Protokoll:
18041

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 41

  • date_rangeDatum: 24. Juni 2014

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 10:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 22:22 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/41 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 41. Sitzung Berlin, Dienstag, den 24. Juni 2014 I n h a l t : Wahl der Abgeordneten Kathrin Vogler als Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3565 A Tagesordnungspunkt I: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Absicherung stabiler und fai- rer Leistungen für Lebensversicherte (Lebensversicherungsreformgesetz – LVRG) Drucksache 18/1772 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3565 B b) Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Matthias W. Birkwald, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Lebensver- sicherungen auf den Prüfstand stellen – Kein Schnellverfahren zu Lasten der Versicherten Drucksache 18/1815 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3565 B Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3565 C Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . 3566 D Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . 3567 D Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3569 B Anja Karliczek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 3570 C Tagesordnungspunkt II: a) Zweite Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) Drucksachen 18/700, 18/702 . . . . . . . . . . . 3571 C b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Finanz- plan des Bundes 2013 bis 2017 Drucksachen 17/14301, 18/1026 . . . . . . . 3571 C II.1 Einzelplan 01 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bundespräsident und Bundespräsi- dialamt Drucksachen 18/1023, 18/1024 . . . . . . . 3571 C II.2 Einzelplan 02 Deutscher Bundestag Drucksachen 18/1002, 18/1023 . . . . . . . 3571 D II.3 Einzelplan 03 Bundesrat Drucksache 18/1024 . . . . . . . . . . . . . . . . 3571 D II.4 a) Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen Drucksachen 18/1008, 18/1023. . . . . 3572 A b) Einzelplan 20 Bundesrechnungshof Drucksache 18/1024 . . . . . . . . . . . . . 3572 A c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Haushaltsbegleitge- setzes 2014 Drucksachen 18/1050, 18/1223, 18/1762 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3572 A d) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Herstellung des Einver- nehmens von Bundestag und Bundesregierung zum Begehren der Republik Litauen, der dritten Stufe der Europäischen Wirt- schafts- und Währungsunion bei- Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 24. Juni 2014 zutreten und den Euro als Umlauf- währung einzuführen hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9a des Gesetzes über die Zusam- menarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in An- gelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 18/1800 . . . . . . . . . . . . . 3572 B e) Beratung der Unterrichtung durch das Bundesministerium der Finanzen gemäß § 9a des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie- rung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäi- schen Union: Beitritt Litauens zum Euroraum Drucksache 18/1730 . . . . . . . . . . . . . 3572 B Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . 3572 C Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 3574 C Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3576 B Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3578 B Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3580 C Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 3582 D Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) . . . . . . . . . . . . 3583 C Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3585 A Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 3586 A Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 3588 A Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 3589 A Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3591 C Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 3592 C Christian Petry (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3593 C Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 3594 C Uwe Feiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3596 B II.5 Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Na- turschutz, Bau und Reaktorsicherheit Drucksachen 18/1023, 18/1024 . . . . . . . 3598 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 3598 C Steffen-Claudio Lemme (SPD) . . . . . . . . . . . 3599 D Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3600 D Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 3601 C Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 3603 A Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3604 D Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3606 A Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 3607 C Marie-Luise Dött (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 3608 C Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3610 A Dr. André Berghegger (CDU/CSU) . . . . . . . . 3611 C Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3613 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 3613 B Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3613 D Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 3615 B Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU) . . . . . . 3617 A II.6 Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Drucksachen 18/1023, 18/1024 . . . . . . . 3618 D Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 3619 A Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 3620 B Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3621 D Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 3623 D Hermann Gröhe, Bundesminister BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3626 A Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 3628 A Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 3629 D Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3631 A Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3631 D Dr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3634 C Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 3636 C Reiner Meier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 3638 A II.7 Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Se- nioren, Frauen und Jugend Drucksachen 18/1016, 18/1023 . . . . . . . 3639 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 3640 A Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3641 C Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3643 B Alois Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 3644 C Ulrike Gottschalck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 3646 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 3647 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 24. Juni 2014 III Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . 3648 D Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3650 D Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . 3651 D Stefan Schwartze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3653 D Sylvia Pantel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 3654 D Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . 3655 C Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3656 C Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 3657 C II.8 Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Drucksachen 18/1010, 18/1023 . . . . . . . 3659 B Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 3659 B Cajus Caesar (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 3660 D Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3662 B Ulrich Freese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3664 A Christian Schmidt, Bundesminister BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3665 A Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3666 C Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 3667 C Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . 3668 D Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3669 C Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) . . . . . . 3671 A Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3672 D Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3673 A Thomas Mahlberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 3674 A Rainer Spiering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3675 D Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 3677 A Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3678 B Nächste Sitzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3680 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten. . . . . . 3681 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 24. Juni 2014 3565 (A) (C) (D)(B) 41. Sitzung Berlin, Dienstag, den 24. Juni 2014 Beginn: 10.01 Uhr
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    (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 41. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 24. Juni 2014 3681 (A) (C) (B) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 24.06.2014 Barchmann, Heinz- Joachim SPD 24.06.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 24.06.2014 Beermann, Maik CDU/CSU/CSU 24.06.2014 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 24.06.2014 Brugger, Agnieszka BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.06.2014 Dr. Fabritius, Bernd CDU/CSU 24.06.2014 Flosbach, Klaus-Peter CDU/CSU 24.06.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 24.06.2014 Groth, Annette DIE LINKE 24.06.2014 Hardt, Jürgen CDU/CSU 24.06.2014 Hübinger, Anette CDU/CSU 24.06.2014 Kaster, Bernhard CDU/CSU 24.06.2014 Kolbe, Daniela SPD 24.06.2014 Kühn (Tübingen), Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.06.2014 Lange (Backnang), Christian SPD 24.06.2014 Maag, Karin CDU/CSU 24.06.2014 Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.06.2014 Rawert, Mechthild SPD 24.06.2014 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.06.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 24.06.2014 Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.06.2014 Dr. Schröder, Ole CDU/CSU 24.06.2014 Dr. Steinmeier, Frank- Walter SPD 24.06.2014 Strässer, Christoph SPD 24.06.2014 Thönnes, Franz SPD 24.06.2014 Vogel (Kleinsaara), Volkmar CDU/CSU 24.06.2014 Wagner, Doris BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.06.2014 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.06.2014 Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 24.06.2014 Werner, Katrin DIE LINKE 24.06.2014 Zdebel, Hubertus DIE LINKE 24.06.2014 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 41. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP I Stabile Leistungen für Lebensversicherte TOP II Haushaltsgesetz 2014, Finanzplan 2013 - 2017 Epl 01 Bundespräsident Epl 02 Bundestag Epl 03 Bundesrat Epl 08, Finanzen Epl 20 Bundesrechnungshof Epl 16 Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Epl 15 Gesundheit Epl 17 Familie, Senioren, Frauen und Jugend Epl 10 Ernährung und Landwirtschaft Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804100000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie
herzlich zu unserer Plenarsitzung. Vor Eintritt in unsere
Tagesordnung müssen wir noch eine Schriftführerwahl
durchführen. Die Fraktion Die Linke schlägt vor, für die
Kollegin Martina Renner die Kollegin Kathrin Vogler
als Schriftführerin zu wählen. – Dazu stelle ich Einver-
nehmen fest. Damit ist die Kollegin Vogler als neue
Schriftführerin gewählt.

Ich rufe unsere Tagesordnungspunkte I a und I b auf:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Absi-
cherung stabiler und fairer Leistungen für

(Lebensversicherungsreformgesetz – LVRG)


Drucksache 18/1772
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Susanna
Karawanskij, Matthias W. Birkwald, Dr. Axel
Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE

Lebensversicherungen auf den Prüfstand stel-
len – Kein Schnellverfahren zu Lasten der
Versicherten

Drucksache 18/1815
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Also können wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Die Lebensversicherung ist eine der wichtigsten
Spar- und Altersvorsorgeformen in Deutschland. Ende
2012 gab es 88 Millionen Lebensversicherungsverträge,
oft mit Laufzeiten von 20 und mehr Jahren. Wir wollen
und müssen dieses verbreitete und bewährte Instrument
bewahren. Die Versicherungsnehmer müssen sich darauf
verlassen können, dass sie die in ihren Verträgen zuge-
sagten Leistungen auch in Zukunft erhalten. Dafür
müssen wir die Vorschriften zur Beteiligung an den Be-
wertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren
anpassen.

Solche Bewertungsreserven entstehen dadurch, dass
der Marktwert von festverzinslichen Anleihen bei sin-
kenden Zinsen über dem ursprünglichen Kaufpreis liegt.
Dabei ist es natürlich so, dass sich der Marktwert bei
festverzinslichen Wertpapieren am Ende der Laufzeit
immer zum Nominalbetrag hin entwickelt, sodass die
Bewertungsreserven nur vorübergehend vorhanden sind.
Diese Bewertungsreserven sind aufgrund der derzeit
niedrigen Zinsen besonders hoch. Sie waren 2012 – das
sind die letzten verfügbaren Zahlen – so hoch wie nie-
mals zuvor. Deshalb müssen sie in einer fairen Weise
zwischen den Versicherten aufgeteilt werden.

Die derzeitige Regelung ist nicht optimal. Durch die
Beteiligung an den Bewertungsreserven wird Versiche-
rungskunden, deren Verträge heute enden, ein Teil der
Zinszahlungen mitgegeben, die das Versicherungsunter-
nehmen erst in Zukunft aus den festverzinslichen Anla-
gen vereinnahmt. Diese Zinszahlungen stehen also ei-
gentlich den Versicherten zu, deren Verträge nicht heute,
sondern erst in einigen Jahren oder Jahrzehnten enden.
Sie stehen ihnen dann aber nicht mehr zur Verfügung,
wenn sie bereits ausgeschüttet wurden.

Diese Beteiligungsregelungen gelten seit 2008, und
sie begünstigen rund 7 Millionen Versicherte, deren Ver-
träge in Kürze auslaufen. Aber die mehr als 80 Millionen
Versicherten, deren Verträge noch eine längere Laufzeit
haben, werden dadurch benachteiligt; langfristig würde
die Erfüllung der Versicherungsansprüche aller anderen





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

Versicherten dadurch gefährdet. Im Übrigen hat das
Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil von 2005
klargestellt, dass der Gesetzgeber die Ausschüttung der
Bewertungsreserven nicht ausschließlich am Interesse
der heute ausscheidenden Versicherten ausrichten darf;
das sei mit dem Gedanken der Risikogemeinschaft nicht
vereinbar.

So wollen wir also mit unserem Maßnahmenpaket
diese Benachteiligung beenden und dafür sorgen, dass
die Versicherten sich langfristig auf stabile Auszahlun-
gen aus ihren Verträgen verlassen können. An erster
Stelle stehen dabei die garantierten Leistungen. Bewer-
tungsreserven, die für die Sicherung des Garantiezinses
für alle Versicherten benötigt werden, müssen in der Ver-
sichertengemeinschaft verbleiben. Um es klar zu sagen:
Von dieser Neuregelung sind nur die Bewertungsreser-
ven aus festverzinslichen Wertpapieren betroffen. Die
Regelungen zur Beteiligung ausscheidender Versicherter
an Bewertungsreserven etwa aus Aktien oder Immobi-
lien werden nicht verändert, weil Bewertungsreserven
bei diesen Anlageformen, anders als bei den festverzins-
lichen Anlagen, nicht notwendigerweise nur einen vo-
rübergehenden Charakter haben. Da ändert sich nichts.
Übrigens ändert sich auch bei den garantierten Leistun-
gen nichts: Die zugesagte Mindestverzinsung wird bei
jedem Vertrag gesichert. Der Zweck ist gerade, die Ver-
sicherungsgesellschaften in die Lage zu versetzen, diese
Garantien einzuhalten.

Unser Maßnahmenpaket ist ausgewogen und gerecht.
Im Mittelpunkt stehen die Ansprüche der Versicherten-
gemeinschaften. Wir achten darauf, dass auch die Versi-
cherungsunternehmen, die Anteilseigner und der Ver-
trieb einen fairen Beitrag leisten. Die Unternehmen
müssen künftig ihre Kunden mit 90 Prozent statt bisher
nur mit 75 Prozent an den Risikoüberschüssen beteili-
gen. Risikoüberschüsse sind solche, die die Versicherun-
gen dadurch haben, dass sie mit den Sterbetafeln, mit der
Lebenserwartung vorsichtig kalkulieren und man in der
Regel, weil man vorsichtig kalkuliert, gewisse Reserven
hat. Sie müssen in Zukunft in einem größeren Maße den
Versicherten zugutekommen. Wir greifen damit eine seit
langem von Verbraucherschützern erhobene Forderung
auf.

Außerdem müssen die Lebensversicherungen ihr Ri-
sikomanagement weiterentwickeln, damit in dem schwieri-
ger werdenden Marktumfeld etwaige Risiken früher er-
kannt und auch abgestellt werden können. Wir stärken
entsprechend die Handlungsmöglichkeiten der Aufsicht.
Sie soll problematischen Entwicklungen früher und ef-
fektiver begegnen können, etwa indem sie mehrjährige
Prognoserechnungen und Sanierungspläne von den Ver-
sicherern verlangen kann. Wir werden so die große Sta-
bilität der Lebensversicherungen auch in Zukunft erhal-
ten.

Auch die Eigentümer, also die Aktionäre, müssen zur
Leistungssicherung beitragen. Soweit Bewertungsreser-
ven zur Sicherung des Garantiezinses nicht ausgeschüt-
tet werden können, müssen eben auch die Dividenden
entsprechend gekürzt werden. Das ist eine faire Lasten-
verteilung zwischen Eigentümern und Kunden.
Wir verlangen vom Versicherungsvertrieb eine höhere
Kostentransparenz, und wir setzen Anreize zur Senkung
der Abschlusskosten, indem wir die Möglichkeiten der
Versicherungsunternehmen, die Abschlusskosten aus
dem Neugeschäft in ihren Bilanzen auf Folgejahre vor-
zutragen, begrenzen.

Schließlich müssen wir entsprechend der Empfehlung
der Deutschen Aktuarvereinigung – das ist eine Vereini-
gung, die immer empfiehlt, wie hoch der Garantiezins
sein sollte – den gesetzlichen Garantiezins für neu abzu-
schließende Verträge absenken, von 1,75 Prozent auf
1,25 Prozent. Diese Regelung gilt aber ausschließlich für
Verträge, die ab 2015 neu abgeschlossen werden. Diese
Absenkung des gesetzlichen Garantiezinses ist notwen-
dig, weil der bisherige Garantiezins inzwischen die Ver-
zinsung sicherer Anlageformen übersteigt. Zehnjährige
Bundesanleihen weisen derzeit eine Verzinsung von nur
rund 1,4 Prozent aus. Deswegen kann eine höhere Ga-
rantieverzinsung ab 2015 gesetzlich nicht vorgeschrie-
ben werden.

Mit diesem Maßnahmenpaket schaffen wir eine für
alle Beteiligten tragfähige Lösung, die für mehr Gerech-
tigkeit zwischen den heute ausscheidenden und den ver-
bleibenden Versicherten sorgt. Mittelabflüsse, sei es
durch übermäßige Dividendenzahlungen oder zu hohe
Kosten im Unternehmen oder eine unverhältnismäßige
Beteiligung der heute ausscheidenden Versicherten an
den Bewertungsreserven, werden gleichmäßig begrenzt.

Mit diesem Gesetzentwurf geben wir der Sicherung
von Garantieleistungen für alle Versicherten den Vorrang
vor hohen Renditen für die heute ausscheidenden Versi-
cherten oder vor den Dividenden für Aktionäre. Wir
wollen damit die Attraktivität der Lebensversicherung
als ein zentrales Instrument zur Altersvorsorge der Men-
schen in unserem Land langfristig und nachhaltig wah-
ren. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem
Gesetzentwurf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804100100

Die Kollegin Susanna Karawanskij hat nun das Wort

für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Susanna Karawanskij (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804100200

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Versicherungslobby
hat es geschafft: Durch Druck auf die Bundesregierung
schaffte sie es, ihre Interessen durchzusetzen. Im Schat-
ten der Weltmeisterschaft, während die Bürgerinnen und
Bürger an den Fernsehapparaten sitzen,


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Billig, billig!)


soll das Lebensversicherungsreformgesetz hier im Bun-
destag im Schweinsgalopp durchgepeitscht werden.


(Beifall bei der LINKEN)






Susanna Karawanskij


(A) (C)



(D)(B)

Hier geht es nicht um eine Bagatelle. Hier geht es um
rund 88 Millionen Lebensversicherungen, die mit dem
Versprechen, dass man damit einen Teil seiner Alters-
vorsorge bestreiten würde, an die Menschen gebracht
wurden. Das wurde nicht nur jahrelang angepriesen, son-
dern vor allen Dingen auch noch steuerlich gefördert.

Die Versicherungsbranche jammert, und das abgege-
bene Versprechen soll nun gebrochen werden. Das ist
eine Zumutung für die 62 Millionen Versicherungsneh-
mer, die es betreffen kann, und diese Zumutung ist nicht
hinnehmbar.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben, das deutlich
macht, welche Ungerechtigkeit durch diesen Gesetzent-
wurf droht. Ein freiberuflicher Versicherungsnehmer hat
vor etwa 30 Jahren zur Altersvorsorge Kapitallebensver-
sicherungen bei einem Versicherungsunternehmen abge-
schlossen, die dieses und kommendes Jahr fällig wer-
den. Er hat fleißig eingezahlt. Noch vor sechs Jahren
wurde dem Versicherten eine Modellrechnung vorge-
legt, in der eine Gesamtversicherungsleistung von rund
203 000 Euro ausgewiesen wurde. Infolge der Finanz-
krise ist der Betrag bereits geschmolzen. Nun soll – wie
im Gesetzentwurf vorgeschlagen – auch noch die Betei-
ligung an den Bewertungsreserven reduziert werden, so-
dass der Versicherte mit einer Einbuße von 20 000 Euro
rechnen muss. Das ist wahrlich kein Pappenstiel; schließ-
lich geht es um die Altersvorsorge.

Man muss es so knallhart sagen: Mit diesem Gesetz
sollen den Versicherungsnehmern ihre Anteile vorent-
halten werden.


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)


Die den Kunden zustehenden Überschüsse werden nicht
ausbezahlt, sondern von den Versicherungen für die Auf-
stockung ihres Eigenkapitals einbehalten und dort ge-
parkt.


(Ulli Nissen [SPD]: Das ist doch Quatsch!)


Zusätzlich – das ist der eigentliche Skandal – sollen die
Beteiligungen an den Bewertungsreserven drastisch zu-
sammengestrichen werden. So werden den Kunden die
ihnen zugesicherten Anteile vorenthalten;


(Ulli Nissen [SPD]: Das ist doch gar nicht wahr!)


denn bereits jetzt gilt die Regelung, dass nur die Hälfte
der Bewertungsreserven an die ausscheidenden Versi-
cherungsnehmer ausgezahlt wird, die andere Hälfte
bleibt bei den Versicherern. Um es deutlich zu sagen:
Hier soll mithilfe von Rechentricks umgeschichtet wer-
den, damit die Branche immer weniger von den erwirt-
schafteten Gewinnen an ihre Kunden auszahlen muss.


(Beifall bei der LINKEN)


Wirklich schlimm an der Sache ist, dass der vorlie-
gende Gesetzentwurf durchgebracht werden soll, ob-
wohl ihm keine ordentliche Datenbasis zugrunde liegt.
Es fehlt das entsprechende Zahlenmaterial. Die Antwort
der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage zur Si-
tuation der Lebensversicherer war wirklich dürftig. Auf
die Frage, wie sich die Erträge und Gewinne der zehn
größten Versicherungsunternehmen in den letzten zehn
Jahren gestaltet haben, gab es keine Antwort. Es gibt
auch in Bezug auf Einzelunternehmen keine Zahlen
dazu, wie hoch die ausgeschütteten Bewertungsreserven
in der Vergangenheit waren bzw. wie sich deren Situa-
tion entwickelt hat. Auch bei der Antwort auf eine Frage
zu den Bilanzanalysen der Versicherungsunternehmen in
Deutschland musste die Bundesregierung passen, weil
keine konkreten Studien vorliegen. Alles in allem ist das
ein skandalöses Spiel, das vor allen Dingen auf dem Rü-
cken der Versicherten stattfinden soll.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir bitten Sie: Neh-
men Sie sich gebührend Zeit für dieses wichtige Gesetz,
das so viele Verbraucherinnen und Verbraucher betrifft.
Peitschen Sie den Gesetzentwurf nicht vor der Sommer-
pause durch. Das Mindeste ist, dass Sie dieses Gesetz
auf eine solide Datenbasis stellen und nicht im Nebel he-
rumstochern, ohne belastbare Zahlen zu den Einzel-
aspekten der Reformvorschläge vorzulegen. Stellen Sie
sicher, dass die Versicherten Zeit haben, sich beraten zu
lassen und die gesetzlichen Auswirkungen auf ihre Ver-
träge zu überprüfen. Es muss Vertrauensschutz gelten.
Hier darf es keine weiteren Verunsicherungen der Versi-
cherten geben. Vor allen Dingen dürfen die Versiche-
rungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer nicht wei-
ter geschröpft werden, nur weil die Lobby wirkungsvoll
Druck ausübt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/CSU])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804100300

Das Wort hat nun der Kollege Carsten Schneider für

die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1804100400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Frau Karawanskij, ich bin mir nicht sicher,
ob Sie den Gesetzentwurf tatsächlich gelesen haben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Zumindest die Stellungnahmen der Lobby, deren Interes-
sen wir hier angeblich vertreten, haben Sie offensichtlich
nicht gelesen; denn die sind alles andere als glücklich
über diesen Gesetzentwurf. Im Gegenteil: In den Stel-
lungnahmen, die ich in letzter Zeit bekommen habe,
steht, dass wir das auf keinen Fall so verabschieden sol-
len.


(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Ist das Ihr Argument, zu sagen, dass alles gerecht zugeht?)


Was ist das Ziel dieses Gesetzes? Ziel ist, die Lebens-
versicherung, die für viele Menschen einen wichtigen
Teil ihrer privaten Altersvorsorge ausmacht, dauerhaft
zu sichern und dafür zu sorgen, dass der versprochene





Carsten Schneider (Erfurt)



(A) (C)



(D)(B)

Garantiezins auch in den nächsten 10, 15 und 20 Jahren
ausgezahlt und gesichert wird.

Die Lebensversicherung war in den vergangenen Jah-
ren ein sehr intransparentes Produkt. Es gibt – Herr
Minister Schäuble hat darauf hingewiesen – über
90 Millionen Verträge. In diesem Jahr werden knapp
7 Millionen Verträge fällig. Aufgrund der derzeitigen
Niedrigzinsphase und der Tatsache, dass ein Großteil der
Lebensversicherungen in Staatsanleihen investiert hat,
die derzeit noch hohe Kurswerte haben, weil sie einen
Zinscoupon von 3, 4 oder 5 Prozent bieten, entstehen
Buchgewinne. Diese Buchgewinne werden nicht zu-
gunsten der Versicherungsunternehmen ausgeschüttet;
im Gegenteil: Sie werden innerhalb der Versichertenge-
meinschaft, bei den Versicherten, belassen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Innerhalb der Versichertengemeinschaft – zwischen den
Versicherten, deren Vertrag in diesem Jahr fällig wird,
und denen, deren Vertrag in 20 Jahren fällig wird – fin-
det ein Interessenausgleich statt, den wir fairer und ge-
rechter machen wollen.

Ich finde es ja interessant, dass Sie von der Linken
jetzt die Interessen des Kapitals hier vertreten. Ich finde
das bemerkenswert.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Haben Sie nicht zugehört?)


Nehmen wir als Beispiel für die Buchgewinne eine
deutsche Staatsanleihe, die derzeit bei 110 Prozent ren-
tiert. Diese Staatsanleihe würde jetzt zu 110 Prozent aus-
gezahlt, realisiert wird sie aber am Ende – der Minister
hat darauf hingewiesen – nur mit 100 Prozent. Das heißt,
heute wird ein Betrag ausgezahlt, der in fünf oder zehn
Jahren gar nicht fällig würde. Wenn die Versicherten also
in fünf oder zehn Jahren ihren Ertrag ausgezahlt bekom-
men wollen, dann kann der Ertrag nicht mehr erbracht
werden. Das ist eine Bevorteilung derjenigen, deren Ver-
sicherungsverträge jetzt fällig werden. Sie geht zulasten
der 85 Millionen Versicherungsnehmer, deren Versiche-
rungsverträge später fällig werden. Deshalb regeln wir
heute einen fairen Ausgleich. Dabei haben Sie unsere
Unterstützung, Herr Minister.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das ist aber nicht der einzige Punkt. Es gab schon ein-
mal einen Anlauf für diese gesetzliche Regelung. Von
daher können Sie nicht sagen, dass der Gesetzentwurf im
Schweinsgalopp durchgepeitscht wird. Die letzte Bun-
desregierung hat ebenfalls einen Gesetzentwurf vorge-
legt. Wenn Sie beide Gesetzentwürfe vergleichen, stellen
Sie deutliche Unterschiede fest. Dabei geht es nicht nur
um die Bewertungsreserven, sondern auch um die Frage,
wie in das Geschäftsmodell der Lebensversicherungs-
unternehmen eingegriffen wird, wie Aktionäre, also die
Eigentümer der Versicherungsunternehmen, an der lang-
fristigen Stabilisierung beteiligt werden. Ich weiß nicht,
ob die CDU/CSU früher von der FDP geknebelt wurde
und jetzt befreit ist, weil die SPD dabei ist;

(Beifall bei der SPD – Ralph Brinkhaus [CDU/ CSU]: Das als „Befreiung“ zu bezeichnen, ist ambitioniert!)


auf jeden Fall ist der Gesetzentwurf, der jetzt vorliegt,
deutlich besser.

Wir machen das Produkt Lebensversicherung transpa-
renter. Wir gehen auch auf die vielen Anregungen der
Verbraucherschutzverbände ein, die uns im Übrigen un-
terstützen.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Nein!)


Die Provisionen werden transparenter ausgewiesen. Die
kalkulatorischen Abschlusskosten für Versicherungsneh-
mer werden gekürzt: von 4 Prozent auf 2,5 Prozent. Das
heißt, dass die Verwaltungskosten geringer werden, was
wiederum bedeutet, dass das Produkt für den Kunden
letztendlich besser wird. Es wird dadurch transparenter.
Man kauft dann keine Blackbox, sondern weiß, was die
tatsächlichen Kosten sind und wie hoch der tatsächliche
Ertrag ist.

Der zweite Punkt betrifft das, was die Versicherungs-
unternehmen jetzt kritisieren, nämlich die Ausschüt-
tungssperre. Was bedeutet das? Wenn ein Unternehmen
in den nächsten Jahren von der Kürzung der Bewer-
tungsreserven Gebrauch macht, gilt gleichzeitig – darauf
lege ich großen Wert – eine Ausschüttungssperre. Es gibt
keine Dividende bzw. Ausschüttung an den Eigentümer,
sondern der Sicherungsbedarf muss zur Stärkung des
Garantiezinses in den Unternehmen verbleiben.


(Beifall bei der SPD)


Das ist auch ein Vorgriff auf zukünftige Regelungen
zu den Lebensversicherungen durch Solvency II. Wir
machen die Unternehmen im Sinne und im Interesse der
Versicherten stabiler. Wer glaubt, dass es da keine Pro-
bleme gibt, den verweise ich auf den Bundesbankbericht
zur Stabilität der Lebensversicherungen. Dieser Bericht
kommt zu dem Ergebnis, dass, wenn nichts passiert, in
den nächsten Jahren ein Drittel der Unternehmen in
Schwierigkeiten kommen wird. Ich möchte nicht, dass
wir, nachdem wir schon Banken gerettet haben, als
Nächstes auch noch die Lebensversicherungen retten
und private Kapitalanlagen mit Steuergeld subventionie-
ren müssen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


In der Haushaltsdebatte, die anschließend auf der Tages-
ordnung steht, wird deutlich werden, dass wir das Geld
für andere Dinge brauchen.

Von daher ist es nur klug und richtig, dass der Vor-
schlag – ich freue mich darüber, dass er gemacht wurde –
aufgegriffen wurde, eine Ausschüttungssperre einzufüh-
ren, damit nicht Ertrag aus dem Unternehmen hinaus an
die Aktionäre fließt, sondern im Unternehmen bleibt.
Das führt zu größerer Stabilität. Darauf legen wir als So-
zialdemokraten großen Wert.

Der dritte Punkt betrifft die Risikoüberschüsse. Auch
die diesbezügliche Regelung geht künftig zulasten des
Unternehmensgewinns. Wenn die Unternehmen die Ster-
betafel zu negativ kalkuliert haben – das war in den





Carsten Schneider (Erfurt)



(A) (C)



(D)(B)

letzten Jahren wohl öfter der Fall –, dann gingen diese
Überschüsse zu 75 Prozent an die Versicherten und zu
25 Prozent an die Aktionäre. Das ändern wir. Die Ge-
winne werden nur noch zu 10 Prozent an die Aktionäre
gehen und zu 90 Prozent bei der Versichertengemein-
schaft bleiben. Auch das ist ein klarer Schritt hin zu
mehr Gerechtigkeit innerhalb der Versicherungsunter-
nehmen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich denke aber auch, dass wir in Bezug auf die Form
der Kapitalanlagen – das soll in einer Verordnung gere-
gelt werden – den Versicherungen mehr Möglichkeiten
geben sollten, auch in langfristige Infrastrukturprojekte
zu investieren. Da haben wir in Deutschland recht gro-
ßen Bedarf. Mit der derzeitigen Verzinsung von 1,4 Pro-
zent für eine zehnjährige Bundesanleihe können Lebens-
versicherungen jedenfalls dauerhaft keinen wirklich
nennenswerten Beitrag zur Altersvorsorge leisten. Von
daher brauchen sie ein bisschen mehr Freiheit, um auch
in Infrastrukturmaßnahmen zu investieren.

Ich würde mich freuen, wenn das Bundesfinanzminis-
terium den Vorschlag aufgreifen würde, die BaFin bzw.
die Versicherungsaufsicht dadurch zu stärken, dass sie
– so ähnlich, wie wir das im Bankenbereich haben – Ein-
griffsrechte gegenüber den Versicherungsunternehmen
erhält. Sie sollte auch die Kontrolle über das Geschäfts-
modell haben. Damit soll die langfristige Stabilität der
Unternehmen gestärkt werden. Die BaFin wird so ein
schärferes Schwert in der Hand haben, um die Versicher-
ten zu schützen.

Deshalb, Herr Minister, haben Sie für den Entwurf
unsere Unterstützung. Die Richtung stimmt. Es wird
noch die Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages
geben. Dann werden wir zügig entscheiden. Ich glaube,
dieser Fortschritt für die Finanzstabilität ist absolut im
Interesse derjenigen, die in den letzten Jahren Lebens-
versicherungsverträge unterschrieben haben und sich da-
rauf verlassen wollen, den Garantiezins zu erhalten; sie
können sich darauf verlassen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804100500

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der

Kollege Gerhard Schick das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als
vor einigen Jahren die Banken gerettet wurden, wurde
das mit Steuergeld gemacht. Wenn es jetzt darum geht,
die Lebensversicherungen in Deutschland zu stabilisie-
ren, wird das mit dem Geld einiger Kunden gemacht. Ich
finde, das muss man klar aussprechen.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Das stimmt doch nicht! – Gegenruf des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Natürlich stimmt das!)

– Doch!


(Manfred Zöllmer [SPD]: Nein!)


– Das stimmt! Wenn Sie das nicht erkennen, haben Sie
leider Ihren eigenen Gesetzentwurf nicht verstanden,
Herr Zöllmer.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied zwi-
schen dem, was der Bundesfinanzminister vor einein-
halb Jahren vorgelegt hat, und dem, was er uns heute
vorlegt. Vor eineinhalb Jahren war eine einseitige Ver-
schiebung von Kundengeldern geplant. Heute wird das
gemacht, was bei einer so wichtigen Rettungsaktion im
Finanzbereich natürlich der Anspruch sein muss: Zumin-
dest ein paar der Fehler, die in diese Situation geführt ha-
ben, werden korrigiert. Wir haben vor eineinhalb Jahren
die Einführung einer Ausschüttungssperre vorgeschla-
gen, sodass auch die Eigentümer beteiligt werden. Sie
haben das damals rundheraus abgelehnt. Jetzt ist dies in
Ihrem Entwurf enthalten. Das ist ein klarer Erfolg für
uns Grüne; denn es war unser Vorschlag.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben damals vorgeschlagen, die Aufteilung der
Erträge zwischen den Versicherten und den Unterneh-
men zu korrigieren, um auch diesen Fehler in der Versi-
cherungsregulierung anzugehen. Sie haben es damals
rundheraus abgelehnt, dies auch nur zu erwägen. Jetzt ist
es in Ihrem Vorschlag enthalten. Auch das ist ein Erfolg
von uns. Es war deswegen richtig, den Gesetzentwurf
vor eineinhalb Jahren zu stoppen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD] – Bettina Hagedorn [SPD]: Das stimmt allerdings!)


Es war und ist auch richtig, dass wir gefordert haben,
dass man, wenn man über Veränderungen bei den Le-
bensversicherungen redet, auch die schlechte Situation,
die Missstände im Vertrieb systematisch angehen muss.
Wir haben das damals vorgeschlagen, aber es wurde ab-
gelehnt. Jetzt sind zumindest einige entsprechende
Punkte im Entwurf enthalten. Das ist eine klare Verbes-
serung, die auf unsere Initiative zurückgeht.

Trotzdem muss man sagen: Hier bleibt einiges zu tun.
Wir müssen genau wie damals bei den Banken die Frage
stellen: Wie kamen wir eigentlich in diese Situation?
Eine Ursache ist natürlich auch bei den Vorständen von
Lebensversicherungsunternehmen zu finden, die über
viele Jahre Versprechungen gemacht haben, die sie nicht
einhalten können. Diese Verantwortung muss am heuti-
gen Tage klar benannt werden. Genau wie Bankvor-
stände tragen auch Versicherungsvorstände Verantwor-
tung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])


Auch die Aufsichtsbehörde, für die Sie, Herr Finanz-
minister, zuständig sind, muss ihre Aufgaben wahrneh-
men. Diese Finanzaufsicht hat im Bereich Versiche-





Dr. Gerhard Schick


(A) (C)



(D)(B)

rungsaufsicht alle Handlungsmöglichkeiten, die man
sich vorstellen kann. Sie hat aber in den letzten Jahren
zugesehen, wie an die Eigentümer ausgeschüttet wurde,
anstatt die Unternehmen zu stabilisieren, und wie zu
hohe Versprechungen gemacht worden sind. All die
Missstände im Vertrieb – Debeka, ERGO, INFINUS –
hat sie aus der Zeitung erfahren, anstatt selber zu kon-
trollieren, was in diesem Sektor passiert. Wir haben hier
einen krassen Fall von Staatsversagen bei der Versiche-
rungsaufsicht. Hier muss dringend etwas geschehen. Wir
erwarten hier Aktivität von Ihnen als Bundesfinanz-
minister.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Zu dem Gesetzesvorhaben hier muss man sagen – ich
habe vorhin ein paar positive Veränderungen genannt,
aber vieles muss verbessert werden –: Auf die entschei-
dende Frage, was da eigentlich gemacht wird, sind die
Antworten sehr dünn. Ich habe gefragt: Wie groß ist
denn der Sicherungsbedarf? Das ist sozusagen das Kern-
element dieses Gesetzentwurfs bei den Bewertungsreser-
ven. Über was für Größenordnungen reden wir da?
Keine Antwort von Ihrem Staatssekretär. Wir haben ge-
fragt, ob denn die Veränderung bei den Bewertungsre-
serven dazu führt, dass die von der Bundesbank diagnos-
tizierte Problemlage wirklich aufgelöst wird, ob sich
diese lindert. Darauf keine Antwort. Deswegen bleibt am
heutigen Tag zu konstatieren – das muss sich in den
nächsten Tagen bei der Beratung ändern –: Das ist Versi-
cherungspolitik im Blindflug. Das sollten wir als Parla-
mentarier nicht mitmachen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Denn nachher heißt es dann, dass wir das hier beschlos-
sen haben.

Deswegen erwarten wir, dass Sie bei diesen Fragen
noch etwas nachlegen. Denn wir müssen bei einer so re-
levanten Veränderung der Eigentumsverhältnisse, bei ei-
ner so relevanten Gesetzgebung, die in die Rechte von
Versicherten eingreift, wissen, was wir tun. Deswegen
werden wir – genau wie bei vielen anderen einzelnen
Punkten im Gesetzgebungsverfahren – auch bei der
grundlegenden Frage, was das für die Kunden und für
den Sektor bedeutet, noch einmal nachhaken. Denn hier
sind wir alle in der Verantwortung. Wir können nicht in
ein paar Jahren sagen, dass wir das nicht genau gewusst
haben. Vielmehr müssen wir die Regierung zwingen, uns
die Zahlen vorzulegen.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das wird einfach durchgejagt während der Weltmeisterschaft!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804100600

Anja Karliczek hat nun das Wort für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Anja Karliczek (CDU):
Rede ID: ID1804100700

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident! Liebe Kolle-

ginnen und Kollegen! Zwei Worte vorweg zu dem, was
gesagt wurde. Liebe Frau Karawanskij, Sie stehen wie-
der einmal auf der Seite weniger und lassen mit Ihrer Ar-
gumentation die breite Masse der Bevölkerung im Stich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD] – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: 62 Millionen Leute sind wenig? Das verstehe ich nicht!)


Herr Schick, zu Ihnen: Einzelne Zahlen und einzelne
Unternehmen zu nennen, hilft uns in diesem Moment
nicht weiter. Die Situation der verschiedenen Unterneh-
men ist so unterschiedlich, dass wir einen systemischen
Ansatz gewählt haben, und das ist richtig.


(Beifall bei der CDU/CSU – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Sie haben doch gar keine Zahlen!)


Die Welt der Zinsen steht auf dem Kopf. Banken
müssen heute Strafen zahlen, wenn sie Geld nicht verlei-
hen. Versicherungen bitten darum, vermehrt in langfris-
tige und im doppelten Sinne des Wortes langweilige
Strukturprojekte investieren zu dürfen. Der durchschnitt-
lich garantierte Zins bei Lebensversicherungen ist höher
als der Marktzins. Das hat es in Deutschland noch nie
gegeben. Herr Schick, das war auch 2008, als der Ge-
setzentwurf zur Verteilung der Bewertungsreserven ver-
abschiedet wurde, überhaupt noch nicht erkennbar.

Wir wissen nicht, wie lange diese Niedrigzinsphase
noch anhalten wird. Aber wir wissen eines: Bleiben wir
untätig, wird unser Finanzsystem langfristig destabili-
siert, und es drohen uns japanische Verhältnisse. Ver-
trauen verliert sich schneller, als es erworben werden
kann. Deshalb ist es so wichtig, dass wir jetzt mit dem
Lebensversicherungsreformgesetz die Grundlage dafür
schaffen, das Vertrauen in die Kapitallebensversicherung
als das klassische Mittel zur Altersvorsorge zu erhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Kapitallebensversicherung mit einem garantier-
ten Zins ist nach wie vor ein von den Menschen hochge-
schätztes Produkt, um den Lebensstandard im Alter zu
sichern. Es ist ein Produkt, das langfristig trägt und den
Menschen Sicherheit gibt.

Ich möchte an dieser Stelle nur zwei Punkte unseres
Reformpaketes ansprechen.

Erstens: die Finanzierung der garantierten Zinsen bei
bestehenden Verträgen. Wir fordern die Menschen seit
Jahren zur Eigenvorsorge auf. Viele Menschen sind un-
serer Aufforderung gefolgt. Mit 90 Millionen Kapitalle-
bensversicherungen hat statistisch gesehen jeder Ein-
wohner 1,1 Verträge, vom Baby bis zum 100-Jährigen.
90 Millionen Mal werden Geld und Vertrauen investiert,
dass der garantierte Wert der Versicherung erhalten
bleibt. Jetzt ist es an uns, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, Verlässlichkeit zu schaffen und dafür zu sorgen,
dass die von den Versicherern gegebenen Garantien auch
eingelöst werden können. Es ist unsere Aufgabe, der





Anja Karliczek


(A) (C)



(D)(B)

Sorge vieler Menschen um die private Alterssicherung
etwas entgegenzusetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein zweiter Punkt. Vertrauen setzt eine faire Leistung
voraus, und Vertrauen braucht Transparenz. Die Kapital-
lebensversicherung ist ein hochkomplexes und stark re-
guliertes Finanzprodukt. Wir wollen sie mit der notwen-
digen Transparenz ausstatten. Die Menschen müssen
erkennen können, welche Kosten in ihrer Prämie stecken
und welcher Anteil in den Kapitalaufbau fließt. Nur
dann entsteht Vergleichbarkeit für die Kunden und ech-
ter Wettbewerb zwischen den Versicherern. Auch das
schafft Vertrauen.

Ich möchte noch ein Wort an die Kritiker des Geset-
zes richten. Vertrauen in die Lebensversicherung ver-
spielt auch, wer stets erklärt, sie werde unattraktiv, und
dann eine Zahl von 40 Milliarden Euro in die Welt setzt,
mit denen die Versicherungsnehmer zusätzlich belastet
würden.


(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das habe ich nicht gesagt!)


Woher stammt denn diese Zahl?

Behauptet wird auch, allein 13,5 Milliarden Euro
würden den Kunden durch die Zinszusatzreserve vorent-
halten. Richtig ist: Die Zinszusatzreserve wird wieder
vollständig an die Kunden ausgeschüttet. Das ist gesetz-
lich vorgeschrieben.

Der Umfang der geringeren Beteiligung an den Be-
wertungsreserven wird mit 3,6 Milliarden Euro beziffert.
Richtig ist: Ohne die nun angestrebte Neuregelung
würde die Überschussbeteiligung der verbleibenden
Kunden – das sind 95 Prozent der Versicherten – noch
niedriger ausfallen. Dann gäbe es aufgrund der aktuell
sehr hohen Auszahlungen bald nichts mehr zu verteilen.

Jetzt haben wir die Aufgabe, im parlamentarischen
Verfahren über die detaillierte Ausgestaltung einiger
Punkte zu sprechen. Dazu lade ich Sie herzlich ein. Ins-
gesamt bin ich davon überzeugt, dass dieses Gesetz alle
Beteiligten angemessen in die Pflicht nimmt: Versi-
cherte, Vermittler, Aktionäre und Unternehmen. Aus
meiner Sicht ist das der einzige Weg, die notwendige
Akzeptanz für diese dringenden Reformen herzustellen,
und der einzige Weg, langfristig das Vertrauen in ein
zentrales Produkt unserer Altersvorsorge zu erhalten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804100800

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 18/1772 und 18/1815 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offensichtlich
der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tageordnungspunkte II a und II b auf:

a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für

(Haushaltsgesetz 2014)


Drucksachen 18/700, 18/702

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unter-
richtung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017

Drucksachen 17/14301, 18/1026

Wir beginnen nun mit der Beratung der Einzelpläne,
und zwar zunächst derjenigen Einzelpläne, zu denen
keine Aussprache vorgesehen ist.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.1 auf:

Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt

Drucksachen 18/1023, 18/1024

Berichterstatter sind die Abgeordneten Kerstin
Radomski, Steffen-Claudio Lemme, Dr. Dietmar Bartsch
und Ekin Deligöz.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 01 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der
Einzelplan 01 einstimmig angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.2 auf:

hier: Einzelplan 02
Deutscher Bundestag

Drucksachen 18/1002, 18/1023

Berichterstatter sind die Abgeordneten Johannes
Kahrs, Bernhard Schulte-Drüggelte, Roland Claus und
Anja Hajduk.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 02 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist bei
Enthaltung der Fraktion Die Linke auch dieser Einzel-
plan mit den Stimmen der übrigen Fraktionen angenom-
men.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.3 auf:

Einzelplan 03
Bundesrat

Drucksache 18/1024

Berichterstatter sind hier die Kollegen Ulrich Freese,
Kerstin Radomski, Dietmar Bartsch und Tobias Lindner.

Wir stimmen ab über den Einzelplan 03. Wer stimmt
für diesen Einzelplan? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Dann ist auch der Einzelplan 03 einstim-
mig angenommen.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunk-
ten II.4 a und II.4 b:

a) Einzelplan 08
Bundesministerium der Finanzen

Drucksachen 18/1008, 18/1023

b) Einzelplan 20
Bundesrechnungshof

Drucksache 18/1024

Berichterstatter für den Einzelplan 08 sind die Abge-
ordneten Norbert Brackmann, Hans-Ulrich Krüger,
Gesine Lötzsch und Tobias Lindner. Berichterstatter für
den Einzelplan 20 – Bundesrechnungshof – sind die Ab-
geordneten Michael Leutert, Carsten Körber, Bettina
Hagedorn und Tobias Lindner.

Außerdem rufe ich die Tagesordnungspunkte II.4 c
bis II.4 e auf:

c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Haus-
haltsbegleitgesetzes 2014

Drucksachen 18/1050, 18/1223

Beschlussempfehlung und Bericht des Haus-
haltsausschusses (8. Ausschuss)


Drucksache 18/1762

d) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU,
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Herstellung des Einvernehmens von Bundes-
tag und Bundesregierung zum Begehren der
Republik Litauen, der dritten Stufe der Euro-
päischen Wirtschafts- und Währungsunion
beizutreten und den Euro als Umlaufwährung
einzuführen
hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta-
ges nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgeset-
zes i. V. m. § 9a des Gesetzes über die
Zusammenarbeit von Bundesregierung und
Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der
Europäischen Union

Drucksache 18/1800

e) Beratung der Unterrichtung durch das Bundes-
ministerium der Finanzen gemäß § 9a des
Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bun-
desregierung und Deutschem Bundestag in
Angelegenheiten der Europäischen Union

Beitritt Litauens zum Euroraum

Drucksache 18/1730
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Haushaltsausschuss

Zum Haushaltsbegleitgesetz 2014 liegt ein Ände-
rungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir
dann später befinden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache insgesamt 125 Minuten vorgesehen. –
Ich höre keinen Widerspruch; also können wir so verfah-
ren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Kollegen Dietmar Bartsch für die Fraktion
Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804100900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben

Ende Juni. Wir beraten den Haushalt für dieses Jahr. Im
Juli wird dann der Bundesrat beschließen. Die Veröffent-
lichung im Bundesgesetzblatt wird wahrscheinlich Ende
Juli stattfinden, sodass wir festhalten können, dass es
sieben Monate vorläufige Haushaltsführung gab, ohne
Investitionen demzufolge und mit vielen Dingen, die
nicht gemacht werden konnten. Das ist für das Land mit
Sicherheit nicht von Vorteil gewesen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir konnten hier hoffen: Was lange währt, wird endlich
gut. – Das ist aber nicht der Fall; denn das ist ein Haus-
halt der sozialen Spaltung.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Was?)


Dieser Haushalt ist nicht zukunftsgewandt, sondern er
verspielt Zukunft.

Wir Mitglieder des Haushaltsausschusses hatten teil-
weise das Gefühl, in der David-Copperfield-Show zu
sein. Der Regierungsentwurf von vor einigen Monaten
beinhaltete eine Neuverschuldung von 6,5 Milliarden
Euro. Es gab dann monatelange Diskussionen zwischen
den Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern und zwischen
den Haushältern, es gab diverse Anträge und auch Ver-
änderungen – teilweise sogar zum Positiven –, und am
Ende standen dort wieder 6,5 Milliarden Euro. Das ist
schon eine Besonderheit. Aber das war Trickserei.

Ich will diesen Trick erklären: Die Koalition hat die
Zinslasten in einer Nachtsitzung einfach einmal um
1,2 Milliarden Euro reduziert,


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sauber durchgerechnet!)


und nachdem klar war, dass die Einnahmen aus der
Brennelementesteuer nicht wie geplant anfallen werden,
hat die Koalition die Steuerschätzung neu interpretiert
und gesagt: 1,4 Milliarden Euro neue Einnahmen. Au-
ßerdem wurden noch 500 Millionen Euro bei den Bil-
dungsausgaben gestrichen, und in dem Haushalt von
Frau von der Leyen wurde eine globale Minderausgabe
von 400 Millionen Euro eingestellt. So ist da getrickst
worden. Aber: Nicht alle Instrumentarien der Haushalts-
planung sind auch verantwortbar, und nicht jede Opera-
tion ist erlaubt.





Dr. Dietmar Bartsch


(A) (C)



(D)(B)

Lassen Sie mich etwas zum Thema „Schulden und
schwarze Null“ sagen. Über die schwarze Null wird
ganz viel geredet. Ich will kurz und knapp feststellen: Es
gibt in dem Haushalt für das Haushaltsjahr 2014 keine
schwarze Null, sondern 6,5 Milliarden Euro neue Schul-
den. Die Schuldenbilanz von Herrn Schäuble seit 2009
lautet 112 Milliarden Euro neue Schulden, und das Ende
der Neuverschuldung ist nicht abzusehen. Warten wir
jetzt erst einmal den September ab und schauen wir, wie
an dieser schwarzen Null gebastelt wird. Die weltweite
Zinsentwicklung ist dabei das größte Haushaltsrisiko,
das wir haben. Mehr Schuld gegenüber künftigen Gene-
rationen hat bisher kaum ein Finanzminister auf sich ge-
laden.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Herr Schäuble, Sie wollen offenbar um jeden Preis
mit dem Prädikat „Erster Haushalt ohne Neuverschul-
dung seit 1969“ aus dem Amt scheiden. Das ist persön-
lich legitim, und im Übrigen teilen wir das Ziel, dass es
keine Neuverschuldung geben soll.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Was haben Sie dann dagegen einzuwenden?)


Wenn das aber die einzige Richtschnur des politischen
Handelns wird, dann ist das schlicht zu wenig. Ihr Weg
der Ausgabenkürzungen zulasten der Arbeitenden, der
Arbeitsuchenden, der Rentnerinnen und Rentner und der
Kranken ist falsch. Das ist ein Haushalt der sozialen
Spaltung.


(Beifall bei der LINKEN – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Oh!)


Ich will es hier wiederholen, damit es keine Missver-
ständnisse gibt: Ja, wir als Linke sind dafür, dass die
Schuldenquote heruntergeht und dass Schuldenabbau
betrieben wird. Das ist doch völlig klar. Da, wo wir für
Länderhaushalte Verantwortung tragen, kann man übri-
gens exemplarisch sehen, wie wir agieren. Gucken Sie
nur nach Brandenburg: Vier Jahre ohne Neuverschul-
dung, und sogar die Rückzahlung der Schulden hat be-
gonnen.

Ich will den DIHK-Chef Eric Schweitzer zitieren, der
Ihnen bei allem Respekt bescheinigt hat:

Bei der Haushaltskonsolidierung kann ich aller-
dings keine besonderen Leistungen erkennen. Sie
erfolgt ausschließlich auf Grundlage der guten
Konjunktur …

Wir sagen: Wir brauchen eine andere Einnahmepolitik,
wenn wir die Haushalte wirklich konsolidieren wollen.


(Beifall bei der LINKEN)


Dafür haben wir entsprechende Vorschläge vorgelegt.
Schauen Sie sie sich an!

Ich will Ihnen noch ein Zitat vortragen:

Die doppelte Aufgabe in Deutschland – die Schul-
den unseres Landes abzubauen und gleichzeitig vor
allem in Bildung und Infrastruktur zu investieren –
lässt sich nicht mit dem Wahlversprechen verbin-
den, gleichzeitig die Steuern zu senken. Sondern im
Gegenteil: Wir werden Steuern sogar erhöhen müs-
sen. Nicht alle Steuern für alle, aber einige Steuern
für wenige.

Das ist ein hervorragendes Zitat aus dem Wahlprogramm
der SPD. Nichts davon ist übriggeblieben. Wo ist denn
irgendeine Maßnahme, mit der Sie die Steuern der Ver-
mögenden und Superreichen in diesem Land erhöhen?
Null! Fehlanzeige! Und das ist falsch.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Schäuble und Herr Barthle werden sich jetzt
gleich feiern und von der wunderbaren wirtschaftlichen
Entwicklung, von der Rekordbeschäftigung und von
steigenden Löhnen, Gehältern und Renten reden.


(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Zu Recht!)


Es wird also ein großes Lob sein.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weltfremd!)


Was sind aber die Fakten? Ja, der konjunkturelle Ver-
lauf im ersten Quartal ist besser als in den anderen Jah-
ren. Von Rekordbeschäftigung zu reden, ist angesichts
der Arbeitsplatzvernichtung in den letzten Jahren aber
nicht zu akzeptieren.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Wo haben wir denn eine Arbeitsplatzvernichtung?)


Von 2000 bis 2013 ist die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze
um 1,7 Millionen gesunken. Gleichzeitig ist die Zahl der
Teilzeitarbeitsplätze um 2,5 Millionen, die Zahl der
Minijobs um 500 000, die Zahl der 1-Euro-Jobs um
100 000 und auch die Zahl der Leiharbeitsplätze gestie-
gen. Das ist die reale Situation. Ihr Arbeitsplatzauf-
schwung findet im Bereich der prekären Beschäftigung
statt.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie über steigende Löhne und Gehälter reden,
dann will ich Ihnen auch dazu eine Zahl nennen: Die
Steigerung der preisbereinigten Reallohnsumme seit
2000 liegt bei sage und schreibe 1,7 Prozent. Donner-
wetter! In 13 Jahren ist das ja eine große Steigerung.

Deutschland hat im internationalen Vergleich ein
geringes Investitionsniveau.

Das ist ein Zitat von Sigmar Gabriel im Geleitwort
zum Jahreswirtschaftsbericht 2014. Der Mann hat recht.
Die Investitionen sind in den letzten Jahren immer
weiter zurückgegangen: 27,6 Milliarden Euro 2012,
26,1 Milliarden Euro 2013 und 25 Milliarden Euro in
diesem Jahr. Das DIW kritisiert, dass die Verkehrsinfra-
struktur dabei ist, sich von einem Standortvorteil zu ei-
nem Standortproblem zu entwickeln. Nehmen Sie doch
wenigstens das zur Kenntnis. Das ist das entscheidende
Defizit dieses Haushaltes.





Dr. Dietmar Bartsch


(A) (C)



(D)(B)

Sie investieren zu wenig in die Zukunft. Im Koali-
tionsvertrag haben Sie 5 Milliarden Euro an zusätzlichen
Verkehrsinvestitionen in dieser Legislatur vereinbart.
Aber Experten schätzen den Bedarf in jedem Jahr auf
über 7 Milliarden Euro. Sie fahren das Land auf Ver-
schleiß. Schauen Sie sich die Brücken an! Schauen Sie
sich die Netzstruktur an! Schauen Sie sich die Kranken-
häuser an! Die Schlagworte „Haushaltskonsolidierung“
und „Schuldenabbau“ sind irreführend. Das sind in
Wahrheit die Schulden für die nächste Generation.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit dem Haushalt 2014 werden wichtige gesellschaft-
liche Herausforderungen nicht angegangen, und selbst
Ihre Wahlversprechen und Ihr Koalitionsvertrag werden
gebrochen. Die Vermögensungleichheit im Euro-Raum
ist nirgendwo größer als in Deutschland. Das ist eine
skandalöse Entwicklung.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Weder der ungeheure Reichtum bei wenigen noch die
sich immer mehr öffnende Schere zwischen Arm und
Reich ist irgendwie vom Himmel gefallen. Das ist Er-
gebnis Ihrer Politik. Die Bundesregierung verzichtet auf
haushaltspolitische Weichenstellungen für mehr Steuer-
gerechtigkeit und für Einkommens- und Vermögensge-
rechtigkeit in Deutschland. Absolute Fehlanzeige in die-
sem Haushalt!

Die Vertreter der Koalitionsfraktionen haben verkün-
det, alle Menschen in Deutschland sollen ein gutes Le-
ben führen können. Meinen Sie, dass die 3 Millionen Ar-
beitslosen in Deutschland ein gutes Leben führen
können? Meinen Sie, dass die 900 000 Menschen mit
Grundsicherung im Alter oder diejenigen, die diese we-
gen Erwerbsminderung bekommen, ein gutes Leben füh-
ren können? In Deutschland droht nicht Armut; in
Deutschland gibt es Armut, und das in unserem reichen
Land. Das ist ein Skandal. Da muss man doch als Regie-
rung etwas tun, um das zu ändern.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Haushalt ist
nicht gut für unser Land. Er leistet keinen Beitrag zu
mehr sozialer Gerechtigkeit und zu gesellschaftlichem
Zusammenhalt. Dieser Haushalt vernachlässigt sträflich
Zukunftsinvestitionen für unser Land. Dieser Haushalt
ist nicht solide. Die Linke wird diesen Haushalt deshalb
ablehnen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804101000

Norbert Barthle ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1804101100

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Lieber Kollege Bartsch, dass meine
Einschätzung des Haushalts eine andere ist als Ihre, wird
niemanden verwundern. Ich bitte auch um Verständnis
dafür, dass ich nicht auf jeden schrägen Ton Ihrer sozia-
listisch-kommunistischen Drehorgelmelodie eingehen
werde.


(Widerspruch bei der LINKEN – SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt auch etwas schräg!)


Das werde ich den anderen Mitgliedern dieses Hohen
Hauses ersparen.

Wir haben es nach langen und intensiven Haushalts-
beratungen geschafft, in dieser Woche dem Plenum ei-
nen Haushaltsentwurf zur Beratung vorzulegen, der uns
mit großer Freude und auch mit einem gewissen Stolz
erfüllt. Schon der Haushaltsentwurf des Finanzministers
war ein guter Entwurf. Es ist uns gelungen, aus diesem
guten Haushaltsentwurf einen noch besseren zu machen.
Das war eine gemeinsame Leistung der Großen Koali-
tion. Das Ergebnis tragen wir in dieser Woche gerne vor.

Was sind die Kernaussagen dieses Haushaltsentwurfs
2014? Als Erstes haben wir uns das Ziel gesetzt, die Net-
tokreditaufnahmelinie von 6,5 Milliarden Euro tatsäch-
lich einzuhalten. Nun sagt die Opposition, das sei ein
leeres, inhaltsloses Ziel. Das Gegenteil ist der Fall. Wer
einen ausgeglichenen Haushalt ernsthaft anstrebt und
wer dieses Ziel ernsthaft und nachhaltig verfolgen will,
der muss seinen Willen dadurch beweisen, dass er dieses
Ziel in gleichmäßigen, realistischen und nachvollziehba-
ren Schritten ansteuert. Wir tun das, indem wir diese
Nettokreditaufnahmelinie einhalten und damit das klare
Signal aussenden: Noch nie waren wir einem ausgegli-
chenen Haushalt 2015 so nahe wie mit diesem Haus-
haltsentwurf 2014.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])


Die zweite große Kernaussage dieses Haushalts ist,
dass wir die strukturelle Null halten wollten. Sie alle
wissen, das strukturelle Defizit errechnet sich durch Ab-
zug der Konjunkturkomponente und durch Abzug der fi-
nanziellen Transaktionen. Wir haben einen nicht nur
strukturell ausgeglichenen Haushalt, wir haben sogar ei-
nen kleinen strukturellen Überschuss von 1,3 Milliarden
Euro erwirtschaftet. Das ist eine große Leistung der Gro-
ßen Koalition, die wir mit Stolz vortragen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht zu viel Stolz!)


Das erlaubt mir einen Blick auf die Schuldenbremse.
Wir haben ja in unserem Grundgesetz die nationale
Schuldenbremse verankert. Diese Schuldenbremse ver-
pflichtet uns eigentlich erst 2016, gewisse Grenzen ein-
zuhalten. Wir halten diese Grenzen bereits seit 2012 ein
und unterschreiten sie mit dem Haushalt 2014 deutlich.





Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)

Wir könnten aufgrund der Schuldenbremse 34 Milliar-
den Euro neue Schulden machen, machen aber nur
Schulden in Höhe von 6 Milliarden Euro. Wenn man die
Einzahlungen in den Europäischen Stabilitätsmechanis-
mus abzieht, sind wir bei noch gut 2 Milliarden Euro
neuen Schulden – bei Ausgaben von insgesamt
296,5 Milliarden Euro. Meine Damen und Herren, ich
glaube, das kann sich wirklich sehen lassen. Das ist der
richtige Weg, der letzte große Schritt hin zum ausgegli-
chenen Haushalt.

Das ist auch ein wichtiges Signal nicht nur an die
Bundesländer, sondern vor allem auch an die Mitglieds-
länder der Europäischen Union. Wie schaffen wir das?
Durch absolute Ausgabendisziplin. Maßhalten bei den
Ausgaben und steigende Einnahmen sind das Geheim-
rezept unseres Erfolgs.

Wenn Sie sich die Ausgaben in diesem Jahr an-
schauen, dann sehen Sie, dass sie 11 Milliarden Euro
niedriger sind als der Istwert des Jahres 2013. Wenn Sie
sich die Vergleichszahl für 2010 anschauen, dann erken-
nen Sie, dass wir im Jahr 2014 weniger Geld ausgeben
als im Jahr 2010. Das empfehle ich allen Gebietskörper-
schaften als Vorbild – seien es Länder, seien es Kommu-
nen, seien es Regionen. Das möge sich bitte jeder einmal
anschauen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das schaffen wir trotz schwieriger Ausgangsbedin-
gungen. Denn seien wir ehrlich: Anfangs der Haushalts-
beratungen hatten wir nicht damit gerechnet, dass uns
eine Lücke von knapp dreieinhalb Milliarden Euro ins
Haus steht. Das kam überraschend während der Haus-
haltsberatungen und hat uns manche Pläne verhagelt.
Wir hätten gern mehr für die Infrastruktur ausgegeben.
Diese Mittel mussten wir streichen. Aber wir haben es
geschafft, diese Lücke von dreieinhalb Milliarden Euro
zu schließen, und zwar durch einen Mix verschiedener
Maßnahmen.

Einerseits haben wir wirklich gespart. Zum Beispiel
geben wir 10 Prozent weniger aus für die Öffentlich-
keitsarbeit, für Fachinformationen über alle Ressorts
hinweg. Dies ist möglich, weil das Jahr fast schon zur
Hälfte vorbei ist. Wir haben auch bei den ALG-II-Aus-
gaben gespart. Das war dort möglich wegen der guten
Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Aufgrund mögli-
cherweise nicht rechtzeitig zulaufender Beschaffungs-
vorhaben im Verteidigungsministerium konnten wir dort
400 Millionen Euro einsparen.

Andererseits haben wir in diesem Haushaltsentwurf
auch Minderausgaben und Mehreinnahmen finden kön-
nen, die wir dann kenntlich gemacht haben.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In einer Nachtsitzung um halb eins!)


Der größte Brocken dabei sind 1,2 Milliarden Euro we-
niger Zinsausgaben. Daran kann die Opposition nun he-
rummäkeln, aber Tatsache ist, dass im Haushaltsaus-
schuss die Grünen diesem Änderungsantrag zugestimmt
und die Linken sich enthalten haben. Also hoffe ich doch
sehr, dass es daran keine Kritik gibt.

Die Maßnahmen habe ich bereits genannt. Wir haben
dazu noch die Steuereinnahmen um 600 Millionen Euro
höher angesetzt, als es die Steuerschätzer getan haben.
Lieber Kollege Kindler, darauf werden Sie gleich sicher-
lich eingehen. Deshalb will ich an dieser Stelle Folgen-
des sagen:

Erstens. Wer sich bei einem Gesamtetat von knapp
300 Milliarden Euro an 600 Millionen Euro aufhängt,
der zeigt – seien wir einmal ehrlich – kleines Karo.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Lachen des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Zweitens. Wenn ich mir die jüngsten Einschätzungen der
Wirtschaftsforschungsinstitute – darunter RWI und IFW
in Kiel – und der Deutschen Bundesbank anschaue, dann
muss ich sagen, dass sie ihre Wachstumsprognosen für
2014 nach oben korrigiert haben, nicht nach unten. Des-
halb sehen wir uns in dieser Annahme bestätigt.

Wenn wir uns die Steuereinnahmen des Monats Mai
anschauen, dann lagen die schon wieder deutlich höher
als im ersten Quartal. Auch darin sehen wir eine Bestäti-
gung dafür, dass wir mit ruhigem Gewissen diese
600 Millionen Euro Mehreinnahmen ansetzen konnten.

Darüber hinaus sind verschiedene Sicherungsmaß-
nahmen vorgesehen worden, was den Haushaltsvollzug
anbelangt, und es ist uns gelungen – das will ich auch
betonen –, parlamentarische Schwerpunkte zu setzen,
die aus den Reihen der Großen Koalition an uns Haus-
hälter herangetragen wurden. Der Haushaltsentwurf
2014 enthält also auch einige neue Akzentuierungen und
Schwerpunkte, die im parlamentarischen Verfahren ent-
standen sind. Diese sind aber gegenfinanziert – auch das
sage ich als Haushälter ganz bewusst –, sodass sie nicht
schuldenerhöhend wirken. Allein 90 Millionen Euro
mehr – das ist ein Zuwachs von 7,5 Prozent – sind für
die Kultur vorgesehen. Das ist ein deutliches Signal in
den gesamten Kulturbereich hinein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir geben, anders als Sie es darstellen, Herr Kollege
Bartsch, für Bildung und Forschung nicht weniger Geld
aus, sondern 85 Millionen Euro mehr, als im Ansatz des
Finanzministers vorgesehen war.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Was ist denn mit den 500 Millionen?)


Das ist die Realität: 85 Millionen Euro mehr für Bildung
und Forschung im Etat von Frau Wanka.

Im Bereich des BMI gibt es deutliche Zuwächse für
Notwendigkeiten, die wir kenntlich gemacht haben, zum
Beispiel für Integrationskurse oder für Syrien-Flücht-
linge, aber auch für wünschenswerte Maßnahmen. Bei-
spielsweise sind 10 Millionen Euro mehr für das THW
vorgesehen, zum Beispiel für die Beschaffung von Fahr-
zeugen oder für Ausbildungskurse. Auch das sind deutli-
che Zeichen. Die Bundeszentrale für politische Bildung





Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)

und die politischen Stiftungen statten wir in diesem Etat
ebenfalls mit mehr Mitteln aus.

Darüber hinaus – auch das will ich nicht unerwähnt
lassen – haben wir im Verkehrsetat Verpflichtungser-
mächtigungen vorgesehen, die wir gerne noch höher an-
gesetzt hätten, aber die Umstände standen, wie gesagt,
dem entgegen. Dafür haben wir für das kommende Jahr
Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 775 Millio-
nen Euro ausgebracht. Damit ist eine gewisse Stetigkeit
auch im Verkehrsetat gewährleistet.

Des Weiteren haben wir für notwendige Zahlungen
im Zusammenhang mit dem Green Climate Fund Vor-
sorge getroffen, und zwar ebenfalls in Form von Ver-
pflichtungsermächtigungen in Höhe von 750 Millionen
Euro.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Dieser Haushalt
zeigt, dass wir solide wirtschaften und dass wir in unse-
ren Maßnahmen, Planungen und in unserer Fiskalpolitik
verlässlich sind. Mit dieser Verlässlichkeit erarbeiten wir
uns das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, Unter-
nehmerinnen und Unternehmer, Investoren und Finanz-
akteure nicht nur in Deutschland, sondern auch interna-
tional. Damit ist dieser Haushalt ein gutes Zeichen für
Deutschland, aber auch für Europa. Das sage ich ganz
bewusst in Anbetracht der derzeitigen internationalen
Debatte, was eine mögliche Aufweichung der Stabilitäts-
kriterien anbelangt.

Wir schließen uns der Auffassung von Herrn Renzi
oder von Herrn Hollande nicht an, dass wir mehr Flexi-
bilität brauchen. Es gibt im Regelwerk genügend Flexi-
bilität. Statt darüber nachzudenken, wie man Regeln um-
gehen kann, sollten wir vielmehr alle darüber
nachdenken, wie man Regeln einhält. Wir tun das. Des-
wegen bitte ich um Zustimmung für diesen sehr guten
Haushalt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804101200

Ich erteile nun dem Kollegen Sven-Christian Kindler

für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir sind jetzt auf der Zielgeraden der Haus-
haltsberatungen. Auch nach den vielen Beratungen
bleibt es dabei: Es gibt keine strukturellen Änderungen
der Koalition. Ihnen fehlen der Mut und der Wille zu
strukturellen Reformen im Haushalt. Sie verlassen sich
ganz allein auf die gute Konjunktur. Das ist ein gefährli-
ches Spiel mit dem Feuer. Dieser Haushalt der Großen
Koalition ist unsolide, ungerecht und zukunftsvergessen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Der Haushalt nicht! Der kann ja nichts dafür!)


Ihr Haushalt ist unsolide, und er ist vor allen Dingen
hart auf Kante genäht. Vor der Bereinigungssitzung hat-
ten Sie ein 3-Milliarden-Euro-Loch. Wie haben Sie das
gestopft? Sie haben keine strukturellen Änderungen vor-
genommen. Sie haben weder bei Einnahmen und Ausga-
ben noch bei den Subventionen angesetzt oder Reformen
vorgesehen. Was haben Sie stattdessen gemacht? Wir ha-
ben noch am Montag vor der Bereinigungssitzung alle
gemeinsam – auch Sie, Herr Barthle und Herr Kahrs –
die Einnahmen aufgrund der Steuerschätzung angepasst.
Donnerstagnacht um 0.30 Uhr haben Sie eine eigene
politische und willkürliche Steuerschätzung aufgestellt
und die Einnahmen um 700 Millionen Euro nach oben
angepasst. Sie haben sich damit kaltschnäuzig über die
Mai-Steuerschätzung hinweggesetzt. Das nenne ich un-
verschämt und dreist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das zeigt auch das Grundverständnis Ihrer Haushalts-
politik. Sie verweigern die Arbeit und ändern im Haus-
halt nichts strukturell. Stattdessen hoffen Sie und zo-
cken. Sie sind Zocker. Sie wetten auf die gute
Konjunktur und auf eine gute Zukunft. Das ist Haus-
haltspolitik im Las-Vegas-Style. Am Roulettetisch set-
zen Sie alles auf Schwarz, und wenn die Kugel dann auf
Rot landet, ist Ihr Portemonnaie leer, und Sie müssen zur
Bank gehen. Aber diese Zockerei hat nichts mit solider
Haushaltspolitik zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Den Gang zur Bank haben Sie übrigens schon einge-
plant. Sie haben nachts um halb eins in der Bereini-
gungssitzung das Haushaltsgesetz geändert. Sie können
nun dieses Jahr 3 Milliarden Euro mehr Schulden ma-
chen, indem Sie 2014 alte, nicht verbrauchte Kredit-
ermächtigungen nutzen. Sie müssen darüber den Haus-
haltsausschuss nicht zeitnah informieren. Sie haben sich
damit im Haushaltsgesetz eine Portokasse geschaffen,
weil Sie Angst haben, dass Sie dieses Jahr mehr Schul-
den als die geplanten 6,5 Milliarden Euro machen müs-
sen. Wenn Sie diese Schulden machen müssen, dann
wollen Sie darüber weder das Parlament noch die Öf-
fentlichkeit informieren. Das ist versuchte Täuschung
mit Ansage.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wenn man es ansagt, ist es keine Täuschung!)


Ihr Haushalt ist zudem ungerecht, Herr Schäuble. Sie
und die Große Koalition loben sich schon jetzt für die
schwarze Null im Jahr 2015. Aber wie finanzieren Sie
das? Sie greifen mit vollen Händen in die Sozialkassen.
Sie greifen in den Gesundheitsfonds und die Renten-
kasse. Sie finanzieren das damit auf dem Rücken der
Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Das hat aber mit
struktureller Haushaltskonsolidierung nichts zu tun. Die
Zeche dafür zahlen später die Bezieher kleiner und mitt-
lerer Einkommen. Das ist einfach ungerecht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir Grüne beantragen dagegen für mehr Gerechtig-
keit die Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf





Sven-Christian Kindler


(A) (C)



(D)(B)

420 Euro. Bei der Rente wollen wir den Einstieg in eine
steuerfinanzierte Garantierente für langjährig Versi-
cherte. Damit würden wir vor allen Dingen Frauen und
Geringverdienern helfen, die von Altersarmut besonders
betroffen sind. Sie dagegen nehmen 160 Milliarden Euro
in die Hand und machen nichts gegen Altersarmut. Das
ist das große Gerechtigkeitsproblem bei der schwarz-ro-
ten Rentenpolitik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dieser Haushalt ist auch zukunftsvergessen. Wir alle
wissen: Die Infrastruktur in diesem Land verrottet. Wir
leben von der Substanz. Sie tun nichts dagegen. Im Ge-
genteil: Die Investitionsquote befindet sich bei der Gro-
ßen Koalition im freien Fall. Sie wird 2018 bei nur noch
8 Prozent liegen. Wir als Grüne haben dagegen mit unse-
ren Änderungsanträgen klargemacht, dass sich die Inves-
titionsquote schon in diesem Haushalt auf 11 Prozent
steigern lässt. Wir wollen einen 3-Milliarden-Euro-Ener-
giesparfonds auflegen und die Mittel für die CO2-Gebäu-
desanierungsprogramme auf 2 Milliarden Euro aufsto-
cken. Wir wollen 1 Milliarde Euro mehr für den Erhalt
von Straßen und Brücken ausgeben, anstatt neue, über-
flüssige Autobahnen zu bauen. Das ist der fundamentale
Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik: Sie wol-
len mehr schlecht als recht den Status quo verwalten.
Wir Grüne wollen gestalten und für morgen in die Zu-
kunft investieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Investitionen für morgen sind Investitionen in Bil-
dung und Kinderbetreuung sowie in Hochschulen und
Forschung. Aber die für 2015 versprochenen 500 Millio-
nen Euro haben Sie einfach verschoben. Die 1 Milliarde
Euro, die für die Kommunen versprochen war, haben Sie
einfach gestrichen, obwohl gerade in den Kommunen
die meisten Investitionen getätigt werden. Das zeigt, was
das Motto dieser Großen Koalition ist: Kaum verspro-
chen, schon gebrochen!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Da klatscht noch nicht einmal die Linke!)


– Doch, die Linke klatscht; das siehst du doch.


(Johannes Kahrs [SPD]: Aber erst nach Aufforderung!)


– Du bist doch gleich dran, Johannes.

Klar ist auch: Wir wollen die Investitionen konkret
und solide gegenfinanzieren, ohne zusätzliche Schulden
zu machen. Unsere Leitlinie als Grüne lautet: Investieren
statt Subventionieren. Jedes Jahr gibt dieser Staat
50 Milliarden Euro für Investitionen aus, die klima-
schädlich sind. Wir Grüne sagen: Davon können wir zu
Beginn schnell 8 Milliarden Euro pro Jahr abbauen. Wir
können Milliarden bei der Privilegierung des Flugver-
kehrs und von schweren Dienstwagen sowie bei den
Subventionen für Erdöl, Kohle, Agrardiesel und Atom-
energie abbauen. Diese klimaschädlichen Subventionen
müssen endlich abgebaut werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die entscheidende Frage lautet: Was machen Sie als
Große Koalition in diesem Haushalt? Sie schaffen neue
klimaschädliche Subventionen. Sie führen eine Strom-
preiskompensation in Höhe von 350 Millionen Euro ein.
Im Rahmen des EEG wollen Sie erneut Milliarden an
Subventionen in die Großindustrie pumpen. Das zeigt
wieder einmal: Sie sind eine große Subventionskoali-
tion.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da Norbert Barthle die Debatte über die Europapoli-
tik angesprochen hat, will ich ebenfalls darauf eingehen.
Es ist richtig: Wir brauchen Haushaltskonsolidierung
und Reformen in Europa. Wir Grüne halten auch nichts
von Scheindebatten über den Stabilitäts- und Wachstums-
pakt. Der hat genug Flexibilität. Wir Grüne stehen zum
Stabilitätspakt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Das große Problem ist aber die einseitige Fokussie-
rung der Konservativen in Europa mit Frau Merkel an
der Spitze auf eine rigide Sparpolitik. Das hat die Rezes-
sion verstärkt.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das hat die Haushalte stabilisiert, die Arbeitslosigkeit gesenkt!)


Das hat die Jugendarbeitslosigkeit in die Höhe getrieben,
weil Mittel für wichtige Investitionen gekürzt wurden.
Für uns Grüne ist klar: Diese einseitige, blinde Sparpoli-
tik in Europa muss beendet werden.

Wir brauchen auch eine Investitionsstrategie für Eu-
ropa.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die gibt es doch schon!)


Eine kluge Investitionsstrategie in Europa setzt neben
der Ausgabenseite auf die Einnahmeseite, sie setzt auf
die Beteiligung von Vermögenden, sie geht massiv ge-
gen den Steuerbetrug vor, um Investitionen zu finanzie-
ren. Das heißt aber nicht Investitionen im Sinne von so-
zialdemokratischem Beton- und Kohlewachstum,


(Manfred Zöllmer [SPD]: Oh!)


sondern das heißt Investitionen in die Zukunft, in erneu-
erbare Energien, in den sozialökologischen Umbau und
in Bildung. Liebe SPD, bisher ist von Ihnen in Sachen
Investitionsstrategie sehr wenig gekommen. Da reichen
keine warmen, vagen Worte vom Vizekanzler.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir Grüne streiten in dieser Haushaltsdebatte nicht
nur für europäische Gerechtigkeit, wir streiten auch für
globale Gerechtigkeit. Auch da hat die Koalition versagt.
Sie haben mindestens 240 Millionen Euro für den inter-
nationalen Klimaschutz gestrichen. Wir Grüne dagegen





Sven-Christian Kindler


(A) (C)



(D)(B)

wollen die Mittel um 500 Millionen Euro erhöhen. Wir
wollen auch einen Aufholplan, um endlich das 0,7-Pro-
zent-Ziel bei der Entwicklungszusammenarbeit zu errei-
chen. Wir wollen dafür in diesem Haushalt 1,3 Milliar-
den Euro mehr zur Verfügung stellen. Wir wollen das
gegenfinanzieren, indem bei Rüstungsprojekten der
Bundeswehr 2 Milliarden Euro eingespart werden sol-
len. Humanitäre Hilfe für Flüchtlinge statt Milliarden für
neue Rüstungsdesaster – so kann man ganz praktisch im
Haushalt globale Gerechtigkeit umsetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch bei den Einnahmen stehen wir für mehr Gerech-
tigkeit. Die strukturelle Unterfinanzierung des Staates
muss beendet werden. Die Schere zwischen Arm und
Reich geht weiter auf. Das ist ungerecht. Starke Schul-
tern müssen mehr tragen als schwache. Wir Grüne wol-
len unter anderem an die Abgeltungsteuer heran und die
Kapitaleinkommen wie die Arbeitseinkommen wieder
progressiv besteuern. Denn man kann niemandem mehr
erklären, warum Gewinne aus Aktiengeschäften im Re-
gelfall niedriger besteuert werden als Einkommen aus
Lohnarbeit. Das ist extrem ungerecht, das muss dringend
geändert werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wir Grüne haben in diesem Haushalt konkrete Alter-
nativen vorgelegt, und zwar für Investitionen in die Zu-
kunft. Wir wollen das durch Ausgabenkürzungen, Sub-
ventionsabbau und Einnahmeverbesserungen solide
gegenfinanzieren. Ich fordere Sie auf: Geben Sie sich ei-
nen Ruck! Stimmen Sie unseren Alternativen zu! Denn
sonst bleibt Ihr Haushalt leider unsolide, ungerecht und
zukunftsvergessen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804101300

Für die Sozialdemokraten erteile ich das Wort dem

Kollegen Johannes Kahrs.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1804101400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir haben hier eine Rede von Norbert Barthle
für die CDU/CSU gehört, die ich nicht besser hätte hal-
ten können. Mein lieber Norbert, ganz herzlichen Dank!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das unterwürfig! – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wenn ihr einen Fusionsbeauftragten braucht: Ich kenne mich aus!)


Man sieht: Die Große Koalition arbeitet, die Große
Koalition funktioniert, die Große Koalition legt einen
soliden Haushalt vor, die Große Koalition weiß, dass
das, was wir machen, gut für unser Land ist. Norbert
Barthle hat das in vorzüglicher Weise vorgetragen. Du
wärest auch ein guter Sozi, jedenfalls in dieser Frage.


(Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann hat sich das mit der SPD ja erledigt!)


Wir haben auch zwei Reden von den Grünen und den
Linken gehört, die nicht viel Neues zu bieten hatten. Et-
was anderes war nach den Haushaltsberatungen auch
nicht zu erwarten. Wir haben auch mitbekommen, dass
die eine oder andere Kritik geäußert worden ist. Das,
finde ich, ist vollkommen in Ordnung. In der Substanz
würden aber auch sie nicht viel ändern; das muss man
einfach zur Kenntnis nehmen.

Ich möchte jedoch an einen Punkt, der hier eben ange-
sprochen worden ist, gerne anknüpfen. Herr Kindler hat
eben vom Subventionsabbau gesprochen, insbesondere
beim EEG, und auf die Unternehmen, die im weltweiten
Wettbewerb stehen, verwiesen. Erlauben Sie mir dazu
eine Anmerkung, gerade als Sozialdemokrat. Ich halte es
für einen strukturellen Fehler, dass wir in diesem Land in
der Diskussion so tun, als würde unser wirtschaftlicher
Erfolg, der sich auch in Steuereinnahmen niederschlägt,
einfach von selber kommen. Es gibt Unternehmen in
diesem Lande – ob aus den Bereichen Chemie, Kupfer,
Stahl oder andere –, die im internationalen Wettbewerb
stehen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um die geht es aber nicht!)


Auch ihnen muss man die Möglichkeit geben, gegenüber
der Konkurrenz zu bestehen. Mit Blick darauf, dass die
Preisbildung nicht auf dem deutschen Markt stattfindet
– weil es eben nicht so ist, dass Bäcker in unterschiedli-
chen Stadtteilen miteinander im Wettbewerb stehen; hier
geht es vielmehr Industriezweige, die Produkte erzeu-
gen, deren Preise auf dem Weltmarkt festgelegt werden –,
muss man einfach feststellen, dass Deutschland auch
Standortnachteile hat: Wir haben zum Beispiel höhere
Löhne als andere; das ist gut so. Dafür haben wir auch
eine höhere Produktivität.


(Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Was das EEG angeht, Herr Kindler: Wenn man will,
dass es in diesem Land Industriearbeitsplätze gibt, wenn
man nicht will, dass wir uns so deindustriealisieren, wie
es die USA oder England in den letzten Jahren gemacht
haben,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Schauermärchen!)


ist es sinnvoll, vernünftig und richtig, dass man für die
deutsche Industrie etwas tut, dass man für gut bezahlte
deutsche Industriearbeitsplätze etwas tut. Deswegen ist
es notwendig, dass man hier ganz klar sagt: Es muss
Ausnahmen vom EEG geben. Es muss möglich sein,
dass man für Industriezweige, die im internationalen
Wettbewerb stehen, etwas tut. Das sind keine Subventio-
nen. Das hat etwas mit Wettbewerbsfähigkeit und Chan-
cengleichheit zu tun.





Johannes Kahrs


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Was Sie hier probieren, ist, dass Sie der deutschen In-
dustrie einen Betonblock an den Fuß binden, damit sie
nicht wettbewerbsfähig ist.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absurd!)


Ich kann die Grünen ja verstehen. Sie mögen es gut fin-
den, wenn hier viele Unternehmen pleitegehen. Das
kommt ihnen im Hinblick auf die Reduzierung des CO2-
Ausstoßes und anderes entgegen.

Im Kern stehen wir Sozialdemokraten, steht diese
Koalition für eine erfolgreiche Industrielandschaft, für
Arbeitsplätze,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für vorgestern!)


für starke Arbeitgeber und starke Arbeitnehmer in die-
sem Land. Da unterscheiden wir uns von den Grünen.
Wir sind dafür, dass Unternehmen aus Hamburg, aus
dem Ruhrgebiet und anderswoher auf dem Weltmarkt
eine Chance haben. Dafür steht auch dieser Haushalt,
und dafür steht auch diese Koalition. Das muss man ein-
mal zur Kenntnis nehmen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Auch die Unternehmen in Bayern, in Burghausen! – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das hätte ich auch nicht besser sagen können!)


Am Ende stellt sich heraus, dass Grundkonsens in
diesem Hause ist – von einigen Aufgeregten bei den
Grünen einmal abgesehen –, dass wir der deutschen In-
dustrie ermöglichen wollen, im internationalen Wettbe-
werb erfolgreich zu sein; dazu stehen wir. In meinem
Wahlkreis hat mit Aurubis der international größte Kup-
ferhersteller seinen Sitz. Dieses Unternehmen muss sich
im Wettbewerb bewähren. Dessen Wettbewerber kom-
men nicht aus Deutschland; sie sind international tätig.
Alle Unternehmen dieser Branche sind demselben Preis-
kampf ausgesetzt.

Wenn wir es Unternehmen wie Aurubis nicht möglich
machen, wettbewerbsfähig zu sein, dann haben sie keine
Chancen. Wenn wir hier im Rahmen der Haushaltsbera-
tungen darüber reden, wie wir das Geld ausgeben, dann
müssen wir bedenken, dass dieses Geld erst einmal ein-
genommen werden muss, sehr geehrte Damen und Her-
ren, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall der Abg. Anja Karliczek [CDU/CSU])


Das funktioniert nun einmal nur, wenn wir eine Industrie
haben, die im weltweiten Wettbewerb Chancen hat.

