Protokoll:
17031

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 31

  • date_rangeDatum: 18. März 2010

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:04 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/31 2010 (Haushaltsgesetz 2010) (Drucksachen 17/200, 17/201) . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung des Haushaltsaus- schusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2009 bis 2013 (Drucksachen 16/13601, 17/626) . . . . . . . 13 Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz (Drucksachen 17/610, 17/623) . . . . . . . . . Rolf Schwanitz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Georg Schirmbeck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 14 Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 17/606, 17/623) . . . . . . . . . Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Herrmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2833 B 2833 C 2833 D 2834 A 2835 B 2837 D 2856 B 2856 C 2857 D 2859 B 2860 B 2862 B 2864 C 2865 C Deutscher B Stenografisc 31. Sit Berlin, Donnerstag, I n h a Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Dr. Claudia Winterstein . . . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Petra Pau zum Mit- glied des Gemeinsamen Ausschusses nach Art. 53 a des Grundgesetzes und der Abge- ordneten Kersten Steinke zum stellvertreten- den Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses nach Art. 53 a des Grundgesetzes . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Tagesordnungspunkt I (Fortsetzung): a) Zweite Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2833 A 2833 B 2833 B Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2839 B 2840 B undestag her Bericht zung den 18. März 2010 l t : Ilse Aigner, Bundesministerin BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Bleser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . Georg Schirmbeck (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) . . . . . 2841 D 2844 B 2845 D 2847 A 2848 A 2849 B 2851 B 2852 D 2853 C 2854 C Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 2866 A 2867 D 2868 D II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 15 a) Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 17/607, 17/623) . . . . . . in Verbindung mit 15 b) Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 17/623, 17/624) . . . . . . Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . Alexander Funk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . . Wolfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . 2869 C 2870 A 0000 A2871 C 2872 A 2872 C 2873 C 2874 D 2876 A 2877 B 2878 D 2880 C 2880 C 2880 D 2882 C 2884 B 2886 B 2887 B 2888 B 2889 A 2891 A 2891 B 2892 C 2894 A 2894 D 2895 B 2895 C 2897 C 2899 A 2899 C Raju Sharma (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 16 Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senio- ren, Frauen und Jugend (Drucksachen 17/616, 17/623) . . . . . . . . . Rolf Schwanitz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Steffen Bockhahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Norbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und For- schung (Drucksachen 17/620, 17/623) . . . . . . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Annette Schavan, Bundesministerin BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2900 C 2901 A 2902 C 2902 D 2904 D 2907 A 2908 B 2910 A 2911 C 2914 A 2914 B 2914 C 2915 D 2917 B 2918 B 2919 D 2920 C 2921 D 2923 B 2924 C 2924 D 2926 D 2928 B 2928 C 2930 A 2930 C 2931 A 2932 A 2933 B 2934 A 2935 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 III Dagmar Ziegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 2938 A 2939 B 2940 C 2942 A 2943 C 2945 A 2946 B 2947 D 2949 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2833 (A) (C) (D)(B) 31. Sit Berlin, Donnerstag, Beginn: 9
  • folderAnlagen
    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2949 (A) (C) (D)(B) Anlage zum Stenografischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Barchmann, Heinz- Joachim SPD 18.03.2010 Burchardt, Ulla SPD 18.03.2010 Cramon-Taubadel, Viola von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.03.2010 Götz, Peter CDU/CSU 18.03.2010 Kramme, Anette SPD 18.03.2010 Liebing, Ingbert CDU/CSU 18.03.2010 Möller, Kornelia DIE LINKE 18.03.2010 Pflug, Johannes SPD 18.03.2010 Rief, Josef CDU/CSU 18.03.2010 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 18.03.2010 Gohlke, Nicole DIE LINKE 18.03.2010 Golze, Diana DIE LINKE 18.03.2010 Granold, Ute CDU/CSU 18.03.2010 Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 18.03.2010 Hempelmann, Rolf SPD 18.03.2010 Hörster, Joachim CDU/CSU 18.03.2010* Hoff, Elke FDP 18.03.2010 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.03.2010 Koch, Harald DIE LINKE 18.03.2010 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates Roth (Esslingen), Karin SPD 18.03.2010 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.03.2010 Dr. Scheer, Hermann SPD 18.03.2010 Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 18.03.2010 Dr. Steffel, Frank CDU/CSU 18.03.2010 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.03.2010 Werner, Katrin DIE LINKE 18.03.2010 31. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 Inhalt: Redetext Anlage zum Stenografischen Bericht Anlage
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703100000

Die Sitzung ist eröffnet.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nehmen Sie bitte Platz.

Wir beginnen unsere heutige Sitzung mit herzlichen
Geburtstagsglückwünschen an die Kollegin Dr. Claudia
Winterstein, die heute einen runden Geburtstag feiert
und der ich dazu im Namen des ganzen Hauses herzlich
gratulieren möchte.


(Beifall)


Auf Vorschlag der Fraktion Die Linke soll die Kolle-
gin Petra Pau anstelle des aus dem Deutschen Bundes-
tag ausgeschiedenen Abgeordneten Oskar Lafontaine
zum Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses nach
Art. 53 a des Grundgesetzes gewählt werden. Als
neues stellvertretendes Mitglied ist die Kollegin Kersten
Steinke vorgesehen. Sind Sie mit diesen Vorschlägen
einverstanden? – Heftiges Nicken insbesondere in den
Reihen der vorschlagenden Fraktion, keine Einwände
von anderer Seite. Damit sind die Kolleginnen Pau und
Steinke in dieses Gremium gewählt.

Rede
Es gibt außerdem noch eine nachträgliche Ausschuss-
überweisung. Der Antrag der SPD-Fraktion mit dem
Titel „Europa 2020 – Strategie für ein nachhaltiges Eu-
ropa – Gleichklang von sozialer, ökologischer und wirt-
schaftlicher Entwicklung“ auf der Drucksache 17/882
soll zusätzlich dem Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung zur Mitberatung über-
wiesen werden. – Auch dazu gibt es offensichtlich Ein-
vernehmen. Dann ist das so beschlossen.

Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesord-
nungspunkt I a und b – fort:

a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Geset
Feststellung des Bundeshaushaltsp

(Haushaltsgese – Drucksachen 17/200, 17/201 – zung den 18. März 2010 .00 Uhr b)

haltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrich-
tung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2009 bis 2013

– Drucksachen 16/13601, 17/626 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)

Otto Fricke
Roland Claus
Alexander Bonde

Ich rufe zunächst den Tagesordnungspunkt I.13 auf:

Einzelplan 10
Bundesministerium für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz

– Drucksachen 17/610, 17/623 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Georg Schirmbeck
Rolf Schwanitz
Heinz-Peter Haustein

text
Roland Claus
Alexander Bonde

Hierzu liegen Ihnen die Beschlussempfehlungen des
Haushaltsausschusses auf den Drucksachen 17/610 und
17/623 vor.

Zu diesem Einzelplan liegen zwei Änderungsanträge
der Fraktion Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.

die Aussprache und erteile das Wort zu-
ollegen Rolf Schwanitz für die SPD-Frak-
zes über die
lans für das
tz 2010)

Ich eröffne
nächst dem K
tion.

(Beifall bei der SPD)







(A) (C)



(D)(B)


Rolf Schwanitz (SPD):
Rede ID: ID1703100100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Guten Morgen! Sehr geehrte Frau Ministerin
Aigner, ich will mich, einer guten Tradition folgend,
zunächst einmal bei Ihnen recht herzlich für die Infor-
mationen und bei den Kolleginnen und Kollegen
Berichterstatter für die kollegiale Zusammenarbeit im
Haushaltsausschuss bedanken. Ich möchte mich speziell
bei Ihrem Haus bedanken. Die Informationen waren prä-
zise und vollständig. Ich will das mit Blick auf andere
Ressorts, zu deren Einzelplänen ich heute noch die Ehre
habe zu sprechen, ausdrücklich loben und hervorheben.
Ein Kompliment also an die Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter Ihres Hauses.

Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich Ihnen,
was die politische Bewertung des Einzelplanes 10 an-
geht, kein Kompliment machen kann. Nach meiner Ein-
schätzung stehen drei Überschriften über diesem Einzel-
plan des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz. Die erste Überschrift lautet: Kli-
entel- statt Strukturpolitik.


(Beifall des Abg. Ulrich Kelber [SPD] – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Die zweite Überschrift lautet: Einsparungen an falscher
Stelle.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Oh!)


Die dritte Überschrift lautet: Kein Zukunftskonzept für
Verbraucherpolitik. – Das sind die drei Markenzeichen
des Einzelplanes 10.


(Beifall bei der SPD)


Ich will das kurz begründen.

Zunächst zu der Überschrift „Klientel- statt Struktur-
politik“. Es wird Sie nicht wundern, dass ich in diesem
Zusammenhang als Allererstes das Grünlandmilchpro-
gramm erwähne. Denn was machen Sie damit? Unter
dem Deckmantel der Krisenhilfe – die Situation ist in der
Tat nicht einfach – wird ein gigantisches Klientelpro-
gramm organisiert. Ich will daran erinnern, dass wir im
Haushalt 2010 400 Millionen Euro dafür finden; im Jahr
2011 werden noch einmal 300 Millionen Euro dazukom-
men. Der Deutsche Bauernverband hält überall Ver-
anstaltungen ab und spricht – unter Einbeziehung der
Absenkung der Agrardieselsteuer – von einer Subventio-
nierung im Umfang von 1,3 Milliarden Euro in den Jah-
ren 2010 und 2011 zusammen.


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Hört! Hört!)


Gegen echte Krisenhilfe wäre nichts einzuwenden.
Das ist auch der Grund, aus dem die Sozialdemokraten
sich bei den Haushaltsberatungen dem Liquiditätshilfe-
programm in Höhe von 25 Millionen Euro nicht verwei-
gert haben; wir haben es vielmehr unterstützt und mitge-
tragen. Dieses Geld kommt an der richtigen Stelle an;
das ist in Ordnung. Aber Sie machen etwas völlig ande-
res. Sie legen ein Subventionsprogramm mit einer
durchsichtigen regionalen Schlagseite im südwestdeut-
schen Raum und in Bayern auf. Das ist Gießkannenför-
derung statt problembezogene Hilfe, beispielsweise bei
der landwirtschaftlichen Unfallversicherung.

Sie sorgen auch nicht für schnelle Hilfe; denn zen-
trale, wichtige Dinge werden erst im vierten Quar-
tal 2010 fällig.

Aus meiner Sicht am problematischsten ist aber, dass
Sie rein konsumtiv hinter der Marktentwicklung herför-
dern. Es wird also gegen den Markt ansubventioniert,
statt Vorschläge für eine nachhaltige Landwirtschafts-
politik aufzugreifen; meine Kollegin Wolff wird darauf
noch näher eingehen.


(Beifall bei der SPD)


Früher hat man so etwas als Danaergeschenk bezeich-
net. Denn die Bauern, die landwirtschaftlichen Betriebe
werden für die verpasste Chance einer in die Zukunft ge-
richteten Subventionspolitik in Form eines viel höheren
Anpassungsdrucks teuer bezahlen müssen, wenn sich die
Lage nach 2013 grundsätzlich verändert. Deswegen han-
delt es sich um Klientelpolitik statt um gezielte Subven-
tionspolitik.

Die zweite Überschrift, die über Ihrem Haushaltsplan
steht, lautet „Einsparungen an der falschen Stelle“. Was
meine ich damit? Sie schütten nicht nur Geld aus, son-
dern sammeln auch Geld ein, kürzen und sparen ein. Vor
allem geschieht das bei der Gemeinschaftsaufgabe
Agrar- und Küstenschutz. Ich erinnere mich noch sehr
gut daran – das betrifft allerdings nicht den Kollegen
Schirmbeck –, dass in der ersten Lesung auch die Minis-
terin noch gepriesen hat, dass der Plafond von 700 Mil-
lionen Euro für die Gemeinschaftsaufgabe erhalten
bleibt.


(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Hört! Hört!)


Sie haben gesagt, das sei eine große Leistung und gut
eingesetztes Geld, Frau Aigner. In Ihrem Koalitionsver-
trag steht sogar etwas von der Absicht einer Erhöhung
der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe. All dies ge-
schieht aber nicht. Sie senken den Plafond um 25 Millio-
nen Euro ab und – das finde ich ganz besonders bitter –
kürzen die Verpflichtungsermächtigungen um 5,2 Mil-
lionen Euro, gegenüber dem Entwurf von Peer
Steinbrück sogar um 7,2 Millionen Euro.

Diese Kürzung wirkt sich übrigens schwerpunktmä-
ßig im investiven Bereich aus; denn darin sind Kürzun-
gen von Investitionsmitteln in Höhe von 15,5 Millionen
Euro enthalten. Sie haben also eine interessante Doppel-
strategie: Auf der einen Seite werden mit der Kuh-
schwanzprämie konsumtive Subventionen ausgereicht,
auf der anderen Seite werden Investitionsmittel zusam-
mengestrichen. Das sind Kürzungen an der falschen
Stelle.


(Beifall bei der SPD)


Besonders bitter ist aus meiner Sicht das, was bei den
Verpflichtungsermächtigungen geschehen ist. Sie haben,
genau wie wir, Briefe der Landwirtschaftsminister aller
16 Länder bekommen, in denen sie ausdrücklich auf die
große Bedeutung der Verpflichtungsermächtigungen für
die Bindung europäischer Mittel hingewiesen haben.





Rolf Schwanitz


(A) (C)



(D)(B)

Das alles haben Sie ignoriert. Mit Ihren Einschnitten ist
ein Sinkflug bei der Gemeinschaftsaufgabe in den nächs-
ten Jahren vorprogrammiert. Das halten wir für falsch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die dritte Überschrift lautet „Kein Zukunftskonzept
bei der Verbraucherpolitik“. Das von Ihnen selbst in
Auftrag gegebene Gutachten, wonach die Verbraucher-
politik umfinanziert und verursachergemäß aufgebaut
werden muss, wonach Betriebe, die die Verbraucher-
rechte missachten, Strafgebühren zahlen müssen, ist
längst auf dem Tisch. Sie haben dieses Gutachten igno-
riert. Frau Aigner ist wie immer auf den Zug aufgesprun-
gen und hat gesagt, dass sie das auch gut findet. Als wir
einen konkreten Vorschlag gemacht haben, haben Sie
ihn schlicht und einfach abgelehnt. Ich kann Ihnen nur
sagen: Wenn Verbraucherpolitik bei Ihnen, Frau Aigner,
eine folgenlose Ankündigung bleibt, dann werden Sie
scheitern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Einzelplan 10 hat drei Überschriften: Klientel-
politik statt Strukturpolitik, Einsparungen an der fal-
schen Stelle und null Zukunftskonzeption bei der Ver-
braucherpolitik. Der haushaltspolitische Sprecher der
CDU/CSU hat am Montag wunderbarerweise von einem
„Gesamtkunstwerk“ gesprochen.


(Heiterkeit bei der SPD – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Da hat er recht! – Iris Gleicke [SPD]: Ein seltsames Kunstverständnis!)


– Kollege Barthle, das wird ein richtiger Klassiker. – Mir
fällt dazu nur die wunderbare Sendung „Kunst & Krem-
pel“ des Bayerischen Rundfunks ein. Ihr Haushalt hat al-
lerdings weniger mit Kunst, dafür mehr mit Krempel zu
tun.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703100200

Zur weiteren Erläuterung des Gesamtkunstwerks er-

hält jetzt der Kollege Georg Schirmbeck von der CDU/
CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Georg Schirmbeck (CDU):
Rede ID: ID1703100300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Eigentlich ist heute ein schöner Tag. Draußen haben
wir ein klasse Wetter, eine nette Kollegin hat heute einen
runden Geburtstag – wir werden heute noch feiern –, und
wir dürfen einen Einzelplan vorstellen, der den Wün-
schen der Fachleute aus dem Fachausschuss und des Be-
richterstatters aus dem Haushaltsausschuss entspricht.

Wir können all das debattieren, was wir schon in der
ersten Beratung debattiert haben. All die alten Sprüche
werden aber durch mehrmaliges Wiederholen nicht bes-
ser. In der zweiten Beratung muss es doch eigentlich da-
rum gehen, was sich durch die Beratungen im Ausschuss
geändert hat. Wir halten schließlich eine Haushaltsbera-
tung ab und kein allgemeines Palaver.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Kritik an der Kanzlerin!)


– Frau Künast, wenn Sie ausgeschlafen sind und etwas
fragen wollen, dann stehen Sie auf und stellen eine or-
dentliche Frage, ansonsten schweigen Sie.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Das entscheidet der Präsident und nicht Sie, Herr Schirmbeck!)


Wir dürfen feststellen, dass sich nur wenige Punkte
geändert haben. Was hat sich geändert? Wir mussten im
Einzelplan – das gilt für alle anderen Einzelpläne auch –
Einsparungen vornehmen. Wir haben diese Einsparun-
gen im Bereich der GAK vorgesehen. Herr Kollege
Schwanitz hat eben richtigerweise ausgeführt – wer mir
bei der ersten Beratung richtig zugehört hat, der hat das
kommen sehen, ich habe deutlich darauf hingewiesen –,
dass wir Einsparungen machen müssen. Das machen wir
bei der GAK.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: An der falschen Stelle!)


Ich habe schon damals erläutert, dass das auch deshalb
gerechtfertigt ist, weil einige Länder in der Vergangen-
heit nicht gegenfinanzieren konnten und die Mittel also
nicht überall in den Ländern gerecht verteilt worden
sind. Von daher ist unser Vorgehen richtig.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das haben Sie beim Koalitionsvertrag noch nicht gewusst?)


Wenn Sie nun sagen, das sei ein falsches Zeichen,
dann sage ich Ihnen: Die GAK ist in den letzten Jahren
– auch in der Großen Koalition – durch unser Zutun auf-
gewachsen. Wir haben, wenn wir den Haushalt in der
vorliegenden Form beschließen, mehr Geld, als wir nach
Künast jemals gehabt haben. Das ist also eine positive
Sache.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Ein Wortbruch des Koalitionsvertrages!)


Sie behaupten, wir hätten im Bereich Verbraucher-
schutz nichts getan. Wir werden dafür kritisiert, wenn
wir einen Aufwuchs bei den Planstellen haben.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!)


Es wurde die Zahl von 1 000 zusätzlichen Planstellen
genannt. Ich weiß nicht, woher diese Zahl kommt. Es
gibt Journalisten, die offensichtlich alles schreiben.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gibt es Listen des Finanzministeriums!)


Die Realität ist, dass wir 1 600 Stellen einsparen, aber
wir bekommen für den wirtschaftlichen Verbraucher-





Georg Schirmbeck


(A) (C)



(D)(B)

schutz zusätzlich drei Stellen für den höheren und drei
Stellen für den gehobenen Dienst. Wir setzen also einen
Schwerpunkt. Das haben wir versprochen, und wir hal-
ten Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Endlich geht Ihnen mal der Kronleuchter auf! Damals waren Sie dagegen!)


Ich möchte mich bei meinem Kollegen Peter Haustein
herzlich für die Zusammenarbeit bedanken. Wir bespre-
chen und analysieren die Situation mit den Fachleuten in
aller Ruhe. Dann bringen wir unsere Vorhaben auf den
Weg, und der Ausschuss ist uns mit großer Einmütigkeit
gefolgt. Wir werden das auch weiterhin so machen.

Ich möchte mich, nicht nur weil es guter Brauch ist,
sondern weil es in der Tat Unterschiede zwischen den
einzelnen Häusern gibt – das kann man im Haushaltsaus-
schuss durchaus vergleichen –, bei der Ministerin für die
vorzügliche Zusammenarbeit bedanken. Auf CDU/CSU-
Seite war sie meine Vorgängerin, was die Haushaltsbe-
richterstattung angeht. Sie hat das Ganze nicht verlernt.
Sie weiß, wie man mit Haushältern umgeht. Verehrte
Frau Ministerin, herzlichen Dank für diese Zusammen-
arbeit!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


– Ein bisschen mehr Stimmung, Kameradinnen und Ka-
meraden!


(Ulrich Kelber [SPD]: Streicheln und Füttern!)


Das gilt ganz besonders für die Haushaltsabteilung
des Ministeriums. Ich darf das einmal sagen: Auf Ulli
Kuhlmann und seine Mannschaft ist immer Verlass. Die
angeforderten Ausführungen sind immer hundertprozen-
tig korrekt und sind schnell da. Damit kann man im Aus-
schuss überzeugen. Damit kann man dieses Ergebnis er-
zielen.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sagen Sie mal was Politisches! Gelobt haben Sie jetzt genug!)


Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, dass
heute ein schöner Tag ist, weil wir das Ganze so auf den
Weg bringen können.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das wissen wir schon!)


Ich sage aber auch: Ich habe vernommen, wer uns in der
Zeit zwischen der ersten Beratung und jetzt an der einen
oder anderen Stelle mit Hinweisen kritisch begleitet hat.
In den Haushaltsdebatten werden wir auf der einen Seite
dafür kritisiert, dass wir zu viele Schulden machen, aber
auf der anderen Seite werden wir für jeden Sparvor-
schlag, den wir machen und durchsetzen, kritisiert.


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Falsche Priorität!)


Auf der einen Seite wird uns vorgeworfen, dass wir zu
viel Personal haben, auf der anderen Seite wird uns vor-
geworfen, dass wir Personal abbauen. Alles wird durch-
einandergerührt, sodass in der Öffentlichkeit nachher
– das muss man realistischerweise sagen – kaum noch
einer den Überblick hat.

Dazu sage ich Ihnen eines: Wer mich ein bisschen
länger kennt, der weiß, dass ich alle Kritik, die uns be-
rechtigterweise vorgehalten wird,


(Ulrich Kelber [SPD]: An mir abperlen lasse!)


sehr aufmerksam speichern kann. Der eine oder andere,
der uns auf einer Biomesse vorwirft, wir würden im Bio-
bereich jetzt den totalen Kahlschlag machen, der muss es
sich auch gefallen lassen, dass wir uns bei den nächsten
Haushaltsberatungen jeden einzelnen Antrag einmal
ganz genau ansehen – gleich, ob es um 1 000, 10 000
oder 100 000 Euro geht – und schauen, was mit diesem
Geld gemacht wird. Wie effizient wird da gearbeitet?
Das Etikett „Bio“ oder „Öko“ bedeutet nicht, dass man
mit Geld generös umgehen und es einfach unter die
Leute streuen kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Bestrafungsaktion nannte man das früher!)


Jeder, der uns kritisiert,


(Ulrich Kelber [SPD]: Wird bestraft!)


muss dann auch akzeptieren, dass wir ganz gezielt hinse-
hen, was an der einen oder anderen Stelle gemacht wird,
und muss sich von uns gegebenenfalls Vorhaltungen ma-
chen lassen.

