Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Bei der Einbringung der jetzt zur Beratung stehenden Vorlage stellte sich Herr Finanzminister Schäffer drei Aufgaben, die insbesondere in dem Memorandum der Bundesregierung zu der Änderung des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes zum Ausdruck gekommen sind. Diese drei Aufgaben möchte ich dahingehend charakterisieren: erstens alles zu unternehmen, auch im Zusammenhang mit diesem Gesetz, um eine weitere Belastung der Massen durchzuführen; zweitens die im vergangenen Jahre durch die Änderung des Einkommensteuergesetzes den Besitzenden und den Reichen bereits gemachten Steuergeschenke in Höhe von etwa 800 Millionen DM zu erhalten und drittens die 'Grundlage dafür zu schaffen, wie es in dem Memorandum heißt, daß weitere -Mittel für die Investierung in den Grundindustrien bereitgestellt werden sollten. Ich glaube, man wird feststellen müssen, daß dieser Plan des Herrn Schäffer zweifellos gelungen ist.
Wenn ich zu dem ersten Punkt zum Ausdruck bringe, daß eine ganz vorsichtige, überschlägige Berechnung der durch dieses Gesetz herbeigeführten neuen Massenbelastungen die Grenze von annähernd 250 Millionen DM erreicht hat, dann ist das nur ein Beweis für die von mir aufgestellte Behauptung und getroffene Feststellung. Auf die einzelnen Punkte werde ich noch zurückkommen.
Zweitens steht einwandfrei fest — das wurde in dem Memorandum der Regierung zum Ausdruck gebracht —, daß die Regierung in dem vorliegenden Gesetz alles unterläßt, was geeignet wäre, die annähernd 300 neuen Millionäre im Gebiet der Bundesrepublik steuerlich zu erfassen bzw. steuerlich noch schärfer heranzuziehen.
Ich komme nun zu der dritten Frage. Ich glaube, daß eine Zusammenstellung nach den Gesichtspunkten, die der Herr Finanzminister selber in dem Memorandum niedergelegt hat, ergibt, daß rund 550 Millionen DM auf dem Wege über diese Steuergesetzgebung für die Investierung in den Grundstoffindustrien neu bereitgestellt werden sollen. Ohne auf diesen Fragenkomplex im einzelnen näher einzugehen, möchte ich nur eine Feststellung treffen. Die immer wieder aufgestellte Behauptung, daß es sich hier um Engpässe handle, trifft nicht zu. Wir widersprechen ihr mit aller Entschiedenheit. Es ist Tatsache, daß sowohl im Kohlen- wie auch im Eisenbergbau und in der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie alle Voraussetzungen gegeben sind, um den Bedarf der deutschen Wirtschaft und der deutschen Bevölkerung durch die eigene Kohle- und Stahlerzeugung absolut zu decken. Wenn sogenannte Engpässe eingetreten sind, dann sind sie lediglich durch die Unterstützung und Förderung der Kriegs- und Rüstungsindustrie in den anderen Ländern und auch bei uns selbst entstanden.
Um auf die Frage zurückzukommen, inwieweit und in welchem Umfange dieses Gesetz eine weitere Belastung der Massen mit sich bringt, möchte ich auf einzelne Punkte eingehen. Zunächst
) wenden wir uns deshalb gegen dieses Gesetz, weil durch die Begrenzung der Steuerfreiheit für die Wohnungsbauzuschüsse und -darlehen auf 7 000 DM eine Reduzierung und in ihrer Auswirkung eine Minderung der Bauvorhaben eintreten wird. Die zum Teil durch die bisherigen Bestimmungen bewirkte und mit Recht kritisierte Vergeudung und unrichtige Lenkung dieser Gelder wird durch das Gesetz selbst weitgehend eingeschränkt. Dadurch allein wird nach den eigenen Erklärungen der Regierung eine Mehreinnahme von 50 Millionen DM herbeigeführt.
Durch den Wegfall der Pauschalierung für die freien Berufe will der Herr Finanzminister weitere 20 Millionen DM in seinen Staatssäckel, d. h. in den Etat für die Besatzungskosten vereinnahmen. Wir wenden uns dagegen. Wir sind der Meinung, daß die bisherige Pauschalsumme — dahin zielen auch unsere Anträge — wiederhergestellt werden sollte. Wir möchten bitten, auch diesen unseren Anträgen Rechnung zu tragen.
In der zweiten Lesung hat die Frage der Bestrafung . der mitarbeitenden Ehefrau eine sehr wesentliche Rolle gespielt. Wenn ich mir die Begründung, wie sie die Gesellschaft für Bürgerrechte in Frankfurt in ihrer Eingabe dargelegt hat, daß durch diesen Beschluß gegen den Art. 3 des Grundgesetzes verstoßen wird, insoweit zu eigen mache, so möchte ich doch mit wenigen Worten auf die Begründung eingehen, die der Herr Abgeordnete Wuermeling hier vorgebracht hat. In seinen Ausführungen kam doch nichts anderes zum Ausdruck, als daß er mit der Zielsetzung, die steuerliche Gleichstellung der mitarbeitenden Ehefrau zu beseitigen, nichts anderes bezweckte, als — wie er sagte — das Doppelverdienertum zu beseitigen. Daraus spricht eine so reaktionäre, absolut teutsche, nationalsozialistischem Gedankengut entsprechende Auffassung
— ich glaube, ein anderer Kollege hat hier schon den Nachweis erbracht, warum diese Bestimmung eingeführt worden ist —, daß wir uns — das werden auch die arbeitenden, werktätigen und mitarbeitenden Frauen draußen absolut verstehen — gegen eine solche Auffassung mit aller Entschiedenheit zur Wehr setzen. Wir anerkennen und müssen mit aller Entschiedenheit den Grundsatz verfechten, daß die Frau absolut gleichberechtigt ist, gleichen Anspruch auf Arbeit und Lohn hat und infolgedessen auch gleichbewertet werden muß. Deswegen wenden wir uns gegen diese Bestimmungen und fordern in unseren Anträgen die Wiederherstellung des alten Zustandes.