Insofern sage ich – mit Verlaub, Herr Kindler –: Die
hohlen Phrasen, die ich gehört habe, halte ich für falsch.
Ich halte sie in der Sache für falsch, und im Hinblick auf
die deutschen Arbeitsplätze und die deutschen Arbeit-
nehmer sind sie allemal falsch. Es gilt eben nicht, das
EEG ausnahmslos umzusetzen. Vielmehr sollte man
nach vernünftigen Kriterien vorgehen.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann denn?)


Man sollte immer die Folgen seines Tuns bedenken.
Man muss weiter denken als von hier bis zum nächsten
Birnbaum.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Sie können auch in die CDU kommen!)


Wenn man sich den Haushaltsentwurf, den wir vorge-
legt haben, anschaut, stellt man fest: Wir handeln ver-
nünftig. Wir steuern die geringste Neuverschuldung seit
40 Jahren an. Das zeigt: Die Große Koalition funktio-
niert.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beim EEG nicht!)


Das zeigt: CDU, CSU und SPD befinden sich auf einem
guten Kurs. Das zentrale Versprechen des Koalitionsver-
trages, solide Staatsfinanzen für eine starke Zukunft zu
schaffen, ist erfüllt; wir arbeiten daran, dass das so wei-
tergeht.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaubt wirklich keiner!)


Im nächsten Jahr wollen wir eine schwarze Null ha-
ben. Dass auch Rote für eine schwarze Null kämpfen, ist
nichts Ungewöhnliches. Wir Sozialdemokraten haben
schon in der letzten Großen Koalition dafür gekämpft,
dass im Grundgesetz eine Schuldenbremse verankert
wird. Der eingeschlagene Weg wird jetzt fortgeführt.
Wenn wir im nächsten Jahr bei einer schwarzen Null lan-
den, dann steht das im Einklang mit der mittelfristigen
Finanzplanung. Die Schuldenbremse wird also eingehal-
ten.

Das ist ein großes Versprechen. Es einzuhalten, ist für
diese Große Koalition auch eine große Aufgabe. Sie
wird uns die nächsten Jahre beschäftigen. Der Finanz-
minister, der sich hierhingestellt und gesagt hat, er stehe
zu dieser schwarzen Null und wolle durchziehen, was
dafür notwendig sei, hat in den nächsten Jahren eine
große Verantwortung; denn man muss dafür viele Bedin-
gungen erfüllen. Jede Abweichung vom notwendigen
Kurs wird für uns alle schwierig und problematisch. Wir
stehen also nicht nur zum Ziel einer schwarzen Null,
sondern haben mit dem Koalitionsvertrag und diesem
Haushalt sehr viel dafür getan, dass dieses Ziel erreich-
bar ist.

Das Ziel einer schwarzen Null hat viel mit Generatio-
nengerechtigkeit zu tun. Wir sagen: Wir machen keine
neuen Schulden mehr in diesem Land. Dazu stehen So-
zialdemokraten und CDU/CSU.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir stehen auch dafür, dass die Steuern nicht erhöht werden!)


Ich glaube, dass das etwas ist, was man gar nicht laut ge-
nug sagen kann. Dieser Haushalt ist der erste Schritt auf





Johannes Kahrs


(A) (C)



(D)(B)

diesem Weg. Ab dem nächsten Jahr wird das so kom-
men.

Zur Kritik der Opposition. Die Opposition redet über
200 Millionen Euro hier, 600 Millionen Euro da. Wir re-
den dann über 0,6 Prozent von 300 Millionen Euro.


(Zurufe: Milliarden!)


– Genau, 300 Milliarden. – Ehrlich gesagt: Herr Kindler,
man kann sich über vieles streiten, den ganzen Tag, aber
es sollte schon einen Hauch von Substanz haben. Dass
wir in so einem Haushalt Spielräume haben, das ist gut
so.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bisschen mehr Substanz in Ihrer Rede!)


Wir hatten Pech. Wir hatten Glück. Das eine zu betonen
und das andere nicht, das ist ein bisschen grenzwertig.
Ich verstehe, dass Sie Ihre neun Minuten Redezeit ir-
gendwie füllen müssen, aber im Kern sollte man das
schon ein bisschen substanzieller tun. Wir schätzen uns
sehr – Sie haben auch zum Teil zugestimmt –, aber diese
Kritik war nicht in Ordnung.

Ansonsten möchte ich noch eine Anmerkung machen.
Von den Grünen ist kritisiert worden, wie man mit dem
Stabilitätspakt umgeht. Ich glaube, besser als der Regie-
rungssprecher gestern hätte man es gar nicht sagen kön-
nen. Herr Seibert hat das sehr vernünftig ausgeführt.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst Herr Barthle, dann Herr Seibert, nur der Herr Kahrs hat nichts zu sagen!)


Er hat gesagt, dass beim Stabilitäts- und Wachstumspakt
beide Worte gelten. Er hat gesagt, dass Fristverlängerun-
gen möglich sind und dass es in der Vergangenheit auch
schon dazu gekommen ist. Er hat gesagt: Negative wirt-
schaftliche Entwicklungen können beim Defizitverfah-
ren berücksichtigt werden. Er hat gesagt: Die Investi-
tionsklausel trägt größeren Strukturreformen Rechnung.
Er hat gesagt, dass die Bundesregierung zum europäi-
schen Stabilitäts- und Wachstumspakt steht und auch
eine flexible Anwendung für möglich hält. – An diesem
Pakt wird nichts geändert. Wir brauchen beide Teile. Der
Regierungssprecher hat es gestern festgestellt. Ich gehe
davon aus, dass zwischen Bundeskanzlerin, Vizekanzler
und Finanzminister kein Blatt Papier passt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für eine niveaulose Rede!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804101500

Nächster Redner ist Bundesminister Dr. Wolfgang

Schäuble.


(Beifall bei der CDU/CSU – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Jetzt kommt die Versuchsanordnung mit dem Blatt Papier! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt wieder eine linke Rede!)

Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Große Koalition arbeitet geschlossen. Das
haben wir auch gerade in den Reden unserer beiden Be-
richterstatter des Haushaltsausschusses überzeugend ge-
hört.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD] – Heiterkeit bei der SPD – Katrin GöringEckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die SPD nichts macht!)


Eine kleine Anmerkung muss ich machen, Herr Kollege
Kahrs – ich spreche in Übereinstimmung mit dem Vor-
sitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion –: Den
Kollegen Barthle geben wir nicht her. Der bleibt schon
bei uns.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)


Zunächst will ich mich nun bei den Kollegen im
Haushaltsausschuss für die intensive Arbeit, für die
große Unterstützung und die gute Zusammenarbeit be-
danken. Der Erfolg dieser gemeinsamen Arbeit und der
Anstrengungen kommt den Menschen in unserem Lande
zugute; denen dienen wir alle gemeinsam.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es gibt den Widerspruch zwischen Wirtschaftswachs-
tum und Haushaltskonsolidierung nicht. Dieser Wider-
spruch ist einer der verbreiteten Irrtümer, die wir seit
Jahren konsequent widerlegen. Wir sind in Europa nicht
nur Stabilitätsanker, sondern auch Wachstumslokomo-
tive, und zwar mit einer Politik, mit der wir durch eine
konsequente, stetige Rückführung der als Folge der Fi-
nanzkrise zu hoch gewordenen Verschuldung dafür sor-
gen, dass Vertrauen in unserem Lande wächst und des-
wegen der private Konsum und auch die Investitionen
hoch sind. Entscheidend sind dabei nicht die öffentli-
chen, sondern die privaten Investitionen. Dafür muss
man durch eine langfristige, stetige Finanz- und Haus-
haltspolitik die richtigen Rahmenbedingungen setzen.
Abbau der Verschuldung und keine Diskussion über
Steuererhöhungen, das sind die wichtigen Parameter.

Deswegen haben wir eine wirtschaftliche Lage, die
besser ist, als sie leider in vielen anderen europäischen
Ländern derzeit ist. Das Institut für Weltwirtschaft hat in
diesen Tagen prognostiziert, in diesem Jahr würden wir
ein reales Wachstum von bis zu 2 Prozent und im kom-
menden Jahr von 2,5 Prozent haben. Die Lage hat sich
gegenüber den amtlichen Schätzungen ein wenig verbes-
sert. Daher haben wir im Vergleich zu den Steuerschät-
zungen auch einen gewissen Spielraum, um auf Ent-
wicklungen, die uns durch vorläufige Entscheidungen
von Finanzgerichten ereilt und zu Abweichungen von
der Steuerschätzung geführt haben, reagieren zu können.
2,0 Prozent Wachstum in diesem Jahr und 2,5 Prozent
Wachstum im kommenden Jahr, das ist eine ordentliche,
am oberen Rand unseres Potenzialwachstums liegende
wirtschaftliche Entwicklung. Das zeigt, dass wir wirt-
schaftlich auf einem erfolgreichen Kurs sind. Im Übri-





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

gen haben wir auch eine gute Lage am Arbeitsmarkt,
was überhaupt nicht heißt, dass wir uns nicht weiter be-
mühen müssen, vorhandene und neu auftauchende Pro-
bleme schrittweise zu lösen. Aber mit diesem Haushalt
haben wir Handlungsfähigkeit erzielt.

Ich will eine Bemerkung hinzufügen: Von unserer
wirtschaftlichen Lage profitieren nicht zuletzt unsere
Partner in Europa.


(Zurufe von der CDU/CSU: So ist es!)


Nach Untersuchungen von wirtschaftswissenschaftli-
chen Instituten haben wir eine Exportelastizität von 0,9.
Das heißt, wenn unser Export 10 Milliarden Euro höher
ist, dann bewirkt das Vorlieferungen in Höhe von 9 Mil-
liarden Euro durch unsere Partner in Europa nach
Deutschland. Die anderen Länder profitieren von unse-
rer wirtschaftlichen Stärke. Deswegen wäre es im Inte-
resse europäischer Solidarität das Dümmste, was wir
machen könnten, wenn wir Deutschland schwächen
würden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Um insgesamt stärker zu werden, müssen auch wir Deut-
sche unserer Verantwortung ein Stück weit gerecht wer-
den.

Herr Kollege Bartsch, mit allem Respekt, es geht
schief, wenn Sie uns in einer Rede in zwei Sätzen hinter-
einander vorwerfen, wir würden viel zu viel sparen und
viel zu viele Schulden machen. Das muss schiefgehen.
Sie können nicht gleichzeitig rechts und links überholen,
wenn Sie einen Crash vermeiden wollen. Ich würde Ih-
nen raten: Überlegen Sie das nächste Mal, welche Tricks
Sie machen. Sie können nicht ausführen, wir würden die
Verschuldung unsinnig zurückführen, und gleichzeitig
sagen, wir hätten die höchsten Schulden aller Zeiten. Es
ist schade um den Versuch, eine seriöse Debatte zu füh-
ren.

Wir haben uns konsequent dafür entschieden – das
entspricht übrigens europäischem Regelwerk; auch da-
ran muss man erinnern –, dass wir die zu hohe Verschul-
dung schrittweise zurückführen, damit wir in einem
Zeitraum von zehn Jahren – das werden wir wohl schaf-
fen – auf eine gesamtstaatliche Verschuldung von
60 Prozent im Verhältnis zu unserer wirtschaftlichen
Leistungskraft zurückkommen. Davon sind wir noch
weit entfernt. Aber wir können in dieser Legislaturpe-
riode – wir sind auf einem guten Weg – die Verschul-
dung in der mittelfristigen Finanzplanung auf unter
70 Prozent senken. Das ist die entscheidende Vorausset-
zung. Dazu leistet dieser Haushalt einen wichtigen Bei-
trag, und zwar in diesem Jahr ohne strukturelle Neuver-
schuldung, mit einer Neuverschuldung von letztmalig
6,5 Milliarden Euro. Ich hoffe, dass wir es schaffen.
Wenn uns nichts Unvorhersehbares dazwischenkommt,
schaffen wir es auch, dass wir ab dem kommenden Jahr
ohne Neuverschuldung auskommen. Das ist notwendig,
weil wir damit die Wachstumskräfte stärken.

Wir erfüllen das, was wir im Koalitionsvertrag ver-
sprochen haben: Im Rahmen des Haushalts stärken wir
die öffentlichen Investitionen. Wir unterstützen die Län-
der und Gemeinden im Bereich von Bildung und For-
schung zulasten des Bundeshaushaltes, damit sie ihre
Handlungsfähigkeit in der Bildungs- und Forschungs-
politik – vor allen Dingen geht es aber auch um eine
Stärkung der kommunalen Investitionen – verbessern
können. Wir bleiben dabei, dass wir die Forschungsaus-
gaben – im internationalen Vergleich stehen wir mit an
der Spitze – auf 3 Prozent unserer gesamtwirtschaftli-
chen Leistung festschreiben. Das haben wir im Koali-
tionsvertrag festgelegt. Das setzen wir mit diesem Haus-
halt und im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung
um.

Meine Damen und Herren, angesichts der Debatte
über Investitionen will ich noch einmal sagen: Das Al-
lerwichtigste bei diesem wahnsinnig schnellen Wandel
in der technologischen Entwicklung, in dieser globali-
sierten, weltweit vernetzten Wirtschaft ist, dass wir in
Forschung und Entwicklung an der Spitze bleiben. Des-
wegen ist die Aufrechterhaltung einer hohen For-
schungs- und Entwicklungstätigkeit in Deutschland ein
Schlüssel für nachhaltiges Wachstum und damit für un-
sere Fähigkeit, angesichts unserer demografischen Ent-
wicklung auch in Zukunft soziale Sicherheit und soziale
Gerechtigkeit gewährleisten zu können. Genau darum
geht es in unserer Finanzpolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Haushalt und diese Finanzpolitik schaffen auch
Spielraum für private Investitionen. – Übrigens, Herr
Bartsch, dass wir den Bundeshaushalt so spät verab-
schieden, hat damit zu tun, dass wir im letzten Jahr ge-
wählt haben.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ich habe über die vorläufige Haushaltsführung geredet, die wir gehabt haben!)


Das ist gar nicht anders möglich. Die Diskontinuität ei-
ner Legislaturperiode bedeutet, dass man den Haushalt
erst einmal neu einbringen muss. Das Parlament braucht
dann ein paar Wochen Zeit, um intensiv zu beraten. Es
ist mit Hochdruck gearbeitet worden. Deswegen weiß
ich nicht, was Sie daran kritisieren, es sei denn, Sie ha-
ben etwas gegen Wahlen. Das war ja früher einmal um-
stritten. Das sollten wir aber nicht wieder tun, um es
ganz ruhig zu sagen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Fragen Sie die Kanzlerin! Die kennt sich aus!)


Es tut mir furchtbar leid, aber es war ein so alberner Vor-
wurf, dass man ihn doch einmal zurückweisen muss.

Wir gehen diesen Weg jedenfalls konsequent weiter.
Es ist entscheidend, dass wir diese Linie auch so verfol-
gen, wie wir es gesagt haben.

Ich will den Bemerkungen Folgendes hinzufügen: In-
dem wir Vertrauen in die Verlässlichkeit unserer finanz-
politischen Handlungsfähigkeit schaffen und zugleich
das Vertrauen darin schaffen, dass wir in den kommen-
den Jahren nicht die Steuern erhöhen, sorgen wir für bes-





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

sere Rahmenbedingungen im Hinblick auf eine Verstär-
kung der privaten Investitionstätigkeit. Genau darauf
werden wir uns konzentrieren müssen.

Wir müssen weiter daran arbeiten, im Bereich der
Mittelstandsfinanzierung die Rahmenbedingungen zu
verbessern. Wir müssen vor allen Dingen daran arbeiten
– ich will nicht alles wiederholen –, dass wir die Rah-
menbedingungen für Existenzgründungen in unserem
Lande verbessern. Wir müssen angesichts der Gewohn-
heit, viel weniger über den Kapitalmarkt zu finanzieren
als in angelsächsischen Ländern, zumindest für die Start-
up-Unternehmen eine bessere Wagniskapitalkultur
schaffen.


(Beifall des Abg. Dr. Heinz Riesenhuber [CDU/CSU])


Wir werden in unserer Politik die entsprechenden An-
reize dafür schaffen, auch in steuerlicher Hinsicht. Denn
genau darin liegt der Schlüssel für eine Verstärkung der
Investitionstätigkeit in unserem Land.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das muss im Übrigen auch der Weg für Europa sein.
Wir brauchen in Europa genau denselben Weg: Zurück-
gewinnung von Vertrauen durch Festhalten am Stabili-
täts- und Wachstumspakt und Stärkung der Investitionen
durch eine effizientere Mittelverwendung in der Europäi-
schen Union. Zu Beginn einer neuen Legislaturperiode im
Europäischen Parlament und in der Europäischen Kom-
mission besteht eine Menge Handlungsbedarf. Darauf
sollte man sich konzentrieren, anstatt eine Diskussion zu
führen, bei der der Verdacht entsteht, man würde die al-
ten Fehler wiederholen. Wir haben einen schweren Feh-
ler gemacht, indem wir uns nicht an die Regeln gehalten
haben. Wir sollten diesen Fehler nicht wiederholen. Wir
sehen, dass der andere Weg der richtige ist. Diesen müs-
sen wir konsequent weitergehen.

Im Übrigen möchte ich bei dieser Gelegenheit Fol-
gendes sagen: Man hat unsere europäische Währung in
den letzten Jahren totgesagt. Ich finde es doch ganz be-
merkenswert, dass es uns entgegen vielerlei Skepsis mit
der richtigen Politik – sie besteht darin, Solidarität den-
jenigen gegenüber zu zeigen, die Solidarität brauchen,
aber Hilfe immer in Form von Hilfe zur Selbsthilfe zu
leisten; das bedeutet auch Konditionalität – gelungen ist,
den Euro zu stabilisieren und ihn damit aus der Vertrau-
enskrise auf den Finanzmärkten herauszuführen. Die
Folge ist, dass wir heute wieder über eine der angese-
hensten Reservewährungen verfügen.

Ein Bericht der OECD beschäftigt sich mit den Län-
dern, die Strukturreformen durchführen. Es ist schon be-
merkenswert, dass die Länder in Europa, die einem Sta-
bilitätsprogramm unterlagen oder noch unterliegen, in
der Durchführung von Strukturreformen am erfolg-
reichsten waren. Die wirtschaftlichen Erfolge sind in Ir-
land, in Spanien, in Portugal, in Zypern und in Griechen-
land bei allen Schwierigkeiten nicht zu übersehen.
Deswegen ist dieser Weg – solide Finanzen und Struk-
turreformen – der richtige, um die Länder aus den
Schwierigkeiten herauszuholen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dass sich der Euro einer großen Anziehungskraft
erfreut, zeigt die Tatsache, dass wir heute im Rahmen
dieser Haushaltswoche zugleich über den Antrag der Re-
publik Litauen, der dritten Stufe der Europäischen Wäh-
rungsunion beizutreten und den Euro als Umlaufwäh-
rung einzuführen, beraten. Ich bitte sehr darum, dass wir
diesem Antrag zustimmen.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Richtig!)


Litauen hat große, erfolgreiche Anstrengungen unter-
nommen, seine Wirtschaft zu reformieren. Wenn ich
manche Klagen in Europa höre oder lese und dann
schaue, welche Anstrengungen unsere baltischen Partner
in Europa erfolgreich unternommen haben, dann muss
ich sagen: Man kann ein ganzes Stück daraus lernen. –
Insofern ist der Antrag Litauens und die Empfehlung der
Europäischen Kommission, dass Litauen zum 1. Januar
2015 der Währungsunion beitreten soll, wiederum ein
Beweis dafür, dass dieser Weg der richtige ist. Wir gratu-
lieren Litauen zu den erreichten Erfolgen und freuen uns
auf ein weiteres Mitglied in unserer gemeinsamen euro-
päischen Währung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sind mit dem Haushalt 2014 auf einem guten
Weg. Die Finanzpolitik kann nicht alles – die Politik
kann sowieso nicht alles –, aber sie kann die Weichen im
Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungs- und Wettbe-
werbsfähigkeit so stellen, dass die Menschen Arbeit und
Beschäftigung haben und die soziale Sicherheit in die-
sem Lande besser gewährleistet ist als in den meisten an-
deren Ländern dieser Welt. Das ist die Aufgabe unserer
Finanzpolitik. Deswegen wünsche ich mir für die Haus-
haltsberatungen in dieser Woche, dass wir uns in genau
diesem Geist um die bestmöglichen Lösungen bemühen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804101600

Nächster Redner ist der Kollege Alexander Ulrich,

die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Alexander Ulrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804101700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Schäuble, Sie haben sich an mehreren Stellen mit
der sehr guten Rede von Herrn Bartsch auseinanderge-
setzt. Das zeigt, dass unsere Kritik angekommen ist.
Aber Sie haben dann versucht, einen Widerspruch aufzu-
machen. Wir wollen daher nochmals versuchen, es Ihnen
zu erklären: Sie sparen auf Kosten der zukünftigen Ge-
nerationen, Sie sparen auf Kosten der Sozialversicherun-
gen, Sie sparen auf Kosten der Kommunen, und trotz-
dem sind Sie der Schuldenfinanzminister Deutschlands.
Das ist der Widerspruch, den Sie nicht erkennen können.
Die Lösung liegt darin, mehr Steuergerechtigkeit zu





Alexander Ulrich


(A) (C)



(D)(B)

schaffen. Wir müssen das Geld dort abholen, wo es vor-
handen ist.


(Beifall bei der LINKEN)


So könnte man in die Zukunft investieren und einen soli-
den Haushalt aufstellen.

Herr Kahrs, Sie prahlen hier damit, dass kein Blatt Pa-
pier mehr zwischen CDU/CSU und SPD passt. Ich möchte
einmal daran erinnern: Es war der SPD-Kanzlerkandidat
Steinbrück – manche erinnern sich noch an ihn –, der im
Wahlkampf gesagt hat: Mehr soziale Gerechtigkeit in
diesem Land wird es nur mit mehr Steuergerechtigkeit
geben. – Dieser Haushalt leistet keinen Beitrag zu mehr
Steuergerechtigkeit. Infolgedessen, Herr Steinbrück, ist
dieser Haushalt unsozial; aber die SPD sagt, es passe
kein Blatt Papier zwischen sie und die CDU/CSU. Auch
Sie von der SPD stehen für einen unsozialen Haushalt
2014.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Schäuble, Sie haben den Beitritt Litauens zur
Euro-Zone angesprochen; auch ich will über dieses
Thema reden. Mit Litauen soll nun ein neues Mitglied in
die Euro-Zone aufgenommen werden, obwohl die Pro-
bleme noch lange nicht gelöst sind. Eine Vergrößerung
der Euro-Zone löst ihre strukturellen Probleme nicht. In
den letzten Jahren ist ganz deutlich geworden, dass die
Europäische Währungsunion eine Fehlkonstruktion ist.
Von der Einführung des Euros bis zum Ausbruch der ers-
ten großen Krise hat es keine zehn Jahre gedauert. Diese
Krise hält nun schon seit sechs Jahren an, und ein Ende
ist nicht in Sicht.

Wenn wir einen krisenresistenten Euro wollen, dann
müssen wir seine Konstruktionsfehler beheben. Das be-
deutet zum Beispiel: ein Ende des Steuerdumpings, mas-
sive öffentliche Investitionen und eine strenge Regulie-
rung der Finanzmärkte. Deutschland muss endlich seine
riesigen Außenhandelsüberschüsse abbauen: durch hö-
here Löhne, Renten und Sozialleistungen. Solange diese
grundlegenden Korrekturen nicht vorgenommen wor-
den sind, ist es unverantwortlich, die Euro-Zone zu ver-
größern.


(Beifall bei der LINKEN)


Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Litauen
die Maastricht-Kriterien einhält und damit die Beitritts-
voraussetzungen formal erfüllt. Auch das wissen wir
spätestens seit der Krise: Diese Kriterien sind keine ver-
nünftige Grundlage für eine Beitrittsentscheidung. Ge-
rade jene Faktoren, die bei der Krisenentstehung ganz
entscheidend waren – Lohnniveau, Produktivität, Größe
des Finanzsektors, private Verschuldung –, werden über-
haupt nicht berücksichtigt.

Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Wir stimmen
auch deshalb nicht zu, weil es sich offensichtlich um
eine Entscheidung gegen die litauische Bevölkerung
handelt. Laut Eurobarometer sind 56 Prozent gegen den
Euro-Beitritt. Die Regierung Litauens verweigert ein
Referendum. Wir sind der Meinung, dass ein solch wich-
tiger, zukunftsweisender Schritt auf keinen Fall gegen
den Willen der Bevölkerung durchgesetzt werden darf.
Das ist ein Grund, warum wir heute nicht zustimmen
werden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804101800

Für die Sozialdemokraten erteile ich dem Kollegen

Dr. Hans-Ulrich Krüger das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD):
Rede ID: ID1804101900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der in dieser Woche zur Verabschiedung vor-
liegende Haushalt des Jahres 2014 ist Zeugnis der Leis-
tungsfähigkeit, der Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch
des Gestaltungswillens der Großen Koalition. Wir sind
auf dem Weg – es klang schon mehrfach an –, im nächs-
ten Haushaltsjahr ohne neue Verschuldung auszukom-
men. Insgesamt betragen die Ausgaben 296,5 Milliarden
Euro, die Nettokreditaufnahme beträgt 6,5 Milliarden
Euro. Das ist die niedrigste Neuverschuldung seit 40 Jah-
ren; da waren einige von uns – ich gehöre bedauerlicher-
weise nicht dazu – noch gar nicht geboren. Natürlich ist
es auch das Ergebnis des aktuellen entschlossenen Han-
delns. Es ist aber auch das Ergebnis mutiger Reformen
in der Vergangenheit unter Gerhard Schröder – daran
darf man am heutigen Tag erinnern –, die dazu geführt
haben, dass wir andere Akzente gesetzt haben als unsere
Nachbarländer. Die Früchte unserer Bemühungen dürfen
wir heute ernten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir gestalten also auf der einen Seite einen strukturell

ausgeglichenen Haushalt, auf der anderen Seite haben
wir in den Koalitionsverhandlungen ein gutes, sozial ge-
rechtes und vor allen Dingen auch finanzierbares Inves-
titionsprogramm kreiert.

Der Einzelplan 08, also der Finanzhaushalt, ist im
Großen und Ganzen ein reiner Verwaltungshaushalt. Er
ist unstreitig in die Haushaltsplanberatungen hinein- und
nahezu unstreitig wieder herausgekommen, und das ist
auch gut so. Er weist ein Ausgabensoll von knapp
5,2 Milliarden Euro aus. Das ist im Wesentlichen unver-
ändert geblieben. Das Soll stieg gegenüber 2013 um
170 Millionen Euro. Der Löwenanteil, wie bei derarti-
gen Haushalten üblich, entfiel durch Aufstockungen und
Gehaltssteigerungen auf den Bereich Personal.

In diesem Fall gibt es eine Besonderheit, die wir als
Parlament nicht vergessen sollten. Zum 1. Juli 2014
übernimmt der Bund den Einzug der Kfz-Steuer. Bereits
seit dem Jahre 2009 bekommen wir die Erträge aus die-
ser Steuer aufgrund einer diesbezüglichen Vereinbarung
überwiesen, müssen den Ländern aber, die seitdem im
Wege der Organleihe für uns tätig sind, 170 Millionen
Euro pro Jahr zahlen. Vor diesem Hintergrund erscheint
die Aufstockung des Personaletats in einem anderen
Licht, wenn man bedenkt, dass diese 170 Millionen Euro
Verwaltungsaufkommen nunmehr wegfallen werden.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)






Dr. Hans-Ulrich Krüger


(A) (C)



(D)(B)

Diese große Aufgabe ist – mein Dank gebührt insbe-
sondere den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des
Finanzministers – bravourös gemeistert worden,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


indem qualifiziertes Personal aus Überhängen anderer
Ressorts, zum Beispiel des Verteidigungsressorts, aber
auch der Deutschen Bahn AG oder der Nachfolgeunter-
nehmen der Post, zum Beispiel Vivento, übernommen
wurde. Insgesamt wurden wir mit qualifizierten Damen
und Herren versorgt, die bei uns, entsprechende Leis-
tungsbereitschaft und -qualität vorausgesetzt, nunmehr
einen sicheren Arbeitsplatz finden. Es ist gut, dass diese
Aufgabe relativ reibungslos vollzogen wurde.

In der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses ist es
im Rahmen der berühmten Bereinigung zu weiteren
wichtigen Verbesserungen gekommen, die ich an dieser
Stelle kurz Revue passieren lassen möchte.


(Johannes Kahrs [SPD]: Wegweisend!)


Insbesondere ist für mich die Erhöhung der Städte-
bauförderungsmittel von 455 Millionen Euro auf
700 Millionen Euro von Bedeutung. Das Programm „So-
ziale Stadt“ erhält 150 Millionen Euro. Darauf können
wir aufbauen und sagen: Daraus entwickeln wir ein Leit-
programm der Städtebauförderung zugunsten von Stadt-
teilsanierungen in Kommunen, die es dringend nötig ha-
ben.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU] – Johannes Kahrs [SPD]: Großartig!)


Parallel dazu haben wir – hier werden wir uns in den
kommenden Jahren verstärkt anstrengen müssen – In-
vestitionszuschüsse für die Neuauflage des Programms
„Altersgerechter Wohnraum“ beschlossen. Denn – und
das ist völlig klar – wir werden nicht nur alle älter, wir
wollen auch während des Älterwerdens vermehrt in un-
serem angestammten sozialen Umfeld bleiben, aber nur
1 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes in der Bun-
desrepublik Deutschland ist altersgerecht. Von daher be-
nötigen wir bis 2020 2,5 Millionen zusätzliche Wohnun-
gen, welche mindestens das Kriterium „barrierearm“
erfüllen. Dieser Herausforderung müssen wir uns nicht
irgendwann stellen, sondern wir müssen uns ihr jetzt
stellen. Mit dem vorliegenden Haushalt schaffen wir ei-
nen vernünftigen Einstieg. Nun gilt es, diesen Bereich
noch mehr in unseren Fokus zu rücken und weiter auszu-
bauen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle ha-
ben dafür gekämpft, dass die Mittel für Integrationskurse
nicht weiter gekürzt werden.


(Beifall bei der SPD)


40 Millionen Euro sind hierfür veranschlagt. Diese
40 Millionen Euro gerettet zu haben, das ist eine Leis-
tung. Jeder, der in seinem Wahlkreis Träger der Erwach-
senenbildung hat, weiß, wie sehr sich diese um Migran-
tinnen und Migranten kümmern, die ihrerseits ihren
Platz in unserer, hoffentlich dann in unserer gemeinsa-
men Gesellschaft finden wollen. Er weiß vor diesem
Hintergrund, wie wichtig jeder einzelne Euro ist, der in
diesem Bereich ausgegeben wird. Das ist gut so, und
zwar sowohl aus moralisch-ethischen als auch aus volks-
wirtschaftlichen Gründen.


(Beifall bei der SPD)


Erwähnen möchte ich auch noch zwei Einzelpositio-
nen:

Durch die Erhöhung des Zuschusses für die Bundes-
zentrale für politische Bildung haben wir die Mög-
lichkeit, einen Akzent zu setzen; denn im Rahmen der
politischen Aufklärung wird für alle Menschen in
Deutschland Gutes getan.

Durch die Erhöhung der Mittel für das THW unter-
mauern wir nun das, was wir in Sonntagsreden allzu oft
betont, aber allzu selten untermauert haben. Wir sorgen
dafür, dass die Menschen, die sich einem bestimmten
Leitgedanken verpflichtet fühlen, die sich für das Ge-
meinwohl einsetzen, die in ihrer Freizeit aus Solidarität
ihre Knochen hinhalten, um bei Katastropheneinsätzen
etc. zu helfen, eine vernünftige Ausbildung und eine ver-
nünftige Ausrüstung erhalten. Das ist das, was wir unter
Respekt vor dem Ehrenamt, unter Respekt vor solidari-
scher Leistung verstehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Großartig! Sehr gut!)


Parallel dazu haben wir in den letzten Wochen die
prioritären Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag um-
gesetzt: Die Anerkennung von Lebensleistung von Men-
schen im Rahmen unseres Rentenpakets, die Anerken-
nung von Kindererziehungszeiten, die Erhöhung der
Erwerbsminderungsrente – das sind Dinge, die wir im
Rahmen der Großen Koalition beschlossen und in die
Tat umgesetzt haben. Wir haben auch den Haushaltsan-
satz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
auf rund 14 Milliarden Euro erhöht; auch diesen Be-
schluss haben wir umgesetzt.

In den nächsten Wochen wird es darum gehen – das
ist ein wesentlicher Baustein dieses Themenpakets –, die
Einführung des Mindestlohns zu beschließen, damit je-
der, der vollschichtig arbeitet, in bescheidenem Rahmen
von seinem Lohn leben kann und nicht staatlicher Hilfe
anheimfällt. Dieser Satz soll und muss gelten. Es darf
kein Erfolgsmodell sein, dass Unternehmen ihren Mitar-
beitern sagen: Ich zahle dir wenig, hol dir doch den Rest
vom Sozialamt. Mit dieser unwürdigen Situation muss
endlich Schluss gemacht werden. Von daher möchte ich
an dieser Stelle mit Blick auf die anstehenden Debatten
an die Zweifler appellieren, an diejenigen, die Bedenken
haben bzw. säen. Ich bitte Sie, Ihre Bedenken zugunsten
einer vernünftigen Lösung zu überwinden und einen
grundsätzlichen Mindestlohn ab dem 1. Januar 2015 ein-
zuführen. Die Gewährung dieses Mindestlohns – das
sage ich als Berichterstatter für den Einzelplan 08 –
muss dann aber auch kontrolliert werden. Von daher
kündige ich bereits jetzt an, dass wir uns in den Haus-
haltsberatungen der nächsten Jahre darüber zu unterhal-





Dr. Hans-Ulrich Krüger


(A) (C)



(D)(B)

ten haben – je nach Ausgestaltung der Kriterien für die
Kontrolle –, wie viele Damen und Herren zur Ausgestal-
tung eines effizienten Kontrollsystems eingesetzt bzw.
übergeleitet werden können und sollen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das ist aber kein Thema für heute, sondern für den schon
mehrfach beschworenen September.

Jetzt möchte ich mich bei meinen Kolleginnen und
Kollegen bedanken. Als Neuling im Haushaltsausschuss
habe ich festgestellt, dass das Klima von gegenseitigem
Vertrauen, gegenseitigem Respekt und gegenseitiger An-
erkennung getragen ist. Das ist gut so und das sollte,
denke ich, auch in den nächsten Jahren so bleiben.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804102000

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ekin Deligöz,

Bündnis 90/Die Grünen.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804102100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir

zeigt die heutige Debatte eines: Was die Zukunftsgestal-
tung des Haushalts angeht, kann die Große Koalition lei-
der nur das ganz kleine Karo.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Kollege Krüger müsste sich hier nicht – Zitat – auf
die letzten mutigen Reformen von Schröder in der rot-
grünen Zeit berufen. Sie sind Teil der Großen Koalition,
Sie sind in Verantwortung und könnten gestalten. Statt-
dessen verwalten Sie nur den Status quo.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Schlimmer noch: Sie haben noch nicht einmal den An-
spruch, für die Zukunft zu gestalten.

Dabei könnten die Rahmenbedingungen gar nicht
besser sein als jetzt: eine brummende Konjunktur, noch
sind die sozialen Sicherungssysteme stabil, gute Steuer-
einnahmen und historisch niedrige Zinsen. Das sind die
Bedingungen, die eigentlich dazu prädestinieren, die
Dinge in die Hand zu nehmen und Reformen durchzu-
führen. Vor allem verpflichten sie, heute schon an mor-
gen, an den demografischen Wandel und die Entwick-
lung dieses Landes zu denken. Stattdessen rechnen Sie
sich in Nacht-und-Nebel-Aktionen im Haushaltsaus-
schuss so lange alles so zurecht, bis es irgendwie passt,
damit Sie keine strukturellen Veränderungen herbeifüh-
ren müssen.

In einem irren Sie sich aber. Sie glauben, das alles sei
auf immer und ewig festgeschrieben. Ist es aber nicht!
Das alles ist sehr fragil. Sie bauen den Haushalt und
auch Ihre Konsolidierung auf Sand. Sie brauchen die
strukturellen Reformen. Sie müssen – wir Grünen ma-
chen Ihnen dafür Vorschläge – eine ehrliche Ausgaben-
kritik durchführen. Wir brauchen den systematischen
Subventionsabbau, und wir brauchen auch die Investitio-
nen in Infrastruktur. Leider gehen Sie all diese Sachen
nicht an, weil Sie hier nicht zuletzt die Debatte in Ihren
eigenen Reihen fürchten. Da müssen Sie ehrlich zu sich
selbst sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Sind wir immer!)


Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen. Schauen Sie
sich den Bereich Bildung an. Sie haben groß herumge-
tönt – 6 plus 3 Milliarden Euro –, wie viel Geld in die-
sem Bereich investiert wird.


(Johannes Kahrs [SPD]: So wird es kommen!)


Es gibt keine Rede, in der nicht erwähnt wird, wie wich-
tig diese Investitionen sind.


(Johannes Kahrs [SPD]: Das war auch gut so! Das kommt noch!)


Aber was machen Sie? Sie verschieben es, Sie verschlei-
ern, Sie reden sich das gegenseitig irgendwie glatt, und
es passiert erst einmal nichts.


(Johannes Kahrs [SPD]: Was für ein Unfug!)


Jenseits dessen, dass wir noch einmal darüber reden
müssen, ob das Geld überhaupt ausreichen wird, passiert
nichts, vor allem nichts Verbindliches.


(Johannes Kahrs [SPD]: Unfug!)


Herr Schäuble, Sie reden davon, wie wichtig die
FuE-Mittel, also die Mittel für Forschung und Entwick-
lung, in diesem Lande sind. Wir stimmen Ihnen da abso-
lut zu. Da sind wir komplett bei Ihnen. Die Zukunft der
Wissenschaftspakte in diesem Lande aber ist komplett
offen. Die Universitäten warten insbesondere im Hin-
blick auf Planbarkeit geradezu darauf, dass sie irgend-
welche Antworten bzw. Zusagen von Ihnen bekommen.
Eine Antwort darauf von Ihnen gibt es jedoch noch
nicht. Allein das zu beschwören, bringt dieses Land
nicht weiter.

Zur BAföG-Reform: Viele reden nicht darüber. Jetzt
zieht die zweite Generation von Studierenden an uns
vorbei, die immer noch darauf wartet, dass es irgendwel-
che Reformen und Strukturveränderungen in diesem Be-
reich gibt. Von Ihnen kommt da – außer Verschiebebahn-
höfen – nichts.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Schlimmer noch! Der demografische Wandel ist für
dieses Land wahrscheinlich die größte Herausforderung
überhaupt. Auch darin haben Sie recht, auch darin stim-
men wir zu. Was aber ist Ihre Antwort darauf? Sie grei-
fen in die Sozialkassen und konsolidieren Ihren Haushalt
auf Kosten der Beitragsmittel bzw. durch die Leistungen
der Beitragszahler. Der Gesundheitsfonds und die Ren-
tenkasse werden komplett leergemacht. Die Bundes-
agentur für Arbeit liegt schon an der kurzen Leine. Sie
könnte inzwischen noch nicht einmal bei der kleinsten
Krise reagieren, um den Arbeitsmarkt wieder zu stabili-
sieren. Sie machen das ohne Rücksicht auf alle Erkennt-
nisse, die wir über den demografischen Wandel und die
Kosten haben, die noch auf uns zukommen werden.





Ekin Deligöz


(A) (C)



(D)(B)

Eine nachhaltige Politik der Verantwortung, liebe
Kolleginnen und Kollegen, schaut anders aus. Mit die-
sem Haushalt können Sie das noch nicht darlegen. Aber
der nächste Haushalt kommt bestimmt, und mir fehlt das
Vertrauen in die Große Koalition, dass Sie das irgendwie
hinkriegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804102200

Nächster Redner ist der Kollege Ralph Brinkhaus,

CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ralph Brinkhaus (CDU):
Rede ID: ID1804102300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir

am 8. April den Haushalt einbrachten, haben wir gesagt,
dass wir die 6,5 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung
halten werden. Wir haben sie gehalten, obwohl wir un-
terwegs noch einen ziemlich großen Rucksack – mit der
Rückzahlung der Brennelementesteuer und einigen an-
deren Sachen – aufgesattelt bekommen haben.

Wir hätten es uns auch einfach machen und sagen
können:


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie doch! Sie haben es sich einfach gemacht!)


Die strukturelle Verschuldung können wir noch ein biss-
chen höher ansetzen. Dann erreichen wir immer noch ei-
nen strukturell ausgeglichenen Haushalt. – Wir haben es
uns aber ganz bewusst nicht einfach gemacht und gesagt,
dass wir diese 6,5 Milliarden Euro halten. Diese 6,5 Mil-
liarden Euro sind nämlich ein Zeichen dafür, dass wir
nächstes Jahr die schwarze Null erreichen wollen. Ich
glaube, wir hätten viel Vertrauen verloren, wenn wir
nicht schon jetzt beim ersten Anlauf den wichtigen Zwi-
schenschritt gemacht und gesagt hätten: Wir satteln nicht
noch etwas drauf.

Ich glaube auch, meine Damen und Herren, dass die-
ser Haushalt 2014 mit den 6,5 Milliarden Euro ein ziem-
lich wichtiger Zwischenschritt ist hin zu unserem großen
Ziel der schwarzen Null. Um in der Fußballersprache zu
bleiben: Das Halbfinale haben wir, glaube ich, gewon-
nen. Jetzt müssen wir 2015 noch das Finale gewinnen.
Das ist etwas, über das wir uns so richtig freuen können.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sie denken nicht weiter! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie scheiden schon in der Vorrunde aus!)


Ich kann ja verstehen, dass diese Freude von der Opposi-
tion nicht geteilt wird. Ich kann auch verstehen, dass Sie,
wenn der Haushalt Freitag verabschiedet worden ist, kei-
nen Autokorso über den Ku’damm machen, weil Sie
sich so freuen.


(Heiterkeit des Abg. Norbert Barthle [CDU/ CSU])

Aber die Kritik, die Sie an diesem Haushalt geäußert
haben, Herr Bartsch, erinnerte ein bisschen an die
70er-Jahre. Herr Kindler, auch Ihre Kritik war ziemlich
bemüht. Das, was Sie gesagt haben, war weder substan-
ziell noch sonderlich überzeugend. Im Prinzip müssen
Sie eines anerkennen: Es läuft ziemlich gut. Es läuft
ziemlich gut,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trotz der Großen Koalition!)


weil die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land viele
Steuern zahlen. Das heißt, sie arbeiten fleißig, sie haben
Jobs. Die Wirtschaft brummt. Auch das ist nicht selbst-
verständlich, sondern das Ergebnis der guten Politik ver-
schiedener Regierungen.

Ich möchte – bei allem Respekt vor unserem jetzigen
Koalitionspartner – an dieser Stelle eines ganz ausdrück-
lich sagen: Das ist auch das Ergebnis der christlich-libe-
ralen Koalition. Ein Teil des Ruhms gehört auch der
FDP, bei der ich mich ausdrücklich dafür bedanken
möchte,


(Widerspruch bei der SPD und der LINKEN)


dass sie in der letzten Legislaturperiode an dieser Stelle
so gut und so effizient vorgearbeitet hat, sodass das hier
heute überhaupt möglich ist.


(Beifall bei der CDU/CSU – Manfred Zöllmer [SPD]: Die haben noch nicht einmal der Schuldenbremse zugestimmt! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt braucht die FDP schon Zuspruch von der Union!)


Ich möchte mich auch gerne bei den Haushältern be-
danken. Sie haben einen harten Job. Wir haben viele
neue Abgeordnete in der Arbeitsgruppe Haushalt, die
sich in dieses Thema eingearbeitet haben. Ich schaue die
beiden haushaltspolitischen Sprecher an. Sie haben Ihre
Arbeit richtig gut gemacht. Sie haben das richtig klasse
gemacht. Das lässt darauf hoffen, dass es auch in Zu-
kunft mit diesen Haushältern klasse laufen wird.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Tolle Opposition! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorsicht mit Selbstlob! Brauchen Sie das? Tut ja sonst keiner!)


Ich möchte mich auch ausdrücklich bei den Sozialde-
mokraten bedanken. Denn das Projekt eines ausgegli-
chenen Haushalts ohne neue oder höhere Steuern gehört
– einmal abgesehen vom Kollegen Kahrs – nicht zu den
Lieblingsprojekten der Sozialdemokratie.


(Johannes Kahrs [SPD]: Na, na, na!)


Genauso gibt es auch einige Projekte in der Großen Ko-
alition – ich blicke zur Arbeitsministerin –, die nicht zu
unseren Lieblingsprojekten gehören. Aber eine Große
Koalition muss immer ausbalanciert sein. Das hat mit
Geben und Nehmen zu tun. Das hat an dieser Stelle sehr
gut geklappt, und zwar auch deswegen, weil der Bundes-
finanzminister und unsere Haushaltspolitiker an der ei-
nen oder anderen Stelle in Bezug auf die Wünsche, die
die SPD gehabt hat, sehr flexibel gewesen sind. Ich





Ralph Brinkhaus


(A) (C)



(D)(B)

würde mir wünschen, Frau Nahles, dass Sie bei den an-
stehenden Beratungen zum Mindestlohn auch diese Fle-
xibilität an den Tag legen und uns einmal an der einen
oder anderen Stelle entgegenkommen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Das wird nichts! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Wir reden heute neben dem Haushalt über noch ein
weiteres ganz wichtiges Thema. Ich schaue in Richtung
Tribüne. Wir reden heute über Litauen. Wir alle freuen
uns darüber, dass Litauen der Euro-Zone beitreten wird.
Das ist schon mehrfach gesagt worden. Das ist wirt-
schaftlich in Ordnung. Die Kriterien sind abgeprüft wor-
den. Ich denke, auch von der Art und Weise, wie Litauen
Sachverhalte angeht, wie Litauen die Reformen voran-
getrieben hat, ist es eine Verstärkung im Euro-Raum.
Darüber freuen wir uns. Im Übrigen ist es gerade in den
heutigen Zeiten auch ein wichtiges politische Signal, die
baltischen Staaten enger an die Europäische Union zu
binden, als es in der Vergangenheit der Fall war.

Aber Litauen ist in die Euro-Zone eingetreten unter
der Prämisse, dass es einen Stabilitäts- und Wachstums-
pakt gibt, der eingehalten wird. Auch wenn es vielleicht
anders gemeint war, die Signale, die die europäischen
Sozialistenführer in der letzten Woche abgegeben haben,
waren nicht gut. Wenn Sie darüber reden, dass in einem
Stabilitäts- und Wachstumspakt, der ohnehin schon sehr
flexibel ist, eine Flexibilisierung vonnöten ist, dann ist
das das falsche Signal. Ich würde sogar sagen: Es ist ein
schlimmes Signal. Denn dadurch geht Vertrauen verlo-
ren. In der Finanzkrise war Vertrauen verloren gegangen.
Dieses Vertrauen haben wir uns mühsam wieder erarbei-
tet, indem wir uns an die Regeln, die wir uns selbst ge-
setzt haben, gehalten haben. Das war neu und anders.
Wenn dieses Vertrauen jetzt erschüttert wird, ist das
nicht gut.

Es lenkt darüber hinaus von einer Sache ab, nämlich
davon, dass das Wichtigste für die europäische Konsoli-
dierung Strukturreformen sind. Wir werden als Koalition
weiterhin auf diese Strukturreformen achten müssen,
auch wenn der eine oder andere meint, dass das in der
heutigen Zeit nicht mehr notwendig ist. Diese sind der
Schlüssel zum Erfolg. Die andere Seite von Strukturre-
formen – der Bundesfinanzminister hat es ausgeführt –
sind konsolidierte Haushalte. Das eine wird ohne das an-
dere nicht funktionieren. Deswegen ist es wichtig, dass
die Bundesregierung hier in Deutschland diese Linie so,
wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart ist, mit allen Mi-
nistern geschlossen vertritt und überhaupt keine Zweifel
daran lässt, dass das von uns auch in der Zukunft durch-
gezogen wird.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns dem Haus-
halt zuwenden, dann stellen wir erstens fest, dass gute
Haushaltspolitik immer auch etwas damit zu tun hat,
dass man den Menschen in diesem Lande etwas zumuten
und unbequem sein muss. Das, was die Kollegin von den
Grünen gerade gesagt hat, ist richtig: Natürlich ist es
nicht selbstverständlich, dass alles so bleibt, wie es ist.
Aber wir haben momentan gute Zeiten und müssen des-
wegen für schlechtere Zeiten vorsorgen;

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun Sie aber nicht!)


das ist auch die Linie unserer Haushaltspolitik.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Eben nicht!)


Das bedeutet – das ist besonders die Linie der Union –,
dass das Erwirtschaften immer noch wichtiger ist als das
Verteilen. Wir müssen in jedem Einzelplan immer wie-
der deutlich machen, dass es darum geht, die richtigen
Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu setzen, um
vernünftige Steuereinnahmen zu generieren. Das kommt
in der einen oder anderen Diskussion in diesem Hause
bei der Opposition leider viel zu kurz.

Der zweite Punkt im Hinblick auf Haushalte ist, dass
der Staat keine Supernanny ist. Ich glaube, wir müssen
deutlich machen: Wir können uns nicht um alles küm-
mern. Wir können nicht hundertprozentige Gerechtigkeit
schaffen. Wir können auch nicht jeden Wunsch, so nach-
vollziehbar er auch ist, erfüllen; das geht nicht. Dement-
sprechend muss man im Rahmen der Haushaltspolitik
handeln.

Der dritte Punkt, der für vernünftige Haushaltspolitik
entscheidend ist, ist, dass man nicht nur die Gegenwart
im Blick hat, sondern auch die Zukunft. Es kommt eben
nicht nur darauf an, dass es den Menschen heute gut
geht, sondern es kommt auch darauf an, dass es den
Menschen in Zukunft gut geht.

Ganz konkret heißt das – auch das ist angesprochen
worden, und es ist richtig –: Wir müssen in unseren
Haushalten mehr investieren. Wir müssen die Investi-
tionsquote steigern. Die Kritik, die daran vonseiten der
Opposition geübt wird, finde ich richtig klasse. Wer sind
denn diejenigen, die einen Konsumvorschlag nach dem
anderen in die Haushaltsberatungen einbringen? Das
sind die Linken und die Grünen.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!)


Insofern: Lassen Sie sich an Ihren Taten und nicht an Ih-
ren Worten messen. Wir werden darauf achten, dass die
Investitionen auch in Zukunft gesteigert werden; das ist
die erste wichtige Sache.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was! Die sinken ja!)


Die zweite wichtige Sache, die Sie, Herr Bartsch,
überhaupt nicht verstanden haben, ist: Vernünftige Haus-
halte bekommt man nicht hin, wenn man die Einnahme-
seite optimiert, sondern das schafft man immer nur über
die Ausgabenseite. Es ist richtig: Wir müssen die Ausga-
ben priorisieren. Wir müssen darauf achten, dass die
Ausgaben effizienter werden. Darin liegt der Schlüssel
für eine vernünftige Haushaltskonsolidierung.

Der dritte Punkt ist – das habe ich schon mehrfach ge-
sagt, weil man das immer wieder betonen muss –: Wir
müssen auch die Zukunft im Blick haben und dürfen
nicht nur die Gegenwart im Blick haben. Wir dürfen





Ralph Brinkhaus


(A) (C)



(D)(B)

Dinge, die wir heute finanzieren müssen, nicht in die Zu-
kunft verschieben; auch das ist ganz wichtig.

Ich fasse zusammen:

Erstens. Uns geht es gut.

Zweitens. Wir dürfen in unseren Anstrengungen nicht
nachlassen, weder in Europa noch in Deutschland.

Drittens. Wir müssen die Zukunft im Blick haben.
Wenn wir das tun, dann haben wir 2015 und auch nach-
haltig einen vernünftigen Haushalt. Ich bin optimistisch,
Herr Kahrs, dass wir das auch mit der SPD hinbekom-
men.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Selbst mit der CDU/ CSU!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804102400

Der Kollege Dr. Axel Troost ist der nächste Redner

für die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Axel Troost (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804102500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das

Budgetrecht ist ein großes Recht des Parlaments. Des-
wegen sind Haushaltsberatungen immer etwas Besonde-
res. Aber zum Haushalt gehören eben nicht nur die Aus-
gaben, sondern auch die Einnahmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Deswegen will ich als Finanzpolitiker etwas dazu sagen.

In der Tat: Wir haben ein neues Parlament gewählt,
und wir haben eine neue Koalition. Im Gegensatz zu all
den Wahlkampfaussagen werden die Fragen, wer die
Ausgaben eigentlich finanziert und wie es um die Steu-
ergerechtigkeit in diesem Land steht, in dieser Koalition
und in der SPD inzwischen überhaupt nicht mehr ge-
stellt. Zwar haben wir im Finanzausschuss interessante
Debatten über den Mehrwertsteuersatz für Hörbücher
geführt; aber ansonsten herrscht absolute Stille.

Man hört immer wieder das Argument: Wir haben die
höchsten Steuereinnahmen in der Geschichte der Bun-
desrepublik. – Das ist eine Aussage ohne großen Inhalt;
denn in einer wachsenden Wirtschaft mit Inflation hat
man immer steigende Steuereinnahmen. In nahezu je-
dem Jahr seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland
lagen die Steuereinnahmen des laufenden Jahres über
denen des Vorjahres. Man müsste sich große Sorgen ma-
chen, wenn es nicht so wäre; denn dann wären wir in ei-
ner Krise.


(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! Richtig!)


Es muss aber auch immer wieder gesagt werden: Vergli-
chen mit der letzten Steuerschätzung vor der Finanz-
krise, also im Jahr 2008, haben wir immer noch rund
40 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen, als da-
mals in der Prognose für 2012/2013 geschätzt worden
ist.

Eine Aussage zu Steuerbelastungen kann man nur
treffen, wenn man sie ins Verhältnis zur wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit setzt, wenn man sich also die soge-
nannte Steuerquote anschaut. In der Tat: Die Steuerquote
war in den letzten 30 Jahren relativ konstant. Sie ist ver-
gleichsweise niedrig. Von zu hohen Steuern in der Bun-
desrepublik kann also überhaupt keine Rede sein.

Was die Steuerquote nicht aussagt, ist, wer die Steu-
ern zahlt. Da muss man eine dramatische Verschiebung
feststellen: weg von den Reichen und den Unternehmen
hin zur Masse, die inzwischen diesen Staatshaushalt
finanziert. An dieser Stelle muss ein Einnahmen-, ein
Steuerkonzept ansetzen. Da sind wir als Linke leider die
Einzigen, die hier den Finger auf die Wunde legen.


(Beifall bei der LINKEN)


Eine weitere Baustelle, die mir ganz wichtig ist, ist
der Steuervollzug. Es ist ein offenes Geheimnis, dass
dem Bund, aber auch den Ländern und Kommunen Jahr
für Jahr hohe Milliardenbeträge verloren gehen, weil ei-
nige Bundesländer kein Interesse daran haben, ihre Un-
ternehmen ordentlich zu prüfen. Wissenschaftliche Un-
tersuchungen gehen davon aus, dass den Haushalten
dadurch nach wie vor bis zu 10 Milliarden Euro pro Jahr
verloren gehen. Im Zuge der letzten Föderalismusreform
haben wir versucht, das zu ändern. Das ist gescheitert.

Bundesfinanzminister Eichel hat immerhin beschlos-
sen, dass innerhalb von zehn Jahren das Bundeszentral-
amt für Steuern personell deutlich aufgestockt wird: dass
die Zahl der Bundesbetriebsprüfer um 500 Personen er-
höht wird. Das ist eine Verfünffachung. Das hört sich toll
an, ist es aber leider nicht, weil schon damals die Über-
nahme von über 7 000 erfahrenen Prüfern von den Län-
dern erforderlich gewesen wäre, verbunden mit einer al-
leinigen Zuständigkeit des Bundes für die Prüfung von
Großbetrieben.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Nach einem Bericht des Bundesrechnungshofes, der uns
vorliegt, ist von den zusätzlichen 500 Planstellen bisher
nur ein kleiner Teil besetzt. Aus den Ländern werden
maximal 100 Menschen mit Prüferfahrung kommen; der
Rest soll ohne Spezialwissen eingestellt werden. Der
Bundesrechnungshof moniert – ich zitiere –: Statt den
Bundestag über die geänderten Rahmenbedingungen zu
informieren, konzentriert sich das Bundesfinanzministe-
rium vorrangig auf die rein nominelle Zielerreichung
von 500 zusätzlichen Betriebsprüfern bis zum Jahr 2016. –
Zu Deutsch: Die Zahl soll irgendwie erreicht werden;
um qualifiziertes Prüfen geht es überhaupt nicht. Dort
wird auch noch einmal beschrieben, das diese Prüfer
auch inhaltlich überhaupt nicht in die Lage versetzt wer-
den, die Prüfungen entsprechend vorzunehmen, und man
deswegen nach wie vor davon ausgehen muss, dass hohe
Milliardenbeträge, die nach dem geltenden Steuerrecht
zu zahlen wären, nicht erzielt werden, weil es sozusagen
im Vollzug scheitert. Hier hat der Bund eine hohe Ver-





Dr. Axel Troost


(A) (C)



(D)(B)

antwortung. Das Bundesfinanzministerium sagt, man
habe das nicht weiter verfolgt, weil man die Bund-Län-
der-Beziehungen nicht habe belasten wollen.

Das reicht nicht aus. Wir brauchen dringend zusätzli-
che Einnahmen, nicht nur über neue Steuern, sondern
auch durch eine Verbesserung des Steuervollzuges. Da
ist das Bundesfinanzministerium dringend gefordert;
denn man kann nur sagen – da würde ich dem Kollegen
Brinkhaus völlig widersprechen –: Wer der nächsten Ge-
neration kaputte Infrastruktur und kaputte Umwelt über-
gibt, lebt auf Kosten der Kinder und Enkel. – Das muss
man immer wieder so deutlich formulieren.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804102600

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kolle-

gen Lothar Binding, SPD.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Lothar Binding (SPD):
Rede ID: ID1804102700

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich

kann mir doch nicht verkneifen, eine kleine Bemerkung
zu Ralph Brinkhaus zu machen, der behauptet hat, wir
verdankten auch Schwarz-Gelb diesen wirtschaftlichen
Aufschwung. Ehrlich gesagt glaube ich, dass die not-
wendige Voraussetzung, dass wir überhaupt die Krise
haben bewältigen können, die Agenda 2010 war. Sie war
an Einzelpunkten schmerzhaft für uns; aber sie war not-
wendig, ganz wichtig. Andernfalls hätten wir weder das
Konjunkturpaket I noch das Konjunkturpaket II noch die
Abwrackprämie stemmen können. Die Agenda 2010,
das waren gesellschaftliche Strukturreformen mit Zu-
kunftsaspekt.


(Bettina Hagedorn [SPD]: So ist es!)


Dagegen war Wirtschaftsförderung durch Senkung der
Mehrwertsteuer für Hotelleistungen keine Strukturmaß-
nahme, die zukunftsweisend ist, sondern Klientelpolitik.


(Beifall bei der SPD)


Darin unterscheidet sich unser Ansatz von dem Ansatz
der Vorgängerregierung. Jetzt regieren wir gleichwohl
zusammen, und jetzt funktioniert eine ganze Menge.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Mehrwertsteuerermäßigung für Hotels? Wird die jetzt abgeschafft? Wann schafft ihr die ab, SPD?)


Axel Troost hat gesagt: Es scheitert am Vollzug der
Steuergesetze. – Den Steueranspruch des Staates durch-
zusetzen, ist natürlich wichtig. In diesem Zusammen-
hang will ich dem Zoll einmal gratulieren. Die Steuer-
fahnder aus NRW haben in zwei Containern brisantes
Material aus einer Offshore-Bank auf den Cayman Is-
lands gefunden und dieses beschlagnahmt. Inzwischen
ist klar, dass es von einer ehemaligen Schweizer Privat-
bank stammt, nämlich der Coutts-Bank, deren Mutter in-
teressanterweise die Royal Bank of Scotland ist. Hieran
merkt man, wie gut es ist, dass man den Vollzug klug or-
ganisiert, sodass hier etwas gelingen kann.


(Beifall bei der SPD)


In dieser Woche tun wir noch viel mehr. Vor einigen
Jahren – das muss man auch sagen – wäre das mit der
CDU/CSU wahrscheinlich noch nicht ganz leicht mög-
lich gewesen. Aber man merkt: Wir haben uns in der
Großen Koalition aufeinander zubewegt.

Ich nenne einmal ein Beispiel: Es ist schlecht, wenn
zum Beispiel ein Herr Porsche mit 1 Milliarde Euro jon-
gliert, zu dieser Milliarde noch stille Reserven hinzufügt
und das alles – weitere Stichworte sind: Personengesell-
schaften, Körperschaften, Entstrickungsbesteuerung –
durcheinanderwirbelt, sodass Herr Schäuble zum guten
Schluss einen dreistelligen Millionenbetrag in seiner
Kasse auf der Minusseite buchen muss. – Das wollen wir
nicht. Deshalb werden wir die grenzüberschreitende
Steuergestaltung bekämpfen. Hier arbeiten wir zusam-
men. Es geht um § 50 i Einkommensteuergesetz. Das ha-
ben wir sehr klug geregelt.

Wir werden diese Steuerschlupflöcher systematisch
schließen. Das heißt nicht, dass nicht immer wieder neue
gefunden werden, aber wir werden sie immer wieder
schließen.


(Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Da müsst ihr von der CDU/CSU auch klatschen!)


– Ja, genau.

Daneben packen wir das Programm gegen Base
Erosion and Profit Shifting, also gegen die Gewinnverla-
gerung ins Ausland, gemeinsam mit der OECD an. Das
ist ein Riesenprojekt. Ich glaube, das ist ein Schritt, von
dem wir vor einigen Jahren nur haben träumen können.

Ich will Herrn Schäuble für die Bemerkung danken,
die er hinsichtlich der Abschaffung der Abgeltungsteuer
gemacht hat, weil die Idee sehr klug ist, wieder zu einer
synthetischen Besteuerung zurückzukommen. Das müs-
sen wir erreichen. Das Gegenteil nennen wir ja, um ein-
mal den Fachbegriff zu nutzen, Schedulenbesteuerung,
also Schubladenbesteuerung. Schedulenbesteuerung be-
deutet, dass es für Einkünfte aus unterschiedlichen Ein-
kunftsquellen unterschiedliche Schubladen gibt. Wenn
die Einkünfte also in eine ganz bestimmte Steuerschub-
lade fließen, ist der zu zahlende Steuersatz ganz niedrig.
Jetzt darf jeder genau einmal raten, in welche Steuer-
schublade alle Leute ihre Einkommen verschieben. Na-
türlich verschieben sie sie in die Steuerschublade, in der
der Steuersatz am niedrigsten ist.

Das Ziel ist also, weg von der Schedulenbesteuerung
und hin zu einer synthetischen Besteuerung zu kommen.
Das wäre sehr gut. Sehr gut ist auch die Verschärfung bei
der strafbefreienden Selbstanzeige.


(Beifall bei der SPD)


Ich glaube, man darf sagen: Es ist historisch, dass wir
die Neuverschuldung im nächsten Jahr auf null bringen
können. Das ist seit Urzeiten erstmalig wieder der Fall.
Natürlich haben wir auch ein bisschen Glück: Wir haben





Lothar Binding (Heidelberg)



(A) (C)



(D)(B)

Glück, dass die Konjunkturlage gut ist. Wir haben
Glück, dass die Zinslage gut ist. Das gilt jedenfalls für
diejenigen, die Schulden haben, und da der Staat Schul-
den hat, ist die Zinslage gut; für die Sparer ist sie nicht
ganz so gut. Außerdem haben wir Glück, dass wir im
Moment das Staatsvermögen und die Infrastruktur unter-
finanzieren. Das sind schon drei dicke Brocken, die uns
helfen, diese Null zu erreichen.

Wir müssen diese Null aber auch langfristig absi-
chern, damit wir in zehn Jahren sagen können: „Das war
eine historische Null“, und nicht sagen müssen, dass wir
die Null nur in einem oder zwei Jahren erreicht haben.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wer ist die historische Null?)


Hier muss mehr passieren.

Ich glaube auch, dass wir noch einmal über die Steu-
erpolitik nachdenken müssen –


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sehr richtig! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Warum nur darüber nachdenken?)


natürlich nicht in der Großen Koalition; das haben wir
verabredet und ist völlig klar. Herr Schäuble sagt: Keine
Diskussionen über Steuererhöhungen! Das wird sicher-
lich noch einmal zu diskutieren sein.


(Beifall des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE] – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann denn?)


– Dietmar Bartsch applaudiert jetzt. Er verkleidet seine
Kritik gerne in die Frage: Wo ist eigentlich Ihr Pro-
gramm?


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wo ist das?)


Laut Ihrem Programm wollten Sie doch Steuererhöhun-
gen. Ihr wolltet doch die Vermögensteuer und dass die
Leute, die 40 000 Euro am Tag verdienen, stärker be-
steuert werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)


– Das stimmt.

Ich will das jetzt nur kurz erklären: Wir haben in die-
ser Koalition einen Kompromiss gemacht, und genau
das haben wir für diesen Kompromiss geopfert. Ich sage
jetzt aber auch einmal, wo unser Programm eins zu eins
funktioniert – und das ist auch gesellschaftliche und his-
torische Zukunftspolitik für unser Volk, und zwar unab-
hängig vom Geld; man muss nämlich selbst als Finanzer
und Haushälter gelegentlich auch einmal vom Geld weg-
kommen –: Der Mindestlohn ist eine historische Sache.


(Beifall bei der SPD)


Ich könnte begründen, warum er eigentlich schon 1872
hätte eingeführt werden müssen. Das Rentenpaket ist
eine historische Sache. Die Energiewende ist eine histo-
rische Sache.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Energiewende fahrt ihr doch an die Wand!)


Gleiches gilt für die Stärkung der Kommunen sowie die
Verbesserungen im Mietrecht und im Wohnungsbau. Das
sind kleine Dinge mit großer Wirkung. Ähnlich ist es bei
Kultur und Integration. Auch das Technische Hilfswerk
– es wurde vorhin als ein wichtiger Punkt dieser Haus-
haltspolitik erwähnt – stärken wir; das haben wir ge-
meinsam beschlossen. Auch in der Flüchtlingspolitik ha-
ben wir Verbesserungen erreicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Flüchtlingspolitik?)


Das sind alles sehr gute Sachen. Damit gestalten wir,
um ein Wort der Grünen aufzunehmen, weil es nämlich
klug ist, in dieser Weise zu handeln.


(Beifall bei der SPD – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Ihrer Klimapolitik brauchen wir das THW!)


Finanzminister Schäuble hat, wie ich finde, einen gu-
ten Satz gesagt. Er lautet: Im Moment profitieren die
Nachbarn von unserer guten Lage. – Diese Aussage un-
terschreibt jeder. Ich möchte hinzufügen: Wir profitieren
aber auch von unseren Nachbarn. – Angesichts unseres
Exportes ist klar, warum es klug ist, dafür zu sorgen,
dass es den Nachbarn gutgeht, sodass auch wir wieder
profitieren. Das gilt nicht nur im Sinne eines Profits; da-
rauf komme ich gleich zurück.

Hier sind wir an einer Stelle angekommen, die die ei-
gentliche Reichweite dieses Haushalts beschreibt. Wenn
wir uns nur auf unser Staatsgebiet beziehen, wenn wir
uns nur auf die Zahlen unseres Haushaltes beschränken,
dann denken wir nicht weit genug. Dieser Haushalt geht
weit über unsere Grenzen hinaus. Das bedeutet, dass wir
auch die Lage der anderen in den Blick nehmen müssen.

Wenn wir beobachten, dass die Arbeitslosigkeit in an-
deren Ländern steigt, und zwar gravierend und in be-
ängstigender Form, wenn wir sehen, dass die Jugendar-
beitslosigkeit in anderen Ländern bis auf einen Wert von
50 Prozent steigt, wenn wir feststellen, dass die finan-
ziellen Möglichkeiten dieser Länder zur Stärkung der
Binnennachfrage und für den Aufbau der Infrastruktur
nicht mehr ausreichen, dann frage ich mich: Wie lange
kann das für Deutschland noch gutgehen? Wir haben
schließlich nicht nur Handelsbeziehungen, sondern wir
haben auch menschliche Beziehungen zu diesen Län-
dern. Wir müssen schauen: Was passiert in diesen Län-
dern, was sich auch auf unsere Situation auswirken
könnte? Wer das Ganze nur ökonomisch sieht, der blickt
nicht weit genug. Ruinierte Staaten, auch wenn der Ruin
selbstverschuldet ist, sind schlechte Kunden, um es ein-
mal darauf zu reduzieren.

Wir sehen aber neben diesem Aspekt auch noch Fol-
gendes: Welche Zukunft kann Europa haben, wenn sich
die Entwicklung in diesen Regionen so fortsetzt? Was
wird aus arbeitslosen Jugendlichen, deren Eltern schon
arbeitslos waren? Was passiert da eigentlich? Da muss
man auch politisch handeln. Die Frage ist nicht nur: Was





Lothar Binding (Heidelberg)



(A) (C)



(D)(B)

passiert als Folge dieser Entwicklung in der Gesell-
schaft? Ich will das Ganze einmal auf eine Frage redu-
zieren – hier sind schließlich Politiker im Raum –: Wen
werden diese Menschen in fünf oder zehn Jahren wäh-
len, wenn es uns nicht gelingt, diese Entwicklung zu
stoppen? Auch das ist eine Aufgabe der reichsten Nation
in Europa.


(Beifall bei der SPD)


Deshalb müssen wir über den Stabilitäts- und Wachs-
tumspakt nachdenken, insbesondere über das Wachstum.
Am allerwichtigsten ist qualitatives Wachstum; denn wir
haben gelernt: Austerität ist kein nachhaltiges Konzept.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir haben gerade gesagt: Die Nullverschuldung müssen
wir für die Zukunft sichern. Zukunftssicherung heißt,
nachhaltig zu denken. Weder in den anderen Ländern
noch bei uns ist Austerität ein nachhaltiges Konzept.
Austerität bis zum Ende gedacht, heißt immer, dass man
verhungert. Dagegen muss man etwas tun, und zwar
rechtzeitig. Deshalb müssen wir helfen, dass auch alle
anderen Länder genug Zeit haben, die Zielvorgaben, die
wir verabredet haben, zu erreichen. In diesem Sinne
muss man über den Stabilitäts- und Wachstumspakt
nachdenken, auch mit Blick auf unsere Haushaltspolitik,
um auf europäischer Basis zukunftsfähig zu werden.


(Beifall bei der SPD)


Jetzt möchte ich als einen kleinen Nachklapp in mei-
ner Rede einen anderen Punkt aufgreifen. Vorhin gab es
einen ganz konkreten steuerpolitischen Vorschlag, der
sich auf die Abgeltungsteuer bezog. Christian Kindler,
du hast formuliert, dass Dividenden deutlich geringer
besteuert würden als die Arbeitseinkommen. – Das ist
falsch.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Regelfall!)


– Auch nicht im Regelfall. Die Abgeltungsteuer besteht
aus drei Kategorien. Die Abgeltungsteuer besteuert den
Zins mit 25 Prozent. Da hättest du mit deiner Aussage
recht gehabt. Die Abgeltungsteuer besteuert darüber hi-
naus den Verkauf von Wertpapieren. Auch da hättest du
recht gehabt. Aber ausgerechnet dein Beispiel mit der
Dividende ist falsch; denn die Dividende bringt für eine
Körperschaft im Trennungssystem eine Vorbelastung
von 30 Prozent mit sich, vom Gewinn werden 70 Pro-
zent ausgeschüttet. 25 Prozent davon sind 17,5 Prozent.
17,5 plus 30 sind 47,5. Es gibt keinen Arbeitnehmer, der
im Rahmen der Einkommensteuer 47,5 Prozent zahlt.
Deshalb ist diese These falsch. Damit wollte ich hier un-
bedingt einmal aufräumen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich glaube, es ist ganz klug, wenn man hier Steuerpolitik
differenzierter betrachtet. Eine gewisse Genauigkeit ge-
hört auch dazu, wenn man Finanzpolitik betreibt.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804102800

Nächster Redner ist der Kollege Manuel Sarrazin,

Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das ist jetzt peinlich für den Kollegen von den Grünen!)



Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804102900

Lothar, ich muss jetzt das Rednerpult aus den hohen

Höhen, in denen du gerade warst, ein bisschen herunter-
holen. – Ein wenig langweilig ist es ja schon mit der
GroKo. So heißt es immer wieder: Wir haben uns da auf-
einander zubewegt. Toll! Wir liegen uns in den Armen. –
Es erinnert so ein bisschen an die Schland-Jünger drau-
ßen auf der Fanmeile.


(Johannes Kahrs [SPD]: Es geht um den Haushalt! – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ich dachte, ich hätte es differenzierter dargestellt!)


Geil, geil, geil seid ihr, wirklich.

Jetzt tut es mir fast leid, dass ich hier zu einem Thema
rede, bei dem wir mit der Großen Koalition übereinstim-
men, nämlich zu Litauen. Ich möchte nur ausdrücklich
darauf hinweisen: Wir machen das nicht, weil wir die
Große Koalition geil finden, sondern weil Litauen es
verdient hat und wir dem Land herzlich gratulieren, dass
es so weit gekommen ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Vielleicht ist es ja ein Zeichen, dass Seine Exzellenz, der
Herr Botschafter, extra einen grünen Schlips umgebun-
den hat. Ich zumindest möchte das so werten, dass hier
noch ein bisschen Farbe ins Spiel kommt. Nicht
schwarz-rot, sondern grün ist die Farbe der Hoffnung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ralph Brinkhaus [CDU/ CSU]: Nein, nein!)


Herzlichen Glückwunsch, Litauen! Ich möchte aber
auch eines ganz deutlich sagen. Ich glaube, dass das, was
die Linkspartei hier macht – Glas halb voll oder Glas
halb leer –, ein bisschen blöd ist, weil Sie ja letztlich den
Eindruck erwecken,


(Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


als gäbe es sachliche Zweifel. Die sachlichen Zweifel,
die Sie hier vorgetragen haben, sind vielleicht allge-
meine Erwägungen über den Zustand der Euro-Zone.
Aber sachliche Zweifel an dem vorliegenden Punkt, ob
Litauen die Kriterien erfüllt, die in den Verträgen stehen
und die man erfüllen muss, um den Euro als Umlauf-
währung einzuführen, haben Sie nicht vorgetragen. An-
statt den Mut zu haben, hier zu sagen, dass die Kriterien
erfüllt sind, versuchen Sie, sich ein bisschen billig her-
auszustehlen. Das finde ich schade für Litauen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)






Manuel Sarrazin


(A) (C)



(D)(B)

Wir halten fest, dass die Kriterien erfüllt sind: Preis-
stabilität, Inflationsrate, keine übermäßigen öffentlichen
Defizite und auch dauerhaft stabile Zinssätze. Ich glaube
sogar, dass Litauen heute besser in der Lage ist, den
Euro einzuführen, als beim letzten knapp gescheiterten
Versuch, weil Litauen im Rahmen der Krise vieles rich-
tig gemacht hat: Der Finanzmarkt ist heute aufgeräumter
als vorher, und in Litauen wurde klug investiert. Die
Litauer haben in der Krise kleine und mittelständische
Unternehmen mit Krediten unterstützt, damit sie ihre
Produktion erneuern können, um beim Export besser zu
werden.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: 100 000 sind abgehauen!)


Natürlich ist es so, dass viele Menschen aus Litauen
ausgereist sind. Aber in den Verträgen steht, dass nur
diese vier Kriterien abgeprüft werden müssen. Litauen
hat sich über Jahre sehr angestrengt, diese Kriterien ein-
zuhalten, nachdem es seit über zehn Jahren in der Wech-
selkursbindung ist. Wenn ein Land wie Litauen seine
strategische Entscheidung trifft, so nahe wie möglich in
die EU eingebunden zu sein, und in der jetzigen Krise
der Euro-Zone beitreten will,


(Zuruf von der LINKEN)


dann ist es unsere Verantwortung, zu prüfen, ob die Kri-
terien eingehalten worden sind, und dann, wenn sie ein-
gehalten worden sind, das auch zu bestätigen. Das gehört
zur Fairness dazu. Litauen hat sich diesen Beitritt ver-
dient.

Ich möchte noch einen Punkt erwähnen, den ich wich-
tig finde. Ich glaube, dass die großen Zukunftsherausfor-
derungen für Litauen gewürdigt werden müssen. Das ist
die soziale Lage, die in der Krise natürlich auch gelitten
hat. Dass man in Litauen jetzt versucht, durch eine bes-
sere Stufe in der Wertschöpfungskette in der Produktion
bessere Löhne zu zahlen, ist uns bezüglich der sozialen
Lage wichtig. Genauso wichtig ist es, dass Litauen durch
bessere Ausbildung auch in der Wertschöpfungskette
nach oben kommt und wirtschaftlich erfolgreicher sein
kann. Investition in Bildung ist ebenso wichtig wie Sta-
bilität im Bereich der Währung und im Bereich des
Finanzsektors.

Deswegen möchte ich ganz herzlich sagen: Lietuva,
herzlich willkommen im Euro! Unsere Fraktion ist auf
dem Antrag mit dabei und unterstützt, dass Sie dazu-
stoßen.

Vielen Dank.


(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804103000

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Norbert

Brackmann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Aber jetzt, Norbert!)


Norbert Brackmann (CDU):
Rede ID: ID1804103100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Leihen ist einfach, aber der Zahltag wird hart.
Deswegen ist dieser Bundeshaushalt, den wir in dieser
Woche verabschieden wollen, auch ein Zeichen für die
Stabilität, die wir erreichen wollen, ein wichtiger Schritt
in eine stabile Zukunft.

6,5 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung und damit
ein strukturell ausgeglichener Haushalt: Das kann sich
nicht nur in Deutschland sehen lassen, sondern wir sind
damit auch Vorbild in Europa. Weil Europa eine so wich-
tige Bedeutung für die Menschen auch in Deutschland
hat, will ich das Thema ein bisschen vertiefen. Heute
wurde Kritik daran geübt, dass die Löhne seit 2002 – ich
wunderte mich schon, warum Sie so weit zurückgegan-
gen sind, lieber Kollege Bartsch – eine geringe Real-
lohnsteigerung erfahren haben.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: 1,7 Prozent!)


– 1,7 Prozent: Das ist die Zahl für die letzten zehn Jahre.
Eine Reallohnsteigerung von 1,3 Prozent allein im ersten
Quartal 2014 ist der Beleg dafür, dass eine Politik der
Zurückhaltung über viele Jahre hinweg und eine Politik
der Strukturreformen den Menschen letztlich guttut. Das
sehen die Lohnarbeiter jetzt an ihren Lohntüten, und das
ist, meine ich, ein deutliches und gutes Zeichen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das bedeutet aber auch – der Kollege Binding hat be-
reits darauf hingewiesen –, dass eine Politik, die auf
Strukturreformen und Zurückhaltung angelegt ist, am
Ende auch von Erfolg gekrönt ist. Denn es ist eben kein
Zufall – ich glaube auch nicht an Zufälle in der Politik –,
dass wir in Deutschland fast Vollbeschäftigung haben
und die Steuereinnahmen sprudeln und dass genau diese
Strukturreformen auch in den Ländern in der südlichen
Peripherie Europas, die heute ihre Probleme haben,
nachhaltig wirken können. Wir müssen mit dieser Stabi-
litäts- und Wachstumspolitik in Europa konsequent blei-
ben, damit auch diesen Ländern wieder eine Chance er-
wächst, sich künftig selbst mit den Haaren aus dem
Sumpf zu ziehen und ihren Bürgerinnen und Bürgern
wieder so viel Gutes tun zu können, wie zum Beispiel
wir es in Deutschland in diesem Jahr machen können.

Dieser Haushalt mit einem Haushaltsvolumen von
296,5 Milliarden Euro zeigt, dass er auch eine sehr
starke soziale Komponente hat. Im Übrigen zeigt schon
diese Zahl, dass wir bei den Ausgaben Zurückhaltung
üben. Denn im letzten Jahr haben wir noch 307 Milliar-
den Euro ausgegeben. Der Haushalt ist also nicht nur
deshalb so erfolgreich, weil er über eine gute Wirtschaft
und gute Steuereinnahmen finanziert ist, sondern auch
durch Ausgabenreduktion.

Aber dieser Haushalt eröffnet auch Spielräume für die
Menschen. Fast jeder dritte Euro – 90 Milliarden Euro
der insgesamt 296 Milliarden Euro – gehen in die Rente,
in die altersbedingte Erwerbslosigkeit oder in die alters-
bedingte Grundsicherung. 90 Milliarden Euro geben wir
bereits für diesen Bereich aus. Das zeigt auch, liebe Kol-





Norbert Brackmann


(A) (C)



(D)(B)

leginnen und Kollegen, dass die soziale Komponente in
diesem Haushalt eine große Rolle spielt. Wir haben an
dem schon hervorragenden Werk unseres Finanzminis-
ters, der auch hier nicht nur Flagge gezeigt, sondern ins-
besondere Wort gehalten hat auf dem Weg in die
schwarze Null, die für 2015 angestrebt ist, noch die eine
oder andere Änderung vornehmen können.

Lieber Kollege Bartsch, wenn Sie darauf hinweisen,
dass 400 Millionen Euro beim Arbeitslosengeld II ge-
kürzt worden sind, stellt sich die Frage, wessen Interes-
sen Sie sich dabei zu eigen machen. 400 Millionen Euro
weniger beim Arbeitslosengeld II bedeuten weniger
Langzeitarbeitslose in Deutschland. Negativ betroffen
sind allenfalls all diejenigen, die für diese Langzeitar-
beitslosen die Betreuung übernommen haben. Aber wer
dafür ist, dass Langzeitarbeitslose in Beschäftigung
kommen, muss dies eigentlich positiv zur Kenntnis neh-
men und sich darüber freuen, dass wir diesen Weg ge-
gangen sind, und zwar erfolgreich.

49 Prozent des gesamten Haushalts gehen in den Be-
reich Soziales. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es
ist bereits darauf hingewiesen worden: Die Achillesferse
liegt ein Stück weit bei der Infrastruktur. Wir werden
zwar auch in diesem Haushalt 500 Millionen Euro mehr
ausgeben, als ursprünglich geplant war. Insofern hat der
Koalitionsvertrag schon ein Zeichen gesetzt. Aber wir
stellen fest, dass dies nur der Anfang sein kann. Viele
Maßnahmen sind leider noch nicht so finanziert, wie
man sich das wünscht. Aber man muss auch zur Kennt-
nis nehmen, dass es bereits mit dem Haushalt 2014 keine
Probleme gab, überall dort, wo Investitionen wegzubre-
chen drohten, Zusagen zu machen. In Schleswig-Hol-
stein zum Beispiel hat der Bund finanzielle Zusagen für
den Ersatz der Rader Hochbrücke gemacht. Des Weite-
ren ist es uns im Haushaltsausschuss gelungen, die An-
fangsfinanzierung für eine wichtige Strecke im Nord-
Ostsee-Kanal, die nicht nur für Norddeutschland, son-
dern auch für den internationalen Seeverkehr und damit
für Gesamtdeutschland von herausragender Bedeutung
ist, sicherzustellen und insgesamt 260 Millionen Euro
zuzusagen, sodass diese wichtige Zukunftsinvestition
getätigt werden konnte.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dies ist ein großer Erfolg dieser Koalition.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht des Verkehrsministers!)


Damit wollen wir nicht hinter dem Berg halten.

Ich will aber auch darauf hinweisen, dass es nur sehr
begrenzt hilfreich ist, wenn die Länder, die sich eigent-
lich unserer Stabilitätspolitik anschließen müssen, mit
ständig neuen, unbezahlbaren Forderungen gegenüber
dem Bund nur davon ablenken, dass sie selbst noch
wichtige Aufgaben vor sich haben; denn der Fiskalver-
trag sieht für 2020 vor, dass Länder und Kommunen
keine neuen Schulden machen dürfen. Aber die Finanz-
politik, die dort heutzutage betrieben wird, deutet auf et-
was ganz anderes hin. Etwas mehr Verantwortung hätten
wir den Ländern schon zugetraut. Gerade angesichts der
großen Leistungen des Bundes bitten wir die Länder da-
rum, mehr Verantwortung zu übernehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zu guter Letzt zeichnet diesen Bundeshaushalt noch
etwas anderes aus. Derjenige Haushalt ist der beste, in
dem man nichts Überflüssiges will und nichts Notwendi-
ges entbehrt. Genau das ist uns in Beratungen im Haus-
haltsausschuss gelungen. Dies ist ein Haushalt, in dem
das Notwendige sicher finanziert ist. Aber Überflüssiges
können und werden wir uns nicht mehr leisten. Insofern
handelt es sich um einen gerechten Haushalt, den wir als
erfolgreiche Koalition am Ende der Woche hoffentlich
mit großer Mehrheit verabschieden werden.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804103200

Als nächstem Redner erteile ich für die Sozialdemo-

kraten das Wort dem Kollegen Christian Petry.


