Rede von
Fürst zu
Eugen
Oettingen-Wallerstein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter den Haushaltsplänen, die jetzt zur Debatte stehen, erregt das nunmehrige Auswärtige Amt das allergrößte Interesse, ein Amt, das wir nunmehr aufbauen können, nachdem der dornenvolle Weg zur deutschen Souveränität uns dazu in die Lage versetzt hat, ein Amt, das ich mir genau so gut unter der Bezeichnung „Ministerium der auswärtigen Angelegenheitere" vorstellen könnte. Bei aller Achtung vor Tradition würde dieser Ausdruck vielleicht noch besser .der Tatsache des neuen Staatsaufbaues entsprechen.
Was den Etat des Auswärtigen Amtes anbelangt, so kann ich natürlich nicht wie mein Vorredner in solche Details einsteigen und soviel aus der Personalpolitik, die ja eigentlich erst im Anlaufen ist, zum besten geben. Meine Freunde und ich sind der Ansicht, daß das Auswärtige Amt nunmehr raschestens aufgebaut werden muß, selbstverständlich ohne übertriebenen Personalaufwand. Wir halten es auch für zweckmäßig und notwendig, daß der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes ständig am Sitz der Bundesregierung weilt und nicht zu stark durch Verhandlungen im Ausland in Anspruch genommen ist. Wir haben zur Kenntnis genommen, daß in diesem Auswärtigen Amt zwei politische Abteilungen geschaffen werden sollen, eine Angelegenheit, die dann wohl gutgehen kann, wenn sie, wie hier heute auch schon angeregt wurde, unter der Leitung eines politischen Unterstaatssekretärs steht. Diese Anregung wurde bereits von meinen Fraktionsfreunden im Ausschuß gegeben.
Wir sind auch der Ansicht, daß für das Auswärtige Amt entsprechend den besonderen Verhältnissen des auswärtigen Dienstes eine gesonderte Besoldungsordnung bestehen müßte, wie sie früher bestanden hat und wie sie meines Wissens auch in anderen Staaten besteht. Wir sind der Ansicht, daß die wichtigen diplomatischen Posten nunmehr baldigst besetzt werden müssen, und zwar mit Persönlichkeiten, die ohne Rücksicht auf ihre Parteizugehörigkeit nur nach ihrer Eignung ausgewählt werden. Sprachkenntnisse, Weltgewandtheit, Erfahrungen in wirtschaftlichen und sozialpolitischen
Fragen und Angelegenheiten müssen dabei den Ausschlag geben.
Auf keinen Fall können Persönlichkeiten für den Auswärtigen Dienst in Frage kommen, die den Nationalsozialismus gestützt haben oder die sonst aktive Nazis waren.
Meine Freunde von der Bayernpartei werden dem Etat des Bundeskanzleramts und des Auswärtigen Amtes zustimmen,
und zwar aus der Erkenntnis, daß wir dank der Politik des Herrn Bundeskanzlers Fortschritte auf dem Wege zur Erringung der deutschen Souveränität und zur Schaffung unserer Existenzgrundlagen gemacht haben. Wir sehen einen Fortschritt in dem Beitritt Deutschlands und der deutschen Regierung zum Europarat als gleichberechtigtes Mitglied und in der Aufnahme der deutschen Regierung in den Ministerausschuß des Europarates. Wir sind uns darüber klar, daß der Weg, der über den Europarat zum -vereinigten Europa führt, ein dornenvoller sein wird, daß er nicht frei von Rückschlägen sein wird und sein kann. Wir sind aber überzeugt, daß das der einzig richtige Weg ist, und wir hoffen in diesem Sinne, daß nunmehr keine europäische Entscheidung ohne Deutschland getroffen werden kann.
Wir sehen einen Schritt auf dem Wege zur europäischen Einigung und Verständigung auch im Abschluß des Schumanplans, wenn auch sorgenvolle Gedanken diesen Plan begleiten mögen. Dieser Plan und seine Durchführung werden aber unserer Überzeugung nach erst dann für uns von Nutzen sein, wenn, wie es in der Präambel heißt, did Vertragschließenden ehrlich entschlossen sind, an die Stelle der jahrhundertealten Rivalität einen Zusammenschluß ihrer wesentlichen Interessen 'zu setzen und den Grundstein für eine weitere und vertiefte Gemeinschaft unter den Völkern zu legen. Die Durchführung des Schumanplans wird den Grundsatz unter Beweis stellen, und wir müssen erwarten, daß auf dem Wege der Durchführung des Schumanplans, die ja natürlich auch nicht von heute auf morgen abrollen wird, die Ruhrbehörde baldigst ihre Tätigkeit einstellt und daß die Zeit der Demontage, der Entflechtungspolitik sowie der Produktionsverbote endgültig hinter uns liegt.
Wir verkennen in keiner Weise und haben es immer begrüßt, daß der Herr Bundeskanzler mit aller Deutlichkeit alle Drohungen und alle Ansinnen, die vom Osten kamen, entschieden abgelehnt hat und daß er stets die Zugehörigkeit Deutschlands zum christlichen Abendland betont hat.
Wir begrüßen es, daß hinsichtlich der Besatzungskosten und des Besatzungsstatutes, d. h. bezüglich der Umwandlung des Besatzungsstatutes in einen vertragsrechtlichen Zustand zwischen gleichberechtigen Partnern Besprechungen, angebahnt sind, und wir hoffen, daß diese Verhandlungen energisch vorwärtsgetrieben. werden. Auch im Austausch von Ministerbesuchen, insbesondere im Besuch des englischen Außenministers, sehen wir ein sehr begrüßenswertes Zeichen, ganz besonders, da ja von seiten Englands der europäische Gedanke nur zögernd aufgenommen wurde.
Wenn wir somit dem Herrn Bundeskanzler auf diesem Wege folgen, so erwarten wir ebenso,-daß unsere Erwartungen von seiten der Besatzungsmächte nicht allzu sehr enttäuscht werden,
und daß das deutsche Volk in allen Lebensfragen, wie der Durchführung des Schumanplanes, den Besatzungskosten und auch den Flüchtlingsfragen, nicht zu sehr enttäuscht wird. Denn tritt eine tiefgehende Enttäuschung ein, dann darf man sich nicht wundern, wenn radikale Strömungen hochkommen
— mag man sie rechts- oder linksradikal nennen — und Oberwasser bekommen, und wenn sich dann eine Entwicklung anbahnt, die gerade das Gegenteil von dem ist, was wir Anhänger einer europäischen Verständigung anstreben.