Ein Aspekt, der vollkommen untergeht: Wir setzen
nicht nur beim wirtschaftlichen Verbraucherschutz einen
neuen Schwerpunkt. Es geht auch um die nationale Si-
cherheit unserer Küstenländer, wenn wir in den Küsten-
schutz investieren. Wir haben ein nationales Programm
aufgelegt: jährlich 25 Millionen Euro über das hinaus,
was wir über die GAK finanzieren. Das ist doch eine
Leistung. Wir müssen den norddeutschen Ländern sa-
gen, dass wir hier etwas für die Länder tun. Wenn ich nur
das Geschwafel von einer Schlagseite Richtung Süden
höre: All die Zahlen, die Sie bringen könnten – Sie brin-
gen aber gar keine Zahlen –, geben das überhaupt nicht
her. Von daher darf ich sagen: Danke an das ganze Haus,
dass es möglich ist, dies auf den Weg zu bringen.

Minister Seehofer hat vor einigen Jahren ein ganz
neues Thema aufgegriffen und hier in die Diskussion
eingebracht: die Breitbandverkabelung. Mittlerweile
weiß jeder, dass das gerade für den ländlichen Raum
eine ganz wichtige Sache ist. Deshalb haben Sie, Frau
Ministerin, unsere volle Unterstützung, wenn Sie auch
bei diesem Thema künftig mit großem Engagement da-
bei sind. Es darf nicht sein, dass der ländliche Raum, wo
es in vielfacher Hinsicht sehr innovative Köpfe gibt, von
neuen Technologien abgeschnitten wird. Das würde
dazu führen, dass wir die volkswirtschaftliche Wert-
schöpfung, die wir in diesem Bereich generieren könn-
ten, nicht generieren. Von daher müssen wir hier eine
ganze Menge auf den Weg bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Georg Schirmbeck


(A) (C)



(D)(B)

Sie wissen, dass ich mich in meiner Freizeit – wenn
Sie so wollen, ist das mein besonderes Hobby – für die
deutsche Forstwirtschaft engagiere.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das wissen wir!)


Ich darf Ihnen sagen: Auch die Ansätze im Einzel-
plan 10, die im Vorgriff auf das Jahr des Waldes 2011
eingebracht worden sind, stimmen mich heute Morgen
froh. Wir haben heute mehr Unterstützung, als wir je-
mals für die deutsche Forstwirtschaft gehabt haben. Dass
der Wald-Klima-Fonds jetzt wächst bzw. auf den Weg
gebracht wird, ist eine positive Meldung, die die Bevöl-
kerung einmal hören darf. Auch hier wird also ein
Schwerpunkt gesetzt. Es wird etwas gemacht. Ich bin da-
für sehr dankbar.

Ich darf Ihnen aber auch sagen: Nachdem die Holzab-
satzförderung per Gesetz nicht mehr möglich ist,


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bravo!)


nachdem das Bundesverfassungsgericht das in seiner un-
endlichen Güte gekippt hat, ist es uns gestern Abend ge-
lungen, im Bereich der deutschen Forstwirtschaft auf
freiwilliger, privater Basis einen neuen Fonds oder eine
neue GmbH in die Welt zu setzen. Ich darf mich bei al-
len, auch denen aus dem Ministerium, bedanken, die
mitgeholfen haben, dass das möglich wird. In der nächs-
ten Woche werden Ullrich Huth und ich einen entspre-
chenden GmbH-Vertrag unterzeichnen. Dann geht es
auch mit der Holzabsatzförderung in Deutschland wei-
ter. Auch das ist ein gutes Beispiel für die Politik, die wir
hier machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, ich habe eben schon ange-
sprochen, dass wir bei den Haushaltsplanberatungen
für 2011 sicherlich an der einen oder anderen Stelle in-
tensiver über die Haushaltsansätze sprechen müssen,
weil wir – das hat ja eigentlich jeder gesagt – nicht jedes
Jahr 80 Milliarden Euro Neuverschuldung haben kön-
nen. Das heißt, auch im Einzelplan 10 werden wir zu-
künftig überlegen müssen: Was ist wichtig, was ist ganz
wichtig, und was kann man vielleicht für eine gewisse
Zeit oder ganz einsparen? Wir werden in allen Bereichen
eine höhere Effektivität erreichen müssen. Es kann nicht
sein, dass jemand wilde Briefe oder Presseartikel
schreibt und aufgrund dessen dann mehr Geld erhält.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? – Rolf Schwanitz [SPD]: Das ist ja Bestrafungspolitik!)


Ich glaube, dass hier eine ganze Menge einzusparen ist.

Ich zeige Ihnen das an einem Beispiel; darüber kön-
nen Sie gleich wieder lachen. Es gibt Initiativen im
Land, die fordern, dass wir im Bereich Ernährung und
Bewegung aufklären und mehr tun. Auch ich bin der
Meinung, dass wir da mehr tun müssen. Aber ich frage
mich, ob wir dafür mehr öffentliche Mittel brauchen.
Dass wir uns mehr bewegen müssen,


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem im Kopf!)


dass wir uns vielleicht anders ernähren müssen und dass
wir vielleicht weniger essen müssen, weiß jeder. Aber
ich habe große Zweifel, ob wir dafür Ansätze in Millio-
nenhöhe im Bundeshaushalt brauchen; dies ist nur ein
Beispiel.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Bauernverband!)


In jedem Dorf und in jeder Stadt bei uns gibt es Sport-
vereine. Man muss nur rein in die Sportvereine,


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wo es sie noch gibt!)


sich dort engagieren und bewegen und ein bisschen mehr
darüber nachdenken, was man isst. Dafür braucht man
keine Haushaltsansätze.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist vielleicht ein populäres, aber konkretes Beispiel
dafür, wie wir im Bundeshaushalt einsparen können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, ich darf es noch einmal sa-
gen: Wir sind mit diesem Einzelplan zufrieden. Ich darf
mich bei allen, die mitgeholfen haben, bedanken. Wir se-
hen der Entwicklung im ländlichen Raum positiv entge-
gen; denn wir wissen, dass wir gerade im ländlichen
Raum die innovativen Köpfe haben, die unsere Gesell-
schaft braucht. Es hilft nicht, zu jammern, sondern man
muss morgens früh aufstehen, früh mit dem Tagwerk an-
fangen, hart arbeiten und kreativ sein, dann haben wir
auch eine gute Zukunft im ländlichen Raum und in ganz
Deutschland.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703100400

Die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann ist die nächste

Rednerin für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703100500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste! Ich werde die Propaganda erst einmal be-
enden und zum Thema kommen.


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Dr. HansPeter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Da sind wir bei der Linken!)


Wir wollen in Deutschland und Europa eine multi-
funktionale Landwirtschaft; da sind sich alle Fraktio-
nen einig. Für die Linke heißt das: Die Landwirtschaft





Dr. Kirsten Tackmann


(A) (C)



(D)(B)

soll viele, sehr unterschiedliche Aufgaben im Interesse
der gesamten Gesellschaft erfüllen.

Dazu gehört erstens die Sicherung der Versorgung mit
gesunden, möglichst regional erzeugten Nahrungsmit-
teln zu bezahlbaren Preisen statt Agrarexport zulasten
armer Länder und Öko- und Sozialdumping auf einem
spekulativen Weltagrarmarkt.

Dazu gehören zweitens existenzsichernde Einkom-
men und Arbeitsplätze in der Landwirtschaft statt Nied-
riglöhne, Selbstausbeutung, Höfesterben und Verdrän-
gung in den Nebenerwerb.

Dazu gehört drittens eine nachhaltige Biomassepro-
duktion zur regionalen Sicherung der Energieversorgung
statt fondsfinanzierte Großanlagen.

Dazu gehört viertens die Schonung der natürlichen
Lebensgrundlagen, des Wasserhaushalts und des Klimas
statt kurzfristiger Kapitalrenditen.

Dazu gehört fünftens die Sicherung sozial und kultu-
rell lebendiger ländlicher Räume statt Abwanderung und
Dörfersterben.

Dazu gehören sechstens der Erhalt und die Pflege der
Kulturlandschaft statt Verödung und Verwaldung.

Dazu gehört siebtens die Verbesserung der Artenviel-
falt auf und neben den Äckern statt Monokulturen und
Agrogentechnik.


(Beifall bei der LINKEN)


Die existenzielle Voraussetzung zum Erreichen dieser
Ziele sind starke und vielfältige Agrarbetriebe, die flä-
chendeckend und nachhaltig wirtschaften, und das klare
Bekenntnis der Politik zu den Menschen, die in den Dör-
fern und kleinen Städten leben und arbeiten wollen. Für
die Linke ist der Anspruch auf gleichwertige Lebensver-
hältnisse in allen Landesteilen nicht verhandelbar.

Von landwirtschaftlicher Arbeit muss man leben kön-
nen. Daran muss sich auch der Agrarhaushalt orientie-
ren, erst recht angesichts der aktuellen tiefen Agrar-
krise. Aber die Koalition versagt als Krisenmanager. Die
Kuhschwanzprämie wird de facto zum Stallfenster hi-
nausgeworfen.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hallo?!)


Nur ein kleiner Teil der Verluste der Betriebe wird kom-
pensiert, und die Ursachen der Krise werden nicht besei-
tigt. Im Gegenteil: Die Auslieferung der Agrarbetriebe
an den hochspekulativen Handel mit Nahrungsmitteln
und Ackerböden wird vorangetrieben, bei uns, in der EU
und weltweit. Statt diesen Systemfehler zu korrigieren,
wird versucht, die Bäuerinnen und Bauern mit Trost-
pflastern und Durchhalteparolen zu beruhigen. Dabei
stehen viele Agrarbetriebe seit Monaten mit dem Rücken
an der Wand. Für sehr viel und sehr harte Arbeit wird oft
nicht einmal ein existenzsicherndes Einkommen erzielt.

Der Grund sind die nicht kostendeckenden Erzeuger-
preise. Für Mecklenburg-Vorpommern wurde für 2009
vorläufig errechnet, dass im Durchschnitt mit jedem Li-
ter Milch 10 Cent Verlust gemacht wurden, Liter für Li-
ter. So verloren die Milchbetriebe innerhalb von einem
Jahr 45 Prozent ihres ohnehin nicht üppigen Einkom-
mens. Selbst ein Vorzeigebetrieb mit 2 000 Kühen in
meinem Heimatwahlkreis hätte ohne Biogasanlage fi-
nanziell nicht überlebt. Wenn Gülle mehr wert ist als
Milch, läuft etwas schief.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Milch ist nur die Spitze des Problemberges. Ins-
gesamt sanken die Erzeugerpreise um 10 Prozent. Dafür
stiegen die Kosten für Diesel, Futter, Dünger und Strom
um 10 Prozent. Wer kann das auf Dauer kompensieren?
Der kleine Familienbetrieb in Süddeutschland nicht,
weil er auch mit Selbstausbeutung aller Familienangehö-
rigen das Existenzminimum nicht mehr erreicht, die grö-
ßeren Agrarbetriebe in Ostdeutschland nicht, weil sie
selbst die niedrigen Löhne nicht mehr zahlen können.
Hohe Kreditbelastungen, gestiegene Kosten für Pachten
und Flächenzukäufe ziehen die Betriebsabschlüsse wei-
ter in den Keller.

Ganz nebenbei: 500 Millionen Euro Gewinn hat die
BVVG 2009 in Ostdeutschland durch den Verkauf ehe-
mals volkseigener Äcker im Auftrag des Bundes ver-
dient. Das sind 500 Millionen Euro, die von den klam-
men Landwirtschaftsbetrieben erwirtschaftet und in die
Kassen des Bundesfinanzministers umverteilt wurden.

Was passiert mit den Agrarbetrieben, die diesen Ver-
drängungswettbewerb verlieren? Landwirtschaftsfremde
Kapitalgeber werfen mit fragwürdiger Motivation Ret-
tungsringe aus und übernehmen die Betriebe. So wird
über den spekulativen Handel mit Nahrungsmitteln und
Ackerflächen nach WTO- und EU-Regeln bäuerliches
Eigentum in rasanter Geschwindigkeit enteignet. Die
Linke wird alle unterstützen, die sich dem konsequent
entgegenstellen.


(Beifall bei der LINKEN – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sie haben ja schon einmal Fleischmarken ausgegeben! Sie kennen sich da ja sicherlich aus!)


Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der
Agrarpolitik. Zum Beispiel müssen in die Handelsregeln
der EU und der WTO soziale und ökologische Standards
einbezogen werden. Wir brauchen die Stärkung der
Rechtsposition der Agrarbetriebe gegenüber Dünge- und
Pflanzenschutzmittelherstellern, der Verarbeitungsindus-
trie und dem Lebensmitteleinzelhandel, die ja sehr gut
verdienen. Dabei müssen Lebensmittel nicht teurer wer-
den, sondern sie müssen bezahlbar bleiben.

Damit auch der Agrarhaushalt zur Problemlösung bei-
tragen kann, haben wir Änderungsanträge eingebracht.
Aus dem Grünlandmilchprogramm sollten 60 Millionen
Euro in die Förderung von Erzeugerzusammenschlüssen
umgelenkt werden; denn zur Überwindung der Krise
brauchen wir eine verstärkte Zusammenarbeit der Be-
triebe.


(Beifall bei der LINKEN)


Abgelehnt!

Die Mittel für das Bundesprogramm Ökolandbau
wollten wir von 16 auf 25 Millionen Euro aufstocken.





Dr. Kirsten Tackmann


(A) (C)



(D)(B)

Dafür sollten 3 Millionen Euro EU-Agrarexportförde-
rung gestrichen werden,


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hallo?! Geht es noch?)


ebenso die geplante Aufstockung der Förderung nach-
wachsender Rohstoffe.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das wollen wir genau umgekehrt!)


Auch dieser Antrag wurde abgelehnt. Leider haben auch
die Grünen nicht zugestimmt.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Die Grünen lernen eben dazu! Das geht langsam, aber sie lernen dazu!)


Fazit: Der Agrarhaushalt des Bundes für das Jahr 2010
wird für viele Betriebe allenfalls eine Sterbehilfe sein.
Die Folge: Immer mehr bäuerlich bewirtschaftete Agrar-
flächen werden über den Markt enteignet. Weil der Haus-
haltsplan daran nichts ändert, wird die Linke ihm nicht
zustimmen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703100600

Heinz-Peter Haustein ist der nächste Redner für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Schönen Gruß aus dem Erzgebirge!)



Heinz-Peter Haustein (FDP):
Rede ID: ID1703100700

Sehr geehrter Herr Präsident Lammert! Meine lieben

Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste auf den Besu-
chertribünen! Der Einzelplan 10, der des Ministeriums
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,
spricht für sich: Es geht um Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz. Die Ernährung eines Landes ist
die Grundlage jeder Gesellschaft. Die Ernährung ist
nicht alles, aber ohne Ernährung ist alles nichts.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: So ist es! Das wissen hier aber leider nicht alle!)


Manchmal sagen wir den Satz „Unser täglich Brot gib
uns heute“ wahrscheinlich nur so daher, ohne uns da-
rüber im Klaren zu sein, dass es nicht selbstverständlich
ist, dass wir genug zu essen und zu trinken haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt noch einen Spruch: Erst das Essen, dann die Moral! – Zuruf von der SPD: Los! Noch so ein Spruch!)


Zuerst bedanke ich mich bei meinen Kollegen aus
dem Haushaltsausschuss, besonders bei Schorsch
Schirmbeck, für die gute Zusammenarbeit und das gute
Miteinander. Natürlich bedanke ich mich auch beim
Ministerium, den kompetenten Mitarbeitern und der dy-
namischen Ministerin Ilse Aigner. Es war ein gutes Mit-
einander.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Einzelplan 10 ist von Sozialausgaben geprägt.
64,4 Prozent der Mittel werden für Soziales aufgewandt.
Das sind im Einzelnen 2,28 Milliarden Euro für die Al-
terssicherung, 44,5 Millionen Euro für die Renten der
Kleinlandwirte und 24,5 Millionen Euro für die Zusatz-
altersversorgung der Arbeitnehmer. Das ist recht und bil-
lig. Um die Sozialsysteme zu stabilisieren, erhält näm-
lich auch die gesetzliche Rentenkasse einen Zuschuss,
und zwar von über 80 Milliarden Euro. – Ein weiterer Zu-
schuss von 1,25 Milliarden Euro geht an die Kranken-
versicherungsträger. Auch die landwirtschaftliche Un-
fallversicherung, durch die nicht nur Wegeunfälle und
Arbeitsunfälle, sondern auch Renten abgesichert wer-
den, wird mit 200 Millionen Euro bezuschusst.

Das machen wir als christlich-liberale Koalition des-
halb, weil wir die Lohnnebenkosten konstant und stabil
halten wollen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ein Landwirt ist ein Unternehmer. Ein Unternehmer
muss rechnen, er muss sehen, wie er zurechtkommt in
diesem weltweiten Wettbewerb der Dienstleistungen und
Waren. Wenn die Lohnnebenkosten steigen, steigen die
Kosten des Unternehmers. Damit sinkt sein Gewinn.
Wenn sein Gewinn sinkt, zahlt er weniger Steuern. Ge-
nau diese Steuern brauchen wir aber, um die Sozialsys-
teme zu stabilisieren. Wir haben des Weiteren, um die
landwirtschaftlichen Betriebe besser auszustatten, eine
Liquiditätshilfe von 25 Millionen Euro bereitgestellt,
die, wie ich höre, sehr gut angenommen wird. Wir helfen
auch den gebeutelten Milchbauern


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Welchen denn? Ich komme aus Sachsen-Anhalt, da ist nichts angekommen!)


mit 300 Millionen Euro für das Grünlandmilchpro-
gramm. Das alles ist wichtig, um dem Unternehmer
Landwirt zur Seite zu stehen und zu helfen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dann ist da noch der Bereich Verbraucherschutz.
Der Verbraucherschutz ist wichtiger denn je. Bei Ver-
braucherschutz denkt man zuerst an Lebensmittelkon-
trolle. Es geht bei Verbraucherschutz aber auch um eine
Kontrolle des Finanzmarktes. Deswegen ist es schön,
dass Leute eingestellt wurden, die verhindern, dass faule
Angebote unterbreitet werden und Menschen ihr Geld
verlieren.

Alles in allem kann man sagen: Dieser Haushalt ist
ausgewogen und ausgeglichen.

Noch ein Wort zu den Linken. Die Linken haben von
Enteignung gesprochen. Da kann ich nur zurückgeben:
Mit Enteignung kennt ihr euch aus.





Heinz-Peter Haustein


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Caren Lay [DIE LINKE]: Das war besonders originell!)


Zu DDR-Zeiten, in den 60er-Jahren, habt ihr sämtlichen
Bauern Grund und Boden weggenommen und die Be-
triebe verstaatlicht. Das nur zur Klarstellung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Haben Sie das Wort „Blockparteien“ schon einmal gehört? LDPD, da haben Sie doch mitgemacht!)


Zusammenfassend ist zu sagen: Heute ist ein guter
Tag für unsere Landwirtschaft. Wir können uns freuen,
einen so schönen Haushalt zu haben. Es wird Zeit, dass
frischer Wind über unsere Scholle, über unsere Wein-
berge und Seen weht, dass es aufwärts geht in diesem
Land.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frischen Wind zur Ablösung dieser Regierung finde ich gut!)


Zum Schluss, liebe Freunde, noch ein Spruch: Das
beste Wappen in der Welt ist der Pflug im Ackerfeld. In
diesem Sinne ein herzliches Glückauf aus dem Erzge-
birge!


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Caren Lay [DIE LINKE]: Das war ein Auftritt! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Helau! Karneval ist vorbei!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703100800

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch schön

und ermutigend, zu beobachten, wie man auch drögen
Einzelplanberatungen eine gewisse philosophische Tiefe
abgewinnen kann.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ulrich Kelber [SPD]: Note, nicht Tiefe!)


Um die Fortsetzung dieser Bemühungen darf ich jetzt
den Kollegen Alexander Bonde für die Fraktion Die
Grünen bitten.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/ CSU: Das war’s dann mit der Tiefe!)



Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703100900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

will jetzt keine Bauernweisheiten zum Besten geben, ich
will mich als Hauptberichterstatter bei den Kollegen,
beim Haus und bei der Ministerin für die gute Zusam-
menarbeit ganz herzlich bedanken. Ich will dazu sagen:
Dieser Dank gilt nur dem Verfahren und der Informa-
tion, nicht dem Inhalt dieses Einzelplanes und nicht für
das, was die schwarz-gelbe Koalition im Einzelplan für
Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Ernährung im
Laufe dieser Beratungen angestellt hat.
Wir haben ja erlebt, dass das Stiefkind dieses Ministe-
riums weiterhin der Verbraucherschutz ist; durch Fern-
sehinterviews zum Thema Google wird die Welt nicht
verändert.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Alex, du hältst die Rede vom letzten Mal!)


Die Fragen sind: Welche Konsequenz ziehen Sie eigent-
lich aus der Finanzkrise? Wo sind die qualitativen
Verbesserungen gerade in den Bereichen Verbraucherbe-
ratung und Verbraucherschutz bei den Finanzdienstleis-
tungen? – Überall dort passiert in Ihrem Haus nichts.
Auch in Bezug auf die Vorschläge, die wir in diese
Haushaltsberatungen eingebracht haben – von den soge-
nannten Watchdogs, also den Marktwächtern, bis hin zur
Stärkung des finanziellen Verbraucherschutzes –, ist
nichts passiert, und dazu findet sich in dem, was Sie
heute als Haushalt verabschieden wollen, nichts wieder.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben das Stiftungskapital bei der Stiftung Waren-
test erhöht. Das ist gut und richtig, aber das reicht eben
nicht. Das ist keine Verbraucherschutzpolitik.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Aber es ist mehr, als Rot-Grün zustande gebracht hat!)


Kommen wir zum Bereich der Landwirtschaftspoli-
tik. Sie haben in diesem Haushalt viele Umschichtungen
vorgenommen: hier genommen, da gegeben.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wo? Was denn?)


Wenn man sich genau anguckt, wie die Linie verläuft,
dann wird deutlich, welche ideologische Wegmarke
diese Koalition setzt. Es geht immer darum, die Industria-
lisierung der Landwirtschaft voranzutreiben, es geht um
Masse, Masse, Masse, und es geht um Export statt Qua-
lität.

Das sieht man besonders, wenn man sich anschaut,
was Sie unter dem Stichwort Grünlandmilchpro-
gramm gemacht haben: Kuhprämie, Stärkung der land-
wirtschaftlichen Unfallversicherung usw. usf. All diese
Maßnahmen sind nichts anderes als eine Brücke hinüber
zur nächsten Stufe des Höfesterbens, weil Sie am Kern-
problem, an der Überproduktion, überhaupt nichts än-
dern und weil Sie auch nicht bereit sind, etwas zu än-
dern.

Wenn man sich anguckt, was durch Ihr Grünland-
milchprogramm eigentlich passiert, dann sieht man – ich
will das einmal klar sagen, Frau Ministerin –: Durch die
übermäßigen Kürzungen bei der Förderung erneuerbarer
Energien im Solarbereich, die Sie als Landwirtschafts-
ministerin im Kabinett mit zugelassen haben, wird den
meisten Höfen in dieser Republik auf Dauer mehr ge-
schadet, als ihnen durch die Almosen geholfen wird, die
Sie ihnen hier für das Grünland geben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Georg Schirmbeck [CDU/ CSU]: Willst du die Verbraucher abzocken, Alexander Bonde oder was willst du machen? – Zuruf von der FDP: Das ist für den Verbraucherschutz ganz wichtig!)