(Beifall bei der SPD)



Christian Petry (SPD):
Rede ID: ID1804103300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ein fast ausgeglichener Haushalt ist die Voraus-
setzung – vieles haben wir heute darüber gehört – für
eine soziale und gerechte Politik. Es ist eine große Ver-
antwortung, auch in Europa eine solche Politik durchzu-
setzen. Dies sage ich im Hinblick auf die auch hier schon
geführte Debatte über den Stabilitäts- und Wachstums-
pakt. Dabei sind die Vorgaben flexibel. Die Spielräume
der Volkswirtschaften müssen gegeben sein, um Wachs-
tum und Beschäftigung zu sichern. Man möge nur an die
Krise 2009 denken. Was hat Deutschland denn getan? Es
war doch gut, dass wir die Vorgaben flexibel gestaltet
und verändert haben. Das hat uns durch die Krise ge-
bracht und uns letztlich gestärkt. Davon profitieren wir
heute. Vor diesem Hintergrund ist das richtig, was
Sigmar Gabriel gesagt hat: Die Akzentuierung muss
sein, auf Wachstum zu setzen. – Das kann man nur zwei-
mal unterstreichen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Finanzwirtschaft darf einem solchen Prozess
nicht entgegenstehen. Was in Paris vereinbart wurde, ist
im Hinblick auf die Gesamtsituation in Europa zu sehen.
Der französische Präsident Hollande muss letztlich aus-
baden, was seine Vorgänger verursacht haben. Die
Hauptursachen lassen sich in der Zeit der Regierung
Chirac finden. Herr Hollande hat vielleicht seins dazuge-
tan. Aber man darf die Ausgangssituation in Frankreich
nicht vergessen. Deutschland sollte in der Lage sein, die
neue Ausrichtung in Frankreich zu unterstützen. Ziel
sind Impulse für die Wirtschaft, mehr Arbeitsplätze und
Beschäftigung sowie für mehr soziale Gerechtigkeit in
Europa.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)






Christian Petry


(A) (C)



(D)(B)

Unter diesem Eindruck beraten wir heute auch über
den Beitritt Litauens, über die Vergrößerung der Euro-
Zone. Litauen möchte ab dem 1. Januar 2015 den Euro
einführen. Wir als Bundestag sind zur Stellungnahme
aufgefordert.

Litauen erfüllt die notwendigen Aufnahmekriterien.
Es hat eine hohe Preisstabilität mit einer Inflationsrate
von 0,6 Prozent, ein Haushaltsdefizit von nur 2,1 Pro-
zent, einen Staatsschuldenstand von 40 Prozent – das ist
weit unter dem Referenzwert von 60 Prozent –, einen
stabilen Wechselkurs gegenüber dem Euro, und die lang-
fristigen Zinsen liegen bei 3,2 Prozent. Das alles sind
hervorragende Eckdaten, sodass man sagen muss: Das
hört sich zunächst einmal sehr gut an.


(Beifall bei der SPD)


Aber: Die Litauerinnen und Litauer haben dafür et-
was bringen müssen. Das war sehr schmerzhaft. Das darf
man nicht vergessen. Es gab Kürzungen bei der Alters-
rente um 8 Prozent, Kürzungen bei der Arbeitslosenun-
terstützung, Kürzungen bei dem Gehalt der Beschäftig-
ten im öffentlichen Dienst von über 12 Prozent. Das sind
harte Einschnitte, die dort getragen wurden, damit heute
die Voraussetzungen erfüllt sind, dass Litauen dem
Euro-Raum beitreten kann. Ich glaube, man muss der Li-
tauer Bevölkerung und der Litauer Politik ein großes
Kompliment dafür machen, dass sie dies durchgestanden
haben. Deshalb muss sich die Einführung des Euros in
Litauen auch positiv auswirken. Sonst wird es mit der
Akzeptanz vor Ort schwierig.

Das sogenannte Scoreboard des makroökonomischen
Ungleichgewichtsverfahrens – ein Zungenbrecher, wenn
man es vorlesen muss; das ist ganz schlimm – weist zwei
Probleme in Litauen aus, auf die auch ich hinweisen
möchte: einmal das Leistungsbilanzdefizit von 12,9 Pro-
zent, zum anderen die hohe Arbeitslosigkeit von 12 Pro-
zent. Deshalb wünschen wir uns, dass die Einführung
des Euros einen ähnlichen Effekt hat wie in Estland
2011. Im ersten Jahr ist der Export Estlands in den Euro-
Raum um 31 Prozent gestiegen. Wir wünschen uns, dass
dies auch in Litauen passiert und die Menschen vor Ort
sehen, dass sie etwas von dem Beitritt zum Euro-Raum
haben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Auch für die Zukunft muss es wichtig sein, dass die bal-
tischen Staaten über den Stabilitäts- und Wachstumspakt
gefördert werden, damit sie flexibel genug wirtschaften
können für mehr Wachstum und Beschäftigung.

Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen, der
mit dem Beitritt zusammenhängt. Künftig wird das be-
reits 2003 beschlossene Rotationsprinzip bei der Euro-
päischen Zentralbank und beim Rat gelten. Deutschland
verliert circa alle fünf Monate für vier Wochen sein
Stimmrecht. Ich möchte hier klar sagen: Wenn man die
Währungsunion als europäisches Projekt versteht und
nicht als Ansammlung nationaler Interessen, dann ist
dies auch absolut in Ordnung.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es wird für die Zukunft in dem Bereich der EU-Gre-
mien eine Neuorientierung geben müssen. Bei einer der-
art großen Anzahl von Mitgliedern werden wir die
Strukturen überdenken müssen. Es wird nicht mehr jeder
überall vertreten sein können. So wird die Leitungsebene
entsprechend angepasst werden müssen. Das ist eine
Riesenaufgabe, das wird sehr lange dauern. Ob es ge-
lingt, weiß ich nicht. Aber, wie gesagt, eine große Auf-
gabe steht in diesem Zusammenhang vor uns.

Es ist ein guter Tag für Europa. Litauer, seid uns will-
kommen! Wir wollen ein sozial gerechtes Europa der
Bürger. Liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie
bitte diesem Punkt, der Euro-Einführung in Litauen zum
1. Januar 2015, zu.

Vielen Dank und Glück auf!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804103400

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege

Bartholomäus Kalb, CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1804103500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Dies ist der erste Haushalt dieser neuen Gro-
ßen Koalition. Es ist ein guter Haushalt. Es ist uns ge-
lungen, gemeinsam den bereits in den letzten Jahren
beschrittenen Weg der Haushaltskonsolidierung erfolg-
reich fortzusetzen – und das, obwohl wir mit großen
Herausforderungen zu kämpfen hatten, wie etwa der
Entscheidung zur Kernbrennstoffsteuer und weiteren
Herausforderungen, die zu bewältigen waren, auf die ich
nicht näher einzugehen brauche.

Das vorgesehene Ziel der Nettokreditaufnahme von
6,5 Milliarden Euro konnte trotzdem eingehalten wer-
den. Das war uns wichtig. Das ist ein ausgezeichneter
Wert, wie wir ihn seit 40 Jahren, seit Franz Josef Strauß‘
Zeiten, nicht mehr gesehen haben.

Kollege Binding, Sie haben eben von dem ausgegli-
chenen Haushalt gesprochen, den wir für 2015 anstre-
ben. Ich bin sicher, wir werden dieses Ziel erreichen.
Das wäre das erste Mal seit urdenklichen Zeiten. Ich
komme aus der Nähe von Passau. Es gab einmal einen
Bundesfinanzminister Fritz Schäffer, der in den 1950er-
Jahren den sogenannten Juliusturm aufgebaut hat. Nur:
Auch anderen fiel das Sparen nicht so leicht; darum ist
er nicht so lange Finanzminister geblieben.


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Der war schnell verbraucht!)


Das wollte ich nur einfließen lassen.

Die Opposition kritisiert naturgemäß den Haushalts-
entwurf, wie wir ihn beschlossen haben. Aber diese Kri-
tik ist unberechtigt. Die Entwicklung gibt uns recht. Die
Bundesbank, die Wirtschaftsforschungsinstitute, alle be-
scheinigen uns, dass wir eine sehr gute Entwicklung zu
verzeichnen haben. Sie korrigieren die Wachstumszah-





Bartholomäus Kalb


(A) (C)



(D)(B)

len nach oben. Die wirtschaftliche Lage in unserem
Land ist ausgezeichnet.

Wir freuen uns, dass es uns die Gesamtsituation er-
möglichen wird, im nächsten Jahr einen absolut ausge-
glichenen Bundeshaushalt vorzulegen. Der Bundes-
finanzminister wird schon in den nächsten Wochen den
Haushaltsentwurf für das nächste Jahr vorlegen. Ich bin
davon überzeugt, dass er uns einen ganz großartigen
Entwurf vorstellen wird. Im Herbst werden wir darüber
zu beraten haben.

Wir müssen natürlich weiterhin Disziplin bei der Aus-
gabenpolitik üben; das ist vorhin schon gesagt worden.
Wir müssen die Prioritäten einhalten, und wir müssen,
was die Prioritäten betrifft, den Weg fortsetzen, den wir
bereits in den zurückliegenden Legislaturperioden einge-
schlagen haben: Ausgaben für Zukunftsinvestitionen, in
Bildung und Forschung, Infrastruktur und Kinderbetreu-
ung. Vielleicht darf auch gesagt werden – Kollege
Brackmann hat es vorhin gesagt –: Wir haben vieles ge-
tan, um die Kommunen zu entlasten. Diesen Weg wer-
den wir fortsetzen. Sobald Spielräume gegeben sind,
werden wir uns darum bemühen, die Investitionsausga-
ben insgesamt zu steigern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können
am Beispiel Deutschlands sehen, dass solide Finanzen
die Grundlage für soziale Stärke und Wirtschaftswachs-
tum sind. Die Einhaltung der Haushaltsregeln ist ver-
nünftig für alle, die wir in der Europäischen Union und
in der Währungsunion zusammengeschlossen sind. Das
Einhalten dieser Regeln liegt allerdings in der nationalen
Verantwortung. Es ist Grundvoraussetzung dafür, dass
die Bürger genauso wie die Realwirtschaft und die Fi-
nanzinvestoren Vertrauen in den Staat, in unser politi-
sches Handeln haben können. Europa braucht einen
Stabilitätsanker. Wir müssen die Konsolidierungsan-
strengungen weiter vorantreiben. Sie bedingen sich ge-
genseitig. Deutschland ist der Stabilitätsanker in Europa.

Die Schuldenkrise, die wir zu einem beachtlichen Teil
überwunden haben, hat uns vor große Herausforderun-
gen gestellt. Wir haben Solidarität geübt. Wir haben
auch in den Krisenländern feststellen können, dass sich
die Erfolge einstellen; der Finanzminister hat es vorhin
dargestellt. Alle hatten große Anstrengungen zu unter-
nehmen, harte Einschnitte hinzunehmen, eine schwierige
Wegstrecke zurückzulegen. Aber die Erfolge sind doch
sehr beachtlich, und sie geben zu großer Hoffnung An-
lass.

Das Wachstum in Europa zieht wieder an. Das Ver-
trauen in die Euro-Zone ist zurückgekehrt. Alle Beteilig-
ten an den Finanzmärkten haben gesehen, dass es sich
nicht lohnt, gegen den Euro zu spekulieren. Alles an-
dere, was im Hinblick auf eine mögliche Aufweichung
der Stabilitätskriterien unternommen würde, wäre kon-
traproduktiv, wäre schädlich und würde uns wieder zu-
rückwerfen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Länder,
die noch nicht so weit sind – damit meine ich nicht nur
diejenigen, die unter dem Rettungsschirm waren –, müs-
sen ihre Hausaufgaben machen, müssen strukturelle Ver-
änderungen vornehmen. Das gilt auch für unsere hoch-
geschätzten Freunde und Nachbarn im Westen. Aber es
gilt auch bei uns: Wir dürfen keine strukturellen Fehler
machen. Wenn ich an die jüngste Debatte, an die Forde-
rungen des DGB zur Rente schon mit 60 denke, dann
sage ich: Liebe Leute, lasst die Tassen im Schrank! –
Wir haben, glaube ich, was die Rentenpolitik betrifft,
sehr viel und genug gemacht.

Wir müssen insgesamt in Europa am Stabilitätskurs
festhalten. Wann, wenn nicht jetzt, sind die Länder in der
Lage, zu konsolidieren – bei diesem Zinsumfeld, bei den
Rahmenbedingungen, wie wir sie jetzt vorfinden? Es ist
vorhin schon genannt worden, wie zurzeit die Renditen
für langfristige Staatsanleihen sind. Es ist nicht nur so,
dass wir uns sehr günstig refinanzieren können, sondern
Gott sei Dank sind auch die Reformstaaten, die Krisen-
länder wieder in ein normales Fahrwasser gekommen.
Wenn die spanischen und die italienischen Papiere mit
3 Prozent verzinst werden, dann ist das doch eine ganz
vernünftige Situation. Selbst Zypern konnte vor kurzem
Papiere zu unter 5 Prozent auf den Markt bringen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])


Dieses niedrige Zinsniveau und die Politik der EZB
dazu sind nicht ganz unumstritten – das müssen wir zu-
geben – und nicht ganz ohne Risiken. Wir haben bei der
aktuellen Haushaltsplanung natürlich auch davon profi-
tiert. Aber sollte diese Politik länger anhalten, dann birgt
das auch Gefahren für uns alle. Wir können das da oder
dort durchaus schon erkennen. An der einen oder ande-
ren Stelle zeichnen sich spekulative Blasen im Aktien-
markt, im Immobilienmarkt usw. ab. Wir müssen darauf
achten, dass hier nicht Gefahren und Risiken entstehen,
die wir dann wieder mit viel Aufwand bekämpfen müs-
sen.

Betroffen von dieser Politik ist nicht nur der Versiche-
rungssektor – den haben wir heute früh schon betrach-
tet –, sondern betroffen sind natürlich auch alle anderen
Bereiche. Eine Politik des billigen Geldes – das haben
wir in den USA gesehen – birgt auf die Dauer auch er-
hebliche Gefahren. Sie kann kein Ersatz für Strukturre-
formen sein; ich habe es bereits gesagt.

Auch die schwächeren südeuropäischen Banken müs-
sen natürlich schauen, dass sie ihre Probleme lösen und
lösen können. Die EZB legt großen Wert darauf, dass sie
auf der einen Seite eine großzügige Kreditvergabe an die
Realwirtschaft machen können. Auf der anderen Seite
wollen wir auch den Stresstest der Banken. Wir wollen
stabile Banken, und wir wollen nicht wieder irgendwann
feststellen müssen, dass Kredite vergeben worden sind,
die uns dann im Bankensektor große Probleme bereiten,
weil die notwendigen Bonitäten beispielsweise nicht ge-
geben gewesen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie gesagt,
wir müssen mit den Reformanstrengungen vorankom-
men. Das müssen wir schon angesichts der großen de-
mografischen Herausforderungen, vor denen wir in
Deutschland und in Europa stehen. Wir müssen dafür





Bartholomäus Kalb


(A) (C)



(D)(B)

sorgen, dass die Investitionstätigkeit weiter voranschrei-
tet. Dazu brauchen wir ein wettbewerbsfähiges Steuer-
system, wie wir es haben. Unsere Wirtschaft hat gute
Rahmenbedingungen. Die Wirtschaft boomt. Wir haben
die höchste Zahl von versicherungspflichtig Beschäftig-
ten, und wir haben die höchste Zahl von Erwerbstätigen
in Deutschland. Dieses Klima müssen wir weiter pfle-
gen. Die Rahmenbedingungen sind, wie gesagt, sehr gut.

Steuererhöhungen kommen und kamen für uns nicht
infrage; das gilt insbesondere auch mit Blick auf den
Mittelstand. Wir wollen auf keinen Fall irgendwelche
steuerpolitischen Versprechungen machen, wenn wir sie
im politischen Handeln nicht solide abbilden können.
Das heißt, wir müssen alles das sichern, was wir jetzt ha-
ben. Ich halte es für ein bisschen zu kurz gesprungen,
wenn immer nur von der Notwendigkeit der Abschaf-
fung oder Korrektur der kalten Progression gesprochen
wird. Im Hinblick auf unseren Mittelstand, auf unsere
Facharbeiter werden wir, wenn wir Spielräume haben
– aber auch erst dann; diese Spielräume sehe ich jetzt
noch nicht –, darangehen müssen, unter strukturellen
Gesichtspunkten unseren gesamten Einkommensteuerta-
rif einmal unter die Lupe zu nehmen. Ich denke hier an
den Steuersatz im mittleren Bereich, ich denke an den
Höchststeuersatz, der schon sehr früh greift und unsere
mittelständischen Facharbeitskräfte in besonderer Weise
trifft. Hier werden wir uns anstrengen müssen, wenn wir
dann das Notwendige tun wollen. Aber wir wollen keine
falschen Versprechungen machen.

Ich glaube, wir müssen Schritt für Schritt vorangehen,
eins nach dem anderen machen. Im Moment ist es die
Haushaltskonsolidierung. Dann müssen wir uns Spiel-
räume erarbeiten, damit wir mehr für Investitionen tun
können und damit wir im Bereich der Abgaben und
Steuern die strukturellen Maßnahmen, die notwendig
sind, ergreifen können. Ich sage aber auch: Das geht
nicht von heute auf morgen. Dazu brauchen wir Geduld.
Dazu brauchen wir die notwendigen Spielräume, und
dazu brauchen wir auch Zeit.

Ich danke ganz herzlich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804103600

Abschließender Redner zu diesem Tagesordnungs-

punkt ist der Kollege Uwe Feiler, CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Uwe Feiler (CDU):
Rede ID: ID1804103700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Im Januar 2015 beabsichtigt Litauen, der
Euro-Zone beizutreten. Das gibt mir Anlass, dieses für
Europa, aber auch für Deutschland wichtige Ereignis et-
was ausführlicher zu behandeln. Ich freue mich, dass der
Botschafter der Republik Litauen, Seine Exzellenz
Matulionis, heute hier anwesend war und ich die Gele-
genheit hatte, mit ihm ein paar kurze Worte zu wechseln.

Nach Estland und Lettland sehen wir auch in Litauen
die positiven Folgen der EU-Osterweiterung. Nachdem
Litauen vor zehn Jahren der Europäischen Union beige-
treten ist, hat es eine beeindruckende Wirtschaftsent-
wicklung zu verzeichnen. Dazu beglückwünsche ich Li-
tauen ausdrücklich und zolle den Litauern mein Lob.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Ernstberger [SPD])


Es wurden weitgehende Wirtschafts- und Rechts-
reformen durchgeführt. Die Haushaltspolitik wird um-
sichtig geführt. Das trägt jetzt Früchte: Das Brutto-
inlandsprodukt hat sich seit 2004 fast verdoppelt. Die
Gesamtverschuldung mit circa 40 Prozent des Bruttoin-
landsproduktes liegt sogar unter dem Durchschnitt des
Wertes für die Mitglieder der Währungsunion. Das Kon-
vergenzkriterium der Geldstabilität ist ebenfalls erfüllt.
Die Wirtschaftsleistung hat wieder das Niveau von vor
der Finanzkrise erreicht. Für 2014 und 2015 wird weiter-
hin ein Wirtschaftswachstum von über 3 Prozent pro-
gnostiziert.

Meine Damen und Herren, die Litauer wissen den
Euro als eine gemeinsame europäische Währung zu
schätzen. Sie wissen auch, dass es für sie unabdingbar
war, der Euro-Zone so schnell wie möglich beizutreten.
Schließlich wird das Baltikum als zusammenhängender
Wirtschaftsraum von Investoren wahrgenommen. Estland
sowie Lettland haben den Euro bereits eingeführt. Da-
rüber hinaus wird der Euro in unruhigen Zeiten im Osten
Europas längst als Stabilitätsfaktor und Stabilitätsanker
wahrgenommen.

Die EZB identifiziert mit ihrem Bericht auch wirt-
schaftspolitische Herausforderungen und Reformbedarf,
zum Beispiel bei der Flexibilisierung des Kündigungs-
schutzrechts und der Besteuerung des Faktors Arbeit.
Die Arbeitslosigkeit von knapp über 10 Prozent sowie
steigender Fachkräftemangel in einigen Branchen auf-
grund der großen Auswanderungsquoten sind ebenfalls
gegenwärtige Herausforderungen.

Heute problematischer denn je ist sicher die allge-
mein bekannte Abhängigkeit des Landes von ausländi-
schen Energiequellen. Die nicht einfache Vergangenheit
und die gleichzeitige Abhängigkeit von Russland im
Energie- und Transportsektor spielen eine nicht unerheb-
liche Rolle in der wirtschaftlichen Situation des Landes.
Das gesamte Baltikum leidet an einer schlechten Anbin-
dung an das europäische Energienetz. Die Abhängigkeit
von ausländischen Anbietern schlägt sich daher in höhe-
ren Preisen nieder. Um dies zu ändern, eröffnet Litauen
Ende des Jahres einen Flüssigkeitsterminal und baut
Stromleitungen nach Polen und Schweden. Somit er-
langt es dann Zugang zum europäischen Energienetz.
Das ist nur zu begrüßen; denn die Unabhängigkeit im
Energiesektor ist seit der Ukraine-Krise insbesondere für
die osteuropäischen Staaten wichtiger denn je.

Auch wenn die Zusammenarbeit im Energiesektor ei-
niges zu wünschen übrig lässt: Russland ist und bleibt
ein wichtiger Handelspartner für Litauen. Russland ist
der wichtigste ausländische Absatzmarkt für litauische
Güter. Im Jahr 2013 hat sich der Warenexport dorthin
auf 4,9 Milliarden Euro summiert, was 19,8 Prozent der
Gesamtausfuhr ausmacht. Die Hälfte davon betrifft Wa-





Uwe Feiler


(A) (C)



(D)(B)

ren, die in Litauen selbst erzeugt wurden. Die andere
Hälfte macht der Transit von Waren aus anderen Län-
dern aus. Durch die Einführung des Euro bietet sich al-
lerdings auch die Chance, mehr Waren in den Euro-
Raum zu liefern.

In Litauen leben im Gegensatz zu Estland und Lett-
land nur circa 5 Prozent Russen. Wie ich in dem persön-
lichen Gespräch mit dem litauischen Botschafter erfah-
ren habe, ist die Mehrheit der russischen Minderheit in
Litauen für die Euro-Einführung – und das auch zu
Recht. Die Euro-Einführung ist in erster Linie die Erfül-
lung der Verpflichtung, die Litauen mit dem EU-Beitritt
eingegangen ist. In zweiter Linie ist sie eine freie wirt-
schaftliche Entscheidung der Republik Litauen. Herr
Ulrich, Verträge beruhen auf Gegenseitigkeit. Wir kön-
nen nicht auf der einen Seite von Litauen fordern, den
Euro einzuführen, und dann aber, wenn die Beitrittskri-
terien erfüllt sind, den Beitritt verweigern. Das ist
scheinheilig und dient nicht der Sache.

Wir ermutigen die Republik Litauen, den eingeschla-
genen Weg zur dauerhaften Sicherung stabiler öffentli-
cher Finanzen und einer Politik der Stärkung sowie von
Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit fortzusetzen und
gleichzeitig die noch offenen Reformen, zum Beispiel in
den Bereichen des Rentensystems und des Arbeitsmark-
tes, voranzutreiben.

Der Beitritt Litauens hat jedoch einen besonderen Ne-
beneffekt – das haben wir eben schon gehört –: Das be-
trifft den EZB-Rat. Mit Litauen werden erstmals 19 Zen-
tralbankpräsidenten vertreten sein. Somit tritt das
Rotationsverfahren in Kraft. Alle fünf Monate wird dann
auch der Präsident der Deutschen Bundesbank zwar
nicht sein Teilnahme- und sein Rederecht, aber sein
Stimmrecht für einen Monat verlieren. Entscheidungen
zu finanziellen Angelegenheiten des Euro-Systems
– zum Beispiel Einzahlung und Änderung des EZB-Ka-
pitals, Anpassung von Kapitalschlüsseln, Verteilung der
monetären Einkünfte sowie der Gewinne und Verluste –
sind vom Rotationsprinzip jedoch ausgenommen.

Fakt ist, dass Deutschland 27 Prozent des EZB-Kapi-
tals eingezahlt hat und entsprechend haftet. Diese Tatsa-
che spiegelt sich bereits jetzt nicht in den Abstimmungs-
verfahren – ein Mitglied, eine Stimme – wider. Es ist
legitim, die Frage zu stellen, wie es sein kann, dass der
größte Anteilseigner sein Stimmrecht nicht permanent
ausüben kann. Es werden auch Befürchtungen laut, dass
das Rotationsverfahren missbraucht werden könnte.
Rein theoretisch ist dies denkbar.

Es sollte natürlich kein Denkverbot dabei geben, nach
anderen, gegebenenfalls besseren Verfahren zu suchen,
die die Kapitalverhältnisse und Haftungsrisiken gerech-
ter widerspiegeln. Man muss dabei jedoch sagen, dass
der mögliche Missbrauch höchst unwahrscheinlich ist
und einen gravierenden Eingriff in die Prinzipien der
Europäischen Union bedeuten würde. Wir sollten unse-
ren Partnern in der EU nicht von vornherein unterstellen,
sie warten nur auf den Zeitpunkt, an dem Deutschland
vorübergehend über kein Stimmrecht in der EZB ver-
fügt, um ihre nationalen Interessen durchzusetzen. Wir
dürfen des Weiteren nicht vergessen, dass nicht nur
Deutschland, sondern auch alle anderen Mitglieder ihr
Stimmrecht vorübergehend verlieren.

Zu Recht hat der Kollege Brinkhaus kürzlich darauf
hingewiesen, dass es insbesondere wichtig sei, dass
Deutschland mit Sabine Lautenschläger-Peiter im EZB-
Direktorium vertreten ist. Die sechs Mitglieder des EZB-
Direktoriums behalten auch nach Einführung des Rota-
tionsverfahrens ihr ständiges Stimmrecht. Wir sollten
uns also darauf konzentrieren, weiterhin in diesem Di-
rektorium vertreten zu sein.

Auch wenn es ein wichtiges Thema ist, sollte die Dis-
kussion über das Rotationsverfahren nicht den eigentli-
chen Grund der heutigen Beratung überschatten: den
Beitritt der Republik Litauen zur Euro-Zone. Wir begrü-
ßen ausdrücklich die erfolgreichen Anstrengungen Li-
tauens, die Bedingungen für die Euro-Einführung zu er-
füllen, und unterstützen den Antrag Litauens auf den
Beitritt zur Euro-Zone. Wir freuen uns auf die künftige
Zusammenarbeit mit Litauen als einem vertrauenswürdi-
gen und wirtschaftlich stabilen Partner.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804103800

Vielen Dank, Herr Kollege Feiler. – Damit schließe

ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt.

Wir kommen jetzt zu einer Reihe von Abstimmungen,
und zwar zunächst über den Einzelplan 08 – Bundes-
ministerium der Finanzen – in der Ausschussfassung.
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Damit ist dieser Einzelplan mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grü-
nen und den Linken angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel-
plan 20, Bundesrechnungshof. Wer stimmt dafür? Ich
bitte um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist der Einzelplan 20 mit allen
Stimmen des Hohen Hauses angenommen.

Wir kommen jetzt zum Tagesordnungspunkt II.4 c.
Abstimmung über den von der Bundesregierung einge-
brachten Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2014.
Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 18/1762, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf Drucksachen 18/1050 und
18/1223 in der Ausschussfassung anzunehmen.

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 18/1816 vor, über den wir zuerst
abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag?
Ich bitte um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Bei Zustimmung der Fraktion Die
Linke, Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und Ab-
lehnung durch die Große Koalition ist dieser Änderungs-
antrag abgelehnt.

Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit





Vizepräsident Johannes Singhammer


(A) (C)



(D)(B)

ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Lesung mit Zustim-
mung von CDU/CSU und SPD bei Neinstimmen von der
Fraktion Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ange-
nommen.

Wir kommen jetzt zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dieser Ge-
setzentwurf ist damit mit Zustimmung von CDU/CSU
und SPD bei Ablehnung von Bündnis 90/Die Grünen
und den Linken angenommen.

Tagesordnungspunkt II.4 d. Wir kommen zur Abstim-
mung über den Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD
und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1800 mit
dem Titel „Herstellung des Einvernehmens von Bundes-
tag und Bundesregierung zum Begehren der Republik
Litauen, der dritten Stufe der Europäischen Wirtschafts-
und Währungsunion beizutreten und den Euro als Um-
laufwährung einzuführen“. Hierbei geht es um die Stel-
lungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23
Absatz 3 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 9 a des
Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregie-
rung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der
Europäischen Union. Wer stimmt für diesen Antrag? Ich
bitte um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Bei Enthaltung der Fraktion Die Linke ist
damit dieser Antrag mit den Stimmen von CDU/CSU,
SPD und Grünen angenommen. Der Deutsche Bundes-
tag gibt damit grünes Licht für den Beitritt Litauens zur
Europäischen Währungsunion.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Tagesordnungspunkt II.4 e. Interfraktionell wird
Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/1730 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Ich gehe davon aus, dass Sie damit einverstan-
den sind. – Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt II.5 auf:

Einzelplan 16
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit

Drucksachen 18/1023, 18/1024

Die Berichterstattung haben die Abgeordneten
Steffen-Claudio Lemme, Christian Hirte, Dr. André
Berghegger, Roland Claus und Sven-Christian Kindler.

Zu diesem Einzelplan liegen zwei Änderungsanträge
der Fraktion Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch und gehe deshalb davon aus, dass
das so beschlossen ist.

Ich eröffne die Aussprache und darf zuallererst dem
Kollegen Ralph Lenkert, Die Linke, das Wort erteilen.

(Beifall bei der LINKEN)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804103900

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen

und Kollegen! Wenn ich den Einzelplan 16 beurteilen
müsste, würde ich schreiben: Sie waren bemüht. – Sie
waren bemüht, aber Sie ignorieren vollständig, was pas-
siert: die Dürren in Afrika, die Überschwemmungen in
Bangladesch. Sie ignorieren, dass Menschen umsiedeln
müssen, sie ihre Heimat verlieren, weil ihre Lebens-
grundlagen zerstört sind, sei es durch den Klimawandel,
sei es durch die rücksichtslose Ausbeutung der Natur.

Erinnern wir uns an unsere Jugendzeit. Wie oft gab es
da starke Unwetter? Laut Wikipedia wurden in den 70er-
Jahren vier Extremwetterereignisse in Europa registriert.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie sind nicht so alt wie ich!)


In den 80er-Jahren waren es fünf, in den 90er-Jahren schon
zwölf. Von 2000 bis 2010 waren es 17. Allein in den letz-
ten vier Jahren gab es 14 Extremwetterereignisse. – Der
Klimawandel lässt grüßen. Aber was machen Sie? Insge-
samt 400 Millionen Euro für den vorbeugenden Klima-
schutz werden in verschiedenen Einzelplänen gestri-
chen; Sie werden uns erklären, wo Sie was wie versteckt
haben. Dieses Geld fehlt nun für den vorbeugenden Kli-
maschutz, sei es in der Bundesrepublik, sei es in anderen
Ländern. Bezahlen werden dies die Menschen, die nicht
ausweichen können; bezahlen werden es die Ärmsten
der Armen. Aber auch Ihre Klientel, die Wirtschaft, wird
dafür bezahlen müssen. Wir finden, das ist eine nicht vo-
rausschauende, eine rücksichtslose Politik. Diese lehnen
wir ab.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ihr wichtigstes Klimaschutzelement war der CO2-
Zertifikatehandel. Er funktioniert nicht; das wissen wir.
Es sind auch keine Ansätze zu erkennen, weder im
Haushalt noch in Ihrer Politik, dass sich das ändert. Aber
dem Haushalt ist zu entnehmen, dass Sie den Industrie-
unternehmen jetzt die Kosten, die durch den Handel mit
CO2-Zertifikaten entstehen, erstatten wollen. Das müs-
sen Sie mir einmal erklären: Der Klimaschutz soll durch
CO2-Zertifikate vorangetrieben werden. Die Wirtschaft
soll motiviert werden, klimaschutzfreundlicher und res-
sourcensparender zu produzieren. Und jetzt entschädi-
gen Sie die Wirtschaft, indem Sie die Kosten, die da-
durch vielleicht entstehen könnten, in Höhe von
350 Millionen Euro übernehmen? Ich fordere Sie auf:
Streichen Sie diese Förderung aus dem Energie- und Kli-
mafonds, und setzen Sie dieses Geld für echten Klima-
schutz ein! Dann könnten wir sagen: Sie haben sich nicht
nur bemüht, sondern wenigstens einen kleinen Schritt
getan.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Beim vorbeugenden Klimaschutz haben Sie versagt.
Wie sieht es nun beim Schutz vor den Auswirkungen des
Klimawandels aus? Bei der Jahrhundertflut 2002 gab es





Ralph Lenkert


(A) (C)



(D)(B)

in der Bundesrepublik Schäden in Höhe von 18 Milliar-
den Euro. 8 Milliarden Euro haben wir für die erneute
Jahrhundertflut 2013 als Sofortmaßnahme bereitgestellt.
Ja, das ist eine gute Leistung, die wir gemeinsam voll-
bracht haben; aber man muss sich, von den materiellen
Schäden einmal abgesehen, fragen: Wie fühlen sich die
Menschen an Elbe, Elster, Oder, Saale und Rhein, die bei
jedem Regenguss Angst haben, und wie fühlen sich die
Menschen in NRW angesichts der Unwetter, die gerade
zu Pfingsten tobten, wenn sie hören, dass die Koordinie-
rung des Hochwasserschutzes zwischen den Ländern
nicht besser wird, weil Sie nicht einmal lächerliche
3 Millionen Euro für eine Koordinierungsstelle bereit-
stellen wollen? Das müssen Sie den Menschen erklären,
ich kann es nicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Nicht nur beim Thema Hochwasser haben wir es mit
mangelndem Schutz vor Wasser zu tun. Es betrifft auch
ein ganz anderes Thema: In der Asse kommt das Wasser
wahrscheinlich schneller, als Sie sich durchringen, etwas
zu unternehmen. Zur sogenannten Lex Asse, nach der
Sie 2033 eventuell so weit sein wollen, Müll herauszu-
holen, sage ich: Frau Hendricks, setzen Sie mehr Geld
ein


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Das tun wir!)


für eine Parallelforschung hinsichtlich der Lagerfin-
dung! Setzen Sie Geld ein, damit der Müll endlich aus
der Asse kommt und wir vor allen Dingen einen sicheren
Verwahrort in der Bundesrepublik finden! Dafür können
Sie das Geld einsetzen, das Sie weiterhin in die Totge-
burt Gorleben und in den Schacht Konrad stecken. Nut-
zen Sie dieses Geld, schließen Sie Gorleben, und ma-
chen Sie damit den Weg frei für eine vernünftige
Forschung, für eine vernünftige Lösung!


(Sören Bartol [SPD]: Das hat doch mit dem Geld nichts zu tun!)


– Da Sie sich hier aufregen, Herr Kollege: Nutzen Sie
das Geld auch, um die Altlasten zu beseitigen, die aus
der Urangewinnung von vor 1960 in Ostdeutschland re-
sultieren und nicht von der Wismut GmbH erfasst wer-
den!


(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Sie verweigern sich doch der Mitarbeit!)


Dieses Geld könnten Sie gut dafür einsetzen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte aber auch einen positiven Aspekt der in
den Haushaltsberatungen vorgenommenen Änderungen
erwähnen. Dass Sie der Region rund um die Asse jetzt
mehr Geld zur Verfügung stellen, auch wenn es nicht
viel ist, damit die Region die Nachteile ausgleichen
kann, mit denen sie seit Jahrzehnten leben muss, ist
wirklich ein guter Schritt. Das begrüßen wir. Das ist ein
kleiner Lichtblick in diesem Haushaltsentwurf.

Der Einbau von Rußpartikelfiltern sollte gefördert
werden. Ich kann verstehen, dass Sie sagen: Alte Diesel-
fahrzeuge sollen weg. – Es gibt aber Menschen in die-
sem Land, die sich neue Fahrzeuge nicht leisten können.
Diese Menschen können ihre Fahrzeuge aufgrund von
immer mehr Umweltzonen nicht mehr in jeder Stadt nut-
zen. Sie sollen aber flexibel auf den Arbeitsmarkt reagie-
ren und dorthin gehen, wo es Arbeit gibt. Diese Menschen
sind auf das Fahrzeug angewiesen. Sie unterstützen die
Umrüstung der Fahrzeuge nicht. Das ist sozialpolitisch
eine Katastrophe. Mit dieser Nichtunterstützung erhöhen
Sie lediglich den Zwang, Neufahrzeuge zu kaufen. Das
ist auch ressourcentechnisch schändlich. Ich sage Ihnen:
Führen Sie die Rußpartikelförderung fort! Wir brauchen
diese Förderung nur noch wenige Jahre. Damit entlasten
Sie die Umwelt und die kleinen Leute, die nicht viel
Geld haben. Damit unterstützen Sie uns alle und sorgen
dafür, dass wir eine Gesellschaft bekommen, in der nicht
nur die Interessen der Großindustrie vertreten werden,
sondern auch die der kleinen Menschen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Punkt an-
sprechen, der mich geschockt hat. Am 19. Juni 2014 hat
die Firma VW erklärt, das Kältemittel R1234yf doch
einzusetzen. Es geht um eine Einsparung von 2 Gramm
CO2 pro Kilometer; um so viel besser als andere soll die-
ses Kältemittel sein. Kommt es aber zu einem Fahrzeug-
brand – das geschieht pro Jahr 30 000 Mal in Deutsch-
land –, entsteht Flusssäure. Dadurch, dass Sie Daimler,
VW und andere Firmen nicht in ihrem Vorhaben unter-
stützen, diese von der EU vorgegebene Umstellung nicht
durchzuführen, riskieren Sie im Fall von Unfällen die
Gesundheit von Tausenden von Menschen. Ich finde, das
ist schändlich. Sie sollten all Ihre Kraft dafür einsetzen,
bei der EU dafür zu kämpfen, dass dieses Mittel verbo-
ten wird. Ich wünsche mir – diese Ergänzung sei mir ge-
stattet –, dass dieses Mittel verboten wird.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804104000

Kollege Lenkert, setzen Sie jetzt bitte einen Punkt.


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804104100

Ja. – Ich wünsche mir, dass dieses Mittel vom Markt

verschwindet.

Ich wünsche mir, dass Sie beim Entwurf des nächsten
Haushalts Ihre Hausaufgaben machen, damit wir einen
Haushalt bekommen, der für die Menschen und für die
Umwelt gut ist und nicht für die Unternehmen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804104200

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Steffen-Claudio

Lemme das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Rede ID: ID1804104300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrter Herr Lenkert, Sie zeichnen ein
völlig falsches Bild, insbesondere des Haushalts für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Ich will





Steffen-Claudio Lemme


(A) (C)



(D)(B)

versuchen, das in meiner Rede richtigzustellen, und zwar
sehr sachlich und ohne viel Polemik – das überlassen wir
Ihnen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Vor circa zwei Monaten, bei der ersten Lesung des
Bundeshaushalts, stand ich hier und verdeutlichte, dass
im Regierungsentwurf des Umwelt- und Bauetats rich-
tige Schwerpunkte bei Umwelt, Klima, Natur und Städ-
tebau gesetzt wurden. Gleichzeitig kündigte ich an, dass
wir als Berichterstatter der Koalition im parlamentari-
schen Verfahren versuchen würden, an der einen oder
anderen Stelle Verbesserungen herbeizuführen. Ich freue
mich, dass das, wie dieser Haushalt zeigt, gelungen ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zur Haushaltskonsolidierung und zur Einhaltung der
geplanten Neuverschuldung musste bei den einzelnen
Häusern nochmals gespart werden. Im Zuge der Haus-
haltsberatungen haben wir in unserem Bereich allerdings
einen Mittelaufwuchs ermöglicht. Dies verdeutlicht die
– trotz seines verhältnismäßig geringen Gesamtvolu-
mens – hohe Relevanz des Umwelt- und Bauressorts für
diese Bundesregierung.

Ich möchte erläutern, in welchen Bereichen wir wäh-
rend der Beratungen Änderungen vorgenommen haben:

Erstens. In der ersten Lesung sprach ich an, dass ich
mich persönlich für den altersgerechten Umbau starkma-
chen werde. Ich bin sehr froh darüber, dass wir zusätz-
lich 10 Millionen Euro verankern konnten und das neue
Zuschussprogramm „Altersgerecht Umbauen“ somit
schon in diesem Jahr starten können.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir planen auch, bis zum Jahr 2018 sogar 54 Millionen
Euro zu investieren. Das Programm, welches von
Schwarz-Gelb eingestampft wurde, fördert alters- und
behindertengerechte Bau- und Umbaumaßnahmen mit
direkten Bundesmitteln. Diese Zukunftsinvestition ist
dringend notwendig; denn durch den demografischen
Wandel benötigen wir bis zum Jahr 2020 zusätzlich
2,5 Millionen barrierearme Wohnungen in unserem
Land.

Zweitens. In der Städtebauförderung sind die deutli-
che Mittelaufstockung und die Stärkung des Programms
„Soziale Stadt“ ein großer sozialdemokratischer Erfolg.
Neu ist nun, dass wir innerhalb der Städtebauförderung
das neue Bundesprogramm „Nationale Projekte“ einfü-
gen konnten, um künftig besonders bedeutsame innova-
tive Projekte zu unterstützen. Hierunter fällt auch das
UNESCO-Welterbe, das 2014/15 einen Schwerpunkt
darstellen wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die dritte Veränderung, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, betrifft das Nationale Naturerbe. Dieses soll um
mindestens 30 000 Hektar erweitert werden. Bislang
wurden dabei Flächen von der Privatisierung ausgenom-
men und kostenlos an interessierte Länder, Umweltver-
bände oder Stiftungen übertragen. Da sie bei der Bewirt-
schaftung jedoch zunehmend an ihre finanziellen
Grenzen stoßen und die neuen Flächen nicht vollständig
übernehmen können, haben wir zusätzliche 4 Millionen
Euro für eine Bundeslösung bereitgestellt. Diese Bun-
deslösung mit Bewirtschaftung durch die Bundesanstalt
für Immobilienaufgaben sichert die Flächen für den Na-
turschutz und entlastet gleichzeitig die Umweltverbände.

Viertens – das steht dem diametral entgegen, was Sie,
Herr Lenkert, hier gesagt haben – haben wir den Asse-
Fonds um 500 000 Euro auf nunmehr 1 Million Euro er-
höht. Ab 2015 sollen 3 Millionen Euro jährlich zur Ver-
fügung stehen. Damit gewähren wir den betroffenen
Menschen in der Region um die Schachtanlage Asse II
dauerhafte Unterstützung.


(Beifall bei der SPD)


Fünftens kommen wir zu guter Letzt zu dem viel-
leicht sogar wichtigsten Thema, dem Klimaschutz. Herr
Kindler, in unserer letzten Debatte haben Sie den Vor-
wurf erhoben, wir würden den internationalen Klima-
schutz mit unserem Haushalt beerdigen und damit ein
verheerendes Signal in die Welt setzen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Hierzu möchte ich zunächst anmerken, dass wir nun im
Haushalt des Entwicklungsministeriums die notwendi-
gen Änderungen bezüglich des UN-Klimafonds – Green
Climate Fund – vorgenommen haben. Wir können im
Herbst Zusagen in Höhe von bis zu 750 Millionen Euro
machen. Auch haben wir sichergestellt – das war uns be-
sonders wichtig –, dass die vorgesehenen Gelder ge-
meinsam von BMZ und BMUB bewirtschaftet werden.

Sie sehen somit: Wir senden kein verheerendes Signal
in die Welt, sondern bekennen uns im Gegenteil mit der
Unterstützung für den Klimaschutz in den Entwick-
lungs- und Schwellenländern zu unserer internationalen
Verantwortung.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie kürzen doch! Das ist das Problem!)


Das ist gerade für die UN-Klimakonferenz in Paris im
nächsten Jahr, auf der ein verbindliches Klimaabkom-
men beschlossen werden soll, ein wichtiges politisches
Signal.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804104400

Kollege Lemme, gestatten Sie eine Bemerkung oder

Frage des Kollegen Kindler?


Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Rede ID: ID1804104500

Sehr gerne.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Kollege Lemme,
es ist richtig, dass die Bundesregierung in den Haus-





Sven-Christian Kindler


(A) (C)



(D)(B)

haltsberatungen gerade noch die Kurve gekriegt und eine
Verpflichtungsermächtigung von 750 Millionen Euro
eingestellt hat. Aus unserer Sicht ist auch das für eine
bedarfsgerechte Ausstattung des Green Climate Fund
noch zu wenig. Wenn wir aber über den Haushalt 2014
reden, müssen wir auch über die Barmittel reden.

Es gibt eine Studie von Oxfam, die zeigt, dass dieses
Jahr durch die Verschiebungen zwischen dem Energie-
und Klimafonds, dem Haushalt des Umweltministeriums
und dem Haushalt des Entwicklungsministeriums min-
destens 240 Millionen Euro an Barmitteln gekürzt wer-
den. Das halte ich, ehrlich gesagt, für ein verheerendes
Signal an die Klimakonferenz in Paris. Wir kritisieren,
dass Sie die Mittel in diesem Haushalt um 240 Millionen
Euro kürzen. Wie stehen Sie dazu?


Steffen-Claudio Lemme (SPD):
Rede ID: ID1804104600

Herr Kindler, diese Kritik von Oxfam haben wir zur

Kenntnis genommen. Wir haben, gemeinsam mit dem
BMUB, auch eine Erläuterung dazu bekommen. Wir ar-
beiten daran, dass genau hier keine Kürzungen vorge-
nommen werden und wir weiterhin strukturell eine Vor-
reiterrolle in diesem Bereich haben. Dafür sind wir recht
gut aufgestellt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In einem Punkt möchte ich eine Bitte an Ministerin
Hendricks richten: Das Niveau der deutschen Klima-
finanzierung konnte gegenüber dem Vorjahr um 50 Mil-
lionen Euro gesteigert werden. Das ist gut. Gleichzeitig
stehen wir aber vor der Herausforderung – 2009 in
Kopenhagen haben die Industrieländer dies zugesagt –,
die Klimafinanzierung bis 2020 auf jährlich 100 Milliar-
den US-Dollar zu steigern. Als Haushälter würde ich mir
wünschen, dass wir frühzeitig und nachvollziehbar über
die Überlegungen informiert werden, über welche bilate-
ralen Instrumente und multilateralen Klimafonds und in
welcher Höhe wir in den kommenden Jahren einen Bei-
trag zur Erreichung dieses Ziel leisten. Wir sollten also
auch der Frage nachgehen: Wie viel sollen die Privat-
wirtschaft und die alternativen Finanzierungsquellen in
diesem Bereich beisteuern? In diesem Sinne hoffe ich
auf eine transparente Darstellung eines sogenannten
Aufwuchspfades.

Umwelt- und Baupolitik wird wie kein anderer Be-
reich mit dem Begriff der Nachhaltigkeit verbunden.
Das Dreisäulenmodell definiert Nachhaltigkeit als öko-
nomische, ökologische und soziale Zukunftsverantwor-
tung. Lassen Sie mich dies am Haushalt 2014 konkreti-
sieren: Erstens. Die ökonomische Nachhaltigkeit ist Ziel
unserer Anstrengungen bei der Rückführung der Neu-
verschuldung. Zweitens. Ökologische Verantwortung
übernehmen wir, wie geschildert, als wirtschaftlich
wohlhabendes Land durch unsere Vorreiterrolle bei der
internationalen Klimafinanzierung. Drittens. Soziale
Nachhaltigkeit müssen wir insbesondere im Umgang mit
dem demografischen Wandel bedenken; im Wohnungs-
bereich setzen wir dabei mit den neuen Zuschüssen zum
altersgerechten Umbau eine wichtige Wegmarke.
Ja, wir stehen vor weiteren Herausforderungen. Den-
noch meine ich – meine früheren Aussagen hierzu finde
ich bekräftigt –: Der Haushaltsplan geht mit den durch
den Haushaltsausschuss beschlossenen Änderungen, die
uns jetzt vorliegen, in die richtige Richtung. Wir wollen
ihn so verabschieden.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804104700

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun

die Kollegin Steffi Lemke.


Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804104800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Herr Lemme, ich gratuliere Ihnen als Haupt-
berichterstatter für die von Ihnen hier geschilderten Er-
folge, die Sie im Verhandlungsprozess im Sinne von
Umwelt und Naturschutz erreicht haben. Insbesondere
– das hatten wir im Vorfeld deutlich gemacht – das Na-
tionale Naturerbe liegt uns sehr am Herzen. Dass es da-
für jetzt eine finanzielle Lösung im Sinne des Natur-
schutzes gibt, begrüßen wir ausdrücklich. Ich wünsche
Ihnen, Frau Hendricks, bei der konkreten Umsetzung
dieses Projektes den notwendigen langen Atem. Als ich
vor elf Jahren aus dem Bundestag ausgeschieden bin,
stand dieses Thema brandaktuell auf der Agenda.

Wir diskutieren heute aber hauptsächlich über den
Etat eines Umweltministeriums, das zum ersten Mal seit
mehr als zehn Jahren ohne die Zuständigkeit für die er-
neuerbaren Energien agiert. Alle Erfolge, zu denen ich,
wie gesagt, gerne gratuliere, können nicht darüber hin-
wegtäuschen, dass diese Entscheidung, die erneuerbaren
Energien aus dem Zuständigkeitsbereich des Umwelt-
ministeriums herauszuverlagern, dazu führt, dass das
zentrale Projekt eines jeden Umweltministers jetzt den
Interessen der Wirtschaft und den Interessen des Wirt-
schaftsministers untergeordnet worden ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Chaos, das Sie uns heute auch in organisatori-
scher Hinsicht mit der Novelle zum Erneuerbare-Ener-
gien-Gesetz, die die inhaltliche Katastrophe dieses Ge-
setzes nur ein bisschen kaschiert, bescheren, hat seine
Ursache darin, dass die Zuständigkeit für die erneuerba-
ren Energien aus dem Umweltministerium herausgelöst
worden ist. Das, was wir Grüne vor zwölf Jahren in ei-
nem schweren Kampf gegen die SPD und den damaligen
Wirtschaftsminister Clement durchgesetzt haben


(Sören Bartol [SPD]: Na!)


– inzwischen sind ja die meisten in der SPD froh, dass er
sie verlassen hat –, haben Sie im vergangenen Jahr rück-
gängig gemacht. Das ist das zentrale Manko, das das
Umweltministerium in den nächsten mindestens vier
Jahren – ich weiß nicht, ob diese Entscheidung jemals
zurückholbar sein wird – mit sich herumschleppen wird.

Frau Hendricks, Sie haben in Ihrer Einbringungsrede
zum Etat gesagt, dass die Bekämpfung der Klimakata-
strophe die zentrale globale Herausforderung des





Steffi Lemke


(A) (C)



(D)(B)

21. Jahrhunderts ist und dass im Zentrum Ihrer Amtszeit
als Umweltministerium das Ziel stehen muss, die Klima-
katstrophe zu bekämpfen. Ich werde mich jetzt nicht in
den Streit zwischen den Haushältern einmischen, ob die
vorgesehenen 240 Millionen Euro noch zur Verfügung
gestellt werden, ob daran noch gearbeitet wird oder ob
sie verloren gegangen sind. Denn gegenwärtig legen Sie
uns eine Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz vor,
die den Klimaschutz in Deutschland um Jahre zurück-
wirft und den Ausbau des einzigen umweltfreundlichen
Energieträgers, den wir haben, bremst. Der Ausbau er-
neuerbarer Energien wird in vielen Regionen vollständig
zum Erliegen gebracht. Stattdessen fängt Ihr Wirt-
schaftsminister jetzt auch noch eine Debatte über Fra-
cking als Alternative an.


(Sören Bartol [SPD]: Ach, das ist doch einfach nicht richtig! – Gegenruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)


– Das ist absurd; da gebe ich Ihnen vollkommen recht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sören Bartol [SPD]: Das ist einfach falsch!)


Ich will jetzt gar nicht auf abstruse Vorwürfe gegen
Frackinggegner im Zusammenhang mit der Ukraine-
Krise eingehen, aber ich muss Ihnen sagen: Sie haben in
der für ein jedes Umweltministerium zentralen Frage zu
Beginn dieser Legislaturperiode grandios versagt. Sie
von der SPD haben zugestanden, dass diese Struk-
turfrage – Strukturfragen sind immer Machtfragen; das
muss ich Ihnen nicht erläutern – zugunsten von Wirt-
schaftsinteressen und zulasten aller Umwelt- und Klima-
schutzinteressen entschieden wurde. Sie haben die
Energiewende und damit die Bekämpfung der Klimaka-
tastrophe komplett zurück in die Hände des Wirtschafts-
ministers gegeben. Ich weiß nicht, ob manchmal der Ein-
druck entsteht, dass Frau Merkel und Herr Gabriel, nur
weil sie einmal Umweltminister gewesen sind, irgendet-
was mit der Umwelt am Hut hätten. Sie haben den Kli-
maschutz und die Bekämpfung der Klimakatstrophe mit
dieser Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz kom-
plett zurück in die Hände der Wirtschaft gegeben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Welcher Partei gehört denn der zuständige Staatssekretär an? – Sören Bartol [SPD]: Ist Herr Baake etwa rausgeflogen?)


– Sie müssen mir jetzt nicht mit so billigen Zwischenru-
fen zur Parteizugehörigkeit des Staatssekretärs in diesem
Ressort kommen. Ich habe Ihnen vorhin schon einmal
gesagt, dass wir schwerste Kämpfe mit Wirtschafts-
minister Clement ausgefochten haben. Wir hatten da-
mals SPD-Umweltpolitiker an unserer Seite – Hermann
Scheer sei stellvertretend genannt –, die bereit waren, die
damalige Entscheidung gemeinsam mit Umweltpoliti-
kern anderer Parteien – es gab sie vereinzelt auch in der
CSU und der CDU – und mit unseren Umweltpolitikern
gegen Herrn Clement und die Betonlobby in der SPD
durchzusetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Matthias Miersch [SPD]: Aber Herrn Clement gibt es nicht mehr!)


– Ich glaube, Sie waren heute Morgen noch nicht im Ple-
num, als Ihr Kollege Herr Kahrs hier eine Beton-und-
Stahl-Rede für die Industrieinteressen gehalten hat.


(Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär: Unverschämt! – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das war eine gute Rede!)


Lesen Sie sie vielleicht noch einmal nach. Ich fand diese
Rede sehr beeindruckend. Sie wurde mit großer Leiden-
schaft vorgetragen. Ich glaube, sie hat deutlich gemacht,
unter welchen Vorzeichen die Bekämpfung der Klimaka-
tastrophe und die Umweltpolitik in dieser Legislaturpe-
riode bei Ihnen stehen. Das ist meine Hauptkritik am
Etat dieses Ministeriums.

Bei allem Lob für die Details führt kein Weg daran
vorbei, dass Sie eine folgenschwere strategische Fehl-
entscheidung getroffen haben. Ich hatte es bereits ge-
sagt: Umweltpolitiker verschiedener Parteien und Frak-
tionen haben das Umweltministerium in den letzten
zehn, zwölf Jahren zu einem Strategiezentrum aufge-
baut, das sich in die Diskurse über den Umbau unserer
Industriegesellschaft an den strategisch entscheidenden
Stellen einmischen konnte. Wenn Sie sich die jetzige
Schwerpunktsetzung anschauen, stellen Sie fest: Es geht
um die Errichtung eines Bundesamtes für kerntechnische
Entsorgung, um die Asse-Problematik und, und, und; all
das haben Sie, Frau Hendricks, in Ihrer Einbringungs-
rede aufgezählt. Bei aller Wertschätzung für die „Soziale
Stadt“ – unsere Fraktion hat sich immer dafür eingesetzt –
und für die Städtebauförderung muss man festhalten: An
den zentralen Weichenstellungen nimmt das Umweltmi-
nisterium gegenwärtig nicht teil.


(Sören Bartol [SPD]: Das kann man jetzt nicht gegeneinander ausspielen! Das ist doch unterirdisch, billig! Das ist eben ein neuer Zuschnitt!)


– Ich spiele überhaupt nichts gegeneinander aus. Ich
sage Ihnen nur, dass Sie die Zuständigkeit für den ent-
scheidenden Kernbereich abgegeben haben und sich das
im Etat dieses Ministeriums widerspiegelt.

Ich biete Ihnen im Namen unserer Fraktion erneut an,
dass Umweltpolitiker Arm in Arm gegen diese Interes-
sen kämpfen. Das, was Sie uns mit der Novelle zum Er-
neuerbare-Energien-Gesetz vorgelegt haben, kann kein
Umweltpolitiker – sei er SPD-Mitglied, sei er CDU-Mit-
glied, sei er CSU-Mitglied, sei er Linke-Mitglied – guten
Gewissens unterstützen; denn es würgt die Energie-
wende und damit die Bekämpfung der Klimakatastrophe
ab.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804104900

Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Christian

Hirte das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Christian Hirte (CDU):
Rede ID: ID1804105000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu-
nächst einmal darf ich gerade im Hinblick auf die Rede
der Kollegin Lemke sagen, dass es vielleicht doch ganz
gut ist, dass die Energiepolitik mittlerweile zentral im
Bundeswirtschaftsministerium koordiniert wird, weil
das erstens die Möglichkeit eröffnet, endlich einmal et-
was in einem Konzept voranzubringen.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein industriepolitisches Konzept! Das hat mit Energiewende nichts mehr zu tun!)


Zweitens erhalten dadurch diejenigen, die sich mit der
Politik und dem Etat des BMU – jetzt: BMUB – be-
schäftigen, die Möglichkeit, sich wieder auf das Thema
zu konzentrieren, das Ihnen von den Grünen besonders
am Herzen liegen sollte, nämlich den Natur- und Klima-
schutz.


(Beifall bei der CDU/CSU – Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Energiewende funktioniert kein Klimaschutz!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bekommen,
ganz grundsätzlich gesagt, endlich die schwarze Null.
Generationen von Finanzministern haben sich an diesem
Ziel abgearbeitet. Franz Josef Strauß hat als Letzter eine
schwarze Null geschafft; das war Ende der 60er-Jahre.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Beifall bei der CSU!)


Erst Wolfgang Schäuble und unserer Koalition ist es
wieder gelungen, in diesem Jahr, einen strukturell ausge-
glichenen Haushalt vorzulegen und für das nächste und
die kommenden Jahre die Schuldenaufnahme ganz ein-
zustellen. Um aktuell in der Fußballsprache zu sprechen,
würde ich einmal sagen: Das ist ein klares 1 : 0 für
Wolfgang Schäuble und unsere Koalition.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die schwarze Null ist keine – wie von der Opposition
behauptet wird – Trickserei des Finanzministers; schon
gar nicht erkauft sich die Koalition die schwarze Null
mit einem Griff in die Sozialkassen. Entgegen der Nör-
gelei ist der Haushaltsentwurf ein Ergebnis, mit dem die
Große Koalition eindrucksvoll in diese Legislatur gestar-
tet ist.

Die Mütterrente kommt. Die nicht von allen geliebte
Rente mit 63 wird Wirklichkeit. Ich gebe zu: Mit Letzte-
rem habe auch ich ein bisschen Bauchschmerzen. Aber
viel entscheidender ist für mich, dass wir endlich unser
Schuldenproblem – Herr Binding hat es vorhin schon ge-
sagt – nachhaltig in den Griff bekommen. Man kann
nicht mit dem Finger auf Griechenland zeigen und Re-
formen fordern, aber gleichzeitig sich selbst einen
schlanken Fuß machen und zu Hause untätig bleiben.
Der ausgeglichene Haushalt Deutschlands ist nicht nur
für die Zukunft Deutschlands wichtig. Er zeigt auch un-
seren bislang weniger erfolgreichen Nachbarn, dass wir
selbst ernst nehmen, was wir von anderen fordern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war gerade eine andere Debatte!)


Wir werden damit nicht nur unserer nationalen Verant-
wortung, sondern auch unserer internationalen Vorbild-
rolle gerecht.

Begehrlichkeiten gibt es freilich immer, und die Be-
dürfnisse sind grundsätzlich größer als die Möglichkei-
ten. So hätte ich mir etwa gewünscht, dass wir mit dem
Einzelplan 16 die Förderung der Rußpartikelfilter auf
den Weg bringen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Erstens hätte ich das gerade vor dem Hintergrund der
Diskussion um Umweltzonen und Feinstaubbelastung
für sinnvoll gehalten. Zweitens wäre das eine gute För-
derung für den Mittelstand und für die Handwerker ge-
wesen. Leider hat sich hierfür in der parlamentarischen
Beratung am Ende keine Mehrheit gefunden; so ist es
halt manchmal.

Nun bin ich aber Realist genug, um zu wissen, dass
die Ausgaben nicht dauerhaft über den Einnahmen lie-
gen können. Diesen Realismus hätte ich mir trotz der gu-
ten Zusammenarbeit mit den Kollegen Kindler und
Claus auch von der Opposition gewünscht. Bei der Auf-
lage des 10-Millionen-Euro-Programms „Altersgerecht
Umbauen“ sind wir noch einer Meinung, dass dies ein
wichtiges und absolut gerechtfertigtes Zugeständnis an
den demografischen Wandel darstellt. Allerdings haben
die Grünen mit ihrer Forderung nach einem Klimawohn-
geld in Höhe von 100 Millionen Euro den eben ange-
sprochenen Realismus wohl doch etwas vermissen las-
sen.

Ich greife jetzt gerne noch einmal auf, was vorhin
auch vom Kollegen Kindler in der Nachfrage angespro-
chen wurde, nämlich die behauptete Klage, dass wir er-
hebliche Kürzungen bei der Klimafinanzierung vorneh-
men.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann man nachweisen!)


Dem ist nicht so.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)


Richtig ist vielmehr, dass eine ganz exakte Aussage, wie
viel Geld wir für die Klimafinanzierung in die Hand neh-
men, erst ganz am Ende mit dem Jahresabschluss mög-
lich sein wird.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja peinlich! Sie haben also keine Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit bei diesem Thema! Keine Ahnung, wie viel Geld Sie ausgeben!)


Das liegt unter anderem daran, dass wir erst dann genau
wissen, wie es mit den Zusagen an Partnerregierungen





Christian Hirte


(A) (C)



(D)(B)

und mit den Beauftragungen sowie weiteren Bewilligun-
gen aussieht.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist für einen Haushälter ein Offenbarungseid!)


Entgegen der Aussage des von Ihnen angesprochenen
Oxfam-Berichtes wird die Klimafinanzierung mit rund
1,8 Milliarden Euro auf hohem Niveau fortgesetzt.
BMZ, BMUB und BMF haben sich dabei auf einen Mo-
dus verständigt, der seit der Klimakonferenz von Doha
im Jahre 2012 als Messlatte zu verstehen ist. Dabei wer-
den nämlich bei bilateralen Vorhaben die Zusagen und
bei multilateralen Beiträgen die Auszahlungen gezählt.
Eine Ausnahme bildet lediglich der EKF. Dort versucht
man, die vorherigen Zusagen aus den Jahren 2011 bis
2013 angemessen ins Verhältnis zu setzen.

Vor allem die Jahre 2011 und 2012 fallen, wenn es um
den Klimaschutz geht, besonders ins Gewicht, weil wir
mit den Mitteln aus den Einzelplänen 16 und 23 gut in
die „Fast-Start-Periode“ gestartet sind und auch in der
Nachfolge weitere zusätzliche Klimamittel zur Verfü-
gung gestellt haben. Ich erinnere nur daran, dass allein in
Doha ein Mittelaufwuchs von 1,4 Milliarden Euro in
2012 auf 1,8 Milliarden Euro in 2013 angekündigt
wurde. Das zeigt, dass wir uns auf einem hohen Niveau
befinden.

Versprochen wurde bei internationalen Klimaver-
handlungen schon viel, am Ende kommt es aber nicht
darauf an, was man verspricht, sondern darauf, was man
praktisch tut.


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Darauf, was Sie im Haushalt eingestellt haben!)


Entscheidend ist also, was am Ende tatsächlich geleistet
und an Zahlungen auf den Weg gebracht wird, und,
meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen – auch
von den Grünen –, ich glaube, in Bezug auf unseren en-
gagierten Klimaschutz im weltweiten Maßstab müssen
wir uns in Deutschland überhaupt nicht verstecken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Lassen Sie mich noch ganz wenige Anmerkungen zu
wenigen Einzeltiteln machen:

Es ist vorhin schon kurz erwähnt worden: Wir geben
im Bereich des Naturschutzes deutlich mehr aus und
steigern die Ausgaben um 8 Millionen Euro von 49 auf
57 Millionen Euro. Diese Mittel sollen vor allem der na-
turnahen Begleitforschung für die Energiewende zur
Verfügung gestellt werden.

Bei der Asse muss man, glaube ich, zugeben, dass
man heute noch gar keine seriöse und gesicherte Be-
darfsschätzung der Kosten für die Zukunft vornehmen
kann. Hier sind für die Zukunft durchaus noch Finanzie-
rungsrisiken zu erwarten. Die Diskussion um die Asse
hat aber gerade dazu geführt, dass wir den Asse-Fonds
für 2014 im Zuge der Haushaltsberatungen auf 1 Million
Euro aufgestockt haben und auch für die kommenden
Jahre noch einmal mehr Geld in die Hand nehmen wer-
den. Ich will nicht verhehlen, dass wir bei der Verwen-
dung der Mittel durchaus ein Auge auf diesen Fonds le-
gen werden, weil wir den Eindruck vermeiden wollen,
dass für den Wahlkreis von Sigmar Gabriel Wahlge-
schenke verteilt worden wären.

Schließlich haben wir mit der Sperrung der Hälfte al-
ler neu aufzubauenden Stellen im neuen Bundesamt für
kerntechnische Entsorgung nicht nur unter fiskalischen
Gesichtspunkten, sondern auch unter dem Gesichtspunkt
der Akzeptanz einen wichtigen Schritt gemacht. Es soll
eben gerade nicht der Eindruck entstehen, dass mit dem
Bundesamt vorab Entscheidungen getroffen werden sol-
len und der Endlagersuchkommission beim Deutschen
Bundestag lediglich eine Statistenrolle zugewiesen wird.

In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und
Herren, darf ich mich für die Zusammenarbeit bedanken.
In der aktuellen Fußballsprache würde ich sagen: Nach
dem Spiel ist vor dem Spiel. In wenigen Wochen geht es
weiter.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann legen Sie einmal nach!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804105100

Nun hat die Bundesministerin für Umwelt, Natur-

schutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara
Hendricks, das Wort.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Wir haben den Haushalt für das Jahr 2014 mit
dem Anspruch aufgestellt, Deutschlands Zukunft zu ge-
stalten. Das gilt selbstverständlich auch für den Einzel-
plan 16. Die Bereiche Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit sind für die Zukunft unseres Landes
relevant – sie sind sogar systemrelevant, wie man so
sagt –, um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu si-
chern.

Deutschland ist aber nicht allein in Europa und in der
Welt. Deshalb werden wir insbesondere beim internatio-
nalen Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen und
andere Staaten dabei mitnehmen. Die UN-Klimakonfe-
renz in Paris in rund 18 Monaten wird eine Schicksals-
stunde. Jetzt ist der Zeitpunkt, die Weichenstellungen
vorzunehmen, damit ein neues, weltweites, ambitionier-
tes und verbindliches Klimaabkommen zustande kommt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Bundesregierung setzt mit dem Haushaltsentwurf
2014 die richtigen Signale. Wir sind dabei, mit dem Ak-
tionsprogramm Klimaschutz 2020 die Weichen so zu
stellen, dass Deutschland nicht nur seine Verpflichtun-
gen erfüllt. Das tun wir ohnehin; denn wir haben unsere
Einsparungen nach dem Kioto-Protokoll schon jetzt gut
erreicht. Die Bundesregierung hat sich aber vorgenom-





Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks


(A) (C)



(D)(B)

men, mehr zu tun und damit zu zeigen, dass Klimaschutz
eben nicht im Widerspruch zu einer guten wirtschaftli-
chen Entwicklung steht, sondern sie im Gegenteil sogar
beflügelt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde alles da-
für tun, dass die Konferenz in Paris ein Erfolg wird, und
freue mich über jede Unterstützung aus den Reihen des
Deutschen Bundestages.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dass Handlungsbedarf besteht, wird auch anderswo
verstanden. Ich begrüße ausdrücklich die Ankündigung
von Präsident Obama, den CO2-Ausstoß mit einer kon-
kreten Zielvorgabe bis 2030 zu senken. Auch wenn wir
in der EU, vor allem in Deutschland, noch wesentlich
ambitioniertere Ziele haben, wird damit doch die bishe-
rige Blockade in der amerikanischen Klimaschutzpolitik
durchbrochen. Das ist ein wichtiges Signal zum richti-
gen Zeitpunkt.

Das Beispiel von Präsident Obama muss auch in an-
deren Staaten Schule machen, die im Klimaschutz bis-
lang noch zu zögerlich sind. Die Notwendigkeit und das
Verlangen nach Lösungen sind größer als je zuvor. Die
Menschheit erwartet von der UN-Klimakonferenz zu
Recht, dass endlich geliefert wird.

Schließlich hat der Schutz von Klima und Umwelt
nicht nur ökologische und ökonomische, sondern immer
auch soziale Folgen. Ich will den Zusammenhalt von
Umweltgerechtigkeit und sozialer Gerechtigkeit stärker
thematisieren. Ich glaube, dass sich eine verantwor-
tungsbewusste Politik gerade in diesem Spannungsfeld
nicht mit den herrschenden Zuständen oder mit dem bis-
lang Erreichten zufriedengeben darf. Das ist auch ein
politischer Gestaltungsanspruch, der sich im Einzel-
plan 16 widerspiegelt.

Für Deutschland ist belegt, dass Menschen mit einem
sogenannten niedrigeren Sozialstatus häufiger in erhöh-
tem Maß negativen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind.
Sie wohnen öfter in Wohnungen, die verstärkt von Stra-
ßenverkehr, Lärm und verkehrsbedingten Luftschadstof-
fen betroffen sind. Außerdem leiden sie häufiger unter
Feuchtschäden in der Wohnung und haben schlechteren
Zugang zu Grünflächen. Bei Kindern mit niedrigerem
Sozialstatus wurde durchschnittlich eine höhere Blei-
konzentration im Blut festgestellt als bei Kindern mit
mittlerem oder hohem Sozialstatus. Diese Menschen
sind also sozial und ökologisch benachteiligt. Damit dür-
fen wir uns und werde ich mich nicht abfinden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich bin der Überzeugung, dass eine ökologische
Wende, die zu Benachteiligungen bei den unteren und
mittleren Einkommensgruppen führt, keine Akzeptanz
in der Mehrheit der Bevölkerung finden kann und wird.
Auf der anderen Seite wird das Versprechen einer besse-
ren Zukunft ohne eine intakte Umwelt ein leeres Ver-
sprechen bleiben. Gutes Leben ist eben nur auf dem Fun-
dament einer guten Umwelt möglich.
Deshalb gehören die soziale und die ökologische Di-
mension zusammen. Wir müssen die wirtschaftliche Ent-
wicklung vom Naturverbrauch bei der Energiebereitstel-
lung, beim Wasser- und Rohstoffverbrauch und bei der
Nutzung von Natur und Landschaft entkoppeln. Was wir
brauchen, ist eine Effizienzrevolution beim Energie- und
beim Ressourcenverbrauch.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich bin davon überzeugt, wenn wir es schaffen, die öko-
logische Frage zu beantworten, dann schaffen wir auch
sozialen Frieden, und wenn wir den sozialen Frieden
stärken, dann schaffen wir damit die besten Vorausset-
zungen für eine bessere Umwelt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt den schönen
Satz, dass die Wirtschaft letztlich eine hundertprozentige
Tochterfirma der Umwelt sei. Allein im Umweltschutz
sind bei dieser Tochterfirma inzwischen rund 2 Millio-
nen Menschen in Deutschland beschäftigt. Die deutsche
Umweltschutzgeschichte ist damit eine wirklich große
Erfolgsgeschichte. Unsere heimische Ingenieurskunst ist
weltweit gefragt. Gemeinsam mit dem Bundeswirtschafts-
minister werde ich deshalb in absehbarer Zeit eine Ex-
portinitiative Umwelttechnologien starten.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist meines Erachtens, den
Naturschutz mit der Stadtentwicklung zu verknüpfen.
Der urbane Naturschutz soll ohnehin in meinem Verant-
wortungsbereich ein größeres Gewicht bekommen. Bis
Ende des Jahres wird in meinem Haus ein sogenanntes
Grünbuch zu diesem Thema erarbeitet werden. Ein
Schwerpunkt ist, Naturschutz in vernachlässigten Nach-
barschaften und Quartieren zu fördern und damit zur Le-
bensqualität der Menschen beizutragen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will mich außerdem dafür einsetzen, dass die
Luftverschmutzung weiter abnimmt. Wir können sie
zwar nicht mehr sehen und riechen wie früher, aber sie
ist – denken Sie nur an Feinstaub oder an die anhaltende
Stickoxidbelastung – weiter vorhanden und damit eine
Gefahr für uns alle. Unter anderem deshalb war die Ent-
scheidung richtig, die Bereiche Bauen und Stadtentwick-
lung in den Geschäftsbereich meines Ministeriums zu
übertragen. Das hat viel Zuspruch und Zustimmung er-
fahren. Dafür bin ich dankbar.

Die Schnittmengen mit den klassischen Themen mei-
nes Hauses sind groß. Jetzt nutzen wir die Synergien, in-
dem die Bereiche Bauen und Stadtentwicklung mit den
übrigen Abteilungen vernetzt und wirksam integriert
werden. Die dafür notwendigen Organisationsentschei-
dungen sind getroffen und werden umgesetzt.

Wie Sie wissen, haben wir uns im Bereich Bauen viel
vorgenommen. Mit dem Bündnis für bezahlbares Woh-
nen und Bauen wollen wir helfen, wieder mehr bezahl-
baren Wohnraum in Deutschland zu schaffen.


(Beifall bei der SPD)


Wir wollen, dass Menschen dort, wo sie wohnen wollen,
bezahlbaren Wohnraum vorfinden. Wir wollen, dass sie





Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks


(A) (C)



(D)(B)

auch später noch dort wohnen bleiben können, wenn der
Wohnraum dem Lebensalter angepasst werden muss,
weil man nicht mehr so leicht die Treppen heraufkommt.
Deshalb sind Programme wie das altersgerechte Um-
bauen und die Unterstützung neuer Wohnformen ge-
nauso wichtig wie die vielen anderen Instrumente, die
dazu beitragen, dass Menschen ein lebenswertes Wohn-
umfeld haben. Ich bin daher an dieser Stelle allen Kolle-
ginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss und in den
Fachausschüssen dankbar, die mitgewirkt haben, dass
zum Beispiel die Mittel für die Städtebauförderung deut-
lich erhöht werden konnten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Mit dem Programm „Soziale Stadt“, mit dem Stadt-
umbau und dem städtebaulichen Denkmalschutz werden
wir Städte und Gemeinden gleichermaßen unterstützen.
Wir investieren in ein gutes Zusammenleben und gegen
ein Auseinanderdriften unserer Gesellschaft.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804105200

Sie haben es schon gesehen: Es gibt von der Kollegin

Baerbock den Wunsch nach einer Frage oder Bemer-
kung. – Bitte schön.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank. – Frau Ministerin, ich habe jetzt fast bis
zum Ende Ihrer Rede gewartet, um noch einmal das
Thema Klimafinanzierung anzusprechen. Ich hatte ge-
hofft, dass Sie vielleicht eine Antwort auf die Frage ge-
ben, warum es hier zu den Kürzungen gekommen ist.
Die Kürzungen sind ja insbesondere im Einzelplan 23 zu
finden, der gemeinsam mit dem BMU verwaltet wird.
Vielleicht können Sie noch einmal dazu etwas sagen,
weshalb es da zu Kürzungen kommt.

Um ein konkreteres Beispiel zu nennen – auch wenn
das ein relativ kleiner Topf ist –: Der Waldklimafonds
wurde halbiert. Warum ist es dort zu den Kürzungen ge-
kommen, obwohl insbesondere der Waldschutz eines der
prioritären Ziele des internationalen Klimaschutzes ist
und Deutschland sich ja eigentlich mit dem REDD+-Pro-
gramm als Vorreiter in diesem Bereich hervortun wollte?

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Liebe Kollegin, Sie haben vollkommen recht: Mit
dem REDD+-Programm ist und bleibt Deutschland ein
Vorreiter. Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass
wir zusätzliche Verpflichtungsermächtigungen in Höhe
von 750 Millionen Euro ab dem nächsten Jahr ausge-
bracht haben. Wir haben die Klimafinanzierung – das ist
schon von meinen Vorrednern dargestellt worden – auf
dem Niveau von 1,8 Milliarden Euro stabilisiert. Wir
sind damit beispielhaft und warten darauf, dass andere
Länder im Hinblick auf die Klimakonferenz hoffentlich
schon auf dem Ban-Ki-moon-Gipfel im September die-
ses Jahres vergleichbare Zusagen machen werden.
Die Kritik von Oxfam kann ich so nicht nachvollzie-
hen. Wir haben bedauerlicherweise erst heute den Mit-
gliedern des Bundestages eine detaillierte Ausarbeitung
der Kommunikation zu diesem Thema zukommen las-
sen. Wir hatten eine gemeinsame Zusammenkunft, bei
der das auch von Ihnen, Herr Kindler, schon einmal an-
gesprochen worden war. Oxfam musste naturgemäß da-
von ausgehen, dass Sie die Ergebnisse der Bereinigungs-
sitzung noch nicht kannten. Das ist klar. Insofern wird
das schon einmal widerlegt. Das ist zwar im Übrigen
eine sehr technische Ausarbeitung, aber ich bitte Sie, sie
zunächst einmal zur Kenntnis zu nehmen. Ich glaube
nämlich, dass man gut nachweisen kann, dass Oxfam mit
seiner Kritik nicht recht hat. 1,8 Milliarden Euro Bun-
desmittel pro Jahr müssen auch erst einmal sinnvoll ein-
gesetzt werden, und dafür sorgen wir.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz sicher werde
ich auch im Naturschutz weiter vorangehen, zum einen,
weil ich die Natur liebe, wie wahrscheinlich die meisten
Menschen. Zum anderen sind Natur und Landschaft aber
auch ein wichtiger Ausgleich für von Arbeit, Stress und
Lärm geprägte Menschen. Die Natur zu schützen, wird
immer eines der wichtigsten Themen des BMUB sein.

Wir werden unsere Förderprogramme für Natur-
schutzvorhaben von gesamtstaatlich repräsentativer Be-
deutung und das Bundesprogramm Biologische Vielfalt
fortführen. Wir werden 30 000 Hektar an Flächen aus
dem Eigentum des Bundes dauerhaft für den Natur-
schutz sichern, und wir werden uns gemeinsam mit den
Ländern darum kümmern, dass die Natura-2000-Gebiete
ordentlich geschützt werden.

Im Übrigen verbrauchen wir immer noch jeden Tag
74 Hektar unbebaute Freiflächen. In der nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie wurde als Ziel vereinbart, den
Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu be-
grenzen. Bedauerlicherweise sieht es derzeit nicht da-
nach aus, dass wir dieses Ziel bis 2020 erreichen. Denn
dazu hat es in den letzten zwei Jahrzehnten leider zu we-
nige Anstrengungen gegeben. Aber seien Sie gewiss,
dass ich dieses Ziel nicht fallen lassen werde. Wir sollten
es gemeinsam weiterverfolgen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wahrscheinlich
größte gesellschaftspolitische Projekt in dieser Legisla-
turperiode ist die Energiewende, die Sie, liebe Kollegin
Lemke, im Zusammenhang mit diesem Haushalt ange-
sprochen haben, obwohl das Thema eigentlich beim
Haushalt des Wirtschaftsministeriums anstehen würde.


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja das Problem!)


Dann haben Sie noch einmal die Chance, liebe Steffi.


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja das Problem, dass es dort ansteht, liebe Barbara!)


Ich muss nicht daran erinnern, welche Ereignisse
dazu geführt haben, dass sich die Bundesregierung zu
diesem weltweit beachteten Projekt entschieden hat. Wir
stehen jetzt vor der Herausforderung, die Energiewende





Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks


(A) (C)



(D)(B)

zum Erfolg zu führen, die Menschen dabei mitzunehmen
und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands
dabei nicht zu schmälern. Diese Aufgabe liegt beim
Wirtschafts- und Energieminister in guten Händen.
Gleichwohl werden alle Kabinettskolleginnen und -kol-
legen daran mitwirken müssen, genauso wie am Ak-
tionsprogramm Klimaschutz 2020, welches in meiner
Verantwortung auf den Weg gebracht worden ist.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit arbeitet an wichtigen The-
men, die auf der energiepolitischen Tagesordnung ste-
hen, zum Beispiel am Thema Atomendlagerung, wel-
ches heute schon angesprochen worden ist, oder am
Thema Fracking. Das Wasserhaushaltsgesetz sei als
Stichwort genannt. Darum kümmern wir uns.

Im April haben, wie Sie alle wissen, Bundestag und
Bundesrat die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver
Abfallstoffe“ eingesetzt. Noch in diesem Jahr wird das
Bundesamt für kerntechnische Entsorgung in meinem
Geschäftsbereich errichtet, wenn auch zunächst auf einer
niedrigen Basis.

Fracking im Schiefergas oder Kohlegestein werden
wir sicher nicht verantworten können, solange uns diese
Technik zwar Energie liefern würde, aber gleichzeitig
unser Grundwasser gefährdet. Auch bei diesen Themen
sollten wir es dringend unterlassen, soziale und ökologi-
sche Interessen gegeneinanderzustellen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir setzen auf Energieeffizienz und erneuerbare

Energien. Sie machen uns unabhängiger von immer teu-
rer werdenden Importen, egal woher. Die Abkehr von
der nuklear-fossilen Energieversorgung kann Deutsch-
land deshalb zur erfolgsreichsten Volkswirtschaft der
Welt machen. Ja, ich bin sicher: Sie wird Deutschland
zur erfolgsreichsten Volkswirtschaft der Welt machen.

Ich hatte bereits bei der Einbringung darauf hingewie-
sen, dass der Einzelplan 16 mit den Haushalten der Vor-
jahre nicht mehr vergleichbar ist. Hier spiegeln sich vor
allen Dingen der neue Zuschnitt des Hauses und die
neuen Zuständigkeiten wider. Das Gesamtvolumen hat
sich im Vergleich zum Haushalt 2013 mehr als verdop-
pelt und liegt nun bei insgesamt über 3,6 Milliarden
Euro. Ich möchte allen nochmals danken, die den Einzel-
plan 16 mitgestaltet haben. Damit haben wir die Voraus-
setzungen geschaffen, den ökologischen und den sozia-
len Zusammenhalt in Deutschland zu sichern.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804105300

Frau Ministerin, Sie dürfen weiterreden. Aber von

nun an geht es zulasten der Redezeit der Kollegen der
SPD.


(Sören Bartol [SPD]: Des Kollegen Bartol!)


Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

Sie erlauben mir bitte noch den Abschluss. Ich bin
ganz schnell.

Bei der Fülle der Aufgaben, die vor uns liegen, fühle
ich mich manchmal wie Tim Bendzko in der Liederzeile
„Muss nur noch kurz die Welt retten“. Aber ich bin si-
cher: Eigentlich wollen wir das ja alle.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804105400

Nächster Redner ist der Kollege Roland Claus für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804105500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Frau Bundesministerin Hendricks, Sie haben
sich im Kabinett der schwierigen Aufgabe gestellt, die
Umweltaktivistin und die Baulöwin in einer Person zu
sein. Jetzt erfahre ich, dass Sie auch noch die Planstelle
zum Weltretten innehaben wollen. Wir werden Sie sehr
kritisch begleiten, und Sie sollten, glaube ich, dafür
dankbar sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Als wir im April den Etat, über den wir nun abschlie-
ßend beraten, besprochen haben, wurden zu den Themen
„sozialer Wohnungsbau“ und „Städtebauförderung“ ins-
besondere von den Kolleginnen und Kollegen der SPD,
der Linken und der Grünen Veränderungen angemahnt
und Vorschläge gemacht. Wir haben nun erreicht, dass
immerhin 150 Millionen Euro für „Soziale Stadt“ und
10 Millionen Euro für den altersgerechten Umbau im
Etat stehen. Das ist ein schöner, gemeinsamer Erfolg.
Das ist etwas. Links wirkt. Links mehr könnte noch viel
mehr wirken.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will Ihnen auch zusichern, Frau Bundesministe-
rin: Immer dort, wo Sie, wie Sie es eben beschrieben ha-
ben, das Ökologische mit dem Sozialen in Einklang
bringen, können Sie mit unserer Unterstützung rechnen.
Aber wir müssen uns auch die Realitäten anschauen;
denn die Vorgängerregierung hat die Städtebauförderung
gründlich und nachhaltig kaputt gemacht. Sie selbst ha-
ben den Begriff der „Wiederbelebung“ eingeführt. Wenn
man etwas wiederbeleben will, gibt man zu, dass es tot
bzw. fast tot war. Die Mittel für den altersgerechten Um-
bau sind sicherlich wichtig. Wenn ich die Summe aber
umrechne, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass sich
damit beispielsweise gerade einmal 15 angebaute Fahr-
stühle in einer Plattenbausiedlung realisieren lassen.

