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ID0114517900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag; den 31. Mai 1951 5709 145. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 31. Mai 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . 5710A, 5744C Zur Tagesordnung 5710A, 5747C Freudenberg (FDP) 5747C Mellies (SPD) 5747C Schröter (CDU) 5747D Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt- und KSt-Änderungsgesetz 1951 (Nrn. 1982, 2212, zu 2212 der Drucksachen); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Umdruck Nrn. 186, 191, 192, 193, 195, 196, 197, 199, 200) 5710B Zur Geschäftsordnung: Mellies (SPD) 5710B Schröter (CDU) 5710C Zur Sache: Dr. Koch (SPD) . . . 5710D, 5729D, 5733A, 5734B, 5737D, 5744C Dr. Ringelmann, Staatssekretär im Bayerischen Finanzministerium . . 5713B 5718C Müller (Frankfurt) (KPD) 5715C, 5720A, 5736C Dr. Wellhausen (FDP) 5717A Dr. Bertram (Z) . . . 5719B, 5727D, 5732B Neuburger (CDU) 5720C, 5731D, 5737B, 5742A Kurlbaum (SPD) 5720D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5721C, 5725B, 5731A, 5733C, 5739D Frau Wessel (Z) 5722D Dr. Greve (SPD) 5723C Frau Lockmann (SPD) . . . 5724A, 5737A Farke (DP) 5726B Frau Dr. Weber (Essen) ,(CDU) . . 5726D Loritz .(WAV) 5727C Pelster (CDU) 5729A Horn (CDU) 5729C Dr. Dr. Höpker-Aschoff '(FDP). . 5732D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 5738B Lausen (SPD) 5740C Ewers (DP) 5743A Dr. Bucerius (CDU) 5746A Zur Abstimmung: Dr. Koch (SPD) 5746B Müller (Frankfurt) (KPD) 5747A Abstimmungen: . 5719A, 5722B, 5733C, 5737C, 5738A, 5740A, 5744D, 5747B Fortsetzung der zweiten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, BP, Z eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr (Nr. 2061 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (il. Ausschuß) (Nrn. 2213, 2286 der Drucksachen) 5747C, 5748A Freudenberg (FDP) (zur Geschäftsordnung) 5747C Dr. Povel (CDU), Berichterstatter . 5748A Mertins (SPD) 5748C Abstimmung 5749D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2245 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Absätze 1, 2 und 4 des Grundgesetzes (Nr. 2268 der Drucksachen) 5747C, 5750A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5750B, 5754D Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 5752B Lausen (SPD) 5753A Renner (KPD) 5756B Ausschußüberweisung 5758A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das -Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan IV - Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts - (Nr. 1904 der Drucksachen; Änderungsantrag Umdruck Nr.172) in Verbindung mit Einzelplan IV b - Haushalt für Angelegenheiten des Europarats und verwandter Gebiete - (Nr. 1927 der Drucksachen) 5758A, C, 5764A Strauß (CSU) (zur Geschäftsordnung) 5758B Mellies (SPD): zur Geschäftsordnung . . 5758B, 5765A zur Sache 5768C Dr. Blank (Oberhausen) (CDU), Berichterstatter 5758C, 5764A Dr. Wuermeling (CDU): zur Geschäftsordnung 5764C zur Sache 5772C Dr. von Campe (DP) 5765B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 5771D, 5778C, 5800D Dr. Luetkens (SPD) . . . . 5773D, 5801D. Fisch (KPD) 5782C Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) (zur Geschäftsordnung) . . 5785A, 5788D Dr. Bertram (Z) (zur Geschäftsordnung) 5785A, 5789A Loritz (WAV): zur Geschäftsordnung 5785A zur Sache 5785B, Dr. von Brentano (CDU) (zur Geschäftsordnung) 5789A Dr. Reismann (Z) 5789C Fürst zu Oettingen Wallerstein (BP) 5793C Dr. Vogel (CDU) 5794Ç Ollenhauer (SPD) 5797B von Thadden (DRP) 5802A Abstimmungen 5802C Nächste Sitzung 5803B, D Die Sitzung wird um 13 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Bernhard Reismann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Meine Damen und Herren! Ich kann durchaus verstehen, wenn Sie zu dieser Stunde - fünf Minuten vor 12 — wenig Neigung haben, den Verhandlungen noch zu folgen.

    (Zurufe rechts: Schluß! Schluß! — Weitere lebhafte Zurufe. — Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