(A) (C)


(D)(B)


Sie wagen sich nicht an die Ursachen des Problems in
der Landwirtschaft heran, und Sie gehen nicht gegen den
Preisverfall durch Überproduktion vor. Zum Schluss be-
treiben Sie eine Dumpingpolitik, mit der Sie nicht nur
den Bäuerinnen und Bauern im Inland schaden, und
zwar insbesondere den kleinen Betrieben der bäuerlichen
Landwirtschaft in schwierigen Regionen – nicht nur bei
mir im Schwarzwald, aber auch da –, sondern mit der
Sie auch international Schaden anrichten. Denken Sie
nur einmal daran, welche massiven Verwerfungen im
Landwirtschaftsbereich durch Ihre Exportstrategie in
den Ländern der Dritten Welt hervorgerufen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Exportförderung ist ja die große neue heilige
Kuh dieser schwarz-gelben Koalition. Überall, wo Sie in
diesem Haushalt etwas getan haben, ging es darum, die
Exportförderung wieder zu stärken, hier noch einen zu
finden, der ein bisschen Überschuss in die dritte Welt
liefern kann, und dort noch einen zu finden, der die In-
dustrialisierung der Betriebe vorantreibt, damit man aus
jedem Acker und jedem Tier noch ein bisschen mehr he-
rausholt.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Kollege, kennen Sie eigentlich unsere Märkte? Wissen Sie, wo Sie die Wertschöpfung holen können? – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles Wolkenkuckucksheime!)


Das genau sind die Veränderungen, die Sie in diesem
Einzelplan geschaffen haben. Damit gehen Sie am Kern
des Problems vorbei.

Interessant ist ja, wie Sie versucht haben, das gegen-
zufinanzieren. Sie haben die Verpflichtungsermächti-
gungen beim Bundesprogramm Ökologischer Landbau
und die Mittel zur Absicherung der Forschungsprojekte
zu nachwachsenden Rohstoffen gekürzt.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das ist doch gar nicht wahr! Du redest die Rede vom Vorjahr! Das ist doch alles Kokolores!)


Es gab dann massive Proteste von uns. Das war der
Punkt, an dem deutlich wurde: Eine wachsame Opposi-
tion zahlt sich aus. – Sie mussten dann zurückrudern.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hallo! Hallo! Ach, hör doch auf!)


– Jawohl, Genosse Schirmbeck, Sie sind in der Bereini-
gungssitzung zum Glück umgekippt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diese falschen Kürzungen haben Sie revidiert. Hier sind
Sie zurückgerudert, und das war richtig so; das attestiere
ich Ihnen ausdrücklich.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ich bin Bergbauer; ich kann gar nicht rudern!)

Der Punkt ist: Sie sind dann in den nächsten Fettnapf
reingetreten, weil Sie, um Ihre Exportförderung finan-
zieren zu können, dann die Verpflichtungsermächtigun-
gen bei der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Ver-
besserung der Agrarstruktur und des Küstenschutz“, der
zweiten Säule der Agrarförderung, kürzen mussten. Dort
geht es um die Agrarstrukturen, um ökologische Produk-
tion, um den Erhalt von Kulturlandschaften und um den
ländlichen Raum.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Es ist mehr Geld da als je zuvor! – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Der Kollege Schirmbeck hat Ihnen erklärt, wie es funktioniert!)


Das sind genau die Bereiche, die jetzt eigentlich im Fo-
kus einer verantwortungsvollen Landwirtschaftspolitik
stehen müssten, und genau hier haben Sie gekürzt, um
Ihren blinden Exportwahn gegenzufinanzieren.

Diese Koalition hat nicht kapiert, wie die Lage in der
Landwirtschaft ist. Da machen sich manche lieber vom
Acker, anstatt die bäuerliche Landwirtschaft zu unter-
stützen. Ihre Exportstrategie führt in eine Sackgasse. Im
Kern wissen Sie das auch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Petra Crone [SPD])


Frau Aigner, als Verbraucherschutzministerin sind Sie
auch für die Frage des Etikettenschwindels zuständig.
Bitte klären Sie endlich auf: Was hier die ganze Woche
als christlich-liberal gefeiert wird, ist am Ende doch nur
schnödes Schwarz-Gelb.

Herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE] – Dr. Erik Schweickert [FDP]: Einfach nur nachlesen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703101000

Das Wort erhält nun die Bundesministerin Ilse

Aigner.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Land-
wirtschaft und Verbraucherschutz:

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich schließe mich der Meinung des Kollegen
Schwanitz an: Heute ist „ein schöner Tag“. Hier geht es
– Herr Schwanitz, Sie haben es erwähnt – um ein „Ge-
samtkunstwerk“.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich nehme gern stellvertretend für mein ganzes Haus,
für die Haushaltsabteilung, aber auch für die Parlamen-
tarischen Staatssekretäre, den Dank für die gute Zusam-
menarbeit entgegen. Diese ist für meine Begriffe eine
Selbstverständlichkeit; denn der Haushalt ist eines der
Kernstücke der parlamentarischen Tätigkeit. Ich kann
den Dank nur an alle Berichterstatter und den Fachaus-
schuss zurückgeben. Es war wirklich eine sehr gute Zu-
sammenarbeit.





Bundesministerin Ilse Aigner


(A) (C)



(D)(B)

Sehr geehrter Herr Schwanitz, auch ich habe drei
Überschriften, die erwartungsgemäß anders als Ihre lau-
ten; das ist im parlamentarischen Raum die normale Ver-
teilung. Bei uns heißt es: erstens Vertrauen schaffen und
Versprechen halten, zweitens in der Krise helfen, drittens
in die Zukunft investieren.

Beim Thema Vertrauen schaffen gehe ich gerne auf
die mehrfachen Anspielungen betreffend den Verbrau-
cherschutz ein. Sie können sich noch so ärgern; aber wir
haben in diesem Bereich wahnsinnig viel auf den Weg
gebracht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben manchmal vielleicht einen anderen Ansatz als
Sie, wenn es um die Verbraucher geht: Wir wollen die
Verbraucher nicht bevormunden, sondern ihnen helfen,
mündig zu entscheiden. Dazu braucht man Hilfestellun-
gen wie klare, transparente Regeln und Entscheidungs-
hilfen. Da sind wir auf einem sehr guten Weg.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ein konkretes Beispiel, bitte!)


– Wir haben, übrigens noch in unserer gemeinsamen Re-
gierungszeit, ein Beratungsprotokoll auf den Weg ge-
bracht.


(Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ulrich Kelber [SPD]: Mit uns schon!)


– Moment! Ich wollte es nur sagen; denn Sie können
schlecht auf sich selbst schimpfen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Nein! Da haben wir Sie ja auch noch gedrängt!)


Das war nur ein Punkt, einer von mehreren Bausteinen.
Wir haben jetzt, ohne einen Gesetzentwurf auf den Weg
gebracht zu haben, alle Banken dazu gebracht – das är-
gert Sie vielleicht –, einen sogenannten Beipackzettel
vorzulegen.


(Widerspruch bei der SPD – Ulrich Kelber [SPD]: Den soll ein Normalbürger verstehen?)


– Ich weiß, dass Sie das ärgert; aber ich finde, das ist
schon eine reife Leistung.


(Ulrich Kelber [SPD]: Lächerlich!)


– Schauen Sie es sich einfach einmal an! Ich kann Ihnen
garantieren: Auch wir werden uns diese Beipackzettel
genau anschauen. Das ist jetzt sozusagen erst einmal ein
Entwurf.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ich habe auf Ihre Rechtfertigung gewartet! Nichts gefunden! Schon bitter! – Weiterer Zuruf von der SPD: Schrott ist das!)


Wir werden uns das gemeinsam anschauen; ich werde
nicht lockerlassen, bis alle Angaben, die wir uns vorge-
stellt haben, im Beipackzettel auftauchen. Das ist unsere
Aufgabe; da werden wir sehr wachsam sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir wissen sehr wohl, dass das nur eine Etappe sein
wird. Die nächste Aufgabe wird sein, die Finanzauf-
sichtsbehörden zu stärken. Da sind wir gemeinsam mit
den Finanzfachleuten auf einem guten Weg. Übrigens
– vielleicht haben Sie das noch gar nicht gemerkt – hat
der Bundesfinanzminister schon ein Eckpunktepapier zu
diesem Bereich vorgelegt, das wesentliche weitere
Schritte enthält.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ein ganzes Eckpunktepapier!)


Sie sehen also: Wir gehen im Bereich der Verbraucher-
finanzen Schritt für Schritt vor, um hier wieder das Ver-
trauen in diese Branche und auch die Verbraucher selbst
zu stärken.

Wir werden die Lücken auf dem grauen Kapital-
markt schließen. Wir werden die Fragen in Angriff neh-
men: Wie muss sich ein Berater qualifizieren? Wie sieht
es mit der Haftung aus? Das ist wirtschaftlicher Verbrau-
cherschutz; so werden wir Schritt für Schritt vorange-
hen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Aber es geht über die reine Gesetzgebung hinaus. Das
Bewusstsein der Finanzdienstleister dafür, dass der
Kunde König ist und dass sich die Vertriebsstrukturen
und die Anreizsysteme am Blickwinkel des Kunden statt
an internen Abläufen orientieren müssen, kann ich
schließlich nicht gesetzlich verordnen. Aber wir werden
ihnen auf die Finger schauen. Ich glaube, das ist ein we-
sentlicher Punkt: Der Kunde muss im Mittelpunkt ste-
hen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Davor fürchten Sie sich aber!)


– Nein.

Was die Frage angeht, wie wir den Kunden stärken
können, haben wir bei der Stiftung Warentest etwas
umgesetzt, was andere lange versprochen haben.


(Zuruf von der FDP: Das stimmt!)


Wir haben das Stiftungskapital im ersten Schritt – es
kommen noch zwei weitere Tranchen dazu – auf 20 Mil-
lionen Euro aufgestockt. Das haben viele, auch eine Vor-
gängerregierung, versprochen. Sie haben es nicht ge-
schafft. Wir haben es jetzt umgesetzt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Versprochen und gehalten!)


Wir haben auch schon die ersten Schritte in die Wege
geleitet, um gemeinsam mit dem Verbraucherzentrale
Bundesverband eine Stiftung zu gründen und das Stif-
tungskapital zu erhöhen.


(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das dauert aber mindestens 25 Jahre!)


Wir werden auch nicht lockerlassen, in diesem Bereich
weiter voranzugehen.





Bundesministerin Ilse Aigner


(A) (C)



(D)(B)


(Ulrich Kelber [SPD]: Nur die entsprechenden Anträge abgelehnt!)


Ein weiterer Punkt ist die Hilfe in der Krise. Um es
noch einmal klarzumachen: Das Sonderprogramm für
die Landwirtschaft wurde nicht durch irgendwelche Um-
schichtungen finanziert, lieber Kollege Bonde, sondern
es sind 750 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt wor-
den. Ein Programm in dieser Größenordnung hat es noch
nie gegeben. Wir haben das im Koalitionsvertrag ver-
sprochen, und wir haben es jetzt auch sehr schnell umge-
setzt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Die Erhöhung für die GAK war auch versprochen!)


Das Programm heißt Grünlandmilchprogramm.
Die Schwerpunkte liegen auf Grünland


(Ulrich Kelber [SPD]: Beim Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist es auch nicht das Wachstum!)


und Milch. Das sind die beiden Komponenten.


(Zuruf des Abg. Rolf Schwanitz [SPD])


– Übrigens, Herr Schwanitz, wenn Sie schon auf Bayern
abzielen: Bayern liegt nicht im Südwesten; dort liegt Ba-
den-Württemberg.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Aber hier geht es um das Grünlandmilchprogramm. Wir
haben es so schnell und effektiv umgesetzt, wie es unter
europarechtlichen Gegebenheiten möglich ist. Das war
eine reife Leistung. Dafür kann ich meinem Haus einen
großen Dank aussprechen. In drei Wochen ein solches
Programm auf die Beine zu stellen, ist eine riesige Leis-
tung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso in drei Wochen?)


Die Verlässlichkeit kommt bei den Bauern sehr wohl
an. Die Erhöhung des Zuschusses zur landwirtschaftli-
chen Unfallversicherung war für alle Landwirtinnen
und Landwirte ein ganz zentraler und entscheidender
Punkt, der schnell und effektiv umgesetzt wurde. Die
Bescheide sind verschickt worden. Bei mir ist große
Dankbarkeit dafür angekommen, dass wir nicht nur et-
was versprochen, sondern es auch gehalten haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Rolf Schwanitz [SPD]: Für Bayern!)


Ein weiterer wichtiger Baustein war das Liquiditäts-
hilfeprogramm. Ich bin froh, dass wir uns wenigstens in
diesem Punkt einig sind. Wie nötig es war und ist, zeigt
der Abruf. Start des Antragsverfahrens war am 1. März.
Schon am 9. März mussten wir es wegen der enormen
Nachfrage schließen. Wir bräuchten noch viel mehr Geld
dafür. Es zeigt sich aber, wie wichtig es war, die Mittel
in diesem Bereich einzusetzen. Deshalb werden wir uns
gemeinsam mit den Haushältern damit befassen müssen,
wie wir das Programm möglichst schnell und effektiv
umsetzen können.

Insgesamt ist festzustellen, dass die Maßnahmen grei-
fen. Sie werden zügig und unbürokratisch umgesetzt.
Wir unterstützen die Betriebe in einer Situation, in der
sie diese Unterstützung dringend brauchen.

Der nächste Punkt sind die Investitionen in die Zu-
kunft. Georg Schirmbeck hat die Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschut-
zes“ angesprochen. Ich war unter Rot-Grün Haushalts-
sprecherin in diesem Bereich. Wissen Sie, wie hoch der
Ansatz damals war? Es waren 615 Millionen Euro. Des-
halb muss ich mir von Ihnen nicht sagen lassen, dass un-
ser Ansatz jetzt zu niedrig ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Um das Ganze noch einmal zusammenzufassen: Sie
haben einen Finanzierungsvorschlag gemacht, die Ver-
stärkungsmittel für andere Zwecke zu verwenden. Wir
haben sie für die Gemeinschaftsaufgabe vorgesehen. Ihr
Vorschlag hätte zu dem geführt, was wir jetzt aufgrund
der haushaltspolitischen Rahmenbedingungen machen
müssen.


(Dr. Martin Schwanholz [SPD]: Sie haben den Plafond und die Verpflichtungsermächtigungen gesenkt!)


Schauen Sie ganz genau hin. Wir haben die Verstär-
kungsmittel für die Stärkung der Gemeinschaftsaufgabe
vorgesehen. Das ist jetzt Fachchinesisch der Haushälter,
aber das muss an dieser Stelle deutlich gesagt werden.
Ich bedanke mich, dass wir die Mittel für diese Gemein-
schaftsaufgabe verstetigen konnten. Gemeinsam mit den
Haushältern der christlich-liberalen Koalition war das
eine hervorragende Zusammenarbeit. Herzlichen Dank
dafür.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe; dabei bleibe ich.
Natürlich bin ich über alle Erhöhungen der Mittel für die
Gemeinschaftsaufgabe froh. Darüber freue ich mich im-
mer. Auf alle Fälle ist das ein wichtiger Punkt – auch da
sind wir uns Gott sei Dank einig – zur Stärkung der länd-
lichen Räume, aber auch für die Finanzierung eines akti-
ven Beitrags im Bereich von Klimaschutz, Artenvielfalt,
Ressourcenschutz und auch von Stärkung der Wettbe-
werbsfähigkeit. Ich halte das nach wie vor für eines der
zentralen Programme. Deshalb werden wir darauf wei-
terhin unser Augenmerk legen.

Wichtig für die ländlichen Räume ist, nebenbei be-
merkt, auch die Breitbandverkabelung. Für dieses Jahr
stehen dafür 25 Millionen Euro zur Verfügung. Ich hoffe
und gehe davon aus, dass die Länder und Kommunen
diese Mittel auch abrufen. Gerade im Bereich der ländli-
chen Entwicklung müssen wir die Schwerpunkte setzen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Aber zur Zukunftsfähigkeit möchte ich noch eines
sagen: Natürlich hat Zukunftsfähigkeit auch damit zu





Bundesministerin Ilse Aigner


(A) (C)



(D)(B)

tun, dass man Produkte verkauft. Das kann man nur,
wenn sie eine gute Qualität haben. Mit Verlaub: Das gilt
im Inland wie im Ausland. Deshalb halte ich es nicht für
ehrenrührig, dass man landwirtschaftliche Produkte aus
Deutschland weltweit exportiert und für ihre hervorra-
gende Qualität wirbt. Das halte ich für einen richtigen
Ansatz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es ist doch auch eine Frage der Verlässlichkeit, wenn
wir in schwierigen Zeiten, in denen der Absatzförder-
fonds aus Gründen, die wir heute nicht mehr erörtern
müssen, zusammengebrochen ist, für eine Übergangs-
phase unterstützend tätig sind. Deshalb ist es wichtig ge-
wesen, auch in diesem Bereich einen kleinen Schwer-
punkt zu setzen und zu sagen: Es ist uns wichtig, dass
die guten Produkte auch international vertrieben werden
können. Das ist meines Erachtens eine Selbstverständ-
lichkeit.

Nicht zuletzt – auch das möchte ich am Schluss noch
sagen – geht es um Zukunftsinvestitionen im Bereich der
Forschung. Ich sage mit großem Stolz: Unser Ministe-
rium hat eine sehr große Ressortforschungseinrichtung.
Aber dieser Bereich ist nicht nur groß, nämlich der viert-
größte, sondern auch gut. Das ist das Entscheidende. Ich
habe mich gestern mit den Spitzen der Forschungscom-
munity getroffen. Dabei wurde uns bestätigt, dass unsere
Ressortforschungseinrichtung qualitativ auf einem sehr
hohen Niveau ist. Dass wir in den Neubau des Friedrich-
Loeffler-Instituts auf der Insel Riems investieren, näm-
lich 300 Millionen Euro, ist ein hervorragendes Zeichen,
nicht nur für die Forschung, sondern, mit Verlaub, auch
für die Region. Es ist richtig, hier einen Schwerpunkt zu
setzen. Das war eine ausgezeichnete Entscheidung. Ich
freue mich, dass wir den Neubau dieses Jahr einweihen
können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Die christlich-liberale Regierung, die Koalition, hat
hier die richtigen Weichenstellungen vorgenommen. Wir
sind auf einem guten Weg. Er führt in die Zukunft. Ich
kann immer nur sagen: Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft sind Zukunftsthemen. Wir werden
sie gemeinsam gestalten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703101100

Ulrich Kelber ist der nächste Redner für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Ulrich Kelber (SPD):
Rede ID: ID1703101200

Attackiert, befürchtet, bemängelt, drängt, fordert, gibt

zu bedenken, hinterfragt, ist verärgert, kritisiert, kündigt
an, lehnt ab, macht Druck, regt an, schimpft über, schlägt
vor, verlangt, verspricht, will, sollte, müsste, könnte –
dieser Überblick, Frau Ministerin Aigner, über die wun-
derbare Vielfalt unserer schönen deutschen Sprache
stammt aus Ihren Medienauftritten der letzten drei Wo-
chen.

Kein Notizblick, kein Mikrofon, keine Kamera ist vor
Ihnen sicher.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sie sind doch nicht frauenfeindlich, oder?)


Allerdings vermisse ich die entscheidenden Sätze, für
die Sie gewählt wurden und für die Sie bezahlt werden
– wir können gemeinsam üben –: Ich habe einen Ge-
setzentwurf vorgelegt. Ich habe durchgesetzt. Ich habe
erreicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Erik Schweickert [FDP]: Sie nicht!)


Dafür sind Sie gewählt worden. Dafür werden Sie be-
zahlt. Innerhalb dieser Nichtregierungsorganisation, die
auf den Plätzen der Bundesregierung Platz genommen
hat, sollten Sie eigentlich die Ministerin für Verbrau-
cherschutz sein. Sie sind eine tatenlose Ankündigungs-
ministerin.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Bleser von der CDU, wenn man einen
solchen Vorwurf macht, muss man ihn belegen; das ist
mir klar, das tue ich gerne. Lassen Sie uns über die Untä-
tigkeit von Frau Aigner und ihre Nebelkerzen bei der Fi-
nanzierung des Verbraucherschutzes reden. Schauen
wir auf die Zögerlichkeit beim Kampf gegen Gebühren
an Geldautomaten, über die sich sogar der Koalitions-
partner zu Recht aufregt.

Aufmerksamkeit verdient auch die Totalverweigerung
der Ministerin beim Verbraucherschutz im Finanzsektor.
Der Kampf gegen falsche Lebensmittelkennzeichnung
findet im Wesentlichen in den Medien statt. Bei den Ver-
braucherrechten im Gesundheitssektor ist die Ministerin
ein Totalausfall, ausnahmsweise auch medial. Beim Da-
tenschutz stürzt sie sich auf die öffentlich leicht erklär-
baren Vorgänge, obwohl Verbraucherschutzverbände
und Datenschutzbeauftragter bei anderen Themen weit
mehr Handlungsbedarf sehen als bei Google Street View.
Krönender Abschluss ist: In Bayern ist die CSU-Politi-
kern Aigner gegen Gentechnik. In Berlin fährt sie als
Ministerin einen Zickzackkurs, und in Brüssel unter-
stützt sie unbeirrt die Gentechniklobby.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Erik Schweickert [FDP]: Was ist eure Position?)


Erstes Beispiel, die Finanzierung des Verbraucher-
schutzes. Am Tag vor Heiligabend erklärt die Ministerin
lauthals: Wir geben der Stiftung Warentest einmalig ei-
nen Zuschuss in Höhe von 50 Millionen Euro. – Nicht
erwähnt wird, dass man den jährlichen Zuschuss um
2,5 Millionen Euro kürzt. In den Haushaltsberatungen





Ulrich Kelber


(A) (C)



(D)(B)

gibt das Ministerium dann zu: Ja, es kommt plus/minus
null heraus, wenn die Stiftung jährlich 5 Prozent Gewinn
plus Inflationsausgleich erwirtschaftet. – Alle Experten
sagen, dass das völlig unrealistisch ist. In Wirklichkeit
wird es bereits 2011 eine reale Kürzung geben. 2012
fehlt der Stiftung Warentest ein Betrag in Millionenhöhe.

Ich habe noch gut im Ohr, wie die Ministerin Ende
2009 gesagt hat: Die Bußgelder aus den Kartellrechts-
verfahren verwenden wir für die Finanzierung des Ver-
braucherschutzes. – Die SPD hat die Probe aufs Exem-
pel gemacht und genau das in den Haushaltsberatungen
beantragt. Das wurde von Schwarz-Gelb wie erwartet
abgelehnt. Nun muss ich Sie fragen: Frau Ministerin, ha-
ben Sie sich nicht durchsetzen können, oder waren Ihre
Ankündigungen wertlos?

