Rede:
ID0114512100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Renner.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag; den 31. Mai 1951 5709 145. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. Mai 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . 5710A, 5744C Zur Tagesordnung 5710A, 5747C Freudenberg (FDP) 5747C Mellies (SPD) 5747C Schröter (CDU) 5747D Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt- und KSt-Änderungsgesetz 1951 (Nrn. 1982, 2212, zu 2212 der Drucksachen); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Umdruck Nrn. 186, 191, 192, 193, 195, 196, 197, 199, 200) 5710B Zur Geschäftsordnung: Mellies (SPD) 5710B Schröter (CDU) 5710C Zur Sache: Dr. Koch (SPD) . . . 5710D, 5729D, 5733A, 5734B, 5737D, 5744C Dr. Ringelmann, Staatssekretär im Bayerischen Finanzministerium . . 5713B 5718C Müller (Frankfurt) (KPD) 5715C, 5720A, 5736C Dr. Wellhausen (FDP) 5717A Dr. Bertram (Z) . . . 5719B, 5727D, 5732B Neuburger (CDU) 5720C, 5731D, 5737B, 5742A Kurlbaum (SPD) 5720D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5721C, 5725B, 5731A, 5733C, 5739D Frau Wessel (Z) 5722D Dr. Greve (SPD) 5723C Frau Lockmann (SPD) . . . 5724A, 5737A Farke (DP) 5726B Frau Dr. Weber (Essen) ,(CDU) . . 5726D Loritz .(WAV) 5727C Pelster (CDU) 5729A Horn (CDU) 5729C Dr. Dr. Höpker-Aschoff '(FDP). . 5732D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 5738B Lausen (SPD) 5740C Ewers (DP) 5743A Dr. Bucerius (CDU) 5746A Zur Abstimmung: Dr. Koch (SPD) 5746B Müller (Frankfurt) (KPD) 5747A Abstimmungen: . 5719A, 5722B, 5733C, 5737C, 5738A, 5740A, 5744D, 5747B Fortsetzung der zweiten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, BP, Z eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr (Nr. 2061 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (il. Ausschuß) (Nrn. 2213, 2286 der Drucksachen) 5747C, 5748A Freudenberg (FDP) (zur Geschäftsordnung) 5747C Dr. Povel (CDU), Berichterstatter . 5748A Mertins (SPD) 5748C Abstimmung 5749D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2245 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Absätze 1, 2 und 4 des Grundgesetzes (Nr. 2268 der Drucksachen) 5747C, 5750A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5750B, 5754D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 5752B Lausen (SPD) 5753A Renner (KPD) 5756B Ausschußüberweisung 5758A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das -Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan IV - Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts - (Nr. 1904 der Drucksachen; Änderungsantrag Umdruck Nr.172) in Verbindung mit Einzelplan IV b - Haushalt für Angelegenheiten des Europarats und verwandter Gebiete - (Nr. 1927 der Drucksachen) 5758A, C, 5764A Strauß (CSU) (zur Geschäftsordnung) 5758B Mellies (SPD): zur Geschäftsordnung . . 5758B, 5765A zur Sache 5768C Dr. Blank (Oberhausen) (CDU), Berichterstatter 5758C, 5764A Dr. Wuermeling (CDU): zur Geschäftsordnung 5764C zur Sache 5772C Dr. von Campe (DP) 5765B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5771D, 5778C, 5800D Dr. Luetkens (SPD) . . . . 5773D, 5801D. Fisch (KPD) 5782C Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) (zur Geschäftsordnung) . . 5785A, 5788D Dr. Bertram (Z) (zur Geschäftsordnung) 5785A, 5789A Loritz (WAV): zur Geschäftsordnung 5785A zur Sache 5785B, Dr. von Brentano (CDU) (zur Geschäftsordnung) 5789A Dr. Reismann (Z) 5789C Fürst zu Oettingen Wallerstein (BP) 5793C Dr. Vogel (CDU) 5794Ç Ollenhauer (SPD) 5797B von Thadden (DRP) 5802A Abstimmungen 5802C Nächste Sitzung 5803B, D Die Sitzung wird um 13 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Fritz Schäffer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte doch zu einigen Behauptungen, die aufgestellt worden sind, grundsätzlich einmal Stellung nehmen. Was Herr Kollege Dr. Etzel von der Bayernpartei ausgeführt hat, scheint mir eine Tatsache zuwenig zu betonen. Das Gesetz nach Art. 106 Abs. 3 ist nicht nur mit der Zustimmung gerade der steuerschwachen Länder, sondern — ich möchte fast sagen — mit auf Anregung der steuerschwachen Länder entworfen und ausgearbeitet worden. Das Gesetz nach Art. 108 Abs. 2 ist in seinen ausschlaggebenden Bestimmungen — insbesondere in § 3, Betriebsprüfung — mit Zustimmung aller Länder begutachtet und angenommen worden. Der Verdacht, daß das Bundesfinanzministerium etwa einer unitarischen Entwicklung ohne Not die Tür und das Tor öffnet, ist also bestimmt nicht richtig. Ich glaube, mich mit den Ländern in einer Linie zu finden, wenn ich betone, daß die notwendige Entwicklung geachtet werden muß, die Entwicklung, die darin