    Unsere Fraktion ist, wie wir das eben schon zum Ausdruck gebracht haben, der Ansicht, daß es nach den Erfahrungen sowohl dieses Hauses als auch des früheren Reichstags durchaus nicht zweckmäßig ist, solche Nachtsitzungen zu veranstalten. Aber da es nun einmal im „Hohen Rat" beschlossen worden ist, so muß es eben steigen, und da finde ich es der Würde des Hohen Hauses abträglich, bei einer so wichtigen Sache ein solches Bild zu zeigen, daß nämlich auf die Verhandlungen weder die Regierung noch die Abgeordneten des Hauses Wert zu legen scheinen.
    Nun zur Sache selbst. Ich habe heute abend nur die Absicht, zu dem Etat des Bundeskanzlers und der ihm angeschlossenen Dienststellen den formalen Aufbau und die Personalpolitik betreffende Ausführungen zu machen. Ich bin der Ansicht, daß man zu der Außenpolitik des Herrn Bundeskanzlers und zu der Politik überhaupt, die er betreibt, besser bei den einzelnen Fragen sprechen sollte, insbesondere auch zu den außenpolitischen Fragen, die heute im Laufe des Abends angeschnitten worden sind.
    Ich will aber nicht verfehlen darauf hinzuweisen, daß meine Fraktion mit der Politik, die die Regierung hinsichtlich des Schumanplans verfolgt hat, einverstanden ist und daß wir uns keineswegs den in dieser Hinsicht vorgetragenen Beanstandungen ihrer Politik anschließen. Noch in einem anderen Punkt will ich mich sofort zu Beginn meiner Ausführungen von dem distanzieren, was von anderer Seite der Opposition vorgetragen worden ist. Wir haben es bisher verschiedentlich erlebt, daß die Person des Ministerialdirektors Globke Gegenstand von Angriffen gewesen ist. Ich habe Verständnis dafür, daß das das eine oder andere Mal geschieht, auch wenn ich die dabei vorgebrachten Meinungen nicht teile. Ich verstehe aber langsam nicht mehr, daß sich diese Angriffe immer wieder gegen dieselbe Person richten und dabei gesagt wird, das werde sich noch längere Zeit fortsetzen. Das veranlaßt mich zu schildern, unter was für Umständen ich Herrn Ministerialdirektor Globke kennen lernte.
    Es war nach dem Krieg im Landtag von Nordrhein-Westfalen, als er unter Mitwirkung der SPD in der dortigen Regierung zum Chef ides Landesrechnungshofes ernannt werden sollte. Und als er dann vorgeschlagen wurde — damals war Herr Kollege Menzel Innenminister —, habe ich mich bei Herrn Menzel nach ihm erkundigt. Er hat ihn nicht beanstandet. Mir war Herr Globke damals vollkommen fremd. Herr Menzel hat mir gesagt, daß das bekannte Buch von ihm geschrieben worden sei. Das war ihm also bekannt. Ich habe Ver-


    (Dr. Reismann)

    ständnis dafür, daß man nach einer Prüfung zu dem Ergebnis kommt, seine Persönlichkeit gäbe deswegen nicht zu Beanstandungen Anlaß. Aber ich habe dann später auch in der Zusammenarbeit mit Herrn Globke gefunden, daß man mit seiner Arbeitsweise durchaus zufrieden sein konnte. Wir sehen deswegen keinen Anlaß, in Zukunft auf die Angriffe gegen Herrn Globke einzugehen.

