Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der Ihnen vorgelegt wird, ist äußerlich unscheinbar. Er besteht nur aus drei kurzen Paragraphen. In seiner Bedeutung dagegen ist dieses Gesetz vielleicht eines der entscheidendsten Gesetze, die Ihnen vorgelegt wurden. Dieses Gesetz regelt auf einer neuen Grundlage das finanzpolitische Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Wir haben bisher das System der Interessenquoten gehabt. Es wäre mir an sich eine innere Befriedigung gewesen, wenn das System der Interessenquoten hätte beibehalten werden können. Das System der Interessenquoten hätte vielleicht ein Problem lösen können, das unser Grundgesetz aufwirft, nämlich das große Problem, daß der Bund derjenige ist, der insbesondere für soziale Zwecke Milliarden von D-Mark zur Verfügung stellt und diese Milliarden D-Mark von den Ländern verwaltet sieht. Durch das System der Interessenquoten, das seinerzeit im Einverständnis mit den Ministerpräsidenten der Länder erdacht worden ist, ist versucht worden, die Gefahr zu vermeiden, daß die Verwaltung dieser Gelder dadurch, daß sie ein Fremder hat, nicht zweckmäßig und sparsam genug erfolgt. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß der Unterschied in der finanziellen Auswirkung unter den Ländern relativ groß ist und daß die steuerschwachen Länder, die mit besonders hohen sozialen Lasten überbürdet sind — und meistens trifft die soziale Überbürdung mit der Steuerschwäche der Länder zusammen —, dadurch, daß die Interessenquoten notwendigerweise auf der Höhe des Anfalls der Ausgaben in den einzelnen Ländern aufbauen mußten und von der Steuerkraft der Länder getrennt waren, finanziell in Nachteil geraten sind. Nachdem sich nunmehr mit dem Steigen der sozialen Ausgaben die Anforderungen, die der Bund auf diesem Gebiet erheben I muß, auch wieder steigern, verstärken sich die Unterschiede unter den Ländern.
Infolgedessen war es nicht mehr möglich, das alte System der Interessenquoten beizubehalten. Es mußte nunmehr der Weg beschritten werden, den das Grundgesetz in Art. 106 Abs. 3 vorschreibt. Es mußte also eine unmittelbare Beteiligung des Bundes an dem Steueraufkommen der Länder geschaffen werden. Das ist der Grundgedanke dieses Gesetzes. Dabei ergibt sich, daß der Anteil des Bundes entsprechend Art. 108 des Grundgesetzes — auch darüber liegt Ihnen ein entsprechender Gesetzentwurf vor — eine Beteiligung des Bundes an der Steuerverwaltung der Länder zur notwendigen Folge hat. Es war selbstverständlich klar, daß einmal die Beteiligung des Bundes am Aufkommen von Landessteuern — Einkommensteuer und Körperschaftsteuer — und zweitens die Beteiligung des Bundes an der Verwaltung dieser Steuern große staatspolitische Fragen aufwerfen und damit auch die Gefahr eines Konfliktes zwischen Bund und Ländern herbeiführen kann. Ich glaube, daß es ein günstiges Vorzeichen .für das Zusammenarbeiten zwischen Bund und Ländern ist, daß diese beiden Gesetzentwürfe in ihren Grundgedanken die Zustimmung des Bundesrates gefunden haben und daß gerade der schwerwiegende Gesetzentwurf nach Art. 108 des Grundgesetzes bisher sogar die einstimmige Zustimmung des Bundesrates gefunden hat. Ich hoffe, daß auf diesem Wege all das, was in der Öffentlichkeit bisher über das Verhältnis zwischen Bund und Ländern gesprochen ist, einer ruhigeren Betrachtung unterzogen wird und daß die Gefahr, um gewisser Theorien willen in einen Konflikt zwischen Bund und Ländern zu kommen, vermieden werden kann. In meiner Eigenschaft als Bundesfinanzminister kann ich sagen, neben dem Einfluß, den der Bund notwendigerweise auf eine gleichmäßige Gebarung der Steuerverwaltung in allen elf Ländern und darauf haben muß, daß der Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit in allen elf Ländern gleichmäßig geführt wird, erhält der Bund nunmehr, da er schon vom Standpunkt der Bundessteuern aus an diesem Kampf beteiligt ist, auch dadurch eine Einflußnahme, daß seine Überwachung in der Form der Betriebsprüfung sich auch auf die Landessteuern erstreckt. Dadurch wird vieles, was heute in der Öffentlichkeit debattiert wird und mit mehr oder weniger Recht oder Unrecht dem Konto der Länder zugeschrieben wird, behoben werden, und diese beiden Gesetzentwürfe werden, wenn sie die gesetzgebenden Körperschaften passiert haben und Gesetz geworden sind, eine gewisse Basis für die gesamte finanzpolitische Entwicklung zwischen Bund und Ländern bilden können.