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    besteht, daß nun einmal das finanzpolitische Gewicht mit dem Wachsen des Aufgabenkreises des Bundes auf den Bund überwandert, daß aber beide Teile dabei das Bestreben haben müssen, die föderative Struktur der Bundesrepublik aufrechtzuerhalten.
    Nun darf ich mich den Ausführungen des Herrn Vorredners zuwenden und darf sagen: man erlebt manchmal Überraschungen. Ich habe mich mit den Länderfinanzministern über die Steuerschätzungen doch lebhaft unterhalten müssen. Es ist richtig, daß eine Differenz in der Steuerschätzung bezüglich der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer für das nächste Jahr zwischen Bundesfinanzministerium und den Länderregierungen bestanden hat. Aber es ist genau umgekehrt. Die Länder haben das vermutliche Aufkommen an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer um 600 Millionen DM niedriger geschätzt, als es der Bundesfinanzminister getan hat.

    (Zuruf des Abg. Renner.)

    Nun liegen bei den Steuerschätzungen die Dinge so. Ich kann Steuerschätzungen niemals nach dem Wunsch machen. Steuerschätzungen, bei denen der Wunsch der Vater des Gedankens ist, werden immer falsch sein und werden dem Grundsatz der Wahrhaftigkeit in der Aufstellung eines Haushalts immer widersprechen. Wer' sein Amt verantwortlich ausübt, muß sich bemühen, eine Schätzung nach bestem Wissen und Gewissen zu finden, ob sie ihm gefällt oder nicht, und zwar so, wie sich die Dinge nach menschlicher Voraussicht entwickeln werden. Das Bundesfinanzministerium war auch im Vorjahr in der schweren Lage, eine Steuerschätzung auf relativ unbekannten Größen aufbauen zu mussen. Das Bundesfinanzministerium kann für das yergan) gene Jahr darauf verweisen, daß die Schätzung des Solls und das Ergebnis des Ist bis auf einen ganz kleinen Prozentsatz tatsächlich übereingestimmt haben.

    (Abg. Dr. Krone: Sehr richtig!)

    Es handelt sich hier zunächst um die Frage: Nach welchen Grundsätzen stelle ich meine Steuerschätzungen auf? — Meine Damen und Herren, ich habe schon öfter betont: Die besten und angenehmsten und sorglosesten und populärsten Zeiten eines Finanzministers sind die ersten Zeiten einer infla- tionären Entwicklung, wenn nämlich die Löhne steigen und damit seine Lohnsteuer und wenn damit hiernach die Preise steigen und der Unternehmergewinn und damit die Einkommensteuer.