    (ffentlichkeit am meisten zu tun hat — ist die Bundespressestelle. Es ist ein merkwürdiges Amt, ein Amt mit einer Art von Wechselrahmen für den jeweiligen Leiter. Seit längerer Zeit ist überhaupt kein planmäßiger ordentlicher Leiter dieser Stelle vorhanden. Diese Stelle der Dementis zu verwalten, ist ja einigermaßen schwer. Statt einen Leiter zu ernennen, hat man nun schon seit längerer Zeit einen Herrn mit der Leitung beauftragt, der auf diesem Gebiet offenbar seine Erfahrungen hat. Er war im Auswärtigen Amt unter Ribbentrop der Leiter der Kulturabteilung, und zwar löste er den vom Zentrum seinerzeit dorthin gebrachten Leiter 1933 sofort ab und füllte diese Stelle bis zum Ende der Naziherrlichkeit des „Tausendjährigen Reiches" mit dem vollsten Vertrauen seiner Vorgesetzten aus. Er wird danach damals für einen pflichtgetreuen Beamten gehalten worden sein. Daß er gelegentlich Reminiszenzen an diese herrliche Zeiten zu haben scheint, ergibt sich aus einer Äußerung, die in Pressekreisen umläuft, wonach er — in englischer Sprache und auch noch zu einem Ausländer — gesagt haben soll — und es wäre wirklich der Mühe wert festzustellen, ob dieses Gerücht wahr ist oder nicht, wobei allerdings das Ergebnis, wenn es aus dem Munde der Dementierstelle kommt, etwas zweifelhaft sein könnte —: „Ja, das waren noch Zeiten, da konnte ich den Chefredakteur der „Deutschen Allgemeinen Zeitung" zu mir bestellen und sagen: ,Mein Lieber, morgen bringen Sie mir einen Artikel über das und das', und dann kam dieser Artikel, und heute stehe ich vor einem Haufen von Presseleuten, die neugierige Fragen an mich richten; zum Teil sind sie dann auch noch unrasiert, und ich muß diese Fragen beantworten." Diese Art eines Mannes in verantwortungsvollster Stelle, zu Ausländern über die Presse in dieser Form zu sprechen, erscheint uns unverantwortlich und ein Zeichen dafür, daß der Herr die Erinnerungen an die frühere Zeit noch nicht so recht verloren hat. — Ja, aber auch sonst. Es ist eben von einem Herrn der Sozialdemokratie dargelegt worden, was an Ungenauigkeiten und Entgleisungen in der offiziellen Schrift vorgekommen ist, die dieses Amt herausgegeben hat. Damit befaßt sich auch schon das Ausland. So bringt z. B. die schweizerische Nationalzeitung aus Basel in ihrer Nr. 209 vorn 10. Mai 1951 einen Hinweis darauf: Schließlich muß man sich fragen, so schreibt das Blatt — was das Bundespresseamt bezweckte, als es in seinem letzten Informationsdienst einen Artikel der Zeitschrift „Fortschritt", deren Chefredakteur der bekannte ehemalige Nazipublizist Schneider ist, an erster Stelle veröffentlichte, in welchem der ehemalige deutsche Botschafter in Frankreich, Otto Abetz, als ein echter Europäer und als ein Opfer der deutsch-französischen Verständigung dargestellt wird. Es sei nicht die schlechteste Seite an der Herrschaft der Nazis gewesen, einen Mann wie Otto Abetz zum Zuge kommen zu lassen. Dem Presseamt der Bonner Regierung scheint dieser Artikel ganz außerordentlich gefallen zu haben, obschon allein die Tatsache, daß eine Zeitung wie der „Fortschritt" von der Regierung zitiert wird, kaum zu verstehen ist. Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte die Aufmerksamkeit des Hauses gerade auf diese Stelle der Bundesregierung lenken, die uns, wie dieses Beispiel zeigt, im Ausland außerordentlich schaden kann; und es haben sich auch bisher schon Ansätze dazu bemerkbar gemacht. Ich komme nun zu dem Amt des Außenministers, zu dem Auswärtigen Amt, das sich nach unserer Ansicht einer viel zu geringen Beachtung durch den Herrn Bundeskanzler selbst „erfreut" hat. Erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit gibt es einen Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Aber dieser Staatssekretär muß ja praktisch die Aufgaben des de facto nicht vorhandenen Außenministers erfüllen. Er ist bei den Konferenzen anwesend, bei denen zweckmäßigerweise der Außenminister da sein sollte. Er weilte monatelang in Paris. Vor allen Dingen hatte er auch die Last der SchumanplanVerhandlungen zu tragen, so daß er sich praktisch um den Aufbau, die Organisation und um die Personalien des Auswärtigen Amtes überhaupt nicht kümmern konnte, ganz abgesehen davon, daß dieses Amt schon stand, als er dorthin kam. Er fand deswegen einen fast fertigen Apparat und außerordentlich selbstherrliche Beamte dort vor. Diese Selbstherrlichkeit äußert sich schon in dem Stil. Es ist ein merkwürdiger Stil, wenn man z. B. Abgeordnete — nicht etwa von unserer Fraktion, sondern von einer Landtagsfraktion der CDU — zweimal nach Bonn kommen läßt, dann selber nicht anwesend ist und sich nicht entschuldigt. Das erste Mal kann man das noch mit einem Versehen entschuldigen; aber wenn dann der Vertreter einen neuen Termin verabredet und wieder niemand da ist und man denselben Abgeordneten etwa 200 oder 300 Kilometer reisen läßt und sich dann noch nicht entschuldigt, — dann ist das eine Art, wie man selbst in einem Lande wie Nordrhein-Westfalen, wo wir einen CDU-Innenminister haben, nicht mit irgendeinem Staatsbürger zu verkehren gewohnt ist. Dieser Innenminister schreibt z. B. in seinem Erlaß vom 31. 3. 51: Es geht nicht an, daß das Publikum lange Zeit überhaupt nichts von der Behörde erfährt, daß etwa eine Beschwerde monatelang unbeantwortet bleibt. Beim Bundeskanzleramt dagegen ist man gewohnt, auf Briefe überhaupt keine Antwort zu bekommen. Aber was noch schlimmer ist: Man bekommt manchmal eine Antwort, und sie ist dann noch nicht einmal richtig. Wenn da z. B. gesagt wird, daß zwei Briefe von mir — nebenbei bemerkt, CDU-Abgeordnete bekommen manchmal oder fast regelmäßig auch keine Antwort auf Briefe, die an das Bundeskanzleramt gerichtet waren — überhaupt nicht 'angekommen seien, aber zufällig kommt in der Abwesenheit des Leiters dieses Amtes ein dritter Brief an, und es wird ein großes Nachsuchen veranstaltet, wo die beiden andern geblieben sind, und hinterher behauptet das Auswärtige Amt: sie sind doch angekommen, — dann ist das eine merkwürdige Angelegenheit, die jedenfalls für die Wahrheitsliebe, für die Genauigkeit, Präzision und Zuverlässigkeit dieser Auskünfte nicht gerade Zeugnis ablegt. Das feststehende Wort von den Bonner Dementis hängt damit zusammen. Aber dem Unterausschuß ist .es