu zahlen verpflichtet sind. Wir wissen z. B., daß die Länderfinanzminister mit der Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtung 'aus dem Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz dem Bund gegenüber im Rückstand geblieben sind, daß die Quote für April und Mai nicht gezahlt ist, daß sich 'der Bundesfinanzminister mit einem Eilschreiben an die Länder gewandt und die Zahlungen angemahnt hat. Wir wissen, daß am kommenden Sonntag die Länderfinanzminister zusammenkommen werden, um sich über die Auswirkung dieser Forderung zu unterhalten. Aber fest steht, daß die Landesfinanzminister heute erklären, die Forderungen des Bundes müßten einfach zur Zahlungsunfähigkeit der Länder — wenigstens zu einer vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit — führen.
Wie sieht das nach unten aus? Heute steht in der Frankfurter Presse ein Bericht über die Verabschiedung ides Etats des Landes Hessen. Dieser Etat wird offiziell als ein Not-Etat angesprochen. In dem Bericht ist zu lesen, daß die Zuwendungen des Landes an die Gemeinden in dem laufenden Etatsjahr um 5 Millionen DM gekürzt werden. Wenn man in den Gemeinden das Problem durchdiskutiert, dann stößt man auf die Tatsache, daß
die Gemeinden erklären, sie seien außerstande, die notwendigen sozialen und kulturellen Ausgaben zu finanzieren, sie seien außerstande, Schulhausreparaturen, Schulhausneubauten durchzuführen, sie seien außerstande, die dringend notwendige Erhöhung der Wohlfahrtsleistungen zu finanzieren. Also Not an allen Ecken und Enden für das Volk. Die Gemeinden sagen auch ganz offen, daß sie gezwungen sein werden, diesen Abbau an Landeszuwendungen dadurch in etwa aufzufangen, daß sie die Tarife für Gas, Strom, Wasser und die ihrer Beförderungseinrichtungen erhöhen müssen. Wir haben also da den Prozeß, daß die gesteigerten Ansprüche des Bundes an die Länder zwangsläufig zu einer Abdrosselung der Zuschüsse der Länder an die Gemeinden führen und in den Gemeinden zu einem katastrophalen Abbau der Ausgaben für kulturelle und 'soziale Zwecke ausgenutzt werden. Das ist der Circulus vitiosus, vor dem wir hier stehen.
Wenn wir dann hier ganz offen gesagt bekommen, daß diese Anforderungen an die- Länder gestellt werden müssen zur Sicherung der Leistungen auf dem Gebiet der sogenannten Sicherheit, wenn wir also gesagt bekommen, daß diese Ansprüche an die Länder gestellt werden, um Deckung zu erhalten für die 9,3 Milliarden Besatzungskosten, für die 140 Millionen DM, die für die Bundesgrenzschutzpolizei verausgabt werden, für die 50 Millionen DM Bundeszuschuß für die Bereitschaftspolizei, wenn wir also sehen, daß diese Gelder, die der Bund an sich reißt, ausschließlich verwendet werden, um den Krieg, die Aufrüstung vorwärtszutreiben — —
— Ja, jetzt sind wir beim Thema! Ganz recht, Herr Strauß, wir sind jetzt beim Thema. Darum werden die Gelder eingetrieben. Darum wird die Politik betrieben, nach unten zu treten und die Massen des notleidenden Volkes neu steuerlich und neu durch Abbau der sozialen und kulturellen Leistungen in den Gemeinden zu belasten. Wer den Krieg vorbereitet — diesen dreckigen, erbärmlichen Krieg, den Sie vorbereiten —, der ist auch verantwortlich für die Auswirkungen dieser Politik.
— Jawohl, der ist verantwortlich für diese Politik.
Da wir die Zwecke genau erkennen, die den Bundesfinanzminister und diese Regierung veranlassen, diese Forderungen gegen die Länder durchzusetzen, darum lehnen wir den Anspruch des Bundes ab. Wir lehnen es ab, einer Politik zuzustimmen, die darin besteht, die breiten Massen des Volkes zu belasten und ihre Not zu vergrößern, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, Ihren amerikanischen Krieg auftragsgemäß vorzubereiten und durchzuführen.