Es gibt ein altes Gesetz von der Anziehungskraft des größten Lasten- und Steuerträgers. Der Bund ist nunmehr im Verhältnis zu den Ländern in ihrer Gesamtheit der größere Bruder geworden. Der größere Teil der Steuereinnahmen und der größere Teil der Lasten gehen auf den Namen des Bundes. Es wäre eine natürliche Entwicklung, die von den Ländern wohl vorausgesehen und von den Ländern in diesem Sinne wohl auch gefürchtet wird, daß diese Anziehungskraft des größeren Lastenträgers dazu führt, den Ländern das, was sie als ihr natürliches Recht beanspruchen, auch wegzunehmen. Es gilt aber letzten Endes in all diesen Fragen der Satz: Im Notwendigen die Einheit, im Zweifel die Freiheit und in allem — um ein stolzes
Wort zu nehmen — die Liebe und — ich will hier sagen — in allem ein brüderliches Zusammenarbeiten. Von diesem Grundsatz gehen die beiden Gesetzentwürfe aus. Eine einheitliche Steuerverwaltung, ein einheitliches Handhaben der Steuergesetze ist eine Notwendigkeit für das gesamte deutsche Volk. Die Frage z. B. der Einrichtung der Behörden, um es nun einmal im kleinen zu sagen, die Frage, ob ein Finanzamt in Sonthofen oder in Immenstadt errichtet wird, ist keine Frage, die das gesamte deutsche Volk berührt. Das ist eine Frage, die ruhig den regionalen Wünschen und den regionalen Verhältnissen überlassen werden kann. Der Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit ist eine gemeinsame Frage aller Beteiligten. Wenn es gelungen ist, die Länder zur Zustimmung zu bewegen, daß die Betriebsprüfung, auf die wir künftig entscheidenden Wert legen müssen, in einem 'gemeinsamen Zusammenarbeiten erfolgt, daß der Bund, der seine eigene Betriebsprüfung braucht, diese Betriebsprüfung gleichzeitig in allen diesen Fällen, allerdings möglichst im Zusammenwirken mit den Ländern, auf die Landessteuern und deren Nachprüfung erstrecken kann, so ist dem Notwendigen Rechnung getragen. Wenn wir keine Vereinheitlichung im Personal in den Behörden angestrebt haben, so haben wir hier der regionalen Freiheit ihre Bahn gelassen, weil wir sagen, das ist ein Zweifelsfall. Wenn der Geist, in dem die Gesetze im Bundesrat behandelt worden sind, auch das Vorzeichen für den Geist ist, mit dem diese Gesetze gehandhabt werden, dann wird die Garantie für das brüderliche Zusammenarbeiten, das in allen Fragen, in den notwendigen und in den zweifelhaften, erfolgen muß, gegeben sein. Von diesem Gesichtspunkt aus begrüße ich die Entwicklung, die diese beiden Gesetzentwürfe bisher gefunden haben und die die Abstimmung des Deutschen Bundesrates gekennzeichnet hat.