beispielsweise auch vorgekommen, daß ihm als dem Unterausschuß des Auswärtigen Ausschusses falsche Antworten auf ganz konkrete Fragen gegeben worden sind. Z. B. war hinsichtlich einer Persönlichkeit, die ich selber gar nicht anfechte, sondern die ich durchaus als ordnungsgemäß, brauchbar, fähig und sonst einwandfrei anerkenne, die Behauptung aufgestellt worden auf eine offizielle Anfrage, dieser Herr sei in der Nazizeit aus rassischen Gründen aus dem Amt entfernt worden. Man stellte aber fest, daß es nicht wahr war, und auf einen Vorwurf dieserhalb wurde nicht etwa klargestellt, daß die Antwort falsch und irrtümlich sei, sondern lediglich ausweidend und mit Aggression darauf geantwortet, daß es, wenn man das, was der Beamte ausgestanden hätte, nicht gelten lasse, von mangelndem Verständnis für die Situation zeuge. Man wollte also an der Tatsache vorbeisehen, daß hier das Amt versuchte, einem Abgeordneten in einem Unterausschuß eine falsche Auskunft zu geben. Aber auch weitere Auskünfte dieses Amtes sind unrichtig. Ich habe verschiedentlich gesagt, daß wir deswegen die Auskünfte der Bundesregierung nicht ,für ausreichend zuverlässig halten. Das Parlament wird es nötig haben, sich gegenüber dieser Informationsquelle selbständig zu machen. Kollege Luetkens hat die Frage der Konfessionsstatistik angeschnitten. Ich will darauf in diesem Zusammenhang nicht eingehen, das kommt gleich. Ich will aber bei der Gelegenheit darauf hinweisen, daß die Statistik, die vorgelegt worden ist, falsch war. Es ist öffentlich gesagt und geschrieben worden, daß 34% Katholiken waren. In Wirklichkeit sind von den höheren Beamten und den Angestellten, die auf Beamtenstellen sitzen, nur zwischen 17 und 18 % Beamte katholischen Bekenntnisses. Es spielt an sich keine Rolle, welches Bekenntnis sie haben, wenn sie nach dem Prinzip der Tüchtigkeit ausgesucht wären. Ich werde aber gleich darauf -kommen, daß auch das nicht zutrifft. Nein, sie sind nach gesellschaftlichen und anderen Gesichtspunkten und auf Grund persönlicher Beziehungen ausgesucht worden. Wie will man es z. B. sonst erklären, daß man zwei Herren, die dem Kösener SC angehört haben — ausgesucht wurden diese Herren von drei anderen, die diesem Verein auch angehörten—, ins Ausland als Leiter von Wirtschaftstellen geschickt hat, und daß sie binnen weniger Monate wegen totaler Unfähigkeit abgelöst werden mußten? Aber der dafür verantwortliche Personalchef wurde selber schleunigst Generalkonsul, weit weg von hier! Hängt das mit der Tüchtigkeit zusammen, oder welche Gründe hat es sonst, daß jetzt in einem Land des vorderen Orients, das gegenwärtig schon von äußerster Bedeutung ist und auch in Zukunft sein wird, ein alter Herr sitzt, der früher seine Verdienste gehabt haben mag, der aber jetzt nicht bloß unter Eingeweihten, sondern auch bei denen, die ihn früher gekannt haben als, na, sagen wir ganz vorsichtig und schonend, als mehr als überaltert gilt. Wie soll man es erklären, daß er dort sitzt — er hat ja demselben Klub angehört —, dann aber noch zum Lohn dafür, daß sich ja inzwischen seine Unfähigkeit herausgestellt hat, zum Botschafter oder Gesandten in diesem Lande vorgesehen ist? Das beweist auch nicht gerade, daß die Gesichtspunkte der fachlichen Eignung und Tüchtigkeit maßgebend sind. Aber vielleicht ist da das Wissen dieses Herrn ausschlaggebend; denn er g war der Leiter der Telegrammkontrolle unter Ribbentrop. Ja, man vergißt die Wiedergutmachung bei den Leuten, die damals in der Ära Ribbentrop aus dem Amt geflogen sind. Allzu wenig in dieser Weise Geschädigte haben eine Wiedergutmachung erfahren. Deswegen hatte man es offenbar nötig, die Statistik zu verbessern. Aber man nimmt allzu wenig Rücksichten auf diepolitische Belastung; denn — von der Tüchtigkeit abgesehen — wir sind es in erster Linie unserem Ruf schuldig, daß wir nunmehr politisch einwandfreie und unbelastete Leute hinausschicken. Wenn wir aber dann Leute dabei haben, von denen das gesamte Ausland — und es hat mit gespitztem Bleistift dabeigesessen! — z. B. folgendes lesen kann — ich zitiere hier nur das Protokoll des Wilhelm-Straßen-Prozesses vom 24. 8. 48 —: An einen Herrn, der jetzt irgendwo Generalkonsul ist, wurde folgende Frage gerichtet: „Wußten Sie, daß unter Best Vergeltungsmaßnahmen durchgeführt wurden?" — Antwort: „Ja." — „Vergeltungsmaßnahmen, das war doch wohl gleichbedeutend mit Mord?" — Antwort: „Jawohl." — „Wußten Sie, daß Best in Mordsachen verwickelt war, als Sie ihn' deckten?" — Antwort: „Jawohl." — „Entsinnen Sie sich, daß Best über weitere Morde berichtete, die er ausführen würde?" — „würde", also in Zukunft —! Antwort: „Jawohl!" — Das ist ein Fall. Ein zweiter Fall, ein Herr, der Mitarbeiter hier in Bonn ist. Über ihn kann man im Protokoll auf Seite 18 287 und 18 289 lesen: Dieser Herr empfahl angesichts des Papstvorschlags Weihnachten 1939, eine Waffenruhe eintreten zu lassen, hinhaltende Behandlung, und er empfahl als politischer Referent unter Herrn Theo Kordt im Herbst 1939, man solle Warschau ruhig bombardieren, obwohl es eine offene Stadt war. Der Dank aller Ausgebomten in Deutschland und sonst in Europa .ist ihm gewiß. Aber er bekleidet eine Stelle innerhalb der Bundesregierung. Und dann sagt man, die Personalpolitik dieser Bundesregierung sei einwandfrei und von den Ausschüssen geprüft. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Unterausschuß des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten — wie war er zusammengesetzt? Ich komme dabei auf ein Kapitel zu sprechen, das etwas heikel ist, weil es dieses Haus zum Teil selbst berührt. Ich sage es ganz offen, ich bin der Ansicht, es gehört frisches Blut in das Auswärtige Amt hinein. Es wäre gut, wenn ins Ausland Politiker geschickt würden, die au pair mit anderen Politikern verkehren könnten. Aber wenn man geradezu Schlange steht, und wenn Abgeordnete der Regierungsparteien nichts Besseres zu tun wissen, als sich selber möglichst weit vom Schauplatz ihrer Tätigkeit abzusetzen, möglichst viel Wasser zwischen sich in Gegenwart und Zukunft zu legen, dann wirft das doch die Frage auf, meine sehr verehrten Damen und Herren, was müssen die Herren für einen Eindruck von den Folgen ihrer eigenen Politik haben. (Sehr gut! links. — Abg. Dr. Wuermeling: Billig!)