Eine weitere Frage ist die der Beseitigung des doppelten Freibetrages. Der Herr Finanzminister hat es j a ausgezeichnet verstanden, solche in der Öffentlichkeit im ersten Augenblick nur geringfügig erscheinenden Änderungen des Gesetzes herbeizuführen, die in ihren Auswirkungen in erster Linie wiederum die arbeitenden Menschen treffen. Wir sind der Meinung, daß die bisherigen Bestimmungen bezüglich der Erhöhung des Freibetrages auf den doppelten Betrag unter allen Umständen wiederhergestellt werden müssen.
In diesem Zusammenhang eine Bemerkung zu den abzugsfähigen Betriebsausgaben. Ich möchte hier eine Frage auch an den Herrn Finanzminister einschalten. Sie werden sich erinnern, daß seiner Zeit bei der Sammlung für Herrn Adenauer immerhin eine anständige Summe zusammengekommen
ist und daß die Regierung damals in einer Anfrage interpelliert wurde, ob diese Spenden zu der Sammlung für Herrn- Adenauer als abzugsfähige Betriebsausgaben absetzbar sind. Die Antwort von Herrn Dr. Lehr läuft in einer absolut bejahenden Richtung. Nun möchte ich dem eine andere Tatsache gegenüberstellen, nämlich die, daß der bayerische Finanzminister, ein Sozialdemokrat, es fertiggebracht hat, anzuordnen, daß Zeitungsannoncen, die für die kommunistische Presse von Geschäftsleuten usw. aufgegeben werden,
nach den Steuerrichtsätzen für Geschenke besteuert werden sollen.
Ich glaube also — und das charakterisiert die Finanzpolitik, die im bayerischen Finanzministerium durchgeführt wird —,
daß hier eine absolut entgegengesetzte Bewertung erfolgt. Auf der einen Seite handelt es sich um die aus den Steuergroschen und aus den geringen Löhnen der Arbeiterschaft Herrn Dr. Adenauer zur Verfügung gestellten Summen, auf der andern Seite um Beträge, die der Geschäftsmann im Interesse seines Geschäfts für Zeitungsannoncen verausgabt.
Eine andere Frage ist die Frage der Beseitigung der fünfprozentigen Besteuerungsgrenze für Mehrarbeitslohn. Während bisher ein Arbeiter, der in der Woche 52 Stunden, d. h. 4 Überstunden, gemacht hat, bei einem Stundenlohn von 1,20 DM in Steuerklasse I 3,99 DM Steuern zahlen mußte, soll er nach der neuen Vorlage 4,51 DM zahlen. Das Ergebnis für Herrn Schäffer ist, daß er dadurch 50 Millionen DM mehr für seinen Staatssäckel vereinnahmt.
Meine Damen und Herren, wir haben weiter die Frage aufzuwerfen, inwieweit der geltende Steuertarif der tatsächlichen Lage der arbeitenden Bevölkerung überhaupt noch Rechnung trägt. Ich brauche wohl nicht im einzelnen auseinanderzusetzen, daß der Reallohn durch die Preis- und Steuerpolitik so weit abgesunken ist, daß der Arbeiter, der schaffende Mensch damit nicht mehr auskommen kann. Wir sind infolgedessen der Meinung, daß in dem Steuertarif eine wesentliche Änderung für die Einkommen bis 3 600 DM bzw. bis 6 000 DM durchgeführt werden muß.
In dieser Richtung laufen unsere Anträge. Wir haben außerdem bei den Bestimmungen des Körperschaftsteuergesetzes zu fordern,
daß vor allen Dingen die Versorgungs- und Verkehrsbetriebe der kommunalen Unternehmen und der kommunalen Verbände steuerbegünstigt und aus der Körperschaftsteuer herausgenommen werden; denn in der Konsequenz der jetzigen Fassung dieses Gesetzes liegt es, daß die Tarife erhöht werden müssen.
Meine Damen und Herren, noch eine Bemerkung! Sie bezieht sich auf die Frage der Versteuerung der Weihnachtszuwendungen. Wir sind der Meinung, daß die in der Vorlage vorgesehene Grenze von 100 DM nicht ausreicht. Wenn wir auch grundsätzlich den Standpunkt vertreten, daß der Arbeiter und der Angestellte ein ausreichendes
Einkommen haben muß, um nicht auf Gratifikationen angewiesen zu sein, so ist es doch tatsächlich so, daß er darauf angewiesen ist. Deswegen muß nach unserer Meinung eine Erhöhung dieses Betrages auf 300 DM erfolgen.
Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich bemerken, daß diese Vorlage der Regierung, wie ich schon vorhin gesagt habe, keinen anderen Zweck hat als den, durch neue Massenbelastung, durch neues Abschöpfen gerade aus dem Einkommen der arbeitenden Menschen der Regierung für ihre Politik, für die Politik der Besatzungskosten und der Aufrüstung die Mittel zur Verfügung zu stellen und die Lasten dem Volk aufzubürden, damit es den Krieg vorfinanzieren und letzten Endes mit seinem Blut bezahlen soll.