    (Zuruf von der SPD: Und die Umsatzsteuer!)

    — Und die Umsatzsteuer erst recht! — Das sind die angenehmsten Zeiten.
    Wenn aber ein Finanzminister sich ein politisches Ziel setzt und seine Aufgabe darin besteht, keine inflationäre Entwicklung zuzulassen, so muß er gewisse Erschwernisse zunächst auf sich nehmen. Die Lohnbewegung ist nun einmal eingetreten und muß kalkuliert werden. Aber eine weitere Preisbewegung will er verhindern. Er muß infolgedessen damit rechnen, daß die Unternehmergewinne nicht in dem Maße steigen können, ' wie er es fiskalisch wünschen würde; denn die Lohnbewegung soll eine Erhöhung des Unkostenfaktors mit sich bringen und nicht eine Erhöhung des Gewinns.
    Wenn der Finanzminister diesen Standpunkt vertritt, dann muß er in seiner ganzen Steuerschätzung von diesem Grundsatz ausgehen, und er darf nicht — fiskalisch gesehen — den Wunsch, es sich leicht zu machen, zum Vater des Gedankens werden
    lassen. Wenn die Länder die Entwicklung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer ungünstiger beurteilt haben als das Bundesfinanzministerium, so mag wohl der Wunsch mit der Vater des Gedankens gewesen sein, weil ja die Gefahr einer großen Quote dann vermindert ist, wenn die Länder darauf verweisen können, daß sie einen viel größeren Prozentsatz des absolut geringeren Aufkommens an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer für ihre unvermeidbaren Aufgaben benötigen. Manchmal höre ich in der Öffentlichkeit, wo wieder ein anderer Wunsch der Vater des Gedankens ist, etwas anderes. Wenn ich die Schätzungen des Bundesfinanzministeriums mit denjenigen vergleiche, die von den beiden Interessentengruppen gemacht werden, glaube ich, daß die Schätzungen des Bundesfinanzministeriums auch für dieses Jahr im großen und ganzen wohl richtig sein werden.
    Ich darf auf einen andern Punkt eingehen; das ist die Fabel von der Unerschöpflichkeit der Zölle beim Übergang zum Wertzoll. Meine Damen und Herren, bei diesen Schätzungen werden leider Gottes einige Tatsachen übersehen. Wenn ich eine Berechnung für das nächste Haushaltsjahr machen will, muß ich davon ausgehen, daß die neuen Wertzölle legal vielleicht am 1. Oktober in Kraft treten. Nach dem ganzen System der Zolleinhebung wird sich angesichts der Tatsache, daß der sogenannte Zollaufschub einen Zeitverlust von drei Monaten bringt, die Auswirkung der neuen Wertzölle praktisch lediglich auf den vierten Teil des Haushaltsjahrs erstrecken. Ich muß weiter berücksichtigen, daß 62 Vo des gesamten Zollerträgnisses aus den Finanzzöllen kommen und daß die Finanzzölle von der neuen Zollgesetzgebung bekanntlich überhaupt nicht berührt werden; dafür bleibt es beim alten System. Nur für den Rest von 38 % und nur für den vierten Teil eines Jahres kann überhaupt die durch die neuen Wertzölle denkbare Steigerung Platz greifen. Wer die Verhältnisse genauer kennt, weiß, daß die Steigerung der Wertzölle sehr verschieden ist, je nachdem ob es sich um Fertigwaren der gewerblichen Wirtschaft oder um Nahrungsmittel, ob es sich um Rohstoffe oder Halbwaren der gewerblichen Wirtschaft handelt. Um mir ein Urteil bilden zu können, muß ich nicht nur eine Schätzung des künftigen Einfuhrvolumens und des künftigen Einfuhrwertes anstellen, wobei ich von den Devisenverhältnissen ausgehen muß, die für die deutsche Bundesrepublik heute bestehen, sondern ich muß auch die Art der einzelnen Einfuhrwaren und ihre Unterteilung einrechnen. Darauf kann ich dann eine Schätzung gründen.
    Ich glaube, daß das Bundesfinanzministerium, wenn es alle diese Berechnungen berücksichtigt, an den Schätzungen festhalten muß, die es bezüglich der Steuereinnahmen angestellt hat. Der Wunsch, keinen Fehlbetrag ausweisen zu müssen und all den Schwierigkeiten auszuweichen, die die Deckung eines Fehlbetrages bereitet, darf nicht dazu führen, in den Steuerschätzungen unwahrhaftig zu sein.
    Ich bitte, auch vor etwas zweitem warnen zu dürfen. Das Bundesfinanzministerium kann darauf verweisen, daß es von sich aus das Thema der Steuerehrlichkeit und -unehrlichkeit aufgegriffen hat. Es hat auch einen Appell an die deutsche Wirtschaft, an die deutschen Steuerzahler gerichtet, doch gemeinsam zu begreifen, daß Steuervergehen keine Kavaliersvergehen, sondern eine Versündigung am deutschen Volk und innerhalb der Wirtschaft ein unlauterer Wettbewerb schlimmster Art sind. Darüber hinaus hat es bisher getan, was es tun konnte. Ich hoffe, Ihnen demnächst noch eine Reihe von Gesetz-