    (Abg. Kiesinger: Na, na!)


    (Zuruf von der CDU.)


    (Dr. Reismann)


    (Hört! Hört! links.)


    (Unruhe und Zurufe.)


    (Sehr richtig! links.)

    — Wenn Sie etwas Besseres wissen, Herr Kollege, würde ich Ihnen empfehlen, nicht so billige Zurufe zu machen. Es gibt nur ein bestimmtes, kleines Repertoire bei Ihnen, aber der Rang eines Staats-


    (Dr. Reismann)

    Sekretärs, Herr Kollege 'Wuermeling, verpflichtet dazu, etwas Besseres zu sagen als das.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Augenblicklich sind Sie am Reden. Ich werde Ihnen auch noch dienen! — Zuruf: Er kann nicht mehr geben, als er hat!)

    — „Nemo plus juris transferre potest", aber Witz, den kann man vielleicht borgen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es interessiert festzustellen, was für Kräfte überhaupt bei der Restauration dieses Amtes genau nach dem Schema Ribbentrop am Werk sind. Da wäre das Wort verständlich — selbst dann, wenn es nicht richtig wäre-, daß hinter dieser Personalpolitik der Personalchef von Ribbentrop, nämlich Herr Schröder, steht, von dem man sagt, daß er bei maßgeblichsten personalpolitischen Entscheidungen gefragt werde. Ich kann nicht kontrollieren, ob das stimmt, aber der Verdacht ist durch das gerechtfertigt, was hier tatsächlich geschehen ist. Das hängt damit zusammen, daß eben der Herr Bundeskanzler selbst sich um die Personalien so gut wie überhaupt nicht gekümmert zu haben scheint, und er hat Blankovollmacht an Herren gegeben, von denen eine ausländische Zusammenstellung von Personalberichten — nicht „Inside Germany Informations"; ich weiß nicht, woher sie kommt —, also eine Zusammenstellung, die maßgeblichen Stellen der amerikanischen Besatzungsmacht in Amerika und Deutschland vorliegt. Darin wird erklärt, diese Gruppe von Menschen hielte deswegen zusammen, weil sie von einander zuviel wüßten, sie hielten deswegen zusammen, weil sie sich gegenseitig verpflichtet wären, sich in der Vergangenheit gegenseitig verpflichtet hätten, zum Teil aus sehr anständigen Motiven. Wenn damals jemand von den Nazis verfolgt war und Unterstützung bei jemandem gefunden hat, aus persönlichen oder anderen Gründen, so fühlt er sich dem gegenüber zur Zeit vielleicht verpflichtet. Aber das sind keine Gesichtspunkte, nach denen man die Personalpolitik eines Amtes aufbauen kann.

    (Abg. Dr. Becker [Hersfeld]: Das erledigt man im Ausschuß! Was Sie hier in der Öffentlichkeit machen, das ist ich will es nicht weiter sagen!)

    — Sie brauchen aber lange Zeit, um auf die Idee zu kommen, Zwischenrufe zu machen, Herr Kollege. Es kommt darauf an, wie es sich mit dem verhält, was ich gesagt habe. Widerlegen Sie mir das, was ich gesagt habe.

    (Abg. Euler: Sie haben selbst gesagt, daß Sie zu den Gerüchten nichts Positives sagen können! — Zuruf rechts: Widerlich ist das!)

    Zu der rein sachlichen Frage: Warum sind diese Ämter, die das Auswärtige Amt zu besetzen hat, nicht längst besetzt worden? Auch das ist zum Teil eine Folge der Überlastung des Herrn Bundeskanzlers, aber nur zum Teil. Wenn hier seit Monaten diplomatische Vertreter und Konsuln sind und wir deren Gesuch auf Zulassung noch nicht beantwortet haben, so ist das eine Unhöflichkeit gegenüber diesen Ländern, sie ist auf keinen Fall zu entschuldigen. Das ist aber auch eine Vernachlässigung der Interessen unserer eigenen Bürger im Auslande und derer, die mit uns Handel treiben wollen, eine Vernachlässigung unserer eigenen Wirtschafts-, Handels- und Deviseninteressen. Wieviel Geld ist uns dadurch entgangen, daß wir fast seit einem Jahr die Erlaubnis und Möglichkeit haben, Konsuln nach Südamerika zu schicken, aber keinen Gebrauch davon machen.
    Was soll es eigentlich heißen und wie muß es im
    Auslande wirken, daß Minister Spiecker in der Welt herumreist? Warum nur Südamerika? In Asien gäbe es vielleicht Dinge, die sich viel mehr geändert haben, wo Untersuchungen anzustellen sehr viel wichtiger wäre.