Wir müssen uns natürlich auch das Problem des Etats
2014 vor Augen führen. Wir haben für Investitionen nur
einen Korridor von vier Monaten, von August bis No-
vember, zur Abfinanzierung des Haushalts zur Verfü-
gung. Da kann ich den Bundesminister mit seiner Ver-
liebtheit in die schwarze Null und seinem Ansinnen, auf
die Haushaltsreste zu spekulieren, ein bisschen verste-
hen. Aber wir sind verdammt noch mal auch dafür zu-
ständig, dass die Mittel, die wir für vernünftige Vorha-
ben einplanen und einsetzen, abfinanziert werden.


(Beifall bei der LINKEN)






Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)

Da hilft es nichts, dass der Bundesfinanzminister auf den
Einwand von Dietmar Bartsch entgegnet: Herr Bartsch,
haben Sie eigentlich nicht mitbekommen, dass wir Wah-
len hatten? – Das haben wir sehr wohl mitbekommen.
Aber dass Sie danach monatelang im Koalitionsbil-
dungskoma verharrt haben, lassen wir Ihnen nicht durch-
gehen.


(Beifall bei der LINKEN)


Leider gibt es erneut keine Bewegung bei den Alt-
schulden von Wohnungsunternehmen. Man muss inzwi-
schen erklären, was das überhaupt ist. Altschulden gehen
auf Außenhandelsdefizite der DDR zurück, die ohne
sachlichen Bezug auf werthaltige Unternehmen der
Wohnungswirtschaft und der Landwirtschaft im Jahre
1990 umgelegt wurden und seitdem den Banken riesige
Profite ohne eigene Leistungen beschert haben. Nun
habe ich das in der Volkskammer vor x Jahren kritisiert,
aber dass das im 25. Jahr des Mauerfalls, dem wir entge-
gengehen, immer noch ein Thema ist, hätte ich nicht für
möglich gehalten. Ich wollte schon sagen: Das ist ein
Treppenwitz der Geschichte. Aber nein, ich muss sagen:
Das ist eine Treppentragödie der Geschichte, für die
auch Sie Verantwortung tragen.


(Beifall bei der LINKEN)


Das kann man sich in verschiedenen Städten an-
schauen. Ich nehme als Beispiel eine Wohnungsgenos-
senschaft in Röblingen am See. Das ist der Wohnort ei-
ner Landrätin, die vor einer Woche mit über 80 Prozent
der Stimmen gewählt wurde. Sie hat gegen den Amtsin-
haber der CDU gewonnen. Sie gehört der Partei Die
Linke an und muss sich jetzt mit dem Problem herum-
schlagen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Röblinger Genossenschaft hat 17 solcher Platten-
bauten. Sie schafft es gerade einmal, eine pro Jahr zu sa-
nieren, weil die Altschuldenproblematik sie bedrückt
und ihr den Freiraum nimmt, den sie eigentlich brauchte.

Insofern bleiben wir bei unserer Kritik. Es ist ein
Haushalt der Ignoranz gegenüber dem Osten und auch
ein Haushalt der sozialen Spaltung. Deshalb brauchen
wir auch mit Blick auf künftige Aufgaben einfach viel
mehr Mut, ein regionales Gemeinwesen zu denken. Wir
werden Ihnen auch weiterhin kritisch vorrechnen, dass
Sie mit dem Verkauf der Treuhand Liegenschaftsgesell-
schaft bundeseigene Wohnungen an eine Heuschrecke
verkauft haben. Alle Befürchtungen, die wir von dieser
und anderen Stellen geäußert haben, sind in der Realität
übertroffen worden. Das ist eine Negativbilanz, die auf
Ihr Konto geht.


(Beifall bei der LINKEN)


Beim Hochwasserschutz – mein letzter Punkt – haben
wir leider immer noch kein abgestimmtes nationales
Konzept. Die Konzepte enden im Moment an den Lan-
desgrenzen. Da macht aber bekanntlich das Hochwasser
nicht halt. Als finanzielle Quelle haben Sie, Frau Bun-
desministerin, bislang lediglich die Gemeinschaftsauf-
gabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten-
schutzes“. Die ist aber im Agrarministerium angesiedelt.
Das klingt so ein bisschen nach dem spanischen Sprich-
wort: Auf fremdem Arsch ist gut durchs Feuer reiten.

Wir brauchen also in der Tat andere Vorschläge, die
wir eingebracht haben. Im Übrigen ist Besserung nur in
Sicht, wenn Sie auf die Linke hören. Frau Ministerin,
wer heute sein Heil im Gestern sucht, ist an der Seite der
CDU gut aufgehoben, wer Morgen will, der braucht
links.


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804105600

Die nächste Rednerin für die CDU/CSU ist die Kolle-

gin Marie-Luise Dött.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Marie-Luise Dött (CDU):
Rede ID: ID1804105700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haus-

halt 2014 setzt im Umwelt- und Baubereich die richtigen
Prioritäten. Die Mittel, die Deutschland für den interna-
tionalen Klimaschutz bereitstellt, steigen weiter an. Wir
halten unsere Zusagen ein. Mit dem Aktionsprogramm
Klimaschutz werden wir die derzeit bestehende Lücke
zur Erfüllung unserer nationalen Klimaziele schließen.
Wichtig ist es, bei allen Maßnahmen soziale Ausgewo-
genheit zu sichern. Für die Unternehmen müssen wir die
europäische und internationale Wettbewerbsfähigkeit
auf allen Stufen der Wertschöpfung berücksichtigen. Das
haben wir bei der Novelle des EEG hinbekommen, und
das muss auch bei der Weiterentwicklung der Klimapoli-
tik gelten.

Wir haben mit den im Haushalt zusätzlich bereitge-
stellten 4 Millionen Euro die Grundlagen geschaffen,
weitere 30 000 Hektar in das Nationale Naturerbe zu
überführen. Mit der Erhöhung der Mittel für den Asse-
Fonds auf 1 Million Euro 2014 und auf 3 Millionen Euro
ab 2015 signalisieren wir den Menschen in der Region
unsere Unterstützung bei der Bewältigung der gesamtge-
sellschaftlichen Aufgabe der Lagerung von Atommüll.

Es ist richtig, dass die Kompetenz beim Hochwasser-
schutz – übrigens auch für die Finanzierung – bei den
Bundesländern liegt. Die Hochwasserereignisse der ver-
gangenen Jahre haben aber auch gezeigt, dass eine Koor-
dinierung der Maßnahmen sinnvoll ist. Es war deshalb
folgerichtig, im Koalitionsvertrag die Erarbeitung eines
nationalen Hochwasserschutzprogramms sowie die Ein-
richtung eines Sonderrahmenplans „Präventiver Hoch-
wasserschutz“ zu verankern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Die Abstimmungen zwischen Bund und Ländern laufen.

Meine Damen und Herren, wir reden heute über den
Bundeshaushalt 2014, obwohl wir schon mitten im Jahr
sind. Ich will mit Nachdruck darauf hinweisen, dass ab
dem Bundeshaushalt 2015 dringend zusätzliche Mittel
für den Hochwasserschutz veranschlagt werden müssen.
Angesichts der enormen Schäden durch die Hochwasser
ist das gut angelegtes Geld.





Marie-Luise Dött


(A) (C)



(D)(B)

Mit dem Haushalt 2014 treten wir auch im Bereich
der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive
Stoffe in eine neue Phase der Arbeit ein. Erster zentraler
Baustein ist die Einrichtung der Kommission „Lagerung
hoch radioaktiver Abfallstoffe“, die ihre Arbeit bereits
aufgenommen hat. Ich wünsche dieser Kommission für
die kommenden Monate viel Erfolg. Den wird es aller-
dings nur dann geben, wenn alle Beteiligten gegenseiti-
ges Vertrauen aufbauen, einander zuhören und vor allem
aufeinander zugehen. Ich wünsche mir von allen Betei-
ligten, dass sie sich zu jedem Zeitpunkt der Arbeit ihrer
Verantwortung bewusst sind.

Wie immer bei den Haushaltsverhandlungen kann
nicht alles finanziert werden, was sich die Umweltpoliti-
ker wünschen. Besonders bedauere ich persönlich, dass
es nicht gelungen ist, die Mittel für die Förderung der
Nachrüstung von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen mit
Dieselrußpartikelfiltern bereitzustellen.


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Wir hätten zugestimmt!)


Ich hätte mir hier etwas mehr Unterstützung vom Koali-
tionspartner gewünscht. Gleichwohl bildet der Haushalt
2014 auch im Umweltbereich eine solide finanzielle Ba-
sis für die Umsetzung der Vorhaben aus dem Koalitions-
vertrag.

In der Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik setzt
die Koalition Schritt für Schritt ihre Vorhaben um. Die
Ausstattung der Städtebauförderung eröffnet neue Ge-
staltungsspielräume. Mit 210 Millionen Euro ist dabei
der Stadtumbau der absolute Schwerpunkt. Die Heraus-
forderungen des demografischen und wirtschaftsstruktu-
rellen Wandels rechtfertigen diese klare Ausfertigung.
Alle anderen Programme, auch die „Soziale Stadt“, ord-
nen sich dem unter. Hier hat die Bundesministerin die
Weichen richtig gestellt. Dieser Bedarf wird sich auch
bei der tatsächlichen Mittelverwendung durch die Län-
der abbilden. Die Rolle des Programms die „Soziale
Stadt“ als Leitprogramm der sozialen Integration wird
gestärkt, ist aber nicht allein Aufgabe der Städtebauför-
derung. Der Schlüssel zum Erfolg des Programms
liegt im Zusammenwirken der zuständigen Ressorts
und nicht im Portemonnaie der Bundesbauministerin.
Nach 15 Programmjahren sollte das endlich einmal re-
alisiert werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben uns in den Haushaltsgesprächen erfolg-
reich dafür eingesetzt, dass der Bund national bedeut-
same Vorhaben der Städtebauförderung eigenständig un-
terstützt. Damit leisten wir vor allem einen Beitrag dazu,
dass wirklich wichtige Projekte zügig realisiert werden
können. Ich bin gespannt auf die Projektauswahl. Wir
setzen auf ein überdurchschnittliches Investitionsvolu-
men und ein hohes Innovationspotenzial. Dieses Pro-
gramm soll etwas Besonderes sein und keine simple Al-
ternative zu den bewährten Bund-Länder-Programmen.

Ich bin auch begeistert von den Themen der ersten
beiden Förderjahre: Welterbestätten, energetische Stadt-
sanierung und Stadtbegrünung. Seit Jahren setze ich
mich dafür ein, mehr Parks und Grünanlagen in der
Stadtentwicklung zu realisieren. Sie gehören zu einem
ausgewogenen, entwickelten Stadtteil. In den Unterneh-
men des Garten- und Landschaftsbaus gibt es viele he-
rausragend ausgebildete Planer. Sie können mit Mut und
Ideenreichtum neue Gartenarchitektur in der Stadt erleb-
bar machen.

Ebenso freue ich mich darüber, dass der Regierungs-
entwurf bei der Unterstützung des altersgerechten Um-
baus von Wohnungen deutlich verbessert wurde. Wir
wollen es älteren Menschen ermöglichen, solange es ih-
nen guttut, in ihren eigenen vier Wänden zu leben. Das
vertraute Wohnumfeld und die familiäre Geborgenheit
sind wichtige Anker im Alltag. Für die Wiederbelebung
des Programms haben sich CDU und CSU seit Jahren
engagiert – zunächst als Kreditvariante und nun wieder
als Zuschussprogramm. Das ist ein schöner Erfolg.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sören Bartol [SPD]: Gut, dass ihr die Sozis wieder an eurer Seite habt!)


Auch in der Wohnungspolitik sind die finanziellen
Weichen richtig gestellt. Die schwarz-gelbe Regierungs-
koalition hatte die Fortführung der Mittelzuweisungen
für die soziale Wohnraumförderung bis einschließlich
2019 beschlossen. Ebenso wurden erste Vorbereitungen
für eine Wohngelderhöhung ab 2015 getroffen. Darauf
baut die Bundesbauministerin auf. Sie wird zügig den er-
forderlichen Gesetzentwurf vorlegen. Das Wohngeld
muss in seiner Leistungsfähigkeit verbessert werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Rentner und Arbeitslose sind die größten Empfänger-
gruppen. Ihr Verbleib im Wohngeldsystem schützt die
Kommunen vor zusätzlichen Lasten in anderen sozialen
Sicherungssystemen.

Mit dem geplanten Bündnis für Wohnen wird das Ziel
verfolgt, den Wohnungsbau in Deutschland anzukurbeln.
Ob das damit gelingt, ist auch von seiner Konzeption ab-
hängig. Hier sehe ich noch Beratungsbedarf in der Ko-
alition. Ein weiterer Gesprächskreis mit allen und jedem
birgt die Gefahr des Scheiterns in sich. Liebe Frau Bun-
desministerin, hier sehe ich wirklich noch Gesprächsbe-
darf in der Koalition.

Für die Belebung des Wohnungsbaus ist auch eine
kritische Auseinandersetzung mit den Kosten des Woh-
nungsbaus erforderlich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn die Kosten weiter steigen und die Mieteinnahmen
nicht kostendeckend sind, wird der Mietwohnungsbau
weiter hinter dem Bedarf zurückbleiben. Dieser Trend ist
bereits erkennbar. Daher wollen wir eine Baukostensen-
kungskommission. So steht es im Koalitionsvertrag. Ich
erwarte Impulse zur Entfrachtung und Entschlackung
staatlicher Bauvorschriften auf allen Ebenen. Darauf
kann die Bundesbauministerin aufbauen. Es geht um das
Grundbedürfnis der Menschen nach angemessenem
Wohnraum zu fairen Preisen. Das muss in den Mittel-
punkt der Bauvorschriften gerückt werden – nicht die
Vielzahl finanzieller, wirtschaftlicher und ideeller Inte-





Marie-Luise Dött


(A) (C)



(D)(B)

ressen jener, die beim Bau von neuen Wohnungen mitre-
den und mitverdienen wollen. Hier hat sich eine Schief-
lage entwickelt. Den Preis dafür bezahlen Häuslebauer
und Mieter gleichermaßen. Da hilft dann auch keine
Mietpreisbremse.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804105800

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Peter

Meiwald, Bündnis 90/Die Grünen.


Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804105900

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau

Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir bera-
ten heute einmal an prominenter Stelle in der Tagesord-
nung über den Einzelplan 16: Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit. Es ist eine gute Nachricht, dass
wir einmal nicht abends um neun oder um zehn über die-
ses wichtige Thema reden.

Was dürfen die Menschen in unserem Land von dieser
Debatte erwarten? Antworten zu den Aktivitäten der Re-
gierung, Ihres Ministeriums, werte Frau Hendricks, zu
den drängenden Herausforderungen, vor denen Deutsch-
land im globalen Kontext in diesem Rumpfjahr 2014 in
den Bereichen Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
cherheit noch steht!

Was sind diese drängenden Herausforderungen? Der
Klimaschutz ist schon verschiedentlich angesprochen
worden. Ein Klimahaushalt sieht allerdings anders aus
als das, was wir jetzt hier angeboten bekommen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])


Unsere Fraktion hat einen entsprechenden Antrag einge-
bracht, in dem wir unter Einhaltung der nötigen Haus-
haltsdisziplin zeigen, wie ein Umsteuern zurück auf den
Pfad des Klimaschutzes möglich ist. Doch diese Regie-
rung will offensichtlich weder ein Klimaschutzgesetz
noch einen Klimahaushalt. Dienstwagenprivileg – bleibt
unangetastet. Kerosinbesteuerung im Inland – offenbar
unerwünscht. CO2-Mindestpreis – nicht angedacht.

Liebe Frau Dött, den von Ihnen postulierten Mittelan-
stieg im Klimaschutz hat nicht einmal die Ministerin in
ihrer aktuellen Aufstellung, von der sie gerade sprach, in
ihrem eigenen Haushalt gefunden. Das ist ein Optimis-
mus, den wir nicht teilen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dazu kommt eine klare Niederlage – das ist heute schon
angesprochen worden – des Umweltministeriums gegen
die Spielgemeinschaft aus Wirtschaftsministerium, gro-
ßen alten Stromkonzernen und der IG BCE bei dem in
diesen Wochen hier durchgepeitschten EEG. Wir kennen
die verschiedenen Änderungsanträge, die uns vielleicht
heute noch erwarten, noch nicht. Aber nach dem, was
wir bisher kennen, sieht es so aus, als ob es eine klare
Niederlage des Umweltministeriums gegenüber den an-
deren Interessen gibt.
Kohleausstieg: Deutschlands Klimagasausstoß steigt
seit zwei Jahren wieder an, dank der dreckigen Kraft-
werke, die mit Braun- und Steinkohle befeuert werden.
Das schadet Klima und Gesundheit. Im Einzelplan 16 ist
dies ein wichtiges Thema. Führen Sie doch wenigstens
die Quecksilbergrenzwerte der USA ein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dann müssten die Kohlekraftwerke schon jetzt abge-
schaltet oder zumindest anders befeuert werden. Und
was ist mit CO2-Jahreshöchstlasten, einem CO2-Min-
destpreis und, und, und?

Ein Wort zum Fracking, liebe Frau Ministerin, weil
Sie es gerade angesprochen haben. Die Frackingme-
thode zur Erschließung von Erdgas ist nicht nur bei
Schiefergaslagerstätten oder unter Kohleflözen unver-
antwortbar. Wassergefährdungen durch die Chemikali-
encocktails im Frackfluid und in den Flowbacks sind
auch bei der Stimulation von Gasaustritten aus anderen
Lagerstätten gefährlich. Das Vorsorgeprinzip zugunsten
der nachfolgenden Generationen muss unabhängig von
der Lagerstätte gelten. Wir würden uns freuen, wenn Sie
diese Position innerhalb der Regierung durchsetzen
könnten. Hier ist natürlich der Wirtschaftsminister ge-
fragt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Welche Herausforderungen drohen uns noch? Res-
sourcenschutz ist ein wichtiges Thema. Konferenzen
dazu finden allenthalben im In- und Ausland statt. An-
reize für echten Ressourcenschutz in der Produktion,
aber auch im Bergbau oder in der Weiterentwicklung ei-
ner echten Kreislauf- und Kaskadenwirtschaft fehlen
weiterhin in diesem Haushalt. Wir brauchen ein Wertstoff-
gesetz mit dynamischen, ambitionierten Recyclingquoten.
Wir brauchen endlich ein modernes Bergrecht, das den
Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen ins Zen-
trum bergbaulicher Genehmigungen stellt. Und wir brau-
chen eine weiterentwickelte Ressourcenstrategie, die es
für Produzenten endlich attraktiv macht, nicht mehr
Wergwerfprodukte herzustellen, sondern ressourcenspa-
rend zu produzieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zu alledem findet sich in diesem Haushaltsentwurf
nichts.

Luftreinhaltung: Auch das ist ein wichtiges Thema; es
ist eben schon angesprochen worden. Feinstaubemissio-
nen durch Baumaschinen, Dieselloks und Schiffe – dazu
sehe ich keinerlei Aktivitäten in dieser Regierung, die
hier gegensteuern.

Ammoniak aus der Agrarindustrie: Gemeinsam mit
dem Landwirtschaftsausschuss hatten wir im Umwelt-
ausschuss eine sehr gute Anhörung dazu. Aber gute Er-
kenntnisse im Umweltausschuss und im Ministerium
reichen nicht aus. Es braucht Konsequenzen. Diese Kon-
sequenzen müssen gegen das Landwirtschaftsministe-
rium und die Agrarlobby durchgesetzt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Was haben Sie eigentlich gegen unsere Bauern?)






Peter Meiwald


(A)



(D)(B)

– Ich habe nichts gegen Bauern – danke für den Hinweis –,
ganz im Gegenteil.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Und was haben Sie gegen die Agrarindustrie?)


– Es geht um die Großagrarindustrie und nicht um Bau-
ern. Mit unseren diversen Anträgen haben wir deutlich
gemacht, dass wir sehr wohl auf der Seite der bäuerli-
chen Familienbetriebe stehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber es kann nicht sein, dass zulasten unserer Natur, der
Trinkwasserversorgung, der Luftreinhaltung und ähnli-
cher Dinge eine Produktion ausgeweitet wird, die an den
Bedürfnissen der Menschen vorbeigeht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Auch wenn Sie einen grünen Janker tragen, verstehen Sie trotzdem nichts von Landwirtschaft!)


– Oh doch, ich kann einiges dazu beitragen, aber das ge-
hört nicht in den Einzelplan. Das machen wir später.

Ökologischer Hochwasserschutz: Auch der großen
Ankündigung eines nationalen Hochwasserschutzpro-
gramms fehlt leider bisher die materielle Hinterlegung
im Haushalt. Das ist eben schon angeklungen. Ein Kon-
zept, das über rein technischen Hochwasserschutz durch
Deicherhöhungen hinausweisen könnte – Stichworte:
Auenrenaturierung, großflächige Retentionsräume und
Ähnliches –, ist für uns bisher noch nicht einmal im An-
satz erkennbar.

Was ist mit dem ökologisch-sozialen Umbau im Woh-
nungsbestand? Frau Dött hat gerade viel Lob geäußert.
Was wird aus dem Wohngeld, das Sie überarbeiten woll-
ten? Mit welchen Haushaltsmitteln soll die aus Klima-
schutzgründen notwendige Quote von 3 Prozent energe-
tischer Sanierung im Gebäudebestand erreicht werden?
Wo ist der Heizkostenzuschuss, den Ihre Fraktion, Frau
Ministerin, noch in der letzten Legislatur vehement ge-
fordert hat? Nicht einmal ein Miniförderprogramm für
ökologische Baustoffe finden wir im hier vorgelegten
Haushalt.

Reaktorsicherheit: Auch das gehört zu diesem Minis-
terium; dann habe ich meinen Rundumschlag beendet.
Was passiert in Ihrem Haus, um international den Atom-
ausstieg voranzubringen? Sogar auslaufende Atomver-
träge mit Indien und Brasilien werden verlängert; zum
Nutzen der Atomindustrie, nicht aber zum Schutz der
Menschen vor den Gefahren der Atomindustrie.

Ich komme zum Schluss. Gute Politik setzt insbeson-
dere im Umweltbereich klare Prioritäten auf Klima-
schutz, Energiewende, Ökologie und Gesundheitsschutz.
Dafür braucht es deutlich mehr Grün. Wir würden uns
freuen, wenn wir in den zukünftigen Beratungen der
Haushalte dieser Regierung etwas mehr davon wieder-
finden würden.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804106000

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Dr. André

Berghegger.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. André Berghegger (CDU):
Rede ID: ID1804106100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren! Angestrengt, zu-
frieden und den Blick fest auf das nächste Ziel gerichtet –
das könnte die derzeitige Gemütsbeschreibung unserer
Fußballer im fernen Brasilien sein. Hoffentlich dauert
das noch eine Weile an. Wir werden es am Donnerstag
sicherlich feststellen.

Diese Beschreibung könnte aber auch auf die meisten
Anwesenden hier im Saal zutreffen. Ich denke, wir wer-
den am Freitag, nach langer vorläufiger Haushaltsfüh-
rung, den Beschluss über den Haushalt 2014 fassen. Es
war eine Kraftanstrengung, weil wir im Rahmen der
Haushaltsplanberatungen die ein oder andere Entwick-
lung zu verkraften hatten, die die Finanzlage belastet
hat; das Stichwort „Brennelementesteuer“ ist hier schon
gefallen. Es ist aber geglückt, auf diese Situation zu re-
agieren. Wir werden einen strukturell ausgeglichenen
Haushalt bei einer Neuverschuldung von 6,5 Milliarden
Euro haben. Deshalb sind wir hochzufrieden.

Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, auf
welch hohem Niveau wir noch vor kürzester Zeit lagen.
Noch 2010, zu Beginn der letzten Legislaturperiode, war
in einem Jahr eine Neuverschuldung von 86 Milliarden
Euro zu verzeichnen. Ein Abbau ist nach und nach er-
folgt. 2015 werden wir den ersten Haushalt ohne Neu-
verschuldung seit über 40 Jahren anstreben. Dieser his-
torischen Chance sind wir sehr nah. Deswegen haben
wir dieses Ziel fest im Blick. So weit zur Analogie.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aus meiner Sicht zeigt dieser beeindruckende Weg in
der Haushaltspolitik Folgendes: Sparen und Wachstum
sind keine Gegensätze. Das erwarten die Bürgerinnen
und Bürger von uns, und zwar zu Recht. Denn diese
Politik ist nachhaltig, sie erhöht die Wettbewerbsfähig-
keit in unserem Land und ist zukunftsgerichtet. Sie si-
chert damit unseren Lebensstandard. Daran sollten wir
festhalten.

Wir beraten hier heute den Einzelplan 16, also den
Etat des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit. Der Entwurf des Haushalts-
plans 2014 war hierfür eine sehr gute Grundlage. Mein
Dank gilt dem Finanzminister Schäuble für die sehr gute
Vorarbeit, der Fachministerin Frau Hendricks für die
konstruktiven Beratungen in ihrem Haus und vor allen
Dingen den Kolleginnen und Kollegen aus dem Fach-
ausschuss und dem Haushaltsausschuss für die gute Zu-
sammenarbeit und die enge Abstimmung der Ände-
rungswünsche.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Zugegebenermaßen: Wertmäßig gab es keine allzu
großen Veränderungen. Die empfohlenen Änderungen

(C)






Dr. André Berghegger


(A) (C)



(D)(B)

des Haushaltsausschusses wollen wir jedoch umsetzen.
Dennoch können wir dabei Schwerpunkte, insbesondere
im Baubereich, setzen:

Der erste Schwerpunkt ist das altersgerechte Um-
bauen. Wir werden das bestehende KfW-Darlehenspro-
gramm durch Investitionszuschüsse ergänzen. Wir haben
gehört, dass dahin gehend großes Einvernehmen bei al-
len Fraktionen besteht. Aber, lieber Steffen Lemme, das
Vorgängerprogramm ist – ich habe mir notiert, was du
gesagt hast – von der alten Regierung nicht „einge-
stampft“ worden. Ich würde es eher so formulieren: Das
Vorgängerprogramm ist zu Zeiten der Krise aufgelegt
worden. Es sollte die Wirtschaft ankurbeln und ist ein-
fach ausgelaufen. – Ich würde den Vorschlag machen,
wir besinnen uns auf die Gemeinsamkeiten. Gemeinsam
werden wir ein neues Programm auflegen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich denke, dass wir mit dem Vorgängerprogramm
Großes erreicht haben. Wir werden in diesem Jahr mit
10 Millionen Euro starten und bis 2018 über 50 Millio-
nen Euro – diese Zahl wurde genannt – einsetzen. Der
Grund ist einleuchtend: Die Zahl der älteren Menschen
wird in Zukunft deutlich zunehmen. Es wird häufiger
Mobilitätseinschränkungen geben. Wir müssen Wohnun-
gen in großem Umfang an diese Situation anpassen. Bar-
rierefreie und barrierearme Wohnungen sind bei weitem
zu wenig vorhanden. Ein Kredit hilft eben nicht immer.
Denn Menschen haben manchmal ein Alter erreicht, in
dem sie keinen Kredit mehr aufnehmen wollen oder kön-
nen. Deshalb ist dieser Investitionszuschuss sinnvoll an-
gelegt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Durch das altersgerechte Umbauen erreichen wir ei-
nen individuellen Nutzen. Wir erhöhen – das hat die
Ministerin vorhin sehr gut herausgestellt – die Lebens-
qualität; denn die Menschen können so lange wie mög-
lich in ihrer gewohnten Umgebung verbleiben. Aber wir
werden auch einen gesellschaftlichen Nutzen erzielen;
denn je länger man zu Hause leben und wohnen kann,
desto später muss man in teure stationäre Pflegeeinrich-
tungen. Insofern ist es ein Vorteil für alle.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Herr Claus, das altersgerechte Umbauen dient nicht
nur dem Anbau von Fahrstühlen in großen Wohneinhei-
ten. Es dient auch dazu; aber manchmal reicht schon der
Umbau einer Dusche zu einer barrierefreien Dusche oder
das Anfügen einer Rampe. Das sind kleine Investitionen.
Wenn Sie entsprechende Zahlen zugrunde legen, dann
erkennen Sie: Es gibt eine Vielzahl von Situationen, die
man berücksichtigen kann. Damit erklärt sich der große
Nutzen des Programms.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dieser Haushalt ist mitnichten ein – so haben Sie es
genannt – „Haushalt der Ignoranz gegenüber dem Os-
ten“. Wir haben gemeinsam den Anspruch: Es soll ein
Haushalt für das gesamte Bundesgebiet sein, der die Le-
benssituation aller Menschen verbessert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der zweite Schwerpunkt: Städtebauförderung. Zwar
werden wir hier im Vergleich zum Regierungsentwurf
keine zusätzlichen Mittel einsetzen, weil bereits mit dem
Regierungsentwurf eine deutliche Aufstockung erfolgt
ist, aber wir werden die Strukturen verändern. Angespro-
chen wurde die Einfügung des Bundesprogramms zur
Förderung von national bedeutsamen Projekten. Das
heißt, der Bund wird bestimmte Projekte direkt unter-
stützen, ohne die sonst übliche finanzielle Aufteilung,
die Drittelfinanzierung durch Bund, Länder und Kom-
munen. Dadurch können Projekte von überregionaler,
überragender und teilweise finanziell besonders großer
Dimension unterstützt werden. Sonst wären die Kommu-
nen vor Ort teilweise überfordert. Wir beginnen in die-
sem Jahr mit 2,5 Millionen Euro. Mit insgesamt 50 Mil-
lionen Euro in den nächsten Jahren werden wir hier sehr
viel Gutes tun. Wir senden damit ein deutliches Signal
an alle Kommunen: Wir unterstützen sie bei großen ge-
sellschaftlichen Zukunftsaufgaben, insbesondere beim
demografischen, sozialen und ökonomischen Wandel
und im Bereich des Klimaschutzes.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die unterschied-
lichen Programme und Projekte zur Städtebauförderung
in ganz Deutschland in unterschiedlichster Form wirken
können. Ich kenne ein Beispiel aus meiner Heimatstadt
Melle, einem Mittelzentrum mit knapp 50 000 Einwoh-
nern im Landkreis Osnabrück. Wir wären dort mit be-
stimmten Situationen überfordert; Industriebrachen im
Innenstadtbereich würden von der Kommune oder von
Investoren jahrelang nicht angepackt. Jetzt ergibt sich
vielleicht die Möglichkeit, einen – so formuliert man es
technisch – Rückbau und eine Nachverdichtung im
Wohnbaubereich mitten in der Stadt vorzunehmen. Das
ist, was wir wollen. Wir brauchen keine neue Fläche; wir
nutzen die vorhandenen Flächen und tun insgesamt et-
was Gutes. Insofern sind die Städtebauprogramme für
unser gesamtes Land sehr gut.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir sind sowohl beim Einzelplan 16 als auch beim
gesamten Haushalt auf gutem Wege. Konsolidieren und
Gestalten ist kein Widerspruch; das zeigt dieser Haushalt
sehr deutlich. Ich bitte Sie um Zustimmung zu den Än-
derungen durch den Haushaltsausschuss und um Zustim-
mung zu diesem Einzelplan.

Lieber Christian Hirte, es gibt in dieser Zeit weitere
Zitate aus der Fußballersprache. Ich möchte mit dem
Satz schließen: Das nächste Spiel ist immer das
schwerste. – Freuen wir uns auf die nächsten Haushalts-
beratungen!


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Bettina Hagedorn [SPD]: Das war ja geradezu prophetisch!)







(A) (C)



(D)(B)


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804106200

Für die Sozialdemokraten erteile ich dem Kollegen

Sören Bartol das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1804106300

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Herr Lenkert, ich finde es sehr unanständig, dass
Sie hier als Redner der Linkspartei am Anfang mit den
Ängsten der Menschen in der Asse-Region gespielt ha-
ben und versucht haben, uns deutlich zu machen, dass
die Rückholung der Abfälle aus der Asse daran scheitern
könnte, dass kein Geld bereitsteht. Das ist einfach nicht
richtig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie wissen selber ganz genau: Es ist ein technisches Pro-
blem. Wir haben im Februar 2013 mit großer Mehrheit
ein Asse-Gesetz beschlossen, wir erhöhen die Mittel im
Asse-Fonds. Ich glaube, wir sollten alle gemeinsam den
Menschen in dieser Region deutlich machen: Wir wol-
len, wenn es technisch irgendwie möglich ist, diese
falsch gelagerten radioaktiven Abfälle zurückholen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804106400

Herr Kollege Bartol, gestatten Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Lenkert?


Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1804106500

Ja.


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804106600

Herr Kollege Bartol, zur Klarstellung: Den Asse-

Fonds habe ich als „Lichtblick“ bezeichnet, weil er dafür
sorgt, dass die Nachteile für die Region ausgeglichen
werden. Wir haben ihn begrüßt. So viel zur Korrektur Ih-
rer Kritik.

Der andere Punkt ist: Sie müssen mehr Engagement
an den Tag legen, das heißt, Parallelinvestitionen tätigen,
damit die Bergung der Fässer in der Asse schneller erfol-
gen kann. Das bedeutet, dass die entsprechenden Vorent-
wicklungen in Angriff genommen werden müssen, aber
auch, dass die Gelder bereitgestellt werden für die Tech-
nik, die benötigt wird, um die Konditionierung unter
Tage vorzunehmen. In Bezug auf alle diese technischen
Aspekte könnten Sie viel mehr bewegen, Sie könnten
viel schneller vorangehen. Das machen Sie aber nicht,
und das werfen wir Ihnen vor.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)



Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1804106700

Herr Lenkert, das Positive ist: Sie argumentieren jetzt

schon sehr viel differenzierter als in Ihrer Rede. Trotz-
dem ist ihr Vorwurf immer noch falsch; denn wir tun al-
les dafür – das haben wir hier im Deutschen Bundestag
parteiübergreifend debattiert und auch umgesetzt –, dass
es möglichst schnell gelingt, die Abfälle aus der Asse
herauszuholen. Sie wissen doch, welche großen, auch
technischen Probleme behoben werden müssen, um dies
möglich zu machen.

Die Kosten, die auf uns zukommen werden, werden
astronomisch sein; auch das wissen wir. Der Deutsche
Bundestag muss aber ganz klar und deutlich sagen: Ja-
wohl, das ist es uns wert. Wenn es technisch möglich ist,
scheuen wir keine Kosten, um die Vorgänge im Bereich
Asse zu stoppen. – Hier nur zu versuchen, den Menschen
zu suggerieren, diese Koalition würde nichts dafür tun,
die radioaktiven Abfälle aus der Asse herauszuholen,
das ist – um es einmal deutlich zu sagen – nicht wirklich
anständig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Beschluss
des Bundeshaushalts 2014 setzen wir eine zentrale so-
zialdemokratische Forderung um: Wir erhöhen die Bun-
desmittel für die Städtebauförderung auf 700 Millionen
Euro. Liebe Kollegin Lemke, dass Sie jetzt für die Grü-
nen anfangen, die 700 Millionen Euro für die Städte-
bauförderung gegen Umweltthemen auszuspielen, ist
– das muss ich ganz ehrlich sagen – ein Armutszeugnis
für grüne Bau- und Wohnungspolitik. Denn eigentlich
war immer Konsens, auch für die Grünen, dass wir das
gemeinsam wollen. Wir sollten uns nun freuen, dass sich
in diesem Bereich etwas tut.

Die Koalition aus CDU/CSU und SPD ermöglicht ei-
nen Investitionsschub für die Zukunft unserer Städte und
Gemeinden.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804106800

Herr Kollege Bartol, gestatten Sie eine Zwischenfrage

oder Anmerkung der Kollegin Lemke?


Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1804106900

Na gut.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Man muss ja keine Frage stellen; Sie können ja auch ein
Statement abgeben.


Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804107000

Echt jetzt? – Ich kenne die Geschäftsordnung, danke.

Aber Sie können sich trotzdem über mehr Redezeit
freuen.

Herr Bartol, ich will nur richtigstellen: Ich habe die
Städtebauförderung überhaupt nicht kritisiert, ich habe
sie für richtig befunden. Ich habe gesagt, dass das ein
gutes Vorhaben ist. Ich habe Sie insgesamt zu Ihren Er-
folgen bei diesen Haushaltsverhandlungen beglück-
wünscht. Das war also nicht mein Punkt.

Ich habe kritisiert, dass Sie sich mit Ihren strategi-
schen Entscheidungen aus zentralen Feldern wie Klima-
schutz, Bekämpfung der Klimakatastrophe und der
Energiewende zurückgezogen haben, dass Sie an diesen
strategischen Schnittstellen das Ministerium massiv ge-





Steffi Lemke


(A) (C)



(D)(B)

schwächt haben, indem Sie den Bereich der erneuerba-
ren Energien in das Wirtschaftsministerium verlagert ha-
ben, und dass Sie damit auf dem zentralen Spielfeld von
Umwelt, Naturschutz und Klimaschutz eine Schwä-
chung des Hauses erreicht haben, das Umwelt-, Natur-
schutz- und Klimaschutzinteressen wahrnehmen muss.

Das Städtebauprogramm „Soziale Stadt“ kann auch
ein anderes Ressort übernehmen. Als Rot-Grün regiert
hat, haben wir das schon einmal in einem anderen Res-
sort gut umgesetzt. Aber für Umwelt und Klimaschutz
kann nur das Umweltministerium zuständig sein. Hier
versagen Sie kläglich.


Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1804107100

Frau Lemke, in Ihrem Redebeitrag wird die Wert-

schätzung, die Sie der Städtebauförderung insgesamt
entgegenbringen, sehr deutlich. Genau das meinte ich
mit dem Ausspielen dieser beiden Fachgebiete. Barbara
Hendricks hat die Erfolge dieser Koalition in der Um-
welt- und Klimaschutzpolitik deutlich gemacht. Ich
glaube, dass das Thema erneuerbare Energien bei
Sigmar Gabriel, der ja auch einen Umwelthintergrund
hat –


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hatte!)


das wissen Sie doch selber –, sehr gut aufgehoben ist
und dass die verschiedenen Themen in dieser Koalition
angemessen behandelt werden. Was Sie aber nicht ge-
macht haben, Frau Lemke – da hätte ich doch mehr er-
wartet –: Sie haben nicht die Chancen dargestellt, die
sich ergeben, wenn die Bereiche Umwelt und Bauen in
einem Ministerium verwoben werden.

Die Ministerin hat anhand einiger Punkte bereits dar-
gestellt, in welchen Bereichen sie etwas vorlegen
möchte. Ich finde, das sind keine Nebensächlichkeiten
der deutschen Politik. Vielmehr geht es um die zentrale
Fragestellung: Wie geht es den Menschen in unseren Re-
gionen, in unseren Städten und Gemeinden? Ich hätte da
etwas mehr Wertschätzung erwartet.


(Beifall bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, dass
diese Koalition wieder an die gute Tradition der Bau-
und Stadtentwicklungspolitik der vergangenen Jahr-
zehnte anknüpft. Wir haben die ideologischen Auseinan-
dersetzungen beendet und arbeiten gemeinsam daran,
die Städtebauförderung zu stärken und weiterzuentwi-
ckeln. Dafür gilt mein ausdrücklicher Dank den Haus-
hältern, den Baupolitikerinnen und Baupolitikern. Sie,
liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-
Fraktion, haben in den letzten Monaten kenntnisreich
und mit großer Ausdauer mit uns über die Ausgestaltung
der Programmstruktur bis ins kleinste Detail diskutiert.
Dafür noch einmal mein Dank. Mein Dank gilt auch dem
Bundesministerium für die fachliche Begleitung. Das
Ergebnis ist ein starkes Signal an Städte und Gemeinden,
an die vielen, die sich vor Ort, in ihrem Wohnumfeld für
konkrete Verbesserungen engagieren.
Auch wenn es bereits gesagt worden ist, möchte ich
aufgrund meiner jahrelangen Verbundenheit mit diesem
Thema Folgendes noch einmal hervorheben: Das Pro-
gramm „Soziale Stadt“ – so haben wir es im Koalitions-
vertrag vereinbart – wird mit dem Haushalt 2014 zum
starken Leitprogramm der sozialen Integration in der
Städtebauförderung. Nächste Woche wird hier in Berlin
der „Preis Soziale Stadt“ zum achten Mal vergeben. Die
dort prämierten Projekte haben jetzt endlich wieder eine
verlässliche finanzielle Zukunftsperspektive. 2011 haben
die Auslober des Preises – GdW, Mieterbund und Arbei-
terwohlfahrt – mit anderen das „Bündnis für eine soziale
Stadt“ gegründet, unterstützt von Quartiersmanagerin-
nen und Quartiersmanagern. Für ihr Engagement möchte
ich allen am Bündnis Beteiligten herzlich danken. Sie
haben bewiesen, was Stadtentwicklungsprozesse drin-
gend brauchen: einen ganz langen Atem.

Wir stärken die Städtebauförderung nicht nur finan-
ziell, sondern wir wollen sie auch inhaltlich weiterentwi-
ckeln. Das geht nicht vom grünen Tisch aus, sondern nur
mit den Beteiligten in Ländern und Kommunen, in Wirt-
schaft und Verbänden. Unser Ziel ist es, die Programm-
umsetzung vor Ort zu vereinfachen und die Bündelung
von Förderprogrammen zu erleichtern. Mein Anliegen
ist es insbesondere, die Beteiligung in allen Programmen
der Städtebauförderung zu verankern. Da können wir
viel von dem Programm „Soziale Stadt“ lernen: Verfü-
gungsfonds, Quartiersräte, echte Entscheidungsalterna-
tiven, das Denken jenseits von Ressortgrenzen. Das ist
ein Lernprogramm für die Verwaltung und für die Bür-
gerinnen und Bürger. In der eigenen Straße und im eige-
nen Stadtteil über die eigenen Lebensbedingungen be-
stimmen zu können, ist eine wesentliche Voraussetzung
für eine gute Lebensqualität. Nur so funktioniert gute
Stadtentwicklung.

Die Stärkung der Städtebauförderung ist ein Baustein
des wohnungsbau- und stadtentwicklungspolitischen
Programms dieser Koalition. Unsere Ziele sind lebens-
werte Städte und bezahlbares Wohnen. Die Mietpreisspi-
rale in wachsenden Städten dreht sich weiter, und das hat
Folgen für die soziale Mischung und das Miteinander in
den Städten.

Wir werden zuerst zügig die Reform des Wohngelds
angehen. Erstmals seit 2009 werden wir das Wohngeld
wieder an die Miet- und Einkommensentwicklung an-
passen. Damit steigt auch die Zahl der Wohngeldberech-
tigten wieder. Weniger Menschen mit geringem Einkom-
men werden gezwungen sein, allein wegen hoher Wohn-
und Nebenkosten Arbeitslosengeld II oder Grundsiche-
rung im Alter zu beantragen. Gleichzeitig entlastet das
die kommunalen Haushalte bei den Kosten der Unter-
kunft.

Außerdem werden wir die Mietpreisbremse einfüh-
ren. Ich glaube, das war nicht nur für die SPD ein zentra-
les Wahlkampfthema, sondern auch für CDU und CSU.
Wir brauchen die Mietpreisbremse als kurzfristig wirk-
sames Instrument, um Mieterinnen und Mieter vor über-
zogenen Mietforderungen zu schützen.


(Beifall bei der SPD)






Sören Bartol


(A) (C)



(D)(B)

Damit es deutlich gesagt wird: Wir alle wissen, dass die
Mietpreisbremse den Neubau nicht ersetzen kann; aber
sie begrenzt Exzesse auf angespannten Wohnungsmärk-
ten – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Mietpreis-
bremse wird den Neubau nicht abwürgen. Deswegen
bleibt es Ziel dieser Koalition, ein möglichst frühes In-
krafttreten der Mietpreisbremse zu erreichen.


(Beifall bei der SPD)


Auf angespannten Wohnungsmärkten brauchen wir
Neubau. Wir brauchen mehr Wohnraum, der familienge-
recht, altersgerecht, energiesparsam und klimaschonend
ist. Der Bund wird das nur gemeinsam mit den Ländern,
der Bau- und Wohnungswirtschaft und dem Mieterbund
erreichen können. Neben neuen Impulsen bei der sozia-
len Wohnraumförderung und bei der Förderung genos-
senschaftlichen Neubaus mangelt es vor allen Dingen an
Bauland zu vertretbaren Preisen.

Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass die Bundes-
anstalt für Immobilienaufgaben dazu einen Beitrag leis-
ten soll. Die verbilligte Abgabe von ehemals militärisch
genutzten Grundstücken ist ein erster Schritt, der im
Haushalt 2015 umgesetzt werden muss. Weitere Schritte
müssen folgen; denn die Beschränkung auf Konver-
sionsliegenschaften ist in meinen Augen zu eng.


(Beifall bei der SPD)


Der Bund kann und muss die Liegenschaftspolitik als
Gestaltungsinstrument nutzen. Nicht der Höchstpreis,
sondern Konzepte der Kommunen für bezahlbaren
Wohnraum und eine lebendige Stadt müssen entschei-
dend sein.

Gutes und bezahlbares Wohnen ist ein Gesamtpaket
aus Neubau, Umbau des Bestandes und sozialer Flankie-
rung. Deswegen ist es gut, dass Barbara Hendricks das
„Bündnis für bezahlbares Wohnen“ im Juli startet. Auch
dafür vielen Dank.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804107200

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Dr. Georg

Nüßlein, dem ich das Wort erteile.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1804107300

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen! Meine

Herren! Wenn wir von Verantwortung für die Schöpfung
sprechen, meinen wir von der Union immer die Verant-
wortung für Mensch und Natur gemeinsam. Wir verste-
hen darunter einen sparsamen Umgang mit endlichen
Ressourcen, eine klare Orientierung am Gebot der Wirt-
schaftlichkeit und ein starkes Vertrauen in die Kräfte von
Innovation und Wettbewerb im Bereich der Marktwirt-
schaft. Das ist unser Leitbild einer modernen Umwelt-
und Baupolitik, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Genau dieses Leitbild spiegelt aus meiner Sicht der
Haushalt, den wir hier diskutieren, wider.

Weil verschiedene Kollegen hier auf die Klimapolitik
eingegangen sind, will ich Folgendes deutlich unterstrei-
chen: In der Tat ist es so, dass die Energiewende in
Deutschland Kern unserer Klimapolitik ist. Nachdem
wir heute die Verhandlungen zum EEG endgültig abge-
schlossen haben – das war angesichts der besonderen Si-
tuation, nämlich dass die EU gemeint hat, sich hier über-
mäßig einbringen zu müssen, sehr schwierig –, kann ich
Ihnen versichern, dass wir diese Energiewende nicht ab-
würgen werden. Ganz im Gegenteil: Wir leisten mit dem
neuen EEG einen Beitrag dazu, dass die Akzeptanz für
dieses Gesetz erhalten bleibt, indem wir es kostenorien-
tiert ausrichten.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie das denn? Genau das Kostenproblem habt ihr gar nicht gelöst!)


Das halte ich für ganz entscheidend.

Die Kollegin Lemke hat auf die Zuständigkeit des
Wirtschaftsministeriums hingewiesen. Diese Zuständig-
keit haben wir von der Union uns schon lange Zeit ge-
wünscht, weil wir wissen, dass es jetzt nach vielen Jah-
ren reiner Förderung des Aufbaus von Kapazitäten der
erneuerbaren Energien darum gehen muss, ein neues
Energiemarktdesign zu erstellen. Es geht darum, die er-
neuerbaren Energien nicht mehr nach dem Motto „Koste
es, was es wolle“ zu fördern, sondern sie in einen neuen
Strommarkt zu integrieren.

Ich darf Ihnen sagen: Mir gefällt nicht alles, was der
Koalitionspartner in Gestalt des Wirtschaftsministers an
der Stelle vorträgt.


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Uns auch nicht!)


Zum Beispiel bin ich dezidiert der Auffassung, dass es
nicht darum geht, die Geschäftsmodelle der Versorger zu
verschonen. Das wird uns nicht gelingen. Es geht viel-
mehr darum, die Kosten gleichmäßig so zu verteilen,
dass sie bezahlbar bleiben und wir ein Industriestaat
bleiben. Ich sage das ganz bewusst, weil es Gott sei
Dank mittlerweile auch gelungen ist, bei den Verhand-
lungen klarzustellen, dass der allergrößte Teil des Parla-
ments der Auffassung ist, dass wir die energieintensive
Industrie von zu viel Unbill in Form einer EEG-Umlage,
die mittlerweile auf 6,24 Cent gestiegen ist, befreien
müssen, damit sie im internationalen Wettbewerb beste-
hen kann.

Eines muss uns auch klar sein: Die Energiewende
wird von anderen nur übernommen, wenn sich unser
Wohlstand weiter erhöht. Uns wird niemand nacheifern,
wenn Klimaschutz am Schluss nicht zu mehr Wirt-
schaftswachstum führt, sondern zu weniger. Das kann
man, meine Damen und Herren, insbesondere nicht von
den Schwellenländern erwarten, die, von einem niedri-
gen Niveau ausgehend, andere Erwartungen an die Zu-
kunft mit Blick auf die Wohlstandsmehrung haben. Des-
halb ist der Ansatz, den wir hier gemeinsam mit den





Dr. Georg Nüßlein


(A) (C)



(D)(B)

Kollegen aus dem Wirtschaftsressort erarbeitet haben,
vollständig richtig.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich meine, dass die Energiewende Deutschland in der
Klimapolitik eine Stimme, Gewicht und Glaubwürdig-
keit verleiht. Dieses Kapital werden wir auch bei den
Verhandlungen zum neuen globalen Klimaschutzabkom-
men, das wir Ende nächsten Jahres in Paris abschließen
wollen, in die Waagschale werfen. Deutschland ist allen
Unkenrufen zum Trotz ein verlässlicher und glaubwürdi-
ger Akteur in der Klimapolitik. Die Ministerin hat das
unter Bezugnahme auf die Haushaltszahlen, auf die
1,8 Milliarden Euro, eindrucksvoll dargestellt.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass im
Haushalt von Gerd Müller die Verpflichtungsermächti-
gung von 750 Millionen Euro eingestellt ist. Das ist eine
Menge Geld; es macht uns in dem Zusammenhang hand-
lungsfähig. Ich möchte, um hier Missverständnissen vor-
zubeugen, deutlich unterstreichen: Es kommt nicht allein
auf den Betrag in Euro und Cent an, den man hinein-
steckt; am Schluss – da zitiere ich Helmut Kohl – ist ent-
scheidend, was hinten herauskommt.


(Zuruf der Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich glaube, dass wir manches effizienter und besser ma-
chen, als Sie denken.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Natürlich gehört zur Glaubwürdigkeit in der Klima-
politik auch, dass wir unsere Hausaufgaben zu Hause
machen. Ich begrüße deshalb ausdrücklich den Vor-
schlag der Frau Bundesministerin, ein Aktionsprogramm
„Klimaschutz“ zu erarbeiten. Dieses Programm soll da-
bei helfen, die gesteckten Klimaziele bis 2020 wirklich
zu erreichen.

Lassen Sie uns dabei gemeinsam schauen, wo wir ak-
tuell stehen, was wir vielleicht noch verbessern können
und wo es in den Sektoren sinnvolle weitere Einsparpo-
tenziale bei den Treibhausgasemissionen gibt, und zwar
in einem breit angelegten und transparenten Prozess.
Lassen Sie uns aber auch strikt das Wirtschaftlichkeits-
gebot beachten. Zu Recht vereinbartes Ziel dieser Koali-
tion ist es, mit engagiertem Klimaschutz Deutschlands
Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und nicht zu senken.
Ich bin zuversichtlich, dass wir hier tragfähige Lösungen
finden.

Das gilt auch für die Reform des EU-Emissionshan-
dels. Es ist gut, dass die Bundesregierung die Reformdis-
kussion in Brüssel konstruktiv begleitet und mitgestaltet.
Gut ist aber auch, dass sie dabei insbesondere Vorkeh-
rungen einfordert, wie eine Abwanderung der emissions-
intensiven Produktion ins Ausland vermieden werden
kann. Wir werden uns deshalb die Vorschläge zur Markt-
stabilitätsreserve gemeinsam ganz genau anschauen
müssen. Denn Klimaschutz, aus dem wirtschaftliche
Nachteile entstehen, wird bei den Menschen keine Un-
terstützung finden. Ich will aber, dass er Unterstützung
findet.
Für eine erfolgreiche Klimapolitik, für den Erfolg der
Energiewende, für eine erfolgreiche Umweltpolitik ins-
gesamt brauchen wir die Akzeptanz der Menschen. Das
ist auch der Grund, warum wir in dieser Woche eine
Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch beschließen
werden, die es den Ländern ermöglicht, länderspezifi-
sche Regeln über die Mindestabstände zu Windkraftan-
lagen festzulegen. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit
diesem neuen Instrument einen besseren Ausgleich zwi-
schen den Interessen der vom Windenergieausbau be-
troffenen Bürger und den Erfordernissen einer erfolgrei-
chen Energiewende schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren von der Opposition, ich bin
sehr verwundert, wie wenig Vertrauen Sie in bürgernahe
Regelungen haben. Glauben Sie mir, die Länder werden
verantwortungsbewusst mit diesem Instrument umge-
hen.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen sie denn gerade beim EEG?)


Wenn Sie es nicht glauben, schauen Sie sich den in Bay-
ern bereits vorliegenden Gesetzentwurf an. Die Meinung
der vom Windausbau betroffenen Bürgerinnen und Bür-
ger ist eindeutig. Das hat auch die Anhörung zu diesem
Thema gezeigt. Es zeugt von enormer Ignoranz, die vor-
handenen Bedenken und auch Ängste der Bevölkerung
einfach vom Tisch zu wischen. So schaffen Sie bestimmt
keine Akzeptanz. Wer sich so verhält, gefährdet den Er-
folg der Energiewende.


(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alle Experten haben diese Abstandsregelung gegeißelt! Das ist doch absurd!)


Wir brauchen noch mehr Akzeptanz, noch mehr Be-
geisterung. Deshalb ist es wichtig, dass wir das, wofür
wir eintreten, nämlich für die Bewahrung der Schöp-
fung, für eine faszinierende, vielfältige und natürliche
Umwelt, unmittelbar erfahrbar machen. Dass wir in den
Haushaltsverhandlungen zusätzliches Geld für die Über-
führung von weiteren mindestens 30 000 Hektar Fläche
in das Nationale Naturerbe zur Verfügung stellen konn-
ten, ist aus meiner Sicht ein wichtiges Signal. Wir stei-
gern damit nicht nur die Biodiversität, sondern gestalten
auch ein attraktives Lebensumfeld für die Menschen.

Genau das ist – es wurde schon angesprochen – ein
zentrales Anliegen im Bereich der Städtebauförderung.
Hier konnten wir in der Tat einen guten und soliden
Sprung nach vorne machen und die Themen so ausrichten,
dass wir gezielt fördern können. Das Förderprogramm
„Altersgerecht Umbauen“ halte ich für zeitgerecht und
wichtig. Die dafür bereitgestellten 10 Millionen Euro
muss man im Zusammenhang mit dem sehen, was die
KfW an der Stelle tut. Hier können wir durchaus zeigen,
dass wir auf einem richtigen, guten Weg sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine Damen und Herren, auch mit der Mietpreis-
bremse sind wir auf einem richtigen, guten Weg,


(Sören Bartol [SPD]: Ja, genau!)






Dr. Georg Nüßlein


(A) (C)



(D)(B)

allerdings nur dann, Herr Kollege Bartol, wenn wir sie
mit Maßnahmen kombinieren, die dabei helfen, die
schwierige Situation auf den Wohnungsmärkten zu ver-
bessern. Wir wären auf einem schlechten Weg, wenn wir
meinen würden, allein dadurch, dass der Staat Preisgren-
zen festsetzt, könne man dafür sorgen, dass die Mieten
signifikant sinken. Das Gegenteil ist der Fall: Eine Preis-
grenze führt zu Investitionsattentismus und dazu, dass
wir letztlich weniger Wohnungen und damit teurere Mie-
ten haben.

Nur die Kombination macht also Sinn: auf der einen
Seite die Mietpreisbremse und auf der anderen Seite
Maßnahmen, die dazu beitragen, die Situation auf dem
Wohnungsmarkt zu entspannen. Das werden wir, wie ich
denke, nach der Sommerpause im Detail verhandeln. Ich
bin davon überzeugt, meine Damen und Herren, dass wir
eine gute Lösung hinbekommen werden.

In diesem Sinne: Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1804107400

Letzter Redner zum Einzelplan 16 ist der Kollege

Dr. Klaus-Peter Schulze, CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU):
Rede ID: ID1804107500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der Regierungsentwurf zu den Kapiteln 1601
bis 1607 des BMUB hat ein Volumen von 2,78 Milliar-
den Euro, davon 57,1 Millionen Euro für den Natur- und
Artenschutz; das entspricht etwa 2 Prozent des vorge-
nannten Haushaltsansatzes des Ministeriums. Mehrere
Redner haben schon darauf hingewiesen, dass in der Be-
reinigungssitzung des Haushaltsausschusses am 5. Juni
dieses Jahres 4 Millionen Euro zusätzlich für das Natio-
nale Naturerbe als Erstattung an die Bundesanstalt für
Immobilienaufgaben aufgenommen wurden. Jemanden,
der sich für den Naturschutz besonders engagiert, freut
das natürlich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


In meiner bisherigen beruflichen Praxis habe ich mit
meinen Kolleginnen und Kollegen schon viele Haus-
haltsbereinigungssitzungen durchführen müssen. Es stand
aber in der Regel zum Schluss weniger Geld zur Verfü-
gung als vorher. Deshalb ist das eine sehr gute Entwick-
lung. Frau Ministerin, ich würde mich freuen, wenn man
uns im Umweltausschuss nach der Sommerpause einen
Maßnahmenkatalog vorlegen und erläutern würde, wie
diese zusätzlichen 4 Millionen Euro eingesetzt werden.
Die Erläuterungen, die wir bisher bekommen haben, wa-
ren sehr umfangreich und sehr gut. So kann man sich
auch als neuer Abgeordneter schnell in die Materie ein-
arbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Lieber Kollege Hirte, ich darf Sie ganz kurz korrigie-
ren: Es sind nicht 57 Millionen Euro, die damit zur Ver-
fügung stehen, sondern 61 Millionen Euro. Das sind
20 Prozent mehr als im Vorjahr bzw. 40 Prozent mehr als
im Jahr 2012.

Die Mehrausgaben sind für die Begleitforschung zum
Ausbau der erneuerbaren Energien vorgesehen. Damit
werden die Auswirkungen der Energiewende auf den
Natur- und Landschaftshaushalt und Maßnahmen zu de-
ren naturverträglicher Ausgestaltung untersucht. Es soll
ein Beitrag dazu geleistet werden, die Energiewende im
Einklang mit den Zielen der Bundesregierung zum Er-
halt der biologischen Vielfalt umzusetzen. Aus diesen
Mitteln wird außerdem die Finanzierung von Leistungen
des im Koalitionsvertrag vereinbarten Kompetenzzen-
trums „Naturschutz und Energiewende“, das zu einer
Versachlichung der Debatte und zur Vermeidung von
Konflikten vor Ort führen soll, in Höhe von circa 1 Mil-
lion Euro gesichert. Dass die Naturschutzbegleitfor-
schung dringend erforderlich ist, zeigen erste Erkennt-
nisse über die negativen Auswirkungen der Vermaisung
der Landschaft auf die Biodiversität.

Die Arbeit der Verbände spielt für den Naturschutz in
unserem Land eine große Rolle. Daher unterstützt der
Bund im Rahmen der Projektförderung zahlreiche Ver-
bände und sonstige Vereinigungen auf den Gebieten des
Umwelt- und Naturschutzes mit Zuschüssen in Höhe
von jährlich 12 Millionen Euro. Liebe Kolleginnen und
Kollegen, ich darf Sie beruhigen: Greenpeace, eine Or-
ganisation, die nicht nur durch spektakuläre Aktionen,
sondern neuerdings auch durch erfolglose Spekulationen
mit Spendengeldern auffällt, erhält nach meinem Kennt-
nisstand keine Zuschüsse vom Bund.


(Beifall bei der CDU/CSU – Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)


Die „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“
– sie wurde im November 2007 von der Bundesregie-
rung beschlossen – soll in diesem Jahr mit 15 Millionen
Euro unterstützt werden. Gefördert werden insgesamt
14 Vorhaben. Die bewilligten Vorhaben können nur ein-
zelne Bundesländer betreffen wie zum Beispiel das Al-
ler-Projekt in Niedersachsen, mehrere Bundesländer
umfassen wie zum Beispiel die Vernetzung der Lebens-
räume für die Wildkatze, an der insgesamt neun Bundes-
länder beteiligt sind, oder von bundesweiter Relevanz
sein wie die Unterstützung der Naturschutzjugend im
NABU.

Der Titel 882 01 beinhaltet Zuweisungen zur Errich-
tung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und
Landschaft von gesamtstaatlicher Bedeutung; er ist in
gleicher Höhe wie im Vorjahr veranschlagt. Der Bund
trägt höchstens 75 Prozent der einmaligen Projektausga-
ben. Grundsätzlich sind mindestens 10 Prozent der Kos-
ten von den Projektträgern zu finanzieren. Der verblei-
bende Anteil ist vom jeweiligen Land aufzubringen. Bei
der Auswahl der Projekte wird ein besonders strenger
Maßstab hinsichtlich der Beurteilung der gesamtstaatli-
chen Bedeutung und des beabsichtigten Projektergebnis-
ses angelegt. Für 2014 werden acht Vorhaben aus fünf
verschiedenen Bundesländern neu aufgenommen.





Dr. Klaus-Peter Schulze


(A) (C)



(D)(B)

Nicht nur durch direkt aus dem Haushalt des BMUB
finanzierte Maßnahmen werden Beiträge zum Natur-
und Landschaftsschutz geleistet: Bei jeder Infrastruktur-
maßnahme sind Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen er-
forderlich. Die Kosten dafür belaufen sich mittlerweile
auf bis zu 25 Prozent der Gesamtkosten. Ich denke, dass
man in der Zukunft noch mehr als bisher auf die ökolo-
gische Wirksamkeit achten muss. Einzelne Baumgrup-
pen, Hecken, vielleicht mit ein paar Sitzkrücken deko-
riert, sind nachhaltig für das Honorar der Planer, für den
Natur- und Artenschutz wohl eher nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Realisierung einiger weniger größerer Maßnah-
men, die in ihrer Vielschichtigkeit vernetzt werden, ist
unter gesamtökologischer Betrachtung wesentlich nach-
haltiger als die Realisierung vieler kleiner Maßnahmen.
Ich sage nur: Klotzen, nicht kleckern! – Das erfordert
natürlich eine gründliche Vorbereitung. Da unsere Pla-
nungszeiträume mittlerweile sehr lang sind, ist dafür aus
meiner Sicht auch ausreichend Zeit vorhanden.

Auch das angestrebte Hochwasserschutzprogramm
kann Beiträge zu einer nachhaltigen Natur- und Land-
schaftsentwicklung leisten, wenn es gelingt, die Verän-
derungen in den Auen der großen Flüsse und Ströme un-
ter ökologischen Gesichtspunkten umzusetzen. Dazu ist
es jedoch notwendig, die unterschiedlichen Nutzungsin-
teressen auszugleichen, damit Akzeptanz vor Ort er-
reicht wird. Eine frühzeitige Einbeziehung der Landnut-
zer in die Planungsprozesse ist dringend erforderlich.

Ich habe Verständnis dafür, dass wir uns hier zunächst
ein wenig Zeit lassen, um die Konflikte, die sich vor Ort
ergeben können, vorweg auszuräumen. Man sollte hier
wirklich nach dem Motto „Gründlichkeit vor Eile“ vor-
gehen. Deshalb kann ich zum Beispiel Ihre Bemerkung
gegenüber der Ministerin nicht verstehen, Herr Meiwald.
Ich glaube, wir sollten uns hier wirklich Zeit lassen, um
die Sache gründlich vorzubereiten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Energiewende
stellt auch aus naturschutzfachlicher Sicht eine große
Herausforderung dar. Das Bundesamt für Naturschutz
wird eine Reihe von Fragestellungen fachlich bearbeiten
und den naturschutzrechtlichen Vollzug in der aus-
schließlichen Wirtschaftszone in der Nord- und Ostsee
übernehmen. Die personellen Voraussetzungen dafür
werden mit dem Stellenplan 2014 geschaffen: Es sind elf
neue Stellen vorgesehen.

Das BfN als zuständige Fachbehörde hat die Aufgabe,
die einzelnen Formen der Gewinnung erneuerbarer
Energien an Land sowie Projekte der Energieleitung und
-speicherung aus Sicht des Natur- und Landschaftsschut-
zes zu untersuchen und bundesweit tragfähige Lösungen
zu entwickeln. Der Ausbau von Offshorewindparks soll
wesentlich zum Erreichen der Energiewende beitragen.
Als Vollzugsbehörde muss das Bundesamt eine Fläche
von 34 000 Quadratkilometern – das entspricht etwa der
Fläche Nordrhein-Westfalens – bearbeiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, am
26. März 2014 wurde der Bericht „Die Lage der Natur in
Deutschland“ veröffentlicht. Dieser Bericht konnte nur
erstellt werden, weil viele ehrenamtliche Naturschützer
zusammen mit den Behörden die Daten von über
12 000 Stichproben zusammengetragen haben. Wir ha-
ben damit in Deutschland einen einmaligen Datenschatz,
der weiterzuverarbeiten ist. Ich möchte mich an dieser
Stelle bei den vielen ehrenamtlichen Naturschützern be-
danken, die viel Zeit dafür aufgewendet haben, um diese
Daten zusammenzutragen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Bei vielen von ihnen wurde das Interesse für Natur-
und Artenschutz bereits im Jugendalter geweckt – oft
durch einen interessanten Biologieunterricht. Mir wird
hier schon ein wenig bange, wenn ich höre, dass im Süd-
westen der Republik darüber nachgedacht wird, diesen
Biologieunterricht abzuschaffen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804107600

Vielen Dank. – Herr Kollege Schulze, das war Ihre

Jungfernrede hier im Deutschen Bundestag. Herzlichen
Glückwunsch dazu von meiner Seite und sicher auch im
Namen des gesamten Hauses.


(Beifall)


Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 16 – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit – in der Ausschussfassung.
Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die
Linke vor, über die wir zuerst abstimmen:

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksa-
che 18/1817? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD bei Enthaltung
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksa-
che 18/1818? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 16 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzel-
plan 16 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bünd-
nis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenom-
men.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt II.6 auf:

Einzelplan 15
Bundesministerium für Gesundheit

Drucksachen 18/1023, 18/1024





Vizepräsidentin Ulla Schmidt


(A) (C)



(D)(B)

Berichterstatter sind die Abgeordneten Petra Hinz

(Essen), Helmut Heiderich, Dr. Gesine Lötzsch und Ekin

Deligöz.

Zu diesem Einzelplan liegen vier Änderungsanträge
der Fraktion Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Gesine
Lötzsch, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804107700

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Bevor ich über Geld rede, möchte
ich eine grundsätzliche Bemerkung vorab machen: Vor
einigen Tagen ging die Meldung durchs Land, dass jeder
zehnte Fehltag von Beschäftigten auf Rückenleiden zu-
rückzuführen ist. Rückenbeschwerden kommen vor al-
len Dingen bei Menschen vor, die schwere körperliche
Arbeiten verrichten müssen, etwa auf dem Bau oder in
der Pflege, bei Kraftfahrern – wegen der oft belastenden
Körperhaltung – und bei Arbeitslosen – wegen des psy-
chischen Drucks, dem sie ausgesetzt sind.

Die Art und Weise, wie wir arbeiten und leben, macht
immer mehr Menschen krank. Wer auf knallharte Kon-
kurrenz, maximale Arbeitsverdichtung und 24-Stun-
den-Flexibilität setzt, der überfordert jeden Menschen
und jedes Gesundheitssystem. Darum sage ich: Wenn es
uns gelingen würde, unsere Arbeits- und Lebenswelt so-
lidarischer und gerechter zu gestalten, dann könnten wir
auch die Krankheitskosten rapide senken, und ich denke,
das ist das Gebot der Stunde.


(Beifall bei der LINKEN – Jens Spahn [CDU/ CSU]: War das im Sozialismus so?)


Allerdings gibt es – das wissen wir alle aus leidvoller
Erfahrung – natürlich auch viele Unternehmen auf dem
Gesundheitsmarkt, denen einen multimorbider Patient
lieber ist als ein gesunder Versicherter. Die Gesundheit
wird immer mehr zur Ware. Ich finde, das ist das Haupt-
problem in unserem Gesundheitssystem. Dieses Problem
wollen und müssen wir lösen.


(Beifall bei der LINKEN)


Dazu brauchen wir erstens eine solidarische Bürgerver-
sicherung, in die alle einzahlen müssen und dürfen, und
zweitens eine viel strengere Regulierung des Gesund-
heitsmarktes.

Damit bin ich auch schon beim Geld. Gerade an der
Gesundheitspolitik der Bundesregierung lässt sich leider
sehr gut zeigen, wie man mit kreativer Buchführung ei-
nen Bundeshaushalt scheinbar, aber eben nur scheinbar,
sanieren kann. Der Finanzminister und viele Kollegen
haben heute schon von der schwarzen Null gesprochen.
Herr Schäuble hat sich vorgenommen, ab 2015 ohne
neue Schulden auszukommen. Das wäre ein gutes Ziel,
wenn man dieses Ziel ehrlich angehen würde. Aber lei-
der wird getrickst, was das Zeug hält. Am Gesundheits-
etat kann man das besonders gut zeigen.

Wie passiert dieses Tricksen? Der Bundeshaushalt
wird entlastet, indem zum Beispiel der Zuschuss für den
Gesundheitsfonds für zwei Jahre um insgesamt 6 Mil-
liarden Euro willkürlich gekürzt wird. Der Zuschuss soll
dann ab 2017 wieder erhöht werden. Aber wer weiß
schon, was im Jahr 2017 sein wird und welche Regie-
rung dann im Amt sein wird. Die Probleme schön in die
Zukunft zu verschieben, hat mit Nachhaltigkeit wenig zu
tun.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das Institut für Weltwirtschaft aus Kiel hat prognosti-
ziert, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen in
diesem Jahr ein Defizit von 1,7 Milliarden Euro und im
nächsten Jahr von 6,1 Milliarden Euro haben werden.
Grund sind vor allen Dingen die immer schneller stei-
genden Kosten für das Krankengeld allein aufgrund der
demografischen Entwicklung.

Wir haben in der Debatte um den Einzelplan des
Ministeriums von Frau Hendricks viel über das altersge-
rechte Wohnen gehört. Aber natürlich muss auch bei den
Gesundheitskosten einkalkuliert werden, wie sich unsere
immer älter werdende Gesellschaft entwickelt. Die
Krankenkassen haben in dieser Situation leider nur eine
Möglichkeit, die Kürzung des Bundeszuschusses und die
steigenden Gesundheitskosten auszugleichen: Sie müs-
sen sich das Geld bei den Versicherten holen. Das ist
nicht in Ordnung, das ist sozial ungerecht, das lehnen
wir ab.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das ist falsch, was Sie da sagen!)


Auch wenn der Gesundheitsminister immer wieder
bestreitet, dass die Krankenkassenbeiträge steigen wer-
den: Es wird zwangsläufig dazu kommen. Dafür gibt es
nämlich eine einfache Rechnung: Die Kosten für das Ge-
sundheitssystem steigen schneller als die Löhne, die Ge-
hälter und die Renten. In den vergangenen zehn Jahren
sind die Einnahmen der Krankenkassen nur um 2 Pro-
zent jährlich gestiegen, die Ausgaben aber um 3,7 Pro-
zent. Deshalb stieg der Beitragssatz regelmäßig. Das
wird in Zukunft auch nicht anders sein, wenn sich in die-
sem Land nicht grundsätzlich etwas ändert. Ich finde,
gerade im Gesundheitssystem muss sich sehr viel grund-
sätzlich ändern.

Die Arbeitgeber sind von CDU und CSU aus der soli-
darischen Finanzierung entlassen worden, die SPD hat
damit offensichtlich keine Probleme. Nun sind wir in der
Situation, dass die Kostensteigerungen zu 100 Prozent
von den Versicherten getragen werden müssen. Das ist
besonders ungerecht; denn der Sozialausgleich, der eine
Deckelung vorsah, ist abgeschafft worden. Ich hätte
nicht gedacht, dass ich in diesem Haus die FDP einmal
positiv erwähnen muss. Aber dieser Sozialausgleich mit
Deckelung, also die Begrenzung der Zusatzbeiträge auf
2 Prozent des Einkommens, ist unter einem FDP-Ge-





Dr. Gesine Lötzsch


(A) (C)



(D)(B)

sundheitsminister eingeführt worden und unter einem
christdemokratischen Minister wieder abgeschafft wor-
den. Herr Gröhe, das war wirklich eine falsche Entschei-
dung von Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN – Heiko Schmelzle [CDU/CSU]: Dass die FDP das noch erleben darf!)


Was hier vorliegt, hat mit einer gerechten Gesund-
heitspolitik nichts zu tun. Wir könnten, wenn wir woll-
ten, die Gesundheitskosten insgesamt senken, wenn wir
in Deutschland – ich habe das schon einmal betont, ich
will es aber wiederholen – endlich eine solidarische Bür-
gerversicherung einführen würden. Viele sind dafür. Ich
finde, man muss dies nicht nur ansprechen, sondern
muss die Mehrheiten auch organisieren und dann hier im
Haus entsprechend abstimmen.

Die Kürzung des Bundeszuschusses wäre nicht erfor-
derlich, wenn wir in diesem Land endlich eine gerechte
Steuerpolitik durchsetzen würden. Ich sage Ihnen: Der
Koalitionsvertrag von Union und SPD enthält einen
Grundfehler, nämlich den, auf eine gerechte Steuerpoli-
tik zu verzichten. Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kol-
legen von der SPD, das ist ein Thema, das Sie in Ihren
Reihen, in Ihrer Partei noch einmal sehr gründlich disku-
tieren sollten. Denn es stand ja auch in Ihrem Wahlpro-
gramm: Nur mit einer gerechten Steuerpolitik kann man
dieses Land gerecht und sozial gestalten.

Meine Damen und Herren, kreative Buchführung ist
etwas, was man Systemen oder Leuten vorwirft, die gern
tricksen. Ich möchte nicht einem Haushalt zustimmen,
der vor allen Dingen von kreativer Buchführung lebt.
Die Linke wird den Einzelplan 15 ablehnen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804107800

Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist der

Kollege Helmut Heiderich, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1804107900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Verehrte Zuhörer! Während wir hier über Zahlen und
Strukturen debattieren, sind in unserem Land im Ge-
sundheitsbereich, im Pflegebereich, aber auch als pfle-
gende Angehörige Millionen Menschen im Einsatz, die
jeden Tag mehr leisten – jedenfalls viele von ihnen –, als
es ihre Pflicht ist. Ich glaube, in einer solchen Debatte ist
es auch einmal notwendig, darauf hinzuweisen, dass
diese Menschen unsere Anerkennung verdienen. Denn
hinter all den Projekten, über die wir hier debattieren,
stehen immer wieder Menschen, die das Ganze in unse-
rem System umsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn wir
unser Gesundheitssystem insgesamt betrachten, können
wir zu dem Ergebnis kommen, dass wir uns damit welt-
weit sehen lassen können. Auch dort, wo solche Verglei-
che durchgeführt werden – gerade aktuell wieder einer
vom Commonwealth Fund –, stellt sich heraus, dass wir
in vielen Punkten im Vorderfeld oder an der Spitze ste-
hen. Dies ist insbesondere dort der Fall, wo es darum
geht, dass jeder Mensch Zugang zur Gesundheitsversor-
gung hat und keine Hürden im Wege stehen. Das liegt,
glaube ich, ganz wesentlich daran, dass wir in Deutsch-
land noch immer ein sehr gut funktionierendes Hausarzt-
system haben.

Auf diesen Punkt will ich zu Beginn näher eingehen.
Wir haben ja gestern, sozusagen punktgenau, die Posi-
tionen des Sachverständigenrats vorgelegt bekommen,
und gerade zum Hausarztsystem wird dort einiges vorge-
schlagen. Ich halte die Forderung, dass wir einen Land-
ärztezuschlag einführen sollten, für sehr sinnvoll, und
ich glaube, unsere Fachpolitiker sind gut beraten, wenn
sie diese Frage in den nächsten Wochen und Monaten
einmal aufnehmen und darüber näher diskutieren. Die
Hausärzte sind in einer Situation – dies wird besonders
deutlich in den dünn besiedelten Gebieten –, die uns Ver-
anlassung geben sollte, sehr nachhaltig darüber nachzu-
denken, ob wir das System so beibehalten können und
wie wir es weiterentwickeln können.

Ich will Ihnen einmal als Beispiel ein paar Zahlen
nennen, die ich mir von meinem Landrat in meinem
Wahlkreis habe geben lassen. In diesem Landkreis gibt
es zurzeit 90 Hausärzte. Von diesen Hausärzten sind im
kommenden Jahr 22 älter als 65 Jahre. Das heißt, sie su-
chen nach einem Nachfolger.


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach einer Nachfolgerin!)


Wenn wir noch fünf Jahre weitergehen, 2020, dann sind
es bereits 41. Das heißt, knapp die Hälfte derer, die heute
aktiv sind, brauchen dann einen Nachfolger.

Ich glaube, dass wir, wenn wir jetzt darüber reden,
junge Mediziner stärker in die Richtung der Allgemein-
medizin, der Hausarztversorgung zu bringen, einen zeit-
lichen Vorlauf von mehreren Jahren, von vier, fünf,
sechs Jahren, einzukalkulieren haben. Wenn wir also
heute damit beginnen, dann beziehen wir uns auf eine
Situation in fünf Jahren und sind damit schon beim Jahr
2020. Deswegen muss an dieser Stelle an den positiven
Beschlüssen, die wir in den letzten Jahren in diesem Be-
reich schon umgesetzt haben, möglichst weiter ange-
knüpft werden. Da haben wir schon eine ganze Menge
getan. Aber es zeigt sich, das reicht noch nicht. Deshalb
müssen wir da weiter vorangehen.

Meine Damen und Herren, mit diesem Haushalt pa-
cken wir in dieser Koalition eine ganze Reihe von neuen
strukturellen Veränderungen an. Ich will nur darauf hin-
weisen, dass wir beispielsweise in der Qualitätssiche-
rung einen deutlichen Schritt nach vorn machen. Wir
finanzieren ein neues Institut der Qualitätssicherung.
Wir wollen damit die Versorgungsqualität in diesem Be-
reich deutlich verbessern. Ich glaube, mit dem Haushalt





Helmut Heiderich


(A) (C)



(D)(B)

und den damit im Zusammenhang stehenden gesetzli-
chen Beschlüssen setzen wir ein deutliches positives
Zeichen für die Zukunft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir setzen
einen weiteren Schwerpunkt im Bereich der Pflege, und
zwar auf verschiedene Weise. Wir haben das Amt des
Pflegebeauftragten mit einer eigenständigen Organisa-
tion und einer eigenständigen Position neu geschaffen.
Ich glaube, dass wir auf diese Weise die Situation der
von Pflege Betroffenen, aber auch der Beschäftigten im
Pflegebereich deutlich verbessert haben. Damit haben
die Betroffenen eine neue, starke Stimme. Damit setzen
wir in diesem Haushalt einen Schwerpunkt für die Zu-
kunft, der sich insgesamt sehen lassen kann.

Wir sorgen weiterhin dafür, dass mit neuen und zu-
sätzlichen Mitteln im Haushalt die Unabhängige Patien-
tenberatung weitergeführt und vor allen Dingen ausge-
weitet werden kann. Auch diesen Bereich stärken wir
mit den von uns zur Verfügung gestellten finanziellen
Mitteln weiter und leisten damit auch insgesamt für die
Zukunft Vorsorge.

Wir haben des Weiteren im Rahmen des Bericht-
erstattergespräches und in den Verhandlungen mit dem
Hause möglich machen können, dass durch Umschich-
tungen von Finanzmitteln die HIV-Stiftung zusätzliche
Haushaltsmittel bekommt. Es werden 10 Millionen Euro
zusätzlich in den Haushalt eingestellt. Damit können wir
die HIV-Stiftung für die nächsten Jahre absichern.


(Beifall im ganzen Hause)


Das heißt aber nicht, dass wir damit die Verursacher
aus der Verantwortung entlassen. Auch diejenigen in der
Industrie und in den Unternehmen, die damals mitver-
antwortlich waren, müssen weiter ihre Beiträge leisten,
damit wir die HIV-Stiftung auch nach Ende dieser Legis-
laturperiode über 2017 hinaus sichern können.

Wir haben mit diesem neuen Haushalt auch die Ab-
sicht und sind bereits in der Vorbereitung, ein Präven-
tionsgesetz zu entwickeln und damit einen Bereich der
Medizin zu verbessern, der bisher immer noch sehr we-
nig beachtet wird. Denn wir wissen alle, dass es Krank-
heitsentwicklungen gibt, die wir durch Prävention ver-
hindern oder zumindest einschränken könnten. Dafür
brauchen wir entsprechende Programme und Projekte.

Wir haben kürzlich im Rahmen der Plattform für Be-
wegung und Ernährung, die seit einigen Jahren Projekte
von verschiedenen Trägern anbietet, eine Konferenz
durchgeführt. Wir kennen seit vielen Jahren Präventions-
bewegungen, zum Beispiel den Trimm Trab, den es frü-
her gab. Auf der Konferenz ist deutlich gemacht worden,
dass wir den Bereich der Prävention weiter verstärken
müssen, um den Kostenanstieg im Gesundheitswesen,
den die Frau Kollegin eben angesprochen hat, auch von
dieser Seite aus anzugehen.

Wir alle wissen: Die wirtschaftliche Leistung gemes-
sen am BIP erhöht sich je nachdem, wie sich die wirt-
schaftliche Situation entwickelt, etwa um 2 Prozent-
punkte pro Jahr. Die Gesundheitsausgaben – Sie haben
es gesagt – sind stärker gestiegen. Deswegen müssen wir
von zwei verschiedenen Seiten an diese Aufgabe heran-
gehen.

Wir müssen uns auf der einen Seite bemühen, die
Kostensteigerung im Gesundheitswesen zu beschränken.
Das kann auch durch eine stärkere Prävention gesche-
hen. Wir müssen auf der anderen Seite die gesellschaftli-
che Debatte führen, dass wir mit dem Anstieg der Wirt-
schaftskraft in Deutschland in Zukunft mehr Geld für
den Bereich Gesundheit und Pflege brauchen werden,
weil sich die Gesellschaft verändert.

Für beide Wege müssen wir, sowohl die Haushälter
als auch die Fachpolitiker, miteinander streiten, damit
wir die Zukunft des Gesundheitswesens und der Pflege-
versicherung in Deutschland entsprechend sichern.

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu dem Vor-
wurf machen, die Finanzierung der Bundesregierung im
Gesundheitswesen sei nicht sachgerecht, um es vorsich-
tig zu beschreiben. Ich bitte, zu bedenken, dass die mo-
mentanen Rücklagen in Höhe von rund 30 Milliarden
Euro so hoch wie nie zuvor in der Geschichte der Kran-
ken- und Pflegeversicherung sind. Auch das muss er-
wähnt werden, wenn es um die Finanzierung geht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will auch daran erinnern, dass die Bundesregierung
in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die fehlenden Mittel
im Gesundheitsfonds aufgesattelt hat. Nun werden diese
Mittel wieder abgebaut, da wir in einer wirtschaftlich
prosperierenden Phase sind. Man kann der Bundesregie-
rung nicht vorhalten, dass dies nicht ordnungsgemäß ist.

Mit dem vorliegenden Haushalt zum Gesundheitswe-
sen packen wir eine Reihe struktureller Veränderungen
für die Zukunft an. Wir gehen einige Probleme an, die
sich in den letzten Jahren gezeigt haben. Wir werden zu
Lösungen kommen – da bin ich mir sicher –, die für die
Bürger und die Beteiligten im Gesundheitswesen eine
Verbesserung gegenüber dem heutigen Stand darstellen.
Deswegen sollten Sie dem Haushalt zustimmen. Er stellt
eine Verbesserung für die Zukunft dar.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804108000

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin

Ekin Deligöz, Bündnis 90/Die Grünen.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804108100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn man die Debatte über den Gesundheitsetat ver-
folgt, stellt man auf den ersten Blick fest, dass sehr viel
Einigkeit herrscht. Niemand kann ernsthaft gegen
Krebsforschung oder die Förderung der Kindergesund-
heit sein; das gilt auch für viele andere Projekte. Wenn
ich aber genauer hinschaue, fallen mir vor allem zwei
große Baustellen auf, auf die ich näher eingehen will,
Herr Minister.