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    entwürfen und Verwaltungsmaßnahmen unterbreiten zu können, die nur dem Zwecke dienen, die Möglichkeiten für die Steuerunehrlichkeit zu beschneiden, soweit das überhaupt geht.
    Auch die Gesetze, über die wir hier sprechen, insbesondere das Gesetz zum Vollzug des Art. 108 Abs. 3 — so klein und unscheinbar auch diese Bestimmung des Abs. 3 von Art. 108 aussieht —, dienen in erster Linie dem Zweck, einen gemeinsamen Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit aufzunehmen, der von den Steuerverwaltungen der Länder und der Betriebsprüfung des Bundes geführt wird.
    Ich darf in diesem Zusammenhang noch folgendes sagen. Ich glaube nicht alles, was in der Presse steht. Daß Herr Oberfinanzpräsident Ellinger, den ich als einen klugen und ruhigen Mann kenne, die Behauptung aufgestellt hat, daß sich der Steuerausfall heute auf 4,5 Milliarden berechnet, das glaube ich der Presse bisher nicht. Es wird aber das einfachste sein, mich mit Herrn Oberfinanzpräsident Ellinger ins Benehmen zu setzen. Ich werde das tun und hoffe, der Öffentlichkeit dann mitteilen zu können, was er wirklich gesagt hat und was in der Berichterstattung aus seinen Ausführungen gemacht worden ist.
    Eine schwierige Frage haben Sie, Herr Vorredner, angeschnitten. Das ist die Frage der etwaigen Anwendung des Art. 107 des Grundgesetzes. Es handelt sich dabei um ein Zustimmungsgesetz. Es kann nur im Benehmen zwischen Bund und Ländern geschaffen werden. Ich glaube, Ihnen sagen zu dürfen, daß sich sowohl beim Bund wie bei den Ländern schon gewisse Richtlinien abzeichnen. Ich hoffe, daß diese ohne jede Vergewaltigung, ohne Kommando, sondern im gegenseitigen Einvernehmen einmal Wirklichkeit werden können. Wir müssen uns darüber klar sein, daß diese Trennung, die das Grundgesetz geschaffen hat — auf der einen Seite die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel, auf der andern Seite die in den Händen der Länder liegende Verwaltung —, zu sich steigernden Schwierigkeiten führen kann und voraussichtlich auch führen wird. Es wird wahrscheinlich notwendig sein, daß sowohl hinsichtlich der Steuerquellen als auch hinsichtlich der Verwaltung — ich darf einmal den Ausdruck gebrauchen — eine Art Verbundwirtschaft von Bund und Ländern gefunden wird. Aber was ich persönlich wünsche, ist, daß, wie die Entwicklung auch läuft, sowohl der Bund wie die Länder sich bemühen, diese Entwicklung so zu leiten und zu lenken, daß sie sich zum Besten des gesamten deutschen Volkes auswirkt — das, wenn ich es so heißen darf, ein Bundesvolk in elf Ländern ist und daß die Arbeit für dieses Bundesvolk ohne Konflikte und in brüderlichem Geiste geleistet wird. Föderalismus heißt bei mir: nicht befehlen, sondern sich gegenseitig verstehen!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Renner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf fordert der Bund von den Ländern die Abgabe von 31,3 Vo der den Ländern zustehenden Einnahmen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Das macht für das laufende Etatjahr den Betrag von 2,1 Milliarden DM aus, vielmehr soll es ausmachen. Nach dem Grundgesetz ist der Bund an und für sich zu einer solchen Maßnahme berechtigt. Im Art. 106 des Grundgesetzes heißt es in Abs. 3, daß der Bund durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Deckung seiner durch andere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben in Anspruch nehmen darf. Es heißt aber dann in demselben Absatz — und das scheint uns eine sehr weitgehende Einengung dieses Rechtes des Bundes zu sein —, daß der Bund von diesem Recht dann Gebrauch machen darf, wenn es sich „insbesondere" um die Deckung von Zuschüssen handelt, die der Bund den Ländern zur Deckung von Ausgaben auf den Gebieten des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des Wohlfahrtswesens zu gewähren verpflichtet ist. Nun, im vorliegenden Fall werden — das zeigt die Begründung, die die Bundesregierung ihrer Vorlage gegeben hat — diese Zuschüsse, die der Bund von den Ländern verlangt, keineswegs verwendet, um an finanzschwache Länder zur Förderung des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des allgemeinen Wohlfahrtswesens Zuschüsse zu zahlen. In der Regierungsvorlage steht ganz eindeutig, daß diese Anforderungen an die Länder zur „Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit des Bundes" gebraucht werden.
    Der Herr Finanzminister sprach von dem wachsenden Aufgabenbereich des Bundes. Er stellte fest, daß im Zuge der Entwicklung der stärkere Lastenträger so zwangsläufig den kleineren an sich zieht. Er wollte wahrscheinlich damit sagen, dab der stärkere Lastenträger dem kleineren Lastenträger im Zuge der Entwicklung seine Bedingungen aufzwingt, daß er dem kleineren Lastenträger so langsam an die Brust drückt, bis dem der Atem ausgeht. Die „wachsende Aufgabe", die vor dem Bund und dieser seiner derzeitigen Regierung steht, ist eben die Vorbereitung des Krieges. Da in der Frage der Vorbereitung des Krieges die Länderregierungen und die Bundesregierung — von Nuancen abgesehen — einig sind, ist auch der Widerspruch der Länderregierungen im Bundesrat gegen diese Vorlage der Regierung nicht allzu groß.
    Der Streitpunkt ist, wie gesagt, eine halbe Milliarde DM. Der Herr Bundesfinanzminister sagt: Das Mehraufkommen aus Einkommen- und Korperschaftsteuer nehme ich an mich. Er sagt dazu: Die Schätzungen über die Steuereinnahmen im vorigen Jahr, die ich aufgestellt habe, haben mir recht gegeben.
    Ich bin der bescheidenen Meinung, daß die elf Landesfinanzminister, die der Auffassung sind, daß die derzeitigen Schätzungen des Herrn Bundesfinanzministers weit über das reale Ergebnis hinausgehen, mindestens so viel an Erfahrung und an Urteilskraft mitbringen wie der eine Herr Bundesfinanzminister.