    (Zuruf rechts: China!)

    — Nein, aber vielleicht wissen Sie, daß es in Indonesien interessante Dinge gibt, nicht bloß in China, daß es z. B. auch in Kleinasien interessante Fragen gibt, und darum hat sich keiner gekümmert. Jedenfalls ist die Auswertung dieser Spiecker-Reise vollkommen unterblieben. Viele Monate hat man sich überhaupt nicht um das gekümmert, was er heimgebracht hat. Das Geld dafür schien vollkommen umsonst ausgegeben zu sein. Von Herrn Minister Spiecker schrieb damals die „Welt" — das spätere Verhalten hat dieser Karikatur einigen Auftrieb gegeben —: „Mein Lieber", so sagt — in jener Karrikatur — der Bundeskanzler zu seinem Gegenüber: „Sie brauchen Luftveränderung, Sie müssen ins Ausland." 'Es scheint mir fehl am Platze, so die Auslandsreisen der deutschen Politiker aufzufassen. Eine Reise, die nicht ausgewertet worden ist, die lediglich dazu dient, entweder jemandem gefällig zu sein oder einen lästigen Politiker abzuschieben auf mehr oder weniger Zeit, gehört nicht in den Rahmen eines ernsthaften Aufbaues einer neuen deutschen Außenpolitik.

    (Abg. Dr. Krone: Schätzen Sie so Herrn Spiecker ein?)

    — Ich spreche nicht von Herrn Spiecker, ich spreche von der Außenpolitik.

    (Heiterkeit. — Zurufe. — Abg. Dr. Wuermeling: Lassen Sie das aber auch im Protokoll stehen!)

    — Ich pflege meine Protokolle nicht zu ändern; ich
    weiß nicht, ob das bei Ihnen Sitte ist, Herr Kollege.
    Die Zusammensetzung des Amtes selber gibt aber auch Veranlassung, sich die Dinge einmal näher anzusehen. Wenn man z. B. sich die Stellenpläne unserer Auslandsvertretungen ansieht, dann muß doch auffallen, daß z. B. Luxemburg mit fünf Dezernentenstellen statt früher 2, Sidney 9 statt früher 2, Oslo 9 statt früher 3, Montreal 9 statt früher 3, Brüssel 10 statt früher 4, Den Haag 10 statt früher 3, Santiago 10 statt früher 4 Dezernentenstellen dastehen. Woher diese ungeheure Aufblähung? Jawohl, ich weiß, man wird sagen, das macht die Neueinführung der Stellen von Sozialattachés, von Wirtschaftsattachés. Aber doch nicht die Verdreifachung! Das erscheint mir absolut überflüssig und übersetzt. Und wenn man dann in den Beneluxstaaten diese Verdreifachung in jedem Staate vornimmt, so scheint mir die Möglichkeit absichtlich außer acht gelassen zu sein, daß man hier eine Koppelung mehrerer Länder oder mehrerer Referate vornehmen könnte. Nach meiner Meinung haben wir nicht das Geld zur Verfügung, um auf diese Art und Weise Posten zu besetzen. Es drängt sich geradezu der Gedanke auf: Wem soll damit ein Gefallen getan werden, wer soll denn alles dahingeschickt werden? Hat man hier Stellen gemacht der Reflektanten wegen, oder was ist da vor sich gegangen?

    (Zuruf von der CDU: Im Ausschuß genauer informieren, Herr Reismann! — Zuruf von der FDP: Da geht er im Jahre alle 5 Monate hin!)

    Ähnlich verhält es sich mit der Frage, die ich auch noch anschneiden möchte, die in der Öffentlichkeit sehr diskutiert worden ist, die besser nicht


    (Dr. Reismann)