Ekin Deligöz


(A) (C)



(D)(B)

Die erste Baustelle ist das, was Sie zum Schluss Ihrer
Rede angesprochen haben, Herr Heiderich, nämlich der
Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds. Was ist das ei-
gentliche Problem? Sie schaffen kein Vertrauen. Im Ge-
genteil: Es wurde bereits siebenmal in den Gesundheits-
fonds eingegriffen. Mit jeder Kürzung provozieren Sie
Beitragssatzsteigerungen. Diese Steigerungen werden al-
leine von den Arbeitnehmern getragen; das ist das Pro-
blem. Die Arbeitgeber sind dank Ihrer Gesetze fein raus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn Sie in der Anhörung genau zugehört haben,
dann wissen Sie, dass alle Experten, auch diejenigen, die
Sie eingeladen hatten, darauf hingewiesen haben: Es
sind zwei kommunizierende Röhren. Wenn Sie an der ei-
nen Stelle kürzen, dann wird an anderer Stelle Geld feh-
len, und die Beiträge werden steigen.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das stimmt ja nicht! Sie haben bis heute den Fonds nicht verstan den!)


Die ersten Krankenkassen haben bereits darauf hinge-
wiesen, dass sie knapp bei Kasse sind und rote Zahlen
schreiben, und haben angekündigt, die Versicherungs-
nehmer stärker finanziell zu beteiligen. Das ist doch das
Problem, über das wir reden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Sie tun so, als wäre der Zuschuss des Bundes zum Ge-
sundheitsfonds eine große Gefälligkeitsleistung. Das ist
er aber nicht. Der Bund sagt: Wir übernehmen Kosten
und solidarisieren uns. – Es geht um Leistungen, die der
Solidarität der gesamten Gesellschaft bedürfen, zum
Beispiel bei der Kindererziehung, der Schwangerschaft,
in der Elternzeit und während der Mutterschaft. Der
Bundeszuschuss wird gewährt, weil es sich um gesamt-
gesellschaftliche Aufgaben handelt, und nicht, weil Sie
so großzügig, lieb und nett sind. Dieser Zuschuss erfüllt
eine bestimmte Funktion. Würden Sie sich zu dieser
Funktion bekennen, könnten Sie nicht willkürlich in die
Kasse greifen. Aber genau das tun Sie. Sie nehmen das
Geld der Versicherungsnehmer und konsolidieren damit
Ihren Haushalt. Sie stopfen damit die Löcher. Eigentlich
müsste man sagen: Schämen Sie sich dafür, dass Sie das
überhaupt machen und diese Gelder so falsch verwen-
den!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Wenn Sie wirklich den Willen hätten, den Haushalt zu
konsolidieren, hätten Sie sich unsere Vorschläge zu ei-
gen gemacht. Warum bauen Sie nicht die ökologisch
schädlichen Subventionen ab? Dann würden Sie auch et-
was für die Gesundheit in diesem Land tun. Oder: Wa-
rum sind Sie nicht mutiger bei der Abgeltungsteuer? Wa-
rum wird Einkommen aus Erwerbstätigkeit eigentlich
anders besteuert als Einnahmen aus Kapital? Entspre-
chende Änderungen hier würden mit der Aufwertung der
menschlichen Arbeit einhergehen. Ideen also, wie sich
der Haushalt konsolidieren ließe, gibt es in ausreichen-
dem Maße. Sie müssen nicht in den Haushalt des Ge-
sundheitsministeriums eingreifen, dessen Mittel ohnehin
sehr knapp bemessen sind. Ich bin auf der Seite des
Ministers,


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist schon mal gut!)


der seinen Etat verteidigt und verhindern will, dass seine
Mittel so missbraucht werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch wir Grünen sind für eine Bürgerversicherung,
gerade weil wir an die Gesamtsolidarität glauben. Jeder
sollte einzahlen. Die Versicherten sollten nicht eine be-
stimmte Gruppe sein und quasi unter sich bleiben, wäh-
rend sich andere herauskaufen können. Eine Bürgerver-
sicherung würde die Finanzierungsbasis erweitern und
vor allem für mehr Nachhaltigkeit in einer sich demogra-
fisch verändernden Gesellschaft sorgen.

Das wird doch die größte Herausforderung sein, vor der
wir in diesem System stehen werden.

Jetzt komme ich zur zweiten Baustelle: zum Pflege-
begriff. Sie machen einige Schritte in die richtige Rich-
tung. Teile dieses Leistungsgesetzes werden wir wahr-
scheinlich unterstützen. Sie gehen aber nicht an den
Pflegebegriff heran. Die Verlierer werden die Demenz-
kranken sein. Die Verlierer werden genau die Menschen
sein, um die wir uns sorgen wollen.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


Sie können sich darüber aufregen, so viel Sie wollen.
Der erste Sozialverband hat bereits eine Klage angekün-
digt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde, wir sollten uns an dieser Stelle nicht vom Bun-
desverfassungsgericht treiben lassen, sondern von der
Vernunft und einer guten Politik. Da reicht es eben nicht,
wenn Sie hier stöhnen. Tun Sie etwas dagegen, nehmen
Sie das in die Hand! Machen Sie eine Strukturreform!
Wagen Sie einmal etwas!

Sie aber wollen einen Pflegefonds schaffen. Was pas-
siert denn mit einem Pflegefonds? Kurzfristig senken Sie
die Beiträge, langfristig haben Sie ein Budget, in das Sie
wieder willkürlich hineingreifen werden, um Versicher-
tenmittel zu missbrauchen. Unter dem Strich ändern Sie
aber nichts an der Qualität der Pflege; genau das ist doch
der Schwachpunkt. Wir müssen die Qualität der Pflege
verbessern, und wir dürfen nicht einfach passiv sein und
Schattenhaushalte schaffen. Gehen Sie an den Pflegebe-
griff heran, aber richtig, und machen Sie eine Pflegere-
form, die diesen Namen verdient, Herr Minister.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben im Rahmen des Berichterstattergesprächs
das wichtige Thema Hebammen besprochen. Auch da
reicht es nicht, passiv zu bleiben. Wir haben inzwischen
im Zusammenhang mit den Haftpflichtprämien, die die
Hebammen zahlen müssen, genug Argumente für eine





Ekin Deligöz


(A) (C)



(D)(B)

Regressbeschränkung oder einen Haftungsfonds. Wir
haben geprüft, Sie haben geprüft, es liegen einige Vor-
schläge auf dem Tisch. Es ist jetzt an der Zeit, zu han-
deln. Sie, Herr Gröhe, als Minister und ich als Haushäl-
terin, aber auch als Mutter zweier Kinder, wir waren uns
einig: Jede schwangere Frau hat einen Anspruch auf eine
Hebammenbetreuung. Die ersten schwangeren Frauen
bekommen aber jetzt zu hören: Hol dir bloß keine Heb-
amme; die gibt es bald nicht mehr.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Wie weit sind wir denn gekommen?


(Zuruf von der CDU/CSU: Eine Unterstellung!)


Wie weit sind wir gekommen, dass Sie schwangere
Frauen im Stich lassen und diese sich nicht mehr darauf
verlassen können, wirklich eine Hebamme zu bekom-
men?


(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt wird es wirklich peinlich!)


– Nein, es wird nicht peinlich. Mich wundert nicht, dass
aus diesen Reihen genau diese Reaktion kommt. Etwas
anderes hätte ich nicht verstanden. Wo waren Sie denn,
als die Hebammen im Petitionsausschuss waren? Wo
sind Sie denn, wenn sie auf die Straße gehen? Beschäfti-
gen Sie sich einmal mit diesem Thema, und grölen Sie
hier nicht herum!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


So viel Ignoranz auf einem Haufen versammelt habe ich,
ehrlich gesagt, selten im Parlament erlebt.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist doch falsch, was Sie sagen!)


Mich wundert es übrigens auch nicht, dass die Kolle-
ginnen und Kollegen der SPD jetzt in der Großen Koali-
tion ganz still sind; denn es gibt auch so etwas wie
Fremdschämen in diesem Haus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es gibt noch einen Punkt, den ich erwähnen will, Herr
Minister. Wir haben vorgeschlagen, 35 Millionen Euro
mehr für die Weltgesundheitsorganisation einzustellen.
Das ist nicht viel Geld, aber es ist Geld für eine wichtige
Sache. Da geht es nicht nur um die ODA-Quote, sondern
die WHO leidet unter der schlechten Planbarkeit und
mangelnder Finanzierung. Es geht um den Kampf gegen
Polio und Tuberkulose. Ich fände es sehr gut, wenn sich
Ihr Haus an diesem großen Projekt, bei dem es um eine
gemeinsame Verantwortung geht, mit einem freiwilligen
Beitrag Deutschlands an die WHO beteiligen würde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt einige Dinge, die wir ausdrücklich unterstüt-
zen; auch das will ich erwähnen. Dazu gehört die HIV-
Stiftung. Wir Grüne sind dabei, weil wir der Meinung
sind, dass das richtig angelegte Mittel sind. Es ist gut,
dass wir dafür eine Lösung gefunden haben. Wir sind
übrigens auch dabei, wenn es um die Kürzung des
Pflege-Bahrs geht. Ich wünschte mir ganz ehrlich – das
habe ich Ihnen auch schon gesagt – etwas mehr. Das
funktioniert nicht, das läuft schief, das wird nicht in An-
spruch genommen. Sie wollen damit das Pflegerisiko
privatisieren. Das ist ein falscher Ansatz, und das, was
nicht funktioniert, kann man genauso gut streichen. Das
Geld kann man an anderer Stelle viel sinnvoller ausge-
ben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde es auch sehr gut, dass Sie im Bereich der
Kindergesundheit Mittel eingestellt haben, weil auch die
aktuelle KiGGS-Studie zeigt, dass wir in diesem Bereich
sehr sensibel sein müssen und dass auch hier Kinderar-
mut eine Rolle spielt. Das ist zwar eine erschreckende
Erkenntnis, aber eine wahre Erkenntnis. Wir müssen in
diesem Bereich aktiver werden.

Herr Minister, ich wünsche Ihnen viel Mut, die not-
wendigen Grundsatzdebatten anzugehen und sich von
Ihren Kollegen nicht entmutigen zu lassen.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Notfalls kann er ja die grüne Mehrheit in Anspruch nehmen!)


Ich wünsche mir, dass ich die gleiche Rede demnächst
nicht wieder halten muss.

Herr Minister, unsere Unterstützung hätten Sie.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804108200

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion erhält jetzt das

Wort Petra Hinz.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Hinz (SPD):
Rede ID: ID1804108300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Zum Thema Fremdschämen sage ich jetzt ein-
mal nichts; denn jeder muss für sich selbst bewerten, wer
sich für wen zu schämen hat.

Ich möchte denen, die uns jetzt zuhören, schon sehr
deutlich machen: Wir befinden uns gerade in der ab-
schließenden Beratung des Einzelplans des Bundes-
ministeriums für Gesundheit. Es geht hier nicht darum,
wer populistisch möglichst viele Themen abarbeiten und
dadurch möglicherweise sogar noch Verwirrung stiften
kann. Wenn es uns gemeinsam wirklich um die Men-
schen geht, die pflegebedürftig sind, um die Kinder und
um all die Punkte, die gerade angesprochen worden sind,
dann sollten gerade wir Haushälter mit Fakten argumen-
tieren; alles andere machen unsere Fachkolleginnen und
Fachkollegen in den Ausschüssen.

Ich habe meine Rede zur Einbringung dieses Einzel-
plans mit einem Zitat beendet. Dieses Zitat möchte ich
gerne aufgreifen:

Wir sollten alles für die Gesundheit tun. Wir haben
ja sonst nichts zu tun.





Petra Hinz (Essen)



(A) (C)



(D)(B)

Seit dem 10. April haben wir, die Haushälterinnen
und Haushälter, in der Tat gemeinsam mit den Fachkol-
leginnen und Fachkollegen über unterschiedliche The-
men beraten, etwa über den Pflegebereich. Was die Per-
sonalsituation im Ministerium angeht, haben wir
erfahren – das haben wir gerade schon gehört –, dass es
einen neuen Staatssekretär gibt. Wir haben über Quer-
schnittsaufgaben, über internationale Zusammenarbeit,
über die HIV-Stiftung, über Hebammen und auch über
Kindergesundheit gesprochen.

Gerade als Haushälterin möchte ich erst einmal ein
paar Eckdaten des Haushaltes nennen. Dieser Einzelplan
umfasst insgesamt 11 Milliarden Euro. Es ist ein sehr
großer Haushalt; er hat am Gesamthaushalt einen Anteil
von rund 3,7 Prozent. Die Zahl, auf die es ankommt, ist
die, über deren Verwendung wir entscheiden: 78,6 Mil-
lionen Euro, großzügig betrachtet 80 Millionen Euro.
Über diese Summe reden wir jetzt gerade. Wir diskutie-
ren über Prioritäten und überlegen, wie wir dieses Geld
vernünftig ausgeben können.

Wie in allen anderen Etats auch gibt es in diesem Ein-
zelplan Absenkungen. Zum Beispiel werden die Mittel
für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit um 10 Prozent ge-
senkt. Ich denke, die noch zur Verfügung stehenden Mit-
tel reichen absolut aus; denn dieses Haushaltsjahr um-
fasst nur noch ein halbes Jahr. Auch das muss deutlich
gesagt werden: Es geht nicht um die Mittel für ein gan-
zes Haushaltsjahr. Insofern wird diese Absenkung unse-
rem Minister kein bisschen wehtun.

Darüber hinaus haben wir für das Ministerium wei-
tere fünf Stellen beschlossen, zwei zur Unterstützung der
Reformprozesse in Griechenland. Dabei geht es um die
Umsetzung unserer Erfahrungen mit unserem Gesund-
heitssystem. Man überlegt sich, inwieweit man das Beste
von unserem Gesundheitssystem übernehmen will. Da-
rüber hinaus ist eine Stelle beschlossen, um den WHO-
Reformprozess nachhaltig und konstruktiv zu unterstüt-
zen. Außerdem ist eine Stelle zur Verbesserung der me-
dizinischen Versorgung in strukturschwachen Gebieten
und im ländlichen Raum beschlossen. Das Ganze klingt
zwar ein bisschen technokratisch, aber es gehört zur
Haushaltsberatung dazu.

Jetzt möchte ich auf den Punkt Absenkung des Bun-
deszuschusses an den Gesundheitsfonds zu sprechen
kommen. Ich habe der gesamten Debatte über den Ein-
zelplan 08, Bundesministerium der Finanzen, sehr auf-
merksam zugehört. Gegenstand der Diskussion war im-
mer wieder die Frage, ob wir Steuern erhöhen oder
Steuern senken sollen. Wir reden nicht über einzelne
Wahlprogramme – dieses Thema ist seit dem 22. Sep-
tember 2013 durch –, sondern wir reden über einen ge-
meinsam beschlossenen Koalitionsvertrag.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Darin sind Eckpunkte unserer Politik beschrieben. Was
nach dem September 2017 gemacht wird, ist eine andere
Sache. Wir haben gemeinsame Ziele, und die setzen wir
auch um.
Im Hinblick auf den Gesundheitsfonds wird immer
wieder behauptet – auch hier heute Morgen –, wir plün-
derten die Rentenkassen und wir plünderten den Ge-
sundheitsfonds. Bei der Einbringung dieses Haushalts
hat mein Kollege Lauterbach den Gesundheitsfonds
noch einmal erklärt. Wenn auch ich es jetzt machen
würde, würden Sie von der Opposition seine Berechti-
gung sicherlich ebenfalls wieder abstreiten. Daher ver-
weise ich einfach einmal auf die öffentliche Anhörung
zum Haushaltsbegleitgesetz 2014. Der Vertreter des Bun-
desrechnungshofs, Dr. Elles, hat gesagt – ich zitiere –:

Dass der Bund zulasten der Versicherten konsoli-
diere, ist nicht unsere Auffassung. Auch unser Be-
richt lässt nicht einmal ansatzweise eine solche
Aussage durchscheinen; denn das entspricht nicht
unserer Analyse des Gesetzesvorhabens.

Das war vom Bundesrechnungshof. Dazu könnte man
eventuell noch sagen: „Geschenkt!“, aber das trifft so
nicht zu.

Professor Dr. Klaus-Dirk Henke von der Technischen
Universität Berlin hat ausgeführt:

In den 30 Jahren, in denen ich das System be-
obachte, hat es angesichts der vorhandenen Über-
schüsse bei den 130 GKVen und im Gesundheits-
fonds noch nie eine so opulente Finanzlage gegeben
wie derzeit.

Er hat auch über das Thema der versicherungsfrem-
den Leistungen gesprochen. Aber das müssen dann die
Fachkolleginnen und Fachkollegen diskutieren. Es gibt
andere Länder, die dazu eine klarere Festlegung haben
als wir.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Ich maße mir nicht an, das zu bewerten. Ich bin Haushäl-
terin. Das machen dann unsere Fachkolleginnen und
Fachkollegen.

Ich kann noch jemanden zitieren, und zwar den Pro-
fessor Dr. Ulrich von der Universität Bayreuth:

Die Funktionalität des Fonds ist nicht beeinträch-
tigt. Das kann schon deshalb nicht sein, weil der
Gesundheitsfonds dann nicht einen Euro weniger
hat.

Da ist nämlich die Frage: Wie setzt sich der Gesund-
heitsfonds insgesamt zusammen?

Wir halten fest: Wegen der Absenkung des Bundeszu-
schusses in diesem Haushaltsjahr wird weder ein Beitrag
erhöht noch ein Beitrag gesenkt. Wir haben eine klare
Zielrichtung. Wir haben gesagt – darauf vertraue ich ein-
fach einmal –, dass danach wieder mehr Mittel für den
Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds bereitgestellt
werden.

Über Pflege und Pflegebedürftigkeit haben wir im
Rahmen der Haushaltsberatungen gesprochen. Da haben
wir Wort gehalten. Für das, was in den ersten Schritten
auf den Weg gebracht werden muss, stellen wir auch die
entsprechenden Mittel bereit. Es ist gerade schon ange-





Petra Hinz (Essen)



(A) (C)



(D)(B)

sprochen worden, dass wir nun statt eines Beauftragten
einen Staatssekretär mit entsprechendem Personal ha-
ben.

Inhalte. Es wird dringend Zeit, dass der Staatssekretär
sich mit den Haushältern einmal zusammensetzt, um
seine Vorschläge vorzustellen. Ich denke, das war bei
den Haushaltsberatungen in der Kürze der zur Verfügung
stehenden Zeit einfach nicht möglich.

Fazit. Im Haushalt spiegelt sich unsere Prioritätenset-
zung auf den Bereich Pflege deutlich wider. Wir werden
die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbessern. Das
ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Für die Verbesserung der Pflege stehen allein in unse-
rem Haushalt – ich komme gleich noch darauf, warum
ich sage „in unserem Haushalt“ – 5,4 Millionen Euro zur
Verfügung.

Für die neue Pflegekampagne sind 3 Millionen Euro
vorgesehen.

Das Thema Demenz ist sehr qualifiziert mit den Fach-
kolleginnen und Fachkollegen der Fraktionen bespro-
chen worden. Es wird einiges auf den Weg gebracht. Ich
teile auch in diesem Fall nicht Ihre Auffassung.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat die SPD bisher aber immer getan!)


Jetzt komme ich zu dem Punkt Querschnittsaufgaben,
Maßnahmen, Finanzen. Da ist meine Erfahrung: Das ist
ein spannendes Ministerium. Es gibt herausragende The-
men. Davon sind alle Generationen betroffen. Große He-
rausforderungen, große Themen und große Aufgaben
stehen vor uns. Dazu gebe ich den Kolleginnen und Kol-
legen den Hinweis: Querschnittsaufgaben im Bereich
Pflege und Gesundheit werden auch bei der Kollegin
Schwesig im Familienministerium wahrgenommen. Zu
nennen sind hier weiter die Fachkräfteoffensive im
Pflege- und Sozialbereich, die Stärkung der Rolle der
Kommunen in der Pflege – auch das ist ein ganz wichti-
ges Thema, wenn wir die Stärkung der Kommunen wol-
len –, die medizinische Rehabilitation, Entgeltersatzleis-
tungen für Arbeitsuchende und insbesondere für befristet
beschäftigte Schwangere, Leistungsverbesserungen für
demenziell Erkrankte, Schnittstellen zum Bereich Bil-
dung und Forschung. Das sind die Themen, die wir im
Rahmen der Haushaltsberatungen benannt und analysiert
haben. Sie müssen jetzt natürlich noch im Fachausschuss
inhaltlich beraten werden.

Eines möchte ich noch hervorheben, und zwar den
Bereich der Kindergesundheit. In diesem Haushalt wird
diese Leerstelle wieder mit Geld gefüllt, mit 500 000
Euro. In vielen Bereichen – das ist schon angesprochen
worden – geht es um den Gesundheitszustand insgesamt.
Hier sollten wir in der Tat bei den Jüngsten anfangen. Im
Haushalt 2014 stehen also 500 000 Euro für unterschied-
liche Projekte zur Verfügung.

Gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung. Da
gibt es zwölf weitere Maßnahmen. Für Aufklärung zur
Organspende stellen wir 7,5 Millionen Euro ein, für die
Aufklärungskampagne zur Steigerung der Durchimp-
fung 3 Millionen Euro und für die Kampagne zur Ge-
sundheit von Kindern und Jugendlichen 2,1 Millionen
Euro.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt komme ich
noch einmal zum Thema Organspende. Die Aufstockung
der Mittel für die Aufklärung zur Organspende geschieht
vor dem Hintergrund, dass in dem Bereich unverant-
wortlich gehandelt wurde. Es sind nicht alle Ärzte und
schon gar nicht alle Krankenhäuser betroffen, aber schon
die einzelnen Fälle, die Verhaltensweisen einzelner Ver-
waltungschefs haben möglicherweise dazu geführt, dass
die Menschen den Organspendeausweis zwar ausfüllen,
aber das Kreuz nicht an der richtigen Stelle machen. In-
sofern haben wir wie folgt entschieden: Um gerade die-
sem Missstand, diesem Missbrauch und diesen Fehlent-
scheidungen, die da getroffen worden sind – es ist ein
Skandal; ich nenne es auch so –, zu begegnen, wollen
wir die Mittel für die Kampagne aufstocken und in der
Bevölkerung noch einmal dafür werben, dass wieder in
stärkerem Maße Organspendebereitschaft erklärt wird.


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Frage der Kontrolle und Transparenz!)


Jetzt spreche ich die Haftung an; unabgestimmt, aber
in anderen Bereichen reden wir auch über Haftungsfra-
gen. Wenn der einzelne Arzt oder einzelne Krankenhaus-
leitungen so unverantwortlich handeln, muss man
darüber nachdenken, ob in diesem Fall die gesamtgesell-
schaftliche Haftung greift. Es kann nicht sein, dass wir
noch einmal so viel Geld investieren, um solche Dinge
auszumerzen.

Über die Bekämpfung von Aids haben wir schon ge-
sprochen. Frau Professor Pott von der Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung hat uns in den Gesprä-
chen noch einmal sehr deutlich gemacht, wie wichtig im
Bereich Aids die Aufklärung ist. Die Infektionszahlen
gehen zwar zurück, aber trotzdem muss in diesem Be-
reich eine ganze Menge investiert werden. Bei den
Drogen ist es ähnlich. Es entstehen immer wieder neue
Drogen, gerade in Grenzregionen. Wir werden auf das
Thema eingehen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Stiftung „Huma-
nitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Perso-
nen“. Wenn wir Haushälter nicht so darauf gedrungen
hätten, dass bereits im Haushalt 2014 wieder Gelder be-
reitgestellt werden, dann wäre dieser Titel nicht mehr
aufgetaucht. Es kann einfach nicht sein, von Haushalts-
jahr zu Haushaltsjahr Mittel einzustellen, sondern es
muss eine gesellschaftspolitische Verpflichtung sein, ein
ganz klares Ja zu sagen. Die 400 Betroffenen, die zurzeit
noch leben, müssen sich auf unsere Aussage verlassen
können. Wir haben 10 Millionen Euro in den Haushalt
eingestellt. Aber die fortfolgenden Jahre nach 2017 müs-
sen angegangen werden. Daran müssen wir arbeiten.

Zum Thema Hebammen. Für mich ist wichtig, dass
die Frauen, die werdenden Mütter, die Familien, die Vä-
ter, die Eltern entscheiden können, welche Hebamme sie
wollen. Ich möchte als Politikerin kein Bindeglied zwi-
schen Arzt, Krankenkassen, Versicherungen und der





Petra Hinz (Essen)



(A) (C)



(D)(B)

Hebamme sein. Ich möchte politisch entscheiden. Das
heißt, ich möchte den betroffenen Frauen die Möglich-
keit geben, sich für eine Hebamme entscheiden zu kön-
nen.

Ich bedanke mich bei allen ganz herzlich, den Mitbe-
richterstatterinnen und Mitberichterstattern, bei allen,
die dazu beigetragen haben, dass wir für 2014 einen gu-
ten und runden Haushalt eingebracht haben. Insbeson-
dere bedanke ich mich bei meinem Kollegen Herrn
Blienert und meiner Kollegin Hilde Mattheis.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804108400

Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich

bin normalerweise sehr großzügig, aber ich werde im
weiteren Verlauf der Debatte stark auf die Einhaltung der
Zeit achten müssen; denn wir haben Sondersitzungen der
Fraktionen vereinbart. Sonst verschiebt sich alles nach
hinten.

Nächster Redner in der Debatte ist für die Bundesre-
gierung der Minister Hermann Gröhe.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Hermann Gröhe (CDU):
Rede ID: ID1804108500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst darf auch ich mich herzlich bedanken bei der
Kollegin Hauptberichterstatterin, bei den Mitberichter-
stattern für den engagierten Einsatz rund um den Etat des
Einzelplans 15, beim Haushaltsausschuss insgesamt für
die konstruktive Zusammenarbeit in den letzten Wochen.
Ich glaube, es ist uns gemeinsam gelungen, einen Haus-
haltsplan aufzustellen, der seinen Beitrag dazu leistet,
dass wir auch für die Zukunft eine qualitativ hochwer-
tige Gesundheitsversorgung für die Menschen in unse-
rem Land sichern.

Es freut einen natürlich besonders, wenn sogar die
Opposition sagt: Wir wollen den Minister unterstützen.
Ich danke dafür, bitte aber auch, sich in öffentlicher De-
batte von Haushaltsklarheit und -wahrheit leiten zu las-
sen. Ich werde mir erlauben, zu den Bereichen Bundes-
zuschuss und Kassenbeiträge, Pflege und Hebammen
das eine oder andere anzumerken, damit der von der
Opposition betriebenen Legendenbildung rechtzeitig wi-
dersprochen wird.

Meine Damen, meine Herren, ich beginne mit dem
Thema Beitragssatz, Beitragsentwicklung, Lage in der
gesetzlichen Krankenversicherung, Bundeszuschuss. Ja,
es ist so: Die gesetzliche Krankenversicherung ist gut fi-
nanziert. Sie hat im vergangenen Jahr deutliche Über-
schüsse erzielt. Sie verfügt über hohe Rücklagen:
13,6 Milliarden Euro in der Liquiditätsreserve des Ge-
sundheitsfonds und in den Kassen insgesamt noch ein-
mal über 17 Milliarden Euro. Wann hat es dies zuletzt
gegeben? Kollegin Hinz hat entsprechende Stellungnah-
men zitiert.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Wir leis-
ten aus der Liquiditätsreserve einen Beitrag zur Haus-
haltskonsolidierung; das ist wahr. Aber es bleibt unver-
ändert bei 14 Milliarden Euro, die aus Steuermitteln
bzw. aus dem Bundeszuschuss für versicherungsfremde
Leistungen bereitgestellt werden. Es ist falsch, dass des-
wegen Krankenbehandlungen nicht finanziert werden
könnten oder deswegen irgendein Beitragssatz erhöht
würde; das entspricht nicht der Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen genauer hinsehen!)


Wahr ist, dass wir die prall gefüllte Liquiditätsreserve
nutzen, um durch eine wachstumsorientierte Haushalts-
konsolidierung unsererseits einen Beitrag zu sicheren
Arbeitsplätzen zu leisten, die notwendige Grundlage ei-
nes solidarischen Gesundheitswesens sind. Wir haben
sehr deutlich gesagt: Wir wissen, dass die Alterung der
Gesellschaft und der medizinische bzw. medizinisch-
technische Fortschritt zu eher steigenden Gesundheits-
ausgaben führen werden. Deshalb haben wir bereits im
Haushaltsbegleitgesetz festgelegt, dass der Bundeszu-
schuss wieder auf 14 Milliarden Euro bzw. auf dann
14,5 Milliarden Euro erhöht werden muss.

Es ist falsch, jetzt in irgendeiner Weise Panik zu ma-
chen; das sage ich auch angesichts mancher Kassandra-
rufe aus der letzte Woche rund um das Thema Beiträge.
Tatsache ist, dass der in Zeiten rot-grüner Bundesregie-
rung eingeführte gesetzliche Zusatzbeitrag von 0,9 Bei-
tragssatzpunkten zukünftig entfällt. Stattdessen entschei-
den die einzelnen Kassen selber, in welcher Höhe sie
einen einkommensabhängigen Beitrag erheben. Bereits
im April haben sieben Krankenversicherungen mit mehr
als 9 Millionen Versicherten angekündigt, dass sie mit
einem individuellen Beitrag von weniger als 0,9 Prozent
auskommen werden. Der Wettbewerb wirkt also; darauf
habe ich bereits vor wenigen Wochen hier an dieser
Stelle hingewiesen. Ungeachtet der Beitragsdebatte der
letzten Woche hat just am Samstag die AOK PLUS, der
Marktführer in Sachsen und Thüringen mit 2 Millionen
Versicherten, erklärt, dass sie den Beitrag senken will.
Es zeigt sich: Der Wettbewerb greift.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie weisen in den Debatten zum Teil auf die Finanz-
zahlen des ersten Quartals hin. Das erste Quartal fällt in
Bezug auf die Beitragseinnahmen gewöhnlich etwas
schwächer aus als das vierte Quartal. Außerdem weist es
negative Zahlen in Höhe von 270 Millionen Euro auf.
Die Wahrheit ist aber eben auch, dass davon allein
240 Millionen Euro auf Prämienausschüttungen und
über 50 Millionen Euro auf freiwillige Leistungsverbes-
serungen entfallen. Die Krankenkassen handeln im
Sinne der Versicherten, wenn sie zu hohe Beiträge über
Prämien rückerstatten. Sie sind keine Sparkasse. Dieses
Verhalten liegt also im Interesse der Versicherten in un-
serem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)






Bundesminister Hermann Gröhe


(A) (C)



(D)(B)

Natürlich sind wir verpflichtet, erstens für faire Wett-
bewerbsbedingungen zu sorgen – das tun wir, beispiels-
weise beim Risikostrukturausgleich – und zweitens den
Ausgabenanstieg im Blick zu behalten. Eine der ersten
Aktivitäten dieser Bundesregierung im Bereich der Ge-
sundheitspolitik war es, durch das 14. SGB-V-Änderungs-
gesetz den Preisstopp für Arzneimittel zu verlängern und
den Herstellerrabatt auf 7 Prozent festzuschreiben. Das
erspart der gesetzlichen Krankenversicherung 650 Mil-
lionen Euro im Jahr.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt, dass die schwarz-gelbe Politik schlecht war!)


Das heißt, unsere Politik setzt auf Wettbewerb, auf Qua-
lität – das neue Qualitätsinstitut ist genannt worden –
und auf Wirtschaftlichkeit. Genau das ist der Dreiklang,
mit dem wir gute Strukturen für die Versicherten in die-
sem Land erreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: SchwarzGelb hat versagt!)


Uns ist es wichtig, dass es dabei bleibt: Die Menschen
können sich, wo auch immer sie leben und wie prall ihr
Geldbeutel gefüllt ist oder eben auch nicht, darauf ver-
lassen, dass sie eine gute Versorgung bekommen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wie lange noch?)


Deswegen ist die ausreichende Versorgung mit Hausärz-
ten so ein wichtiger Punkt auf der Agenda der Bundesre-
gierung. Wir haben die Hausarztverträge bereits gestärkt
und werden im Sommer an Maßnahmen aus der letzten
Legislaturperiode anknüpfen und weitere Anreize für die
Niederlassung im ländlichen Raum schaffen. Deswegen
werden wir natürlich die Vorschläge des Sachverständi-
genrats, der am 30. September 2014 im Rahmen einer
fachöffentlichen Veranstaltung hier in Berlin tagt, inten-
siv diskutieren. Uns ist wichtig, dass auch weiterhin gilt,
dass es gerade in einer älter werdenden Gesellschaft, in
der immer häufiger Mehrfacherkrankungen vorkommen,
eine gute, auch die Sektoren überschreitende, integrierte
Versorgung gibt.

Wir haben da mit Einführung der spezialfachärztli-
chen Versorgung, die Ambulantes und Stationäres zu-
sammenführt, bereits Wichtiges getan. Der Innovations-
fonds wird künftig mit 300 Millionen Euro im Jahr
ausgestattet. Genau solche innovativen sektorübergrei-
fenden Versorgungsformen sollen besonders gefördert
werden, damit wir der veränderten Lage bei den Erkran-
kungen in unserem Land in angemessener Weise Rech-
nung tragen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir waren schon einmal viel weiter!)


Dazu gehört für mich auch – hier sehe ich gesetzgebe-
rischen Handlungsbedarf – eine verstärkte Nutzung der
Möglichkeiten der Telemedizin. Hier eröffnen sich viele
Möglichkeiten. Ich habe vor kurzem mit einem Schlag-
anfallpatienten gesprochen, dessen Herzschrittmacher
die entsprechenden Daten permanent an die überwa-
chende Arztpraxis überträgt, die dann die Möglichkeit
hat, Vorhofflimmern im Anbeginn, noch bevor Schwie-
rigkeiten überhaupt spürbar sind, zu entdecken und die
Medikation darauf einzustellen. Wir müssen bei der Nut-
zung dieser Formen moderner Medizin vorankommen.
Da gab es zu lange Streit. Wir werden da jetzt wirklich
Gas geben, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dann möchte ich etwas zum Thema Pflege sagen. Mit
welch leichter Hand hier so getan wird, als ob da nichts
geschähe! Das entspricht nun wirklich nicht der Wahr-
heit.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geschieht das Falsche!)


Wir werden das Leistungsvolumen der parititätisch fi-
nanzierten Pflegeversicherung in dieser Legislaturpe-
riode um am Ende insgesamt 5 Milliarden Euro pro Jahr,
also um mehr als 20 Prozent erhöhen, und wir beginnen
damit zum 1. Januar nächsten Jahres. Frau Deligöz, aus-
gerechnet die Dementen, von denen Sie gerade behaup-
tet haben, wir ließen sie im Stich, profitieren wesentlich
von den Leistungsverbesserungen. Denn beispielsweise
machen wir ab dem 1. Januar 2015 Kurzzeitpflege, Ver-
hinderungspflege und all die Dinge, die bisher überhaupt
erst ab Zuerkennung der Pflegestufe 1 zur Verfügung
standen, allen Angehörigen von Pflegebedürftigen der
Pflegestufe 0 zugänglich, die in der Familie häufig sehr
stark gefordert sind. Es hätte sich gehört, diese Leis-
tungsverbesserungen für Demente und ihre Angehörigen
hier zu erwähnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Natürlich handeln wir in Bezug auf den neuen Pflege-
bedürftigkeitsbegriff – gar keine Frage. Auch da wird
Tempo gemacht: Zeitgleich mit dem Kabinettsbeschluss
zum ersten Pflegestärkungsgesetz, zu den Leistungsver-
besserungen zum 1. Januar nächsten Jahres, haben wir
einen flächendeckenden Versuch zur Bewertung des
neuen Begutachtungsverfahrens gestartet. Der Experten-
beirat zur konkreten Ausgestaltung des neuen Pflegebe-
dürftigkeitsbegriffs hat eine solche Erprobungsphase
ausdrücklich verlangt. Wir führen sie durch. Wir haben
gesagt: Das muss zügig geschehen. In diesem Sommer
finden 4 000 Begutachtungen parallel nach altem und
neuem Begutachtungsverfahren statt. Wir werden die Er-
gebnisse im vierten Quartal auswerten und zu Beginn
des neuen Jahres zum Gegenstand der Erarbeitung des
zweiten Pflegestärkungsgesetzes machen. Also wird
auch bei der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeits-
begriffs Tempo gemacht.

Dann haben Sie die Hebammensituation angespro-
chen. Das war ein bisschen viel Demo und ein bisschen
wenig Sachkenntnis.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich kann nur eines sagen: Ich habe diesem Haus am
29. April den Bericht der interministeriellen Arbeits-





Bundesminister Hermann Gröhe


(A) (C)



(D)(B)

gruppe „Versorgung mit Hebammenhilfe“ zugeleitet und
die Vorstellung am 30. April mit konkreten Vorschlägen
zur Qualitätssicherung, zum Sicherstellungszuschlag
und zur Datenlage verbunden. Der Bundestag hat in der
ersten Juniwoche entsprechende Beschlüsse gefasst. We-
nige Wochen nachdem ich die Vorschläge unterbreitet
habe – drei Sitzungswochen später –, sind sie in diesem
Haus per Gesetz beschlossen worden. Das ist zügiges
Handeln. Es bleibt Weiteres zu tun. Da geben wir Gas;
da brauchen wir keine Ermahnungen. Wir sind da auf ei-
nem guten Weg. Die Menschen in unserem Land, vor al-
lem die Hebammen, können sich auf unsere Unterstüt-
zung verlassen.

Meine Damen, meine Herren, ich danke für Ihre Auf-
merksamkeit und für die Mitarbeit am Haushalt. Ich bitte
Sie um Zustimmung.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804108600

Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke spricht

jetzt der Kollege Harald Weinberg.


(Beifall bei der LINKEN)



Harald Weinberg (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804108700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Eigentlich will ich zu unseren Änderungsanträgen reden.
Dennoch will ich kurz auf Dinge eingehen, die Herr
Heiderich, Frau Hinz und Herr Minister Gröhe gesagt
haben.

Herr Heiderich, in dem Augenblick, in dem Sie aus-
gesprochen haben, dass es im Gesundheitsfonds und bei
den Kassen eine Rücklage von 30 Milliarden Euro gebe,
ist diese Rücklage wieder um einige Millionen abge-
schmolzen; das muss man sehen. Im Jahr werden insge-
samt 195 Milliarden Euro an Versicherungsbeiträgen so-
zusagen verteilt; das sind pro Tag gut 0,5 Milliarden
Euro. Wir haben die Situation, dass inzwischen etliche
Krankenkassen im operativen Geschäft, also im Jahres-
vergleich, rote Zahlen schreiben, das heißt, dass sie auf
ihre Rücklagen zurückgreifen müssen.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)


Frau Hinz, zu den Rücklagen im Gesundheitsfonds.
Der Bundesrechnungshof hat in seiner Stellungnahme
etwas anderes gesagt. Er hat unter anderem ausgeführt,
dass 2015 die Situation eintreten kann, dass die im Ge-
sundheitsfonds enthaltene Mindestreserve, die etwa bei
9 Milliarden Euro liegt, unterschritten wird und dass
man dann logischerweise entweder die Beiträge erhöhen
muss – was man nicht tun wird – oder aber die Zuwei-
sungen an die Krankenkassen vermindern muss.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist völliger Quatsch! Sie haben das Problem nicht verstanden!)


Das bedeutet, dass die Krankenkassen wiederum ihre
Rücklagen aufbrauchen, was dazu führt, dass die Zusatz-
beiträge relativ schnell eingeführt werden könnten.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ein Seminar zum Gesundheitsfonds!)


Jetzt möchte ich auf unsere Änderungsanträge einge-
hen. Zum ersten Änderungsantrag zum Thema Kranken-
hausinvestitionen. Bei der Krankenhausfinanzierung ist
es derzeit alleinige Aufgabe der Länder, für Gebäude,
Großgeräte und Instandhaltung zu sorgen. Die Länder
kommen dieser Aufgabe aber nur noch schlecht nach.
1991 zahlten sie dafür 3,6 Milliarden, jetzt etwa 2,6 Mil-
liarden Euro. Das entspricht, wenn man die Inflations-
rate berücksichtigt, gegenüber 1991 einer Halbierung.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Brandenburg ist bestimmt vorn!)


Es ist bereits abzusehen, dass die Situation eher noch
schlechter als besser werden wird; denn bis Ende dieses
Jahrzehnts treten auch noch die Schuldenbremsen der
Länder in Kraft.

Das Ganze erhöht im Übrigen auch noch den Privati-
sierungsdruck, vor allen Dingen bei kleineren öffentlich-
rechtlichen und frei-gemeinnützigen Krankenhäusern in
der Fläche, weil es denen kaum möglich ist, Investitio-
nen über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Insofern geht
es uns mit dem vorliegenden Änderungsantrag auch da-
rum, der absehbaren nächsten Übernahmewelle durch
große Klinikkonzerne entgegenzutreten.

Die Sicherstellung der stationären Versorgung muss
aus unserer Sicht eine öffentliche Aufgabe bleiben.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb wollen wir, dass der Bund 2,5 Milliarden Euro
für Krankenhausinvestitionen dazugibt. Für jeden Euro,
den die Bundesländer zusätzlich investieren, soll der
Bund 1 Euro drauflegen. Anders ist aus unserer Sicht der
Investitionsstau, der inzwischen auf 50 Milliarden Euro
geschätzt wird, nicht zu stemmen.

Weder können veraltete bzw. fehlende Geräte, unzeit-
gemäße, unpraktische und unhygienische Bauten die Zu-
kunftsvision vieler Krankenhäuser sein, noch darf der
Verkauf an Klinikkonzerne der letzte Ausweg für die
Krankenhausträger sein. Wir fordern das ja inzwischen
seit mehreren Wahlperioden. „Steter Tropfen höhlt den
Stein“, heißt das Sprichwort. Auch der gesundheitspoli-
tische Sprecher der Union hat vor kurzem über die Betei-
ligung des Bundes an den Krankenhausinvestitionen ge-
sprochen.

Die Koalitionsdisziplin wird Union und SPD heute si-
cherlich wieder dazu bewegen, unseren Änderungsan-
trag mit ihrer Mehrheit wegzustimmen, aber ich bin zu-
versichtlich, dass unsere Idee bald umgesetzt werden
wird. Anders geht es nämlich nicht mehr. Auch die Län-
der sollten das einsehen, weil sonst die staatliche Kran-
kenhausplanung insgesamt auf der Kippe steht und von
einer Finanzierung durch die Krankenkassen abgelöst
werden wird. Wer wie wir will, dass die Krankenhaus-
planung eine öffentliche und politische Aufgabe bleibt,
kann das nicht wollen.


(Beifall bei der LINKEN)






Harald Weinberg


(A) (C)



(D)(B)

Zum zweiten Änderungsantrag, in dem es um nicht-
kommerzielle Pharmaforschung geht. Bei der Erfor-
schung neuer Arzneimittel gibt es ein Problem, und zwar
ein grundsätzliches, das wir dringend lösen müssen, weil
die kommerzielle Pharmaindustrie es nicht lösen kann.
Ein Pharmaunternehmen erforscht neue Wirkstoffe nicht
in erster Linie, weil es Kranken damit helfen kann – si-
cher auch –, sondern es hat, wie jedes Unternehmen, ein
Interesse: Profitabilität.

Wenn aber klar ist, dass mit einem an sich sinnvollen
Medikament kein Gewinn zu machen ist, dann wird auch
nicht weiter geforscht. Das ist so bei Medikamenten, die
gegen seltene Erkrankungen helfen, die also nur eine
kleine Absatzgruppe, einen kleinen Markt, haben. Das
ist auch der Fall bei armutsassoziierten Krankheiten wie
Malaria, Wurmkrankheiten oder Denguefieber. Zigmilli-
onenfach treten diese Krankheiten auf, Millionen Men-
schen sterben jedes Jahr daran, aber geforscht wird we-
nig. Deshalb fordern wir jährlich eine halbe Milliarde
Euro für die nichtkommerzielle Erforschung der Medi-
kamente gegen diese Krankheiten.

Die kleinen Ansätze, die es bisher gibt, etwa die För-
dermaßnahmen des Forschungsministeriums mit gut
5 Millionen Euro, reichen bei weitem nicht aus. Ich
möchte darauf hinweisen – sonst könnte man jetzt sagen,
das ist wieder eine sozialistische Marotte von uns –: Die
USA haben bereits 2009 1,5 Milliarden Dollar öffentli-
che Gelder in die Erforschung vernachlässigter Krank-
heiten gesteckt. Das ist das 200-Fache von dem, was die
Bundesregierung derzeit plant. Mit unserer Forderung
könnten wir uns also auf Augenhöhe mit den USA bewe-
gen.


(Beifall bei der LINKEN)


Thema Drogenforschung. Die Bundesregierung will
die Mittel für Modellmaßnahmen und Forschungsvorha-
ben zum Drogenmissbrauch um 500 000 Euro auf
2,9 Millionen Euro senken. Das halten wir für falsch.
Wir fordern, diese Kürzung rückgängig zu machen. Es
gibt großen Forschungsbedarf, vor allem was die Wirk-
samkeit der bestehenden Illegalisierung des Drogenkon-
sums angeht. Viele namhafte Experten gehen davon aus,
dass das heutige Drogenstrafrecht mehr schadet als
nutzt. Wir fordern Sie auf: Lassen Sie uns diese ideolo-
gieverblendete Diskussion endlich auf eine sachliche
Grundlage stellen und wissenschaftlich erforschen, ob
eine Legalisierung und Regulierung von Drogen und ih-
res Konsums hilfreicher sein könnten als eine moralisch
verbrämte Verbotspolitik.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Änderungsantrag zum Drug-Checking betrifft
ebenfalls das Thema Drogen. Wir fordern 400 000 Euro
für die Erforschung von Drug-Checking. Worum geht es
dabei? Das ist vergleichbar mit dem bayerischen Rein-
heitsgebot bei der Droge Nummer eins, dem Bier.


(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Jetzt reicht es aber! Kulturgut, Herr Kollege!)

Drug-Checking bedeutet, dorthin zu gehen, wo viele
Menschen Drogen konsumieren, und ihnen vor Ort einen
Test anzubieten, um festzustellen, wie rein bzw. wie ver-
unreinigt die entsprechenden Drogen sind.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804108800

Herr Kollege Weinberg, denken Sie bitte an die Zeit.


Harald Weinberg (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804108900

Ich komme gleich zum Schluss. – Das hat mehrere

Vorteile: So können Schädigungen durch Verunreinigun-
gen verhindert werden, man kann Daten über die Quali-
tät der jeweiligen Drogen erheben, und man hat die Ge-
legenheit, die Konsumentinnen und Konsumenten über
die Substanzen zu informieren. In Österreich, den Nie-
derlanden und der Schweiz hat man damit gute Erfah-
rungen gesammelt.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804109000

Herr Kollege Weinberg!


Harald Weinberg (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804109100

Ich denke, all diese Themen sind wichtig und müssen

auch von Ihnen behandelt werden. Ich befürchte, Sie
werden unsere Änderungsanträge nicht mit beschließen.
Die Themen können Sie aber nicht vom Tisch wischen.
Sie werden uns erhalten bleiben und weiter beschäftigen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804109200

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege

Burkhard Blienert, SPD.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Burkhard Blienert (SPD):
Rede ID: ID1804109300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ein-
zelplan, den wir jetzt beraten, ist gemessen am Gesamt-
haushalt mit rund 11 Milliarden Euro eher ein kleinerer
Einzelplan. Bekanntermaßen sind von diesen 11 Milliar-
den Euro – das wurde heute schon mehrfach gesagt –
10,5 Milliarden Euro durch den Bundeszuschuss an den
Gesundheitsfonds festgelegt. Den restlichen Haushalts-
mitteln von 500 Millionen Euro stehen die Milliarden
gegenüber, die im gesamten Gesundheitssystem bewegt
werden und den Gesamteindruck prägen. Laut GKV
summierten sich die Ausgaben der gesetzlichen Kran-
kenversicherung 2012 auf 173 Milliarden Euro. Das ist
natürlich noch nicht alles. Das bestimmt meistens die öf-
fentliche Debatte über die Gesundheitsversorgung in
Deutschland, so auch heute in unserer Haushaltsdebatte.
Auch wenn der Anteil des Einzelplans 15 – abgesehen
vom Zuschuss – eher gering ist, sind die Wirkungen ins-
gesamt nicht kleinzureden, da wichtige Projekte dadurch
an- und durchfinanziert werden können.

Mit dem Haushalt 2014, der aufgrund des fortge-
schrittenen Jahres jedoch nur noch begrenzte Wirkung
entfalten wird, stellen wir die Weichen für die kommen-





Burkhard Blienert


(A) (C)



(D)(B)

den Jahre. Davon abgesehen besteht natürlich noch viel
Reformbedarf im Bereich des Gesundheitswesens. Die-
sen Herausforderungen haben wir uns als Koalition ge-
stellt – ich möchte Beispiele nennen –: Wir waren es, die
das Preismoratorium für Arzneimittel noch im Dezem-
ber 2013 bis 2017 verlängert haben.


(Beifall der Abg. Petra Hinz [Essen] [SPD] – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Was wir schon im Juni gefordert haben!)


Wir waren es, die das Instrument der unsozialen Kopf-
pauschalen abgeschafft haben. Das ist Politik nach dem
Motto: „Gesagt. Getan. Gerecht.“ Das ist Ausdruck einer
verlässlichen und gerechten Gesundheitspolitik.


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr hättet es ja gerne schnell gemacht, mit schweren Fehlern! Das hat die Opposition noch gerettet!)


Nun zu den anstehenden Herausforderungen. Die Ko-
alition arbeitet ihre gesundheitspolitische Agenda Punkt
für Punkt weiter ab, ohne dabei die Zahlen insgesamt aus
den Augen zu verlieren. Wir beschließen daher Maßnah-
men, die solide gerechnet und finanziert sind. Wir schie-
ben die Reformen an, die den Bürgerinnen und Bürgern
ein Leben mit einer bestmöglichen Gesundheitsversor-
gung und -vorsorge ermöglichen.

Damit bin ich bei den beiden Punkten, die in den
nächsten Monaten anstehen: Pflege und Prävention. An
dieser Stelle kommt der Bundeshaushalt des BMG ins
Spiel. Im Pflegebereich stehen uns große gesellschaftli-
che Herausforderungen bevor. Wir setzen uns mit einem
Teil dieser Probleme auseinander und stellen in dieser
Legislaturperiode in zwei Stufen insgesamt 6 Milliar-
den Euro für die Pflegekassen zusätzlich zur Verfügung.

Bis 2030 gehen Experten zusätzlich von 1 Million
Hilfebedürftiger aus. Der Anteil der demenziell Erkrank-
ten wird dementsprechend ansteigen, und der steigende
Anteil der professionellen Pflege wird mit einem sich er-
höhenden Personalbedarf einhergehen. Es gibt noch
viele weitere Herausforderungen, die jeder anschaulich
beobachten kann, der vor Ort in ambulanten und statio-
nären Pflegeeinrichtungen unterwegs ist.

Im Bereich der Pflege haben wir jetzt 3 Millionen
Euro für eine Pflegekampagne eingestellt. Ich glaube,
das ist auch dringend notwendig, um weiter Aufklärung
und Information zu betreiben.


(Beifall bei der SPD)


Mit diesem Geld können Programmmaßnahmen finan-
ziert werden, und es kann die Einführung des neuen
Pflegebedürftigkeitsbegriffs realisiert werden. Zudem
können Fachkampagnen durchgeführt werden, um für
die Pflegeberufe zu werben und deren Attraktivität zu
steigern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch im Bereich der
Prävention gilt es, ähnlich dicke Bretter zu bohren. Prä-
vention muss als Querschnittsaufgabe begriffen werden.
Arbeitsschutz und geschlechtsspezifische Krankheits-
symptome müssen verstärkt in den Fokus der Gesund-
heitspolitik gerückt werden. Das Präventionsgesetz, wel-
ches wir uns für die Legislaturperiode vorgenommen
haben, wird hierzu Antworten finden und Regelungen
vorsehen.

Prävention braucht aber auch Mittelerhöhungen für
Gesundheitsförderung bzw. für die Arbeit der Bundes-
zentrale für gesundheitliche Aufklärung. Daher werden
auch hier über 43 Millionen Euro für den Bereich Prä-
vention und Aufklärungsarbeit aufgebracht. Allein für
den Bereich Drogen- und Suchtmittelmissbrauch stehen
über 12 Millionen Euro zur Verfügung. Im Bereich HIV/
Aids stehen über 13 Millionen Euro zur Verfügung.
Auch hier gibt es ein deutliches Plus.

Aus meiner Sicht ist es besonders erfreulich, dass die
BZgA insgesamt 4 Millionen Euro mehr als 2013 be-
kommt und somit ihre wichtige Aufklärungsarbeit fort-
führen kann.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben es geschafft, einen weiteren wichtigen Akzent
zu setzen. Den möchte ich nochmals in Erinnerung ru-
fen: 10 Millionen Euro mehr zur Sicherung der HIV-
Aids-Stiftung sind im Haushalt aufgrund der parlamen-
tarischen Beratungen in den Ausschüssen verankert wor-
den. Das ist ein großer Fortschritt.

Es ist kein großes Geheimnis, dass wir Sozialdemo-
kratinnen und Sozialdemokraten an manchen Stellen
weitergehende Reformvorstellungen im Gesundheitsbe-
reich haben. Wir werden diese auch nicht aufgeben. Es
ist aber nun einmal unsere Aufgabe, das Realisierbare
anzugehen und umzusetzen.

Wir Sozialdemokraten haben an unterschiedlichen
Stellen Kürzungen des schwarz-gelben Haushaltsent-
wurfs rückgängig gemacht. Schwerpunkte haben wir auf
die Bereiche „Prävention“ und „Pflege“ gelegt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Der Haushalt 2014 sichert den Fortbestand von Maß-
nahmen und Projekten zur Suchtaufklärung und Drogen-
beratung. Er sichert die Aufklärungsarbeit der BZgA.
Mit dem neuen Titel zur Pflegekampagne geben wir eine
Antwort auf den demografischen Wandel und stärken
den gesamten Pflegebereich.

Auch die Beschlüsse über den Zuschuss für den Ge-
sundheitsfonds sind verantwortbar, auch wenn in den
Jahren 2014 und 2015 der befristete Bundeszuschuss
sinkt und erst wieder ab 2016 sein Ausgangsniveau er-
reichen wird. Im Jahr 2017 wird er auf jährlich 14,5 Mil-
liarden Euro steigen. Er ist also schwankend. Angesichts
der Rücklagen ist dieses aber vertretbar. So ergeben sich
nicht zwingend Auswirkungen auf die Beitragshöhe der
Beitragszahlerinnen und -zahler. Die Aussagen der Ex-
perten bei der öffentlichen Anhörung hierzu haben dies
deutlich klargestellt.

Natürlich bleiben immer Fragen offen – wie eben die
Bewertung der versicherungsfremden Leistungen. Das
ist ein Problem, das wir an dieser Stelle aber nicht lösen
können, sondern das müssen wir als Aufgabe mitnehmen
und im Ausschuss beraten.





Burkhard Blienert


(A) (C)



(D)(B)

Die Koalition handelt, ihre Maßnahmen wirken. Die
Opposition täte gut daran, die richtigen Weichenstellun-
gen an der Stelle mitzutragen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804109400

Kordula Schulz-Asche von Bündnis 90/Die Grünen

ist die nächste Rednerin.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch
ohne Hellseherin zu sein, ist mir völlig klar, dass mit die-
ser schwarz-roten Regierung die wachsenden Probleme
im deutschen Gesundheitswesen nicht annähernd gelöst
werden. Die Große Koalition bietet keine Vision, wie die
Gesundheitsversorgung in Zukunft aussehen soll und
wie diese solidarisch finanziert werden kann. Demogra-
fischer Wandel und Fachkräftemangel seien hier bei-
spielhaft erwähnt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Stattdessen doktert Schwarz-Rot an einzelnen Stell-
schrauben eines zunehmend maroden Systems herum.
Zwar werden mit Minimalkompromissen einzelne
Punkte aus dem Koalitionsvertrag abgearbeitet, jedoch
bleibt es die nächsten Jahre bei der ungerechten und un-
sinnigen Trennung von gesetzlicher und privater Kran-
kenversicherung. Es bleibt dabei, dass die gesetzlich
Versicherten die absehbaren Kostensteigerungen alleine
tragen müssen. Es bleibt dabei, dass die Über- und Un-
terversorgung sowie die Fehlanreize weiter existieren.
Es bleibt dabei, dass wichtige Vorhaben auf den Sankt-
Nimmerleins-Tag verschoben werden, wie die Einfüh-
rung des neuen Pflegebegriffs, eine Krankenhausreform
oder das Präventionsgesetz. Diese Koalition verschleppt
alle Reformen, die den Patienten und ihren Angehörigen,
den Versicherten und den Bürgerinnen und Bürgern zu-
gutekommen würden. Es bleibt bei notdürftigen Repara-
turen in der Krankenversorgung. Von einer modernen
Gesundheitspolitik ist diese Regierung meilenweit ent-
fernt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich das an einem Beispiel verdeutlichen.
Schwarz-Rot hat sich ins Stammbuch, also in den Koali-
tionsvertrag, folgenden Satz geschrieben:

Wir werden noch 2014 ein Präventionsgesetz ver-
abschieden, das insbesondere die Prävention und
Gesundheitsförderung in Lebenswelten wie Kita,
Schule, Betrieb und Pflegeheim und die betriebli-
che Gesundheitsförderung stärkt und alle Sozialver-
sicherungsträger einbezieht.

Im März versprach Staatssekretärin Fischbach, dass
im Frühsommer 2014 – das ist ungefähr jetzt – Eck-
punkte für ein Präventionsgesetz vorgelegt würden.
Letzte Woche haben wir erfahren, Herr Minister Gröhe,
dass der Starttermin für das Präventionsgesetz auf Januar
2015 verschoben wurde. Herr Heiderich hat hier so ge-
tan, als wäre das Präventionsgesetz schon da. Sie, Herr
Minister Gröhe, haben in Ihrer Rede erstaunlicherweise
überhaupt keinen Ton dazu gesagt. Was ist denn da jetzt
die Fortsetzung?


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Die Legislaturperiode hat vier Jahre! Man kann nicht alles in sechs Monaten machen!)


Herr Minister, Sie haben gesagt: Wir geben Gas. –
Aber das, was Sie beim Präventionsgesetz machen, erin-
nert mich eher an einen Eierlauf mit Hindernissen. Nach
wie vor streiten sich Union und SPD über die wesentli-
chen Inhalte dieses Gesetzes. Inwieweit sollen die Län-
der und Kommunen für Prävention zuständig sein? Wel-
cher Stellenwert soll auf Lebenswelten bezogenen
Aktivitäten eingeräumt werden? Wie kann eine vernünf-
tige und nachhaltige Finanzierung aussehen? Warum, so
fragt man sich, übernimmt man nicht entsprechende Ge-
setzentwürfe aus der rot-grünen Regierungszeit, Ent-
schließungen des Bundesrates oder Anträge der Opposi-
tion, darunter übrigens auch einige der SPD, aus der
letzten Wahlperiode?


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Die haben es offensichtlich nicht bis zum Abschluss geschafft!)


Was ist eigentlich das Problem?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Für uns Grüne steht nach wie vor fest: Wir brauchen
ein Präventionsgesetz, das an den Problemen der Men-
schen und ihren Lebenswelten ansetzt, das die Kompe-
tenzen der Menschen und ihre Beteiligung an der Gestal-
tung ihrer Umwelt stärkt sowie endlich einen Beitrag
zum Abbau sozial bedingter Ungleichheit von Gesund-
heitschancen leistet. Deshalb erneuern wir Grüne heute
unseren Appell: Die Zukunft der Prävention und der Ge-
sundheitsförderung kann nur gemeinsam mit den Bürge-
rinnen und Bürgern in den Kommunen gestaltet werden.
Dafür braucht es aber Mut für einen Paradigmenwech-
sel. Dieser ist bei Ihnen, bei dieser Großen Koalition,
bisher leider nicht zu erkennen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804109500

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Jens

Spahn, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1804109600

Frau Präsidentin! Irgendwie schaffen Sie es ja immer,

den Gesundheitsdebatten vorzusitzen. Ich weiß nicht, ob
das in Reminiszenz an alte Zeiten ist,


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie weiß wenigstens, worum es geht!)


aber wir freuen uns sehr darüber.






(A) (C)



(D)(B)


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804109700

Alles Zufall oder irgendwelche dunklen Mächte.


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1804109800

Ich glaube, jede Gesundheitsdebatte dieser Legisla-

turperiode war bisher von Ihnen präsidiert. Es freut uns
natürlich sehr, dass Sie uns dabei begleiten.

Frau Kollegin, Sie haben gerade gesagt, Ihnen ginge
das alles zu langsam.


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt! Ich fragte, ob überhaupt was geht!)


Ich glaube, Sie sollten einmal einen Strich unter die ers-
ten sechs Monate ziehen und sich ansehen, was wir in
der Gesundheitspolitik – übrigens in einer seltenen Ei-
nigkeit im Vergleich zu den letzten Legislaturperioden –
geschafft haben, umzusetzen. Das reicht von der Phar-
maspargesetzgebung, die schon erwähnt wurde, über
eine neue Systematik in der GKV-Finanzierung, die ei-
nerseits den Wettbewerb sicherstellt, gleichzeitig aber
auch eine jahrelange alte Auseinandersetzung, die es
hier im Haus gegeben hat, befriedet, bis hin zu dem, was
wir gerade zur Pflege vorliegen haben, und zu den Pla-
nungen zum Versorgungsgesetz und zum Präventionsge-
setz in der zweiten Jahreshälfte.


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieder ein neues Datum: zweite Jahreshälfte!)


Wenn man sich dies ansieht, kann man, glaube ich, mit
Fug und Recht sagen: Gesundheitspolitik ist zu Beginn
einer Legislaturperiode noch nie so inhaltstief, so kon-
struktiv und mit so vielen guten Ergebnissen in wenigen
Monaten gemacht worden, wie es in den letzten Mona-
ten gelungen ist. Es mag Ihnen schwerfallen, das anzuer-
kennen. Aber ich glaube, unter dem Strich kann man das
so sagen. Wir sind auch ein Stück weit stolz darauf, liebe
Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wenn man sich die Situation der gesetzlichen Kran-
kenversicherung anschaut, muss man sagen: Sie steht al-
len Unkenrufen zum Trotz gut da. Das hat in finanzieller
Hinsicht natürlich mit der guten wirtschaftlichen Ent-
wicklung zu tun; das gilt auch für die anderen sozialen
Sicherungssysteme und für den Bundeshaushalt. Es hat
aber auch damit zu tun – das vergisst der eine oder an-
dere –, dass wir in den Jahren 2010 und 2011 einen har-
ten Sparkurs gefahren haben, der den Beschäftigten im
Gesundheitswesen eine Menge abverlangt hat. Aber da-
durch ist es – im Verbund mit der guten wirtschaftlichen
Entwicklung – gelungen, von einem drohenden großen
Defizit im Jahr 2010 in eine Situation zu kommen, die
wir in den sozialen Sicherungssystemen über Jahrzehnte
nicht hatten: dass wir Überschüsse und Rücklagen zu
verzeichnen haben.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind alles Gelder der Versicherten!)

Rücklagen sind die beste Vorsorge für eine gute Versor-
gung in der Zukunft. Deswegen freue ich mich erst ein-
mal darüber, dass wir Rücklagen haben und dass die ge-
setzliche Krankenversicherung gut dasteht.


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat das denn bezahlt?)


Da hilft das Schlechtreden, das Sie gerade an den Tag
gelegt haben, nicht. Ich glaube, die Menschen spüren,
dass es der gesetzlichen Krankenversicherung gerade gut
geht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles Gelder der Versicherten!)


Das eröffnet im Übrigen die Möglichkeit, den Bun-
deszuschuss in diesem Jahr zu kürzen. Es macht doch
auch wenig Sinn, in der Liquiditätsreserve des Gesund-
heitsfonds weitere Rücklagen aufzubauen, die wir kaum
sinnvoll anlegen können, während gleichzeitig der Bun-
desminister der Finanzen Schulden machen müsste, um
den Bundeszuschuss zu finanzieren.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das eine zahlt der Versicherte, das andere zahlt der Steuerzahler!)


Es macht doch mehr Sinn, die Liquiditätsreserve in
dieser Situation ein Stück weit zu reduzieren, um in spä-
teren Jahren – das ist ja gelungen und im Bundeshaushalt
schon festgeschrieben – einen höheren Bundeszuschuss
zu haben. Das ist vernünftig; das wissen Sie. Sonst bitte
ich Sie – das gilt auch für Sie, Herr Weinberg –, sich
noch einmal intensiv mit den Mechanismen des Gesund-
heitsfonds auseinanderzusetzen. Die Höhe der Liquidi-
tätsreserve hat mit der Entwicklung der Beitragssätze
nichts zu tun. Es können in Anhörungen noch so viele
Sachverständige erzählen, was sie wollen; es wird da-
durch nicht richtiger. Die Liquiditätsreserve hat nichts
damit zu tun. Maßgeblich für die Höhe des Beitragssat-
zes ist ausschließlich die jährliche Entwicklung der Ein-
nahmen und Ausgaben. Bitte lernen Sie endlich, diese
Unterscheidung vorzunehmen! Denn das führt sonst zu
einer unnötigen Verwirrung in der öffentlichen Debatte,
oder es wird populistisch genutzt. Das macht es aber
auch nicht besser.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das wollen die doch! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal den § 221! Da steht drin, wofür das Geld da ist! Das ist keine Konjunkturspritze! Das gehört den Versicherten!)


Wir nutzen die gute finanzielle Situation, um den Ver-
sorgungsaspekt stärker in den Mittelpunkt zu rücken.
Natürlich interessieren sich viele Menschen für die
Frage: Wie wird die gesetzliche Krankenversicherung
finanziert? Aber mindestens genauso sehr beschäftigt die
allermeisten die Fragen: Habe ich eigentlich noch einen
Hausarzt vor Ort? Wie lange muss ich auf einen Fach-
arzttermin warten? Wie ist es um die Hygiene im Kran-





Jens Spahn


(A) (C)



(D)(B)

kenhaus bestellt? Was ist, wenn ich an einem Freitag-
nachmittag aus dem Krankenhaus entlassen werde, sich
aber niemand so recht darum gekümmert hat, wie es mit
der Medikation weitergeht oder ob eine häusliche Kran-
kenhilfe benötigt wird?


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, und was machen Sie in dem Bereich? – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War eigentlich die CDU die letzten vier Jahre nicht auch an der Regierung?)


Wir haben mit dem Versorgungsgesetz schon in der
letzten Legislatur wichtige Akzente gesetzt. Wir haben
auch im Koalitionsvertrag vereinbart – diese Debatte
wird nach der Verabschiedung des Finanzgesetzes
pünktlich nach der Sommerpause beginnen –: Wir wol-
len die Versorgungsthemen in den Mittelpunkt der ge-
sundheitspolitischen Debatte rücken. Dabei geht es um
die Fragen: Wie erleben Patienten den Versorgungs-
alltag? Wie können wir diesen ganz konkret verbessern?
Ich lade Sie herzlich ein, dabei konstruktiv mitzuma-
chen. Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme
der Welt.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie fackeln das jetzt gerade ab! Darum geht es doch!)


Ich glaube, auch das spüren die Menschen; nicht um-
sonst will jeder, der im Ausland erkrankt, so schnell wie
möglich zurück nach Deutschland. Aber auch im besten
Gesundheitssystem der Welt gibt es noch Verbesserungs-
bedarf.


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem dann, wenn man an die Zukunft denkt! Aber daran denken Sie ja nicht!)


Wir nutzen die gute finanzielle Lage, um das anzugehen
und den Patientenalltag konkret zu verbessern. Sie sind
herzlich eingeladen, dabei mitzumachen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Damit komme ich zu einem weiteren Punkt, nämlich
zu der Frage: Wie geht die finanzielle Entwicklung wei-
ter? Das eine Thema sind die Versorgungsthemen; dabei
geht es um die Patientensicht. Bei dem anderen Thema
geht es darum, dass wir absehen können – auch das ge-
hört zur Wahrheit dazu, ohne Zweifel –, dass die Ausga-
ben stetig stärker steigen als die Einnahmen; das ist
schon seit einigen Jahren so, wird durch die gute wirt-
schaftliche Entwicklung aber etwas überlagert. Deshalb
werden wir ab 2015/2016 natürlich wieder über stei-
gende Beitragssätze und im Zweifel auch über zu de-
ckende Defizite reden müssen. Da sollten wir uns nichts
vormachen; damit müssen wir umgehen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Und wer zahlt es?)


Kluge Politik nutzt die guten Zeiten, um über Struktu-
ren zu reden, damit man nicht wieder die klassischen
Spargesetze alter Art auf den Weg bringen muss. Mit
dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz haben wir
schon in der letzten Legislatur wichtige strukturelle Ver-
änderungen bei der Arzneimittelpreisfindung vorgenom-
men. Für Arzneimittel werden in Deutschland keine
Mondpreise mehr gezahlt; höhere Preise werden nur
noch für tatsächlich bessere Arzneimittel erstattet. Das
ist eine wichtige Strukturveränderung.

Jetzt muss es gelingen – es ist uns natürlich bewusst,
dass das unendlich viel schwerer ist, weil das noch ein-
mal ganz anders in die Versorgung eingreift –, dass Bund
und Länder über die Krankenhausstruktur in Deutsch-
land reden und die Fragen klären: Was ist für eine flä-
chendeckende Versorgung nötig? Was muss erreichbar
sein in der Fläche? Wie stellen wir das sicher? Und: Wie
ist die Abstufung – bis hin zur Universitätsmedizin – in
den gemeinsamen Verbünden: Wer muss was machen,
und was muss wie vorgehalten werden zusammen mit
den Ländern? Wir wissen, dass das eine große, eine
schwierige Debatte wird. Wir werden in den nächsten
Monaten sehen, wie weit es gelingen kann, sie grund-
sätzlich zu gestalten.

Eines ist jedenfalls sicher: Wer nicht irgendwann
Spargesetze klassischer Art machen will, muss jetzt be-
reit sein, grundsätzlich über die Strukturen der Gesund-
heitsversorgung zu reden, stationär wie ambulant sowie
im Zusammenspiel der beiden Systeme.


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen wir schon seit zehn Jahren! Hinter Ihnen sitzt der beste Beweis: Die Frau Vizepräsidentin hat doch auch schon davon gesprochen!)


Wir als Koalition sind jedenfalls bereit dazu. Wir laden
die Ländern herzlich ein, mit uns darüber zu reden. Wir
laden Sie ebenfalls dazu ein. Auch da arbeiten wir ganz
konkret: In der nächsten Woche wird die Runde mit den
Ländern zum zweiten Mal tagen. Auch da wäre es gut,
wenn weniger genörgelt würde und mehr konstruktiv
mitgemacht würde; das wäre, glaube ich, ein guter An-
satz.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Drehen Sie sich mal um! Seit wie vielen Jahren wird das diskutiert!)


Das bringt mich abschließend noch einmal konkret
zum Bundeshaushalt. Ich möchte zum Ersten ganz herz-
lich dafür danken, auch als Stiftungsratsvorsitzender der
Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-
infizierte Personen“, dass es – darauf ist schon hingewie-
sen worden – in den Haushaltsberatungen gelungen ist,
die 10 Millionen Euro, die wir brauchen, um die Stiftung
erst einmal bis 2017 zu finanzieren, tatsächlich sicherzu-
stellen.


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Glück!)


Gott sei Dank leben HIV-infizierte Menschen mittler-
weile länger, als man damals angenommen hat. Um die





Jens Spahn


(A) (C)



(D)(B)

Leistungen sicherzustellen, braucht es eine entspre-
chende Finanzierung. Jetzt sind wir alle gemeinsam ge-
fordert, für die Zeit nach 2017 gemeinsam mit den
Pharmaunternehmen und den Blutspendediensten und
den Ländern eine Anschlusslösung zu finden, damit wir
diese Stiftung dauerhaft finanzieren können. Auch da
möchte ich Sie alle herzlich einladen, mitzuwirken. Die
Debatte wird noch schwer genug. Aber ich bin sehr froh
und dankbar, dass es gelungen ist, erst einmal bis 2017
Sicherheit für die Betroffenen, die auf diese Renten an-
gewiesen sind, herzustellen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir alle einig!)


Das bringt mich abschließend noch einmal zu den
Linken. Es ist wie immer bei Ihnen: Im Himmel ist Jahr-
markt. Sie legen hier Anträge vor, die mal eben 3 Mil-
liarden Euro Mehrausgaben mit sich brächten. Keinen
einzigen Satz, nicht einmal einen Nebensatz, verschwen-
den Sie darauf, wie das finanziert werden soll.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!)


– Ich sehe in den beiden Anträgen, die Sie hier zur Ab-
stimmung vorgelegt haben, keinen einzigen Nebensatz
zur Finanzierung.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wider besseres Wissen reden Sie! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie sagen nicht die Wahrheit! – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Das sagen Sie jedes Mal! Jedes Mal stimmt es nicht!)


Sie fordern mal wieder, dass der Bund für die Länder
einspringt. Es ist ja auch bemerkenswert, dass Ihrer Mei-
nung nach der Bund ständig, immer wieder aufs Neue,
Landesaufgaben einfach übernehmen soll.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


Das ist natürlich die einfachste Lösung. Sie versprechen
mit wohlfeilen Worten zusätzliche Gelder – da nickt erst
mal jeder –, aber sagen am Ende nicht, wer das bezahlen
soll.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Tino Sorge [CDU/CSU]: Das ist kreative Buchführung!)


Das ist Haushaltspolitik, die in die Irre führt. Was nützt
es, vorzugaukeln, was man alles Schönes machen
könnte?

Wir machen solide Finanzpolitik in der gesetzlichen
Krankenversicherung, in der gesetzlichen Pflegeversi-
cherung und im Bundeshaushalt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir versprechen nicht mehr, als wir halten können; aber
das, was wir machen, machen wir dann auch gut. Das
unterscheidet uns deutlich von Ihnen. Das ist, glaube ich,
auch der Grund, warum wir hier regieren und Sie hier in
der Opposition sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804109900

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege

Dr. Edgar Franke, SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Edgar Franke (SPD):
Rede ID: ID1804110000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die heutige Lesung zum Einzelplan 15 – Gesundheit –
ist nicht nur ein Zeitpunkt, zurückzuschauen, sondern
auch, sich mit der Gesundheitspolitik in dieser Legisla-
turperiode zu befassen, gerade wenn man am Ende der
Debatte redet. Ich kann Herrn Spahn nur zustimmen: Ich
freue mich auch, dass eine so sachkundige Präsidentin
bei dieser Debatte zugegen ist.

In dieser Wahlperiode sind zwei wichtige, zwei gute
Gesetze beschlossen worden: das 14. SGB-V-Ände-
rungsgesetz zum einen und zum anderen das GKV-
FQWG, das Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanz-
struktur und der Qualität in der gesetzlichen Kranken-
versicherung. Ich kann die auch heute in der Debatte ge-
äußerte Kritik an diesen beiden Gesetzen jedenfalls im
Kern – das muss ich ausdrücklich sagen – nicht teilen.
Das 14. SGB-V-Änderungsgesetz ist alles andere als
wirkungslos geblieben. Ganz im Gegenteil: Es hat den
Preisstopp von 2009 verlängert. Der Herr Minister hat
ausdrücklich gesagt, dass das Gesetz die Zeitspanne, in
der der Preisstopp für die patentgeschützten Medika-
mente gilt, im Interesse der Versicherten verlängert hat.
Das hat immerhin über 600 Millionen Euro gebracht.

Hier davon zu sprechen, dass es keine Wirkung hat,
geht an der Realität vorbei. Mit dem Zwangsrabatt sind
wir vielmehr an die Grenzen der verfassungsrechtlichen
Legitimität von politischen Entscheidungen gegangen;
denn auch die Eigentumsrechte der Unternehmen nach
Artikel 14 Grundgesetz – die Rücklagen betragen insge-
samt 30 Milliarden Euro – sind natürlich immer zu be-
rücksichtigen.

Die Bundesregierung hat also gehandelt und die not-
wendigen Maßnahmen für bezahlbare Medikamente er-
griffen, und dafür ist sie zu loben.

Das GKV-FQWG, das Gesetz zur Weiterentwicklung
der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen
Krankenversicherung,


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür müsst ihr euch schämen!)


ist ein richtungsweisendes und gutes Gesetz,


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube es ja wohl nicht!)


obwohl es sprachlich sicherlich ein Wortungetüm ist.
Auch hier ist die Argumentation der Opposition nicht
stimmig. Die Absenkung des Bundeszuschusses auf
10,5 Milliarden Euro führt nämlich nicht zu einer
zwangsläufigen Erhöhung der Krankenkassenbeiträge





Dr. Edgar Franke


(A) (C)



(D)(B)

– die Kollegin Hinz und der Kollege Spahn haben zu
recht darauf hingewiesen –;


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht unmittelbar, aber natürlich werden die Grundlagen der Versicherten eingeschränkt!)


denn, Frau Klein-Schmeink, die Mindereinnahmen sind
durch eine Entnahme aus der Liquiditätsreserve in die-
sem Jahr locker auszugleichen, und der Gesundheits-
fonds ist nun wahrlich prall gefüllt. Frau Klein-
Schmeink, 2014 werden wir also keine Probleme be-
kommen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2016 schon!)


Allerdings ist in Zukunft zu klären – das glaube ich
schon –, was versicherungsfremde Leistungen im Ein-
zelnen ausmacht; denn da der Bundeszuschuss aus poli-
tischen Opportunitätsgründen von Jahr zu Jahr variiert,
besteht natürlich immer die Gefahr, dass man Gesund-
heitspolitik nach Kassenlage macht.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau, das trifft es sehr gut: „Gesundheitspolitik nach Kassenlage“!)


Ich glaube, hierauf muss man in Zukunft schon schauen.

Die endgültige Abschaffung der Kopfpauschale ist
ein wirklicher Sieg der politischen Vernunft, Frau Klein-
Schmeink. Das Prinzip, dass der Chef denselben Beitrag
wie seine Sekretärin bezahlt, ist in der gesetzlichen
Krankenversicherung endgültig gestorben.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Sekretärin zahlt in zwei Jahren mehr als vorher!)


Das ist ein politischer Sieg der Gerechtigkeit im System
und ein Erfolg der SPD. Das kann man hier in dieser De-
batte auch einmal ausdrücklich sagen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ferner stärkt das Gesetz die Finanzstruktur der Kas-
sen. Das ist zwar erst der erste Schritt hin zur vollständi-
gen Beitragssatzautonomie, aber es gibt keinen Einheits-
beitrag mehr. Auch das muss man sagen. Damit schafft
man grundsätzlich Wettbewerb, und der Wettbewerb ist
auch fair, weil wir einen vollständigen Finanzausgleich
zwischen den Krankenkassen über den Gesundheits-
fonds vereinbart haben. Ich glaube, die Zahlen zeigen,
dass die finanziellen Spielräume der Kassen viel größer
sind, als der GKV-Spitzenverband vielfach behauptet.
Auch das kann man in dieser Debatte einmal ausdrück-
lich sagen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Krankenkassen gucken in den nächsten Jahren nur auf das Geld und nicht auf die Leistung!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen
nicht nur einen Preiswettbewerb, sondern wir wollen vor
allen Dingen einen Qualitätswettbewerb.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kommt ihr gar nicht hin!)


Deshalb haben wir in der Koalitionsvereinbarung auch
beschlossen, dass wir ein Qualitätsinstitut im Gesund-
heitswesen einrichten. Dadurch werden wir mehr Trans-
parenz bekommen. Die Daten sollen und werden ver-
ständlich und vor allen Dingen verbraucherfreundlich
aufbereitet werden. Das korrespondiert auch mit unse-
rem Willen, eine Qualitätsoffensive im Gesundheitswe-
sen zu ergreifen. Das wird das Gesundheitswesen quali-
tativ und absolut besser machen.

Meine Damen und Herren, einer der Schwerpunkte in
der Gesundheitspolitik in diesem Jahr wird sicherlich die
Prävention sein. Ich glaube, das ist inzwischen schon der
vierte Anlauf. Seit zehn Jahren diskutieren wir das
Thema Prävention. Es wurde heute auch schon gesagt,
dass die Techniker Krankenkasse vermeldet hat, dass der
höchste Krankenstand ihrer Versicherten seit 14 Jahren
zu verzeichnen war. Im Durchschnitt, so die TK, fehlte
2013 jeder Beschäftigte 15 Tage.

Ich glaube, ein Präventionsgesetz ist wichtiger denn
je, zumal 10 Prozent der Fehlzeiten mit Rückenschmer-
zen begründet wurden. Auch die Zahlen zeigen, dass wir
eine erneuerte Präventionsstrategie brauchen. Frau
Schulz-Asche, darüber, dass diese Präventionsstrategie
natürlich an den Lebenswelten der Menschen anknüpfen
muss, brauchen wir uns, glaube ich, nicht zu streiten. Sie
hilft nicht nur, Krankheitszeiten zu verhindern und damit
Kosten zu sparen, sondern – das ist das Entscheidende –
sie hilft, dass Menschen gesund sind und am gesell-
schaftlichen Leben teilhaben können.


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst einmal muss man Geld in die Hand nehmen! Danach spart man!)


Ich bin sicher, dass wir dazu in diesem Jahr einen Kabi-
nettsbeschluss fassen und spätestens im nächsten Jahr
ein Gesetz vorlegen werden, das diese Anforderungen
erfüllt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das entscheidende gesundheitspolitische Thema aber
ist und bleibt die Pflege. Sie ist eine sozialdemokratische
Herzensangelegenheit. Ich sehe gerade Frau Mattheis,
die in der letzten Legislaturperiode für verbesserte Leis-
tungen für Pflegebedürftige und für einen erweiterten
Pflegebedürftigkeitsbegriff gekämpft hat.

Das Gesundheitssystem in Deutschland – das wissen
wir alle – steht vor dem Hintergrund einer älter werden-
den Gesellschaft vor enormen Herausforderungen. Jetzt
wird – das werden wir nächste Woche beraten – vieles
von dem, was Sozialdemokratinnen und Sozialdemokra-
ten wollen – um es politisch korrekt auszudrücken, Frau
Klein-Schmeink –, politische Realität werden. In zwei
Schritten gibt es im Rahmen des Pflegestärkungsgeset-
zes insgesamt 5 Milliarden Euro mehr für die Pflege.
Das ist eine erhebliche Summe. Eine Verbesserung der
Leistungen aus der Pflegeversicherung um rund 20 Pro-
zent zum 1. Januar 2015 kann sich beileibe auch poli-





Dr. Edgar Franke


(A) (C)



(D)(B)

tisch sehen lassen. Dass die Pflege auch am Bett der Pa-
tienten ankommt, ist mit diesem Gesetz gewährleistet.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hauptsache, damit ist nicht das Ende der Fahnenstange erreicht!)


In einem zweiten Schritt werden wir, Frau Klein-
Schmeink, den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff einfüh-
ren, und zwar noch in dieser Legislaturperiode.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffen wir!)


Auch das sollte nicht geringgeschätzt werden.
Lassen Sie mich noch einen Satz zum Thema Kran-

kenhaus sagen. Das Krankenhaus, das gute Pflege anbie-
tet – das ist mir persönlich ein Herzensanliegen –, muss
dafür finanziell belohnt werden. Gute Pflege muss in Zu-
kunft in Fallpauschalen abgebildet werden. Letztlich
kann man dann die Pflege auch besser bezahlen. Diesen
Punkt darf man in der politischen Diskussion nicht ver-
gessen.

Schließlich und endlich muss Pflege stärker lokal ein-
gebunden werden. Wir brauchen – das sage ich als ehe-
maliger Bürgermeister ausdrücklich – eine Rekommuna-
lisierung der Pflegeinfrastruktur. Wir brauchen
quartiersbezogene Sozialpolitik. Auch das ist ein Thema,
das uns fraktionsübergreifend alle interessieren sollte.


(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das heißt, vor Ort müssen kommunale Wohnungsbauge-
sellschaften, mobile Krankenpflegestationen, kirchliche
und freie Träger zusammenarbeiten, damit durch nied-
rigschwellige Angebote gewährleistet ist, dass ältere
Menschen in ihrem sozialen Umfeld verbleiben können.