Zweites Beispiel, der Verbraucherschutz im Fi-
nanzsektor. Sie haben zu Recht erwähnt, was die Große
Koalition gemacht hat. Ich frage mich aber, was danach
passiert ist. Wir haben damals die Dokumentations-
pflicht bei der Kundenberatung und die Verlängerung
der Verjährungsfrist bei Falschberatung gegen anfängli-
chen Widerstand von CDU/CSU durchsetzen können.
Alles andere durfte aufgrund des Widerstands der CDU/
CSU nur als Prüfungsauftrag beschlossen werden. Was
ist daraus geworden? Im Zwei-Wochen-Rhythmus kün-
digt die Ministerin Gesetzentwürfe an. Sie legt aber
keine vor. Aus Verzweiflung schmücken Sie sich jetzt
mit Informationsblättern, die aufgrund von EU-Vorgaben
sowieso bald notwendig sind. Weil Sie kein Gesetz be-
schlossen haben, hat jede Bank ein eigenes Informations-
system entwickelt. Einige dieser unterschiedlichen In-
formationssysteme sind nach wie vor so unverständlich,
dass sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern keinen
Vorteil bringen werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])


Drittes Beispiel, die irreführenden Lebensmittel-
kennzeichnungen. Das ist ein besonders trauriges Kapi-
tel. Das Ministerium von Frau Aigner selbst hat eine
Umfrage bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern
gemacht, welche Form der Kennzeichnung wichtiger In-
haltsstoffe sie sich wünschen. Über 80 Prozent sagen:
Ich bevorzuge eine farbliche Kennzeichnung nach dem
Ampelprinzip; ich verstehe sie und halte sie für erfolg-
bringend. – Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die das
Ministerium von Frau Aigner selbst durchgeführt hat.
Die Ministerin hält aber der Lebensmittelkonzernlobby
die Treue und verhandelt in Brüssel dagegen. CDU/
CSU- und FDP-Abgeordnete des Europaparlaments ver-
suchen, die Ampelfarbenkennzeichnung zu Fall zu brin-
gen.


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Weil es richtig ist!)


Bei Imitatkäse und -schinken brauchten Sie fast ein
Jahr, um es in Brüssel zur Sprache zu bringen. Dabei
hatte Frau Aigner hier doch Unterstützung durch das me-
diale Dauerfeuer Ihrer neuen Staatssekretärin Klöckner,
die versucht, Frau Aigner den Rang als tatenlose Ankün-
digungsweltmeisterin streitig zu machen. Sie haben ein
Jahr gebraucht, nicht um es zu regeln, sondern um es zur
Sprache zu bringen.

Auch bei einer anderen Sache warten wir seit einem
Jahr auf eine nationale Regelung, die Sie schon längst
hätten auf den Weg bringen können. In den Regalen der
Supermärkte steht Milch als Frischmilch, obwohl es sich
gar nicht um Frischmilch handelt. Vor einem Jahr haben
Sie gesagt: Das wollen wir verhindern. Wir können das
national regeln. – Bis heute ist nichts passiert.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Peter Bleser [CDU/CSU]: Sie ist gekennzeichnet!)


Viertes Beispiel, die überhöhten Gebühren an Bank-
automaten. Frau Ministerin, Sie haben diese Gebühren
zu Recht kritisiert. Die Frage ist aber: Was tun Sie? Ges-
tern hat sich Herr Goldmann von der FDP, Ihrem Koali-
tionspartner, öffentlich über die „Zögerlichkeit“ der Mi-
nisterin beschwert. Die Rache erfolgte sofort. Herr
Schirmbeck hat ja gesagt: Wer uns kritisiert, muss damit
rechnen, dass wir ihn auseinandernehmen. – Herrn
Goldmann ist das gestern passiert. CDU/CSU und das
Ministerium haben nach seiner Äußerung das Fachge-
spräch des Verbraucherausschusses boykottiert. Peinli-
cher geht es nicht mehr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Einer Opposition fällt das politische Leben sicherlich
leichter, wenn eine Regierung ablehnt, zu regieren. Für
das Land ist das nicht ganz so gut. Die Verbraucherinnen
und Verbraucher brauchen Taten im Verbraucherschutz
und keine folgenlosen Ankündigungen. Setzen Sie nicht
auf die Vergesslichkeit, Frau Ministerin! Die SPD hat in
dieser Woche die erste Ausgabe des Schwarzbuches Ilse
Aigner vorgelegt. Wir werden es regelmäßig aktualisie-
ren und Ihre Versprechen und Ankündigungen prüfen.
Ich glaube, die Verbraucherinnen und Verbraucher haben
ein Recht: dass die Ministerin den Fachabteilungen ihres
Ministeriums endlich die gleiche Zeit widmet wie dem
Pressestab und den Imageberatern.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703101300

Der Kollege Hans-Michael Goldmann spricht jetzt für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1703101400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebes Geburtstags-

kind! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann noch
so viel drum herumreden: Es ist ein Superhaushalt, den
wir hier heute verabschieden. Es sind sehr starke Säulen





Hans-Michael Goldmann


(A) (C)



(D)(B)

darin, die die Landwirtschaft braucht. Ich nenne zum
Beispiel die soziale Säule. Andere träumen davon, dass
im Haushalt 750 Millionen Euro bereitgestellt werden,
um Schwächen des einen oder anderen landwirtschaftli-
chen Betriebs, zum Beispiel eines Milchviehbetriebs,
aufzufangen. Wenn mir einer damals gesagt hätte, dass
wir aus dem Gespräch mit Frau Aigner – es war 10 Uhr
abends im Büro von Frau Aigner –


(Zurufe von der SPD: Oh! – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Darauf musst du gar nicht hinweisen!)


mit 750 Millionen Euro herausgehen – auch Herr Ripke
war dabei –, dann hätte ich gesagt: Du träumst. Wir ha-
ben die Summe zum Beispiel für die Unfallversicherung
verwendet. Das ist eine Supersache, gerade für die Fami-
lienbetriebe. Wir haben ein Kredithilfeprogramm aufge-
legt, und wir haben etwas für die Grünlandbetriebe ge-
macht. Liebe Freunde, lassen Sie uns doch aufhören mit
Nord und Süd, Ost und West, Groß und Klein. Das ist al-
les Kappes. Es geht darum, dass wir die landwirtschaftli-
che Struktur in Deutschland insgesamt erhalten, dass wir
eine solide Basis haben, um uns den wirklichen Zu-
kunftsaufgaben zuzuwenden, die in einem Maß auf uns
zurauschen, dass wir im nächsten Jahr noch unser blaues
Wunder erleben werden. Wenn es darum geht, zum Bei-
spiel die Mittel für unsere ländlichen Räume auf der eu-
ropäischen Arbeitsebene zu erkämpfen, dann müssen
wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Deswegen soll-
ten wir heute den Haushalt nicht zerreden, sondern wir
sollten ihn mit Freuden zur Kenntnis nehmen. Er setzt
genau die richtigen Akzente: eine starke Säule für die
Landwirtschaft, eine starke Säule für den ländlichen
Raum, eine starke Säule für Familienbetriebe, die nach-
haltig wirtschaften.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lassen Sie mich noch etwas zur Ampelkennzeich-
nung sagen. Ich glaube, Sie, Herr Kelber, kommen aus
Bonn. Mit Haribo haben Sie es vielleicht nicht so, da Sie
Haribo als Lebensmittelkonzernlobby bezeichnen. Das
mag Ihre Einschätzung sein, aber Sie wissen genau, dass
die Lebensmittelwirtschaft klassisch mittelständisch
strukturiert ist.


(Ulrich Kelber [SPD]: Nestlé, Coca-Cola: die kleinen Mittelständler!)


Da muss man sich fragen, ob man den Mut zur Fachlich-
keit hat oder ob man Botschaften hinterherläuft. Ich sage
Ihnen, Herr Kelber: An dieser Stelle muss man den Mut
zur Fachlichkeit haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]:Wir zwingen die Bevölkerung in die Fachlichkeit!)


– Herr Kelber, Sie brüllen immer so. Überlassen Sie das
mir. Ich habe das Mikro.


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Wer schreit, hat nicht immer recht!)

Sie sind doch nicht ernsthaft davon überzeugt, dass eine
Ampelkennzeichnung – rot, gelb, grün –, bei der Coca-
Cola mit drei grünen Punkten und einem roten Punkt er-
scheinen würde, die Qualitätsantwort auf die Interessen
der Verbraucher ist, denen es darum geht, zu wissen, was
wirklich in den Produkten ist. Sie können doch nicht
ernsthaft behaupten, dass das etwas Gutes ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Was sagen Sie zur Verbraucherbefragung?)


Sie wissen, dass die Kennzeichnung, die jetzt auf euro-
päischer Ebene auf den Weg gebracht wird, Inhalts-
stoffe, auch allergene Inhaltsstoffe umfasst und die Qua-
lität eines Produktes zum Ausdruck bringt. Damit sind
wir genau auf dem richtigen Weg. Wir müssen dem Bür-
ger keine Lösungen vorgaukeln


(Ulrich Kelber [SPD]: Deshalb sind alle Verbraucherverbände anderer Meinung als Sie!)


– ganz ruhig, Herr Kelber –, wir müssen für den Bürger
Lösungen entwickeln. Sie müssen schlicht und ergrei-
fend Ihre Meinung korrigieren.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Lobbyistensprachrohr!)


Nun will ich etwas zu den Bankgebühren sagen.
Schauen Sie in die Pressemitteilung, dann werden Sie
feststellen, dass der Journalist meinte, feststellen zu
müssen, dass die Vorgehensweise von Frau Ministerin in
diesem Punkt zögerlich ist. Ich habe einen ganz anderen
Ansatz. Ich führe solche Fachgespräche als Ausschuss-
vorsitzender mit Unterstützung der Kolleginnen und
Kollegen aus dem Ausschuss – wenigstens ist das die
Regel –, um uns für ein schwieriges Thema zu konditio-
nieren.

Ich freue mich, dass meiner Einladung zehn Cracks
aus der Bankwirtschaft sowie aus dem Verbraucher-
schutzbereich und den Gewerkschaften gefolgt sind und
uns informiert haben. Wir sollten den richtigen Weg des
Miteinanders praktizieren. Frau Aigner, ich werde Ihnen
das Protokoll des gestrigen Gesprächs zuleiten; denn es
sind sehr viele gute Anregungen gekommen.

Ich habe kein Verständnis dafür, dass die CDU/CSU
aus Termingründen abgesagt hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


So sollte mit dem Ausschuss und dem Ausschussvor-
sitzenden nicht umgegangen werden. Das schadet unse-
rer Arbeit im Ausschuss. Ich mache manchmal Fehler;
aber andere machen auch Fehler. Wir sollten an einem
Strang ziehen und die Dinge gemeinsam voranbringen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Herr Kelber, ich will noch etwas zu Ihrem Schwarz-
buch sagen: Das ist doch wohl der größte Witz des Jahr-
hunderts. Nach zig Jahren Regierungsverantwortung
kommen Sie vier Wochen nach Beginn der gemeinsa-
men parlamentarischen Arbeit mit einem Schwarzbuch.





Hans-Michael Goldmann


(A) (C)



(D)(B)

In diesem Buch bringen Sie zum Ausdruck, dass Ver-
braucherpolitik in Ihrer Zeit dunkel und schwarz war.
Unsere ist christlich-liberal. Wir machen eine zukunfts-
orientierte Politik, die wir weiterhin konsequent betrei-
ben werden.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703101500

Das Wort erhält nun die Kollegin Caren Lay für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Caren Lay (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703101600

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Es ist wohl dem Weltverbrauchertag zu ver-
danken, dass wir heute zur Kernzeit zum Thema Ver-
braucherpolitik sprechen können. Den Rest der Zeit
bleibt die Verbraucherpolitik für die Bundesregierung
eher eine Nebensache; dieses Thema wird gern in die
Abend- und Nachtstunden verbannt. Wir haben zwar eine
Verbraucherministerin, die immer häufiger in Funk und
Fernsehen überaus markige Forderungen verkauft – das
hat heute mehrfach eine Rolle gespielt –,


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Eine aparte Frau! Die hat etwas zu sagen!)


so häufig, dass man leider immer wieder vergisst, dass
Ihr Ministerium in den wesentlichen Punkten gar nichts
zu entscheiden hat, sondern bestenfalls mitsprechen
darf; aber egal ob es um den finanziellen, um den wirt-
schaftlichen oder um den digitalen Verbraucherschutz
geht, um Fahrgast- oder Patientenrechte: Zuständig für
die harten Fakten sind immer die anderen Ministerien.
Verbraucherinnen und Verbraucher bleiben so die Rand-
figuren der Regierungspolitik.


(Beifall bei der LINKEN)


Das schlägt sich auch im Haushalt nieder. Frau
Aigner, Ihre PR in eigener Sache steht in keinem Verhält-
nis zu den Zahlen und Fakten Ihres Haushaltsentwurfs.
Schauen wir uns die Zahlen einmal an: Von Ihrem Ge-
samtetat von fast 6 Milliarden Euro planen Sie für ver-
braucherpolitische Maßnahmen gerade einmal 2,5 Pro-
zent ein; das sind 148 Millionen Euro. Das steht in
keinem Verhältnis zu den anderen Aufgaben Ihres
Ministeriums.

Noch deutlicher wird die untergeordnete Stellung ver-
braucherpolitischer Maßnahmen durch einen Vergleich
mit dem Etat des Wirtschaftsministers Brüderle, der
hauptsächlich für die unternehmerische Seite der Märkte
verantwortlich zeichnet. Wirtschaftsminister Brüderle
kann dieses Jahr allein 230 Millionen Euro, also deutlich
mehr Mittel, als für den Verbraucherschutz zur Verfü-
gung stehen, für das Nationale Weltraumprogramm aus-
geben. Es ist schön und sicherlich überaus zeitgemäß,
dass die Bundesregierung in die bemannte Raumfahrt in-
vestiert; aber mit dem unterirdischen Stellenwert, den
die Verbraucherpolitik für sie hat, können wir uns als
Linke nicht zufriedengeben.

(Beifall bei der LINKEN)


Wir sagen: Verbraucherpolitik darf nicht länger eine Ne-
benrolle spielen.

Die Finanzkrise hat es gezeigt: Verbraucherinnen und
Verbraucher sind den windigen Geschäftspraktiken der
Banken ausgeliefert. Da ist es unsere Verantwortung als
Politikerinnen und Politiker, die Märkte verbraucherge-
recht zu regulieren. Wir können diese Verantwortung
nicht einfach auf die Menschen abwälzen.


(Beifall bei der LINKEN)


Es gibt sehr viele Vorschläge, wie das geschehen soll,
beispielsweise die Einrichtung eines Marktwächters wie
in Großbritannien oder einer Behörde für finanziellen
Verbraucherschutz, wie in den USA geplant. Nichts von
alledem finden wir in Ihrem Haushalt. Sie können sich
nicht länger davor drücken, Verbraucherinnen und Ver-
braucher vor betrügerischen Praktiken von Unternehmen
zu schützen. Mit freiwilligen Infoblättern ist es hier nicht
getan.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich freue mich sehr, dass Verbraucherministerin
Aigner immer häufiger die Zusammenarbeit mit den
Verbraucherzentralen sucht – das ist gut und schön –;
aber es kann nicht sein, dass eine Bundesregierung im-
mer stärker auf den Sachverstand und den Service von
Verbraucherschutzorganisationen zurückgreift, ohne
ihnen gleichzeitig auch nur einen einzigen Cent mehr zur
Verfügung zu stellen.


(Beifall bei der LINKEN)


Allein mit der Anschubfinanzierung für die Verbraucher-
stiftung ist es hier sicherlich nicht getan. Das ist nichts
anderes als eine Auslagerung des Problems, zumal man
jetzt noch nicht einmal alle Gelder, die tatsächlich zur
Verfügung gestanden hätten, zur Verfügung stellt.

Wir Linke fordern mehr Geld für die Arbeit der Ver-
braucherorganisationen, insbesondere für den Bereich
finanzielle Verbraucherberatung. Wir erinnern uns:
Innerhalb von nur wenigen Tagen war es der Bundesre-
gierung in der Krise möglich, einen Schutzschirm für
Banken im Umfang von 470 Milliarden Euro zu span-
nen. Dagegen sind die 10 Millionen Euro, die wir heute
für die Verbesserung der finanziellen Verbraucherbera-
tung beantragen, doch wirklich ein Klacks.


(Beifall bei der LINKEN)


Wer Banken aus der selbstverschuldeten Krise retten
kann, der kann und darf beim Schutz der Verbraucherin-
nen und Verbraucher nicht sparen.

Auch an anderer Stelle wäre mehr Geld für die Ver-
besserung des Verbraucherschutzes notwendig gewesen:
zur Verbesserung der Forschung, für notwendige Auf-
klärungsarbeit, für ein Siegel „Ohne Gentechnik“, für
eine Ampelkennzeichnung oder für Modellprojekte, die
sich vielleicht auch einmal an einkommensschwache
Haushalte richten. An all diesen Stellen wird gespart.
Hierfür ist kein Geld vorhanden.





Caren Lay


(A) (C)



(D)(B)

Wir Linke wären offen gewesen für die Erschließung
alternativer Einnahmequellen. Es könnten sich ja auch
einmal die Unternehmerinnen und Unternehmer an der
Finanzierung des Verbraucherschutzes beteiligen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn man bedenkt, wie viele Beratungen die Verbrau-
cherzentralen machen müssen, um die Verbraucher al-
lein über Fallen im Bereich Internet und Telekommuni-
kation aufzuklären, wäre das nicht zu viel verlangt
gewesen.

Verbraucherschutz ist eine öffentliche Aufgabe, ist
eine notwendige Aufgabe. Wer hier spart, der spart an
der falschen Stelle.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703101700

Ulrike Höfken ist die nächste Rednerin für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703101800

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr

geehrte Kollegen! Die Dankbarkeit, die empfunden wer-
den soll, Herr Schirmbeck, weil mehr Geld im Haushalt
ist als zu Zeiten von Frau Künast, beschränkt sich wohl
auf diejenigen, die profitieren, ist also die Dankbarkeit
der Funktionäre, aber ganz gewiss nicht die des Volkes.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Mein Volk war mit mir immer zufrieden! Das können Sie nachlesen!)


Ganz ernsthaft: Wenn Sie Drohungen gegen die Öko-
landwirtschaft ausstoßen und fordern, dass sie für die
Almosen, die sie bekommt, auch noch auf die Knie fal-
len soll, mag das Ihren Vorstellungen von der gekauften
Republik entsprechen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hallo! Gnädige Frau, wollen Sie die Bauern beleidigen?)


In diesem Haushalt findet sich kein roter Faden und
erst recht kein grüner Faden, sondern Schwarz-Gelb be-
treibt eine aggressive Industrialisierung, eine massive
Exportorientierung und eine Förderung der Agrogen-
technik, und zwar zulasten von Verbrauchern, Arbeit-
nehmern, Mittelstand und Steuerzahlern, von Umwelt
und Klima. Mit Markt hat das nichts zu tun. Da ist so
viel Markt drin wie früher in der DDR.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hallo! Sagen Sie einmal, Frau Höfken!)


Fünf Beispiele:

Erstens. Das 750-Millionen-Euro-Milchpaket, worü-
ber ja schon viel gesagt wurde, ist ein verantwortungs-
loser Umgang mit Steuermitteln, weil Sie nämlich nicht
an die Ursachen der Misere herangehen. Im Bereich des
Milchmarktes wären vernünftige Marktanpassungsins-
trumente nötig. Sie aber wollen bewusst Überschüsse
herbeiführen und tun das politisch auch. Das hat nichts
mit Markt zu tun. Wie groß die Not ist, das sieht man an
dem entsprechenden Programm der Rentenbank: Die
vorgesehenen Liquiditätsmittel waren innerhalb von
16 Stunden weg. Das war ein unwirksames Programm
zulasten der Milchbetriebe genauso wie der Steuerzah-
ler.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zweitens, das Thema Exportförderung. Wunderbar,
sie wäre – das hat der Kollege Bonde ja geschildert –
fast noch zulasten der paar Forschungsmittel für den
Ökolandbau gegangen. Auf Vieh- und Fleischtagen wird
der Entwicklung der Exportraten gehuldigt. Zugleich
bringen es die Referenten des Bauernverbandes fertig,
kein einziges Wort zur Einkommenssituation zu sagen,
die sich gleichzeitig verschlechtert. Sie betreiben eine
aggressive Exportpolitik. Zu Recht sagen andere euro-
päische Länder wie auch Drittstaaten, dass das zu ihren
Lasten geht.


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Deutschland lebt vom Export!)


Das verharmlost Herr Schäuble mit dem Fußballbeispiel.
Ich finde, eine solche Politik ist international nicht trag-
bar.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Drittens, die Agrogentechnik. 9,5 Millionen Euro
mindestens sind dafür im Haushalt veranschlagt. Das ist
deutlich mehr, als für den Ökolandbau vorgesehen ist,
und das, obwohl dieser Bereich durch die Verunreini-
gungen einen ungeheuren wirtschaftlichen Schaden an-
richtet, der in die Milliarden geht, obwohl er von den
Verbrauchern und vom Markt nicht gewollt ist, obwohl
er keine Erfolge auf der technischen Ebene zeigt. Mit der
Amflora-Kartoffel wurde ein Kniefall vor der BASF ge-
macht, und es ist ein veraltetes Produkt; das sagt sogar
Sonnleitner. Dafür geben Sie Geld aus.

Viertens, zum Bereich Ernährung. Die Ministerin
sagt, die Verpflegung an Kitas und Schulen solle deut-
lich verbessert werden. Aber: Es gibt unwürdige Ver-
schiebebahnhöfe zwischen Bund und Ländern zulasten
der Länder, zum Beispiel bei Schulobst. Wir Grüne for-
dern ein Bund-Länder-Programm. Sie haben die Verant-
wortung angesichts der 100 Milliarden Euro Kosten für
ernährungsbedingte Krankheiten, aber auch angesichts
der Situation von Kindern und Jugendlichen, die schon
im Vorschulalter an Diabetes und Herzkrankheiten er-
kranken. Ich finde es fahrlässig, das lächerlich zu ma-
chen, indem Sie einfach sagen, die Kinder sollten sich
ein bisschen mehr bewegen, Herr Schirmbeck. Es ist die
Verantwortung der Politik, eine vernünftige, flächende-
ckende Kindergarten- und Schulernährung zu entwi-
ckeln und zu garantieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Fünftens, zur Verbraucherpolitik. Es gab Ankündi-
gungen zu verschiedenen Punkten: ESL-Milch-Kenn-
zeichnung, „Ohne Gentechnik“-Programme, Google Street
View, Süßigkeiten an der Kasse. Dann haben Sie, Frau





Ulrike Höfken


(A) (C)



(D)(B)

Ministerin, von den schönen Beipackzetteln der Banken
gesprochen. Wir konnten ja am Weltverbrauchertag erle-
ben, wie diese vom Verbraucherzentrale Bundesverband
in den Schredder gepackt wurden, und zwar völlig zu
Recht. Wir brauchen keine „Wächterin“, als die Sie sich
in den Zeitungen bezeichnet haben – Sie sind auch leider
keine Marktwächterin, sondern Ihre Politik ist eine Politik
der Nachtwächter –,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


sondern wir brauchen eine Politik, die sich an den neuen
Herausforderungen orientiert: Klimaschutz, umwelt-
und tiergerechte Erzeugung, eine gute Ernährung für die
Bevölkerung, Ernährungssicherheit, besonders für die
Kinder und Jugendlichen, ein vernünftiges Einkommen
auch auf dem Land, eine gute Energie- und Klimapolitik
und eine moderne Verbraucherpolitik. Dafür stehen wir
Grüne, und dafür werden wir auch weiter kämpfen.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703101900

Ich erteile das Wort dem Kollegen Peter Bleser für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1703102000

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Es wurde hier ja in sehr vielen Details herumge-
wühlt,


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Wir haben was Inhaltliches zu sagen!)


allerdings eher unkoordiniert in Richtung Verwirrung als
koordiniert in Richtung höhere Transparenz.