    diskutiert worden wäre und deren Diskussion vermieden worden wäre, wenn der Kanzler mit der gebotenen Schnelligkeit reagiert hätte. Es ist vom Vatikan schon als erstem Staat ein diplomatischer Vertreter nach hier gesandt worden. Die Beantwortung hat solange auf sich warten lassen, daß sich inzwischen eine leidige Debatte über die Konfession des Vertreters erhoben hat. Abgesehen von der Unhöflichkeit und Unangemessenheit dieses Zögerns sei nun einmal auf diese Frage selbst eingegangen. Es ist von dem Herrn Bundestagspräsidenten, der dabei aus der Reserve herausgegangen ist, die seinem Amte an sich angemessen erscheint, vorgetragen worden, es entspreche einer alten und bewährten Tradition, daß der Inhaber dieser Stelle Protestant sein müsse. Ich betone das Wort „müsse". Welchen Bekenntnisses er ist, ist mir überhaupt gleichgültig. Ich behaupte nicht, es müsse ein Katholik sein. Ich wehre mich aber gegen \\die Behauptung, es dürfe kein Katholik sein. Das verstößt gegen das Grundgesetz.
    Nun gehen wir einmal auf die Tradition ein. Eine solche Tradition besteht nämlich gar nicht. Es gibt eine preußische Tradition, und diese hat sich schlecht bewährt. Es ist manchem im Hause sicher bekannt, welchen Zusammenstoß z. B. der preußische Gesandte von Niebuhr seinerzeit — es ist lange her — wegen seiner Unkenntnis der katholischen Gebräuche im Vatikan gehabt hat. Aber davon abgesehen, es gab neben dem preußischen dann einen bayerischen Gesandten, und der war ebenso konsequent katholisch wie der preußische evangelisch war. Erst seit jüngster Zeit, nämlich erst in der Weimarer Republik, seit dem Konkordat wurde die Stelle eines Reichsbotschafters beim Vatikan eingerichtet, und erst von da an könnte man von einer Tradition sprechen — abgesehen davon, 'daß Bismarck einmal den Kardinal Hohenlohe zum Gesandten machen wollte, was aber der Papst seinerseits nicht wünschte; aber nicht grundsätzlich nicht wünschte, sondern weil er nicht einen Kardinal in dieser Stellung haben wollte. Man hat auch behauptet, der Vatikan habe sich gegen einen katholischen Gesandten gewehrt. Das ist auch nicht wahr. Der Vatikan hat ausdrücklich erklärt, daß er keinen Wert auf das Bekenntnis lege. Man könnte also höchstens von einer Tradition von der Weimarer Zeit an sprechen. Diese Zeit ist aber viel zu kurz, als daß sigh in ihr hätte eine Tradition bilden können.
    Um was für Angelegenheiten handelt es sich nun bei den Fragen, die vor dem Vatikan vertreten werden müssen? — Doch grundsätzlich nicht um Fragen von Protestanten, sondern in erster Linie umkatholische Angelegenheiten, die dortverhandelt werden sollen. Und ferner handelt es sich um ein durchaus katholisches Milieu, so daß auch aus sachlichen Gründen durchaus der Standpunkt vertretbar wäre, ein Katholik sei eher dafür zu bevorzugen.

    (Zurufe von der CDU: Was soll denn das? — Also doch Katholik!)

    — Nein, ich habe ja gesagt, daß man das schon einmal überlegen müßte, ob nicht aus sachlichen Gründen der Standpunkt, der anderen Seite unvertretbar ist.

    (Abg. Frau Dr. Gröwel: Das müssen Sie präziser sagen!)

    — Ich habe das präzise genug gesagt, gnädige Frau.

    (Abg. Frau Dr. Gröwel: Nein!)

    Im übrigen ist die Geschichte ja nun doch langsam durch die Hin- und Her-Überlegungen so peinlich geworden.

    (Zurufe von der CDU: Peinlich für Sie! — Durch Ihre Reden!)

    — Nein, nein, der Bundestagspräsident, hat damit angefangen; und es wird mir gestattet sein, auch meine Meinung dazu zu sagen, wenn er das in einer öffentlichen Versammlung als dem dafür nicht zuständigen Gremium erörtert hat.
    Im übrigen wird die Politik hier in Bonn gemacht, und der jeweilige Botschafter hat sie dort nur zu vertreten. Wir beziehen uns auf das Grundgesetz, das den Zugang zu den Beamtenstellen für jedermann freihält, der die sachliche und fachliche Eignung mitbringt, ohne Rücksicht auf das Bekenntnis. Deswegen wehren wir uns gegen den Gedanken, daß irgendeinem wegen seines Bekenntnisses irgendeine Stellung verschlossen werden und verschlossen bleiben soll.

    (Beifall beim Zentrum. — Zuruf rechts: Sie brauchen Luftveränderung!)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fürst zu Oettingen-Wallerstein.

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    Rede von Fürst zu Eugen Oettingen-Wallerstein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter den Haushaltsplänen, die jetzt zur Debatte stehen, erregt das nunmehrige Auswärtige Amt das allergrößte Interesse, ein Amt, das wir nunmehr aufbauen können, nachdem der dornenvolle Weg zur deutschen Souveränität uns dazu in die Lage versetzt hat, ein Amt, das ich mir genau so gut unter der Bezeichnung „Ministerium der auswärtigen Angelegenheitere" vorstellen könnte. Bei aller Achtung vor Tradition würde dieser Ausdruck vielleicht noch besser .der Tatsache des neuen Staatsaufbaues entsprechen.
    Was den Etat des Auswärtigen Amtes anbelangt, so kann ich natürlich nicht wie mein Vorredner in solche Details einsteigen und soviel aus der Personalpolitik, die ja eigentlich erst im Anlaufen ist, zum besten geben. Meine Freunde und ich sind der Ansicht, daß das Auswärtige Amt nunmehr raschestens aufgebaut werden muß, selbstverständlich ohne übertriebenen Personalaufwand. Wir halten es auch für zweckmäßig und notwendig, daß der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes ständig am Sitz der Bundesregierung weilt und nicht zu stark durch Verhandlungen im Ausland in Anspruch genommen ist. Wir haben zur Kenntnis genommen, daß in diesem Auswärtigen Amt zwei politische Abteilungen geschaffen werden sollen, eine Angelegenheit, die dann wohl gutgehen kann, wenn sie, wie hier heute auch schon angeregt wurde, unter der Leitung eines politischen Unterstaatssekretärs steht. Diese Anregung wurde bereits von meinen Fraktionsfreunden im Ausschuß gegeben.
    Wir sind auch der Ansicht, daß für das Auswärtige Amt entsprechend den besonderen Verhältnissen des auswärtigen Dienstes eine gesonderte Besoldungsordnung bestehen müßte, wie sie früher bestanden hat und wie sie meines Wissens auch in anderen Staaten besteht. Wir sind der Ansicht, daß die wichtigen diplomatischen Posten nunmehr baldigst besetzt werden müssen, und zwar mit Persönlichkeiten, die ohne Rücksicht auf ihre Parteizugehörigkeit nur nach ihrer Eignung ausgewählt werden. Sprachkenntnisse, Weltgewandtheit, Erfahrungen in wirtschaftlichen und sozialpolitischen


