Rede von
Dr.
Otto Heinrich
Greve
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion ist der Auffassung, daß sich eine Zusammenveranlagung von Mann und Frau, gleichviel, ob das Einkommen aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit herrührt, nach Art. 117 des Grundgesetzes überhaupt nur bis zum 31. März 1953 aufrechterhalten läßt, soweit sie zur Zeit geltendes' Recht ist.
Es ist zuzugeben, daß die derzeitige gesetzliche Regelung bis zu einem gewissen Grade die Möglichkeit gibt, an ihr bis zum 31. März 1953 festzuhalten. Wenn aber jetzt eine Änderung dieses derzeitigen gesetzlichen Zustandes vorgenommen werden soll, darf sie in keiner Weise dem Grundgesetz, in diesem Falle den Artikeln 3 und 6 widersprechen. Das, was die Bundesregierung dem Bundestag zur Annahme vorschlägt, ist eine Änderung des gegenwärtigen gesetzlichen Zustandes. Diese muß sich also im Rahmen des Grundgesetzes halten. Das ist die Auffasung meiner Fraktion.
Ich sagte schon, daß Art. 3 und möglicherweise auch Art. 6 die Vermeidung einer Gesamtveranlagung fordern, gleichviel ob das Einkommen aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit stammt, und daß jede andere gesetzliche Regelung gegen Art. 3 und Art. 6 des Grundgesetzes verstößt. Unsere Auffassung unterscheidet sich insofern grundsätzlich von derjenigen der Bundesregierung.
Da die Bundesregierung ihre Gesetzesvorlage in der zweiten Lesung gegen die nach unserer Auffassung eindeutigen Bestimmungen des Grundgesetzes durchgesetzt hat, waren meine politischen Freunde gezwungen, den Versuch zu machen, in dem uns oktroyierten Rahmen herauszuholen, was herauszuholen ist. Nach der Haltung, die von Ihnen in der zweiten Lesung eingenommen wurde, können wir leider nur im beschränkten Maße versuchen, noch etwas herauszuholen. Dies zu tun, ist der Sinn unseres Antrags Umdruck Nr. 192 Ziffer 1. Wenn Sie der von uns vertretenen Auffassung zustimmen sollten, bitten wir Sie, unseren Antrag Umdruck Nr. 192 Ziffer 1 anzunehmen. Wenn sich das Haus dazu nicht verstehen sollte, was ich nicht hoffe, diesen Antrag anzunehmen, dann bitte ich
daß Sie unter allen Umständen unserem Eventualantrag Umdruck Nr. 199 zustimmen.
Ich betone: wir sind uns dessen bewußt, daß alle diese Bestimmungen, die auf Änderungen des gegenwärtigen gesetzlichen Zustandes hinauslaufen, eine Verletzung des Grundgesetzes bedeuten. Aber Sid haben uns durch Ihr Verhalten dazu gezwungen, so vorzugehen, um im Interesse der Ärmsten und Allerärmsten zu tun, was notwendig ist.
— Ja, wenn Sie die Anträge zu lesen verstehen, meine Herren, werden Sie das wohl begreifen; denn bis zu 600 DM geht nicht das Einkommen der Reichen, sondern der Armen.
Jedenfalls werden wir, sofern die Frage nicht durch eine höchstrichterliche Entscheidung seitens des Bundesfinanzhofes in unserem Sinne entschieden werden sollte, gezwungen sein, das Bundesverfassungsgericht anzurufen.