Ich will noch einmal unsere Linie aufzeigen,


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das wäre schön!)


damit Sie wissen, wohin wir wollen und mit welchen In-
strumenten wir unsere Ziele verfolgen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Und wann Sie sie einsetzen wollen!)


Wir haben schon in den Koalitionsverhandlungen zwei
wichtige Grundsätze festgelegt: Erstens soll unsere Poli-
tik auf eine wettbewerbsorientierte Landwirtschaft
ausgerichtet sein, und zweitens sollen neue, innovative
Technologien auf wissenschaftlicher Basis bewertet wer-
den.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Nur mit diesen Grundsätzen wird man das Verständnis
der Bevölkerung erreichen und die Grundlage für Hilfen
für zusätzliche Leistungen im Umweltschutz, im Tier-
schutz und beim Erhalt der Kulturlandschaft schaffen
können.

Diese Linie fahren wir im Grunde genommen schon
seit dem Regierungswechsel 2005 konsequent. Wir ha-
ben damals mit dem Ende der rot-grünen Politik die He-
bel umgelegt, eine neue Richtung eingeschlagen und
entlang der genannten Linie Politik gemacht.

Wenn heute hier die minimalen Verpflichtungser-
mächtigungen und die damit verbundenen Einschrän-
kungen im Agrarhaushalt kritisiert werden, dann muss
man noch einmal daran erinnern, woher wir kommen.
Unter Frau Künast gab es ständig Steinbrüche im Agrar-
haushalt, von der Agrardieselvergütung bis hin zur Re-
duzierung der Mittel für die GAK.

Wir gehen den umgekehrten Weg. Wir haben in den
letzten Jahren die investiven Mittel erhöht.


(Ulrich Kelber [SPD]: Und jetzt reduziert!)


Wir haben die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Das
Milchprogramm, das vorhin genannt worden ist, dient
ebenfalls dazu, uns im Wettbewerb zu halten. Es gibt
dazu eine einfache Zahl: Trotz der schweren Krise in der
deutschen Milchwirtschaft und trotz miserabler Preise
haben die deutschen Milcherzeuger ihre Produktion um
2,8 Prozent gesteigert.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es hilft keinem! – Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und das Einkommen?)


Die Franzosen, die sich im Wettbewerb nicht so gut auf-
gestellt haben, haben eine Reduktion der Produktion um
4,1 Prozent zu verzeichnen.


(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür verhungern sie!)


Wenn jetzt jemand behauptet, man hätte damit der
Milchmengensteuerung das Wort geredet, dann muss ich
sagen: Das ist nicht der Fall. Unter den Bedingungen, die
ich genannt habe – auch andere Länder haben zugelegt –,
haben wir in der Europäischen Union im letzten Jahr eine
Reduzierung der Milcherzeugung zu registrieren gehabt.
Das heißt, wir sind im Wettbewerb besser geworden. Un-
ser Ziel ist, Marktanteile zu halten, damit wir die Beschäf-
tigung in Deutschland auch in Zukunft sicherstellen kön-
nen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Eine Verdrehung der Realität!)


Deswegen ist es richtig, dieses Hilfsprogramm aufzule-
gen.

Frau Tackmann hat hier einen einzigen richtigen Satz
gesagt.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie hat viele richtige Sätze gesagt! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das war vielleicht der einzige, den Sie verstanden haben!)






Peter Bleser


(A) (C)



(D)(B)

Sie hat nämlich festgestellt, dass die Einkommen der
Milcherzeuger drastisch zurückgegangen sind. Das
Hilfsprogramm hilft den Bäuerinnen und Bauern, die in
diesem Bereich im letzten Jahr mit 19 000 Euro Gewinn
pro Arbeitskraft zurechtkommen mussten. Das ist nicht
nur eine soziale Hilfe, sondern auch vor allen Dingen
eine Hilfe, um das wirtschaftliche Tal zu überwinden.
Damit stellen wir Beschäftigung weit über den Bereich
der Milcherzeugung hinaus sicher. Das ist unser Ziel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Obwohl ich Sie, Frau Tackmann, persönlich schätze,
muss ich Ihnen vorwerfen, dass Sie eine Politik machen,
in die ich mich nicht hineindenken kann.


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das beruhigt mich!)


Sie haben sich hier als Anwalt der bäuerlichen Landwirt-
schaft und der kleinen Betriebe dargestellt. Wenn ich als
Mitglied einer Nachfolgepartei der SED hier sitzen
würde, würde ich mich wegen der Enteignung und der
Zwangskollektivierung in den 50er- und 60er-Jahren
im Nachhinein schämen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Genossenschaften! Alle sind Eigentümer! – Iris Gleicke [SPD]: 1954 ist die CDU im Osten gegründet worden und hat das alles mitgemacht! Steigbügelhalter!)


Ich freue mich deshalb, dass der Bauernbund jetzt ein
Denkmal für die Geschändeten in diesem Bereich errich-
tet hat, damit die Öffentlichkeit und die Nachwelt darauf
aufmerksam gemacht werden, welches Leid dort zuge-
fügt worden ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Frau Ministerin Aigner hat zu Recht darauf hingewie-
sen, dass die Mittel des Hilfsprogramms in wenigen Ta-
gen ausgeschöpft waren. Auch das ist ein Zeichen, dass
die Menschen in diesem Bereich an die Zukunft glauben.
Sie investieren, aber sie verkonsumieren das Geld nicht.
Das ist für mich ein gutes Zeichen der Hoffnung.

Es wurde kritisiert, dass wir über Verpflichtungser-
mächtigungen aus dem Ökolandbaubereich versucht
haben, die Aufgaben der Exportförderung zu finanzie-
ren. Diese Kritik war zwar unberechtigt. Trotzdem ha-
ben wir diese Regelung fallen gelassen. Es sollte von
Anfang an kein einziger Euro aus diesem Bereich weg-
fallen. Die nicht ausgeschöpften Mittel hatten uns zu-
nächst dazu veranlasst, diese Form der Gegenfinanzie-
rung zu wählen.


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Es wird alles schöngeredet! – Ulrich Kelber [SPD]: Ihr eigener Minister hat es nicht ausgegeben!)


Wir lassen es nun, damit hier nicht ein falscher Eindruck
entsteht. Mir ist wichtig, dass wir zwischen ökologischer
und moderner Landwirtschaft unterscheiden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir behandeln beide Strategien gleich.

Die nächsten Monate werden entscheidend dafür sein,
wie die Agrarpolitik der Europäischen Union nach
2013 aussehen wird. Deswegen sind wir als Union sehr
darauf bedacht, die ernährungspolitischen Ziele, die wir
für die deutsche Landwirtschaft für das Jahr 2020 anstre-
ben, sehr früh zu definieren. Wir haben in der Union
schon präzise Festlegungen getroffen. Wir wollen eine
Sicherstellung der Ernährung der europäischen Bevölke-
rung. Wir wollen, dass die Einkommen der Bauern ad-
äquat bleiben. Wir wollen, dass die multifunktionale
Landwirtschaft und die flächendeckende Landwirtschaft
mit ihren Tierschutz- und Umweltzielen erhalten blei-
ben.

Wenn wir diese Ziele gesellschaftlich verankern kön-
nen, dann bin ich sehr sicher, dass wir es verhindern
können, dass der Agrarhaushalt der Europäischen Union
als Steinbruch für andere Politikfelder genutzt wird, was
einige vorhaben. Lassen Sie uns gemeinsam diese öf-
fentliche Diskussion führen. Jetzt haben wir noch Ein-
fluss, bevor die ersten Festlegungen in dieser Richtung
vorgenommen werden.

Ich muss – ich tue das auch sehr gerne – noch etwas
zum Verbraucherschutz sagen.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Lieber nicht!)


Wir, die Union, machen Verbraucherpolitik aus der Sicht
des Betroffenen heraus.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Wo das denn?)


Das greift in viele Politikfelder ein und führt dazu
– das kennen wir noch aus der vorherigen Koalition,
Frau Drobinski-Weiß –, dass die Kompetenzen in ver-
schiedenen Häusern angesiedelt sind. Ich bin deshalb
froh, dass der Finanzminister jetzt nicht ohne Unterstüt-
zung unserer Ministerin Aigner im Finanzmarktbereich
aktiv wird und einen Gesetzentwurf für mehr Anleger-
schutz und zu anderen Fragen im Finanzbereich vorle-
gen wird.

Dass wir den Grauen Kapitalmarkt transparent ma-
chen müssen, ist unstrittig. Dass wir Anlegerprotokolle
brauchen, ist unstrittig.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Aber doch nicht so!)


Ich rufe, weil wir eine Vertrauenskrise in der Finanzwelt
haben, die Branche auf,


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Darum lassen wir die auch wieder allein rummorkeln!)


wie bei den Beratungsprotokollen mit uns vor gesetzli-
chen Maßnahmen aktiv zu werden; dann braucht das
nicht geregelt zu werden.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Ich weiß! Immer alles freiwillig! Ist klar! Das kennen wir!)






Peter Bleser


(A) (C)



(D)(B)

Aber wenn es nicht geschieht, dann werden wir handeln.
Ich stelle deshalb die klare Forderung auf:


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703102100

Herr Kollege.


Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1703102200

Wir wollen bei Geldautomaten die gleiche Transpa-

renz wie bei Tankstellen. Man muss vorher wissen, was
es kostet, nicht nachher.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das ist aktive Verbraucherpolitik!)


Ich will ein Letztes dazu sagen. Wir sind uns alle ei-
nig, und ich habe nicht das Bedürfnis, hier über verschie-
dene Verfahrensweisen zu streiten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703102300

Das geht auch gar nicht, Herr Bleser, weil Sie weit

über die vorgesehene Redezeit hinausgegangen sind.


Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1703102400

Herr Präsident, das schützt meinen Kollegen Goldmann

vor einer Bewertung seiner Aussage.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703102500

Sehen Sie, die Fürsorge des Präsidenten reicht prä-

ventiv auch in diese Richtung.


Peter Bleser (CDU):
Rede ID: ID1703102600

Das nehme ich gerne als Hilfe in Anspruch. Ich will

zum Schluss nur zur Kenntnis bringen, dass die Men-
schen sich in der Verbraucherschutz- und Agrarpolitik
auf die Union verlassen können.


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sind sie verlassen!)


Dann wird auch da der Frühling sehr bald wiederkom-
men.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703102700

Die Kollegin Waltraud Wolff hat nun das Wort für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1703102800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Das staatstragende Mäntelchen, das Herr
Bleser sich gerade umgehängt hat,


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Nicht mal das!)


bedeutet nicht, dass die Politik, die mit diesem Haushalt
gemacht wird, eine solide ist. Das werden wir ganz
schnell aufzeigen. Das, was mein Kollege Rolf Schwanitz
am Anfang zu „Klientel- statt Strukturpolitik“, zu „Ein-
sparungen an der falschen Stelle“ und zu „Kein Konzept
bei der Verbraucherpolitik“ gesagt hat, zieht sich, ohne
dass wir uns abgesprochen haben, auch durch meine Rede
und durch die gesamte heutige Debatte.

Frau Aigner, Sie kommen bei der Verbraucherpolitik
einfach nicht weiter. Bei der Agrarpolitik haben Sie so-
gar den Rückwärtsgang eingelegt. Sie haben nur an einer
Stelle richtig Geschwindigkeit aufgenommen: Eine sol-
che Geschwindigkeit wie die, mit der Ihre Finanzpolitik
hinfällig geworden ist, habe ich in elf Jahren Bundestag
noch nicht erlebt. Sie haben uns bei der ersten Lesung
des Haushaltes so viele Wohltaten versprochen.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das müssen Sie uns aber mal erklären!)


– Dazu komme ich noch, Herr Schirmbeck. – Aber was
ist bei der zweiten und dritten Lesung? – Sie legen uns
die Streichliste vor.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Welche denn? Welche Streichungen?)


Wir haben bereits bei der ersten Lesung deutlich ge-
macht, dass Sie ein 750 Millionen Euro teures Stroh-
feuer abbrennen. Davon geht weder für die Landwirt-
schaft noch für die ländlichen Räume ein wirklich
nachhaltiger Effekt aus. Wir haben Ihnen damals schon
gesagt, dass, erstens, man so etwas nicht auf Pump ma-
chen kann – Sie machen das auf Pump – und, zweitens,
das vorrangig in Bayern – ich korrigiere: nicht im Süd-
westen der Republik – ankommt.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Glauben Sie selber, was Sie da erzählen?)


– Herr Schirmbeck, Sie haben selbst angekündigt, dass
wir ab 2011 ganz genau hinschauen müssen, was wichtig
ist.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ehrlich in die neue Zeit!)


Ab dann werden nach Ihrer Aussage die Einsparungen
kommen. Das, was Sie jetzt auf Pump ausgeben, werden
Sie ab 2011 einsparen müssen. Ich hätte nicht gedacht,
dass uns schon in den Haushaltsberatungen deutlich ge-
macht werden würde, wie recht wir als SPD in der ersten
Lesung hatten.


(Beifall bei der SPD – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Was haben Sie eigentlich elf Jahre lang gemacht?)


Das Ökolandprogramm sollte um 3,3 Millionen Euro
gekürzt werden. Es bringt überhaupt nichts, wenn Sie,
Herr Bleser, jetzt sagen, das sei alles nicht so gemeint
gewesen. Schön, dass Ihnen das nicht geglückt ist.


(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Das ist unser Einsatz gewesen, nicht Ihrer!)


Allerdings konnten wir nicht verhindern – das ist
schon mehrfach angesprochen worden –, dass es bei der
GAK Kürzungen in Höhe von 25 Millionen Euro gab.





Waltraud Wolff (Wolmirstedt)



(A) (C)



(D)(B)


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Haben Sie denn einen anderen Deckungsvorschlag?)


Sie als Regierungskoalition setzen den Rotstift genau
dort an, wo Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit der
Landwirtschaft und der ländlichen Räume gefördert
werden. Das ist wirklich grandios.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wo das rotrote Brandenburg heute schon keine Gelder mehr abruft! Das ist doch die Wahrheit!)


Herr Goldmann hat vorhin gesagt, dass 750 Millionen
Euro besonders für die landwirtschaftliche Unfallver-
sicherung und für die Milchviehbetriebe vorgesehen
sind. Ich komme aus dem Osten der Republik. Was
kommt davon bei der landwirtschaftlichen Unfallversi-
cherung und bei den Milchbetrieben an? Gar nichts! Ich
kündige hier und heute an, dass ich im Namen der SPD
eine Aufstellung darüber verlange, wie die 750 Millio-
nen Euro auf die Bundesländer aufgeteilt werden. Es
wird sicherlich sehr interessant, sich das einmal anzu-
schauen.

Liebe Frau Aigner, das Chaos, das Sie und Ihre Kabi-
nettskollegen seit Beginn dieser Regierungskoalition
veranstaltet haben, zeigt sich auch in Ihrem Haushalt.
Sie wollen Verbraucherinnen und Verbraucher durch den
Beipackzettel – sprich: das Produktinformationsblatt –
stärken. Das ist völlig daneben. Wenn ich dem Banken-
wesen bei der Formulierung freie Hand lasse, dann
werde ich am Ende feststellen, dass kein Mensch die In-
formationen verstehen wird. Ich glaube, ohne Kriterien
und gesetzliche Vorschriften werden sie völlig unver-
ständlich geschrieben sein. Was ist mit der Selbstbe-
stimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher?
Ich glaube, dass gesetzliche Regelungen nötig sind, aber
es passiert nichts.


(Beifall bei der SPD)


Es gelingt Ihnen nicht, die Verbraucherverbände zu
stärken. Sie treten deren Wünsche nach gentechnikfreien
Lebensmitteln und der Nährwertampel mit Füßen, und
Sie reißen – das ist schon angesprochen worden – mit
dem Stiftungskapital für die Stiftung Warentest eine rie-
sige Finanzlücke in der Zukunft auf. Man kann wirklich
nicht behaupten, dass Sie die höchste Verbraucherschüt-
zerin sind. Frau Aigner, gut gemeint ist nicht gut ge-
macht, angekündigt ist noch lange nicht durchgesetzt.

Ich möchte auf die 750 Millionen Euro zu sprechen
kommen, die die Regierung zur kurzfristigen Beruhi-
gung der Milchbauern in Bayern und auch zum Teil in
Baden-Württemberg verteilt hat. Das macht deutlich
– das kreide ich der schwarz-gelben Regierung ernsthaft
an –: Sie verkaufen für Ihre Klientelpolitik die Zukunfts-
chancen der ländlichen Räume. Ihr Wachstumsbeschleu-
nigungsgesetz ist ein Schuldenbeschleunigungsgesetz
gewesen, das besonders die Länder und Kommunen
trifft.


(Dr. Erik Schweickert [FDP]: Ihr habt keine Schulden gemacht?)


Darüber hinaus sind Sie dabei, mit der Kürzung der
Einspeisevergütung für die Solarenergie eine Zukunfts-
technologie und ein wichtiges wirtschaftliches Standbein
aus den neuen Bundesländern zu vertreiben. Das hat ver-
heerende Folgen für die Entwicklung der ländlichen
Räume, besonders im Osten der Republik.

Sie setzen noch eins drauf. Herr Schwanitz hat es ge-
sagt: Die Landwirtschaftsminister der Länder haben
deutlich belegt, dass eine Aufstockung bei der Ver-
pflichtungsermächtigung in der Gemeinschaftsaufgabe
nötig ist, weil andernfalls die Bindung der zusätzlichen
EU-Mittel für die Umsetzung der Gesundheitsprüfung
nicht möglich ist.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703102900

Frau Kollegin Wolff.


Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1703103000

Ich weiß, ich bin knapp über der Zeit, aber Herr

Bleser eben war weit drüber. Ich möchte noch einen Satz
sagen.


(Iris Gleicke [SPD]: Er will eine Frage stellen! Lassen Sie den Präsidenten zu Wort kommen!)


– Eine Frage? Ja, gerne. Eine Zwischenfrage bedeutet,
dass ich noch länger sprechen kann. Wo kommt die her?


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703103100

Kollege Schirmbeck möchte gerne Ihre Redezeit ver-

längern.


Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1703103200

Danke.


Georg Schirmbeck (CDU):
Rede ID: ID1703103300

Frau Kollegin Wolff, das von der CDU erfundene

EEG soll von uns fortgeschrieben werden.


(Zurufe von der SPD: Was?)


– Die Urfassung des EEG, das Stromeinspeisungsgesetz,
ist von Minister Töpfer. Das ist so. Das müssen Sie ein-
mal nachlesen. Das wissen Sie vielleicht nicht, aber es
ist die Wahrheit.


(Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben zweimal gegen das EEG gestimmt!)


Sie müssen das richtig in Ihr Schwarzbuch hineinschrei-
ben.

Frau Kollegin, ich möchte Sie fragen, ob Sie es für
richtig erachten, dass, wenn der vergleichsweise wohlha-
bende Georg Schirmbeck eine Fotovoltaikanlage baut
und für sein Kapital eine Verzinsung von fast 10 Prozent
bekommt, das dazu führt, dass sein Nachbar, ein kleiner
Stromkunde, diesen ordentlichen Gewinn des Investors
Schirmbeck bezahlen muss. Oder halten Sie es nicht für
richtig, dass man sich Gedanken darüber macht, wie man
diese Verzinsung an die üblichen Marktzinsen anpasst?


Waltraud Wolff (SPD):
Rede ID: ID1703103400

Sehr geehrter Herr Schirmbeck, wir haben – ich kann

mich sehr gut daran erinnern – das EEG unter Rot-Grün





Waltraud Wolff (Wolmirstedt)



(A) (C)



(D)(B)

beschlossen. Ich war dabei und bin sehr stolz, dass wir
das beschlossen haben.


(Beifall bei der SPD – Ulrich Kelber [SPD]: Vor genau zehn Jahren!)


Wenn ich in Ihre Reihen schaue, stelle ich fest, dass da
Kollegen dabei sind, die mitgestimmt haben.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Minister war Klaus Töpfer!)


Ich glaube, Sie haben dagegen gestimmt. Ich erinnere
mich nicht mehr ganz genau daran, aber das ist ja auch
egal.


(Ulrich Kelber [SPD]: 2004 noch mal dagegen gestimmt!)


Wir sind dabei, gerade im Bereich Fotovoltaik eine
Branche aufzubauen. Ich will einmal den Vergleich zur
Atomenergie bringen: Herr Schirmbeck, 40 Jahre lang
hat diese Energiebranche Unterstützung und Förderung
bekommen.


(Iris Gleicke [SPD]: Die Lizenz zum Gelddrucken!)


Ich habe die genaue Summe nicht im Kopf. Das waren
40 Jahre, in denen die Branche nicht gesagt hat: Wisst
ihr, wir sehen ein, dass da ein Aufwuchs ist; wir könnten
uns mit einer Schmälerung einverstanden erklären. –
Niemals ist das gekommen. Aber die Erneuerbare-
Energien-Branche, darunter die Fotovoltaik- und die
Solarenergiebranche, hat das, was ab Januar 2010 an De-
gression schon geplant war, sogar mitgetragen.


(Iris Gleicke [SPD]: So ist es!)


Das, was Sie hier machen, ist ein Einschenken in ei-
ner Art und Weise, dass die Branche kaputtgeht.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wer erzählt Ihnen das?)


Q-Cells hat seinen Sitz in Sachsen-Anhalt. 400 Arbeits-
plätze sind dort schon abgebaut worden. Ein Vorstands-
vorsitzender hat in der letzten Woche seinen Hut genom-
men.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Antworten Sie auch auf meine Frage?)


Ich glaube, wir sollten bei dieser Branche einen
Schwerpunkt setzen, da sie uns weg von Atomenergie
und fossilen Energieträgern hin zu dezentralen Lösungen
führt, und nicht schon jetzt Kürzungen vornehmen, ob-
wohl die Branche noch nicht einmal richtig etabliert ist. –
Schönen Dank, Herr Schirmbeck.


(Beifall bei der SPD – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ich hätte gerne eine Antwort gehört! – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Frau Kollegin, wann gehen Sie auf meine Frage ein?)


