Rede von
Dr.
Harald
Koch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Kollege Neuburger hat die Offenlegung der Steuerlisten mit den hohen Einkommen in Verbindung gebracht. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß wir dies nicht getan haben; ich will Ihnen aber ein Beispiel nennen, das vielleicht klarlegt, daß es berechtigt wäre, etwas Derartiges zu tun. Ich habe dieses Beispiel aus der „Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung". Der Oberbürgermeister einer westdeutschen Großstadt hat sich von den Finanzamtsleitern, die die Steuern seines Bezirks verwalten, die Steueraufkommen der Jahre 1946 und 1950 nennen lassen. Da ist folgendes Interessante' zutage gekommen: Das Lohnsteueraufkommen hat sich von 1946 bis 1950 um 130% erhöht. Das ist in Ordnung. Die Nominaleinkommen sind gestiegen, und es werden heute wahrscheinlich mehr Menschen beschäftigt sein als 1946. Das Körperschaftsteueraufkommen ist um 2100 % gestiegen. Auch das mag in Ordnung sein; denn 1946 wurden bei den Körperschaften kaum Gewinne gemacht, weil man im Wiederaufbau war; alle Ausgaben waren Betriebsausgaben. Nun kommt es aber: das Aufkommen der veranlagten Einkommensteuerpflichtigen ist in derselben Zeit, also von 1946 bis 1950, um 10 % gestiegen.
Und nun, meine Damen und Herren: die Veranlagten pflegen ja die Bezieher größerer Einkommen zu sein. Dar um wünschen wir die Offenlegung der Steuerlisten. Wir wollen hier in einigen Jahren nicht mehr 10%, sondern 50 und 100 % Steigerung zählen, zumindest in dem Umfange wie bei dem Aufkommen aus der Lohnsteuer.
Der Abgeordnete Kollege Neuburger hat davon gesprochen: die Offenlegung der Steuerlisten bedeute eine Diffamierung. Bedeutet sie denn in den Vereinigten Staaten oder in England oder in Schweden eine Diffamierung? Meine Damen und Herren, der amerikanische Steuerzahler betrachtet es als eine Selbstverständlichkeit, daß jeder andere Staatsbürger einsehen kann, wieviel er verdient und vor allem: wieviel er für seinen Staat aufbringt. Außerdem muß jeder amerikanische Steuerzahler — und nun ein sehr ernstes Wort, meine Damen und Herren! — erhebliche Beträge für den Wiederaufbau in Europa zahlen.
Es sollte unsere selbstverständliche Anstandspflicht sein,
daß wir uns denselben Maßnahmen unterwerfen, die für den amerikanischen Steuerpflichtigen eine Selbstverständlichkeit sind.
Meine Damen und Herren, heute abend sind Exemplare der „Abendpost" verteilt worden. Sie finden auf der zweiten Seite einen Aufsatz, der überschrieben ist „Herr Theobald schnüffelt bald"! Dieser Artikel nimmt auf unseren Antrag, daß die Steuerlisten offengelegt werden sollen, Bezug. Wer hat denn Angst vor Theobald? möchte ich da fragen.
Doch nur diejenigen, die nach außen hin ein üppiges Leben führen, aber an ihren Staat sehr wenig Steuern abführen.
Unser Antrag, meine Damen und Herren, richtet sich nicht gegen die tüchtigen Leute, die ein anständiges Einkommen haben. Es ist keine Schande, anständig zu verdienen, wenn man tüchtig ist; aber es ist eine Schande, dem Staat das vorzuenthalten, was er auf Grund der bestehenden Gesetze von Rechts wegen von dem Steuerpflichtigen verlangen kann.
Den Lohnsteuerpflichtigen, den Gehaltsempfängern, dem Heer der Beamten und Angestellten können Sie auf Grund der Tariflöhne oder auf Grund der Besoldungsordnung jeden Pfennig nachrechnen, den sie verdienen. Jeder Staatsbürger, der sich dafür interessiert, weiß oder kann wissen, was der Leiter seines Finanzamts, was sein Oberbürgermeister oder Minister verdient. Warum wollen wir denn in diesem Punkte zwei Kategorien von Staatsbürgern schaffen?! Warum wollen wir eine Kategorie schaffen, der wir die Möglichkeit geben, ihre Einkommen zu verschleiern? Dabei interessieren uns gar nicht so sehr die Einkommen wie das, was aus diesen Einkommen für den Staat geleistet wird.
Will sich dieses Hohe Haus, so frage ich, vor der Tatsache beugen, daß es Neid und Mißgunst gibt? Herr Kollege Ewers, ist es ethisch — Sie sprachen von ethischen Gründen —, sich vor diesen schlechten Eigenschaften zu beugen? Dann wäre es ja auch ethisch gewesen, daß sich die Bundesregierung im vergangenen Jahr von der Steuerunmoral gebeugt hat!
Keine Angst, meine Damen und Herren, vor Theobald Schnüffler! Es sollte lieber jeder helfen, daß es in unserem Staate keine mißgünstigen Menschen und keine Neider gibt.
Meine Damen und Herren, es gibt ein sehr gutes Wort, das vielleicht in diesen Zusammenhang paßt: Man soll die Menschen nicht so behandeln, wie sie sind, sondern soll sie so behandeln, wie man sie haben will.
Wir wollen Anständigkeit und Ordnung. Meine
Fraktion wird sich dem Neid und der Mißgunst und
auch der Steuerunmoral jedenfalls nicht beugen.
Nun noch ein persönliches Wort an Herrn Neuburger. Er hat leider einen sehr scharfen Mißton in die Diskussion gebracht, als er uns vorwarf, wir brächten unsere Anträge aus propagandistischen Gründen ein.
Die Anträge, die wir stellen, meine Damen und Herren, können wir glücklicherweise innerhalb und außerhalb des Hauses begründen. Wir haben es nicht nötig, zu unseren Anträgen so lange zu schweigen, bis wir von den anderen Parteien zum Sprechen gereizt worden sind.
Wir werden unsere Anträge so lange stellen, bis wir Ihr schlechtes Gewissen aufgerüttelt haben.
(Rufe von den Regierungsparteien: Unerhört! — Lärm. — Glocke des Präsidenten.
— Anhaltender Lärm. — Abg. Dr. Weber
[Koblenz] : Wir brauchen uns keine Moralpredigt halten zu lassen!)
Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie an das
Schicksal unseres Antrags bezüglich der mitverdienenden Ehefrau. Wenn wir unseren Antrag nicht
wiederholt hätten, wo wären wir dann hingekommen? Da ist es uns ja schon gelungen, Sie etwas
aufzulockern; der Antrag ist angenommen worden.
Und wenn wir ihn nicht wiederholt hätten, dann müßten alle bezahlen, die zum großen Teil aus Not zur Doppelarbeit gezwungen sind.
Aus diesem Grunde lehnen wir auch Ihren Antrag auf die Streichung der Bestimmung über die Offenlegung der Steuerlisten ab. Wir haben auch diesen unseren Antrag in diesem Jahre wiederholt, obwohl wir ihn auch im letzten Jahr gestellt hatten. Wir haben die Freude gehabt, daß er in der zweiten Beratung angenommen worden ist. Wir denken nicht daran, nach dem Rezept zu handeln, das uns Herr Kollege Neuburger vorschreiben möchte.
Wir beantragen zu dieser Abstimmung, daß namentlich abgestimmt wird.