    (Lachen in der Mitte.)

    Der bescheidenen Meinung bin ich. Ich mag mich irren. Aber fest steht, daß die Länderregierungen behaupten, diese Schätzungen des Bundesfinanzministers seien übersteigert. Sie behaupten darüber hinaus, daß die Schätzung von einer Milliarde Entlastung, von der der Bundesfinanzminister als Folge der Auswirkungen des zweiten Überleitungsgesetzes redet, ebenfalls übersteigert ist.
    Aber sehr viel klarer, als die Länderregierungen ihre Bedenken gegen die Zahlen und das ganze Prinzip, das in diesem Entwurf verankert wird, zum Ausdruck bringen, tun das die Städte. Vor mir liegen einige Daten aus einer Stellungnahme des Deutschein Städtetages vom 19. April 1951. Ich


    (Renner)

    nehme an, daß sie den meisten Damen und Herren in diesem Hause bekannt sind. Dort heißt es: Die Steigerung der Einnahmen der Gemeinden aus Steuern von 1949 auf 1950 beträgt nicht einmal ganz 100 Millionen DM. Ferner heißt es darin: Es ist nicht ersichtlich, worauf der Bundesfinanzminister seine Schätzungen stützen zu können glaubt, der die Steigerung des Steueraufkommens von 1950 auf 1951 doppelt so hoch ansetzt wie im vergangenen Jahr.
    Aber wer die Finanzlage der Gemeinden kennt, der weiß, daß die Kassenlage der Städte im Augenblick außerordentlich angespannt, j a teilweise katastrophal ist. Von einer Etatehrlichkeit bei den diesjährigen Haushaltsplänen, in der Hauptsache in einer großen Anzahl der Großstädte, kann überhaupt nicht mehr geredet werden. Dort ist genau so mit fiktiven Zahlen operiert, wie das in den Haushalten gewisser Länderregierungen und auch nach Behauptung der Länderregierungen im Haushalt des Bundesfinanzministeriums der Fall ist.
    Fest steht, daß die Gemeinden selber aber die Belastungen, die Mehrausgaben, die sich ergeben aus der Erhöhung etwa der Besoldung der Beamten und Angestellten, der Löhne der Arbeiter, aus den Mehraufwendungen für die Pensionszahlungen, aus dem Ausgleichsbetrag nach dem Gesetz zur Durchführung des Art. 131 des Grundgesetzes, aus der Steigerung der Sachausgaben infolge des allgemeinen Preisauftriebes, auf 588 Millionen DM schätzen. Hinzu kommen aber auch die Mehraufwendungen — sie sind heute in ihrer Höhe noch nicht übersehbar -, die durch die geplante Einbeziehung der Kommunalbetriebe in den Lastenausgleich den Gemeinden entstehen werden.
    Wie schlecht die Finanzlage der Länder im Augenblick ist, das geht doch wohl aus der Tatsache eindeutig hervor, die wir Mitte Mai in der „Welt" lesen konnten. Da stand, daß heute die Länder dem Bund 428 Millionen DM schulden. Wir wissen auch — der Herr Finanzminister hat das sehr zart angedeutet —, daß die Länderfinanzminister im Augenblick dabei sind, zu beraten, wie sie sich zu der Forderung des Herrn Bundesfinanzministers stellen sollen, der von ihnen bekanntlich die Nachzahlung