Ich sehe, dass Frau Aigner mit diesem Haushalt mit
Vollgas gegen die Wand läuft, dass sich aber die Men-
schen in den ländlichen Räumen – leider – die blutige
Nase holen. Das ist etwas, was wir nicht mittragen kön-
nen. Die Regierungskoalition weigert sich, die nachhal-
tige Landwirtschaft zu fördern. Sie weigert sich, Ver-
braucher- und Kundenwünsche ernst zu nehmen. Sie
weigert sich, echte Anwältin der Verbraucherinnen und
Verbraucher zu sein. Sie setzt auf Ankündigungsrheto-
rik. Die Menschen erwarten aber Taten. Ihre Politik ist
rückwärtsgewandt. Das zeigt dieser Haushalt. Deshalb
können wir als SPD dem nicht zustimmen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703103500

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Erik Schweickert

für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Erik Schweickert (FDP):
Rede ID: ID1703103600

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss am Anfang
auf zwei Dinge eingehen. Liebe Kollegin Wolff, eine
Streichliste gibt es nur dann, wenn man etwas von der
Liste streicht, das man vorher draufgesetzt hat. Unsere
Politik ist geprägt von „Versprochen – gehalten!“.


(Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der SPD)


Wir haben nichts heruntergenommen.

Frau Wolff, nehmen Sie einfach einmal ein paar Fak-
ten zur Kenntnis: Die Mittel der GAK wurden nicht
ausgeschöpft, nicht einmal von Schleswig-Holstein.
Brandenburg hat im letzten Jahr 20 Millionen Euro gar
nicht abgerufen. Machen Sie einen besseren Vorschlag.
Dann können wir darüber reden. Statt mit Schwarz-
büchern zu arbeiten – nach 130 Tagen –, würde es Ihnen
besser zu Gesicht stehen, wirkliche Vorschläge zu unter-
breiten, wie wir als FDP es in der Opposition mit unse-
rem Liberalen Sparbuch gemacht haben.


(Beifall bei der FDP – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Apropos Liberales Sparbuch! Wo ist das Ding eigentlich geblieben?)


– Wir kommen noch dazu, Herr Bonde. Wir haben ein
paar Sachen umgesetzt.

Werfen wir einen Blick auf die Ausschussanhörung.
Wir schauen uns die Themen an. Dann führen wir zu-
sätzlich Fachgespräche, daraus gewinnen wir Erkennt-
nisse. Herr Kelber, Sie haben das vorhin angesprochen.
Was kam dabei heraus? Es kam heraus: Fremdgehen war
schon immer teuer. Deswegen müssen wir schauen, dass
wir die Interbankenentgelte gestalten.


(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber eine Lebensweisheit! – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir genauer wissen! – Zuruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD])






Dr. Erik Schweickert


(A) (C)



(D)(B)

– Nein, das ist kein Angriff auf Sie. Ich weiß nicht, ob
Sie da aus Erfahrung sprechen. Ich weiß nur, dass man,
wenn man an fremden Bankautomaten Geld abhebt, et-
was dafür bezahlen muss. Es ist wichtig, dass der Wett-
bewerb gestärkt wird. Wettbewerb ist ein wichtiger
Punkt der liberalen Verbraucherpolitik. Das ist effiziente
Verbraucherpolitik.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ja? Dann sind wir ja Bündnispartner gegen die Ministerin!)


Sie sehen das beispielsweise bei Mobilfunktarifen und
Flugpreisen. Wo wir Wettbewerb haben, geht es dem
Verbraucher gut. Deswegen werden wir uns als christ-
lich-soziale und liberale Koalition in diesem Bereich da-
für einsetzen, dass Wettbewerb wieder stattfindet.


(Beifall bei der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Das „liberal“ hätten Sie fast vergessen!)


– Das vergessen wir nicht.

Herr Kelber, Sie haben vorhin ein paar Unterlagen
vom Bankenverband hochgehalten.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ja!)


Es gibt aber auch gute Beispiele. Deswegen ist der Weg,
den die Ministerin geht, richtig. Ich habe hier ein paar
Informationsblätter von der Sparkasse. Sogar Sie werden
beim Durchlesen alles verstehen. Es gibt noch ein paar
Verbesserungswünsche; die haben auch wir. Aber wir
sind weiter, als wir jemals gekommen wären, wenn wir
das alles durch ein Gesetz geregelt hätten.

Nehmen Sie also bitte zur Kenntnis – das geht an Frau
Lay –: Bei Verbraucherpolitik geht es nicht darum, Al-
mosen zu verteilen. In Ihrem Antrag vom 15. März
schreiben Sie:

Dabei ist insbesondere das Angebot für einkom-
mensschwache Haushalte zu stärken.

Wenn Sie Verbraucherpolitik als Sozialpolitik anse-
hen, haben Sie uns nicht auf Ihrer Seite; denn das gehört
nicht hierher.


(Zuruf der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])


Bei Verbraucherpolitik geht es darum, die Verbraucher-
rechte zu stärken und Wettbewerb endlich wieder statt-
finden zu lassen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Sie müssten sich einmal selbst hören!)


An diesem Punkt brauchen wir keine Schaufensterpolitik
der Opposition, sondern müssen in der Verbraucherpoli-
tik tatsächlich vorangehen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Nur ein gutes Beispiel gibt es im ganzen Bankensektor! Toll!)


Da ist die christlich-liberale Koalition Vorreiter. Wir
schaffen mehr als Sie in elf Jahren Regierungsbeteili-
gung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703103700

Letzter Redner zu diesem Einzelplan ist der Kollege

Franz-Josef Holzenkamp für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Franz-Josef Holzenkamp (CDU):
Rede ID: ID1703103800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wie viel ist uns unsere moderne und leistungsstarke
Landwirtschaft eigentlich wert? Diese Frage wird im
diesjährigen Haushalt, über den wir hier debattieren, be-
antwortet. Dieser Haushalt zeigt insbesondere die große
Wertschätzung dieser Koalition gegenüber der Landwirt-
schaft, gegenüber dem ländlichen Raum und gegenüber
der Ernährungswirtschaft. Ich habe bei dieser Debatte
den Eindruck, dass das leider nicht bei allen so ist. Des-
halb will ich feststellen: Die Land- und Ernährungswirt-
schaft im ländlichen Raum ist der stabilisierende Faktor
des ländlichen Raumes in der Krise. Wir sehen das bei-
spielsweise an den Exportzahlen. Die Land- und Ernäh-
rungswirtschaft ist in ihrer Vielfalt, mit ihrer Tradition,
vor allem aber auch mit ihren Innovationen die tragende
Säule im ländlichen Raum.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Land- und Ernährungswirtschaft steht in der
Krise vergleichsweise etwas besser da als andere Wirt-
schaftsbereiche; das wissen wir. Aber wir kennen auch
Bereiche – sie sind schon angesprochen worden –, in de-
nen es erhebliche Probleme gibt, beispielsweise bei der
Milch. Wir wissen, dass wir über 100 000 betroffene
Milchviehbetriebe in Deutschland haben, die im letzten
Wirtschaftsjahr katastrophale Ergebnisse erzielten, ins-
besondere aufgrund von krisenbedingten Absatzproble-
men, zum Beispiel in Osteuropa.

Wesentliche tragende Strukturen im ländlichen Raum
stehen und standen auf dem Spiel. Deshalb ist das Son-
derprogramm richtig. Herr Schwanitz, wenn Sie von
Klientelpolitik sprechen, muss ich fragen: Sind Land-
wirte schlechter als Banken oder sonstige Arbeitnehmer?


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Oder die Solarbranche?)


In dieser schweren Krise haben wir in der Großen Koali-
tion die Finanzmärkte stabilisiert. Wir haben vor weni-
gen Wochen den Schutzschirm für die Arbeitnehmer
gespannt. Wir haben auch das Sonderprogramm Land-
wirtschaft aufgelegt. Das alles, insbesondere das Letzte,
ist wichtig für den ländlichen Raum.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Frau Wolff, nur ein Satz zur Fotovoltaik: Wir fördern
sinnvoll, statt die Allgemeinheit abzuzocken, um das
einmal klarzustellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Mir ist bei diesem Sonderprogramm wichtig, dass wir
nicht nur Milchbauern sehen – auch da unterliegen Sie
einem Irrtum, Herr Schwanitz; das wissen Sie als Haus-
hälter eigentlich –, sondern wir stabilisieren auch die
agrarsoziale Sicherung durch die Erhöhung der entspre-





Franz-Josef Holzenkamp


(A) (C)



(D)(B)

chenden Mittel. Unsere Ministerin ist schon auf das
Liquiditätsprogramm eingegangen. Hier hat man ein
Programm schnell umgesetzt. Hier ist man effizient, un-
bürokratisch und wirkungsvoll vorgegangen. Herzlichen
Dank an die Bundesregierung, insbesondere an unsere
Ministerin, Ilse Aigner. Danke schön!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ein Satz zum Verbraucherschutz. Die Verbesserung
des Anlegerschutzes ist immer wieder angesprochen
worden. Hier haben wir schnell reagiert; das ist gerade
schon deutlich gemacht worden. Eines wissen wir alle:
Es handelt sich beim Verbraucherschutz um einen Pro-
zess, der ständig Anpassungen notwendig macht; das
weiß jeder normal denkende Mensch. Entscheidend ist,
dass diese Bundesregierung nicht redet, sondern an-
packt. Das machen wir sehr erfolgreich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Genau! Früh aufstehen und arbeiten, nicht palavern!)


Jetzt noch ein Satz zur Ampelkennzeichnung – da-
von, dass Sie Ihre Auffassung gebetsmühlenartig wie-
derholen, wird es wirklich nicht besser –: Sie wollen ei-
nen unmündigen Verbraucher produzieren.


(Widerspruch bei der SPD)


Sie verbreiten in der Öffentlichkeit Falschinformationen,
meine Damen und Herren von der Opposition.


(Ulrich Kelber [SPD]: Alle Verbraucherschutzverbände sehen das wie wir! Alle!)


Was haben Sie eigentlich für ein Gesellschaftsbild?


(Ulrich Kelber [SPD]: Sie stehen allein gegen alle Verbraucherschützer!)


Ich will Ihnen deutlich sagen: Man muss das tun, worauf
es ankommt, und nicht das, was in der Öffentlichkeit
kurzfristig vermeintlich gut ankommt. Deshalb sind wir
Regierung und Sie Opposition.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte noch etwas zur Zukunft sagen, und zwar
zur GAP-Reform 2013. Herr Kelber, Sie haben vorhin
von Untätigkeit gesprochen


(Ulrich Kelber [SPD]: Nachgewiesen habe ich das!)


und gesagt, wir würden uns zu wenig kümmern. Ich will
Ihnen ein Beispiel nennen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ja! Los!)


Der neue EU-Agrarkommissar Cioloş


(Ulrich Kelber [SPD]: Oh! Den haben Sie als Schwarz-Gelb beschlossen?)


hat uns hier in Berlin besucht. Wir haben für unser Tref-
fen etwa anderthalb Stunden Zeit gehabt.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja, genau!)

Ich frage mich: Wo war eigentlich das Interesse der
SPD?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich bin sehr froh, dass der Sprecher der SPD, Wilhelm
Priesmeier, dabei war. Er war der einzige Agrarpolitiker
der SPD, der anwesend war. Wenn Sie hier schon Sonn-
tagsreden halten, sollten Sie auch einmal Interesse an der
tatsächlichen Arbeit zeigen. So, meine Damen und Her-
ren, geht es jedenfalls nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Als letzten Punkt will ich den Export ansprechen.
Wir wissen, dass es auf der nördlichen Welthalbkugel
mehr Nutzfläche als auf der südlichen Welthalbkugel
gibt. Wir wissen gleichzeitig, dass im südlichen Teil der
Welt mehr Menschen leben als im nördlichen Teil der
Welt. Es ist ganz einfach: Das bedingt Export.


(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Ach du meine Güte!)


Wir wissen auch, dass wir mittlerweile in fast allen Pro-
duktionsbereichen zu Nettoexporteuren geworden sind.
Wir sind erfolgreich. Diesen Erfolg haben wir, insbeson-
dere in den letzten Jahren, unserem Staatssekretär Gerd
Müller zu verdanken,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


der sich hier in ganz besonderer Weise engagiert hat. An
dieser Stelle sage ich der Bundesregierung aus tiefster
Überzeugung ein ganz herzliches Dankeschön.

Meine Damen und Herren, wir sind für die Zukunft
gut aufgestellt. Wir packen die Zukunftsthemen an. Wir
entwickeln die erneuerbaren Energien weiter. Wir ver-
stehen beispielsweise auch das Problem der Nutzungs-
konflikte. Wir wissen, dass wir bei der Biomassenutzung
eine Kaskadennutzung – erst der Magen, dann die ener-
getische Nutzung – auf den Weg bringen müssen. Hier
sind wir gut aufgestellt. Wir wissen, dass sich die glo-
bale Nachfrage nach Nahrungsmitteln in den nächsten
Jahrzehnten verdoppeln wird.


(Ulrich Kelber [SPD]: Dann müssen wir Schweinefleisch verschicken!)


Wir haben allerdings mit der Marktvolatilität zu kämp-
fen. In diesem Zusammenhang will ich noch das Stich-
wort Risikoausgleichszulage nennen, für die wir Agrar-
politiker uns einsetzen.

Meine Damen und Herren, es gibt Zukunftsthemen
ohne Ende. Bei diesen Themen sind wir sehr aktiv und
produktiv. Es handelt sich um eine Wachstumsbranche
und eine Zukunftsbranche. Dafür lohnt es sich zu arbei-
ten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1703103900

Ich schließe die Aussprache.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 10, Bundesministerium für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz, in der Ausschussfassung.

Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion
Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen.

Wir kommen zunächst zum Änderungsantrag auf
Drucksache 17/1031. Wer stimmt gegen diesen Ände-
rungsantrag? – Wer stimmt dafür? – Wer enthält sich? –
Damit ist der Änderungsantrag mit der Mehrheit des
Hauses abgelehnt.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Aber knapp!)


– Einigen wir uns auf hinreichend eindeutig.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-
sache 17/1032? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich der Stimme? – Auch das war übersichtlich. Der Än-
derungsantrag ist abgelehnt.

Wir stimmen jetzt über den Einzelplan in der Aus-
schussfassung ab. Wer stimmt gegen diese festgestellte
Fassung? – Wer enthält sich? – Wer stimmt dafür? – Da-
mit ist der Einzelplan 10 angenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wegen der um
12 Uhr hier im Plenarsaal stattfindenden Feierstunde
zum 20. Jahrestag der freien Wahl zur Volkskammer der
DDR unterbreche ich die Sitzung bis 13.30 Uhr. Falls
Sie vertrauliche Unterlagen oder private Dokumente auf
Ihren Plätzen liegen haben, sollten Sie die besser mit-
nehmen, weil wir den Saal jetzt für die Feierstunde her-
richten wollen.

Die Sitzung ist unterbrochen.


(Unterbrechung von 10.50 bis 13.30 Uhr)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703104000

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene

Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.14 auf:

Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern

– Drucksachen 17/606, 17/623 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Jürgen Herrmann
Norbert Barthle
Dr. Peter Danckert
Florian Toncar
Steffen Bockhahn
Stephan Kühn

Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die
Linke vor. Außerdem hat die Fraktion Die Linke einen
Entschließungsantrag eingebracht, über den wir morgen
nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich
sehe, damit sind Sie einverstanden. Dann können wir so
verfahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Kollegen Danckert von der SPD-Fraktion das
Wort.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Peter Danckert (SPD):
Rede ID: ID1703104100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-

gen! Sehr geehrter Herr Minister! Dieser Einzelplan 06,
der Haushalt des Innenministeriums, ist sicherlich nicht
der größte Haushalt, aber nach meiner Einschätzung ei-
ner der wichtigsten Haushalte, weil ein großer Teil des
Haushaltes für Sicherheitsaufgaben, für die wir zustän-
dig sind bzw. für die der Minister und sein Ministerium
zuständig sind, etatisiert ist.

Wir haben die Entwicklung aufmerksam verfolgt. Der
erste Regierungsentwurf war noch ein gemeinsam mit
uns erstellter, der Regierungsentwurf vom 16. Dezember
dann ein Entwurf der neuen Koalition. Ich sage es ganz
freimütig: Ich war sehr erfreut darüber, dass es einen
Aufwuchs um 75 Millionen Euro gab, darunter 44 Mil-
lionen Euro für das Gebiet Migration – dazu wird die
Kollegin Fograscher noch detaillierter ausführen; das ist
sicherlich eine richtige Maßnahme, die wir billigen –,
20 Millionen Euro für die Luftsicherheit – das ist gewis-
sermaßen ein durchlaufender Posten; hierdurch entsteht
zwar der Eindruck, dass mehr ausgegeben wird, aber da
diese Einnahmen von den Fluggästen kommen, stellt
dieser Betrag keinen wirklichen Aufwuchs für den Haus-
halt dar – und 7 Millionen Euro für den von der Regie-
rung verstärkten Einsatz in Afghanistan. Wenn man nun
nach den Haushaltsberatungen einschließlich der Berei-
nigungssitzung einen Schlussstrich zieht, dann sieht man
aber, dass nicht 75 Millionen Euro mehr, sondern
100 Millionen Euro weniger für den Haushalt veran-
schlagt sind.

Das ist natürlich ein bedauerliches Zeichen, vor allen
Dingen, weil es um Fragen der Sicherheit geht, aber
auch – das ist mir aufgefallen und auch aufgestoßen –,
weil offensichtlich der Minister selber von der Situation
überrascht wurde, als dies in der Nacht von der Koalition
beschlossen worden ist. Es muss ihn schwer treffen,
wenn seine eigene Koalition, die ihn trägt, ohne Abstim-
mung mit ihm und ohne Abstimmung – das scheint mir
in dieser Situation noch wichtiger zu sein – mit den be-
troffenen Bundesbehörden, zum Beispiel der Bundes-
polizei und dem Bundeskriminalamt, so etwas be-
schließt. Hier geht es um keine kleinen Beträge. Es sind
Einsparungen in Höhe von 25 Millionen Euro im Perso-
nalbereich vorgesehen. Ich denke, das ist ein ganz be-
denkliches Zeichen.

Das fällt offensichtlich – das sage ich genauso offen –
mit der Situation zusammen, dass es Bemühungen gibt,
eine Neuorganisation vorzunehmen, welche aber bisher
keineswegs erfolgreich waren. Das kann man am besten
nachvollziehen, wenn man sich darüber einmal mit den
Personalvertretungen unterhält oder die entsprechenden
Berichte dazu liest. Die Folgen, die darin beschrieben





Dr. Peter Danckert


(A) (C)



(D)(B)

werden, sind, ehrlich gesagt, desaströs. Verehrter Herr
Minister, ich glaube, Sie haben in Zukunft eine Herkules-
aufgabe zu leisten, wenn Sie zum Beispiel die 40 000
Beamten bei der Bundespolizei davon überzeugen wol-
len, dass die Neuorganisation richtig ist, und ihnen
gleichzeitig vermitteln wollen, dass ihre Arbeit Aner-
kennung findet.

Wir haben in diesem Personalbereich – das ist nicht
nur von der GdP oder anderen gewerkschaftlichen Ver-
tretungen festgestellt worden – einen Anteil von Burn-
out-Syndrom-Betroffenen von 25 Prozent. Das ist eine
katastrophale Situation. Hier muss man sich im Interesse
der Sicherheit unserer Bevölkerung um eine Verbesse-
rung kümmern. Das Thema Sicherheit steht ja auch bei
Ihnen hoch im Kurs. Aber es darf nicht nur eine Rolle
spielen, wenn es darum geht, eine neue Spitze einzuset-
zen oder ein neues Polizeipräsidium in Potsdam zu
bauen, was wir unterstützen werden, wenn es sich im
Kostenrahmen hält. An dieser Stelle geht es auch darum,
das Personal zufriedenzustellen – und das muss ange-
gangen werden.

Zu anderen wichtigen Aufgaben wird der Kollege
Hartmann sich noch äußern.

Von der Situation bei der Bahnpolizei ist die Bevöl-
kerung unmittelbar betroffen. In diesem Bereich gibt es
Polizeireviere, die überhaupt nicht besetzt sind. Das ist
kein gutes Zeichen für den Umgang mit dem Personal.
Aber obwohl vor Ort Personal fehlt, werden im Haushalt
an dieser Stelle 25 Millionen Euro eingespart. Das ist
eine Fehlentscheidung der Koalition, für die ich aller-
dings gar nicht den Minister selber verantwortlich ma-
chen will, da mit ihm darüber gar nicht bzw. erst in letz-
ter Minute gesprochen worden ist, wie wir gehört haben.

Ein anderes großes Thema, das in der Kürze der Zeit
behandelt werden muss, ist der Digitalfunk. Ich darf
mich in dem Zusammenhang bei den Berichterstattern
bedanken, übrigens auch bei den zahlreichen Mitarbei-
tern Ihres Hauses, Herr Minister – bitte richten Sie den
Dank aus –; ich habe das auch schon im Haushaltsaus-
schuss angesprochen. Beim Digitalfunk sind wir jetzt ei-
nen ersten Schritt gegangen, indem wir die Mittel für
den Regelbetrieb freigegeben haben. Das ist richtig, und
das haben wir mitgetragen, weil wir nicht dafür verant-
wortlich gemacht werden wollen, wenn Dinge, die seit
zehn Jahren im Gespräch sind, nicht auf den Weg ge-
bracht werden. Insofern muss ich einige Pressemitteilun-
gen korrigieren, in denen behauptet wurde, die Verzöge-
rung liege am Haushaltsausschuss; das war nicht der
Fall. Der Umgang mit diesem Thema war unsäglich und
kein gutes Beispiel für den Föderalismus in Deutsch-
land, für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern.
Hier ist viel Zeit vertan worden. Wir sind da Schlusslicht
in Europa.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das stimmt schon lange nicht mehr!)


Alle Länder, auch Albanien, haben inzwischen den Digi-
talfunk, nur Deutschland nicht. Das ist kein sehr gutes
Zeichen.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auch darauf richten,
dass wir bei sehr vielen kritischen Punkten noch mit
Kostensteigerungen rechnen müssen. Diese Punkte sind
in den Berichten aus Ihrem Hause angemerkt, aber nicht
quantifiziert worden. Da kann auf den Steuerzahler noch
einiges zukommen. Das ist etwas, was wir als Haushalts-
ausschuss und Sie als Leiter des Ministeriums im Auge
haben müssen.