Ein schwerer Punkt bleibt noch offen, das ist ein Punkt, der nicht im Prinzipiellen, nicht im Verhältnis zwischen Bund und Ländern, sondern in den rauhen Tatsachen, in der finanziellen Enge liegt, in der sich sowohl der Bund wie die Länder befinden. Ich möchte fast sagen, ich glaube, daß die finanzielle Enge des Haushalts im Bund heute und in absehbarer Zeit vielleicht stärker fühlbar ist als wenigstens in einem Teil der Länder.
Wir haben uns wohl über den Grundsatz geeinigt, daß der Bund nach Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Anspruch nimmt. Wir haben uns wohl über das Prinzip, nach welchem die Inanspruchnahme erfolgt, geeinigt. Über die Höhe des Prozentsatzes konnten wir uns bisher noch nicht einigen.
— Es wäre ein Wunder gewesen, Herr Kollege, wenn wir uns in der ersten Stunde auch über die Höhe des Prozentsatzes schon hätten einigen können.
Aber ich muß sagen, es ist ein Fortschritt, daß wir eine Einigung wenigstens auf 80% unserer Forderung erreicht haben; denn der Vorschlag des Bundesrates erfüllt zu 80% die Wünsche, die die Bundesregierung wohl auch in Ihrem Namen an die Länder gestellt hat.
Wenn die Bundesregierung diese Forderung gestellt hat, so ist sie dabei von einer Überlegung ausgegangen, die auch, sagen wir einmal, auf die Lebensnotwendigkeiten der Länder Rücksicht nimmt. Wir dürfen nicht in einen Streit zwischen Bund
und Ländern geraten, ich habe das oft betont. Wir müssen hinter beiden das deutsche Volk sehen und müssen daran denken, daß die Länder ihre besonderen Aufgabengebiete gegenüber dem deutschen Volk haben. Ich sage nur, daß das gesamte kulturpolitische Gebiet, die gesamte Erziehung der deutschen Jugend eine Aufgabe ist, die vom Grundgesetz den Ländern übertragen ist und für die den Ländern die Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen.
Wir haben auch an die Bestimmung des Art. 109 des Grundgesetzes gedacht, nach der der Bund sowohl wie die einzelnen Länder in die Lage versetzt sein müssen, selbständig, unbeeinflußt von dem anderen ihre Haushalte aufzustellen und durchzuführen. Die Berechnung, die die Bundesregierung angestellt hat, war folgende: Wir hoffen, daß durch die neuen Steuergesetze, von denen das wichtigste eben in diesem Hause in dritter Lesung verabschiedet worden ist, den Ländern so viel mehr Aufkommen zufließt, daß sie sich ohne Gefährdung ihrer bisherigen Aufgaben und mit den Mitteln, die schon bisher diesen Aufgaben zugewendet worden sind, auch weiter diesen Aufgaben widmen können. Die Grenze, die die Bundesregierung bei der Inanspruchnahme der Länder gezogen hat, ist die Grenze gewesen, wo das Mehraufkommen sich auf Grund der Bundesgesetzgebung errechnet, so daß also die bisherige Haushaltsgebarung von den Ländern trotz Inanspruchnahme des Teils der Einkommen- und Körperschaftsteuer weiter ausgeübt werden kann. Deshalb hat Art. 109 des Grundgesetzes in seinem ganzen Sinn und Geist eine besondere Bedeutung.
Wir müssen die Verhältnisse zwischen Bund und Ländern immer für ein Haushaltsjahr voraus und endgültig regeln.
Während des Jahres, weil der eine Teil vielleicht mehr ausgibt und sich nunmehr eine Deckung sucht, auf den anderen Teil zurückzugreifen und damit die laufende Haushaltsgebarung des anderen Teiles grundlegend zu stören, würde meiner Überzeugung nach dem Sinn und Zweck des Art. 109 des Grundgesetzes widersprechen.