Wir werden auch ein zweites Versorgungsstrukturge-
setz auf den Weg bringen. Mit diesem Gesetz werden
viele Forderungen aufgenommen werden, die wir disku-
tiert haben, viele sogenannte sozialdemokratische Her-
zensangelegenheiten, Frau Klein-Schmeink, wie ich sie
eben schon bezeichnet habe: Servicestellen zur Verein-
barung eines Arzttermins innerhalb von vier Wochen,
eine weitere Stärkung der hausärztlichen Versorgung,
eine weitergehende Öffnung von Krankenhäusern für
unterversorgte Gebiete, Desease-Management-Pro-
gramme für Menschen mit Rückenerkrankungen und
Depressionen, erleichterte Zulassung von MVZ. Sie se-
hen, in der Gesundheitspolitik ist das sozialdemokrati-
sche Profil deutlich zu erkennen.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804110100

Herr Kollege.


Dr. Edgar Franke (SPD):
Rede ID: ID1804110200

Wir werden viele unserer Herzensangelegenheiten

umsetzen – im Interesse der Patientinnen und Patienten
in Deutschland.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804110300

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin

Maria Michalk, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1804110400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich denke, die heutige Haushaltsdebatte auch zu diesem
Haushaltsplan zeigt ganz deutlich, vor welchen Verände-
rungen und Herausforderungen wir in unserer Gesell-
schaft stehen. Einerseits hat niemand bestritten, wie
wichtig es ist, einen insgesamt ausgeglichenen Haushalt
aufzustellen. Auch wenn die Opposition Kritik geübt
hat, hat man doch den Neid darüber, dass wir das jetzt
schaffen, ganz deutlich herausgehört.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, Sie haben aber spitze Ohren! Erstaunlich!)


Das ist gut so. Ich danke allen, die dazu beigetragen ha-
ben, dass dies jetzt möglich ist.


(Beifall bei der CDU/CSU – Kordula SchulzAsche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei unserer kurzen Redezeit haben wir gar keine Zeit für Neid! Wir haben leider immer so wenig Zeit!)


– Ich komme gleich darauf, liebe Frau Kollegin Schulz-
Asche. – Andererseits wissen wir natürlich auch – das
haben meine Vorredner alle bestätigt –, dass wir vor im-
mer neuen Herausforderungen stehen. Ich möchte in die
fiskalische und finanzpolitische Debatte eine andere Fa-
cette hineinbringen, nämlich die demografische Ent-
wicklung; sie wurde schon genannt. Immer mehr Men-
schen in unserem Land werden immer älter. Der Wunsch
nach Lebensverlängerung reicht weit in die Antike zu-
rück. Medizinische Ratgeber hat es gegeben, und auch
künstlerisch wurde dieses Phänomen gestaltet. An den
Werken erfreuen wir uns übrigens heute noch.

Jetzt ist dieser Wunsch Wirklichkeit, es ist kein
Traum mehr. Die Langlebigkeit ist erreicht. Welch ein
Glück für uns und vor allen Dingen für die Mädchen, die
heute geboren werden, die in der Lebenserwartung ein
Alter von 100 Jahren erreichen können. Darauf müssen
wir reagieren; denn diese Veränderungen sind nicht nur
quantitativ – wir nennen das demografischer Wandel –,
sondern erfordern auch qualitative Veränderungen und
Umstrukturierungen.

Was heißt das? Die Berufseinstiege werden immer
flexibler, immer später werden Familien gegründet, wir
haben eine zunehmende Singularisierung – insofern ist
die familiäre Hilfe eine andere geworden –, der Lebens-
stil hat sich verändert, vor allem der Blick auf die ge-
sundheitliche Vorsorge, auf die Ernährung, auf die Be-
wegung hat sich verändert. Wir diskutieren heute also
nicht mehr, wie alt wir werden, sondern, wie wir alt wer-
den. Das ist dieser qualitative Sprung, auf den wir auch
in der Gesundheitspolitik immer wieder eine neue Ant-
wort finden müssen.





Maria Michalk


(A) (C)



(D)(B)

Ich sage es auch an dieser Stelle: Auch wenn wir von
den älter werdenden Menschen in unserer Gesellschaft
sprechen und darauf reagieren, dürfen wir niemals ver-
gessen, dass wir genauso unsere Kinder und ihre Bedürf-
nisse im Blickpunkt der gesundheitlichen Versorgung
behalten müssen. Deshalb brauchen wir auch in Zukunft
Kinderärzte, Kinderstationen und vieles andere mehr.

Ich möchte noch einen anderen Aspekt hinzufügen:
Wir sollten uns auch daran erinnern und die Erkenntnis
pflegen, wie sehr der Mensch die natürlichen Reize
– auch das hat etwas mit Gesundheitspolitik zu tun – von
Licht und Luft, von Kälte und Wärme, von Ruhe und
Bewegung und ein ausgewogenes Gesundheitsverhalten
braucht, um gesund zu bleiben. Es geht also darum, ge-
sund zu bleiben. Das ist unsere erste Aufgabe.

Erst als zweiten Punkt diskutieren wir die Kardinal-
frage, um die sich auch der Haushalt rankt: Was müssen
wir in Zukunft tun und worauf müssen wir in Zukunft
stärker achten, um Menschen, die erkrankt sind, rasch,
kompetent, solidarisch, wirtschaftlich, wenn möglich
wohnortnah zu helfen, wieder gesund zu werden, oder
ihren Gesundheitszustand so zu beeinflussen und sie so
zu versorgen, dass sie in Würde leben können und dann,
wenn es zu Ende geht, auch in Würde sterben können?
Darum geht es. Das nennen wir: eine bedarfsgerechte
Versorgung auch für die Zukunft sichern.

Deshalb möchte ich an ein paar Punkten zu dem, was
schon gesagt worden ist, noch einmal ausführen, worum
wir uns schon in der Vergangenheit gekümmert haben
und was das heute für uns bedeutet.

Erstens. Wir haben Anreizmöglichkeiten für Praxis-
niederlassungen oder Praxisübernahmen im ländlichen
Raum geschaffen. Junge Mediziner entscheiden sich
trotzdem nicht immer dafür, aufs Land zu gehen, weil
andere Rahmenbedingungen wie zum Beispiel der
Wohnort oder das Vorhandensein von Kindergarten oder
Schule oder Kulturangebote nicht stimmen. Das können
wir Gesundheitspolitiker nicht allein lösen.

Zweitens. Wir diskutieren seit Jahren modifizierte
Zulassungsbedingungen für Medizinstudenten. Trotz-
dem wissen wir, dass die Universitäten da ihre eigene
Philosophie fahren – mit der Folge, dass der Arztmangel
nicht nur droht, sondern dass wir in bestimmten Fachge-
bieten echten Fachkräftemangel haben.

Drittens. Wir haben Anschubfinanzierungen für Ver-
träge der integrierten Versorgung eingeführt und ausge-
reicht. Jetzt, wo das Prinzip von den Leistungserbringern
verstanden worden ist und außerhalb der Anschubfinan-
zierung vermehrt neue IV-Verträge eingereicht werden,
stellen wir fest, dass viele – aus welchen Gründen auch
immer – nicht genehmigt werden. Warum, ist die Frage.
Damit müssen wir uns in Zukunft beschäftigen.

Wir haben – viertens – Medizinische Versorgungszen-
tren eingerichtet und immer wieder modifiziert, diskutie-
ren aber aktuell trotzdem, dass wir auch facharztgleiche
MVZ zulassen wollen.
Fünftens. Auch Praxiskliniken sind eine wichtige
Säule im Versorgungsalltag. Trotzdem kämpfen sie nach
wie vor mit der Schwierigkeit, dass sie nicht wie im
Krankenhaus eine Fallpauschale abrechnen können, ob-
wohl der EBM für ihre Kostenstruktur nicht ausreicht.
Das heißt, wir haben auch hier etwas Gutes getan, sind
aber noch nicht am Ende der Diskussion angekommen
und beschäftigen uns weiter damit.

In den Krankenhäusern wachsen ebenfalls die Aufga-
ben. Immerhin fließt jeder dritte Euro der Beitragszahler
in den Krankenhausbereich. Da muss doch eigentlich
eine gute Versorgung möglich sein. Trotzdem setzen wir
– Herr Spahn hat darauf hingewiesen – eine Bund-Län-
der-Kommission ein, die an Konzepten arbeitet.

Ich will siebtens aufführen: Vor 25 Jahren wurde der
Medizinische Dienst der Krankenversicherung als fach-
lich unabhängiger Begutachtungs- und Beratungsdienst
für alle Leistungsbereiche eingerichtet. Er macht die
Pflegeeinstufung, und zwar hochkompetent und sehr
schnell innerhalb der vorgeschriebenen vier Wochen.
Davon konnte ich mich letzte Woche bei einer Vor-Ort-
Aktion einen ganzen Tag überzeugen.

Trotzdem ist er aktuell nicht nur von den Patienten-
vertretern mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht so recht
unabhängig zu sein. Auch darauf müssen wir eine Ant-
wort suchen.

Ich möchte noch einen Punkt aufführen. Das von uns
beschlossene Qualitätsinstitut wird mit Sicherheit eine
wichtige Aufgabe erfüllen. Aber ich warne jetzt schon
davor, dass wir alles überfrachten und mit der gesamten
Datenlage starten wollen. Dann werden wir nie starten.
Wir müssen auch hierbei den Mut haben, bestimmte In-
dikationen herauszusuchen und damit erst einmal anzu-
fangen.

Was will ich damit sagen?


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804110500

Frau Kollegin Michalk.


Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1804110600

Wir haben ganz viele Dinge in den Versorgungsalltag

eingeführt und darauf geachtet und auch dazu beigetra-
gen, dass sie wirken. Trotzdem bleibt die Aufgabe, den
Versorgungsalltag weiter zu beobachten und die entspre-
chenden Antworten zu geben.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804110700

Kommen Sie bitte zum Schluss.


Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1804110800

Deshalb ist dieser Haushalt die richtige Antwort auf

diese vielen Fragen. Ich bitte Sie herzlich, ihm zuzustim-
men.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) (C)



(D)(B)


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804110900

Vielen Dank. – Letzter Redner in dieser Debatte ist

der Kollege Reiner Meier, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Reiner Meier (CSU):
Rede ID: ID1804111000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Ende der
heutigen Debatte komme ich nicht um eine Feststellung
herum: Es ist erstaunlich, welche Verrenkungen gemacht
werden, um ein Haar in der Suppe unseres hervorragen-
den Menüs zu finden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Kordula SchulzAsche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie meinen jetzt die letzten 33 Minuten, die die Große Koalition geredet hat?)


Ich darf zusammenfassend noch einmal die Fakten
geraderücken. Fakt ist, dass die Finanzlage der gesetzli-
chen Krankenversicherung seit Jahren hervorragend ist.


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sicher nicht gewollt, dass Sie 33 Minuten reden! – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Jetzt kommt die Abteilung „Witz“!)


Die Kassen konnten in den letzten Jahren sogar Reser-
ven in Milliardenhöhe anhäufen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wer hat es bezahlt? Die Versicherten!)


An dieser guten Lage ändert auch der vielbeschwo-
rene Verlust von 270 Millionen Euro im ersten Quartal
dieses Jahres nichts. Man muss sich nämlich auch die
Arbeit machen, nachzulesen – bitte, schauen Sie sich das
an –, woher dieser „Verlust“ kommt: Allein 55 Millionen
Euro machen sogenannte Satzungsleistungen der Versi-
cherungen aus. Das sind Leistungen, die nicht gesetzlich
zwingend sind, aber von den Versicherungen freiwillig
gewährt werden.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie könnten jetzt mal über die Verursacher reden! Schwarz-Gelb!)


Der Löwenanteil von rund 236 Millionen Euro geht
auf Prämien zurück, die die Kassen an die Versicherten
ausbezahlt haben, um sie an ihrer guten wirtschaftlichen
Situation teilhaben zu lassen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nur wenige! Was ist denn mit den chronisch Kranken und anderen?)


Wenn ich mir noch die Finanzreserven von rund
27,7 Milliarden Euro beim Gesundheitsfonds und den
Krankenkassen vor Augen halte, ist eines offensichtlich:
Verglichen mit einem Schuldenstand von 8,4 Milliarden
Euro vor zehn Jahren ist die Finanzlage heute wahrlich
nicht schlecht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es ist und bleibt deshalb die richtige Entscheidung,
dass wir den Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds
für die Jahre 2014 und 2015 vorübergehend abgesenkt
haben, um zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes
beizutragen. Klar ist nämlich eines: Kürzungen bei den
Zuweisungen an die Krankenkassen wird es nicht geben.
Den Krankenkassen werden in diesem und auch im
nächsten Jahr die vollen 14 Milliarden Euro zur Verfü-
gung stehen.

Es ergibt aber keinen Sinn, diese Summe nur über
Neuverschuldung zu finanzieren und dafür auch noch
Zinsen zu bezahlen, wenn auf der anderen Seite die
gesetzlichen Krankenversicherungen gleichzeitig fast
30 Milliarden Euro auf der hohen Kante haben. Schul-
den zu machen, um an anderer Stelle Milliardenreserven
zu halten, kann doch nicht Sinn der Sache sein. Das kann
unmöglich Sinn dieser Sache sein!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auch wenn es schon oft gesagt wurde, muss ich an
dieser Stelle nochmals daran erinnern, dass wir im Rah-
men des Konjunkturpakets II den Bundeszuschuss für
die Jahre 2009 und 2010 erhöht haben, um die krisenbe-
dingten Einnahmeausfälle der gesetzlichen Krankenver-
sicherung abzulindern. Und: Wir reden doch nicht über
Peanuts. Der Bund hat aus Steuermitteln insgesamt
9,5 Milliarden Euro mehr eingezahlt als vorgesehen. Im
Übrigen ist es nicht so, dass wir dieses Geld aus dem
Fonds abziehen würden. Das Geld, das wir nun zur Ent-
lastung des Bundeshaushalts aus der Liquiditätsreserve
zur Verfügung stellen, wird ab 2017 in voller Höhe suk-
zessive in den Gesundheitsfonds zurückfließen.

Die gesundheitspolitischen Diskussionen in den ver-
gangenen 20 Jahren haben gezeigt: Wir könnten innerhalb
der Krankenversicherung gar nicht so viel reformieren,
wie wir auf der anderen Seite an Einnahmen verlieren
würden, wenn die Konjunktur einbrechen würde. Ohne
eine Politik für mehr Wachstum und Beschäftigung blei-
ben alle Reformen im sozialen Bereich Stückwerk.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Um es auf den Punkt zu bringen: Sozial ist, was Arbeit
schafft.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Stimmt aber nicht! Was gute Arbeit schafft!)


Aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen kommen
wir erstmals seit vielen Jahren ohne Sparmaßnahmen
und Leistungskürzungen im Bereich der Krankenversi-
cherung aus. Wir können stattdessen für alle den allge-
meinen GKV-Beitrag erst einmal senken. Die damit ver-
bundene Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags hilft,
Arbeitsplätze zu sichern. Denn Arbeitsplätze sind die
Quelle, aus der sich letztendlich die Sozialkassen spei-
sen, und dies nicht zu knapp.

Kommen wir zu den Zusatzbeiträgen. Mit den ein-
kommensabhängigen Zusatzbeiträgen haben wir die Bei-





Reiner Meier


(A) (C)



(D)(B)

tragsautonomie und den Wettbewerb der Krankenkassen
gestärkt. Der Versicherte kann sich für die Kasse ent-
scheiden, die seinen Bedürfnissen am besten entgegen-
kommt. Die Kassen haben gleichzeitig ein ureigenes In-
teresse an stabilen Beiträgen; denn die Transparenz für
den Verbraucher haben wir entschieden gestärkt. Wenn
eine Krankenkasse künftig einen Zusatzbeitrag erheben
oder erhöhen will, muss sie ihre Versicherten in einem
gesonderten Schreiben darauf aufmerksam machen und
den durchschnittlichen Zusatzbeitrag aller Kassen nen-
nen. Neben einer Belehrung über ein Sonderkündigungs-
recht müssen die Krankenkassen ihre Versicherten auf
die Internetseite des GKV-Spitzenverbandes verweisen,
auf der alle Kassen mit ihren Zusatzbeiträgen aufgelistet
sind. So kann jeder auf einen Blick sehen, ob die Leis-
tungen seiner Kasse zur Höhe des Zusatzbeitrags passen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eigentlich geht es darum, dass Sie den Zusatzbeitrag erhöhen!)


Qualität ist ein weiteres Stichwort. Ein zentrales An-
liegen ist für uns, die Qualität der stationären Versor-
gung zu verbessern.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deshalb haben wir das Institut für Qualitätssicherung
und Transparenz im Gesundheitswesen auf den Weg ge-
bracht. Künftig soll sich die Vergütung der Kranken-
hausleistungen stärker an der Qualität orientieren. Die
Qualitätsindikatoren werden dann erhebliche Auswir-
kungen auf die wirtschaftliche Situation der Kranken-
häuser haben. Deshalb ist es wichtig, dass Qualitätsprü-
fungen risikoadjustiert erfolgen. Das gilt insbesondere
für die Ergebnisqualität in den Krankenhäusern. Zum
Beispiel ist die Mortalitätsrate bei Universitätskliniken
und bei der Maximalversorgung oft höher, weil diese
Häuser die komplizierten und besonders riskanten Fälle
behandeln. Das muss berücksichtigt werden; denn nur so
können zwischen Krankenhäusern faire Leistungsver-
gleiche zustande kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Hinz [Essen] [SPD])


Damit möchte ich schließen. Die Koalition hat in den
vergangenen Monaten bewiesen, dass sie in der Lage
und gewillt ist, den anstehenden Herausforderungen im
Gesundheitswesen zeitnah und effektiv zu begegnen.
Herr Minister, Ihnen gilt mein besonderer Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Bereich der Arzneimittelpreise und der GKV-Fi-
nanzierung haben wir schon viel erreicht. In Kürze wer-
den wir den Grundstein für eine große, umfassende Pfle-
gereform legen, die spürbare Verbesserungen für
Millionen unserer Bürger bringen wird.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1804111100

Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 15 – Bundesministerium für Gesundheit – in der
Ausschussfassung. Hierzu liegen vier Änderungsan-
träge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst ab-
stimmen.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksa-
che 18/1819? – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksa-
che 18/1820? – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksa-
che 18/1821? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen CDU/CSU und SPD bei Enthaltung der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
Fraktion Die Linke abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksa-
che 18/1822? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der CDU/CSU,
der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 15 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzel-
plan 15 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an-
genommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion der
CDU/CSU hat gebeten, jetzt die Sitzung für etwa eine
Stunde zu unterbrechen. Der Wiederbeginn der Sitzung
wird rechtzeitig durch Klingelsignal angekündigt.

Die Sitzung ist unterbrochen.


(Unterbrechung von 16.47 Uhr bis 18.37 Uhr)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804111200

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene

Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.7 auf:

Einzelplan 17
Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend

Drucksachen 18/1016, 18/1023

Die Berichterstattung für diesen Haushalt haben die
Abgeordneten Michael Leutert, Alois Rainer, Ulrike
Gottschalck und Ekin Deligöz.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.





Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn


(A) (C)



(D)(B)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Jörn Wunderlich.


(Beifall bei der LINKEN)



Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804111300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste auf den Tribünen! Haushaltspolitik: Sie
wird auch die Königsdisziplin der Politik genannt. Im
Haushalt werden die Weichen für die Zukunft gestellt.
Die Frage bleibt: Wie werden die Weichen gestellt, und
wohin soll die Fahrt gehen?

Für die Jugendverbände gibt es in diesem Haushalt ei-
nen Aufwuchs von 1 Million Euro. Das ist schön.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Aber woher kommt das Geld? Und wo bleibt bei den
Haushaltsüberlegungen und -beschlüssen die Aufgabe
der Bekämpfung der Kinderarmut? Das vermisse ich
durch die Bank weg. Die Kinderstudie von World Vision
hat 2013 festgestellt, dass sich ein Fünftel der Kinder ab-
gehängt fühlt und dass sich Kinder am meisten wün-
schen, dass die Eltern ordentliche Arbeit haben.

Frau Schwesig, Sie haben gestern Abend beim ASB
noch betont, wie wichtig Familieneinkommen ist und
dass Kinderarmut damit zusammenhängt. Dass Kinder
die Spirale der Elternarmut fortsetzen, wissen wir schon
lange. Seit 2005 – seit ich im Bundestag bin – höre ich
die entsprechenden Debatten. Seit 2005 hoffen die Men-
schen im Lande auf eine veränderte Politik, die aus der
Spirale der Armut herausführt. Sie hoffen auf eine Poli-
tik, die Wege aufzeigt, davon wegzukommen, dass die
Aufgaben im Gemeinwesen, ob Kinderbetreuung, Bil-
dung, Gesundheit, Kultur oder was auch immer, stets auf
den Kostenfaktor reduziert werden.

Seit 2005 hat sich nichts wesentlich geändert. Weder
seinerzeit die Große Koalition noch Schwarz-Gelb ha-
ben etwas zum Besseren verändert.


(Sönke Rix [SPD]: Na, na, na! – Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Sie reden wirr!)


– Gut, das Elterngeld und den Kitaausbau. Aber die Kin-
derarmut ist gewachsen.


(Sönke Rix [SPD]: Wir führen den Mindestlohn ein, damit die Familien mehr Geld im Portemonnaie haben! – Weiterer Zuruf: Betreuungsgeld!)


– Zum Betreuungsgeld wollte ich heute eigentlich nichts
sagen.

Noch immer kann sich Deutschland nicht als das fa-
milienfreundliche Land in Europa präsentieren. Kinder
sind nach wie vor ein Armutsrisiko. An der Bekämpfung
der Kinderarmut wird nur marginal herumgewerkelt.
Nicht umsonst wünschen sich die achtjährigen Kinder
nach der Studie von World Vision am meisten, dass die
Eltern eine existenzsichernde Arbeit haben. Die Ent-
wicklung der Geburtenrate in Deutschland ist nach wie
vor Antwort der Menschen auf Ehrlichkeit und Verläss-
lichkeit in der Familienpolitik.

Schon Frau von der Leyen hat damals immer wieder
Wert darauf gelegt und betont, den Kindern, die nicht auf
der Sonnenseite, sondern auf der Schattenseite des Le-
bens geboren werden, eine besondere Hilfe zukommen
lassen zu wollen. Leider vermisse ich seit 2005 bis heute
irgendwelche Aussagen dazu, was die Regierung kon-
kret bereit ist zu unternehmen, um die gesellschaftlichen
Ursachen der Probleme zu beseitigen. Kinderarmut ist
eines der wesentlichen Probleme in unserer Gesellschaft.
Die Ursachen müssen angegangen werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Immer mehr Kinder sind armutsgefährdet. Ich frage
Sie: Was wollen Sie dagegen unternehmen? Immer mehr
Senioren stehen inzwischen bei den Tafeln an. Was wol-
len Sie dagegen unternehmen? Immer mehr Alleinerzie-
hende sind von Armut bedroht oder betroffen. Was wol-
len Sie dagegen unternehmen? Eine Antwort darauf gibt
jedenfalls der Haushalt nicht her. Ich nenne als Beispiel
den Kinderzuschlag als ein wirksames Mittel der Ar-
mutsbekämpfung. Im Entwurf für 2014 wurden noch
etwa 379 Millionen Euro veranschlagt. Das waren schon
circa 8 Millionen Euro weniger als im Jahr zuvor. Ich
wäre froh gewesen, wenn es bei diesen 8 Millionen Euro
geblieben wäre. Aber im Haushaltsausschuss wurde er
am 7. Mai auf Antrag der Koalition um weitere 11 Mil-
lionen Euro gekürzt. In der Bereinigungssitzung wurde
er auf Antrag der Koalitionäre erneut um 14,6 Millionen
Euro gekürzt.


(Sönke Rix [SPD]: Aber nicht bei den gesetzlichen Leistungen!)


33,7 Millionen Euro weniger! Dieses Geld würde für die
Armutsbekämpfung dringend gebraucht. Eigentlich
hätte der Kinderzuschlag ausgebaut werden müssen, da-
mit er mehr Familien erreicht.


(Beifall der Abg. Karin Binder [DIE LINKE] – Sönke Rix [SPD]: Seien Sie doch froh, dass weniger Menschen Kinderzuschlag benötigen!)


Der Ausbau des Kinderzuschlags ist und bleibt eine For-
derung der Linken; denn Kinderarmut kann sich
Deutschland nicht leisten.

Immerhin wissen wir, woher die Mittel für die Ju-
gendverbände und den Fonds „Heimerziehung in der
DDR“ kommen. Dass die Mittel für den Fonds „Heim-
erziehung in der DDR“ aufgestockt werden, findet un-
sere volle Unterstützung. Aber dass die Finanzierung im
Einzelplan 17 auf Kosten des Kindergeldes/Kinderzu-
schlags erfolgt, ist unerhört. Der Fonds gehört in den
Einzelplan 60 – Allgemeine Finanzverwaltung –, da es
sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt.
Solange nur im eigenen Haushaltsplan umgeschichtet
wird oder Mittel bei den Betroffenen im ALG-II-Bezug
nicht ankommen wie Unterhaltsvorschuss, Elterngeld
oder Betreuungsgeld – das alles wird angerechnet –,
kann man sich den Aufwuchs schönreden, wenn im
Haushalt des Arbeitsministeriums entsprechende Ein-





Jörn Wunderlich


(A) (C)



(D)(B)

sparungen entstehen. Bis heute haben wir von der Regie-
rung keine Antwort bekommen, wie hoch die Einsparun-
gen bei Arbeit und Sozialem sind. Die Betroffenen
jedenfalls haben davon nichts.

Konkret vermisse ich echten Gestaltungswillen zur
Verhinderung von Armut. Keiner darf gezwungen sein,
sein Einkommen oder seine Rente durch das Sammeln
von Leergut aus Mülltonnen aufzubessern, wie wir es
tagtäglich immer häufiger an den S-Bahn-Stationen erle-
ben können. Aber dafür muss man erst einmal S-Bahn-
Stationen aufsuchen und darf die Augen nicht vor der
Realität verschließen.

Um auf die Alleinerziehenden zurückzukommen: Es
verwundert sehr, dass Alleinerziehende mit gemeinsa-
mem Sorgerecht von den Bonusmonaten des Elterngeld-
Plus ausgeschlossen werden sollen. Dies läuft dem im
letzten Jahr hier in diesem Haus verabschiedeten Leit-
bild der gemeinsamen elterlichen Sorge völlig zuwider.
Auch die sogenannte Klarstellung bei den Mehrlingsge-
burten bedarf einer Richtigstellung. Es sollte doch so
sein, dass pro Kind ein Elterngeldanspruch besteht und
nicht pro Geburt. Die jetzige Klarstellung soll unter Aus-
schluss von Elterngeldansprüchen 100 Millionen Euro
sparen. Sparpolitik ist aber verfehlte Familienpolitik.
Und warum immer bei der Familie? Ich kenne da ganz
andere Politikfelder. Aber der Verteidigungsetat steht
heute nicht auf der Tagesordnung.

Gewalt gegen Frauen ist ein weiterer wesentlicher
Punkt. Nach wie vor ist ungeklärt, wie die bundesein-
heitliche Finanzierung von Frauenhäusern aussehen soll.
Die Linke fordert nach wie vor einen Rechtsanspruch
auf Schutz und eine bundeseinheitliche Finanzierung.
Ich will nur drei Beispiele nennen, um die Dramatik zu
verdeutlichen. 2005 gab es in Bayern jährlich noch
knapp 13 000 Fälle häuslicher Gewalt. 2013 waren es
schon 20 000, 80 Prozent davon weibliche Opfer. In
34 Prozent der Fälle mussten Kinder Gewalt miterleben
oder waren Zeugen der Gewalt. In Köln gibt es gerade
einmal zwei Frauenhäuser mit 46 Betten. Jährlich wer-
den 1 000 Frauen mit ihren Kindern wegen Überfüllung
abgewiesen. In Heilbronn dürfen Frauenhäuser von Ge-
walt betroffene Frauen nicht mehr aufnehmen, wenn sie
aus Nachbargemeinden kommen, und zwar aus Kosten-
gründen. Das muss beendet werden. Hier muss Abhilfe
her.


(Beifall bei der LINKEN)


Frau Ministerin Schwesig, Sie haben angekündigt,
dass Sie sich stark bei den Ländern einbringen werden,
um zu einer Lösung zu kommen. Da wir schon einmal
bei den Ländern sind: Der Aufbau der Strukturen in den
Ländern hinsichtlich Beratungsangeboten der Anti-
diskriminierungsstelle müsste dringend fortgeführt wer-
den. Dafür braucht Frau Lüders mehr Geld. Ich frage
Sie: Warum wird ihr das nicht zur Verfügung gestellt?

Zum Rechtsextremismus wird mein Kollege gleich
bestimmt noch Ausführungen machen. Ich weiß nur: Die
1,5 Millionen Euro Aufwuchs reichen jetzt nicht aus.
50 Millionen Euro wären eigentlich notwendig gewesen.
Ich denke, wir alle wissen, an welcher der Regierungs-
parteien dieser Ansatz gescheitert ist. Manchmal hat
man eben Pech mit Partnern. Aber: Am Ende wird alles
gut, und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das
Ende. – Oscar Wilde.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804111400

Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Manuela

Schwesig.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete! Ohne Moos nix los. – In mei-
ner Einbringungsrede habe ich zitiert, wie Jugendliche
ihren Finanzbedarf in knapper Form formulieren. Wenn
es ihnen dann gelungen ist, den Eltern ein paar Euro Ta-
schengeld zusätzlich abzuhandeln, schreiben sie viel-
leicht eine kurze SMS: THX. Thanks. Danke.

So kurz will ich es mit Ihnen nicht machen. Ich
möchte mich hier ganz herzlich bedanken. Danke an die
Haushälterinnen und Haushälter und auch an die Fach-
politiker für die konstruktive Diskussion, die konstrukti-
ven Verhandlungen und die Unterstützung für den Haus-
halt meines Ressorts. Uns ist ein Haushalt 2014
gelungen, der dafür sorgt, dass wir Gerechtigkeit für die
Generationen in Deutschland bieten können.

Unmittelbar vor der Bereinigungssitzung im Haus-
haltsausschuss war ich beim Deutschen Kinder- und Ju-
gendhilfetag. Dort wurden Statements von Jugendlichen
vorgestellt, die mich sehr darin bestätigt haben, was ich
in diesem Haus als Zielsetzung meines Einzelplans vor-
gestellt habe: Generationengerechtigkeit. Die Jugendli-
chen wünschen sich ein gutes Ausbildungssystem, ein
gutes Bildungssystem, sie fordern mehr Fördermittel für
Chancengleichheit. Sie wollen vor allem gehört werden,
und sie wollen mitgestalten. Deshalb freue ich mich
sehr, dass der Haushaltsausschuss eine Mittelaufsto-
ckung in Höhe von 1 Million Euro zur Stärkung der Ju-
gendverbandsarbeit beschlossen hat. Dieses Geld geht in
gute Hände, in die Hände der jungen Generation.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Jugendverbände sind Sprachrohr der Jugend in der
Öffentlichkeit. Jugendverbände tragen die Jugendarbeit
vor Ort, und das in einer unglaublichen Vielfalt: von der
Trachtenjugend bis zur Sportjugend, von den Pfadfin-
dern bis zur Jugendfeuerwehr. Bei meinem Treffen mit
den Vertretern der Jugendverbände war ich beeindruckt,
dass wenige junge Leute für so viele junge Menschen in
unserem Land da sind. Deshalb ist es wichtig, dass wir
mit zusätzlichen Mitteln diese Verbandsarbeit unterstüt-
zen können. Mein Ziel für die Verhandlungen zum Haus-
halt 2015 ist, dass das keine einmalige Sache war, son-
dern dass es uns gelingt, diesen Zusatzbetrag zu
verstetigen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)






Bundesministerin Manuela Schwesig


(A) (C)



(D)(B)

Denn die Jugendverbände sind ein wichtiger Partner für
mich und sicherlich auch für Sie in der Eigenständigen
Jugendpolitik.

Der Haushalt 2014 ist auch eine gute Basis, ein guter
Ausgangspunkt für Kinderpolitik. Alle Kinder haben ein
Recht auf Schutz, Beteiligung und individuelle Förde-
rung. Wir stärken den Schutz mit der Bundesinitiative
„Frühe Hilfen“. Wir stärken die Bildung, indem wir
mehr Geld für die Sprachförderung in Kitas einsetzen.
Ein Schlüssel für gute Bildung ist frühkindliche Bildung.
Was in der Kita, der Kindertagespflege an Bildung ver-
mittelt und erlebt wird, ist Grundlage für Chancengleich-
heit und gute individuelle Förderung von Anfang an.

Mit Sprachförderung fängt es an. In den nächsten Jah-
ren investiert der Bund, wie versprochen, 6 Milliarden
Euro in die Bildungskette Kita – Schule – Hochschule.
Das ist wichtig. Das Geld, das wir im Kitabereich inves-
tieren werden, will ich im Dialog mit den Länderminis-
tern einsetzen. Deshalb haben wir uns zu einer Konfe-
renz zum Thema „Qualität in der Kindertagesbetreuung“
für diesen Herbst verabredet. Bund, Länder und Kom-
munen müssen gemeinsam vorangehen, wenn es darum
geht, weitere Kitaplätze zu bauen und mit guter indivi-
dueller Förderung für Bildung von Anfang an zu sorgen.

Herr Wunderlich, das ist die Antwort auf das Problem
der Kinderarmut. Das Hauptproblem bei der Kinderar-
mut ist doch, dass die Bildungschancen von Kindern
heute immer noch vom Geldbeutel der Eltern abhängen,
und damit muss Schluss sein. Da können wir mit guter
Bildungsinfrastruktur für eine Veränderung sorgen. Die-
ser Haushalt sorgt dafür, dass wir mehr Geld für Sprach-
förderung ausgeben. Wir werden zukünftig Kitas aus-
bauen, damit auch die alleinerziehende Verkäuferin für
ihr Kind einen Kitaplatz hat und so ihrem Job nachgehen
kann, um endlich aus der Armutsfalle herauszukommen.
Das ist gezielte Kinderarmutsbekämpfung.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, Chancengleichheit für
Kinder macht auch Familien stark. Starke Familien sind
wichtig für Kinder. Im Zentrum moderner Familienpoli-
tik steht Partnerschaftlichkeit – Partnerschaftlichkeit in
der Familie, Partnerschaftlichkeit von Frauen und Män-
nern und Partnerschaftlichkeit bei der Vereinbarkeit von
Beruf und Familie. Heute gehen immer mehr Mütter ei-
nem Beruf nach, und immer mehr Väter wollen sich am
Familienleben beteiligen. Das Elterngeld ist für die Fa-
milien eine hochwirksame Leistung. Deshalb freue ich
mich, dass wir mit diesem Haushalt 470 Millionen Euro
mehr Elterngeld zur Verfügung stellen. Das ist eine gute
Botschaft für die Familien in Deutschland.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Und wir machen weiter mit dem ElterngeldPlus.
14 Prozent aller Paare mit kleinen Kindern teilen sich
partnerschaftlich Beruf und Familie, 60 Prozent wollen
es aber. Wir wollen diese Lücke zwischen Wunsch und
Wirklichkeit schließen. Ein wichtiger Schritt dahin ist
das ElterngeldPlus. Wir haben es schon verabredet, und
wir werden an dieser Stelle weitermachen. Der Gesetz-
entwurf ist beschlossen. Ich bin sicher, dass wir im Bun-
desrat und im Bundestag gute Beratungen haben werden.
Auch die Alleinerziehenden werden vom ElterngeldPlus
profitieren.

Vereinbarkeit ist aber auch ein Thema für Familien
mit pflegebedürftigen Angehörigen. Deshalb arbeiten
wir derzeit an einem Gesetzentwurf für eine bessere Ver-
einbarkeit von Pflege und Beruf. Wir werden die zehntä-
gige Pflegeauszeit bezahlen und mit der Pflegereform
das Geld bereitstellen.

Meine Damen und Herren, Partnerschaftlichkeit ist
für mich auch ein Gleichstellungsthema. Gleichstellung
heißt, gleiche Rechte für Männer und Frauen endlich in
der Lebenswirklichkeit durchsetzen. Das, was im Grund-
gesetz steht, muss auch in der Lebenswirklichkeit der
Frauen ankommen. Insofern freue ich mich, dass wir in
der Ressortabstimmung zum Entwurf eines Gesetzes für
mehr Teilhabe von Frauen in Führungspositionen sind.
Wir werden mit dem ElterngeldPlus für mehr Partner-
schaftlichkeit und damit für mehr Gleichstellung von
Frauen und Männern sorgen und gleichzeitig mit dem
Gesetz für gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in
Führungspositionen für mehr Gleichstellung von Frauen
und Männern in Führungsetagen sorgen. Die Quote wird
kommen, und die Quote wird wirken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin damit schon
etwas weiter in der Zukunft, etwas weiter in der Legisla-
turperiode. Wir reden aufgrund der Wahlen und des Neu-
anfangs der parlamentarischen Arbeit relativ spät über
den Haushalt 2014; das wissen wir. Es ist sehr wichtig,
dass wir diesen Haushalt beschließen; denn die Träger
unserer Programme, unsere Partner und Zuwendungs-
nehmer, warten dringend darauf, auch die Träger von
wichtigen Programmen für Demokratie und Vielfalt, mit
denen ich im Gespräch darüber bin, wie wir das neue
Bundesprogramm ab 2015 auf die Beine stellen. Vor
dem Wunsch nach mehr Geld besteht hier vor allem der
Wunsch nach Verstetigung. Wir sind in guten Gesprä-
chen.

Es warten aber auch diejenigen auf dieses Geld, auf
diesen Haushalt, deren Rechte als Kinder mit Füßen ge-
treten worden sind. Das sind die Menschen, die in Hei-
men der ehemaligen DDR aufgewachsen sind. Das Un-
recht, das diesen Menschen in der Vergangenheit
angetan wurde, kann man mit Geld nicht rückgängig ma-
chen. Aber Behandlung oder psychologische Beratung
können den Betroffenen helfen, heute ein besseres Leben
zu führen. Daran dürfen wir nicht sparen.

Mir als Vertreterin einer jüngeren Generation, die in
Ostdeutschland aufgewachsen ist und dann die Freiheit
im neuen Gesamtdeutschland nutzen konnte, ist es wich-
tig, dafür zu sorgen, dass andere, die in der DDR gelitten
haben, mindestens Unterstützung bekommen. Deshalb
ist es gut, dass wir den Fonds für die Heimkinder aus der
DDR schon für dieses Jahr um 14,6 Millionen Euro auf-
gestockt haben und dies in den nächsten Jahren fortset-
zen werden. Das ist eine Frage der Verantwortung, eine





Bundesministerin Manuela Schwesig


(A) (C)



(D)(B)

Frage der Haltung, insbesondere im Jahr 25 nach dem
Mauerfall.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage dafür ausdrücklich Danke.

Ich finde es unredlich, Herr Wunderlich, dass Sie den
Kinderzuschlag gegen dieses Thema ausspielen. Sie wis-
sen ganz genau, dass wir beim Kinderzuschlag nicht kür-
zen. Es handelt sich um Mittel, die nicht abfließen wür-
den. Dass wir diese Mittel nicht in den Haushalt
schicken, sondern denjenigen geben, die als Kinder mas-
sives Unrecht erlebt haben, das ist Gerechtigkeit. Die
Kinder von heute gegen die Kinder von damals auszu-
spielen, ist unredlich. Dagegen wehre ich mich.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sehr geehrte Damen und Herren, wir arbeiten schon
am nächsten Haushalt. Mein Anliegen ist es dabei, in so
wichtigen Feldern wie der Engagementpolitik, der Ar-
beit für Demokratie und Vielfalt Programme zu bündeln
und nachhaltige Strukturen zu stärken. Auf jeden Fall
werde ich Ihnen einen Einzelplan 2015 vorlegen, der er-
neut das Thema Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt,
so wie wir es im Haushalt 2014 tun.

Gerechtigkeit für alle Generationen, Gleichstellung
von Männern und Frauen, Chancengleichheit für die
Kinder in diesem Land – das ist meine Haltung, das ist
meine Politik, und dafür ist der Haushalt 2014 eine gute
Grundlage.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1804111500

Als nächste Rednerin hat Katja Dörner jetzt das Wort.


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804111600

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Die Ministerin hat ihre Rede begonnen
mit: „Ohne Moos nix los.“ Ich muss leider sagen: Das ist
eine sehr passende Überschrift für den Etat des Famili-
enministeriums.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der SPD)


Ende Mai ist eine wichtige Entscheidung gefallen,
und zwar eine Entscheidung, die weit über den Haushalt
2014 hinausreicht. Es hat endlich eine Einigung über die
Verteilung der 6 Milliarden Euro in dem sogenannten
Bildungspaket gegeben. Jetzt könnte man denken: 6 Mil-
liarden Euro, das ist gar nicht so wenig Geld.


(Zuruf von der SPD: Das stimmt!)


Wenn man aber sieht: über vier Jahre gestreckt, für alle
Bundesländer, von der Kita über die Schule bis zu den
Hochschulen, dann erkennt man: Es sind faktisch Pea-
nuts.


(Dr. Fritz Felgentreu [SPD]: Na, na, na!)

Wenn man das mit den 10 Milliarden Euro vergleicht,
die die Rentenreform, die dieses Haus unlängst be-
schlossen hat, jedes Jahr kosten wird,


(Sönke Rix [SPD]: Nicht Generationen gegeneinander ausspielen!)


dann sieht man: Dieses Verhältnis stimmt überhaupt
nicht. Die Bundesregierung hat sich davon verabschie-
det, tatsächlich in die Zukunft zu investieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die 6 Milliarden Euro sind verteilt. Ich muss leider
sagen: Ministerin Schwesig ging als Verliererin vom
Feld. Gerade einmal 1 Milliarde Euro soll es für die Ki-
tas zusätzlich geben, und diese Zusätzlichkeit ist tatsäch-
lich noch nicht einmal gegeben; darauf komme ich noch
zu sprechen.

Für jede und jeden hier, die und der es wirklich ernst
meint mit der Verbesserung frühkindlicher Bildung, mit
mehr Chancengleichheit für alle Kinder von Anfang an,
ist diese Summe ein reiner Witz. Ministerin Schwesig
selber wollte 2 Milliarden Euro vom Kuchen haben. Was
hat sie bekommen? Nicht einmal die Hälfte! Ich finde,
das ist eine blamable Leistung.

Es ist noch nicht einmal 1 Milliarde Euro. Wie kommt
das? Die Einigung hinsichtlich der Verteilung der Mittel
besagt, dass das Sondervermögen auf bis zu 1 Milliarde
Euro aufgestockt werden soll. Laut Bundesregierung be-
finden sich in diesem Sondervermögen noch rund 450
Millionen Euro. Das würde heißen: Es gibt eine Aufsto-
ckung um 550 Millionen Euro.

Aber über die 450 Millionen Euro im Sondervermö-
gen ist zu sagen: Das Geld ist zwar noch nicht ausgege-
ben, aber es ist bereits zu fast 100 Prozent bewilligt. Das
heißt, dieses Geld ist faktisch schon weg. Diese Rech-
nung „450 Millionen Euro plus 550 Millionen Euro im
Sondervermögen, das macht 1 Milliarde Euro“ ist eine
reine Milchmädchenrechnung, weil die 450 Millionen
Euro für zukünftige Investitionen gar nicht mehr zur
Verfügung stehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


100 Millionen Euro soll es zusätzlich für die Quali-
tätsverbesserung in den Kitas geben, aber auch das erst
in 2017.

Ergebnis: Für den Kitabereich gibt es mitnichten
1 Milliarde Euro zusätzlich; es sind gerade einmal
650 Millionen Euro. Ich finde es wirklich ungeheuerlich,
wie mit dieser angeblichen 1 Milliarde Euro für die Kitas
Augenwischerei betrieben wird. Ich finde, das kann man
so nicht stehen lassen, liebe Kolleginnen, liebe Kolle-
gen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sönke Rix [SPD]: Was sagt denn die nordrhein-westfälische Landesregierung dazu?)


Die Vereinbarung für den Kitabereich ist eine Kata-
strophe, weil wir angesichts dieser mickrigen Summen
genau das nicht machen können, was wir eigentlich tun
müssten, nämlich tatsächlich in die Kitaqualität investie-





Katja Dörner


(A) (C)



(D)(B)

ren. Ich nenne einmal das Stichwort „Bundesqualitätsge-
setz“. Das wird in dieser Legislatur wohl nicht mehr
kommen.

Stattdessen bleibt uns das völlig unsinnige Betreu-
ungsgeld erhalten, das uns schon jetzt jährlich eine halbe
Milliarde Euro kostet. Wir haben jetzt die ersten Studien
zu der Frage der Wirksamkeit dieser Maßnahme bekom-
men, auch aus dem Familienministerium. Sie besagen
ganz klar: Das Betreuungsgeld verschärft die Bildungs-
ungleichheit in unserem Land. Deshalb ist für uns Grüne
ganz klar: Wir Grüne wollen das Betreuungsgeld ab-
schaffen und stattdessen in Kitas und frühkindliche Bil-
dung investieren. Wir wollen tatsächlich Ernst machen
mit guter Bildung für alle Kinder von Anfang an.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich möchte noch auf zwei Vorhaben eingehen, die uns
in Form von Gesetzgebung ins Haus stehen. Seit Freitag
letzter Woche – die Ministerin hat es angesprochen – ist
der Referentenentwurf eines Gesetzes in der Welt für
eine Frauenquote in Aufsichtsräten. Ich finde es natür-
lich gut, dass es endlich zu einer gesetzlichen Regelung
kommt. Wir alle wissen, dass die freiwilligen Vereinba-
rungen nichts gebracht haben. Aber eine 30-Prozent-
Quote und die nur für börsennotierte Unternehmen, das
heißt für insgesamt 101 Unternehmen, ist wirklich kein
großer Wurf. Wir Grüne haben gestern in der Fraktion
einen eigenen Gesetzentwurf beschlossen, der eine 40-
Prozent-Quote, und zwar auch für mitbestimmungs-
pflichtige Unternehmen, vorsieht. Wenn wir Grüne von
Gleichstellung von Frauen sprechen, dann bleiben wir
nicht auf halber Strecke stecken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zweiter Punkt: das ElterngeldPlus. Auch hier ist es
gut und überfällig, dass die Ungerechtigkeit beseitigt
wird, dass Eltern, die zeitnah nach der Geburt des Kin-
des Teilzeit arbeiten, weniger vom Elterngeld profitieren
als Eltern, die eher die klassische Rollenaufteilung wäh-
len. Aber an einer entscheidenden Stelle wird eine an-
dere Gerechtigkeitslücke gerade nicht geschlossen, und
zwar bei der Anrechnung des Elterngeldes auf das
ALG II. Auch Eltern im ALG-II-Bezug haben ein An-
recht auf eine Schonzeit nach der Geburt ihrer Kinder.
Die Anrechnung des Elterngeldes muss wieder zurück-
genommen werden. Auch das muss im Zusammenhang
mit dem ElterngeldPlus thematisiert und diskutiert wer-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend: Ich
bin wirklich froh, dass das unsägliche Anti-Linksextre-
mismus-Programm vom Tisch ist. Wir kennen alle den
Evaluierungsbericht des Deutschen Jugendinstituts aus
2013, wonach die daraus geförderten Projekte als einsei-
tig, methodisch schwach und stark gesteuert bezeichnet
worden sind. Es ist aus unserer Sicht absolut richtig,
wieder den Fokus darauf zu richten, wo der Schuh tat-
sächlich drückt.
Letzte Woche haben wir den Verfassungsschutzbe-
richt bekommen. Dieser Bericht zeigt die erschreckende
Tatsache auf, dass die rechtsextreme Gewalt gegenüber
2012 um 20 Prozent gestiegen ist. An diesem Punkt
müssen wir beherzt handeln. Ich erwarte, dass die Minis-
terin das umsetzt, was sie angekündigt hat, nämlich die
Mittel gegen Rechtsextremismus relevant aufzustocken
und zu verstetigen. Auch hier, Frau Ministerin, haben
wir uns über Ihre Ankündigungen gefreut. Aber auch
hier gilt: An Ihren Taten werden wir Sie messen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804111700

Das Wort hat der Kollege Alois Rainer für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Alois Rainer (CSU):
Rede ID: ID1804111800

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Wir blicken auf sehr konstruktive Gesprä-
che und Beratungen für den Bundeshaushalt 2014 zu-
rück. In diesem Zusammenhang möchte ich mich bei un-
seren Koalitionären für die gute Zusammenarbeit in den
Beratungen ganz besonders bedanken.


(Sönke Rix [SPD]: Gerne!)


– Bitte.

Wir haben seit langem – um es genau zu sagen, seit
1969; damals noch unter dem CSU-Finanzminister
Franz Josef Strauß – erstmals wieder die Möglichkeit,
für die kommenden Jahre ab 2015 einen Haushalt ohne
Neuverschuldung vorzulegen und sogar Überschüsse zu
erzielen. Dies ist gerade für die junge Generation in un-
serem Land von sehr großer Bedeutung. Dass man gute
Politik trotz Haushaltskonsolidierung machen kann,
zeigt der vorliegende Entwurf zum Haushalt 2014. Auf
der einen Seite sparen wir, und auf der anderen Seite in-
vestieren wir in diejenigen, die uns am wichtigsten sind,
nämlich in die Menschen und die Familien in Deutsch-
land.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Familien-
politik ist auch Politik der Verantwortung. Dass wir Ver-
antwortung übernehmen, machen wir sehr deutlich mit
den Ansätzen im Einzelplan 17, im Einzelplan des Bun-
desministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Ju-
gend. Im vorliegenden Haushaltsentwurf ist eine Politik
zu erkennen, die das Miteinander aller Generationen in
unserem Land fördert. Daher sprechen wir auch in die-
sem Jahr von Ausgaben in Höhe von circa 7,9 Milliarden
Euro. Dies macht deutlich, wie wichtig uns die Men-
schen und insbesondere die Familien in unserem Land
sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])


So haben wir den größten Posten im Einzelplan 17,
nämlich das Elterngeld, nochmals erhöht, und zwar um
470 Millionen Euro auf 5,37 Milliarden Euro. Damit





Alois Rainer


(A) (C)



(D)(B)

bleibt das Elterngeld nach wie vor ein sehr wichtiges In-
strument im Rahmen unserer Verantwortung gegenüber
den Familien in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Darüber hinaus ist es eine wesentliche Unterstützung für
Familien nach der Geburt eines Kindes. So fängt das El-
terngeld einen Einkommenswegfall auf, wenn Eltern
nach der Geburt für ihr Kind da sein wollen und ihre be-
rufliche Arbeit unterbrechen oder einschränken. Dass es
gut ist, das Elterngeld nochmals zu erhöhen, zeigt die
positive Entwicklung bei den Geburtenzahlen in
Deutschland. Auch freut es mich sehr, dass immer mehr
Väter die Möglichkeit nutzen, ihre Kinder in den ersten
Lebensmonaten intensiv zu begleiten. Dieser gesell-
schaftliche Wandel ist gut; er zeigt zugleich, dass das
Angebot von den Familien angenommen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass Eltern
und junge Familien die Möglichkeit haben, selbst über
die Betreuungs- und Erziehungsaufgaben in der Familie
oder im privaten Umfeld zu entscheiden. So war es auch
richtig, dass wir das Betreuungsgeld im Familienetat
umgesetzt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Mit der SPD zusammen!)


– Nein, das haben wir schon davor gemacht. – Gerade
diese Wahlfreiheit ist es, die den Menschen in unserem
Land das Selbstvertrauen schenkt, mehr Verantwortung
zu übernehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
mir ist bekannt, dass Sie gute Nachrichten für die Regie-
rungsfraktionen gerne übersehen oder auch überhören.
Daher nehme ich mir gerne Zeit, Sie nicht über die neu-
esten analytischen Auswertungen des Statistischen Bun-
desamts vom Juni 2014 im Unklaren zu lassen. Es gab
bekannt, dass das Betreuungsgeld bereits im ersten
Quartal 2014 für knapp 146 000 Kinder abgerufen
wurde. Allein diese Zahl belegt ausdrücklich den Erfolg
des Betreuungsgeldes.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Weil das so ist, haben wir den entsprechenden Ansatz
um 460 Millionen Euro auf jetzt 515 Millionen Euro an-
gehoben.

Es freut mich, dass die zusätzlichen Zuweisungen an
die Conterganstiftung in Höhe von 120 Millionen Euro
verstetigt worden sind. Damit wird sichergestellt, dass
die Leistungen für Contergangeschädigte in Form der
Conterganrenten und medizinischen Hilfen weiter er-
bracht werden können.

Ein Punkt, der mir besonders am Herzen liegt, ist der
Bundesfreiwilligendienst. Hier engagieren sich Frauen
und Männer für das Allgemeinwohl in unserer Gesell-
schaft. Es war wichtig, dass es uns gelungen ist, dafür zu
sorgen, dass die wertvolle Arbeit, die Freiwillige in
Deutschland leisten, fortgesetzt werden kann. Damit
senden wir ein wichtiges Signal an alle Freiwilligen, und
wir machen deutlich, dass ihr Dienst geschätzt wird und
es nicht nur um bloße Zahlen geht. Ich bin froh, dass wir
dieses Ziel erreicht haben und wir auch künftig jedem,
der einen Freiwilligendienst antreten möchte, dies er-
möglichen können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Stefan Schwartze [SPD])


Auch freue ich mich sehr – die Ministerin hat es
schon angesprochen –, dass wir in der Bereinigungssit-
zung zusammen mit unserem Koalitionspartner 1 Mil-
lion Euro mehr für die Jugendverbandsarbeit in
Deutschland durchsetzen konnten. Oft sind es die Ju-
gendverbände vor Ort, die ehrenamtliches Engagement
zeigen, sich selbst organisieren und einen unverzichtba-
ren Beitrag zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung
leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zum Schluss möchte ich ein Thema ansprechen, das
mich derzeit besonders bewegt, nämlich die künftige fi-
nanzielle Ausstattung der Mehrgenerationenhäuser.
Dazu wurde im Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir
ein Konzept entwickeln, um die Finanzierung der Mehr-
generationenhäuser nach dem Wegfall der ESF-Mittel
im Haushalt zu verstetigen. Mit den Mehrgenerationen-
häusern, die die Potenziale aller Generationen im Quer-
schnitt der Gesellschaft fördern, haben wir eine innova-
tive Antwort auf die demografischen Herausforderungen
geschaffen.

In diesen Mehrgenerationenhäusern werden das Wis-
sen und die Kompetenzen aller Generationen unter ei-
nem Dach zusammengeführt. Junge Menschen lernen
hier von älteren gegenseitige Rücksichtnahme, aber auch
Toleranz und Verantwortung. Für Seniorinnen und Se-
nioren bietet sich durch die Begegnungen und den Aus-
tausch mit Jüngeren die Gelegenheit, Neues zu entde-
cken und sich aktiv einzubringen.

Mit dieser Vielzahl und Vielfalt an generationenüber-
greifenden Angeboten und Aktivitäten prägen gerade
diese Häuser, diese Einrichtungen ein positives Alters-
bild in der Gesellschaft und leisten ihren Beitrag zu ei-
nem zukunftsorientierten Umgang mit den gesellschaft-
lichen Herausforderungen des demografischen Wandels.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Von daher ist es aus meiner Sicht dringend notwendig,
dass wir die Ende 2014 wegfallenden europäischen För-
dermittel ab dem Jahr 2015 im Haushalt verstetigen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir können und wir dürfen die Kommunen und die Be-
treiber der Mehrgenerationenhäuser nicht im Regen ste-
hen lassen.

Insgesamt kann man festhalten, dass die Mittel im
Einzelplan 17 gut investiert sind. Natürlich gibt es auf
der einen oder auf der anderen Seite immer noch Wün-
sche – das ist normal –, aber das große Ziel für die Zu-
kunft – wie schon eingangs gesagt –, einen ausgegliche-
nen Haushalt ohne neue Schulden aufzustellen, ist





Alois Rainer


(A) (C)



(D)(B)

gerade für unsere nachfolgende Generation wichtig, und
daran wollen und werden wir auch in Zukunft festhalten.

Herr Wunderlich, die Frau Ministerin hat Ihnen schon
gesagt, dass der Kinderzuschlag nicht gekürzt worden
ist. Er wurde einfach nicht in der entsprechenden Höhe
abgerufen.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Aber warum? Gehen Sie doch mal an die Ursachen, warum er nicht abgerufen wurde!)


Diese Mittel waren frei und wären an den Bundeshaus-
halt zurückgeflossen. Hätten wir den Bundesfreiwilli-
gendienst einfach so unberücksichtigt oder die Heimkin-
der Ost entsprechend unversorgt lassen sollen? Es war
schlichtweg einfach nicht richtig, was Sie gesagt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dies wollte ich zum Abschluss noch sagen. Ich liege
noch gut in meiner Zeit. Ich hoffe, diese Zeit wird mir ir-
gendwann einmal gutgeschrieben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sönke Rix [SPD]: Wird in Millionen gutgeschrieben, im Haushalt!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804111900

Zumindest für Haushaltsdebatten haben wir dafür

klare Regeln, dass das in den Fraktionen entsprechend
ausgeglichen wird.

Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Ulrike
Gottschalck das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulrike Gottschalck (SPD):
Rede ID: ID1804112000

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Das Familienministerium ist das Gesellschafts-
ministerium. Für unseren Etat sind knapp 8 Milliarden
Euro vorgesehen. Von diesen 8 Milliarden Euro werden
88 Prozent für wichtige gesetzliche Leistungen wie El-
terngeld, Unterhaltsvorschuss oder auch Zuweisungen
für die Conterganstiftung ausgegeben. Sehr viele Men-
schen in unserem Land profitieren von diesem Etat.

Von Gleichstellung und Chancen für unsere Kinder
über mehr Partnerschaftlichkeit in der Familie bis hin zu
einer Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements
oder eines aktiven und selbstbestimmten Alterns: Am
Etat des Ministeriums für Familie, Frauen, Senioren und
Jugend hängen wichtige Gestaltungsaufgaben von un-
schätzbarem Wert und von hoher Bedeutung für unser
Land und unsere Gesellschaft.

Mit dem Haushalt 2014 haben wir erste große Schritte
unternommen, um unseren gesellschaftlichen Auftrag,
den wir auch im Koalitionsvertrag verankert haben, um-
zusetzen. Die Haushälter haben den Entwurf in den letz-
ten Wochen noch ein wenig optimiert. Ich denke, wir
können heute feststellen: Diesem Haushalt können wir
ruhigen Gewissens und sehr zufrieden zustimmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte kurz auf einige Punkte eingehen, weil die
Kritik geäußert wurde, wir würden viel zu wenig ma-
chen. Ich will an dieser Stelle betonen, Frau Dörner:
6 Milliarden Euro als Peanuts zu bezeichnen – ich finde,
das ist schon ziemlich peinlich.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir alle haben leider keine Gelddruckmaschine. Außer-
dem waren die Anträge der Grünen nicht wirklich ge-
genfinanziert.


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erinnern Sie sich an Ihr Wahlprogramm? 10 Milliarden haben Sie im Wahlprogramm versprochen! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Es gibt einen Spruch: Wer schreit, hat unrecht.

Es gibt wichtige Punkte. Zum Beispiel wird der Mit-
telansatz für die Qualifizierungsoffensive erhöht. Außer-
dem investieren wir in die frühkindliche Bildung. In die-
sem Bereich werden wir in Zukunft noch viel mehr
Mittel einsetzen; die Ministerin hat das eben ausgeführt.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf das einge-
hen, was Herr Wunderlich zum Kinderzuschlag gesagt
hat: Das ist keine Leistungskürzung. Das sagte auch
schon der Kollege Alois Rainer. Im Topf war einfach
noch Geld, weil es weniger Fälle gab. Es ist nicht so,
dass es weniger Alleinerziehende gibt, aber es gab weni-
ger Fälle, und deswegen war in dem Topf „Kinderzu-
schlag“ noch Geld vorhanden. Dieses Geld haben wir
gesichert, um es für den BFD und für den Fonds „Heim-
kinder Ost“ einzusetzen. Ich gebe der Ministerin aus-
drücklich recht: Man darf die Kinder von heute nicht ge-
gen diejenigen ausspielen, die in der DDR Heimkinder
waren. Das ist einfach unsäglich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Diana Golze [DIE LINKE])


Ich habe offensichtlich ein vollkommen anderes Welt-
bild als die Linke. Wenn man Ihnen zuhört, könnte man
den Eindruck gewinnen, dass in ganz Deutschland nur
arme, dramatisch finanzschwache Familien wohnen.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Jedes fünfte Kind!)


Es gibt viele Menschen, die unter wirklich schwierigen
Umständen leben, und es gibt zu viel Kinderarmut. In
Deutschland gibt es aber auch ganz viele Familien, in
denen beide Elternteile arbeiten und ganz gut verdienen.
Trotzdem müssen sie zusehen, dass sie ihr Familienleben
organisiert bekommen. Auch für diese Familien sind wir
und das Ministerium zuständig.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das bestreitet keiner!)


Wir müssen diese Leute motivieren, nach Möglichkeit
noch mehr Kinder zu bekommen. Das ist wichtig für die





Ulrike Gottschalck


(A) (C)



(D)(B)

Sozialkassen, damit auch in Zukunft Menschen geför-
dert werden können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Da habe ich nichts gegen gesagt!)


Vielen Menschen helfen wir im Übrigen auch mit dem
Mindestlohn. Ich denke, das ist der beste Weg, um zu-
künftig Kinderarmut zu verhindern.


(Beifall bei der SPD)


Wir haben an dem Gesetzentwurf gefeilt und dabei
viel erreicht. Meinem geschätzten Kollegen Alois Rainer
und mir war die Jugendverbandsarbeit besonders wich-
tig. Wir konnten 1 Million Euro mobilisieren. Außerdem
konnten wir erreichen, dass der Bundesfreiwilligen-
dienst seine wichtige Aufgabe weiter ausüben kann. In
diesem Bereich gab es aufgrund eines Fehlers der Vor-
gängerregierung leider eine Finanzierungslücke. Wir ha-
ben das im Haushaltsausschuss zurechtgerückt. Daher
kann der beliebte Bufdi auf bewährtem Niveau fortge-
führt werden.

In wunderbarer Zusammenarbeit mit dem Familien-
ministerium und dem Finanzministerium haben wir den
Fonds für die Heimkinder Ost aufgefüllt, weil das ein
wirklich wichtiges Thema ist. Das haben wir im Koali-
tionsvertrag versprochen, und wir haben Wort gehalten.
Ich denke, das ist eine ganz wichtige Botschaft.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Während wir in dieser Woche den Haushalt 2014 ver-
abschieden, beginnen bereits die Arbeiten am Bundes-
haushalt 2015. Erlauben Sie mir daher einen kleinen
Ausblick: In diesem Haushalt wird es Veränderungen ge-
ben. Ich nenne das ElterngeldPlus, das die partnerschaft-
liche Erziehung von Kindern zukünftig noch stärker för-
dern wird. Ich will aber auch mit den Problemen nicht
hinterm Berg halten – diesbezüglich schließe ich mich
ausdrücklich den Ausführungen meines Kollegen Alois
Rainer, der das eben verdeutlicht hat, an –: Wir brauchen
Geld für die Mehrgenerationenhäuser, weil sie für uns in
Deutschland sehr wichtig sind.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


An die Adresse von Steffen Kampeter richte ich die
Bitte, diese Forderung in den Beratungen aufzunehmen;
denn bisher verliefen die Verhandlungen nicht ganz so
erfreulich, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir erwar-
ten schon, dass es zu der Verstetigung, die im Koalitions-
vertrag steht, kommt.

Im Einzelplan 17 sind auch die Mittel für das BAFzA,
das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche
Aufgaben, zu finden. Hier müssen wir im Haushalt 2015
einen Blick auf die Evaluierung im Zusammenhang mit
den übertragenen Aufgaben werfen. Das BAFzA hat
sehr viele Stellen mit kw-Vermerken, inzwischen aber
25 wichtige Aufgaben übertragen bekommen, zum Bei-
spiel das Hilfetelefon für Frauen in Not. Immerhin rufen
da, obwohl es ein neues Angebot ist, täglich schon
130 Frauen, die professionell beraten werden, in höchs-
ter Not an. Ich denke, dass wir darauf einmal genau
schauen müssen. Über die Stellen wurde damals im
Haushaltsausschuss ausführlich beraten. Man kam dann
zu dem Schluss, dass da gekürzt werden muss. Inzwi-
schen ist es aber so, dass das BAFzA wichtige Aufgaben
übernommen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns allen ist
bewusst, dass in einem Haushalt mit 88 Prozent Pflicht-
leistungen nur noch wenig zu schaffen ist. Trotzdem
möchte ich mich ausdrücklich bei der Ministerin und ih-
rem Team bedanken; denn sie haben es hinbekommen,
trotz aller Finanzzwänge auch in diesem Haushalt ihre
Duftmarken zu setzen, ein beeindruckendes Tempo vor-
zulegen und viel Tatkraft zu beweisen. Ich denke, das
war richtig gut. Auch für die gute und gedeihliche Zu-
sammenarbeit möchte ich mich im Namen der SPD-
Fraktion hier recht herzlich bedanken.


(Beifall bei der SPD)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Rede-
zeit ist um. Deswegen will ich nur noch sagen: Der
Haushalt 2014 ist eine solide Grundlage für eine zu-
kunftsweisende Gesellschaftspolitik. Daher bitte ich um
die Zustimmung aller hier im Hause. Vielleicht kann die
Opposition über ihren Schatten springen.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804112100

Nun hat der Kollege Michael Leutert für die Fraktion

Die Linke das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Michael Leutert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804112200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Ministerin, ich glaube, ich muss etwas Wasser in
den Wein gießen. Das wird Sie aber nicht überraschen.
Im Vorwort Ihres Haushaltes steht geschrieben, Deutsch-
land sei ein familienfreundliches Land. Ich sage Ihnen:
Nein, das stimmt nicht, Deutschland ist kein familien-
freundliches Land. Mit dieser Aussage stehe ich auch
nicht allein da, sondern die Mehrheit der Bevölkerung
teilt diese Meinung.

In der letzten Studie der Stiftung für Zukunftsfragen
bejahten nur 15 Prozent der Befragten die Aussage,
Deutschland sei kinderfreundlich. Damit rangiert
Deutschland im europäischen Vergleich auf dem aller-
letzten Platz. Das hat die Presse genüsslich ausge-
schlachtet; denn in Dänemark – das Land ist Spitzenrei-
ter – stimmten 90 Prozent der Befragten der Aussage zu,
ihr Land sei kinderfreundlich.

In der Presse wurde – das ist das eigentlich Interes-
sante – allerdings nicht reflektiert, dass es zwei Jahre zu-
vor eine ähnliche Umfrage gab. Damals waren in
Deutschland – das ist immer noch ein katastrophaler
Wert – immerhin 21 Prozent – also 6 Prozentpunkte
mehr – der Auffassung, Deutschland sei kinderfreund-
lich. Somit haben wir einen rückläufigen Trend. Eigent-





Michael Leutert


(A) (C)



(D)(B)

lich sollte dieser Trend durch die Politik umgedreht wer-
den. Zumindest war das der politische Wille.

So wurde 2007 zum Beispiel – auch damals von einer
Großen Koalition – per Gesetz das Elterngeld eingeführt
und das Erziehungsgeld abgeschafft. Auch in diesem
Haushalt stehen wieder über 5 Milliarden Euro dafür zur
Verfügung. Ziel dieses Gesetzes war aber explizit, die
Geburtenrate anzuheben. Dieser Effekt ist eben nicht
eingetreten. Es gibt heute genauso viele Geburten in
Deutschland wie im Jahr 2007. Herr Kollege Rainer, ich
weiß nicht, woher Sie Ihre Zahlen nehmen. Ich kann
nämlich den von Ihnen genannten Trend aus der Statistik
nicht herauslesen. Kinderfreundlicher ist das Land in
den Augen der Bevölkerung auch nicht geworden.

Genauso verhält es sich mit dem Kitaausbau. Er ist
eine Notwendigkeit, reicht aber bei weitem nicht aus, die
selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Genauso notwendig
ist eine gute Betreuung in den Kitas. Weiter ist es not-
wendig, dass die Kitas Öffnungszeiten haben, die mit
den Arbeitszeiten der Eltern übereinstimmen. Die Quali-
tät ist eben genauso wichtig.

Statt an diesen Dingen bzw. an den realen Problemen
zu arbeiten, haben Sie auf Betreiben der CSU das Be-
treuungsgeld – die „Herdprämie“ – eingeführt und finan-
zieren es mit über 500 Millionen Euro pro Jahr.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist eine Frechheit!)


Dagegen läuft eine Klage vor dem Bundesverfassungs-
gericht, eingereicht vom SPD-geführten Hamburger Se-
nat. Im Bundestag gibt es eine breite Mehrheit – sie um-
fasst Linke, Grüne und SPD sowie wahrscheinlich auch
Teile der CDU – gegen diese Familienförderung aus dem
letzten Jahrhundert.


(Zuruf von der LINKEN: Aus dem vorletzten!)


– Vorletzten Jahrhundert!


(Beifall bei der LINKEN)


Ich bin der Meinung, dass es an der Zeit ist, die Frage zu
stellen, was in Deutschland trotz der Sozialleistungen,
die zur Verfügung gestellt werden, schiefläuft, und wa-
rum sich an der Einstellung Kindern gegenüber nicht
viel geändert hat.

Ich bin davon überzeugt, dass sich auch in den klei-
nen und ganz banalen Dingen im Alltag etwas ändern
muss. Ich glaube, alle, die Kinder haben, wissen, wovon
ich spreche. Wer zum Beispiel einmal mit einem Kinder-
wagen in einen ICE eingestiegen ist, weiß, was ich
meine. Man muss schon sehr sportlich sein, um in den
Zug hineinzukommen, und wenn man es geschafft hat,
ist man sozusagen geparkt, weil man mit dem Kinderwa-
gen nicht weiterkommt; denn er passt nicht durch die
Gänge. Diese Liste von Beispielen könnte ich beliebig
lange fortsetzen. Wie gesagt, Sie alle kennen das.

In Deutschland wird meines Erachtens Gesellschaft
viel zu wenig aus dem Blickwinkel von Kindern, Fami-
lien oder Schwangeren betrachtet. Wenn über Kinder ge-
sprochen wird, ist immer die Rede von Problemen und
davon, dass Kinder zu viel kosten, dass die persönliche
Freiheit eingeschränkt ist, dass die Karriere durch Kin-
der behindert wird oder dass Kinder zu laut sind. Solche
Einstellungen können sich auch ganz schnell zu echten
Mauern auftürmen, wie zum Beispiel in Berlin, wo ein
Investor tatsächlich eine 5 Meter hohe Mauer errichten
ließ, um den Lärm des angrenzenden Kinder- und Ju-
gendzentrums von seinen neu errichteten Eigentumsvil-
len fernzuhalten. Ich nenne hier dieses Beispiel, weil es
für mich ein Paradebeispiel dafür ist, wie sich Kinderun-
freundlichkeit im Alltag manifestiert.

Frau Ministerin, ich vermisse in Ihrem Haushalt die
innovativen Elemente. Sie schreiben tatsächlich nur den
alten Haushalt von Kristina Schröder fort. Sie haben
aber selbst formuliert, dass Sie eine moderne Familien-
politik und eine gute Kinderpolitik machen wollen. Dazu
benötigen wir in Deutschland aber zuallererst ein kinder-
freundliches Klima. Die 500 Millionen Euro, welche
jetzt für das Betreuungsgeld ausgegeben werden müs-
sen, wären meines Erachtens besser für Maßnahmen ge-
eignet, mit denen positive Anreize für Kinderfreundlich-
keit geschaffen werden.

Man könnte das Geld aber auch dafür verwenden,
Kinderarmut zu bekämpfen – das ist hier schon mehr-
fach angesprochen worden, Frau Kollegin Gottschalck –,
aber dieses Wort kommt ja leider im Koalitionsvertrag
nicht vor. Kinderarmut existiert aber real. 2,5 Millionen
Kinder in Deutschland sind von Kinderarmut bedroht
oder leben in Kinderarmut. Wir Linke haben konkret dazu
einen Antrag vorgelegt. Seine Umsetzung würde 500 Mil-
lionen Euro kosten; das wären genau die 500 Millionen
Euro für das Betreuungsgeld. Wir schlagen vor, den Un-
terhaltsvorschuss auszuweiten, die Grenze von 72 Mo-
naten Bezugsdauer und die Altersgrenze von zwölf Jah-
ren aufzuheben. Das wäre ein ganz konkreter Vorschlag,
um Kinderarmut in Deutschland zu bekämpfen.


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von
der Koalition, Frau Ministerin, dieser Haushalt ist zu-
kunftsunfähig. Er tut nichts gegen die Kinderunfreund-
lichkeit in Deutschland, auch nichts gegen die Kinderar-
mut. Aus diesen Gründen können wir diesem Etat in der
Form nicht zustimmen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804112300

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin

Nadine Schön das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In diesen
Tagen kommen wir wegen der Fußballweltmeisterschaft
in Brasilien auch in unserem Land nicht so ganz um das
Thema Fußball herum, gerade in der Woche, in der





Nadine Schön (St. Wendel)



(A) (C)



(D)(B)

Deutschland noch ein wichtiges Vorrundenspiel hat. Ich
bin hier im Parlament bestimmt nicht die Erste, die einen
Fußballvergleich heranzieht. Die aktuellen Haushaltsde-
batten sind gerade dazu prädestiniert, sie mit dem be-
kannten Spruch von Sepp Herberger zu vergleichen


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!)


– genau, Herr Wunderlich hat es schon gesagt –: Nach
dem Spiel ist vor dem Spiel.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Entscheidend ist auf dem Platz!)


Während wir Mitte des Jahres 2014 den Haushalt für
2014 verabschieden, finden parallel bereits die Vorbera-
tungen für den Haushalt 2015 statt. Deshalb will ich in
meiner Rede nicht nur über den Haushalt 2014 reden,
sondern schon einen kleinen Ausblick auf das geben,
was wir im nächsten Jahr in der Großen Koalition an fa-
milienpolitischen Maßnahmen planen, was die zukünfti-
gen Schwerpunkte der Familienpolitik sein werden.

Wir haben in der Großen Koalition drei Ziele. Wir
wollen erstens mit unserer Politik den Zusammenhalt in
der Gesellschaft stärken. Wir wollen zweitens, dass Fa-
milie in Deutschland gelebt werden kann. Wir wollen
drittens, dass dort Hilfe geleistet wird, wo Hilfe ge-
braucht wird, dass wir die Menschen, die in Not sind, an
der richtigen Stelle unterstützen. Der Haushalt 2014
spiegelt genau diese Bemühungen wider.

Beginnen wir mit dem Thema Zusammenhalt der Ge-
sellschaft. Es ist natürlich sehr schwer, dies in Haus-
haltszahlen abzulesen. Einen Zusammenhalt in Haus-
haltszahlen auszudrücken, ist ein Widerspruch in sich.

Aber es gibt auch in diesem Haushalt ein paar Punkte,
die belegen, dass das Miteinander der Menschen in unse-
rem Land auch für uns in Berlin ein wichtiges Anliegen
ist. Nehmen wir das Thema Bundesfreiwilligendienst;
Frau Pahlmann wird darauf nachher noch näher einge-
hen. Dass sich in den letzten drei Jahren 128 000 Men-
schen in Deutschland freiwillig in den Dienst der Sache
gestellt und sich ein halbes Jahr oder ein Jahr lang für
andere Menschen eingesetzt haben, ist wirklich eine her-
vorragende Leistung. Das gilt vor allem dann, wenn man
sich vor Augen führt, mit welchen Kommentaren die
Einführung des Bundesfreiwilligendienstes vor drei Jah-
ren begleitet wurde. Damals haben viele gesagt: Das
wird nichts. Kein Mensch macht den Bundesfreiwilli-
gendienst. Das wird ein Flop. – Der Bundesfreiwilligen-
dienst ist ein Riesenerfolgsmodell; wir können stolz da-
rauf sein. Ich bin froh, dass wir auch in diesem Jahr die
notwendigen Haushaltsmittel zur Verfügung stellen, da-
mit die freiwillig Dienstleistenden ihre Arbeit aufneh-
men können.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein weiterer Punkt ist das Thema Jugendarbeit; heute
Abend sitzen ja viele junge Menschen auf der Zuschau-
ertribüne. Die Jugendarbeit werden wir noch stärker un-
terstützen, als es bisher der Fall war. Es fließt schon sehr
viel Geld in die Förderung ehrenamtlicher Strukturen,
die durch eine gewisse hauptamtliche Basis unterstützt
werden. Deshalb haben wir den Ansatz für die Jugend-
verbandsarbeit um 1 Million Euro aufgestockt.

Aber Geld ist eben nicht alles, sondern zu Geld gehört
auch Anerkennung. Deshalb will ich an dieser Stelle die
Gelegenheit nutzen, um auf den Deutschen Engagement-
preis hinzuweisen. Ende des Monats läuft die Bewer-
bungsphase aus. Auf der Homepage zum Deutschen En-
gagementpreis findet man viele nützliche Informationen
zum ehrenamtlichen Engagement. Mit diesem Preis wird
das Ehrenamt nicht nur finanziell unterstützt – das ist
ganz gut und ganz nett –, sondern vor allem auch ideell.
Unsere Politik gilt den Ehrenamtlichen. Das gilt sowohl
für den Haushalt als auch im täglichen Leben.

Der zweite wichtige Punkt neben dem Zusammenhalt
der Gesellschaft ist, dass Familie gelebt werden kann;
dazu haben die Kollegen schon viel gesagt. Familie ist
ein Wert, der auch von jungen Menschen wieder als
wichtig erachtet wird; das besagen die Ergebnisse aller
aktuellen Studien und Umfragen. Ich finde, es ist eine
schöne Entwicklung, dass Familie wieder wichtiger
wird.

Kollege Leutert, ich war ganz überrascht über Ihre
Ansätze im Bereich der Familienpolitik und darüber,
dass Sie das wichtige Thema Familienfreundlichkeit in
den Mittelpunkt Ihrer Rede gestellt haben. Sonst heißt es
vonseiten der Linken ja immer: Wir brauchen mehr
Geld! – Dabei geben wir in Deutschland für die Fami-
lienpolitik mehr Geld aus als alle anderen europäischen
Länder. Allerdings haben wir das Problem, dass
Deutschland als nicht familienfreundlich genug wahrge-
nommen wird. Wir dürfen nicht nur auf das Geld
schauen, sondern müssen uns auch fragen: Was können
wir darüber hinaus tun, um familienfreundlicher zu wer-
den? Das ist ein guter Ansatz, über den wir schon öfter
diskutiert haben. Ich bin froh, dass wir jetzt auch die
Linken auf unserer Seite haben. Über diesen Punkt kön-
nen wir sehr gerne weiter diskutieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir unterstützen Familien mit kleinen Kindern durch
das Elterngeld und das Betreuungsgeld. Mittlerweile
fließen 5,8 Milliarden Euro in diese Projekte. Zum
ElterngeldPlus führen wir gerade Beratungen durch. Wir
werden das Elterngeld noch flexibler und partnerschaft-
licher gestalten. Es ist unser großes Anliegen, das Er-
folgsmodell Elterngeld für junge Familien noch attrakti-
ver zu machen, damit es den Bedürfnissen junger
Familien genau entspricht.

Wir werden auch weiterhin die Kinderbetreuung stär-
ken. Dabei geht es etwa um das Thema Sprachförderung
und um die Qualifizierungsoffensive. Dafür haben wir in
diesem Haushalt 126 Millionen Euro veranschlagt. Zu
sagen, der Bund halte sich bei diesem Thema heraus, ist
wirklich unwahr. Wir unterstützen die Kommunen und
die Länder bei der Erfüllung dieser wichtigen Aufgabe.
Das werden wir auch weiterhin tun.


(Beifall bei der CDU/CSU)






Nadine Schön (St. Wendel)



(A) (C)



(D)(B)

Wir werden auch unser Programm zu familienbe-
wussten Arbeitszeiten fortführen. Herr Leutert, Sie ha-
ben recht: Familienfreundlichkeit muss sich in allen Be-
reichen der Gesellschaft zeigen, auch im Arbeitsleben.
Deshalb ist es richtig, dass die guten Projekte der letzten
Legislaturperiode mit Mitteln dieses Haushalts weiterge-
führt werden. Die Arbeitswelt ist im Hinblick auf die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiger
Punkt. Aber ich sage auch ganz klar an die Adresse der
Unternehmen: Es reicht nicht, nur flexible Arbeitszeiten
anzubieten. Auch die Strukturen in den Unternehmen
müssen sich ändern, und die Karrierewege müssen ange-
passt werden. Erst dann haben wir eine echte Vereinbar-
keit von Familie und Beruf und echte Familienfreund-
lichkeit erreicht. Unser Gesetz zum Thema „Frauen in
Führungspositionen“ wird die eine oder andere Diskus-
sion in den Unternehmen sicherlich noch einmal anregen
und beschleunigen, und das ist gut so.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Immer brisanter in den Familien wird das Thema
Pflege. Nicht jeder hat Kinder, aber jeder hat Eltern; des-
halb ist Pflege in jeder Familie früher oder später ein
Thema. Minister Gröhe ist mit großem Engagement bei
der Sache; aber auch wir Familienpolitiker haben hier
eine Verantwortung. Wir müssen das Konzept der Fami-
lienpflegezeit weiterentwickeln. Dafür steht derzeit
schon 1 Million Euro im Haushalt. Es ist uns ein Anlie-
gen, dass Familien Beruf und Pflege besser miteinander
vereinbaren können. Das ist ein wichtiges Thema; denn
viele Familien fragen sich: Wie schaffe ich es, meine Be-
rufstätigkeit mit der Pflege meiner Angehörigen zu ver-
binden? – Wir müssen die Menschen, die diese wichtige
Aufgabe übernehmen, besser unterstützen. Wir müssen
mehr hinhören: Was sind eure Bedürfnisse? Was muss
getan werden? – Die Familienpflegezeit ist ein wichtiger
Ansatz; damit sind wir aber ganz sicher noch nicht am
Ende der Diskussion.

Der dritte Punkt unserer Familienpolitik ist: Hilfe
leisten, wo Hilfe gebraucht wird. Wir haben in diesem
Frühjahr ein Gesetz zur vertraulichen Geburt auf den
Weg gebracht. Wir haben die vertrauliche Geburt imple-
mentiert. Mit diesem neuen Modell helfen wir Frauen,
die schwanger sind, aber damit hadern und noch nicht
wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Des-
halb gibt es hier spezifische Beratung und die Möglich-
keit, das Kind anonym unter guten und hygienischen Be-
dingungen zur Welt zu bringen und die eigenen Daten
– das ist aus rechtlichen Gründen erforderlich – anonym
zu sichern. Wir stellen für dieses wichtige Projekt und
für die Unterstützung von ungewollt Kinderlosen
12 Millionen Euro in den Haushalt ein. Damit stärken
wir Menschen, die sich in diesen schwierigen Lebens-
situationen befinden.

Wir stärken außerdem das Programm „Frühe Hilfen“.
Wir haben gerade wieder erschreckende Zahlen zur Ge-
walt gegen Kinder und zur Gewalt in Familien gehört.
Hier bringt unser Programm „Frühe Hilfen“ die richtigen
Ansatzpunkte. Es ist ein kluges Modell, zusammen mit
den Ländern und den Kommunen zu schauen, wie man
die Netzwerke auf der einen Seite und die Eltern auf der
anderen Seite stärken kann. Ein ganz wichtiger Punkt ist:
Wie kann man die Eltern in ihrer Erziehungskompetenz
stärken? An diesem Punkt müssen wir ansetzen; denn
die Erziehungskompetenz der Eltern ist der Schlüssel zu
weniger Gewalt gegen Kinder und damit der Schlüssel
zu glücklichen Familien und gesunden Kindern – was
wir in unserem Land erreichen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Dreiklang „Zusammenhalt der Gesellschaft“,
„Familie leben“ und „Hilfe bieten“ wird auch in Zukunft
die Richtschnur unserer Familienpolitik sein. Wir wollen
aber genauso, dass auch künftige Generationen noch
Möglichkeiten haben, das Land zu gestalten. Deshalb ist
uns als Unionsfraktion auch die Schuldenbremse wich-
tig. Wir wollen der nächsten Generation keine Schulden-
berge hinterlassen. Deshalb wird auch die Aufstellung
des nächsten Haushaltes nicht leicht. Die Schulden-
bremse gilt, wir müssen den Haushalt konsolidieren.
Gleichzeitig wollen wir die Familien unterstützen, die
Hilfe brauchen. Deshalb werden die anstehenden Bera-
tungen ganz sicher nicht leicht.

Ich darf zum Schluss noch einmal Sepp Herberger zi-
tieren mit einer weiteren Fußballweisheit, die da heißt:
Das nächste Spiel ist immer das schwerste.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Und: Das Runde muss in das Eckige!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804112400

Zur Information an die Unionsfraktion: Der Kredit,

den der Kollege Rainer hinterlassen hat,


(Alois Rainer [CDU/CSU]: Gerne gemacht!)


ist hiermit aufgebraucht; aber Sie haben ja noch drei Re-
den auf der Redeliste.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Beim Elfmeterschießen machen wir dann aber auch mit!)