Zum Schluss eine Sache, die mich besonders beschäf-
tigt hat. In dem Haushaltsentwurf, den Sie vorgelegt ha-
ben, ist eine kleine Position, der Goldene Plan Ost, ge-
strichen worden. Sie haben in den Beratungen im
Haushaltsausschuss darauf hingewiesen, wie viel Sie im
Zusammenhang mit dem Konjunkturprogramm II getan
haben. Das bestreitet niemand. Aber im ursprünglichen
Haushaltsentwurf war der Haushaltstitel für den Golde-
nen Plan enthalten. Sie haben zum Ausdruck gebracht,
dass – was ich Ihnen auch abnehme – die Streichung Sie
besonders getroffen hat. Ich halte es für kein gutes Zei-
chen, wenn die Koalition eine so minimale Position in
dem Haushalt des Ministers streicht, der für die neuen
Länder als deren Beauftragter zuständig ist. Das hätte
man verhindern müssen. Aber da mit Ihnen nicht gespro-
chen worden ist, Herr Minister, haben Sie das auch nicht
im eigentlichen Sinne zu verantworten. Wir dürfen hier
keine solchen negativen Zeichen setzen und das dann
mit Konjunkturprogrammen verbrämen, die es zu dieser
Zeit schon gab. Das wird, auch wenn es sich nur um eine
minimale Position handelt, in den neuen Ländern sehr
ernst genommen und von der Mehrheit dieses Parla-
ments als ein kritisches Zeichen gewertet. In diesem
Sinne hätte ich mir gewünscht, dass Sie das hätten ab-
wenden können. Aber wenn man als Minister nicht nach
seiner Meinung gefragt wird, kann man das natürlich
nicht abwenden.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703104200

Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Herrmann für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Jürgen Herrmann (CDU):
Rede ID: ID1703104300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben
über den Einzelplan 06, den Haushalt des Innenministe-
riums, schon zur Genüge diskutiert. Ich will an dieser
Stelle trotzdem noch einmal klarstellen, dass es sich
nicht nur um den Haushalt des BMI handelt, sondern
auch um den von 17 nachgeordneten Behörden. Sie se-
hen also, wie umfassend dieser Haushalt ist.

Mich wundert ganz besonders, wie Sie, Herr Kollege
Danckert – wir haben in den Berichterstattergesprächen
viel miteinander gesprochen –, auf die Idee kommen,
dass wir, wenn es um Kürzungen im Haushalt geht, nicht
mit unserem Minister sprechen würden. Wir stehen sehr
wohl in ständigem Kontakt mit ihm. Wir haben alles ab-
gesprochen. Dass es nicht immer ein Wunschhaushalt





Jürgen Herrmann


(A) (C)



(D)(B)

sein kann und dass man an der einen oder anderen Stelle,
an der es der Minister nicht ganz so gerne sieht, streicht,
ist klar. Dieses Recht des Parlamentes haben wir uns he-
rausgenommen. Trotz allem gilt, dass wir sehr wohl
diese Dinge mit ihm besprochen haben. Ihre Behauptung
wird auch nicht dadurch wahrer, dass Sie sie fünf- oder
sechsmal wiederholen. Ich denke, der Minister wird das
nachher selber klarstellen.

Der Entwurf für den Haushalt des BMI der christlich-
liberalen Regierung enthält einen Gesamtetat von circa
5,5 Milliarden Euro. Das ist ein im Vergleich zum Ge-
samthaushalt eher kleiner Haushalt. Er ist aber sehr
wichtig, weil es auch um die innere Sicherheit geht.
50 Prozent des Haushalts entfallen auf Personalausga-
ben. Deswegen gibt es nur begrenzte Sparmöglichkeiten,
was es schwieriger macht, zu sparen. Nichtsdestotrotz
sind 12 Prozent dieses Haushalts für Investitionen vor-
gesehen. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Diese
Ausgaben sind sicherlich sehr wichtig.

Wir haben uns mit dem Ministerium intensiv – damit
knüpfe ich an den Anfang meiner Rede an – über eine
Ausgabenkürzung in Höhe von 2 Prozent unterhalten.
Wir Haushälter haben gemeinsam mit dem Koalitions-
partner durchgesetzt, dass 2 Prozent eingespart werden.
Das heißt, 110 Millionen Euro sind noch vom Ausgangs-
volumen des Regierungsentwurfes abgezogen worden.

Herzlichen Dank an Sie, Herr Minister, und an Ihr
Haus für die Informationen und für die gute Zusammen-
arbeit, die insbesondere in den Berichterstattergesprä-
chen zum Ausdruck kam. Wir haben viele Dinge ange-
sprochen, und es sind viele Berichte – mehr als sonst –
angefordert worden. Es hat außerdem sehr viele Nach-
fragen insbesondere im allgemeinen Haushaltsgespräch
gegeben. Diese Nachfragen betrafen den Digitalfunk,
auf den ich gleich noch kommen werde, das Polizeiprä-
sidium in Potsdam und den Einsatz unserer Polizisten in
Afghanistan. Ich kann die Worte des Ministers im Be-
richterstattergespräch nur unterstreichen, dass nicht un-
gezügelte Ausgaben Sinn machen, sondern ein erfolgs-
orientierter und nachhaltiger Einsatz der Mittel. Ich
glaube, das erreichen wir mit unserem Haushalt.

Die Koalition hat 30 Änderungsanträge gestellt. Die
Opposition hat deutlich mehr Anträge gestellt, von de-
nen wir einigen zugestimmt haben. Es gab aber auch ei-
nige abstruse Anträge, die wir nicht annehmen konnten.
Es freut mich deshalb umso mehr, dass von den 30 An-
trägen, die wir gestellt haben, ein Großteil mit Stimmen
aus der Opposition angenommen worden ist, teilweise
sogar mit Zustimmung des gesamten Ausschusses.

Ich möchte noch die Ausgaben für die Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit der Ein-
führung des elektronischen Personalausweises an-
sprechen. Ja, wir sparen an dieser Stelle. Das geht zulas-
ten – auch das ist eine Anmerkung, die der Minister
gemacht hat – der Schulung derer, die in den Kommunen
dafür verantwortlich sind. Ich sage Ihnen aber ganz deut-
lich: Zum 1. November dieses Jahres wird der elektroni-
sche Personalausweis eingeführt. Daran gibt es keinen
Zweifel.
Wir hatten Anträge für das Netz des Bundes und den
Digitalfunk gestellt. Auch dort haben wir noch einmal
eingespart, wohl wissend, dass wir in den nächsten Jah-
ren in diesen Bereich investieren müssen.

Auch bei der Ausstattung der Bereitschaftspolizei
der Länder – das war ein Anliegen des Bundesrech-
nungshofes – haben wir gespart. Es gibt allerdings genug
Querschnittsaufgaben, bei denen wir die Kosten nicht
vollständig deckeln können, sondern gut beraten sind,
die Länder zu unterstützen.

Ein Anliegen bezüglich Haushaltswahrheit und -klar-
heit war für uns die Flexibilisierung. Am einfachsten
wäre es natürlich – auch das Ministerium würde es gerne
so sehen –, wenn das Ministerium den Haushalt in
Gänze selbst aufstellen könnte, ohne dass wir bei einzel-
nen Positionen hineinreden können. Nichtsdestotrotz
sind Flexibilisierungen in Teilbereichen natürlich sinn-
voll; sie erleichtern die Verwaltungsarbeit. Hier haben
wir uns auf die Fahne geschrieben, die Dinge dort, wo es
notwendig und sinnvoll ist, einzuschränken.

Trotz der Kürzungen, die wir vorgenommen haben
– da widerspreche ich Ihnen, Herr Kollege Danckert,
ganz deutlich –, geben wir 67 Prozent des Haushalts für
das BMI für den Bereich der inneren Sicherheit aus.
Das sind 3,7 Milliarden Euro. Sie können also nicht be-
haupten, dass die eingesparten 110 Millionen Euro zu-
lasten der Sicherheit gehen. Das ist bei weitem nicht so.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Was ist mit der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt?)


Kollege Danckert hat es eben angesprochen: Der
Digitalfunk war Thema in mehreren Berichterstatterge-
sprächen, und wir hatten eine Menge Fragen in Bezug
auf Auftragsvergabe, Kosten und Struktur. Es gab hier
eine lange Vorgeschichte. Otto Schily hat den Digital-
funk als damals verantwortlicher Innenminister im
wahrsten Sinne des Wortes auf die falsche Schiene ge-
setzt. Die angestrebte Zusammenarbeit mit der Deut-
schen Bahn hat nicht funktioniert, und dadurch ist es zu
erheblichen Verzögerungen gekommen, insbesondere
bei der Aufarbeitung mit den Ländern. Die Beteiligung
der Länder ist nun einmal ein wesentlicher Faktor in die-
sem Bereich.

Ich bin froh, dass wir über den sogenannten König-
steiner Schlüssel zu einer Kostenverteilung gekommen
sind. Wir haben uns auch über die einzuführenden Stan-
dards unterhalten und sind dabei, die Ausgestaltung des
Kernnetzes voranzutreiben. Wir haben uns auf die An-
zahl der Vermittlungsstellen, Basisstationen und Endge-
räte festgelegt. Allerdings sage ich auch an dieser Stelle,
dass ich nicht glaube, dass es möglich ist, heute eine zu-
verlässige Aussage über die Kosten für ein Projekt zu
machen, das über mehr als zehn Jahre festgeschrieben
wird. Von daher wird es sicherlich noch Nachbesserun-
gen geben. Ich bin froh, dass wir auch Hinweise auf das
Ausschreibungsverfahren bekommen haben. Wir haben
daraufhin die Mittel entsperrt. Der Interimsbetrieb kann
demnächst eingestellt und in den Regelbetrieb überführt
werden. Das bedeutet eine Kostenersparnis von 7 Millio-
nen Euro im Monat.





Jürgen Herrmann


(A) (C)



(D)(B)

Herr Minister, ich finde Ihren Entschluss richtig, den
Digitalfunk vom Netz des Bundes abzukoppeln, weil wir
doch erhebliche Sicherheitsprobleme haben. Wir werden
in den nächsten Monaten noch einmal darüber diskutie-
ren und haben das auch mit Sperrvermerken belegt. Ich
bin mir aber sicher, dass dieses Projekt im Sinne einer
besseren Ausstattung der Behörden und Organisationen
mit Sicherheitsauftrag vor Ort äußerst wichtig ist.

Lassen Sie mich auch noch etwas zu Afghanistan sa-
gen. Ich begrüße es ausdrücklich, dass auf der Londoner
Konferenz Beschlüsse gefasst worden sind, die die Ar-
beit in Afghanistan auf militärischer, ziviler, aber eben
auch auf polizeilicher Ebene voranbringen. Deutschland
hat als Lead-Nation beim Aufbau der Polizei in Afgha-
nistan in den zurückliegenden Jahren sicherlich das eine
oder andere Problem gehabt. Aber wir sind bemüht, die-
ses Defizit aufzuarbeiten und stellen noch einmal zusätz-
liche 7,5 Millionen Euro für die deutsche Mission, aber
auch für EUPOL, wo 45 Beamte eingesetzt sind, zur
Verfügung.

Wir werden die Zahl der Ausbilder auf 200 steigern.
Das ist wichtig, damit die ANP, also die afghanische
Polizei, demnächst auch selber ausbilden und ihre Auf-
gaben übernehmen kann. Das geschieht an den drei
Standorten der Bundeswehr und in Kabul. Es ist ja nicht
so, dass wir nicht erfolgreich gewesen wären. Seit 2002
haben circa 30 000 afghanische Polizeioffiziere und -be-
amte die Ausbildung durchlaufen; das ist sicherlich eine
hohe Zahl. Wir haben uns das Ziel gesetzt, in den nächs-
ten drei Jahren noch einmal 15 000 zu schulen.

Wichtig ist, dass wir auch in diesem Bereich Hilfe zur
Selbsthilfe leisten. 500 afghanische Ausbilder sollen
demnächst die Arbeit der deutschen Ausbilder überneh-
men. Das Ziel, 80 000 Mann im Dienste der afghani-
schen Polizei zu haben, ist sicherlich wichtig. Die Um-
setzung des Focused District Development Program
erscheint mir auch erforderlich, damit wir in die Fläche
hinausgehen und diese Aufgabe vor Ort leisten können.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703104400

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Ströbele?


Jürgen Herrmann (CDU):
Rede ID: ID1703104500

Ja, bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege, Sie nennen Zahlen zum Polizeiaufbau
in Afghanistan. Ich war vor zehn Tagen dort und habe
auch mit den Polizeiausbildern in Kunduz und Masar-i-
Scharif gesprochen. Die Zahl von über 30 000 Beamten
oder Angestellten der Polizei in Afghanistan, die Sie ge-
nannt haben, versehe ich mit einem großen Fragezei-
chen. Ich frage Sie: Können Sie etwas dazu sagen, wo
die eigentlich geblieben sind? Wie viele sind nach Ihrer
Kenntnis oder der des Bundesinnenministeriums nach
wie vor als Polizisten in Afghanistan tätig und wo, und
wie viele von ihnen waren „Schwund“? Man spricht von
zwischen 30 und 50 Prozent. Entweder sind sie anschlie-
ßend zu Hause geblieben, oder sie haben sich bei ande-
ren afghanischen Sicherheitsbehörden verdingt oder sind
sogar zu den Taliban gegangen. Können Sie darüber
konkrete Auskunft geben? Nach dem, was mir dort ge-
sagt worden ist, gibt es derzeit eine afghanische Polizei
in Begleitung von deutscher Polizei in lediglich acht von
120 Distrikten und auch nur im Norden.


Jürgen Herrmann (CDU):
Rede ID: ID1703104600

Herr Ströbele, 30 000 ist die Zahl, die mir vom Innen-

ministerium genannt worden ist. Dabei handelt es sich
um Sicherheitskräfte, die geschult worden sind. Wo die
anderen geblieben sind, müssen Sie die afghanische Re-
gierung fragen; denn wir führen keine Personalakten.
Als Sie in Afghanistan waren, hätten Sie sicherlich die
Gelegenheit gehabt, mit den afghanischen Entschei-
dungsträgern zu sprechen.

Das Personalsystem in Afghanistan ist leider nicht so
ausgefeilt wie hier. Denken Sie an die Probleme, die da-
mals bei der Auszahlung des Lohnes aufgetreten sind.
Das kann nicht bargeldlos erfolgen, sondern da wird das
Geld direkt in die Hand gegeben. – Der eine oder andere
wird sicherlich abhandengekommen sein. Entscheidend
ist aber doch – das beantwortet auch Ihre Frage –: Es
geht nicht nur darum, wer von der Fahne gegangen ist.
Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass die Qualität
der Ausbildung, die wir zur Verfügung stellen, dazu
führt, dass weniger Polizeioffiziere oder -beamte in Af-
ghanistan getötet werden; denn wir haben im Bereich der
Polizei höhere Verluste als beim Militär. Wenn Sie nä-
here Informationen möchten, dann wird Ihnen die afgha-
nische Botschaft diese sicherlich zur Verfügung stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben viel über die Polizeibeamten gesprochen.
Ich möchte an dieser Stelle denjenigen meinen herzli-
chen Dank aussprechen, die ihren Dienst in Afghanistan
freiwillig versehen. Das ist nicht immer ganz leicht; das
sollte man an dieser Stelle unterstreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zum Schluss möchte ich noch auf ein Erfolgsrezept
zu sprechen kommen, das möglicherweise demnächst
sogar in China umgesetzt wird. Das hat mir zumindest
der Präsident der Organisation gesagt, die auch im In-
land ein sehr hohes Ansehen genießt. Ich spreche vom
THW. Wir können es tagtäglich verfolgen: Egal welche
Einsätze es wahrnimmt, ob der Einsturz des Stadtarchivs
in Köln, beim Wirbelsturm Nargis in Myanmar, beim
Erdbeben in China oder aktuell in Haiti und Chile, aber
auch die kleinen Hilfseinsätze vor Ort – all das wird in
Deutschland zur Kenntnis genommen. Es gibt ein hohes
Aufgabenspektrum.

Ich möchte an dieser Stelle lobend erwähnen, dass wir
in diesem Bereich 80 000 ehrenamtliche Helfer haben;
dem stehen lediglich 800 hauptamtliche Helfer gegen-
über. Ich glaube, wenn man weiß, welche Arbeit von
ihnen geleistet wird, dann kann man das gar nicht hoch
genug schätzen. In den 668 Ortsverbänden wird her-





Jürgen Herrmann


(A) (C)



(D)(B)

vorragende Arbeit geleistet. Der Haushalt, der mit
178 Millionen Euro veranschlagt ist und noch einen klei-
nen Aufwuchs erfahren hat, ist damit sehr gut aufge-
stellt, insbesondere unter dem Aspekt, dass nur
25 Prozent des Etats für Personalausgaben eingestellt
worden sind.

Auf den Bereich Sport gehe ich nur noch am Rande
ein; der eine oder andere Kollege wird dazu bestimmt
gleich Stellung nehmen. Es ist ein wichtiges Thema, ins-
besondere nach den Winterspielen in Vancouver, aber
auch im Hinblick auf die Paralympics, die derzeit statt-
finden. Ich wünsche unseren Athletinnen und Athleten
alles Gute und auch, dass sie noch viele Medaillen errin-
gen. Das wird für die Zukunft wichtig sein; denn der Er-
folg hängt eng mit der Bewerbung Münchens zusam-
men. Wenn wir uns in der Welt gut präsentieren, wird die
Chance, dass wir die Olympischen Winterspiele 2018
nach München holen, sicherlich steigen.

Ich weiß, dass wir in Zukunft sparen müssen – wir
werden in diesem Jahr noch über die Haushaltsaufstel-
lung für das Jahr 2011 diskutieren –, wenn wir die im
Grundgesetz verankerte Schuldenbremse einhalten
wollen. Das wird nicht einfach; aber ich bin der festen
Überzeugung, dass wir dies in gemeinsamer Arbeit auch
mit dem Bundesinnenministerium bewerkstelligen kön-
nen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703104700

Für die Fraktion Die Linke hat nun das Wort der Kol-

lege Jan Korte.


(Beifall bei der LINKEN)



Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703104800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir reden über den Einzelplan 06 mit einem Volumen
von ungefähr 5,6 Milliarden Euro. Es geht um den Haus-
halt des Bundesministeriums des Innern. Deswegen ver-
wundert es nicht, das zwei Drittel der Mittel für die in-
nere Sicherheit vorgesehen sind. Ich kann hier und heute
nicht über die gesamte verfehlte Innenpolitik der letzten
Jahre referieren und will mich deshalb auf die besonders
verfehlten Punkte Ihrer Innenpolitik konzentrieren.

Man sieht dem Haushaltsentwurf an, dass mitnichten
eine Änderung der Innenpolitik verfolgt wird, obwohl
die FDP das angekündigt hat. Vielmehr wird fortgesetzt,
was Schäuble und vorher Schily an Akzenten in der In-
nenpolitik gesetzt haben. Es gibt keine Kurskorrektur in
der Innenpolitik, auch nicht mit der FDP in der Regie-
rung. Das finden wir natürlich sehr schade. Namens des
Kampfes gegen den internationalen Terrorismus wird
auch mit diesem Haushalt eine Politik fortgesetzt, die
erstens auf Aufrüstung im Bereich der inneren Sicher-
heit, zweitens auf Zentralisierung und drittens auf Mili-
tarisierung der Innenpolitik setzt. Das kritisieren wir als
Linke grundsätzlich. Eine Umkehr in der Innenpolitik
wäre dringend nötig gewesen.


(Beifall bei der LINKEN)

Statt Unsummen in neue technische Überwachungs-
maßnahmen – Stichwort: Nacktscanner – zu stecken,
wäre es vielleicht ratsam gewesen, mehr in Personal zu
investieren. Sie haben das auf unsere Kleine Anfrage hin
ja auch eingestanden. Wenn wir über öffentliche Sicher-
heit, zum Beispiel an Flughäfen, reden, dann müssen wir
natürlich auch darüber reden, dass in diesem Bereich in
den letzten Jahren massiv privatisiert wurde. Eine Tätig-
keit wie die Fluggepäckkontrolle, die früher insbeson-
dere von Beamtinnen und Beamten – gut ausgebildet, im-
mer wieder geschult und vor allem vernünftig bezahlt –
erledigt wurde, wird jetzt von privaten Dienstleistern zu
Dumpinglöhnen ausgeübt. Das kann nicht sein. Hier
wäre eine Umkehr nötig gewesen. Wir brauchen mehr
Staat bei der Sicherheit und keine Dumpinglöhne; denn
das führt zu weniger Sicherheit. Von einer solchen Um-
kehr ist in diesem Haushaltsentwurf aber nichts zu se-
hen.


(Beifall bei der LINKEN)


Da wir immer differenzierte Sachpolitik machen, be-
grüßen wir ausdrücklich, dass es im Etat des Bundesbe-
auftragten für den Datenschutz einen gewissen Auf-
wuchs bei den Mitteln gibt. Das ist erst einmal
erfreulich. Trotzdem – das gehört zu einer differenzier-
ten Betrachtung natürlich dazu – steht das in überhaupt
keinem Verhältnis zu den Skandalen und Sauereien, die
wir im privaten Bereich in den letzten Monaten in der
Wirtschaft vernommen haben. Wir hätten es für sinnvoll
befunden, hier deutlich mehr Mittel einzusetzen, damit
der Bundesdatenschutzbeauftragte in Zusammenarbeit
mit seinen Länderkollegen auch einmal die staatliche
Sammelwut stärker in den Fokus nehmen könnte. Das ist
in der Tat zu wenig. Aber immerhin: Ein wenig mehr
gibt es.

Was ich an dem Haushaltsentwurf noch ganz span-
nend finde: Ich habe mir das FDP-Wahlprogramm ange-
schaut,


(Gisela Piltz [FDP]: Sehr gut!)


und ich habe mir den Koalitionsvertrag noch einmal an-
geschaut; man bereitet sich vernünftig vor. Groß ange-
kündigt wurde – das ist interessant – die Bundesstiftung
Datenschutz. Die wollten Sie; die haben Sie immer wie-
der propagiert. Im Haushaltsentwurf findet man 0 Cent
dafür. 0 Cent sind für dieses Projekt angesetzt.


(Gisela Piltz [FDP]: Was noch nicht beschlossen ist, braucht auch kein Geld, oder?)


– Kollegin Piltz, vielleicht sagen Sie uns nachher einmal,
was aus diesem spannenden Projekt werden soll.

Ich möchte einen dritten Punkt zum Datenschutz kurz
ansprechen. Nach dem Karlsruher Urteil zur Vorrats-
datenspeicherung, die Sie nicht zu verantworten haben
– das muss man der Fairness halber dazusagen –, wäre es
an der Zeit gewesen, einmal innezuhalten, in sich zu ge-
hen und zum Beispiel bei ELENA, der Vorratsdatenspei-
cherung für Sozialdaten, das Stoppzeichen zu setzen und
dieses Vorhaben auf Eis zu legen. Wir fordern ein Mora-
torium für diese Massenspeicherung von Sozialdaten.
Zum Glück haben schon 8 000 Leute Klage eingereicht.





Jan Korte


(A) (C)



(D)(B)

Stoppen Sie dieses Großprojekt! Es wird im Zweifel
wieder kassiert werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungs-
schutz, Herr Fromm, hat noch einmal begründet, warum
man die Linke unbedingt weiter beobachten sollte.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Ja!)


Das wäre in der Tat ein ganz praktisches Einsparpoten-
zial von mehreren Millionen Euro. Das würden wir so-
fort mittragen.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Die Linke einsparen! Da machen wir sofort mit! Die Linke einzusparen, darauf können wir uns sofort einigen!)