der Beträge fordert, die 'auf Grund des neuen Gesetzes die Länder zu zahlen verpflichtet sind. Wir wissen z. B., daß die Länderfinanzminister mit der Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtung 'aus dem Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz dem Bund gegenüber im Rückstand geblieben sind, daß die Quote für April und Mai nicht gezahlt ist, daß sich 'der Bundesfinanzminister mit einem Eilschreiben an die Länder gewandt und die Zahlungen angemahnt hat. Wir wissen, daß am kommenden Sonntag die Länderfinanzminister zusammenkommen werden, um sich über die Auswirkung dieser Forderung zu unterhalten. Aber fest steht, daß die Landesfinanzminister heute erklären, die Forderungen des Bundes müßten einfach zur Zahlungsunfähigkeit der Länder — wenigstens zu einer vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit — führen.
    Wie sieht das nach unten aus? Heute steht in der Frankfurter Presse ein Bericht über die Verabschiedung ides Etats des Landes Hessen. Dieser Etat wird offiziell als ein Not-Etat angesprochen. In dem Bericht ist zu lesen, daß die Zuwendungen des Landes an die Gemeinden in dem laufenden Etatsjahr um 5 Millionen DM gekürzt werden. Wenn man in den Gemeinden das Problem durchdiskutiert, dann stößt man auf die Tatsache, daß
    die Gemeinden erklären, sie seien außerstande, die notwendigen sozialen und kulturellen Ausgaben zu finanzieren, sie seien außerstande, Schulhausreparaturen, Schulhausneubauten durchzuführen, sie seien außerstande, die dringend notwendige Erhöhung der Wohlfahrtsleistungen zu finanzieren. Also Not an allen Ecken und Enden für das Volk. Die Gemeinden sagen auch ganz offen, daß sie gezwungen sein werden, diesen Abbau an Landeszuwendungen dadurch in etwa aufzufangen, daß sie die Tarife für Gas, Strom, Wasser und die ihrer Beförderungseinrichtungen erhöhen müssen. Wir haben also da den Prozeß, daß die gesteigerten Ansprüche des Bundes an die Länder zwangsläufig zu einer Abdrosselung der Zuschüsse der Länder an die Gemeinden führen und in den Gemeinden zu einem katastrophalen Abbau der Ausgaben für kulturelle und 'soziale Zwecke ausgenutzt werden. Das ist der Circulus vitiosus, vor dem wir hier stehen.
    Wenn wir dann hier ganz offen gesagt bekommen, daß diese Anforderungen an die- Länder gestellt werden müssen zur Sicherung der Leistungen auf dem Gebiet der sogenannten Sicherheit, wenn wir also gesagt bekommen, daß diese Ansprüche an die Länder gestellt werden, um Deckung zu erhalten für die 9,3 Milliarden Besatzungskosten, für die 140 Millionen DM, die für die Bundesgrenzschutzpolizei verausgabt werden, für die 50 Millionen DM Bundeszuschuß für die Bereitschaftspolizei, wenn wir also sehen, daß diese Gelder, die der Bund an sich reißt, ausschließlich verwendet werden, um den Krieg, die Aufrüstung vorwärtszutreiben — —