Aber zuallererst hat die Kollegin Franziska Brantner
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie heute
bei uns sind! In einem Spiegel-Interview vom Dezember
hat Frau Schwesig noch erklärt, dass es von Bundesseite
aus „eine ordentliche Summe Geld“ für die Kitas geben
wird. Davon ist jetzt nicht mehr viel übrig: Es sollten
erst 2 Milliarden Euro sein. Dann hieß es: 1 Milliarde
Euro. Jetzt sind es noch 550 Millionen Euro.

Jetzt seien Sie einmal ganz ehrlich, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der SPD: Ist eine halbe Milliarde Euro
für vier Jahre ein gutes Ergebnis für die Kitas, oder war
Herr Schäuble nicht einfach sehr pfiffig? Das könnte
man ja auch einmal sagen: Er hat doch ganz klug und





Dr. Franziska Brantner


(A) (C)



(D)(B)

lustig-pfiffig verhandelt. – Für die Kinder in diesem
Land ist das aber kein gutes Ergebnis.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sönke Rix [SPD]: Fragen Sie auch einmal Ihre Landesregierung!)


Herr Rainer, es hat mich schon überrascht, dass Sie
vorhin einfach gesagt haben – der Kollege ist gar nicht
mehr da –, das Betreuungsgeld sei wunderbar. Ich finde
es wirklich beeindruckend, dass jemand von der Regie-
rungsseite die eigene Analyse aus dem Hause der Minis-
terin einfach ignorieren kann, die eindeutig sagt: Das
Betreuungsgeld trägt zu größerer sozialer Ungerechtig-
keit bei. Ich finde es ganz schön mutig, das zu ignorieren
und zu sagen, das sei trotzdem ein Erfolg, also einfach
gegen die Fakten anzureden und zu sagen: Die Realität
ist uns doch egal. Hauptsache, es passt in unsere Ideolo-
gie!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Da wir jetzt über die Investitionen für die Kitas reden,
können wir uns ja vielleicht auch einmal fragen – gerade
kam der Zuruf zu den Ländern –, wie wir es schaffen,
dass das Geld wirklich zielgerichtet bei den Kitas an-
kommt. Dafür brauchen wir ein Qualitätsgesetz, über das
wir sicherstellen können, dass die Gelder vor Ort an-
kommen. Das ist doch unsere Aufgabe.


(Sönke Rix [SPD]: Wenn die Länder das mitmachen!)


Ich finde, wir sollten daran arbeiten. Ich weiß, dass
Sie das wollen, Frau Schwesig, und ich finde das absolut
richtig. Unsere Unterstützung haben Sie, weil diejeni-
gen, die sich in den Verhandlungen für die kleinen Kin-
der einsetzen, immer den Kürzeren ziehen werden, wenn
wir es nicht schaffen, dieses Gesetz voranzubringen.
Hier können Sie auf unsere Unterstützung zählen. Wir
kämpfen mit an Ihrer Seite für die Qualität in den Kitas
und für unsere kleinen Kinder in Deutschland.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sönke Rix [SPD]: Nordrhein-Westfalen geht voran!)


– Die einzelnen Bundesländer will ich jetzt nicht erwäh-
nen.

Ich möchte noch einen Punkt erwähnen, der im Haus-
halt leider nicht stark genug berücksichtigt wird. Wir alle
finden es beschämend, dass rund 2,5 Millionen Kinder
in Deutschland in Armut leben. 15 Prozent der Kinder in
Deutschland leben in Haushalten mit Hartz-IV-Bezug.
Wo tauchen diese Kinder und ihre Familien im Haushalt
auf? Selbst die Erhöhung des Kinderzuschlags – und
auch sie wäre nur ein kleiner Schritt in die richtige Rich-
tung – ist in weiter Ferne. Wir müssen endlich die Kon-
sequenzen aus der Evaluation der Ehe- und Familienför-
derung ziehen und uns an die Umgestaltung der
Leistungen machen.

Frau Schön, Sie haben es ja richtig gesagt: Wir geben
in Deutschland in diesem Bereich sehr viel Geld aus. –
Die Frage ist nur: Geben wir es richtig aus, sodass wir
die Ziele, die Sie genannt haben – davon können wir alle
wahrscheinlich relativ viele unterschreiben –, damit
auch erreichen? Unserer Meinung nach tun Sie das nicht.
Die Evaluierung hat auch gezeigt: Sie erreichen die
selbstgesetzten Ziele mit diesen Geldern nicht. Gehen
Sie dieses schwierige Thema deshalb endlich einmal an
– Sie sind eine Große Koalition und haben eine große
Mehrheit –, und zeigen Sie Mut, diese Gelder in
Deutschland endlich wirklich im Sinne der Kinder zu
vergeben, und zwar unabhängig vom Trauschein der El-
tern, sodass es Gerechtigkeit gibt und Kinderarmut in
Deutschland effektiv bekämpft wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Beim ElterngeldPlus geht es voran. Große Teile da-
von finden wir richtig. Die Kollegin hat es aber schon er-
wähnt: Wir finden es schwierig, dass es bei jenen, die
Hartz IV beziehen, angerechnet wird.

Erlauben Sie mir, in diesem Zusammenhang noch ei-
nen Punkt zu erwähnen: Es geht um Flexibilisierung.
Wir wünschen uns, dass das Ganze noch wesentlich fle-
xibler gestaltet wird. In anderen europäischen Ländern,
zum Beispiel in Belgien und Schweden, kann die Eltern-
zeit vierteltägig genommen und entsprechend verlängert
werden. Das kostet de facto nicht mehr, verschafft den
Eltern aber die Flexibilität, die sie wollen, sodass sie das
ganz individuell gestalten können. Wenn wir schon Fle-
xibilität in dieses System hineinbringen: Warum erhöhen
Sie sie nicht ganz stark, indem die Elternzeit vierteltägig
genommen und somit das Elterngeld über einen entspre-
chend längeren Zeitraum bezogen werden kann?

Frau Schwesig, liebe Kolleginnen und Kollegen der
Regierungsfraktionen, mit dem Haushalt 2014 können
Sie uns vielleicht noch vertrösten, weil Sie neu im Amt
sind, aber für 2015 erwarten wir Taten, vor allem zur Be-
kämpfung von Kinderarmut. Wir zählen auf Sie.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804112500

Der Herr Kollege Marcus Weinberg hat für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Guter Mann!)



Marcus Weinberg (CDU):
Rede ID: ID1804112600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Kollege Wunderlich telefoniert. Lieber geschätzter
Kollege Wunderlich, ich komme noch einmal zu der Sa-
che mit dem Kinderzuschlag zurück, auch wenn ich ge-
fühlt der 27. Redner bin, der das korrigiert.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Dann muss es ja gesessen haben!)


Ganz im Sinne von Oscar Wilde, den Sie so gerne zitie-
ren, sage ich: „Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen
haben und den Mund halten.“ Da das Thema vom Tisch
ist und die Angelegenheit bereinigt ist, bitte ich Sie: Wir
sollten nicht verschiedene Dinge miteinander vermi-
schen, die nichts miteinander zu tun haben.





Marcus Weinberg (Hamburg)



(A) (C)



(D)(B)

Ich will in meiner Rede darauf hinweisen, dass der
Anfang der Haushaltsberatungen immer eine gute Gele-
genheit bietet, sehr konkret zu definieren: Worin inves-
tiert man, und wo setzt man politische Schwerpunkte?
Es ist auch immer so, dass eine Haushaltsberatung insge-
samt dazu dient, zu überlegen: Was ist eigentlich die
Philosophie, möglicherweise sogar der gute Geist einer
Koalition, wenn es um die Frage geht, wie Familienpoli-
tik aussehen sollte? Nadine Schön hat schon viel dazu
gesagt, was uns bei der Entwicklung von familienpoliti-
schen Maßnahmen in den nächsten Jahren prägt.

Ich möchte ihre Ausführungen gerne noch um drei
Punkte ergänzen. Der erste Punkt ist das Thema Wahl-
freiheit. Wir sehen, dass Familien und Betroffene für
sich in einer verstärkten Form von Wahlfreiheit entschei-
den müssen, was die richtigen Mittel oder Möglichkeiten
sind. Der zweite Punkt betrifft die Chancengerechtigkeit
auf mehreren Ebenen. Es geht um die Frage des Einkom-
mens, um die Rolle von Mann und Frau sowie inzwi-
schen auch um die Frage von Jung und Alt und darum,
hier einen Ausgleich zu schaffen. Der dritte Punkt ist die
immer häufiger in unserer Gesellschaft geführte Diskus-
sion, im Zusammenhang mit Familienbildern die Le-
bensqualität zu stärken. Diese Lebensqualität hängt von
folgendem Dreieck der Familienpolitik ab: finanzielle
Leistung auf der einen Seite, Infrastrukturmaßnahmen
auf der anderen Seite und Zeitmanagement auf der drit-
ten Ebene.

Ich möchte die Grünen, weil sie mehrfach die finan-
ziellen Leistungen dieser Bundesregierung kritisiert
haben, daran erinnern – ich erwähne es mittlerweile
ungern –: Wir haben den Etat im Bereich der Familien-
politik im Vergleich zum letzten rot-grünen Etat, an dem
Sie beteiligt waren, um über 76 Prozent gesteigert. Es ist
ein deutliches Signal der letzten Jahre gewesen, dass in
Familien investiert wird.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Crone [SPD])


Es gilt, bei den Grundlagen zu sehen, dass sich Fami-
lienbilder und Leitbilder natürlich verändern. Es wird
unsere Aufgabe sein, in der Zukunft diese veränderten
Familienbilder verstärkt anzuerkennen. Ich meine damit,
die Vielfalt bedarfsgerecht zu unterstützen und dabei
Vertrauen zu haben, dass die Familien, wenn sie die
Wahl haben, am besten wissen, was sie zu tun haben und
welche Leistungen sie in Anspruch nehmen können, und
dabei den Eltern nichts vorzuschreiben, also diesen Be-
reich zu entideologisieren. Jahrzehntelang haben wir ge-
nau das gemacht, nämlich ideologisiert. Diese Zeit muss
vorbei sein. Vielmehr muss die Anerkennung der Frei-
heit ganz oben auf unserer Agenda stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das heißt dann auch, dass Familienleistungen zu
überprüfen sind. Da Familienleistungen in bestimmten
Jahrzehnten unter gewissen gesellschaftlichen Bedin-
gungen entwickelt wurden, wird man immer wieder
überprüfen müssen: Sind sie noch aktuell? Helfen sie
noch da, wo sie helfen sollen? Das werden wir tun. All
das müssen wir aber auch unter dem Gesichtspunkt der
Haushaltskonsolidierung sehen, das ein Grundziel ist.
Nadine Schön hat es deutlich gemacht: Unter dem Strich
ist das Wichtigste für die nachfolgende Generation, für
unsere Kinder, dass wir ihnen so wenig Schulden wie
möglich hinterlassen; denn sie sind diejenigen, die diese
Schulden begleichen müssen. Diese Last sollten wir ih-
nen nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn man sich die familienpolitischen Maßnahmen
von heute und der nächsten Jahre anschaut, dann ist es
wichtig, nicht nur zu überlegen, was wir in der Politik
wollen, sondern die Frage ist: Was sind die Wünsche
und Erfordernisse, die von Familien definiert werden?
Wenn man sich die TOP 4 der Erwartungen von Eltern
an die Familienpolitik ansieht, dann stellt man fest, dass
sich in den letzten Jahren nicht viel verändert hat, ob-
wohl bereits viel passiert ist. Es sind die Themen Verein-
barkeit von Beruf und Familie, Ausbau von Krippenplät-
zen, Stärkung junger Familien und Schaffung besserer
Bildungschancen, gerade für Kinder bedürftiger Fami-
lien. Das ist auch unser Ansatz, unsere rote Linie, die
sich seit vielen Jahren durch unsere Familienpolitik
zieht.

Eines ist hinzugekommen und wird sich im Laufe der
nächsten Jahre noch verstärken – das bildet dieser Haus-
halt ab; es wird in den nächsten Jahren noch stärker ab-
gebildet werden –: Das ist der Wunsch vieler Mütter und
Väter, gemeinsam und partnerschaftlich Erwerbstätig-
keit und Familienarbeit zusammenzubringen. Das ist
auch unser Ansinnen in der Politik. Wir sehen, dass
mehr junge Väter mehr Zeit mit Kindern verbringen
wollen, dass aber auch mehr junge Mütter wieder ver-
stärkt arbeiten wollen. Danach hat sich die Politik auszu-
richten. Das machen wir.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der erste Schritt war, zu sagen: Das Elterngeld ist
die richtige Maßnahme. Jetzt kommt der zweite Schritt,
indem wir sagen: Diese Maßnahme muss mit dem El-
terngeldPlus noch verstärkt werden. Insbesondere der
Wunsch nach mehr Partnerschaftlichkeit wird sich in
den Maßnahmen der Politik abbilden.

Wenn ich von dem Dreieck Infrastruktur, Geld und
Zeitmanagement spreche, dann kann man mit Blick auf
den Haushalt erstens feststellen, dass beim Krippenaus-
bau Enormes geleistet worden ist. Es wurden 5,4 Mil-
liarden Euro für mittlerweile über 800 000 Betreuungs-
plätze bereitgestellt. Das betraf den Rechtsanspruch ab
1. August 2013. Jahrelang von der Opposition belächelt,
hat es geklappt. Jetzt wird man schauen, wie der weitere
Bedarf ist, und dann wird man Lösungen finden – das ist
eine klare Zusage –, wie dieser weitere Bedarf abgebil-
det wird.

Dazu bekommen die Länder bis jetzt noch einmal
845 Millionen Euro für die Betriebskosten, und ab 2017
kommen noch einmal 100 Millionen Euro hinzu.





Marcus Weinberg (Hamburg)



(A) (C)



(D)(B)

Damit ist auch verbunden, dass die Länder gerade bei
dem Gesichtspunkt der Qualitätssteigerung in der Ver-
antwortung stehen. Denn es ist so, dass, wenn wir ab
2017 diese Mittel in Höhe von jährlich fast 1 Milliarde
Euro bereitstellen, damit die Erwartung verbunden ist,
dass uns die Länder dann auch deutlich signalisieren,
dass Qualitätssteigerungen angestrebt werden.

Der zweite Punkt ist die Einführung des Elterngeldes;
dafür wurden mittlerweile im Etat 2014 deutlich über
5 Milliarden Euro veranschlagt. Es ist also ein Erfolgs-
modell, das angenommen wurde und deshalb auch ent-
sprechend ausgebaut wird.

Drittens will ich noch einmal die Schwerpunktkitas
Sprache ansprechen. Hierfür sind im Jahr 2014 126 Mil-
lionen Euro eingestellt worden. Gerade auch im Hin-
blick auf das Thema Bildungschancen – das ist ja immer
Ihr Thema – haben viele Maßnahmen der Vergangenheit
gut gewirkt – übrigens nicht nur im Bereich der Familie,
sondern auch im Bereich der Bildung. Ich habe hierzu
noch das „Haus der kleinen Forscher“ und Ähnliches im
Kopf. Wer das erlebt hat, weiß, dass Bildungsimplikatio-
nen mehr und mehr an Bedeutung gewonnen haben und
auch ausgeweitet wurden.

Der Bundesfreiwilligendienst und die Mehrgeneratio-
nenhäuser sind bereits angesprochen worden und werden
noch einmal angesprochen werden. Dies sind wichtige
Themen genauso wie das Thema Familienpflegezeit,
wofür 1,1 Millionen Euro bereitgestellt wurden. Auch
hier werden wir uns darauf einstellen müssen, dass wir
in fünf oder in zehn Jahren über ganz andere Summen
und Maßnahmen sprechen werden, um dies abzufedern
und dem demografischen Wandel entgegenzuwirken.

Fazit für den Haushalt 2014: Sicherung, Bewahrung
und Verstetigung von guten Maßnahmen der letzten
Jahre. Diese werden fortgeführt, verstetigt und an der ei-
nen und an der anderen Stelle neu justiert.

Noch ein Ausblick auf 2015. Das Thema Flexibilisie-
rung der Elternzeit ist angesprochen worden. Ich freue
mich, dass die Grünen da mit an unserer Seite stehen,
wenn es darum geht, dass dies ein wichtiges Thema ist.
Nun kann man lange darüber reden, das noch flexibler
zu gestalten. Ich meine aber, familienpolitische Maßnah-
men müssen auch im Einvernehmen mit der Wirtschaft,
insbesondere mit dem Mittelstand, entwickelt werden.
Wir haben nichts davon, wenn wir versuchen, Themen
nur über gesetzliche Grundlagen durchzusetzen, sondern
es muss ein Einvernehmen geben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn mittelständische Betriebe das so akzeptieren,
ist es übrigens auch in deren Sinne; denn diese haben ja
ein Interesse an Fachkräften und auch ein Interesse da-
ran, dass zum Beispiel aus Teilzeit wieder Vollzeit wird.
Insoweit gibt es da eine sogenannte Win-win-Situation
für beide Seiten. Das ElterngeldPlus verbessert die
Kombination von Teilzeit und Elterngeld. Über diese
Flexibilisierung wollen wir dazu kommen, dass die Fa-
milien wirklich sehr individuell abbilden können, was
sie sich wünschen – auch mit dem Partnerschaftsbonus.
Als entscheidendes Kriterium bzw. als Überbau muss
für uns gelten: Wir wollen eine familiengerechte Ar-
beitswelt statt einer arbeitsgerechten Familie. Das heißt,
der Ansatz muss immer sein, dass Familie das ist, was
uns prägt, auch wenn sich die traditionellen Familienbil-
der verändert haben. Auch wenn es dort neue Justierun-
gen und neue Veränderungen gibt, ist es so, dass sich die
Arbeitswelt auch nach der Familie ausrichten muss. Des-
wegen wird man genau überlegen, welche Rechtsansprü-
che es gibt. Ich nenne beispielsweise die Rückkehr in
Vollzeit nach Teilzeit. Wir müssen sehen, welche famili-
enpolitischen Maßnahmen wir überprüfen müssen.

Ich glaube, es wird notwendig, die familienpoliti-
schen Leistungen noch stärker zu bündeln und strate-
gisch noch besser aufzustellen, auch unter Effizienzge-
sichtspunkten, also unter dem Kriterium, welcher Euro
eigentlich für die Familien, für die Gesellschaft – auch
unter dem Gesichtspunkt von Bildungsimplikationen –
welchen Mehrwert hat. Das wird in den nächsten Jahren
eine Aufgabe sein.

Das Zweite wird sein, noch stärker die Vielfalt der
verschiedenen Lebensentwürfe zu akzeptieren und durch
konkrete Maßnahmen zu unterstützen. Die Situation von
Alleinerziehenden ist noch nicht gelöst. Wir haben uns
in der Koalitionsvereinbarung dazu geäußert; das wird
noch ein Thema sein, das auf der Agenda steht.

Insoweit, glaube ich, haben wir mit dem Haushalt
2014 in konsequenter Art und Weise das fortentwickelt
und weiter ausgebaut, was wir in den letzten Jahren auf-
gebaut haben. Dafür bin ich sehr dankbar.

Jetzt möchte ich ein zweites Mal Oscar Wilde – Sie
zitieren ihn ja immer so gern – zitieren: Die Anzahl un-
serer Neider bestätigt unsere Fähigkeiten.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Danke!)


In diesem Sinne einen schönen Restabend.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das wird aber ein schöner Abend!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804112700

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Stefan

Schwartze das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Stefan Schwartze (SPD):
Rede ID: ID1804112800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich freue
mich, dass wir mit diesem Haushalt besonders die eigen-
ständige Jugendpolitik in den Fokus nehmen. Zurzeit re-
den alle über Rente und Pflege. Das ist richtig und wich-
tig. Vor der Sommerpause beschließen wir noch den
Mindestlohn. Damit bekämpfen wir Erwerbsarmut und
Kinderarmut.


(Beifall bei der SPD)


Unsere Zukunft sind unsere Jugendlichen von heute.
Sie werden den demografischen Wandel auf ihren Schul-





Stefan Schwartze


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tern tragen müssen, und diese Generation hat jedes
Recht, sich jetzt einzubringen.

Leider wurde in der Vergangenheit der Fokus auf die
Fehler gerichtet, die Jugendliche gemacht haben. Eine
solche einseitige Definition von Jugendlichen ist in einer
so vielfältigen Gesellschaft wie der unseren fatal. Heute
sind wir glücklicherweise weiter.

Unsere Gesellschaft kann Jugendlichen zugestehen,
sich auszuprobieren. Wir verstehen Jugendliche als Her-
anwachsende, die ihr Leben selbst gestalten. Deswegen
ist es wichtig, dass sie Raum zum Ausprobieren, für die
Entwicklung der Persönlichkeit und auch für Fehler be-
kommen, dass sie eine zweite Chance oder auch weitere
Chancen bekommen. Nur, die Möglichkeit, ein Leben zu
gestalten, Chancen zu erfahren und Perspektiven aufzu-
bauen, hängt immer noch viel zu stark vom Elternhaus
ab.

Deshalb gilt, dass wir alle Jugendlichen bei den Ent-
scheidungen und Maßnahmen, die sie betreffen, mitneh-
men und mitmachen lassen müssen. Deshalb gilt, dass
eine eigenständige Jugendpolitik in unserer Zeit integrie-
rend und zuhörend sein muss.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb gilt, dass wir die Organisationen und Institu-
tionen stärken und fördern müssen, die dies ermögli-
chen. Im Mittelpunkt unserer Politik stehen deshalb die
Jugendverbände. Es ist ein großer Erfolg, dass es uns ge-
lungen ist, mit diesem Haushalt die Jugendverbandsar-
beit deutlich zu stärken und 1 Million Euro mehr für die
Jugendverbände bereitzustellen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Es braucht ein
ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.“ Dieses Dorf sind
bei uns die Schulen, Vereine und Jugendverbände. Des-
wegen muss auch im Rahmen der Ganztagsschulen, aber
auch ganz besonders in Zeiten eines erhöhten Leistungs-
drucks für viele Jugendliche die Zusammenarbeit von
Jugendverbänden und Schulen gestärkt werden.


(Beifall bei der SPD)


Dabei sind eine bessere Kommunikation und mehr Fle-
xibilität notwendig. Hier muss die eigenständige Jugend-
politik jetzt ansetzen und Vorschläge gründlich diskutie-
ren und ausarbeiten.

Ich habe eben gesagt, dass wir unseren Jugendlichen
mehr zuhören müssen. Zuhören heißt aber auch, die
Kommunikationsform der Jugendlichen aufzunehmen
und anzunehmen. Um Jugendlichen zuhören zu können,
müssen die Erwachsenen, die sie umgeben – Eltern, Leh-
rer, Betreuer –, auch ihre Kommunikationsformen be-
herrschen. Konkret heißt dies, dass wir Jugendliche da-
bei begleiten müssen, verantwortungsvoll mit den neuen
Medien umzugehen. Nicht die neuen Medien sind das
Problem, sondern dass wir die Jugend damit alleine las-
sen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Fest steht: Starke Jugendliche kommen aus starken
Familien. Es ist die Aufgabe dieses Hauses, die best-
möglichen Rahmenbedingungen für Eltern zu schaffen.
So ist die deutliche Steigerung der Mittel beim Eltern-
geld ein großer Erfolg, besonders deshalb, weil auch im-
mer mehr Väter das Elterngeld und die Elternzeit in An-
spruch nehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Mit dem ElterngeldPlus werden wir noch stärkere
Akzente hinsichtlich der partnerschaftlichen Vereinbar-
keit von Familie und Beruf setzen können. Der Gesetz-
entwurf dazu greift die Wünsche einer Vielzahl von El-
tern auf. 60 Prozent von ihnen wollen Erwerbsarbeit und
Familie partnerschaftlich teilen.

Bisher gelingt das nur 14 Prozent. Das ElterngeldPlus
wird helfen, dieses favorisierte Lebensmodell wirklich
zu leben,


(Beifall bei der SPD)


ein Modell, bei dem die Partner in gleichem Umfang er-
werbstätig sind und sich gleichermaßen um Haushalt
und Familie kümmern, ein Modell, das es ihnen ermög-
licht, aktive Vorbilder zu sein und am Leben ihrer Kin-
der tatsächlich teilzuhaben. Lasst uns das jetzt anpacken!

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804112900

Nächste Rednerin ist die Kollegin Sylvia Pantel für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Sylvia Pantel (CDU):
Rede ID: ID1804113000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Haus-
halt für das laufende Jahr ist unter Dach und Fach. Er
setzt gerade im Bereich des Familienministeriums die
richtigen Akzente. Woran können die Bürgerinnen und
Bürger erkennen, ob eine Regierung gute Politik macht?
Man könnte sich fragen: Geht es mir persönlich, unserer
Gemeinschaft und unserem Land besser oder schlechter
durch die politischen Entscheidungen? Ich möchte ei-
nige Aspekte aufzeigen, die Antworten auf diese Fragen
geben.

Wir sorgen dafür, dass der Zusammenhalt zwischen
den Generationen in unserer Gesellschaft gefestigt wird
und Familien ausreichend Unterstützung erhalten. Wir
haben als Union lange für die Mütterrente gekämpft. Es
ist mehr als gerecht, dass die rund 9 Millionen betroffe-
nen Väter und Mütter durch die Erhöhung der Mütter-
rente nun mehr Geld zur Verfügung haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ältere Väter und Mütter haben nicht die staatlichen Un-
terstützungsleistungen erhalten, wie es sie heute gibt.
Deshalb ist es eine Frage der Gerechtigkeit, deren Erzie-
hungsleistungen besser als bisher anzuerkennen.





Sylvia Pantel


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(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir wollen, dass Familien selbst entscheiden, wie sie
leben möchten. Familie hat für uns einen hohen Wert. So
stellt diese Koalition alleine für das Betreuungs- und das
Elterngeld fast 6 Milliarden Euro zur Verfügung. Das
Betreuungsgeld erhöhen wir ab August von 100 auf
150 Euro. Im ersten Quartal dieses Jahres wurde das Be-
treuungsgeld für 146 000 Kinder ausgezahlt. Das über-
trifft alle Erwartungen und zeigt, dass die Familien die-
ses Angebot annehmen. Abgesehen davon, dass es das
Recht und die Pflicht der Eltern ist, ihre Kinder zu erzie-
hen, hat mir bisher keiner überzeugend darlegen können,
dass nur die staatliche Betreuung richtig ist. Das Betreu-
ungsgeld zu streichen, wie es die Grünen fordern, und
ausschließlich die staatliche Betreuung von Kindern aus-
zubauen, ist ein Irrweg und hat nichts mit Wahlfreiheit
zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: So ein Quatsch! So eine verzerrte Wahrnehmung!)


Das Betreuungsgeld ist zusammen mit dem Eltern-
geld und zukünftig mit dem ElterngeldPlus ein Baustein
für die Anerkennung verschiedener Lebensentwürfe.
Der Staat soll den Familien nicht vorschreiben, wie sie
zu leben haben, sondern er soll sie dabei unterstützen,
dass sie so leben können, wie sie selber es wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann fangen Sie einmal an!)


Der Erfolg des Betreuungsgeldes zeigt: Viele Eltern wol-
len sich selbst um ihre Kinder kümmern. Eine starke und
stabile Bindung zwischen Eltern und Kindern ist die
beste Investition in eine generationenübergreifende Ge-
meinschaft und eine sichere Zukunft. Dafür braucht man
Zeit für Kinder.


(Karin Binder [DIE LINKE]: Genau! 30-Stunden-Woche!)


– Es gibt ein paar, die vielleicht ein bisschen mehr brau-
chen und wollen.

Unser Ansatz ist, dass wir die Familien entscheiden
lassen, was sie wollen, und dass die Politik nicht zu wis-
sen glaubt, was besser für die Familien ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Opposition ignoriert diese Tatsache, wenn sie das
Betreuungsgeld kürzen oder abschaffen möchte.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804113100

Kollegin Pantel, gestatten Sie eine Frage oder Bemer-

kung des Kollegen Leutert?


Sylvia Pantel (CDU):
Rede ID: ID1804113200

Ja, klar.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804113300

Bitte.

Michael Leutert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804113400

Frau Kollegin, Sie sprechen von der Wahlfreiheit. Die

Eltern sollen entscheiden, ob sie Betreuungsgeld in An-
spruch nehmen oder ob sie ihre Kinder in der Kita be-
treuen lassen. Ist Ihnen bewusst, dass die Wahlfreiheit
nur auf bestimmte Gruppen zutrifft, dass aber ALG-II-
Bezieherinnen gezwungen sind, Betreuungsgeld zu be-
antragen? Sie haben überhaupt keine Chance, zu wählen.
Beim Jobcenter hört die Wahlfreiheit auf, weil es mit
Hartz IV verrechnet wird.


Sylvia Pantel (CDU):
Rede ID: ID1804113500

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Wir kön-

nen das gerne später vertiefen. Nur so viel: Wenn ich ei-
nen Job und einen Kitaplatz habe, dann verdiene ich na-
türlich mehr Geld als dann, wenn ich Betreuungsgeld
bekomme. Natürlich verbessert das Betreuungsgeld die
finanzielle Situation, wenn ich zu Hause bleibe. Sie tun
so, als ob ich sofort einen Kitaplatz und auch einen Ar-
beitsplatz hätte, wenn ich das Betreuungsgeld nicht
hätte. Das eine bedingt das andere nicht unbedingt.

Es gibt mehrere Studien – die wurden hier eben an-
deutungsweise zitiert –, die besagen, dass die Tatsache,
dass jemand wenig Geld oder einen Migrationshinter-
grund hat, ein Indiz dafür sei, dass die Betreuung zu
Hause eine schlechtere sei. Dem kann ich mich nicht an-
schließen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch niemand gesagt!)


Weder das Geld noch der Migrationshintergrund sagen
etwas über die Qualität der Betreuung zu Hause aus.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wenn ich die Möglichkeit einer Kita nicht habe, dann kann ich nicht wählen!)


– Man muss den Einzelfall betrachten. Das können wir
gerne machen.

Der Bund engagiert sich auch weiterhin beim Ausbau
der Kinderbetreuung. Ab 2015 wird der Betrieb von neu
geschaffenen Kitaplätzen mit jährlich 845 Millionen
Euro finanziert. In einem speziellen Sondervermögen
stehen rund 2,7 Milliarden Euro für den Bau und die
Einrichtung neuer Betreuungsplätze zur Verfügung, auf
die die Länder anteilig zugreifen können. Die Mittel für
Bau- und Sanierungsmaßnahmen sind dadurch sicherge-
stellt.

Der demografische Wandel betrifft junge genauso wie
ältere Menschen. Wir nutzen diese Chance und richten
unsere Gemeinschaft an den neuen Bedürfnissen aus.
Mehrgenerationenhäuser nehmen das Bild von der frü-
her existierenden Großfamilie auf. Sie fördern den Zu-
sammenhalt über Generationen hinweg. Sie bieten für
alle die Möglichkeit, sich mit unterschiedlichen Kompe-
tenzen an der passenden Stelle einzubringen. Hier haben
alle Generationen einen Raum, den sie ganz unterschied-
lich miteinander und füreinander gestalten können.

Der Bund sichert für die bestehenden Mehrgeneratio-
nenhäuser auch zukünftig die finanziellen Rahmenbe-





Sylvia Pantel


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dingungen, auch wenn die Förderung über den Europäi-
schen Sozialfonds wegfällt. Jetzt haben wir das erst
einmal gesichert. Ich hoffe, dass wir das auch danach
weiterhin sichern können. Die Mehrgenerationenhäuser
sind ein unverzichtbares Angebot geworden. Hier zeigen
sich auch die vielfältigen Möglichkeiten von bürger-
schaftlichem Engagement.

Wir alle wissen, dass der Staat nicht alle Aufgaben lö-
sen kann, selbst wenn er es wollte. Unsere Gemeinschaft
ist stark, wenn auch das freiwillige Engagement stark ist.
Beim Bundesfreiwilligendienst werden wir alle Zusagen
einhalten. Das Interesse und die Nachfrage sind sehr
groß, und im Verlauf des Haushaltsverfahrens haben un-
sere Haushälter die zusätzlich notwendigen 20 Millionen
Euro bereitgestellt. Dafür noch einmal herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])


Bürgerinnen und Bürger im Bundesfreiwilligendienst
engagieren sich zum Beispiel im Zivil- und Katastro-
phenschutz. Wir in Düsseldorf haben gerade jetzt bei
dem großen Sturm erlebt, wie wichtig dieser Einsatz ist.
Es ist gut, dass das THW mit diesem Haushalt 10 Millio-
nen Euro zusätzlich erhält. Der Bundesfreiwilligendienst
ist ein Musterbeispiel für Gemeinsinn. Er ist ein unver-
zichtbares Kulturgut geworden. Wir werden weiterhin
alle Anstrengungen unternehmen, um Barrieren abzu-
bauen. Jeder, der sich engagieren will, soll sich engagie-
ren können.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn wir hier über den Haushalt sprechen, dann soll-
ten wir uns auch die Alternativen ansehen, die die Oppo-
sition in den vergangenen Wochen geboten hat: Da gab
es Ausgabenwünsche ohne Ende. Unsere Koalition stellt
dem Familienministerium fast 8 Milliarden Euro zur
Verfügung und schafft es gleichzeitig, einen strukturell
ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Durch Trickserei bei der Steuerschätzung!)


Davon profitieren die kommenden Generationen, die da-
durch ihre Zukunft selbst gestalten können.


(Beifall des Abg. Sönke Rix [SPD])


Ich bedanke mich an dieser Stelle für die gute Arbeit
unserer Haushälterinnen und Haushälter, die das persön-
liche Wohl der Bürgerinnen und Bürger genauso im
Blick hatten wie das große Ganze. Dieser Haushalt stärkt
unsere Familien, unterstützt unsere Seniorinnen und
Senioren, gibt Männern und Frauen die notwendigen
Wahlmöglichkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie
und Beruf und stärkt die Chancen von Kindern und Ju-
gendlichen. Der Haushalt des Ministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend wächst im Vergleich zum
Vorjahr um mehr als 1 Milliarde Euro. Wir setzen die
richtigen Akzente und halten Maß. Daran erkennt man
eben eine gute Regierung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804113600

Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Petra

Crone das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Crone (SPD):
Rede ID: ID1804113700

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!

Meine Damen und Herren! Der Haushalt, der heute hier
zur Abstimmung steht, kann für den Rest des Jahres
wichtige Akzente setzen. Herzlichen Dank, Frau Minis-
terin! Ich freue mich sehr darüber. Auch wenn aus Sicht
der Opposition der Teufel im Detail stecken mag, sind in
ihm doch einige von der SPD lang ersehnte Akzente ent-
halten.


(Beifall bei der SPD)


Dieser Haushalt mahnt auch dringende Arbeit für die
kommenden Jahre an. Darum beschäftigt mich am meis-
ten der Blick nach vorn. Auch auf die Gefahr hin, dass
ich wiederhole, was einige schon gesagt haben: Mir als
Seniorenpolitikerin ist die Verlängerung des Aktionspro-
gramms Mehrgenerationenhäuser II ein ganz wichtiges
Anliegen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Mit diesem Haushalt stellt sich das Problem zwar
nicht direkt, doch er weist auf den Wegfall der ESF-Mit-
tel und auch auf das Auslaufen des Programms hin. Aber
glücklicherweise ist sich die Große Koalition einig, dass
eine Verlängerung über 2014 hinaus gewünscht wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir, die SPD-Bundestagsfraktion, gehen noch einen
Schritt weiter: Wir setzen uns für eine Verstetigung der
Mehrgenerationenhäuser ein, und diese möglichst flä-
chendeckend überall im Land.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Denn wir können nicht gebetsmühlenartig den Zusam-
menhalt von Alt und Jung in unserer älter werdenden
Gesellschaft anmahnen; aber dann bei der Verlängerung
der nicht nur von Alois Rainer, von mir und eigentlich
von allen gewünschten Förderung der Mehrgeneratio-
nenhäuser prinzipiell werden.

Daher habe ich eine ganz dringende Bitte: Lassen Sie
uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, gemeinsam dafür
sorgen, dass in den Eckpunkten des Haushaltes 2015 der
Titel für die Mehrgenerationenhäuser steht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN und der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])






Petra Crone


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Ich wende mich damit an den in diesem Hause heute am
meisten angesprochenen Mann: Herr Kampeter, ich
hoffe, Sie sorgen ebenfalls dafür.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Liebe Kollegen und Kolleginnen, ein weiteres Thema
brennt seit Jahren nicht nur auf meinen Nägeln: die Al-
tenpflegeausbildung bzw. die geplante Reform der Pfle-
geausbildung. Die bereitgestellten Mittel beim Gesund-
heitsministerium für gezielte Fachkampagnen, die die
Attraktivität und insbesondere die Wertschätzung der
Pflegeberufe steigern sollen, sind sicherlich begrüßens-
wert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich erinnere aber selbstkritisch daran, dass öffentlich-
keitswirksame Fachkampagnen nicht neu sind. Bereits
2003 gab es unter Rot-Grün den Runden Tisch Pflege.
Dann hat eine Familienministerin von der Leyen der Al-
tenpflege medienwirksam den roten Teppich ausgerollt
und ein Festival der Altenpflege inszeniert. Aber die Er-
gebnisse waren insgesamt ziemlich übersichtlich. Fach-
kampagnen sind sicher gut und wichtig. Ich freue mich
aber, dass im Koalitionsvertrag nun eine weitreichende
Reform der Pflegeberufe verabredet worden ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Altenpflegerin-
nen und Altenpfleger der Zukunft haben es wirklich ver-
dient, dass wir uns endlich um eine bessere und attrakti-
vere Ausbildung kümmern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der kontinuierliche Aufwuchs beim Etat für das Deut-
sche Zentrum für Altersfragen ist angesichts unserer äl-
ter werdenden Gesellschaft im Grunde erfreulich. Das
DZA ist unter den vier geförderten Institutionen mit über
2,7 Millionen Euro das mit dem größten Finanzvolumen.
Natürlich kommt dann auch die Frage auf, welche öf-
fentlichen Aufgaben es eigentlich neben den Surveys
und den Altenberichten der Bundesregierung über-
nimmt. Ich fände es ziemlich gut, wenn das DZA auch
im Rahmen der Demografiestrategie des Bundes einen
unabhängigen Beitrag leisten könnte.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich freue mich im
Übrigen sehr, dass der Kürzungswahn bei der Antidiskri-
minierungsstelle beendet ist.


(Beifall bei der SPD)


Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt den Anstieg bei
der ADS und damit das erste deutliche Signal der Wert-
schätzung ihrer Arbeit.

Insgesamt konnten in diesem Haushalt 2014 wichtige
Akzente gesetzt werden. Aber wir müssen uns in den
kommenden Jahren gerade in einer Großen Koalition
den großen Herausforderungen des demografischen
Wandels stellen, und zwar ohne, liebe Kollegen und Kol-
leginnen von der Opposition, Jung gegen Alt auszuspie-
len.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804113800

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun die Kollegin

Ingrid Pahlmann.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ingrid Pahlmann (CDU):
Rede ID: ID1804113900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Viele Facetten des Haushalts wurden von meinen
Vorrednern bereits beleuchtet. Liebe Kollegin Petra
Crone, auch wir als CDU/CSU freuen uns, dass viele un-
serer Ziele sich in diesem Haushalt wiederfinden und be-
rücksichtigt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Crone [SPD])


Ich möchte heute bei der Budgetdebatte den Blick be-
sonders auf die Freiwilligendienste lenken. Sie sind
durch die Haushaltsberatungen auf sichere Füße gestellt
worden. Vielleicht können wir alle uns nachher – ich bin
die letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt –
hinter diesem Punkt versammeln; vielleicht macht die
Opposition da auch mit.

Heute in einer Woche, nämlich genau am 1. Juli, jährt
sich die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes zum
dritten Mal. Allen Bedenken und Unkenrufen zum Trotz
– Frau Schön hat es schon erwähnt – hat der Bundesfrei-
willigendienst nach dem Ende des Zivildienstes alle Er-
wartungen übertroffen und sich zu einem Modell mit
überragendem Erfolg entwickelt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Über alle Generationen hinweg erfreut er sich seit seiner
Einführung vor drei Jahren eines gewaltigen Zuspruchs
und zeigt, wie viele in unserer Gesellschaft bereit sind,
sich einzusetzen, für andere da zu sein, Erfahrungen wei-
terzugeben und ein Miteinander zu leben.

Rund 100 000 Freiwillige beiderlei Geschlechts und
aller Altersgruppen engagierten sich seit Juli 2011. Auch
in diesem Jahr gibt es wieder rund 35 000 Bufdis in un-
serem Land. Sie leisten ihren Dienst in den unterschied-
lichsten Bereichen: im sozialen, ökologischen und kultu-
rellen Bereich, auf dem Gebiet des Sports, bei der
Integration oder im Zivil- und Katastrophenschutz. Sie
bringen den Einrichtungen oftmals einen frischen und
manchmal erfrischenden Blick von außen. Auch sind sie
unverzichtbarer Bestandteil in den bundesweit über
450 Mehrgenerationenhäusern, deren Finanzierung – es
wurde bereits gesagt – wir ebenfalls für dieses Jahr si-
chern konnten. Ich bin sehr froh, dass innerhalb der Ko-
alition Einigkeit darüber herrscht, die bestehenden
Mehrgenerationenhäuser zu erhalten und die in Zukunft





Ingrid Pahlmann


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wegbrechenden Mittel aus dem Europäischen Sozial-
fonds gemeinsam aufzufangen.

Bufdis finden sich in allen Altersgruppen. Ein beson-
derer Erfolg des Konzepts ist, dass sich in seinem Rah-
men auch Menschen mittleren Alters sowie Senioren
und Seniorinnen freiwillig engagieren können. Gerade
die zuletzt Genannten sind eine sehr heterogene Gruppe:
zum Teil Menschen ohne Bildungsabschluss, die von
Arbeitslosengeld II leben, sich sanft wieder in die Ar-
beitswelt eingliedern wollen und eine neue berufliche
Chance erhoffen; Ältere, oftmals auch Frauen, die lange
ehrenamtlich tätig waren und ihr Engagement über den
Freiwilligendienst intensiver gestalten wollen; Men-
schen im Ruhestand, die sich engagieren möchten und
nach dem Arbeitsleben nach sinnvoller Betätigung su-
chen.

Mittlerweile sind rund 40 Prozent der Bufdis älter als
27 Jahre. Für sie bietet sich auch die Möglichkeit, sich in
Teilzeit zu engagieren. Dadurch erhöht sich die Attrakti-
vität des Freiwilligendienstes für ältere Menschen. Sie
alle bringen ihre umfangreichen Erfahrungen ein, geben
sie weiter. So profitieren einerseits die Bundesfreiwilli-
gendienstler, andererseits die Einsatzstellen und nicht
zuletzt die Menschen, die durch ihr Handeln unterstützt
werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


In einer Gesellschaft des längeren Lebens ist das Enga-
gement älterer Menschen gleichermaßen sinnstiftend
und gesundheitsfördernd für die Engagierten; es ist
gleichzeitig aber auch unverzichtbare Expertise für die
Gestaltung unserer Gesellschaft.

Freiwilligendienste bilden Empathie, soziales Emp-
finden und Gewissen. Dies ist eine gesellschaftliche
Aufgabe und nach dem Wegfall des verpflichtenden Zi-
vildienstes besonders wichtig.

Die bewährten Jugendfreiwilligendienste, die seit
50 bzw. 30 Jahren bestehen – hier gab es ja an der einen
oder anderen Stelle gewisse Sorgen –, haben unter dieser
Entwicklung nicht gelitten; im Gegenteil: Durch die Ein-
führung des Bundesfreiwilligendienstes haben wir das
freiwillige Engagement in seiner Vielfalt gestärkt. Rund
100 000 Menschen jährlich leisten inzwischen einen
Freiwilligendienst: ob Freiwilliges Soziales Jahr, Frei-
williges Ökologisches Jahr oder einen Bundesfreiwilli-
gendienst.

Erst vor wenigen Wochen konnten wir in diesem Be-
reich ein anderes Jubiläum feiern. Viele von Ihnen waren
dort. Wir haben 50 Jahre Freiwilliges Soziales Jahr ge-
feiert. Seit einem halben Jahrhundert bietet das Gesetz
zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres den
rechtlichen Rahmen, in dem sich junge Menschen bis
zur Vollendung des 27. Lebensjahres ein Jahr lang im so-
zialen Bereich engagieren. Mit der Erweiterung um das
Freiwillige Ökologische Jahr rund 30 Jahre später wurde
der Freiwilligendienst über den sozialen Bereich hinaus
auch auf den Umweltbereich ausgedehnt. Mit der Öff-
nung des Freiwilligendienstes für alle Altersgruppen
durch die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes
vor drei Jahren sind diese Dienste insgesamt aus ihrer
Nische herausgerückt und in der Mitte der Gesellschaft
angekommen.

Erste Ergebnisse einer laufenden Evaluation belegen
die hohe Qualität der Dienste: 85 Prozent der Befragten
waren mit ihrer Tätigkeit sehr oder überwiegend zufrie-
den, 88 Prozent der Befragten würden den Freiwilligen-
dienst weiterempfehlen.

Sehr geehrte Damen und Herren der Linken, auch Sie
müssen zur Kenntnis nehmen: Der Bundesfreiwilligen-
dienst ist eine Erfolgsgeschichte.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mit Ihrer Forderung nach dessen Abschaffung, wie Sie
es zuletzt in den Beratungen des Familienausschusses
über den Haushalt erneut auf das Tapet brachten, bewei-
sen Sie wieder einmal Ihre Realitätsferne und Ihre Igno-
ranz der zivilgesellschaftlichen Gestaltungskraft.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Haushaltsausschuss hat den Freiwilligen und den
Einsatzstellen des Bundesfreiwilligendienstes zum drei-
jährigen Geburtstag indes ein besonderes Geschenk ge-
macht. Ich möchte den Haushältern von Union und SPD
danken, dass es gelungen ist, in langwierigen und sicher-
lich durchaus schwierigen Beratungen die fehlenden
20 Millionen Euro für den Bundesfreiwilligendienst be-
reitzustellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Denn es wäre sowohl den Einsatzstellen wie auch den
Bufdis nicht zu vermitteln gewesen, dass durch einen
Berechnungsfehler im System ihre Arbeit gelitten hätte.
Durch das Handeln der Haushälter, die dieses erkannt
haben, konnte ein Einstellungsstopp beim Bundesfrei-
willigendienst verhindert werden. So werden in diesem
Jahr rund 187 Millionen Euro in diesen Dienst investiert.
Es ist nicht nur, aber auch für die Kommunen eine gute
Nachricht, die von der noch vor wenigen Monaten dro-
henden Einfrierung der Haushaltsmittel für die kommu-
nalen Einsatzstellen besonders stark betroffen gewesen
wären.

Abschließend möchte ich an dieser Stelle allen dan-
ken, die sich aus freien Stücken für die Allgemeinheit
engagieren und damit das gute Miteinander in unserer
Gesellschaft stärken,


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


die, wie es ein 18-jähriger Bufdi formuliert hat, von an-
deren Menschen lernen, neue Bereiche kennenlernen,
sich weiterentwickeln und etwas für die Gesellschaft tun
möchten. Vor diesem Engagement können wir alle nur
den Hut ziehen und versuchen, sie mit all unseren Mög-
lichkeiten zu unterstützen, wo immer es nur geht; denn
ihr Handeln ist von unschätzbarem Wert für den Zusam-
menhalt in unserem Land. Sie alle machen die Gesell-
schaft aus, die uns so wichtig ist und in der wir leben
wollen. Deshalb werden wir auch in Zukunft daran ar-
beiten, jedem, der einen Freiwilligendienst leisten
möchte, dies auch zu ermöglichen.





Ingrid Pahlmann


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(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])


Dabei ist die finanzielle Ausstattung durch Bund und
Länder die eine Seite der Medaille. Anerkennung, Wür-
digung jenseits monetärer Zuwendung ist die andere
Seite. Daran müssen wir im Interesse aller Freiwilligen
und im Interesse der Zivilgesellschaft verstärkt arbeiten;
denn ihr Einsatz ist unbezahlbar und wichtig für uns als
Gesellschaft.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804114000

Kollegin Pahlmann, das war Ihre erste Rede im Deut-

schen Bundestag. Ich wünsche Ihnen sicherlich im Na-
men des gesamten Hauses viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.


(Beifall)


Der Präsidentin sei erlaubt, anzumerken: Wenn Red-
nerinnen und Redner schon bei der ersten Rede bemer-
ken, dass sie die Redezeit überzogen haben, dann gibt es
Hoffnung für die Zukunft.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 17 in der Ausschussfassung. Wer stimmt für den
Einzelplan 17? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Einzelplan 17 ist mit den Stimmen der Uni-
onsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.8 auf:

Einzelplan 10
Bundesministerium für Ernährung und
Landwirtschaft

Drucksachen 18/1010, 18/1023

Die Berichterstattung haben die Kollegen Cajus
Caesar, Ulrich Freese, Roland Claus und Sven-Christian
Kindler inne.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich bitte, die offensichtlich notwendigen Umgruppie-
rungen in den Reihen der Fraktionen, aber auch auf der
Regierungsbank jetzt zügig vorzunehmen und die ent-
sprechende Aufmerksamkeit herzustellen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Sabine Leidig für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804114100

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Vielleicht beschäftigen wir uns, wenn wir über Land-
wirtschaft und Ernährung sprechen, nicht mit dem größ-
ten Haushalt; aber wir reden über ein lebensnotwendiges
Thema.
Auf unserem Planeten leiden fast 900 Millionen Men-
schen an Hunger, während zugleich 1,4 Milliarden Men-
schen krankhaft übergewichtig sind. Im vergangenen
Jahr ist weltweit so viel Getreide geerntet worden wie
noch nie zuvor: 2,5 Milliarden Tonnen. Aber nur 45 Pro-
zent dieser Ernte – nicht einmal die Hälfte – diente als
Lebensmittel. Der Rest wurde zu Tierfutter, zu Sprit und
zu Industrierohstoffen verarbeitet.


(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Tierfutter ist auch Lebensmittel!)


Die vorherrschende Agrarpolitik ist eine wichtige Ur-
sache für Klimawandel, Artensterben, Umweltvergif-
tung, Wasserknappheit, Krankheiten, Kinderarmut und
Ungerechtigkeit.


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Immer diese Vorurteile und pauschalen Aussagen!)


Es ist ein krankes System, das dringend verändert wer-
den muss. Die Linke will eine Landwirtschaft, die die
Menschen versorgt und nicht die globalen Märkte.


(Beifall der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])


Wir wollen soziale und ökologische Weichen stellen,
und dafür kann auch in einem Bundeshaushalt etwas ge-
tan werden.


(Beifall der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])


Wir haben über 20 Vorschläge gemacht, wie der Einzel-
plan 10 in diese Richtung verändert und verbessert wer-
den könnte. Ich will drei Beispiele herauspicken und hier
kurz vorstellen:

Erstens. Wir wollen, dass Deutschland den Weltagrar-
bericht unterstützt und international verantwortlich han-
delt. Was es bedeutet, international verantwortlich zu
handeln, wird in ebendiesem Weltagrarbericht skizziert.
Über 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ha-
ben darin im Jahr 2008 den Stand des Wissens über die
globale Landwirtschaft, ihre Geschichte und ihre Zu-
kunft zusammengetragen. Menschen aus ganz unter-
schiedlichen Kulturen, Religionen und Denkschulen
waren daran beteiligt. Diese Arbeit ist mit dem Welt-
klimabericht vergleichbar, der inzwischen für die Politik
auf dieser Welt prägend ist. Der Bericht ist unbequem
und alarmierend. Er warnt davor, einfach so weiterzuma-
chen wie bisher.

Im Weltagrarbericht wird gefordert, den Hunger in
den Ländern des Südens nicht mit Exportpolitik oder mit
Nahrungsmittellieferungen zu bekämpfen,


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Sondern mehr Spekulation vor Ort!)


sondern die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Klein-
bäuerinnen und Kleinbauern vor Ort zu verbessern.
Denn sie sind das Rückgrat der Welternährung und nicht
die großen Betriebe und Agrarkonzerne der Industrielän-
der, die viel zu viel Öl, Wasser, Boden und Dünger ver-
brauchen. Es geht nicht allein um die Erträge, die in der
Landwirtschaft erzielt werden, sondern gleichrangig da-
rum, dass die Bäuerinnen und Bauern von ihrer Arbeit
leben können. Auch dafür setzt sich die Linke ein.





Sabine Leidig


(A) (C)



(D)(B)

Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie den
Bericht mit ihrer Unterschrift anerkennt und die Agrar-
und Entwicklungspolitik daran ausrichtet. Wir haben be-
antragt, dass 500 000 Euro zur Verfügung gestellt wer-
den, damit der Weltagrarbericht fortgeschrieben werden
kann.

Der zweite Punkt, der uns wichtig ist, betrifft den
ökologischen Landbau. Das ist die umwelt- und klima-
schonendste Form der Agrarwirtschaft. Wir Linke wol-
len, dass mehr Bauernhöfe auf Bio umstellen und dass
mehr Menschen genug Geld im Portemonnaie haben für
gute Ökolebensmittel. Die sind zwar nicht unbedingt ge-
sünder, aber sie sind mit weniger Chemie belastet, und
vor allem sind sie besser für die Umwelt.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Biobauern verschmutzen Erde und Wasser weniger
mit Pflanzenschutzmitteln und Dünger und sorgen für
mehr Artenvielfalt. Weil die meisten ökologisch wirt-
schaftenden Agrarbetriebe sehr arbeitsintensiv sind, leis-
tet der Ökolandbau außerdem einen wichtigen Beitrag
zur Beschäftigung in den ländlichen Räumen.

Hierfür braucht es nicht nur die Unterstützung beim
täglichen Einkauf. Eine politische Aufgabe kann nicht
privatisiert werden. Es braucht den Beitrag der Politik,
und ein solcher Beitrag kann und muss das Bundespro-
gramm Ökologischer Landbau leisten.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bisher werden nur 6,3 Prozent der landwirtschaftlichen
Nutzfläche der Bundesrepublik ökologisch bewirtschaf-
tet. Wir sagen: Da geht wesentlich mehr.

Es hat verschiedene Gründe, dass Agrarbetriebe nicht
auf Bio umstellen. Nach wie vor sind Saatgut, Zuchtli-
nien, Pflanzenschutz usw. nicht genügend erforscht, es
herrscht auch ein ruinöser Wettbewerb auf dem Bio-
markt, und es fehlt an Beratung und Wissenstransfer.

Mit dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau
soll nach unserer Meinung vor allem die Forschungska-
pazitäten ausgebaut und dafür gesorgt werden, dass ein-
heimische ökologische Erzeugnisse besser bekannt ge-
macht und vermarktet werden. Wir haben beantragt, dass
das Bundesprogramm dafür um 8 Millionen Euro aufge-
stockt wird und dass es gänzlich dem Ökolandbau zugu-
tekommt und nicht – wie es im Namenszusatz dieses
Programmes beschrieben ist – auch andere nachhaltige
Formen der Landwirtschaft gefördert werden, weil damit
dem Ökolandbau etwas entgeht. Diese anderen Formen
müssen durch andere Programme finanziert werden.

Sie haben unseren Antrag leider abgelehnt, aber im-
merhin ist ein Vorschlag der Linksfraktion aufgenommen
worden, nämlich einen eigenen Titel für Eiweißfutter-
pflanzenprojekte einzustellen. 3 Millionen Euro stellen
Sie dafür zur Verfügung. Ich sage Ihnen, warum wir das
wollen. Das Problem ist, dass Tierhaltungsbetriebe ei-
weißhaltiges Futtermittel importieren. Zu großen Teilen
wird es aus Südamerika importiert, und dort werden
Nutzflächen in Konkurrenz zu den Kleinbauern vor al-
lem von großen Agrarkonzernen bewirtschaftet. Wir
brauchen eine eigene Eiweißfuttermittelproduktion. Da-
für braucht es Forschung und Unterstützung. Wir müs-
sen perspektivisch aufhören, Lebensmittel zu importie-
ren. Wir müssen die Ernährungssouveränität überall
respektieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Schließlich möchte ich noch einen letzten Punkt an-
sprechen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804114200

Kollegin Leidig, das können Sie gerne tun, tun das

aber jetzt auf Kosten Ihrer Kollegin.


Sabine Leidig (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804114300

Gut, dann erwähne ich nur, dass wir die Subventionen

für den Agrardiesel schrittweise streichen wollen, dass
wir damit jährlich 43 Millionen Euro einsparen könnten


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Ja, Gott sei Dank sind Sie in der Opposition! – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Immer zulasten der Bauern!)


und dass mit diesem Geld sehr viel sinnvolle sozial-öko-
logische Projekte gefördert werden könnten anstatt Sprit
zu verbrennen.

Besten Dank.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804114400

Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Cajus

Caesar das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Cajus Julius Caesar (CDU):
Rede ID: ID1804114500

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Zuallererst geht mein Dank an den Minister
Christian Schmidt und natürlich auch an die anwesenden
Staatssekretäre. Der Minister steht für einen starken
ländlichen Raum, er steht für eine multifunktionale
Landwirtschaft, und er steht für bäuerliche Betriebe, die
sich entwickeln können. Dafür darf ich ihm an dieser
Stelle, auch im Namen meiner Fraktion, herzlichen Dank
sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Willi Brase [SPD])


Ich darf mich auch beim Team des Ministeriums für
die gute Zuarbeit bedanken. Wir haben alle Informatio-
nen erhalten. Ich darf mich besonders bei den Mitbe-
richterstattern bedanken: bei Ulrich Freese, bei Sven-
Christian Kindler und bei Roland Claus, der im Moment
nicht hier ist. Herzlichen Dank für die faire Zusammen-
arbeit.

Die Union steht für eine Landwirtschaft des unterneh-
merischen Mittelstandes. Wir stehen aber auch für ge-





Cajus Caesar


(A) (C)



(D)(B)

sunde Ernährung, und wir stehen für eine Entwicklung
des ländlichen Raums. Wir, die Große Koalition, messen
dem ländlichen Raum, der 90 Prozent der Fläche
Deutschlands ausmacht, große Bedeutung für die Ent-
wicklung unseres Landes bei. Wir sehen darin große
Chancen für die Landwirtschaft und die Forstwirtschaft,
für all diejenigen, die mit ihren Familien im ländlichen
Raum ihre Heimat gefunden haben. Deshalb danke ich
all denen, die sich im und für den ländlichen Raum enga-
gieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ländlicher Raum bedeutet Arbeit und Einkommen.
Wir, die Union, setzen in diesem Bereich Schwerpunkte.
Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt. Der Mensch im
Mittelpunkt – das bedeutet auch, Verantwortung für Tier
und Umwelt zu übernehmen. Dementsprechend setzt un-
sere Facharbeitsgruppe mit Franz-Josef Holzenkamp, mit
Alois Gerig, mit Marlene Mortler und unserem stellver-
tretenden Fraktionsvorsitzenden Dr. Franz Josef Jung
Akzente. Deshalb haben wir mit unseren Partnern von
der SPD in der Großen Koalition einen Haushalt gestal-
tet, der sich sehen lassen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ute Vogt [SPD] – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!)


Wir setzen in diesem Haushalt zusätzliche Mittel für
die sogenannte Eiweißstrategie ein. Wir sehen darin die
große Chance, dass auf Dauer weniger Importe notwen-
dig sind. Wir sehen darin die Chance für Innovationen
für unsere Landwirtschaft insgesamt.

Wir halten die Tierwohlinitiative mit den entspre-
chenden Modell- und Demonstrationsvorhaben für die
richtige Vorgehensweise. Wir haben dafür 3 Millionen
Euro im Haushalt verankert. Diese 3 Millionen Euro
sind uns, auch wenn das kein riesiger Betrag ist, sehr
wichtig. An dieser Stelle darf ich denjenigen aus dem
bäuerlichen Metier danken, die diesbezüglich zusammen
mit der mittelständischen Wirtschaft etwas voranbrin-
gen. Wir sind damit auf dem richtigen Weg. Das ist die
Vorgehensweise der Union: Mit den Menschen vor Ort
und mit den Beschäftigten wollen wir Akzente setzen.
Ich glaube, das ist der richtige Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir setzen auf Forschung und Innovation. Deshalb
sind uns unsere Forschungsinstitute sehr wichtig. Wir
haben sie personell und finanziell gut ausgestattet; denn
Forschung und Innovation bedeuten Zukunft für unsere
Landwirtschaft, für unsere Forstwirtschaft, für unsere
Fischerei, für all diejenigen, die in diesem Bereich Akti-
vitäten entfalten.

Wir haben mit diesem Haushalt Akzente gesetzt, ins-
besondere im Bereich der Forst- und Waldwirtschaft.
Nun kann man denken, dass das ein kleiner Randbereich
ist. Man sollte aber genau hinschauen: In der Forst- und
Holzindustrie gibt es mehr Arbeitsplätze als in der Auto-
mobilindustrie. Das sollte man nicht vergessen. Mit ei-
nem Umsatz von 170 Milliarden Euro ist das ein riesiger
Bereich. Dieser Aufgabe stellen wir uns.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ute Vogt [SPD])


Wir haben in dieser Koalition gemeinsam festgelegt,
dass uns dieser Bereich wichtig ist. Daher setzen wir
5 Millionen Euro für die internationale nachhaltige
Waldbewirtschaftung ein. 20 Prozent des weltweiten
CO2-Ausstoßes werden durch Waldvernichtung erzeugt.
Jährlich werden 13 Millionen Hektar Wald vernichtet.
Deshalb ist es richtig, dass wir das Holzhandels-Siche-
rungs-Gesetz auf den Weg gebracht haben; aber es muss
auch mit Leben erfüllt werden. Deshalb müssen die
finanziellen und personellen Rahmenbedingungen rich-
tig ausgestaltet werden. Das ist der richtige Weg. Im Be-
reich der nationalen Waldwirtschaft haben wir ebenfalls
entsprechende Mittel verankert. Ich glaube, auch diesbe-
züglich sind wir auf dem richtigen Weg. Wir wollen die-
sen Weg weitergehen; denn ein umweltfreundlich er-
zeugter Rohstoff bedeutet Arbeitsplätze, Wertschöpfung
und letztendlich auch eine stoffliche Verwertung sowie
durch die Kaskadennutzung auch eine energetische Nut-
zung. Dies ist ein wichtiger Bereich für uns. Deshalb ha-
ben wir ihn in diesem Haushalt entsprechend abgebildet.

Wir sind dankbar dafür, dass maßgebliche Verbände
unsere Politik unterstützen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allen Dingen der Bauernverband!)


– Wir waren sehr froh, Sven-Christian Kindler, dass wir
in diesem Bereich sehr positive Resonanz der Verbände
– des WWF, des NABU, der Schutzgemeinschaft Deut-
scher Wald und des Bundes Deutscher Forstleute –, er-
halten haben, um die entsprechenden Antworten geben
zu können. Die Menschen vor Ort sind uns also wichtig.
Auch die Verbände, welche die Menschen vertreten, sind
uns wichtig. Wir als Union sind an der Seite dieser Men-
schen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben auch sehr intensiv über den Bereich der
nachwachsenden Rohstoffe diskutiert. Dieser Bereich,
der insgesamt mit 60 Millionen Euro ausgestattet ist
– Alois Gerig lächelt gerade, weil er dort Verantwortung
trägt –, ist uns wichtig, weil er auch Zukunftsprojekte
auf den Weg bringt. Ich nenne nur die Erforschung neuer
Biogaspflanzen und Energiepflanzenfruchtfolgen. Er be-
inhaltet aber auch Projekte, die dazu führen sollen, dass
beispielsweise durch Mikroalgenanbau Kraftstoff er-
zeugt werden kann. Das sind aktuelle Projekte, die finan-
ziell von uns ausgestattet worden sind, weil sie zukunfts-
fähig sind. Mit ihnen werden die nachwachsenden
Rohstoffe gut erforscht.

In vielen Bereichen reden wir über Vermaisung. Des-
halb ist es richtig, dass wir alle Alternativen betrachten.
Ganz davon abgesehen gibt es gar keine Vermaisung;
denn viele Bereiche haben unter 10 Prozent oder nur
15 Prozent Maisanteil. Das sollte an dieser Stelle fairer-
weise auch einmal zum Ausdruck gebracht werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)






Cajus Caesar


(A) (C)



(D)(B)

Im Hinblick auf den Stellenplan haben wir sehr wohl
in Betracht gezogen, wie die Bürger uns sehen. Die Bür-
ger wollen sehen, was sie kaufen. Sie wollen aber auch
sehen, wie es produziert wird. Deshalb setzen wir durch
die entsprechenden Forschungsmittel in der Lebensmit-
telsicherheit auf Rahmenbedingungen für gesunde Er-
nährung.

Wir sind, glaube ich, auch beim Tierwohl auf dem
richtigen Weg. Dort wollen wir entsprechende Maßnah-
men sowohl im Forschungsbereich als auch im prakti-
schen Bereich auf den Höfen selbst durchführen. Das
soll im Miteinander von bäuerlichen Familienbetrieben
bzw. bäuerlichem Mittelstand und dem Bürger gesche-
hen, der die Produkte – so denke ich – ganz gerne als
Nahrung zu sich nimmt, um diese Verbindung herzustel-
len bzw. diesen Kreis zu schließen. Dieses Miteinander
soll stattfinden, um gemeinsam erfolgreich zu sein. Es
soll nicht gegeneinander gearbeitet werden. Das ist uns
wichtig.

Nach dem Hochwasser haben wir – das kann sich se-
hen lassen – 8 Milliarden Euro für die Flutopferhilfe be-
reitgestellt. Das haben wir unbürokratisch getan; deshalb
sind auch so viele Mittel abgeflossen. Wir wollen aber
– deshalb haben wir diesen Akzent gesetzt – nicht nur
reparieren, sondern zukünftig in besonderem Maße in
diesem Bereich präventiv tätig werden. Darum haben
wir als Haushaltsausschuss einen Maßgabebeschluss ini-
tiiert. Wir wollen, wenn in wenigen Wochen die Ergeb-
nisse in Bezug auf den Hochwasserrahmenplan vorlie-
gen, diese präventiven Maßnahmen in den dann
folgenden Monaten mit Leben erfüllen. Deshalb haben
wir mit dem Maßgabebeschluss die Bundesregierung
aufgefordert, aktiv zu werden, sobald die Ergebnisse
vorliegen und wir die entsprechenden länderübergreifen-
den Maßnahmen auf den Weg bringen können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Zuruf von der CDU/CSU)


– Das ist ein wichtiger Bereich. Sehr richtig! – Die
Große Koalition setzt mit diesem Haushalt Akzente. Sie
handelt im Sinne der Zukunftsfähigkeit des ländlichen
Raums sowie einer hochwertigen und gesunden Ernäh-
rung. Natürlich handelt sie im Rahmen von Klima- und
Umweltschutz, aber auch, um Arbeitsplätze im ländli-
chen Raum zu sichern und weitere hinzuzugewinnen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804114600

Der Kollege Sven-Christian Kindler spricht nun für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir haben in der Landwirtschaft in Deutsch-
land heute mit sehr vielfältigen Problemen zu kämpfen.
Dabei geht es unter anderem um industrielle Massentier-
haltung, Monokulturen, gentechnisch verändertes Saat-
gut,

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ganz schlimm! Böse! Böse!)


die Dominanz von Agrarkonzernen gegenüber bäuer-
lichen Betrieben und das Höfesterben, das wir in
Deutschland erleben. Die Frage ist: Was macht die Bun-
desregierung, was machen eigentlich Sie als Landwirt-
schaftsminister, Herr Schmidt? Sie machen weiter wie
bisher. Das ist „business as usual“. Keine neuen Ideen,
keine Antworten auf die großen Probleme in der Land-
wirtschaft. Ich sage Ihnen: So kann es nicht weitergehen.
Wir brauchen in Deutschland endlich eine Agrarwende.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Lachen bei der CDU/ CSU – Manfred Grund [CDU/CSU]: Großartig wie die Energiewende!)


– Da brauchen Sie bei der Union gar nicht zu lachen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir lachen gar nicht!)


Die großen Probleme zeigen sich auch in diesem
Agrarhaushalt, zum Beispiel war die Aufhebung der
Zweckbindung der Mittel für das Bundesprogramm
Ökologischer Landbau ein riesiger Fehler. Dies hat den
Ökolandbau auf Bundesebene enorm geschwächt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU])


Dabei entstehen gerade im Ökolandbau viele nachhaltige
Arbeitsplätze. Dort sorgt man für Naturschutz, für Um-
weltschutz, und es entstehen leckere Produkte. Deswe-
gen fordere ich Sie auf: Hören Sie auf, das Bundespro-
gramm Ökologischer Landbau zu kastrieren. Es muss
endlich gestärkt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – FranzJosef Holzenkamp [CDU/CSU]: Dann lesen Sie doch einmal den Haushalt!)


– Ich bin im Gegensatz zu Ihnen im Haushaltsausschuss
und habe den Haushalt auch gelesen.


(Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Offensichtlich nicht!)


Ich würde Ihnen einen Blick in den Haushalt empfehlen.

Gleichzeitig haben wir immer größere Probleme in
der agroindustriellen Landwirtschaft. Diese werden im-
mer offensichtlicher. Das jüngste Beispiel sind die anti-
biotikaresistenten Krankheitserreger in Wurst und
Schinken. Ihren Ursprung haben diese Bakterien auch
im massiven, häufig unsachgemäßen Einsatz von Anti-
biotika in der Massentierhaltung. Die Mastställe sind
quasi ein Fitnessstudio für Bakterien. Eine wirksame Re-
aktion der Bundesregierung bleibt bisher aus. Das ist un-
verantwortlich gegenüber den Menschen und auch ge-
genüber den Tieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marlene Mortler [CDU/CSU]: Das ist jetzt Kindergarten!)






Sven-Christian Kindler


(A) (C)



(D)(B)

Für diese immer wiederkehrenden Lebensmittelskan-
dale sind nicht nur einzelne schwarze Schafe verantwort-
lich. Das sind keine Einzelfälle. Vielmehr handelt es sich
um strukturelle Probleme der Agrarpolitik, einer Agrar-
politik, die ihren Fokus eben nicht auf Verbraucher-
schutz legt, ihren Fokus nicht auf Tierschutz und nicht
auf Klimaschutz legt, sondern auf industrielle Massen-
tierhaltung und Großbetriebe. Die Lebensmittelskandale
sind nicht ein Fehler im System, sondern das System ist
der Fehler.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Marlene Mortler [CDU/CSU]: Jetzt reicht es! Siehe Neuland! – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Siehe Neuland!)


Die Bundesregierung schützt dieses System auf Teu-
fel komm raus. Der Bundesregierung geht es in der
Agrarpolitik leider nicht um gesunde Ernährung, um ge-
sunde Böden und um gesunde Tiere. Ihnen geht es doch
primär um die Interessen der Agrarlobby. Bestes Bei-
spiel dafür ist die Gentechnik. Minister Schmidt, Sie ha-
ben angekündigt, dass Sie angeblich ein nationales An-
bauverbot in Deutschland erreichen wollen. Als das
europaweite Verbot von Genmais in Brüssel anstand, hat
die Bundeskanzlerin allerdings mit der Enthaltung in
Brüssel dafür gesorgt, dass dem Genmais der Weg geeb-
net wird. Frau Merkel hat damit gegen den Willen der
breiten Bevölkerung verstoßen und der Gentechniklobby
in Europa Tür und Tor geöffnet. Hier in Deutschland mit
dem Verbot Scharade spielen und in Brüssel für die Kon-
zerne den Genmais durchkämpfen – das ist die Methode
Merkel. Diese Doppelmoral, diese Doppelzüngigkeit bei
der Gentechnik finde ich wirklich unerträglich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Frau Merkel, Herr Schmidt, Sie sind damit Erfül-
lungsgehilfen der Gentechniklobby. Sie alle kennen das
Papier der Gentechniklobby in Brüssel, die einen kon-
kreten Plan vorgelegt hat, wie man die Gentechnik in
Europa gegen den Willen der breiten Bevölkerung wie-
der hoffähig macht. Nach diesem Plan agiert jetzt die
Bundesregierung. Das nationale Anbauverbot war ja
eine Idee der Konzerne. Die Konzerne müssen der Opt-
out-Lösung zustimmen, damit das Ganze rechtssicher
ist. Ich frage mich, wo wir eigentlich sind.


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Das frage ich mich auch bei dieser Rede!)


Herr Schmidt, Sie haben gesagt, Sie seien Koch und
nicht Kellner. Dann verhalten Sie sich bitte auch so, und
lassen Sie sich von der Lobby nicht Ihre Politik diktie-
ren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Für die großen Agrarkonzerne setzt sich die Bundes-
regierung leider auch bei den anstehenden Freihandels-
abkommen der Europäischen Union mit den USA, TTIP,
und mit Kanada, CETA, ein. Es zeigt sich leider, dass als
Erstes der Konzernprofit kommt. Das dahinter ist nach-
rangig. Diese Abkommen sind ein großer Angriff auf
Verbraucherschutzstandards, auf Tierschutzstandards
und auf Lebensmittelstandards. Diese Abkommen sind
auch ein Angriff auf Demokratie und Rechtsstaat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Schauen wir uns einmal die rechtsstaatliche Seite an:
Sonderprivilegien bei Gerichten für bestimmte Gruppen,
in diesem Fall Konzerne, und eine Justiz, die im Gehei-
men tagt, die nicht öffentlich tagt. Das ist tiefstes Mittel-
alter, das ist ideengeschichtlich vor der Aufklärung. Wir
sagen ganz klar: Diese Konzernjustiz geht gar nicht.
Herr Schmidt, ich fordere Sie auf: Erteilen Sie dieser
Konzernjustiz eine klare Absage!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Marlene Mortler [CDU/CSU]: Was er da sagt, glaubt er ja wohl selber nicht!)


Dabei geht es auch anders. Die Agrarpolitik muss sich
nicht vor den Karren der Agrarlobby spannen lassen.
Das hat Renate Künast bewiesen.


(Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Oh ja, gerade die!)


– Ja, so ist es; Sie wissen das doch genau.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Bei Frau Künast hatten wir Gentechnik! Das ist richtig!)


Renate Künast hat auf Bundesebene den Ökolandbau
und die Agrarwende eingeleitet. Schwarz-Gelb und die
Große Koalition machten die Rolle rückwärts. Viele
grüne Agrarminister zeigen in den Ländern, wie es geht.
Ich komme aus Niedersachsen, dem Landwirtschafts-
land Nummer eins. Ich kann Ihnen sagen: Wenn man
durch das Land fährt, ist spürbar, wie die sanfte Agrar-
wende der rot-grünen Landesregierung wirkt. Herr
Schmidt, ich lade Sie ein: Kommen Sie nach Nieder-
sachsen und schauen Sie sich an, wie man die Abkehr
von der Massentierhaltung und der Agroindustrie schaf-
fen kann! Ich bin mir sicher, der niedersächsische Land-
wirtschaftsminister Christian Meyer erklärt Ihnen gerne,
wie man die Agrarwende auch auf Bundesebene einlei-
ten kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben Ihnen auch im Hinblick auf den Haushalt
gezeigt, wie man die Agrarwende auf Bundesebene vo-
rantreiben kann. Klimaschutzprogramm, Subventionsab-
bau beim Agrardiesel, Investitionshilfen für bäuerliche
Betriebe, Ökolandbauforschung, all das haben wir im
Ausschuss beantragt. Sie haben es abgelehnt; das ist klar.
Umwelt- und Naturschutz, Tierschutz und Verbraucher-
schutz spielen für die Große Koalition keine Rolle. Eine
echte Agrarwende gibt es eben nur mit den Grünen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Genau hingucken, Herr Kollege!)







(A) (C)



(D)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804114700

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Ulrich Freese

das Wort.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulrich Freese (SPD):
Rede ID: ID1804114800

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kindler,
in Niedersachsen sind Sie ja erst seit anderthalb Jahren
mit uns gemeinsam an der Regierung. Das Land Nieder-
sachsen am heutigen Tage in dieser Art und Weise für
seine Agrarpolitik zu loben, obwohl ein nicht unerhebli-
cher Anteil der Erträge der Flächen nicht für den Teller,
sondern für den Tank ist, halte ich für unangemessen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So schnell kann auch RotGrün nicht alles revolutionieren!)


Es gibt kein anderes Bundesland, in dem ein so großer
Anteil in der Energiewirtschaft eingesetzt wird.

Die zweite Bemerkung. Wenn unsere Exporte aus
dem Bereich der Landwirtschaft und der Ernährungs-
wirtschaft ein Volumen von 66 Milliarden Euro haben
und davon 80 Prozent in die Europäische Union fließen,
wo ja hohe Lebensmittelstandards gefordert sind, dann
können die Landwirtschaft und die Ernährungswirtschaft
in Deutschland nicht schlecht sein. Dann müssen sie bei-
spielhaft sein; denn unsere Produkte werden in allen
Ländern nachgefragt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja eine spannende Aussage!)


Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es um den
Haushalt 2014 und perspektivisch natürlich auch um den
Haushalt 2015. Das, was wir zu entscheiden haben – ich
habe das schon in meiner Einbringungsrede gesagt –,
stammt aus Zeiten einer CDU/CSU-FDP-Regierung
bzw. von einem von der Union geführten Ministerium.
Durch konstruktive und gute sachliche und fachliche Ar-
beit unter Einbeziehung der Fachpolitiker – meiner An-
sicht nach ist sie allerdings noch ausbaufähig – ist es ge-
lungen, sozialdemokratische Vorstellungen zum Teil
schon in den Haushalt 2014 einzubeziehen.

Cajus Caesar hat auf die Eiweißstrategie hingewiesen.
Es ist dem sozialdemokratischen Engagement zu verdan-
ken, dass hierfür perspektivisch ein eigener Haushaltsti-
tel im Ministerium hinterlegt ist. Es wurde klar definiert,
dass es um einen Betrag von 3 Millionen Euro geht;
auch aus anderen Bereichen des Haushalts sind be-
stimmte Punkte übernommen worden. Für die Zukunft
sind also 3 Millionen Euro, verbunden mit Ausbauzie-
len, hinterlegt. Die Eiweißpflanzenstrategie ist nämlich
strategisch bedeutsam – das haben einige Rednerinnen
und Redner hier klar und deutlich zum Ausdruck ge-
bracht –, um die Futtermittelwirtschaft auf eigene und
gesunde Beine zu stellen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ein weiterer Punkt ist nicht unwichtig. Als ich auf
dem Verbandstag des Landesbauernverbandes Branden-
burg war, hat mich ein Begriff in dem, was wir tun, sehr
bestärkt, und zwar der Begriff „nasse Enteignung“. Dass
wir uns nun auf den Weg machen und durch den Maßga-
bebeschluss einen nationalen Hochwasserschutzplan für
die Bundesrepublik Deutschland in den Haushalt 2015
hineinbringen, ist ein deutliches Signal an alle, die von
Hochwasser geschädigt sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich will sagen, dass mich die Aussage der Ministerin
Hendricks in der Bereinigungssitzung sehr erfreut hat,
dass das Ministerium Schmidt und das Ministerium
Hendricks gemeinsam beim Bundesfinanzminister – für
das Haushaltsjahr 2014 beim BMEL angesiedelt –
40 Millionen Euro als ersten Schritt für den nationalen
Hochwasserschutzplan angemeldet haben. Wir werden
sie dabei unterstützen, dass dies auch 2015 tatsächlich
realisiert wird.

Als weiterer Punkt ist für uns Sozialdemokraten von
großer Bedeutung, dass wir mit der sozialen Ungerech-
tigkeit im Bereich der Altersversorgung der Landwirte
aufräumen und damit beginnen, vernünftige Regelungen
herbeizuführen. Die Hofabgabeklausel muss für das
Haushaltsjahr 2015 endlich modifiziert werden.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weg muss die!)


Die Gutachten sind eindeutig und zeigen uns den Weg
auf. Wir haben bei der Einbringung des Haushaltes ge-
sagt: 10 Prozent Abschlag, wenn der Hof weitergeführt
wird; das wird auch vom Thünen-Institut vorgeschlagen.
Das halte ich für eine vernünftige sachliche Regelung,
die wir gemeinschaftlich anstreben sollten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU])


Herr Minister, die sportliche Aufgabe wird nun darin
bestehen, bei der Aufstellung und Beratung des Haus-
halts für 2015 hierfür auch die notwendigen finanziellen
Untersetzungen zu bedenken und klarzustellen, dass wir
dieses gemeinsame Ziel in dieser Wahlperiode, am bes-
ten zu Beginn des Jahres 2015, endlich angehen wer-
den. – Ich sehe, die rote Lampe leuchtet. Meine Kolle-
ginnen und Kollegen, die aus fachpolitischen Gründen
noch sprechen werden, werden an der einen oder ande-
ren Stelle noch vertiefend darauf eingehen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804114900

Das Wort hat der Bundesminister für Ernährung und

Landwirtschaft, Christian Schmidt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)







(A) (C)



(D)(B)

Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Vorneweg: Herzlichen Dank dem Fachaus-
schuss und dem Haushaltsausschuss, den Berichterstat-
tern, für die auch bei unterschiedlichen Positionen im
Ergebnis doch sehr konsensuale Aufstellung des Einzel-
plans 10: mit 5,3 Milliarden Euro sogar noch etwas on
top drauf, zwar nicht sehr viel, aber immerhin, auch in
einem Bereich, Kollege Freese, der das Thema Wald und
andere Themen betrifft. Herzlichen Dank dafür!

Wir haben damit für 2014 Verlässlichkeit für Bauern-
familien und Verbraucherinnen und Verbraucher ge-
schaffen. Der Haushalt steht für die bäuerlich-nachhal-
tige Landwirtschaft, für die Sicherung gesunder
Lebensmittel, für den Schutz des Waldes durch Nutzung
und für attraktive ländliche Räume.

Wir setzen – ich darf den Hinweis gerne aufnehmen –
auch in der landwirtschaftlichen Sozialpolitik wichtige
Akzente. Die Sozialpolitik ist in der finanziellen Struk-
tur des Etats meines Hauses das Schwergewicht. Dort fe-
dern wir durch eine Mittelaufstockung die Folgen des
geringeren Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds
ab. Das sind allein in diesem Jahr 37 Millionen Euro, mit
denen wir unsere Landwirte vor einer einseitigen Belas-
tung schützen, die wir aber – um keinen falschen Ein-
druck entstehen zu lassen – nicht allein dem Finanz-
minister anlasten. Wir haben die Mittel auch aus eigenen
Reserven mit Zustimmung des BMF aktiviert.

Die soziale Sicherung der Bauernfamilien und eine
geregelte Hofnachfolge sind wesentliche Säulen für eine
zukunftsfeste Landwirtschaft in Deutschland. Wir haben
in der Koalitionsvereinbarung die Neugestaltung der
Hofabgabeklausel zugesagt, und wir werden uns auch
daran halten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Dabei werden wir sowohl die Interessen der ausschei-
denden Generation als auch die Interessen der kommen-
den Junglandwirte im Auge behalten.

Kollege Freese, gestatten Sie mir, auf einen Punkt
hinzuweisen, der mir aufgefallen ist: Bei allem Respekt
vor denen, die sich um das Thema kümmern – wir ken-
nen die Arbeitsgruppen –: Das sind keine Organisatio-
nen oder Gruppen, die vor extremer Jugendlichkeit sprü-
hen. Das heißt nicht, dass deren Hinweise nicht in
Ordnung sind, aber ich finde schon, dass wir auch mit
der jungen Generation sprechen müssen, wenn wir über
Sozialpolitik reden, und das will ich tun.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich will zugleich noch auf einen anderen Punkt hin-
weisen, der sich auf die Substanz der Höfe und der Ver-
mögen bezieht: In den nächsten Wochen findet in Karls-
ruhe eine mündliche Verhandlung statt, in der es um die
Erbschaftsteuer geht, also ein anderes Thema. Mittelbar
kann diese Verhandlung aber durchaus auch Bezüge zur
Generationenfolge im landwirtschaftlichen Betrieb ha-
ben. Deswegen werden wir die Erfahrungen und Er-
kenntnisse, die sich daraus ergeben, in unsere Beratungen
mit aufnehmen. Das lässt sich auch zeitlich gut paralleli-
sieren; denn ich gehe davon aus – das hört man –, dass
hierzu möglicherweise noch in diesem Jahr etwas gesagt
werden muss. Wir haben aber Argumente dafür, dass die
Betriebsvermögen nicht mit weiteren Substanzsteuern
belastet werden sollten. Das muss der Ausgangspunkt
sein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein Thema beim morgen beginnenden Deutschen Bau-
erntag wird sein, dass wir unseren Landwirten mit dem
durch die Energiewende bedingten Flächenverbrauch
– wir werden in dieser Woche ja noch über den Kompro-
miss beraten, der zum EEG gefunden worden ist –


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der interessiert uns sehr!)


und mit den Vorschriften zum Dünge- und Pflanzen-
schutz nicht den Boden unter den Füßen wegziehen. Der
Boden ist Geschäftsgrundlage unserer Bauern, und das
muss er auch bleiben.