Der Bund bestimmt in gemeinsamer Gesetzgebung mit dem Bundesrat, was er für das laufende Jahr von den Ländern in Anspruch nimmt. Aber an diese Grenze, die er in diesem Gesetz sich selbst setzt, ist er für dieses laufende Jahr auch gebunden, weil jede andere Handhabung dem Grundsatz des Art. 109 des Grundgesetzes widersprechen würde. Ich glaube, daß wir das schwere Problem der finanzpolitischen Zusammenarbeit und gleichzeitig Bereinigung zwischen Bund und Ländern lösen werden, wenn die Länder das Vertrauen in die Loyalität des Bundes, aber auch der Bund das Vertrauen in die Loyalität der Länder haben wird. Ich hätte aus diesem Gesichtspunkt gewünscht, daß eine Vereinbarung mit den Ländern hätte erzielt werden können, die auch für die ersten Monate des Jahres, wo das Gesetz nach Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes und Art. 108 des Grundgesetzes noch nicht in Kraft getreten ist, im Vorgriff auf das, was der Gesetzentwurf bereits vorsieht, wenigstens den Teil, für den die Billigung des Bundesrates bereits ausgesprochen worden ist, dem Bund zur Verfügung stellt. Ich gestehe Ihnen offen, daß es hier noch Schwierigkeiten gibt, die aber in der Auswirkung zu Lasten der Länder gehen werden. Denn wenn das Gesetz in Kraft tritt und die Bun-
desregierung dann auf Grund dieses Gesetzes und des berechneten Anteils an Einkommen- und Körperschaftsteuer, den der Bund gegenüber den Ländern hat, die Beiträge auch einfordert und Monate vergangen sind, in denen die Beiträge nicht in der bisherigen Höhe geleistet worden sind,
— weil bisher noch kein gesetzlicher Zwang bestand —, dann sind es die Länder, die in kassenmäßige Schwierigkeiten geraten würden.
Ich hoffe, daß das, was ich Ihnen sage und was, ja weniger an die Adresse des Deutschen Bundestages als an die Adresse der Länder gerichtet ist, von den Ländern auch gehört wird, daß es mir hilft, gewisse Schwierigkeiten, die augenblicklich vielleicht für den Monat Juni aufgetaucht sind, überwinden zu können, und daß ich Ihnen, wenn die Ausschußberatungen beginnen, sagen kann, daß trotz der finanziellen Enge, die vielleicht die großen Gesichtspunkte allzu sehr untergehen und nur an die kleineren Gesichtspunkte des Augenblicks denken läßt, wie über den ganzen Gesetzentwurf so auch über diese Übergangsschwierigkeit eine gute Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Länderregierungen, zwischen Bundesfinanzminister und Länderfinanzministern gefunden worden ist.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Wenn Bund und Länder vor der deutschen Öffentlichkeit den Beweis erbringen, daß sie die finanzpolitischen Schwierigkeiten im Geist der Zusammenarbeit zu lösen verstehen, so werden das Grundgesetz und der Aufbau der deutschen Bundesrepublik sich bewähren. Ich möchte an die Länder und deren Parlamente wie auch an den Bund und sein Parlament den Appell richten, im Geist dieser Zusammenarbeit dazu beizutragen, daß unser notleidendes und durch viele Probleme zerrissenes deutsches Volk nicht durch neue Probleme, durch Prinzipienstreite in einen Konflikt gestürzt wird. Dadurch würden die Schwierigkeiten für das deutsche Volk nur vergrößert werden.
Dem Sinn dieses Zusammenarbeitens gelten die beiden Gesetzentwürfe, um deren beschleunigte Behandlung ich Sie bitten muß, damit die Übergangsschwierigkeiten auf gesetzlicher Grundlage baldigst behoben werden können.