    (Fürst zu Oettingen-Wallerstein)

    Fragen und Angelegenheiten müssen dabei den Ausschlag geben.

    (Zurufe von der SPD.)

    Auf keinen Fall können Persönlichkeiten für den Auswärtigen Dienst in Frage kommen, die den Nationalsozialismus gestützt haben oder die sonst aktive Nazis waren.

    (Abg. Renner: Dann müssen Sie 90% abbauen!)

    Meine Freunde von der Bayernpartei werden dem Etat des Bundeskanzleramts und des Auswärtigen Amtes zustimmen,

    (Abg. Renner: Trotz der Nazis!)

    und zwar aus der Erkenntnis, daß wir dank der Politik des Herrn Bundeskanzlers Fortschritte auf dem Wege zur Erringung der deutschen Souveränität und zur Schaffung unserer Existenzgrundlagen gemacht haben. Wir sehen einen Fortschritt in dem Beitritt Deutschlands und der deutschen Regierung zum Europarat als gleichberechtigtes Mitglied und in der Aufnahme der deutschen Regierung in den Ministerausschuß des Europarates. Wir sind uns darüber klar, daß der Weg, der über den Europarat zum -vereinigten Europa führt, ein dornenvoller sein wird, daß er nicht frei von Rückschlägen sein wird und sein kann. Wir sind aber überzeugt, daß das der einzig richtige Weg ist, und wir hoffen in diesem Sinne, daß nunmehr keine europäische Entscheidung ohne Deutschland getroffen werden kann.
    Wir sehen einen Schritt auf dem Wege zur europäischen Einigung und Verständigung auch im Abschluß des Schumanplans, wenn auch sorgenvolle Gedanken diesen Plan begleiten mögen. Dieser Plan und seine Durchführung werden aber unserer Überzeugung nach erst dann für uns von Nutzen sein, wenn, wie es in der Präambel heißt, did Vertragschließenden ehrlich entschlossen sind, an die Stelle der jahrhundertealten Rivalität einen Zusammenschluß ihrer wesentlichen Interessen 'zu setzen und den Grundstein für eine weitere und vertiefte Gemeinschaft unter den Völkern zu legen. Die Durchführung des Schumanplans wird den Grundsatz unter Beweis stellen, und wir müssen erwarten, daß auf dem Wege der Durchführung des Schumanplans, die ja natürlich auch nicht von heute auf morgen abrollen wird, die Ruhrbehörde baldigst ihre Tätigkeit einstellt und daß die Zeit der Demontage, der Entflechtungspolitik sowie der Produktionsverbote endgültig hinter uns liegt.

    (Abg. Loritz: Sie Optimist!)

    Wir verkennen in keiner Weise und haben es immer begrüßt, daß der Herr Bundeskanzler mit aller Deutlichkeit alle Drohungen und alle Ansinnen, die vom Osten kamen, entschieden abgelehnt hat und daß er stets die Zugehörigkeit Deutschlands zum christlichen Abendland betont hat.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wir begrüßen es, daß hinsichtlich der Besatzungskosten und des Besatzungsstatutes, d. h. bezüglich der Umwandlung des Besatzungsstatutes in einen vertragsrechtlichen Zustand zwischen gleichberechtigen Partnern Besprechungen, angebahnt sind, und wir hoffen, daß diese Verhandlungen energisch vorwärtsgetrieben. werden. Auch im Austausch von Ministerbesuchen, insbesondere im Besuch des englischen Außenministers, sehen wir ein sehr begrüßenswertes Zeichen, ganz besonders, da ja von seiten Englands der europäische Gedanke nur zögernd aufgenommen wurde.
    Wenn wir somit dem Herrn Bundeskanzler auf diesem Wege folgen, so erwarten wir ebenso,-daß unsere Erwartungen von seiten der Besatzungsmächte nicht allzu sehr enttäuscht werden,

    (Abg. Loritz: Und ob!)

    und daß das deutsche Volk in allen Lebensfragen, wie der Durchführung des Schumanplanes, den Besatzungskosten und auch den Flüchtlingsfragen, nicht zu sehr enttäuscht wird. Denn tritt eine tiefgehende Enttäuschung ein, dann darf man sich nicht wundern, wenn radikale Strömungen hochkommen
    — mag man sie rechts- oder linksradikal nennen — und Oberwasser bekommen, und wenn sich dann eine Entwicklung anbahnt, die gerade das Gegenteil von dem ist, was wir Anhänger einer europäischen Verständigung anstreben.

    (Lebhafter Beifall bei der BP und bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der KPD: Brauchen Sie noch etwas weiße Salbe?)