Einer bäuerlich nachhaltigen Landwirtschaft den Rü-
cken zu stärken, ist auch ein wichtiges Anliegen der Ver-
braucherinnen und Verbraucher. Sie vertrauen auf die
Leistungsträger in der Fläche, stellen jedoch zugleich
hohe Ansprüche an die Erzeuger von Nahrungsmitteln
und Energie, an die Pflege der Kulturlandschaften und
vor allem an die Produkte. Das tun sie zu Recht.

Die Gemeinsame Agrarpolitik gibt Antworten auf
diese hohen Ansprüche. Sie wurde jahrelang hart ver-
handelt. Jetzt steht sie sowohl auf europäischer Ebene
als auch in Deutschland vor der Umsetzung. Ich bedanke
mich auch hier noch einmal dafür, dass das eine oder an-
dere abschließend angepasst worden ist – natürlich im
Wege der Kompromissfindung –, sodass wir die Zahlun-
gen zum 1. August 2014 mit einer, wie ich finde, guten
Perspektive auf eine neue Basis stellen können, indem
4,5 Prozent der Mittel aus der ersten Säule – den Direkt-
zahlungen – in die zweite Säule umverteilt werden.

Ich meine, dass wir die zweite Säule auch für das eine
oder andere im Blick behalten müssen, was wir in der
nächsten Zeit und in den nächsten Jahren gestalterisch
noch tun können. Die Verbraucher, die Bürgerinnen und
Bürger und auch die Landwirte wünschen sich eine Be-
wirtschaftung der Flächen, die im Einklang mit der Um-
welt steht. Dazu gibt es nicht nur das Schlagwort des
Greening, sondern auch die Umsetzung des Greening,
das den Wechsel der Fruchtfolgen, den wirksamen
Schutz von Dauergrünland und ökologische Vorrangflä-
chen vorschreibt – all das, ohne pauschal wertvolle Flä-
chen stillzulegen. Ich denke, wir haben hier einen guten
Weg gefunden.

Im Bereich des Tierwohls werden wir – das ist heute
angesprochen worden – in absehbarer Zeit von verschie-
denen Seiten Unterstützung erhalten. Ich denke, dass
sich daran auch der Deutsche Bauernverband mit seiner
Initiative und der Handel beteiligen werden. Daneben
werden wir auch weitere wichtige Verantwortliche in
diese Tierwohlinitiative mit einbeziehen. Von meiner





Bundesminister Christian Schmidt


(A) (C)



(D)(B)

Seite aus werde ich dem Koalitionsvertrag natürlich
auch Folge leisten, und wir werden seitens meines Hau-
ses weitergehende Initiativen zu diesem Thema ergrei-
fen.

Es geht um Forschungsprojekte. Wie können wir ver-
hindern, dass jedes Jahr 45 Millionen männliche Küken
sterben müssen oder dass, wie wir neulich gelernt haben,
trächtige Rinder geschlachtet werden? Es geht um Inno-
vation. Wie modernisiert man, und zwar ökonomisch
tragbar, einen Stall so, dass das Schwänzebeißen in der
Rindermast verhindert wird? Es geht um Demonstra-
tionsvorhaben. Wer taugt als Vorbild, vielleicht für eine
ganze Branche? Es geht um Best Practice, also darum,
sich vom anderen, egal ob inländisch oder ausländisch,
das Gute abzuschauen. Das ist für mich ein ganz wichti-
ger Weg.

In den nächsten drei Jahren geben wir 30 Millionen
Euro für Innovationen im Rahmen einer nachhaltigen
Nutztierhaltung aus, 12 Millionen Euro für die Minimie-
rung von Antibiotika in der Lebensmittelkette und
21 Millionen Euro für Modell- und Demonstrationsvor-
haben. Noch einmal herzlichen Dank an die Haushälter
für die Unterstützung dieser Initiative.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden die Forschung noch weiter ausbauen. Ich
habe nicht zum Haushalt 2015 zu reden, aber ich darf
meinen Grundoptimismus anmelden, dass gezielte For-
schung auch in dieser Zeit einen Platz in unserem Etat
finden wird.

Ich bekenne mich zur Tierhaltung in Deutschland,
keine Frage. Sie muss wissensbasiert das Wohl des ein-
zelnen Tieres im Blick behalten. Es muss aber auch da-
rüber informiert werden, was die Grundlagen und Not-
wendigkeiten der Nahrungsmittelversorgung sind, die
sich daraus ergibt.

Ich will zum Thema TTIP – Herr Kollege Kindler, Sie
haben das angesprochen – einen Satz sagen. Ja, ich bin
sehr dafür, dass wir nicht nur über Transparenz diskutie-
ren, sondern auch Transparenz haben. Mein tüchtiger
Parlamentarischer Staatssekretär Peter Bleser hat mir
heute einen guten Vorschlag unterbreitet. Er hat gesagt:
Lasst doch einmal Vertreter der amerikanischen FDA,
also der Food and Drug Administration, amerikanische
und europäische Wissenschaftler – wir werden sie nicht
zusammen einsperren – miteinander diskutieren. Wir
stellen Fragen, und wir lassen uns auch über unter-
schiedliche Positionen informieren. Es wird sicherlich
viele Punkte geben, wo wir einen völlig anderen Ansatz
haben, dem die andere Seite nicht folgen kann.

Mir wäre es schon recht, wenn wir die Diskussion ein
klein wenig, lieber Kollege Kindler, über das Plakatieren
von Chlorhühnchen hinaus führen würden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Schon auf Plakaten kann man nicht unterscheiden, wo
sich das Chlor wirklich befindet. Wir sollten uns schon
die Mühe machen, dass wir diese Themen intensiv dis-
kutieren.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804115000

Herr Minister, würden Sie, kurz bevor die Ihnen von

der Fraktion zugedachte Redezeit zu Ende ist, eine Frage
des Kollegen Kindler zulassen?

Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Aber sehr gerne.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804115100

Bitte schön.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Herr Minister. – Das Wort „Chlorhühn-
chen“ habe ich in meiner Rede nicht erwähnt.

Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Das ist richtig.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Gut. – Mir ging es neben der Gefahr für Verbraucher
und Lebensmittelstandards vor allen Dingen um die
Frage von Rechtsstaatlichkeit. Ich kann nicht verstehen,
warum es, wie gesagt, notwendig ist, bestimmten Grup-
pen Sonderprivilegien vor Geheimgerichten einzuräu-
men, gerade zwischen funktionierenden Rechtsstaaten
wie der Europäischen Union und den USA.

Meine Frage in meiner Rede auch an Sie war, ob Sie
sich klar gegen „investor to state arbitration“ und Kon-
zernjustiz aussprechen und deutlich sagen: Ein Abkom-
men mit solchen Regelungen kann es nicht geben.

Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Lieber Kollege, Sie hatten das Ganze in die vordemo-
kratische Zeit verlegt. Meine Antwort ist daher Ja und
Nein. Investitionsschutzabkommen waren das klassische
Instrument, um beim Handel mit Ländern, die dazu neig-
ten, alle zwei Jahre die Produktionsmittel zu verstaatli-
chen, sicherzustellen, dass derjenige, der investiert hat,
seine Mittel behält. So war das, und so ist es.


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Ich glaube, das ist unbestritten. – Lassen Sie uns den
Gedanken weiterentwickeln. Ich weiß, ich bin zu leise
und zu zurückhaltend, aber ich denke, und dann muss
man manchmal auch zuhören.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Jeder so, wie er es gelernt hat und wie er es kann. In die-
ser Sache kenne ich mich ziemlich gut aus.





Bundesminister Christian Schmidt


(A) (C)



(D)(B)

Ich bin sehr mit Ihnen einer Meinung, lieber Kollege
Kindler, dass es nicht sein kann, dass im Rahmen von
Abkommen zwischen demokratischen Staaten demokra-
tische Entscheidungen infrage gestellt werden, wenn sie
nach internationalen Regeln getroffen wurden. Ich darf
darauf hinweisen: Die WTO gibt uns internationale Re-
geln, und in diesem Rahmen müssen wir uns bewegen.
Wenn wir im Rahmen dieser Regeln beispielsweise ein
nationales Anbauverbot für gentechnisch veränderte Or-
ganismen aussprechen, kann es nicht sein, dass durch
Schiedsverfahren, die von amerikanischen oder brasilia-
nischen Anwaltskanzleien oder von wem auch immer
angestrengt werden, Entscheidungen gefällt werden, die
das aushebeln. Das kann nicht sein. Das wäre in der Tat
vordemokratisch.


(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!)


Deswegen empfehle ich schon jetzt – das als Hinweis –
die sehr gute Ausarbeitung und Positionierung zur Lek-
türe, die die Europäische Kommission im letzten Jahr zu
dieser Frage gemacht hat.

Das kann nicht sein, und das darf nicht sein. Was al-
lerdings schon sein muss, ist, dass in einem Schiedsver-
fahren Streitigkeiten zwischen Beteiligten gelöst werden
können. Denn ein solches Abkommen wird es auf der
Welt nicht geben, bei dem es keine unterschiedlichen
Auslegungen gibt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804115200

Herr Minister, ich habe den Eindruck, dass der Kol-

lege Kindler einsieht, dass er fast Ihrer Meinung ist.


(Heiterkeit)


Wenn Sie jetzt noch einen schönen Schlusssatz formulie-
ren, könnten wir in der weiteren Debatte fortfahren.


(Heiterkeit)


Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Herr Präsident! Ihrer Anregung folgend und auf das
Angebot verweisend, dass wir dieses Thema dann nicht
nur bei der Bleser’schen Veranstaltung vertiefen,
möchte ich betonen, dass wir uns sauber Grundlagen le-
gen, bevor wir allgemein über diese Dinge diskutieren.
Denn der Schutz des Waldes durch Nutzung, die Stimme
der ländlichen Räume und das Hochwasserthema, das
angesprochen worden ist, sind Fragen, mit denen wir uns
auch in diesem Haushalt – jedenfalls ansatzweise, was
das Hochwasser betrifft – beschäftigen werden.

Ich bedanke mich sehr, dass wir auch im Rumpfhaus-
haltsjahr 2014 in der Lage sein werden, Akzente zu set-
zen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804115300

Das Wort erhält nun die Kollegin Karin Binder für die

Fraktion Die Linke.

(Beifall der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE] – Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Einzelbeifall!)



Karin Binder (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1804115400

Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren! Diese Woche,
noch kurz vor der Sommerpause, wird uns die abschlie-
ßende Beratung des Bundeshaushalts 2014 aufgetischt.
Wir beraten einen Speiseplan, dessen Zutaten schon zur
Hälfte aufgegessen sind. Da bleibt natürlich auch im
Haushalt des Ministeriums für Landwirtschaft und Er-
nährung einiges auf der Strecke, vor allem die gesunde
Ernährung, der gesundheitliche Verbraucherschutz und
letztlich die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Sie selbst, Herr Minister, haben am 8. April in dieses
Mikrofon gesprochen – ich zitiere –:

Der gesundheitliche Verbraucherschutz wird im
Zuge der weiteren Globalisierung eine immer grö-
ßere und wichtigere Rolle spielen.

Aber welche Schlüsse ziehen Sie daraus? Ich habe
jetzt in Ihrer Rede wirklich nur die Themen Landwirt-
schaft und TTIP gehört. Ihre Feststellungen vom 8. April
schlagen sich leider nicht in den Zahlen und in den Pro-
jekten des Haushaltsplans 2014 nieder.

Herr Minister, wo bleibt Ihr Gestaltungswille? Ich
frage Sie: Was machen Sie gegen die Schadstoffflut in
importierten Kinderspielzeugen? Welche Folgen hat es
für die Gesundheit vieler Menschen, wenn die Zutaten
für unsere Lebensmittel weltweit zu Dumpinglöhnen an-
gebaut werden, um dann von den Handelskonzernen zu
Dumpingpreisen an- und verkauft zu werden? An wel-
cher Stelle im Haushalt haben Sie Mittel für die Überwa-
chung der globalisierten Lebensmittelindustrie einge-
stellt? Welche Mittel setzen Sie ein, um das sogenannte
Freihandelsabkommen zwischen USA und EU und auch
das CETA daraufhin zu untersuchen, welche Auswirkun-
gen sie auf unsere Lebensmittel, die Verbraucherrechte
und unsere Verbraucherinnen und Verbraucher haben?

Das alles fehlt mir in diesem Haushalt. Diese Bundes-
regierung setzt sich bislang mit wichtigen Projekten und
anstehenden Herausforderungen nicht genügend ausei-
nander – zumindest noch nicht. Deshalb nutze ich jetzt
die Gelegenheit, schon einmal einen Blick auf das Haus-
haltsjahr 2015 zu werfen. Wir werden nämlich bereits im
September, also in wenigen Wochen, mit den Haushalts-
beratungen beginnen.

Im Bereich „Ernährung und gesundheitlicher Ver-
braucherschutz“ haben wir uns mit wirklich wichtigen
Projekten und Fragen zu beschäftigen. Ich nenne an ers-
ter Stelle gefährliches Kinderspielzeug. Damit die Ge-
sundheit von Kindern nicht weiter durch Spielzeuge, die
Krebs erzeugen, Allergien hervorrufen oder Erbgut schä-
digen können, gefährdet werden kann, muss die Kon-
trolle der Spielwarenhersteller und der Importeure ver-
bessert werden. Das ist nur dann möglich, wenn Sie die
Zuständigkeit dafür auf die Bundesebene verlagern und
die amtliche Überwachung auf das BVL übertragen.
Denn ich behaupte, dass die internationalen Konzerne





Karin Binder


(A) (C)



(D)(B)

nicht von kommunalen Behörden überprüft werden kön-
nen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Forschung. Wie
wirken sich künstliche Nanostoffe im Essen, in den Le-
bensmitteln aus, oder was hinterlässt der Einsatz von
Nanotechnologie in der Herstellung? Welche Folgen hat
eine globalisierte Lebensmittelherstellung für die Le-
bensmittelsicherheit in der gesamten Produktionskette?

Zur Beantwortung dieser Fragen brauchen wir die
Forschung, zum Beispiel beim Max-Rubner-Institut. Sie
muss ausgebaut werden.

Auch das Thema Lebensmittelsicherheit ist ein sehr
wichtiges Thema. Die amtliche Lebensmittelüberwa-
chung muss auf unzulässige Bestandteile, Schadstoffe,
korrekte Kennzeichnung und gefährliche Keime kontrol-
lieren. Das alles ist bei einer globalisierten Lebensmittel-
industrie heute nicht mehr über kommunale Behörden
möglich. Deshalb ist eine Koordinierung auf Bundes-
ebene nötig.


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Sagen Sie das den Bundesländern!)


Dafür brauchen wir entsprechende Mittel, und wir brau-
chen viel mehr Kontrolleure, um diesen wichtigen Be-
reich, der für die Gesundheit vieler Menschen notwendig
ist, so auszubauen, dass er funktioniert.

Wir haben ein weiteres Thema: die Ernährungssitua-
tion von Kindern in Deutschland. Wir brauchen eine flä-
chendeckende Untersuchung zu diesem Thema. Wir wis-
sen, dass viele Kinder fehlernährt sind. Es gibt nicht nur
das Problem zu dicker Kinder, sondern auch der Fehl-
ernährung.

Wie sieht die Ernährungssituation von Jugendlichen
und Kindern in Deutschland inzwischen aus? Wir brau-
chen die Mittel, um dies zu erfassen, zu untersuchen und
Schlüsse daraus zu ziehen. Ich denke nämlich, ein weite-
rer wichtiger Punkt wäre das Thema Kita- und Schulver-
pflegung. Ein erster Schritt, mit dem die Situation vieler
Kinder verbessert werden könnte, wäre die Kofinanzie-
rung des EU-Schulobstprogramms durch den Bund. So
kämen endlich alle Kinder und Jugendlichen in den Ge-
nuss einer täglichen Portion Obst und Gemüse.

Ich habe gelesen, dass Baden-Württemberg jetzt
1 Million Euro mehr in den Haushalt einstellen wird.
Wenn man das durch 250 000 Kinder teilt, dann sind das
4 Euro pro Kind. Entschuldigung! Wie kann man mit
4 Euro ein Kind ein Jahr lang mit Obst und Gemüse ver-
pflegen? Das reicht nicht.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Die Länder! Die Länder können doch auch einen Beitrag leisten!)


– Die Länder haben nicht die Mittel dafür. Sonst wären
sie doch schon längst dabei. Das ist ein Problem.


(Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Vielleicht in Baden-Württemberg!)


Weitere Probleme mit der Schulverpflegung haben
wir durch die unsinnige Mehrwertsteuer. Wir müssen
endlich die Mehrwertsteuer abschaffen, wenn es um
Schul- und Kitaverpflegung geht. Wir brauchen natür-
lich auch fachliche Beratung und Unterstützung der
Schulen und der Kitas unter anderem durch die Vernet-
zungsstellen „Schulverpflegung“. Ein Projekt wie die-
ses, das sich bewährt hat, muss man langfristig sichern.


(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Das machen die Länder!)


Es reicht nicht, das Projekt an die Länder zu übergeben,
wenn man weiß, dass es dann wieder stirbt. Dann stirbt
nämlich die Schulverpflegung insgesamt.

Herr Minister, wir hätten noch viele Vorschläge zu
machen. Wir setzen auf eine vernünftige Beratung mit
Ihnen. Davon, dass Sie Vorschläge anhören und anneh-
men, bin ich überzeugt. Aber wir würden uns sehr
freuen, wenn wir das gemeinsam anpacken könnten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, und – ja –
einen schönen Abend!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804115500

Ein noch schönerer Abend als dieser lässt sich

schwerlich vorstellen. – Nun hat die Kollegin Elvira
Drobinski-Weiß das Wort für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Rede ID: ID1804115600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Das Budget für den Bereich
„gesundheitlicher Verbraucherschutz und Ernährung“ ist
in diesem Jahr kleiner geworden. Das liegt vor allem da-
ran, dass ein Teil der Mittel für Verbraucherschutz und
Verbraucherinformation in das Bundesministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz gewandert ist. Es blei-
ben aber nach wie vor 16,8 Millionen Euro. Was steckt
da drin? Darin stecken unter anderem Fördermittel für
Projekte, die Kinder für das Kochen begeistern sollen,
für die Vernetzungsstellen „Schulverpflegung“, für Er-
nährungsbildungsprojekte, für die Kampagne gegen Le-
bensmittelverschwendung und für das Portal „Lebens-
mittelklarheit“. Für dieses Jahr ist die Finanzierung all
dieser Projekte sichergestellt.

Wichtig ist aber, dass wir diese Unterstützung in den
nächsten Jahren konsequent fortsetzen. Das gilt nicht nur
für die Ernährungsbildung, sondern auch – das ist mir
besonders wichtig – für das Portal „Lebensmittelklar-
heit“. Für all diejenigen, die nicht wissen, was das ist:
Das ist ein Projekt der Verbraucherzentrale. Verbrauche-
rinnen und Verbraucher können dort Projekte melden,
von denen sie sich getäuscht fühlen. Das Ganze wird ge-
sammelt und ausgewertet und wurde bereits durch eine
fundierte Verbraucherforschung begleitet. Diese müssen
wir fortführen, keine Frage.


(Beifall bei der SPD)






Elvira Drobinski-Weiß


(A) (C)



(D)(B)

Wir müssen aber auch endlich Konsequenzen aus den
Erkenntnissen und Ergebnissen dieses Portals und seiner
Begleitforschung ziehen. Diese lauten nämlich: Viele
Definitionen, Verkehrsbezeichnungen und Leitsätze für
Lebensmittel werden von den Verbraucherinnen und
Verbrauchern nicht verstanden und als irreführend emp-
funden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/
CSU, im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf geei-
nigt, das zu ändern. Das sollten wir alsbald angehen.

Wir müssen nicht nur „Lebensmittelklarheit“ weiter-
finanzieren. Auch die Arbeit der Deutschen Lebensmit-
telbuch-Kommission muss sich künftig stärker an den
Bedürfnissen der Konsumenten nach Klarheit und Wahr-
heit orientieren. Auch hier für all diejenigen, die diese
Kommission nicht kennen: Die Lebensmittelbuch-Kom-
mission ist das Gremium, das erarbeitet, woraus zum
Beispiel Früchtetee, Geflügelwürstchen oder Alaska-
Seelachs bestehen sollten. Wer sitzt in diesem Gremium?
Zu gleichen Teilen Wissenschaftler, Mitarbeiter der Le-
bensmittelüberwachung sowie Verbraucherverbände und
die Lebensmittelwirtschaft. Wenn Letztere nicht will,
dass ein Leitsatz oder eine Definition neu gefasst wird,
dann blockiert sie eben. Wir wollen, dass die Verbrau-
chererwartung künftig das stärkste Gewicht bekommt.
Das ist bisher nicht der Fall. Im Moment darf in Geflü-
gelwürstchen Schweinespeck stecken, und die Alaska-
Seelachs-Schnitzel sind zwar rosa gefärbt, haben aber
mit Lachs nicht das Geringste zu tun.

Sehr geehrter Herr Minister Schmidt, ich weiß, dass
Sie die Arbeit der Lebensmittelbuch-Kommission ge-
rade evaluieren lassen. Deshalb möchte ich unterstrei-
chen, wie wichtig es aus Sicht der SPD ist, dass die Le-
bensmittelkennzeichnung künftig verbrauchergerechter
und die Erarbeitung der Leitsätze für die Bürgerinnen
und Bürger nachvollziehbarer und transparenter wird.
Ich sage Ihnen auch, warum das so wichtig ist. Laut ei-
ner Studie ärgern sich 80 Prozent der Konsumenten beim
Einkauf über unverständliche Angaben auf dem Etikett.
81 Prozent sagen, dass sie anhand der vorhandenen In-
formationen nicht einschätzen können, ob ein Produkt
gut oder schlecht ist, welche Qualität es also hat. Genau
das müssen wir ändern, und zwar nicht nur im Interesse
der Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch im
Interesse aller guten, seriösen und ehrlichen Anbieter.
Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher Qualitäten
verlässlich erkennen und unterscheiden können, sind sie
auch bereit, für ein gutes Produkt einen angemessenen
und fairen Preis zu zahlen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Selbstverständlich ist es deshalb wichtig, in die Verbrau-
cher- und Ernährungsbildung, in Aufklärungsangebote
zu investieren.

Gute Verbraucherpolitik darf sich aber gerade nicht
nur in Informationskampagnen für die Verbraucher er-
schöpfen. Sie muss auch die Anbieter in die Verantwor-
tung nehmen. Lebensmittel müssen so gekennzeichnet
sein, dass jeder auch ohne Lupe, ohne Lexikon und ohne
Hochschulabschluss verstehen kann, was er oder sie
kauft. Daran gemeinsam zu arbeiten, liebe Kolleginnen
und Kollegen, verehrter Herr Minister Schmidt, darauf
freue ich mich.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804115700

Nicole Maisch ist die nächste Rednerin für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804115800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr ge-

ehrter Herr Minister Schmidt, bei einem Ihrer ersten Be-
suche bei uns im Ausschuss haben Sie gesagt, Ernährung
sei Ihr Kernthema. Davon ist leider nicht viel zu merken,
nicht in der Rede, die Sie gehalten haben, nicht in die-
sem Haushalt und auch nicht anhand sonstiger Initiati-
ven. Für Ihr angebliches Schwerpunktthema Ernährung
haben Sie keinen Arbeitsplan, und für 1,5 Millionen
Euro im Ernährungsbereich haben Sie jetzt, im Juni, wo
das Haushaltsjahr schon zur Hälfte herum ist, immer
noch keine Verwendung. Der Vorwurf des unsichtbaren
Ministers, wenn es um gesunde Ernährung geht, trifft
leider voll ins Schwarze.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie verwalten still und leise, wie Sie es hier vorgetra-
gen haben, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit
vor sich hin. Aber man kann auf Ihrer Homepage nachle-
sen, was Sie so tun. Immerhin führen Sie die Kampagne
gegen Lebensmittelverschwendung Ihrer Vorgängerin
Frau Aigner fort. Auch Sie beteuern auf Podiumsdis-
kussionen, wie wichtig Ihnen die Wertschätzung von
Lebensmitteln ist. Natürlich lassen Sie auch Informa-
tionsbroschüren drucken. Aber das reicht nicht aus. Bro-
schüren alleine lösen keine gesellschaftlichen Probleme.
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie Konzepte vorlegen,
wie wir von den 11 Millionen Tonnen genießbarer Le-
bensmittel, die jährlich in Deutschland im Müll landen,
herunterkommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir fragen Sie: Wo sind die verbindlichen branchen-
spezifischen Zielvereinbarungen mit der Wirtschaft? Wo
ist der Innovationswettbewerb zur Müllvermeidung, und
wo sind die Forschungsprojekte, die wir gemeinsam in
der letzten Legislatur in diesem Bereich fraktionsüber-
greifend beschlossen haben?

Herr Minister Schmidt, Ihr Haus ist in den Koalitions-
verhandlungen arg gerupft worden. Sie als Ernährungs-
minister müssen jetzt beweisen, dass Ihr Haus noch
mehr ist als ein weiterer Versorgungsposten für die CSU.
Gelegenheit dazu gäbe es genug. Nehmen Sie die neue
Studie der Bertelsmann Stiftung zur miserablen Qualität
der Kita- und Kindergartenverpflegung in Deutschland.
Nur jede dritte Betreuungseinrichtung bietet kleinen
Kindern ein gesundes Mittagessen an. 1,2 Millionen
Kinder in diesem Land bekommen nach der Bewertung
der Deutschen Gesellschaft für Ernährung mieses Essen:
zu wenig Obst, zu wenig Gemüse, zu viel Fleisch, zu





Nicole Maisch


(A) (C)



(D)(B)

wenig frische Lebensmittel. An den Schulen in diesem
Land sieht es nicht besser aus.

Das sollte bei Ihnen als Ernährungsminister Kreativi-
tätsschübe auslösen und „leise und langsam“ durch „laut
und wütend“ ersetzen. Das sollte Sie zum Nachdenken
über Ihr unsinniges Kooperationsverbot bringen, das
dem Bund verbietet, den Schulen beim Thema Verpfle-
gung unter die Arme zu greifen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber was machen Sie? Sie lassen sogar die Finanzie-
rung für die Schulvernetzungsstellen nach 2017 im Un-
gewissen. Wir haben im Ausschuss darüber diskutiert.
Jeder fand es wichtig, jeder fand es gut, was die Schul-
vernetzungsstellen machen, aber Geld geben möchte der
Bund nicht. Wir halten das für unverantwortlich. Das ist
Sparen am falschen Ende.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Da wir gerade beim Sparen am falschen Ende sind:
Genauso unverantwortlich ist die fehlende Finanzierung
des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dort-
mund. Dieses Institut, europaweit einzigartig und seit
Jahrzehnten anerkannt, hat vor der Kinderkommission
des Deutschen Bundestages einen Hilferuf abgesetzt.
Dieses Institut, das für Forscherinnen und Forscher aus
ganz Europa einzigartige Basisarbeit betreibt, steht vor
dem Aus; denn es gibt keine gesicherte Finanzierung für
dieses Forschungsinstitut mehr.

Die Geschäftsführung, die wissenschaftliche Leitung,
wird seit einiger Zeit ehrenamtlich betrieben. Ich finde,
das kann nicht sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Die Langzeitforschung und die Forschungsergebnisse
müssen wir retten. Ich fordere Sie auf: Nutzen Sie das
Geld, das im Haushalt noch nicht verplant ist! Retten Sie
das FKE! Geben Sie 500 000 Euro aus, stellen Sie eine
richtige Geschäftsführung und ein Sekretariat ein, damit
diese wichtigen Forschungsergebnisse für die Gesund-
heit unserer Kinder nicht verloren gehen!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ein weiteres unrühmliches Beispiel dafür, dass unter
dieser Großen Koalition beim Thema Kindergesundheit
einiges im Argen liegt, ist der Umgang mit der Nationa-
len Stillkommission. Sie ist bei einer zum Geschäfts-
bereich Ihres Ministeriums gehörenden Behörde, beim
Bundesinstitut für Risikobewertung, angesiedelt. Diese
Kommission ist derzeit faktisch nicht arbeitsfähig, weil
die zuständige Stelle am BfR finanziell heruntergestuft
und mit weiteren Aufgaben überfrachtet wurde und sich
keiner mehr findet, der diesen Job machen will. Wir fin-
den, das ist ein untragbarer Zustand. Die Förderung des
Stillens ist einer der wichtigsten Bausteine zur Überge-
wichtsprävention bei Kindern. Das ist wissenschaftlich
unumstritten; das ist ganz eindeutig. Ich finde, es ist für
Deutschland peinlich, wenn wir nicht in der Lage sind,
die Nationale Stillkommission arbeitsfähig zu halten und
angemessen auszustatten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, dieser Haushalt und Ihre
Politik der letzten sechs Monate lassen noch viel Luft
nach oben. Das gilt besonders für den Tierschutz. Die
Vorgängerregierung hat mit der missglückten Tier-
schutznovelle in einigen Bereichen für mehr Schaden als
Nutzen gesorgt. Wir erwarten von dieser Koalition, dass
hier nachgebessert wird. Wir werden ganz genau hin-
schauen, ob Sie wirklich mehr Tierschutz erreichen oder
nur mehr Chancen zum Export von deutschem Fleisch in
die ganze Welt realisieren. Wenn Sie den Schutz der
Tiere, der im Grundgesetz verankert ist, wirklich ernst
nehmen, dann müssen Sie Schluss machen mit dem Sys-
tem der tierquälerischen industriellen Massentierhal-
tung. Das ist eine Systemfrage in der Landwirtschaft.
Wir werden genau hinschauen, wie vor allem die SPD
diese Systemfrage beantwortet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das bedeutet für die Union – wenn sie den Tierschutz so
ernst nimmt –, dass man auch einmal den einen oder an-
deren Konflikt aushalten muss, etwa mit den Bauernver-
bandsfunktionären außerhalb, aber auch innerhalb der
Fraktion. Wir werden genau schauen, ob ein schwarzer
Agrarminister so etwas austragen kann.

Wir Grüne wollen, dass der Tierschutz in Deutschland
mächtiger wird. Wir fordern einen Tierschutzbeauftrag-
ten mit angemessener Amtsausstattung und das Ver-
bandsklagerecht für Tierschutzorganistionen.

Lassen Sie mich noch ein Wort zu den Tierversuchen
sagen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804115900

Aber ganz schnell, bitte.


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1804116000

Ja, das schaffe ich ganz schnell. – Wir finden, dass

das Thema „Ersatzmethoden für Tierversuche“ finan-
ziell wesentlich mehr unterstützt werden muss. Sie
haben zwar die Finanzmittel für die Zentralstelle zur Er-
fassung und Bewertung von Ersatz und Ergänzungsme-
thoden zum Tierversuch aufgestockt, aber nicht etwa,
um Alternativen zu Tierversuchen zu erforschen, son-
dern lediglich um ein Internetportal zu pflegen. Wir fin-
den, das kann es nicht sein. Da hätten Sie nachlegen
müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist leider
die agrar- und ernährungspolitische Fortsetzung von
Schwarz-Gelb unter anderer Flagge. Das ist peinlich für
die SPD, und es ist schlecht für die Menschen und Tiere
in diesem Land. Wer daran gezweifelt hat, ob es nötig
ist, zur nächsten „Wir haben es satt“-Demo zu fahren,
dem sage ich: Leute, ihr müsst fahren. Das ist leider
auch unter Schwarz-Rot unbedingt notwendig.





Nicole Maisch


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804116100

Nächster Redner ist der Kollege Franz-Josef

Holzenkamp für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Franz-Josef Holzenkamp (CDU):
Rede ID: ID1804116200

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Frau Maisch, ich fand Sie im Ausschuss viel netter. Ei-
nes aber kann ich Ihnen versichern: Konfliktscheu sind
wir Schwarzen garantiert nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber an den Konflikten werden wir gemeinsam Spaß ha-
ben.

Zunächst möchte ich allen Beteiligten, die diesen
Haushalt aufgestellt haben, Danke sagen: Herrn Minister
mit seinem ganzen Team, sämtlichen Ministerien, den
Haushältern, allen Fachgruppen. Ich finde, wir haben ei-
nen guten Haushalt aufgestellt. Er trägt der Konsolidie-
rungsnotwendigkeit Rechnung – wir wissen, dass wir
nur das ausgeben können, was wir im Portemonnaie ha-
ben –, aber setzt gleichzeitig die richtigen Signale.

Meine Damen und Herren, die jüngste Verbraucher-
befragung im Auftrag des BMEL hat festgestellt, dass
80 Prozent aller Verbraucher mit der Qualität der Le-
bensmittel der deutschen Land- und Ernährungswirt-
schaft sehr zufrieden sind. Sie erfreuen sich an der Viel-
falt und an der Hochwertigkeit deutscher Lebensmittel.
Das ist eine gute Botschaft. Da dürfen wir uns auch ein-
mal freuen; da dürfen wir auch einmal lächeln.

Frau Binder, ein sehr deutlicher Hinweis auf die Qua-
lität unserer Ernährung ist die Tatsache, dass die Men-
schen in unserem Land immer älter werden. Es gab noch
nie so viele Alte wie heute, und die durchschnittliche Le-
benserwartung steigt weiter. Das ist das beste und deut-
lichste Zeichen dafür, wie gesund unsere Ernährung ist;
das ist ganz einfach feststellbar.


(Beifall bei der CDU/CSU)


In einem pflichte ich allen Beteiligten bei – Frau
Drobinski-Weiß hat ein paar Punkte angesprochen –: Es
bleibt einiges zu tun.

Ich kann die gute Stimmung aber nachvollziehen;
denn Landwirtschaft in Deutschland steht für Verantwor-
tung, für Vielfalt und auch für Erfolg. Darauf können wir
stolz sein; damit können wir auch selbstbewusst umge-
hen. Wir als Land- und Ernährungswirtschaft in
Deutschland sind wer. In der gesamten Kette sind es
etwa 5 Millionen Arbeitskräfte; das ist die zentrale Wirt-
schaftssäule des ländlichen Raums. Wir investieren im
ländlichen Raum, in sichere Arbeitsplätze dort, allein im
ersten Halbjahr 2014 6 Milliarden Euro. Das bedeutet
Investitionen in moderne Technik, mehr Umweltschutz,
mehr Tierschutz und mehr Effizienz. Das ist der richtige
Weg. Wir machen es so, anstatt Verbote zu fordern, was
zu Produktionsverlagerungen führt, womit wir dem Tier-
oder Umweltschutz einen Bärendienst erweisen. Das ist
Ihr Weg, und der ist falsch.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zum Thema Forschung. Das ist mir ein besonderes
Anliegen, weil Forschung letztendlich – da sind wir uns
alle einig, denke ich – Zukunft bedeutet. Die Landwirt-
schaft in Deutschland ist gut aufgestellt. Aber auch wir
sehen in verschiedenen Bereichen die Notwendigkeit
von Weiterentwicklungen. Ich will einige Beispiele an-
sprechen: Wie können wir das Tierwohl in Deutschlands
Ställen verbessern? Deshalb machen wir Praxis- und De-
monstrationsversuche. Wir wollen nicht verbieten, son-
dern Lösungen erarbeiten. – Wie können wir negative
Effekte auf die Umwelt verringern? Deshalb gibt es bei
uns den Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen An-
wendung von Pflanzenschutzmitteln. Deshalb sind wir
dabei, in der Düngeverordnung bessere Bedingungen für
unsere Umwelt zu erreichen. – Wie können wir die Pro-
duktivität im Ökolandbau verbessern, damit auch dort
die Nachhaltigkeit gesteigert wird? Deshalb – das ist,
glaube ich, vorhin nicht richtig verstanden worden – se-
hen wir in diesem Haushalt mehr Forschungsförderung
für den Ökolandbau vor.

Meine Damen und Herren, zu welcher Produktions-
form sich ein Landwirt auch immer entschließt: Ent-
scheidend ist stets die enge Verzahnung zwischen Öko-
logie, Ökonomie und letztendlich auch sozialen
Aspekten. Dieses Zieldreieck müssen wir immer im
Blick haben, weil wir anders keine intelligente Lösung
für die Landwirtschaft von morgen finden, die alle
Punkte berücksichtigt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deshalb unterstützen wir in unserem Haushalt die For-
schung in der Gesamtsumme mit immerhin etwa 500 Mil-
lionen Euro. Das sind Mittel für Forschung, für Nachhal-
tigkeit und für mehr Innovation.

Zudem haben wir die Eiweißstrategie verankert. Da-
für gibt es einen eigenen Titel – das wurde schon mehr-
fach angesprochen –, und das ist auch richtig. Wilhelm
Priesmeier, du hast mich sehr frühzeitig angesprochen:
Können wir das nicht machen? Das ist uns wichtig. –
Wir waren uns sofort einig und haben das gemeinsam
auf den Weg gebracht. So arbeiten Koalitionen vernünf-
tig zusammen. So gehört sich das. Gleichzeitig hat das
den Nebeneffekt, dass mehr Forschungsmittel für den
Ökolandbau in dem entsprechenden Bundesprogramm
zur Verfügung stehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Ute Vogt [SPD])


– Da dürfte selbst die Opposition klatschen. Das müsste
doch eigentlich in Ihrem Sinne sein. Gucken Sie doch
nicht so griesgrämig drein!

Ich will an dieser Stelle, weil es um Eiweiß geht, auch
das Thema Greening noch einmal ansprechen. Wir hat-
ten lange Diskussionen über die Anwendung von Pflan-
zenschutz. Meine Damen und Herren, wenn wir den
Eiweißanbau fördern wollen, dann ist es richtig, auf öko-





Franz-Josef Holzenkamp


(A) (C)



(D)(B)

logischen Vorrangflächen Eiweißpflanzen so anzubauen,
dass wir sie auch ernten können.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht mit Pestiziden, Herr Kollege! Das ist doch nicht ökologisch!)


Deshalb gehört letztendlich der Pflanzenschutz mit dazu.
Deshalb war das eine richtige Entscheidung. Wenn man
einfordert, mehr für die Eiweißstrategie zu tun, wie es
die Grünen machen,


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch nicht, auf ökologischen Vorrangflächen Gift auszubringen! – SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts verstanden!)


dann dürfte man sich in dieser Frage eigentlich nicht ver-
wehren.

Ich will noch etwas zum Thema „Internationales und
Agrarexporte“ sagen, weil das eine zunehmende Bedeu-
tung hat. Ich bedaure, dass Grüne und Linke die Absatz-
unterstützung des Ministeriums zusammenstreichen
wollen. Meine Damen und Herren, es geht um KMU-
Förderung, um die Förderung kleiner und mittelständi-
scher Unternehmen. Das, was in allen Wirtschaftsbran-
chen gewollt wird und gewollt ist, kann doch in der
Landwirtschaft nicht falsch sein. Wenn Sie diese Posi-
tion nicht verlassen, dann arbeiten Sie gegen die deut-
schen Bauern; das muss man so deutlich sagen.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Quatsch! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen doch nichts für die Bauern!)


Man kann hier als Beispiel den Milchpreis anführen.
Dieser Milchpreis, über den sich deutsche Milchbauern
freuen, würde nicht einmal annähernd erreicht, wenn wir
nicht die Exportmöglichkeiten hätten. Sie lehnen den
Export ab. Dann müssen Sie aber auch die Frage beant-
worten: Wie wollen Sie mit Importen umgehen? Wollen
Sie uns abschotten? Wollen Sie den deutschen Bürgerin-
nen und Bürgern ausländische Lebensmittel vorenthal-
ten? Wie wollen Sie es letztendlich handhaben? Export
ist nichts Unanständiges und Verwerfliches. Export ist
notwendig für ein ausreichendes und vernünftiges Fami-
lieneinkommen deutscher Bauern.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte – das ist mir ein Anliegen – noch einige
Sätze zu den Schwellen- und Entwicklungsländern sa-
gen. Auch im Zusammenhang mit dem Export wird uns
immer wieder vorgehalten, wir würden gegen diese Län-
der arbeiten. Meine Damen und Herren, damit es klar
bleibt oder dem einen oder anderen klar wird: Wir wol-
len keine Exportsubventionen. Wir lehnen sie ab. Sie
dürfen nicht wiederkommen. Wir wollen aber für wich-
tige Länder als Türöffner fungieren. Hier macht das
BMEL, mit Minister Schmidt vorneweg, einen sehr gu-
ten Job, wofür wir dankbar sind. Wir stocken, wie in die-
sem Haushalt ersichtlich ist, beispielsweise die Mittel
für die bilaterale technische Zusammenarbeit um fast
2,5 Millionen Euro auf. Ich finde, das ist ein lohnendes
Projekt, und bin verwundert, dass die Grünen diesen Ti-
tel streichen wollen. Wir setzen diese Mittel in Projekte
für die Ausbildung von Landwirten in Entwicklungslän-
dern und in Schwellenländern ein, damit sie produktiver
werden. Sie sind dagegen, weil Sie Kommunikations-
kampagnen, beispielsweise gegen Grüne Gentechnik,
machen wollen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, las-
sen Sie die Bedienung der Angstindustrie! Das bringt Ih-
nen nichts ein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir sind auch im gesundheitlichen Verbraucherschutz
gut unterwegs. Lieber Christian Schmidt, es ist ein gro-
ßer Erfolg, dass der gesundheitliche Verbraucherschutz
in unserem Ministerium verbleibt. Hier ist die Fachkom-
petenz. Ich kann mir nicht vorstellen, verehrte Kollegin
Drobinski-Weiß, –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804116300

Herr Kollege!


Franz-Josef Holzenkamp (CDU):
Rede ID: ID1804116400

– ja, ich komme zum letzten Satz –, dass eine Veteri-

närabteilung in einem Querschnittsressort wie dem BMJ
Sinn macht. Deshalb ist es an dieser Stelle richtig aufge-
hoben.

Meine Damen und Herren, in den kommenden Jahren
haben wir die große Aufgabe, uns in einer kritischen
Diskussion mit der Landwirtschaft und der Gesellschaft
auseinanderzusetzen. Ich lade Sie alle ein, dieses mitei-
nander sachlich und realistisch zu tun, in die Zukunft ge-
richtet und so, wie es die 300 000 Bauernfamilien in
Deutschland verdienen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804116500

Das Wort erhält nun die Kollegin Petra Crone für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Crone (SPD):
Rede ID: ID1804116600

Herr Präsident! Meine lieben Kollegen und Kollegin-

nen! Meine Damen und Herren! Der Prozess, eine euro-
päische Waldkonvention ins Leben zu rufen, ist am
21. Mai in Wien gescheitert. Es war der fünfte Versuch,
und zum fünften Mal lief der Anlauf ins Leere. Nach
vielen Verhandlungstagen blieben bis zum Schluss zehn
wesentliche Punkte offen. So gab es beispielsweise keine
Einigung unter den Staaten, wie Wald überhaupt zu defi-
nieren sei; nur um eine elementar strittige Position zu be-
nennen. Darum, liebe Kollegen und Kolleginnen, sollten
wir das Ende der Verhandlungen zur europäischen Wald-
konvention akzeptieren. Das weitere Vorgehen wird auf
der nächsten regulären Ministerkonferenz Forest Europe
Mitte des nächsten Jahres zu besprechen sein.





Petra Crone


(A) (C)



(D)(B)

Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verstän-
digt, gemeinsam für Schutz, Erhalt sowie Wiederaufbau
von Wäldern und Waldstrukturen und für eine damit ver-
bundene Waldfinanzierung einzutreten. Jetzt ergibt sich
für Deutschland in diesem Sinne die einmalige Chance,
eine Vorreiterrolle in einem Prozess einzunehmen, der
die vielen internationalen Übereinkünfte zum Wald zum
einen koordiniert und zum anderen unter einem multila-
teralen Dach in kooperativer Art und Weise bündelt.

Die Übereinkünfte zum Wald – der Prozess Wald –
sind stark fragmentiert: FLEGT, REDD+, CBD oder das
Waldforum der Vereinten Nationen, um nur einige zu
nennen. In der internationalen Waldpolitik Deutschlands
engagieren sich neben dem BMEL weitere Bundes-
ministerien: das BMUB und das BMZ. Gemeinsam soll-
ten wir einen Prozess anstoßen, der die vorhandenen in-
ternationalen Übereinkünfte so belässt, aber durch eine
koordinierende Dachorganisation besser miteinander
verzahnt, bündelt und dadurch vorantreibt.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804116700

Frau Kollegin Crone, darf der Kollege Kindler eine

Zwischenfrage stellen?


Petra Crone (SPD):
Rede ID: ID1804116800

Bitte sehr.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischen-
frage zulassen. – Wir befinden uns in einer Haushaltswo-
che und in einer Haushaltsdebatte. Sie haben gerade die
internationalen Initiativen zum Wald angesprochen, die
auch ich für sinnvoll und unterstützenswert halte. Dazu
passt allerdings nicht, dass die Bundesregierung in ihrem
Haushaltsentwurf die Mittel aus dem Energie- und Kli-
mafonds für den Waldklimafonds von 28 Millionen auf
14 Millionen Euro gesenkt hat; das ist eine Halbierung.
Wie erklären Sie sich das? Das ist ja eine dramatische
Kürzung, die international ein verheerendes Signal aus-
sendet.


Petra Crone (SPD):
Rede ID: ID1804116900

Herr Kollege, Sie rennen da bei mir offene Türen ein.

Ich bin auch nicht ganz einverstanden damit, dass es
dazu gekommen ist. Aber wir haben andere Positionen
aus dem Bereich der nachhaltigen Waldbewirtschaftung
im Haushalt. Ich komme gleich noch zu diesem Punkt.
Insofern hören Sie mir bitte gut zu.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mache ich! Danke!)


Der neu geschaffene Haushaltstitel im Einzelplan 10
„Internationale nachhaltige Waldbewirtschaftung“ soll
beispielsweise bilaterale Forstprojekte in Uganda, Russ-
land, Kenia oder Uruguay fördern. Bislang sind viele
Details der künftigen Zusammenarbeit mit den Partner-
ländern im Abstimmungsprozess. Gemeinsam mit dem
BMEL werden wir die Schwerpunkte setzen und den
Prozess der Mittelvergabe an Partner und Organisatio-
nen transparent gestalten. Immerhin handelt es sich um
5 Millionen Euro. Eine solche Transparenz und gute
Kommunikation hätte ich mir auch für die Planung die-
ses Haushalts gewünscht, lieber Kollege.


(Beifall bei der SPD)


Sehr geehrter Herr Minister, ich habe mich gefreut,
dass Sie sich Anfang des Jahres – Sie haben es eben er-
wähnt – ausdrücklich und mehrmals zum Ziel bekannt
haben, 5 Prozent der deutschen Waldflächen nutzungs-
frei zu halten, trotz der anhaltenden Widerstände. Ich
möchte Sie ausdrücklich bei der Umsetzung des 5-Pro-
zent-Ziels unterstützen. Die SPD-Fraktion ist an Ihrer
Seite.


(Beifall bei der SPD)


Der öffentliche Wald hat bei der Erfüllung des 5-Pro-
zent-Ziels eine Vorbildfunktion; das ist klar. In Wittgen-
stein, in Südwestfalen,


(Beifall des Abg. Willi Brase [SPD])


hat erstmals ein privater Waldbesitzer 350 Hektar seines
Waldes nutzungsfrei gestellt. Wir sollten überlegen, wel-
che freiwilligen Anreize, welche privatrechtlichen Ver-
einbarungen wir Privatwaldbesitzern anbieten können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU])


Mit Spannung erwarte ich in diesem Zusammenhang die
Daten aus der Bundeswaldinventur 2012.

Sehr geehrte Damen und Herren, die nationale Wald-
politik wird mit zusätzlichen 5 Millionen Euro im Ein-
zelplan 10 gefördert. – Jetzt komme ich zu Ihrer Frage,
Herr Kollege Kindler. – Ich will nicht verhehlen, dass
ich mir lieber eine finanzielle Stärkung des Waldklima-
fonds gewünscht hätte. Er startete ja erst im vergangenen
Jahr als „Meilenstein“ – O-Ton BMELV – und ist un-
trennbar mit der nachhaltigen Bewirtschaftung unserer
Wälder verbunden. Mir ist noch nicht ganz klar, wie ge-
nau die Mittelstärkung im bestehenden Programm ausse-
hen soll. Wir müssen bei der Ausgestaltung der Projekte
aus diesem Titel daher auf zweierlei achten: erstens, dass
wir keine Doppelstrukturen und neuen Bürokratien mit
Steuermitteln schaffen, die ausschließlich privatwirt-
schaftliche Interessen subventionieren, und zweitens,
dass wir sicherstellen, dass die Projektmittel tatsächlich
in den Wald fließen und nicht allein in Broschüren ver-
schwinden.

Ein letzter Punkt: Die Überdüngung mit Stickstoff,
unter anderem aus der Landwirtschaft, ist nach wie vor
ein Problem in unseren Wäldern. Bitte lassen Sie uns
vorrangig nicht die Symptome, sondern die hohen Stick-
stoffemissionen als Ursachen bekämpfen.

Ich freue mich auf eine transparente Debatte, wenn
wir über die Programme für die internationale und natio-
nale Waldbewirtschaftung reden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. – Der Prä-
sident jagt mich davon.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804117000

Jeder Blick auf die Uhr zeigt doch, dass die Geduld

des Präsidenten beinahe unerschöpflich ist.


(Heiterkeit)


Jetzt ist der Kollege Thomas Mahlberg an der Reihe,
der für die CDU/CSU-Fraktion spricht.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Thomas Mahlberg (CDU):
Rede ID: ID1804117100

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Meine Kollegin-

nen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es
liegt in der Natur der Sache, dass in Bezug auf den Haus-
halt jeder eine etwas andere Wahrnehmung hat. Ich für
meinen Teil kann sagen – und ich hatte das Gefühl, dass
Christian Schmidt dies sehr deutlich gemacht hat –, dass
gerade der Haushalt für das BMEL eine sehr solide Basis
für unsere Arbeit darstellt. Aber nicht nur das: Ich finde,
er ist auch eine sehr gute Antwort auf die großen Heraus-
forderungen, mit denen wir im Landwirtschaftsbereich
und in der Lebensmittelbranche konfrontiert sind, wie
– ich will nur einige Punkte nennen – Welternährung,
Nachhaltigkeit, Klimawandel, Lebensmittelsicherheit
und Akzeptanz der Tierhaltung. Das sind keine neuen
Punkte. Sie sind schon von meinen Vorrednern ange-
sprochen worden. Es ist immer etwas schwierig, wenn
man nicht als Erster zu einem Thema spricht.

Ein Menschenrecht auf Nahrung klingt wie selbstver-
ständlich, gerade in dem Land, in dem wir leben. Aber
leider ist dieses grundlegende Menschenrecht nicht über-
all auf dieser Welt gewährleistet. Rund 840 Millionen
Menschen leiden Hunger, fast ein Drittel der Weltbevöl-
kerung ist unterernährt. Das sind keine Zahlen aus dem
Mittelalter, sondern Fakten aus dem 21. Jahrhundert,
über die ich hier spreche. Die Sicherung der Welternäh-
rung ist eine riesige Herausforderung, die im Laufe der
Zeit nicht kleiner, sondern noch größer werden wird;
denn wir erwarten, dass die Weltbevölkerung bis zum
Jahre 2050 auf 9 Milliarden Menschen steigen wird.
Gleichzeitig werden Ressourcen wie Boden und Wasser
knapper. Auch die Auswirkungen von Klimawandel und
Naturkatastrophen verschärfen die Situation. Vor diesem
düsteren Hintergrund ist es, wie ich finde, sehr erfreu-
lich, dass der Kampf gegen den Hunger auch für die
Bundesregierung höchste Priorität hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das zeigt sich gerade im Einzelplan 10, in dem ein zu-
sätzlicher Titel zur Welternährung geschaffen wurde, um
einen weiteren Beitrag zur Ernährungssicherung in der
Welt zu leisten.

Die Nachhaltigkeit und die Eindämmung des Klima-
wandels sind weitere wichtige Baustellen für die Land-
wirtschaft. Schon heute ist die Basisressource Boden
Teil eines weiten Konfliktfeldes; denn jeden Tag werden
über 70 Hektar Fläche neu in Anspruch genommen. Die
Flächenkonkurrenz zwischen Nahrungsherstellung, Be-
bauung und Energiegewinnung ist nur noch mit einem
klugen nachhaltigen Konzept zu lösen. Dieses Konzept
muss auf der einen Seite die Folgen des Klimawandels
bedenken und auf der anderen Seite dem Klimawandel
selbst entgegensteuern. Nur wenn wir unsere landwirt-
schaftliche Produktion klima- und ressourcenschonend
gestalten, werden wir auch in Zukunft das Land effizient
bewirtschaften und andere natürliche Ressourcen nutzen
können. Deshalb freue ich mich sehr, dass das Bundes-
ministerium insgesamt 510 Millionen Euro für For-
schung und Nachhaltigkeit vorgesehen hat.

Von unserer Nahrung erwarten wir alle gemeinsam
nicht nur, dass sie unter nachhaltigen Gesichtspunkten
hergestellt wurde. Wir wollen in allererster Linie sichere
und gesunde Lebensmittel haben, die wir ohne Beden-
ken und mit Genuss verzehren können. Das Prinzip der
Lebensmittelsicherheit bildet einen weiteren Schwer-
punkt im Haushaltsplan des BMEL. Das ist, wie ich
meine, wichtig und richtig; denn die Gewährleistung des
gesundheitlichen Verbraucherschutzes entlang der ge-
samten Lebensmittelkette ist eine komplexe Aufgabe,
die wir zu lösen haben. Diese Komplexität, die mit der
fortschreitenden Globalisierung der Warenströme – das
war gerade auch Thema bei einem meiner Vorredner,
und das kann ich nur zu gut aufgrund meiner früheren
beruflichen Tätigkeit beurteilen – und auch der Entwick-
lung neuer Produkte, die es auf dem Markt gibt, einher-
geht, nimmt deutlich zu.

Für gesunde Lebensmittel tierischer Herkunft brau-
chen wir sichere und rückstandsfreie Futtermittel; denn
nur ausgewogen ernährte Tiere liefern uns gesunde und
qualitativ hochwertige Erzeugnisse – die Produkte ken-
nen Sie: Fleisch, Eier und Milch zum Beispiel –, die für
uns von besonderer Bedeutung sind. Futtermittelsicher-
heit ist also eine Voraussetzung für Lebensmittelsicher-
heit und Tiergesundheit. Zur Gewährleistung der Futter-
mittelsicherheit haben wir in Deutschland ein sehr
engmaschiges Kontrollnetz, das insbesondere durch
Qualitätssicherungssysteme – viele dürften Ihnen be-
kannt sein – wie GMP oder QS der Unternehmen ergänzt
werden.

Meiner Ansicht nach ist es die originäre Aufgabe des
Staates, für effiziente Kontrollen der Lebensmittelkette
zu sorgen und diese zu finanzieren. Ich finde es wenig
hilfreich, wenn einzelne Bundesländer – das Bundesland
Niedersachsen ist hier schon angesprochen worden –
sich aus dieser Aufgabe herausstehlen und die Finanzie-
rung den zu kontrollierenden Unternehmen aufbürden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch marktwirtschaftlich!)


– Sehr geehrter Herr Kollege Kindler, Sie haben eben
sehr lobend über Ihren Umweltminister in Niedersach-
sen gesprochen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Landwirtschaftsminister ist er!)


Das ist das, was bei mir hängen geblieben ist. Wenn ich
durch Niedersachsen reise, höre ich keine Lobreden auf
diesen Umweltminister.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht müssen Sie mal aus den Thomas Mahlberg CDU-Kreisverbänden herausgehen! Das wäre mein Tipp!)





(A) (C)


(D)(B)


– Ich glaube, ich bewege mich in Niedersachsen nicht
nur innerhalb meiner Partei. Ich höre in Niedersachsen
keine Lobreden,


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ich auch nicht!)


sondern eher Skepsis. Ich finde es mehr als merkwürdig,
wenn, während sich die Bundesländer über ein solches
Thema austauschen, ein Bundesland vorprescht und die
Unternehmen als erstes und einziges Bundesland belas-
tet, anstatt eine mit den Ministern der anderen Länder
abgesprochene vernünftige und konzeptionelle Lösung
zu finden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorreiterrolle!)


Ich habe mir einmal die Frage gestellt, wie es wohl
wäre, wenn Ihr Minister Verkehrsminister geworden
wäre. Dann wäre mir auf einer Fahrt nach Hannover
wahrscheinlich Folgendes passiert: Ich wäre in eine Poli-
zeikontrolle gekommen, hätte meine Papiere vorgezeigt,
und der Polizeibeamte hätte gesagt: Alles in Ordnung;
aber bevor Sie weiterfahren, müssen Sie 25 Euro zahlen.
Das ist die Pauschale, die Sie jetzt bezahlen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein völlig unsinniger Vergleich!)


Das ist genau das, was Ihr Minister mit den Betrieben in
Niedersachsen veranstaltet.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es schmerzt natürlich, dass man den Landwirtschaftsminister dort nicht mehr stellt! Das kann ich verstehen!)


Diese Maßnahmen kommen, glaube ich, von dem Herrn,
von dem Sie eben gesprochen haben.

Verantwortung ist ein wichtiges Stichwort, wenn es
um die Nutztierhaltung geht. Das Staatsziel Tierschutz
verpflichtet uns, mit unseren Mitgeschöpfen verantwor-
tungsvoll umzugehen. Ich finde, gerade unsere Land-
wirte in Deutschland tun das in besonderem Maße.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das liegt sicherlich auch daran, dass Tierschutz das urei-
gene Interesse der Landwirte in unserem Land ist. Viele
Verbraucherinnen und Verbraucher wollen von uns wis-
sen, wie ihre Lebensmittel hergestellt wurden und unter
welchen Bedingungen die Tiere gehalten wurden. Es ist
unsere Aufgabe, für eine umfassende und sachliche In-
formation der Gesellschaft über die moderne Nutztier-
haltung zu sorgen. Viele Menschen in diesem Land ha-
ben, glaube ich, noch ein sehr romantisches Bild von der
Landwirtschaft. Sie denken oft an die Bauernhofidylle,
die uns in Büchern geschildert wird. Tatsächlich ist die
Landwirtschaft heute aber durch den technologischen
Fortschritt geprägt, bei dem Innovationen eine große
Rolle spielen.
Ich glaube, nur mit Transparenz und einer sachlichen
Diskussion können wir mehr Akzeptanz und Verständnis
für die unternehmerische und effiziente Nutztierhaltung
gewinnen. Herr Kollege Kindler, ich spreche Sie in die-
sem Zusammenhang noch einmal direkt an: Ich glaube,
Kampagnen, mit denen man den Leuten Angst vor Le-
bensmitteln macht, sind nicht hilfreich. Das ist der fal-
sche Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Vogel-Strauß-Methode: einfach ignorieren, dass es Skandale gibt! Herzlichen Glückwunsch! Sie machen eben die Augen zu! Vogel-Strauß-Methode: nichts sehen, nichts hören, nichts machen!)


Wir haben sichere Lebensmittel. Wir haben gute Lebens-
mittel. Die Leute können diese Lebensmittel mit Genuss
verzehren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bei Ihnen ist das ein politisches Programm; das verstehe
ich. Sie suchen Themen, und das ist ein prima Thema.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich habe nur noch ein paar Sekunden Redezeit. Daher
will ich die Schulverpflegung, die hier Thema war, nur
kurz ansprechen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804117200

Das wird in zwei Sekunden aber schwierig.


Thomas Mahlberg (CDU):
Rede ID: ID1804117300

Zwei Sekunden? – Ich will nur Folgendes sagen: Das

Ministerium hat sich klar dazu bekannt, das Programm
IN FORM weiterzuführen. Ich finde, das ist ein sehr
wichtiges Programm. Es ist wichtig für die Vernetzungs-
arbeit, die in den Ländern geleistet wird, damit Kitaver-
pflegung und Schulverpflegung gut organisiert werden.
Das ist keine Einbahnstraße. Hier sind auch die Länder
gefragt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Bund leistet hierzu seinen Teil. Er hat Mittel bereit-
gestellt. Natürlich reden wir auch über die Anschlussfi-
nanzierung nach 2017. Ich finde, in diesem Bereich ist
der Bund beispielgebend, indem er diese Mittel für die
Vernetzungsarbeit bereitgestellt hat.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804117400

Das Wort erhält nun der Kollege Rainer Spiering für

die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Rainer Spiering (SPD):
Rede ID: ID1804117500

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Da-

men und Herren! Vor allen Dingen liebe Schülerinnen
und Schüler! Toll, dass Sie zu dieser Zeit hier noch auf-





Rainer Spiering


(A) (C)



(D)(B)

passen und mit dabei sind. Das finde ich ganz toll für
dieses Hohe Haus.


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sehr geehrter Herr Minister Schmidt, Sie haben in Ih-
rer Rede eben davon gesprochen, Forschung bzw. ge-
zielte Forschung hat einen Platz im Haushalt 2014/2015.
In der Tat wird im landwirtschaftlichen Bereich eine
halbe Milliarde Euro für Forschung freigesetzt. Ich
möchte ein Thema ansprechen, mit dem ich mich, seit-
dem ich hier im Bundestag bin, beschäftige. Jetzt habe
ich auch immer eine schöne, kleine Fibel über Bio-
ökonomie dabei. Das ist ein Thema, welches mich sehr
fasziniert. Ich möchte meine Rede als Appell verstanden
wissen, Forschung gemeinsam über viele Häuser hinweg
zu betreiben.

Deutschland macht sich auf den Weg. Mit der Natio-
nalen Forschungsstrategie BioÖkonomie wollen wir op-
timale wirtschaftliche und politische Rahmenbedingun-
gen für eine biobasierte Wirtschaft schaffen. Wir wollen
eine Wirtschaft, die sektorübergreifend mit möglichst
wenig fossilen Brennstoffen auskommt und naturbelas-
sene Stoffe nutzt, dabei aber gleichzeitig neue, nachhal-
tig erzeugte Produkte und Dienstleistungen hervorruft
und unsere weltweite Spitzenposition bei Innovation und
Technologie sicherstellt. Dabei sollen ökonomisches
Wachstum und ökologische Verträglichkeit Hand in Hand
gehen.


(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Für die Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie
stehen bisher in den Haushalten des Bildungs- und For-
schungsministeriums sowie des Landwirtschaftsministe-
riums respektable Summen zur Verfügung. Doch wir re-
den hier von einer nationalen Wirtschaftsstrategie, liebe
Kolleginnen und Kollegen. So wurde aus meiner Sicht
bei der Halbzeitkonferenz Bioökonomie in Berlin vor
wenigen Wochen zu Recht festgestellt, dass dies eigent-
lich das ganze Kabinett angeht. Ich freue mich, dass sich
besonders Bundesforschungsministerin Wanka und Bun-
deslandwirtschaftsminister Schmidt diesem Thema per-
sönlich gewidmet haben. Wer bei der Ausstellung und
bei der Konferenz war, hat gesehen, welches unglaubli-
che Spektrum sich dort in Bezug auf naturbelassene
Rohstoffe gezeigt hat und auch welche unglaubliche
Produktionskette sich einstellen kann. Die Dimension ist
für uns in vielen Bereichen überhaupt noch nicht abseh-
bar.

Hierbei geht es nicht um den nachhaltig produzierten
Dübel, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern um eine
Veränderung der Ressourcenentwicklung und Material-
ströme. Wir wollen den Quantensprung einer deutlichen
Verminderung des Einsatzes von Kohlenwasserstoffpro-
dukten wie Öl und Gas hin zu nachhaltigen Materialien
erreichen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

– Danke! – Ich rede deshalb von Quantensprung, da wir
beim Einsatz von nachhaltigen Ressourcen die gleiche
Effizienz, den gleichen oder sogar einen besseren Wir-
kungsgrad als beim Einsatz fossiler Brennstoffe errei-
chen wollen. Sie alle wissen, glaube ich, dass wir, wenn
wir über fossile Brennstoffe reden, mit maximalen Wir-
kungsgraden zwischen 40 und 45 Prozent – teilweise
sind es 50 Prozent – rechnen. Wir haben aber immer mit
50 Prozent Verlusten zu rechnen. Das muss man, finde
ich, wenn man nachhaltige Wirtschaft betreibt, immer
deutlich sehen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wo liegen die Einsatzgebiete? Sie liegen zum Bei-
spiel in der Lebensmittelindustrie. Diese bildet in
Deutschland den viertgrößten Wirtschaftszweig und be-
steht vorwiegend aus kleinen und mittelständischen Un-
ternehmen. Wie Sie alle wissen, sind mittelständische
und kleine Betriebe Basis und Rückgrat der deutschen
Wirtschaft. Insbesondere in den westlichen Industrie-
staaten zeichnet sich ein starker Trend hin zu biobasier-
ten und nachhaltig produzierten Lebensmitteln ab. Die-
ser Entwicklung liegt eine extrem leistungsfähige
Industrie zugrunde.

Die weltweit wichtigste Wertschöpfungskette reicht
von der Energie- und Rohstoffgewinnung über die Ver-
arbeitung bis hin zu den physiologischen und sozialen
Konsequenzen unseres Konsumverhaltens. Allein in den
USA werden innerhalb dieser Wertschöpfungskette jähr-
lich mehr als 4 Billiarden Wattstunden eingesetzt. Man
kann das auch umformulieren und von 4 mal 106 Giga-
wattstunden sprechen. Das ist die Einheit, mit der wir
üblicherweise rechnen. Es handelt sich also um eine un-
glaubliche Energiemenge. Ich kann das auch anders for-
mulieren: 15 Prozent des weltweiten Energievolumens
werden in der Agrarwirtschaft verbucht. Das scheint
eine sehr stichhaltige und konstante Zahl zu sein. Ich
glaube, daran werden wir etwas ändern müssen. Wir
werden effizienter werden müssen, und wir werden an-
dere Mittel und Wege finden müssen, um diesen Ener-
gieverbrauch zu reduzieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Für die Kultivierung von Getreide, für die Viehzucht
und für die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse
werden Energie, Wasser und Nutzflächen benötigt. Eine
Zahl: Für die Produktion eines Kilogramms Rindfleisch
wird etwa das Zehnfache der Energie eingesetzt, die für
die Produktion der gleichen Menge Brotweizen erforder-
lich ist. Daraus ergibt sich für uns, glaube ich, eine Kon-
sequenz. – Da die Redezeituhr abläuft, werde ich es jetzt
kurz machen.

Damit sich die Bioökonomie durchsetzen kann, muss
die Performance stimmen. Es geht also um die Energie-
frage im Ganzen, um die energetische Nutzung von Bio-
masse und damit auch um das diese Woche so heiß dis-
kutierte EEG. Alles hängt mit allem zusammen.

Deswegen glaube ich: Die Bioökonomie braucht
starke Partner. Biobasierte Wirtschaft ist eine Quer-
schnittsaufgabe. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir





Rainer Spiering


(A) (C)



(D)(B)

als Haus die Bereiche Wirtschaft und Umwelt mit einbe-
ziehen würden und in der Kombination von vier starken
Häusern genügend Energie freisetzen, um sich mit der
Frage der Bioökonomie auseinanderzusetzen. Liebe
Kolleginnen und Kollegen, haben wir Mut zur Zukunft,
Mut zur Forschung und Mut zur Bioökonomie! Mit der
Unterstützung der vier genannten Häuser und mit dem
Einsatz, den Sie, Herr Schmidt, jetzt schon zeigen, bin
ich mir sicher, wir können das leisten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804117600

Marlene Mortler erhält nun das Wort für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Marlene Mortler (CSU):
Rede ID: ID1804117700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir reden heute über den zehntgrößten Haus-
halt innerhalb der Ressorts der Bundesregierung. Ich
meine, 5,3 Milliarden Euro sind ein stolzer Betrag, ein
Betrag, der gut angelegt ist. Er ist für mich aber noch
mehr. Das sage ich nicht nur, weil ich vom Bauernhof
komme, nicht nur, weil ich seit vielen Jahren in diesem
Hause Agrarpolitik mache, sondern auch, weil für mich
das Landwirtschaftsressort eines der absoluten Schlüs-
selressorts bei der Bewältigung der Herausforderungen
des 21. Jahrhunderts ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Was erwartet uns in Zukunft? Ich freue mich, dass
sich heute einige Kollegen mehr mit der Zukunft als mit
der Vergangenheit beschäftigt haben. Uns erwartet eine
wachsende Weltbevölkerung. 10 Milliarden Menschen,
das ist die Zahl, die wir auf uns zukommen sehen. Uns
erwartet eine noch viel schneller auf uns zukommende
Nachfrage nach Lebensmitteln. Essgewohnheiten ändern
sich. Immer mehr Menschen auf der Welt verfügen trotz
aller Rückschritte und Wirren auf diesem Planeten über
ein Mindestmaß an Wohlstand. Wir alle wollen, dass
sich dieser Trend fortsetzt, auch auf dem Teller. Aber das
sind nur zwei der entscheidenden Trends. Der dritte
heißt Klimawandel. Ich habe noch kein vernünftiges Kli-
maschutzszenario gesehen, das ohne einen substanziel-
len Beitrag der Landwirtschaft auskommt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Wir brauchen die Biomasse schon heute als erneuerba-
ren Energieträger. Wir werden sie in Zukunft noch mehr
brauchen – Klammer auf, Klammer zu –, trotz EEG. Oh-
nehin werden wir die Endlichkeit fossiler Ressourcen
mehr und mehr zu spüren bekommen. Wir werden im-
mer mehr auf die Güter der Natur angewiesen sein, ob
als Baustoff, ob als Grundstoff in der chemischen Indus-
trie oder als Blaupause unserer technischen Entwicklun-
gen.
Die Landwirtschaft kann hier eine Schlüsselfunktion
übernehmen, wenn man sie lässt. Der Bedarf steigt kon-
tinuierlich, doch die Rahmenbedingungen werden nicht
einfacher. Wir müssen davon ausgehen, dass für die
landwirtschaftliche Produktion weltweit künftig nicht
mehr, sondern weniger Flächen zur Verfügung stehen als
heute. Natürlich will niemand, dass für die Äcker die
letzten Regenwälder weichen und Steppenlandschaften
gerodet werden. Deshalb lassen Sie mich an dieser Stelle
zwei Dinge sagen.

Erstens. Ob Mensch und Natur in Frieden miteinander
leben, ob Nachhaltigkeit funktioniert oder nur ein Mode-
wort bleibt, ob Klimaschutz einmal wirklich zur Realität
wird, das alles wird sich ganz wesentlich in ländlichen
Räumen entscheiden, im Stall und auf dem Acker.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was macht die Bundesregierung dazu? Die Bundesregierung macht nichts dazu!)


Zweitens. Nachhaltigkeit wird es nicht ohne Fort-
schritt und Effizienz geben. Das kann vor dem Hinter-
grund der globalen Lage nicht funktionieren. Fruchtbare
Ackerflächen sind eine der knappsten Ressourcen, die
wir haben.

Deutschland hat das Glück, ein Gunststandort zu sein,
gesegnet mit gutem Klima und guten Böden.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Und Wasser!)


– Und Wasser, Kollege Bleser. – Deshalb bitte ich alle,
denen wirklich daran gelegen ist, die globalen Heraus-
forderungen im Hinblick auf Ernährungssicherheit, Kli-
maschutz und auch Waldschutz zu bewältigen: Verhar-
ren Sie in der Agrarpolitik nicht in Naivität und
rückwärtsgewandter Romantik!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben eine Verantwortung, der wir uns stellen müs-
sen. Das sind wir auch unseren Kindern schuldig.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber Sie machen doch gar nichts!)


Es geht um die Entwicklung neuer Produkte. Es geht um
sinnvolles, umweltverträgliches Düngen. Es geht um
fortschrittliche Bearbeitungsmethoden.

Jüngst konnte ich die Feldtage in Sachsen-Anhalt be-
suchen. Wer diese Feldtage erlebt hat – ich wünsche mir,
dass ganz viele junge Menschen sie besuchen, weil sie
dort einen ganz anderen Einblick in die Zusammenhänge
bekommen und viel über die Zukunft lernen –, der setzt
in Zukunft darauf, dass Deutschland ein weltweit füh-
render Technologiestandort sein, bleiben bzw. werden
muss. Dann, meine Damen und Herren, werden wir ei-
nen substanziellen Beitrag zur Lösung der weltweiten
Ernährungsprobleme leisten und den Klimaschutz weiter
voranbringen.

An genau dieser Stelle liegen die Ansichten in diesem
Haus aber weit auseinander. Genau hier erkennen wir,
wer sich wirklich für eine globale Bewältigung der Zu-





Marlene Mortler


(A) (C)



(D)(B)

kunftsherausforderungen einsetzt. Lieber Minister
Christian Schmidt, ein herzliches Dankeschön, dass Sie
in der Lage sind, über den sprichwörtlichen Tellerrand
blicken!

Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, zeigt
auch der vorliegende Haushalt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich finde es richtig, dass 70 Prozent des Agrarhaushaltes
in die Agrarsozialpolitik fließen, weil es diese 70 Pro-
zent sind, denen wir die starke und stabile Bauernschaft
im Land verdanken; ich bin Berichterstatterin für dieses
Feld und weiß genau um die Bedeutung jeder dieser
Maßnahmen. Wir können diese 70 Prozent aber nur ver-
antworten, weil wir weit über eine halbe Milliarde Euro
für Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation bereitstel-
len – ich wiederhole das gerne –, und das allein im
Agrarhaushalt. Wie Sie wissen, werden auch über den
Forschungsetat Maßnahmen finanziert, die für die Zu-
kunftsfähigkeit unserer Landwirtschaft von großer Be-
deutung sind.

Meine Damen, meine Herren, ich bitte Sie um Unter-
stützung einer Agrarpolitik, die erkennt, welche Schlüs-
selfunktion die Landwirtschaft in diesem Jahrhundert
hat, die bereit ist, diese Verantwortung wahrzunehmen,
und für die eben deshalb Fortschritt, Effizienz und Er-
tragssteigerung keine Schimpfworte sind und keine
Feindbilder darstellen. Genau darum geht es. Aus die-
sem Grund bitte ich um Ihre Zustimmung zum Agrar-
haushalt des Jahres 2014.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Ihre Rede passt nicht zum Haushalt! Das ist das Problem!)


Bevor ich das Rednerpult verlasse, möchte ich noch
einen herzlichen Glückwunsch sagen – ich hoffe, man
hat es mir gerade richtig zugeflüstert; ich habe auch noch
etwas Redezeit, Herr Präsident –, und zwar dem Kolle-
gen Johann Saathoff zum heutigen Namenstag. Ist er
noch da?


(Heiterkeit und Beifall – Zurufe von der SPD: Na klar! – Er redet gleich sogar noch!)


– Genau, als letzter Redner der Debatte.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804117800

Der Kollege Saathoff erhält nun zum Abschluss und

als Höhepunkt der heutigen Haushaltsdebatte das Wort. –
Bitte schön.


(Heiterkeit – Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Es ist im wahrsten Sinne des Wortes Johannisnacht!)



Johann Saathoff (SPD):
Rede ID: ID1804117900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Schmidt! Frau
Mortler, Sie haben für eine Premiere in meinem Leben
gesorgt. Es ist allererste Mal in meinem Leben, dass mir
jemand zum Namenstag gratuliert. Ganz herzlichen
Dank dafür!


(Beifall)


Ich gebe offen und frei zu: Ich habe gar nicht gewusst,
dass er heute ist.


(Heiterkeit – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/ CSU]: Da geben wir dir gerne Nachhilfeunterricht!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804118000

Das macht Frau Mortler ab jetzt jedes Jahr; dann wer-

den Sie sich daran gewöhnen.


Johann Saathoff (SPD):
Rede ID: ID1804118100

Danke, Herr Präsident.

Es gibt in der Landwirtschaftspolitik viel zu tun, liebe
Kolleginnen und Kollegen. An erster Stelle steht als zen-
trale Zukunftsaufgabe aus meiner Sicht ganz klar die
Entwicklung der ländlichen Räume.

Die SPD-Bundestagsfraktion beschäftigt sich schon
seit einigen Jahren intensiv mit der Entwicklung der
ländlichen Räume. Unter der Federführung meines Kol-
legen Willi Brase


(Beifall bei der SPD)


haben wir Sozialdemokraten vor kurzem hier im Deut-
schen Bundestag eine Konferenz zu diesem Thema
durchgeführt.

Wir sind uns alle einig, dass die Wichtigkeit der länd-
lichen Entwicklung deutlich stärker als bisher betont
werden muss. Aus meiner Sicht ist es bei der Entwick-
lung der ländlichen Räume auch notwendig, das parla-
mentarische Bewusstsein für diese Problematik zu stär-
ken. Die Mehrheit der Parlamentarier lebt nämlich im
Gegensatz zur Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger
nicht im ländlichen Raum und erlebt somit dessen Ent-
wicklung und dessen Probleme nicht am eigenen Leibe.


(Beifall bei der SPD)


Schulen, Arztpraxen, Dorfläden sterben. Die ländlichen
Regionen verlieren zunehmend Einwohner, die sie ei-
gentlich tragen sollen. Ich war vor meiner Wahl in den
Deutschen Bundestag über zehn Jahre hauptamtlicher
Bürgermeister der Gemeinde Krummhörn. Das ist länd-
licher Raum, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie er im
Buche steht. Von den 19 Ortschaften der Gemeinde sind
mittlerweile 11 ohne jegliches Gewerbe. Jedes Jahr ver-
loren wir deutlich Einwohner, und die Geburtenzahlen
haben sich in diesen zehn Jahren fast halbiert. Die im-
mensen Investitionen in die Dorferneuerung schienen
ohne Dorfbewohner ihren Sinn zu verlieren. Es war
deutlich zu erkennen, dass die Menschen ihrem Arbeits-
platz hinterherziehen – eine Folge der drastisch gestiege-
nen Mobilitätskosten. Außerdem suchen sie die Nähe zu
Geschäften, Schulen, Kindertagesstätten und Freizeitein-
richtungen.





Johann Saathoff


(A) (C)



(D)(B)

Aus dieser Erfahrung heraus halte ich es für unab-
dingbar, dass es uns mit einem Maßnahmenplan zur Re-
attraktivierung des ländlichen Raums gelingt, dort auch
wieder Wertschöpfung stattfinden zu lassen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


Wir müssen uns verabschieden von der reinen Produk-
tion landwirtschaftlicher Produkte; stattdessen muss zur
Produktion die Veredelung der Produkte kommen. Hier-
bei geht es vor allem um regionale Produkte, die wieder
zu identifizieren, herzustellen und zu vermarkten sind.
Regionalität als Marke ist – insbesondere im Tourismus –
noch nicht ausreichend erkannt. Vor allem ist Regionali-
tät nicht beliebig kopierbar.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wenn über regionale Wertschöpfung wieder Arbeits-
plätze im ländlichen Raum entstehen, wird das dazu füh-
ren, dass wieder vermehrt Menschen auf dem Land woh-
nen wollen.

Als zweites Element werden wir die Dorferneuerung
als reines Programm für den Tiefbau umwandeln müssen
in eine Art soziale Dorferneuerung,


(Beifall bei der SPD)


die zum Ziel hat, Initiativen und Projekte des sozialen
Miteinanders und des sozialen Zusammenhaltes zu för-
dern. Ich denke da nicht nur an Dorfgemeinschafts-
häuser, sondern auch an Dorfläden und soziale Hilfsein-
richtungen wie Dorf- oder Gemeindekümmerer. Den
Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss gehol-
fen werden, wenn sie erkennen, dass die Lebensbedin-
gungen im ländlichen Raum durch Solidarisierung ge-
halten und verbessert werden können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Um das zu schaffen, möchte die Koalition die Ge-
meinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur
und des Küstenschutzes“ perspektivisch zu einer Ge-
meinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ weiterent-
wickeln. Für meine Heimat Ostfriesland ist das – wie für
viele andere Regionen in Deutschland auch – ein wichti-
ges Thema. Zum einen halte ich es nicht nur, aber auch
als Deichrichter der Deichacht Krummhörn für unbe-
dingt erforderlich, dass die Mittel für den Küstenschutz
trotz der Erweiterung um den Hochwasserschutz für
Flüsse und trotz der Erweiterung um die Entwicklung
ländlicher Räume in unverminderter Höhe erhalten blei-
ben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Küstenschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat
nicht ohne Grund Verfassungsrang. Ich kann mir vorstel-
len, dass sich der ein oder andere alpin sozialisierte Ab-
geordnete


(Heiterkeit bei der SPD)


manchmal fragt, ob die Mittel für den Küstenschutz in
dieser Höhe und in dieser Kontinuität erforderlich sind.

(Rainer Spiering [SPD]: Sind sie!)


„Beter düür, as neet to kopen“ ist hier die ostfriesische
Devise.


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ach?)


Denn die Vernachlässigung des Küstenschutzes – das
lehrt uns die Geschichte und das zeigen uns Beispiele
aus anderen Ländern – ist nicht billiger, liebe Kollegin-
nen und Kollegen, die Vernachlässigung ist unbezahlbar.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])


Ende vergangenen Jahres fegte Orkan „Xaver“ über die
Nordsee. Die Flutlinie war genauso hoch wie 1962. Den
stetigen Küstenschutzmaßnahmen ist es zu verdanken,
dass ein solcher Orkan heute keine Katastrophe mehr zur
Folge hat.

Künftig werden wir auch den präventiven Hochwas-
serschutz mit einem Sonderrahmenplan absichern; dieser
soll bereits im Haushalt 2015 berücksichtigt werden. Die
zuständige Bund-Länder-Arbeitsgruppe wird im Herbst
tagen; dann können Entscheidungen zu Maßnahmen und
Mitteln getroffen werden.

Hier sollen in den nächsten Jahrzehnten Flussauen re-
naturiert, Polder angelegt und weitere Schritte zur Errei-
chung der Ziele der EG-Wasserrahmenrichtlinie getan
werden, die auch Prävention beim Hochwasserschutz
bedeuten. Eines ist auch hier klar: Vorsorgemaßnahmen
kommen uns volkswirtschaftlich wesentlich günstiger
als Hochwasserschäden ohne präventive Maßnahmen.

Im Herbst werden wir dann weitere Schritte zur Um-
setzung der GAP in Deutschland gehen. Außerdem wer-
den wir uns mit der Hofabgabeklausel beschäftigen, wie
wir heute schon mehrfach gehört haben. Wir müssen da-
bei die agrarstrukturelle Wirkung der Verpflichtung zur
Hofabgabe genau betrachten. Dabei stellt sich die grund-
sätzliche Frage, ob die Verpflichtung zur Hofabgabe zur
Erlangung der verdienten Rente heute noch zeitgemäß
ist.

Sie sehen also: Die Koalition hat noch einiges vor.

Das gilt auch für den Bereich der Eiweißpflanzen.
Wir bekommen mit der Eiweißpflanzenstrategie 3 Mil-
lionen Euro zusätzlich für den ökologischen Landbau.
Das ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung und
darf an dieser Stelle ruhig einmal erwähnt werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sojabohnen, Lupinen und Erbsen bereichern die Frucht-
folge, fördern die Bodenfruchtbarkeit und tragen insge-
samt zur biologischen Vielfalt bei. Aus SPD-Sicht möchte
ich auch noch ergänzen, dass es sich dabei nicht um gen-
technisch veränderte Pflanzen handelt, sondern im
Gegenteil: Das ist ein erster Schritt zu mehr Unabhän-
gigkeit von Futtermittelimporten und gentechnisch ver-
änderten Pflanzen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Artur Auernhammer [CDU/CSU])






Johann Saathoff


(A) (C)



(B)

Wir werden die Forschung in den Bereichen Boden-
struktur, Pflanzengesundheit und Nährstoffversorgung
sowie andere landwirtschaftliche Fachfragen weiter vo-
ranbringen. Damit unterstützen wir eine Strategie, die
mit der Entkopplung der Direktzahlungen begonnen hat
und langfristig den Erhalt öffentlicher Gelder vollständig
an die Erbringung öffentlicher Leistungen koppelt.


(Beifall bei der SPD)


Im Rahmen des Direktzahlungs-Durchführungsgesetzes
haben wir ja gerade eine Mittelumschichtung in die
zweite Säule, die Ausweisung ökologischer Vorrangflä-
chen, den Erhalt von Dauergrünland und die Besserstel-
lung kleinerer Betriebe beschlossen. Jetzt wollen wir mit
der Eiweißpflanzenstrategie einen weiteren wichtigen
Schritt machen.

Wie ich schon sagte: Es gibt viel zu tun, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen. Packen wir es an!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1804118200

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 10, Bundesministerium für Ernährung und Landwirt-
schaft, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Mit der
Mehrheit der Stimmen der Koalition gegen die Stimmen
der Opposition ist der Einzelplan 10 damit angenom-
men.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Mittwoch, den 25. Juni 2014,
9 Uhr, ein.

Wenn Sie mögen, können Sie gleich hier bleiben.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wenn Sie nicht mögen, wünsche ich Ihnen noch einen
angenehmen Ausklang des Abends. Das gilt insbeson-
dere auch für unsere Gäste auf den Besuchertribünen,
denen ich für ihr Interesse danke.

Die Sitzung ist geschlossen.