    (Abg. Strauß: Jetzt sind wir beim Thema!)

    — Ja, jetzt sind wir beim Thema! Ganz recht, Herr Strauß, wir sind jetzt beim Thema. Darum werden die Gelder eingetrieben. Darum wird die Politik betrieben, nach unten zu treten und die Massen des notleidenden Volkes neu steuerlich und neu durch Abbau der sozialen und kulturellen Leistungen in den Gemeinden zu belasten. Wer den Krieg vorbereitet — diesen dreckigen, erbärmlichen Krieg, den Sie vorbereiten —, der ist auch verantwortlich für die Auswirkungen dieser Politik.

    (Abg. Strauß: Sehr richtig!)

    — Jawohl, der ist verantwortlich für diese Politik.
    Da wir die Zwecke genau erkennen, die den Bundesfinanzminister und diese Regierung veranlassen, diese Forderungen gegen die Länder durchzusetzen, darum lehnen wir den Anspruch des Bundes ab. Wir lehnen es ab, einer Politik zuzustimmen, die darin besteht, die breiten Massen des Volkes zu belasten und ihre Not zu vergrößern, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, Ihren amerikanischen Krieg auftragsgemäß vorzubereiten und durchzuführen.

    (Abg. Hilbert: Heinz, das glaubst Du ja selber nicht! — Zuruf von der Mitte: Alte Platte!)