Die Linke macht nicht ständig verfassungswidrige Ge-
setze, was Sie in den letzten Jahren gemacht haben, um
das einmal klar zu sagen. Stoppen Sie die Überwachung
der Linken. Das ist eine antidemokratische Methode der
politischen Auseinandersetzung.


(Beifall bei der LINKEN)


Noch ein Punkt, den ich ansprechen möchte: Wir re-
den hier über innere Sicherheit. Wenn man wirklich et-
was für die öffentliche Sicherheit in diesem Land tun
möchte, wäre ein verstärkter Kampf gegen den Rechts-
extremismus vonseiten der Bundesregierung ange-
bracht.


(Gisela Piltz [FDP]: Aber wenn Linke Autos anzünden, ist das in Ordnung?)


In diesem Bereich herrscht aber völlige Fehlanzeige.
Das kann man daran erkennen, dass die Bundesregie-
rung weder die Statistiken ihrer eigenen staatlichen Stel-
len zur Kenntnis nimmt noch auf Opferverbände hört
und auch nicht zur Kenntnis nimmt – das hat die Amadeu-
Antonio-Stiftung gerade veröffentlicht –, dass seit 1990
in diesem Land 149 Menschen von Rechtsextremisten
ermordet worden sind. Das wäre doch ein Grund gewe-
sen, endlich aufzuwachen. Stattdessen schwafeln Sie
von einem völlig unbelegten Extremismusbegriff. Sie
haben keine Ahnung, was in einigen Gegenden in die-
sem Land abgeht. Hier wäre eine Umkehr nötig.


(Beifall bei der LINKEN)


Deswegen fordern wir für das nächste Jahr mit Blick
auf die Mittel für die Bundesprogramme, dass Sie umkeh-
ren. Sie sollten die vielen Organisationen, die in diesem
Land eine hervorragende Arbeit machen, nicht immer
wieder verunsichern, ob sie ihre Projekte weiterfinanzie-
ren können, sondern endlich eine Garantie geben, dass
diese Projekte dauerhaft auf einem hohen Level finanziert
werden. Unsere Anerkennung haben diese Organisatio-
nen, die alltäglich gegen Rassismus und Antisemitismus
kämpfen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich komme zu einem weiteren grundsätzlichen Punkt.
Das BMI ist ja jetzt auch für Ostdeutschland zuständig.
Ich sage das, weil das noch keiner mitbekommen hat.
Hierzu mehrere Hinweise: Immer noch werden in Ost-
deutschland geringere Löhne gezahlt. Das bedeutet vor
allem eine Abwanderung von jungen Menschen aus Ost-
deutschland. Ich erlebe das täglich in meinem Wahlkreis.
Dies führt wiederum zu einem Ausbluten der ehrenamt-
lichen Strukturen, zum Beispiel beim THW und in ande-
ren wichtigen Bereichen des Katastrophenschutzes.
1,7 Millionen Menschen in Ostdeutschland leben von
Hartz IV. Jedes vierte Kind in Ostdeutschland wächst
unter Armutsbedingungen auf.

Der für Ostdeutschland zuständige Minister sagt dazu
nichts. Der Vorschlag im Innenausschuss war, eine Ar-
beitsgruppe zu bilden und darüber zu diskutieren; das
kann man im Protokoll nachlesen. Das ist, finde ich, et-
was wenig. Vom zuständigen Minister, von dieser Bun-
desregierung kommt zum Thema Ostdeutschland über-
haupt nichts: null Ansage, null Plan, keine Idee, am
besten gar nicht darüber sprechen.

In dem Zusammenhang würde mich interessieren – Sie
reden ja gleich noch, Herr Minister –, was Sie zu den ge-
planten Kürzungen der Förderungen im Solarbereich
sagen. Denn das ist insbesondere für Ostdeutschland
schlecht. In Bitterfeld-Wolfen in meinem Wahlkreis sind
die Industriearbeitsplätze, die in den letzten Jahren ent-
standen sind, allesamt in der Solarbranche entstanden.
Mich würde interessieren, was der für Ostdeutschland zu-
ständige Minister von diesen Plänen der Koalition hält.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Vielleicht sollten Sie Ihren Kollegen Seehofer unterstüt-
zen, der fordert, dass man diese Kürzungen so nicht
durchführt.

Wenn man über Ostdeutschland redet, ist ein weiterer
Punkt, den ich mir angesehen habe, interessant. Es geht
bei diesem Gesamthaushalt um Milliardenbeträge; da
fallen 2 Millionen Euro nicht besonders auf. Wenn man
in den Kommunen bis dato 2 Millionen Euro zur Förde-
rung von ostdeutschen Sportstätten hatte, dann ist das
in der Gesamtsumme nicht viel, aber für die einzelne
Kommune, die einen Bolzplatz für Jugendliche und für
Kinder und einen Sportplatz für den Breitensport unter-
hält, ist das sehr viel. Dass Sie ausgerechnet diese
2 Millionen Euro wegkürzen, können wir nicht verste-
hen. Das werden wir auch nicht akzeptieren.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Peter Danckert [SPD]: Das hat er ja gar nicht gewusst!)


Das kann nicht sein, wenn man sich ansieht – ich habe
mir die Zahlen heute herausgesucht –, dass 60 Prozent
der Sportstätten in Ostdeutschland sanierungsbedürftig
sind. Man sollte diesen „Goldenen Plan Ost“ aufstocken,
damit es auch für Kommunen im Westen Mittel gibt und
die Kommunen im Osten weiterhin Mittel bekommen.
Das wäre eine richtige Politik. Dass Sie ausgerechnet
diese 2 Millionen Euro wegkürzen, ist absurd.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Erbärmlich!)


Das zeigt deutlich, was Sie für Ostdeutschland übrig ha-
ben, nämlich überhaupt nichts.





Jan Korte


(A) (C)



(D)(B)

Letzter Punkt, den ich ansprechen möchte. Der Ein-
zelplan 06, der darstellt, wie Sie sich die Innenpolitik der
nächsten Monate weiter vorstellen, setzt die Politik des
Abbaus der Grundrechte fort, hat null Interesse an Ost-
deutschland, hat null Ideen für Ostdeutschland. Zur Be-
kämpfung des Rechtsextremismus, die eigentlich ein ge-
samtgesellschaftliches Projekt sein sollte von der
Zivilgesellschaft bis in den Bundestag und die Bundesre-
gierung, ist von Ihnen überhaupt nichts zu hören. Sie
verharmlosen und nehmen nicht zur Kenntnis. Deswe-
gen lehnt die Linke auch diesen Einzelplan aus tiefstem
Herzen und aus tiefster Überzeugung ab. Wir fordern
eine Umkehr in der Innenpolitik.

Auf die FDP kann man in der Tat leider gar nicht set-
zen. Sie haben bis jetzt nichts durchbekommen. Das
erste Projekt, bei dem Sie eine Umkehr hätten erreichen
können, war SWIFT. Sie hatten keine Chance, das
durchzusetzen.


(Gisela Piltz [FDP]: Haben wir darüber nie abgestimmt?)


Ich bin gespannt, was Sie im Bereich der Vorratsdaten-
speicherung machen. Frau Leutheusser-Schnarrenberger,
wir werden Sie in Ihrem Kampf gegen Ihren eigenen Ko-
alitionspartner auf jeden Fall unterstützen.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Die Freude ist unübersehbar!)


Wenn Sie eine Vorratsdatenspeicherung insgesamt ver-
hindern wollen, haben Sie unsere volle Unterstützung.
Ich hoffe, dass Sie sich durchsetzen werden.

In diesem Sinne wünsche ich noch eine spannende
Debatte.


(Beifall bei der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703104900

Nächster Redner ist der Kollege Florian Toncar für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Florian Toncar (FDP):
Rede ID: ID1703105000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

glaube, der Einzelplan 06 in der jetzigen Fassung ist ein
gutes Gesamtkunstwerk. Er zeigt, dass man intelligent
sparen kann, dass es möglich ist, innere Sicherheit zu ge-
währleisten, gleichzeitig den Datenschutz zu stärken und
auch einen Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaus-
halts zu leisten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Kollege Danckert, ich werde nicht müde zu sagen: Es
kann nicht angehen, auch nicht für eine Oppositionsfrak-
tion, dass die SPD in Gestalt des Kollegen Schneider am
Dienstag sagt, wir würden zu wenig sparen, dass Sie,
wenn wir es tun, aber am Donnerstag derjenige sind, der
genau das kritisiert.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das ist inkonsequent. Sprechen Sie in Ihrer Fraktion mit-
einander, und verhalten Sie sich in dieser Hinsicht ein
wenig konstruktiver.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Das ist ein Sonderthema!)


– Kollege Danckert, aus Sicht der Fachpolitiker gibt es
fast nur Sonderthemen.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Ich glaube, dass wir hier eine andere Denkweise brau-
chen. Es geht nicht um die Frage „Wie viel?“, sondern es
geht um die Frage: Was wird mit dem Geld gemacht,
und was wird mit dem Geld erreicht?


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Es geht auch um die Frage, wo es gemacht wird!)


Sicherheit ist für diese Koalition kein Selbstzweck.
Sie ist kein Spielfeld, auf dem man mit Symbolik operie-
ren kann. Sicherheit eignet sich auch nicht für Spiele mit
den Ängsten der Bürger, sondern sie dient der Verwirkli-
chung der Freiheit der Bürger, sie dient unserer freiheit-
lichen Ordnung.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Eben!)


Diesen modernen Sicherheitsbegriff vertreten wir.
In diesem Sinne kümmern wir uns auch nicht darum, uns
neue Gesetze, Eingriffsbefugnisse oder Überwachungs-
maßnahmen auszudenken, sondern wir tun ganz prakti-
sche Dinge.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Personal einsparen!)


– Kollege Danckert, wir haben keine Stellen eingespart,
wie Sie es gesagt haben.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Doch!)


Wir haben lediglich Personalkosten, die nicht benötigt
werden, eingespart,


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Lediglich?)


aber Stellen ausdrücklich nicht. Es gibt im Haushalt eine
pauschale Stelleneinsparung, von der der gesamte Be-
reich der Sicherheit ausgenommen ist. Ich glaube, das
wissen Sie auch. Deswegen sollten Sie hier nichts von
Stelleneinsparungen erzählen.

Wir tun andere Dinge. Wir bringen nun endlich ein
Projekt auf den Weg, das im Grunde eine Altlast ist – der
Kollege Herrmann hat es schon angesprochen –: den
BOS-Digitalfunk. Unsere Sicherheitsbehörden brau-
chen diese modernen Funksysteme; das ist völlig unbe-
stritten.


(Gisela Piltz [FDP]: Genau!)


Es ist allerdings ziemlich ernüchternd, festzustellen, wie
weit wir bei diesem Projekt bisher sind und was alles
noch aussteht. Dieses Projekt hat diese Koalition geerbt.
Jetzt kümmern wir uns darum, dass die Sicherheitsbe-
hörden mit einem entsprechend guten Digitalfunk aus-
gestattet werden.





Florian Toncar


(A) (C)



(D)(B)


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Ja! Von Herrn Schäuble geerbt! – Dr. Peter Danckert [SPD]: Wer war denn damals zuständig? Da war doch Herr Schäuble zuständig! – Gegenruf der Abg. Gisela Piltz [FDP]: Wer hat denn damals den Handschlag gegeben? Das war doch Herr Schily!)


– Womöglich, Kollege Danckert, hat dieses ganze Miss-
management auch unter Beteiligung Ihrer Fraktion statt-
gefunden; aber sei es drum.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sollten den Blick nach vorne richten. Natürlich
gibt es einige Bereiche, in denen wir Haushälter erwar-
ten, dass das Management besser wird. Herr Minister, es
muss zum Beispiel ermöglicht werden, dass Erfahrun-
gen, die dort, wo Digitalfunksender bereits installiert
sind, gemacht werden – beispielsweise ob die Dichte der
installierten Anlagen ausreicht, um die Netzabdeckung
zu gewährleisten, oder nicht –, sofort in die Planungsver-
fahren in ganz Deutschland eingearbeitet werden, damit
es hier nicht zu weiteren Verzögerungen oder unange-
nehmen Überraschungen kommt. Das Management in
diesem Bereich kann und muss noch besser werden.

Außerdem müssen wir alle Bundesländer ermuntern
– ich glaube, hier sind wir uns einig –, das Ihre dazu bei-
zutragen, dass diese Anlagen installiert werden können.
Die Situation ist von Bundesland zu Bundesland sehr un-
terschiedlich. Ich glaube, auch hier gibt es Defizite. Mit
den Bundesländern, die in diesem Bereich Nachholbedarf
haben, werden wir deutlicher reden müssen, als es bisher
der Fall gewesen ist.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Mit dem Freistaat Bayern!)


Das sind im Übrigen Punkte, an denen man etwas Kon-
kretes für die Sicherheit tun kann, ohne ständig neue Ge-
setze auf den Weg zu bringen, die eher eine symbolische
Bedeutung haben.

Die Polizeiausbildung in Afghanistan ist bereits an-
gesprochen worden. Ich glaube, das ist eine besonders
wichtige Aufgabe. Ich kann mich dem Dank des Kolle-
gen Herrmann an die Beamten, die dort tätig sind, nur
anschließen und das Ministerium bitten, weiterhin da-
rauf zu achten – ich weiß, Sie tun das –, dass diejenigen,
die sich für diese schwierige Aufgabe zur Verfügung ge-
stellt haben, auch Vorteile davon haben, wenn sie wieder
in Deutschland sind, und zwar nicht nur in materieller
bzw. finanzieller Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf
ihre Laufbahn.

Wir werden 100 neue Ausbilder für die Polizeiausbil-
dung in Afghanistan bereitstellen und damit endlich die
internationalen Verpflichtungen erfüllen, die Deutsch-
land schon vor Jahren eingegangen ist. Das ist ja keine
neue Aufgabe für Deutschland, sondern etwas, was ei-
gentlich schon vor Jahren hätte geschehen müssen, aber
nicht geschehen ist. Es wird also etwas nachgeholt. Auch
hier hat diese Koalition ganz konkrete Verbesserungen
erzielen können.
Darüber hinaus stärken wir den Datenschutz. Kol-
lege Korte, die Stiftung Datenschutz wird gegründet; das
ist fest vereinbart. Da Sie diese Stiftung so vehement ge-
fordert haben, rechne ich damit, dass Sie an dem Tag, an
dem wir sie einrichten – das ist in Arbeit –,


(Jan Korte [DIE LINKE]: Kriege ich dann eine Einladung?)


nicht nur eine Einladung bekommen, sondern dass Sie
uns, da Sie ja – wie wir Sie kennen – eine ganz konstruk-
tive Opposition sind,


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Na ja!)


auch loben werden, sobald wir dieses Vorhaben in die
Tat umgesetzt haben. Damit rechne ich, wie gesagt, fest
und freue mich bereits auf diesen Tag.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Wann denn? Nur zum Vormerken!)


Wir haben auch die Stellung des Bundesdaten-
schutzbeauftragten gestärkt; das hatte die FDP übri-
gens schon in den vergangenen Haushaltsberatungen ge-
fordert.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Wir auch!)


Der EuGH hat geurteilt, dass die Stellung des Daten-
schutzbeauftragten so angelegt sein muss, dass dessen
Unabhängigkeit sichergestellt ist. Wir werden uns überle-
gen müssen, Herr Minister, wie wir die Unabhängigkeit
des Bundesbeauftragten für den Datenschutz so gewähr-
leisten können, dass erfüllt wird, was das europäische
Recht von Deutschland fordert.

Etliche Projekte im Haushalt haben eine hohe Daten-
schutzrelevanz. Ich erwähne den elektronischen Perso-
nalausweis.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Der soll doch nicht kommen! Sagen Sie einmal ein klares Wort dazu: Kommt er, oder kommt er nicht? Gilt das, was Frau Piltz gesagt hat, oder nicht?)


Wir haben an dieser Stelle, wie die FDP das immer
wollte, dafür gesorgt, dass die Öffentlichkeitsarbeit auf
das beschränkt wird, was nötig ist, nämlich eine sachli-
che Information.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben erklärt, Sie wollen ihn gar nicht, zehn Jahre lang gar nicht, und nun: sachliche Information!)


– Kollege Wieland, ich darf Sie darauf hinweisen – nur
dass Sie auf dem Informationsstand eines Haushälters
sind –: Die Grünen – fragen Sie Ihren Kollegen! – woll-
ten, dass wir 3,5 Millionen Euro streichen. Wir haben
4 Millionen Euro gestrichen.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Herr Toncar, Sie haben 5 Millionen Euro gestrichen!)


Wir sind also über das, was die Grünen in ihrem Antrag
gefordert haben, hinausgegangen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abgeschrieben!)






Florian Toncar


(A) (C)



(D)(B)

Insofern dürfte sich Ihr Zwischenruf an dieser Stelle in
der Sache erledigt haben. Informieren Sie sich, sprechen
Sie miteinander! Wir haben mehr gemacht, als die Grü-
nen beantragt haben.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abgeschrieben von uns! – Gegenruf der Abg. Gisela Piltz [FDP]: Und dann heißt es: abgeschrieben! Was denn nun?)


Sie sollten uns loben, statt uns Vorwürfe zu machen!


(Zurufe des Abg. Dr. Peter Danckert [SPD])


– Kollege Danckert, es ist ja schön, dass ich Sie so he-
rausfordere. Aber ich darf Sie darauf hinweisen: Dass
der elektronische Personalausweis kommt, steht im Ge-
setz. Das hat nicht die FDP beschlossen, das haben an-
dere Mehrheiten beschlossen.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Dann ändern Sie es! Sie könnten es jetzt ändern!)


Es ist bemerkenswert, dass Sie das uns vorwerfen. Wir
haben natürlich bestimmte Anforderungen an den elek-
tronischen Personalausweis. Deswegen sagen wir: Da
muss nachgesteuert werden. Mit einer absoluten Mehr-
heit würden wir über den elektronischen Personalaus-
weis vielleicht anders entscheiden. Aber wir sind eine
Rechtsstaatspartei; deswegen müssen wir, ob es uns ge-
fällt oder nicht, durchführen, was Sie ins Gesetz ge-
schrieben haben.


(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Wenn Sie eine Rechtsstaatspartei sind, dann müssen Sie es ändern!)


Dabei will ich nicht verhehlen, dass wir als FDP an die-
ser Stelle etwas anderes gemacht hätten.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Es gibt im Bereich Datenschutz weitere Aufgaben.
Weil meine Redezeit fast abgelaufen ist, will ich nur
noch das Projekt Arbeitnehmerdatenschutz anspre-
chen. Wir wollen den Arbeitnehmerdatenschutz stärken.
Das ist ein Projekt, das die FDP-Fraktion mit hoher Prio-
rität verfolgt.

Nachbesserungsbedarf sehen wir auch beim Thema
ELENA. Auch dort gibt es Entwicklungen, die wir mit
einarbeiten müssen, wie das aktuelle Urteil des Bundes-
verfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung.

Es gibt im Bereich Datenschutz also noch viele
Dinge, die diese Koalition aus Sicht der FDP-Fraktion
anpacken muss.

Insgesamt bietet der Haushalt die Grundlage dafür,
dass wir innere Sicherheit und Datenschutz sowie die
Rechte und Freiheiten der Bürger gut miteinander in
Einklang bringen können. Wir werden dem Haushalt
selbstverständlich zustimmen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LINKE]: Voll inkonsequent!)


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703105100

Wolfgang Wieland für die Fraktion Bündnis 90/Die

Grünen ist der nächste Redner.


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703105200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Kollege Herrmann, Herr Kollege Toncar, ich bin Ihnen
richtig dankbar. Ich habe gestern zugehört, als die Kanz-
lerin geredet hat. Sie sprach von der „Herkulesaufgabe“,
den Haushalt zu sanieren. Der Bundesfinanzminister
kündigte an, er wolle das Steuer radikal in Richtung Spa-
ren herumreißen.

Ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Wo denn eigent-
lich? Wo sind die Sparschritte? Nun haben Sie mich auf-
geklärt, Herr Kollege Herrmann, dass wir sie hier finden,
dass die 110 Millionen Euro, die Sie als Haushälter ge-
genüber dem Ansatz des Ministeriums eingespart haben,
der entscheidende Schritt seien. Wie soll das sein ange-
sichts der 80 Milliarden Euro – wir rechnen sogar mit
100 Milliarden Euro –, die der Haushalt diesmal in die
Miesen geht?


(Zurufe der Abg. Gisela Piltz [FDP])


– Frau Piltz, zu Ihnen komme ich noch in aller Ausführ-
lichkeit.

Diese Regierung, diese Koalition verhält sich wie ein
Automobilkonzern, der ankündigt, dass er neue Sparmo-
delle vorstellt. Dann zieht der Vorstandsvorsitzende am
Vorhang, und da stehen die alten Spritschleudern mit
neuen Chromleisten. Auf Fragen sagt er: Die Sparmo-
delle kommen nächstes Jahr. Auf die Frage, ob er nicht
einen Prototyp oder wenigstens eine Skizze hat, sagt er:
Die Skizze kommt im Mai; denn dann haben wir die
neueste Ölpreisschätzung. So glauben Sie sich drücken
zu können vor der Aussage, wo Sie denn sparen wollen


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wo sind denn die Sparvorschläge der Opposition, der Grünen? Legen Sie mal welche vor!)


und was das denn bedeutet für die innere Sicherheit. Tun
Sie hier doch nicht so, als ob Sie wirklich konsolidieren
und dabei den Bereich innere Sicherheit ausnehmen
könnten. Sämtliche Bundesländer haben immer, sozusa-
gen litaneiartig, erklärt: An der inneren Sicherheit wird
nicht gespart. – Genau das haben Sie getan, und Sie wis-
sen es auch. Sie versuchen, die Stunde der Wahrheit vor
sich herzuschieben. Diese Stunde wird aber kommen.
Dann werden wir sehen, was diese Koalition zu leisten
in der Lage ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit diesem „Ab morgen wird gespart, und darauf gebe
ich heute noch einen aus“ können Sie uns nicht überzeu-
gen, selbst wenn wir uns – und das tun wir – über mehr
Mittel für den Datenschutzbeauftragten freuen und wenn
wir auch sagen, für die Polizei im Ausland müsse mehr
getan werden. Das alles ist ja richtig, aber das ist nicht
die Herkulesaufgabe, von der die Kanzlerin geredet hat.





Wolfgang Wieland


(A) (C)



(D)(B)

Geld auszugeben, ist einfach,


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Darin sind die Grünen gut!)


Geld einzusparen, ist es nicht. Hier hören wir bisher nur
Rhetorik. Wir hören auch nur rhetorische Girlanden hin-
sichtlich der angekündigten bürgerrechtlichen Wende.
Das hat Ihre Fraktionsvorsitzende Homburger gestern ja
gesagt: Wir balancieren Freiheit und Sicherheit neu aus. –
Wo geschieht das denn?


(Jan Korte [DIE LINKE]: Richtig!)


Erstes Beispiel. Die Kollegin Piltz hat nicht etwa er-
klärt: „Wir informieren jetzt korrekt und objektiv über
den E-Personalausweis“, sondern sie hat in der Neuen
Osnabrücker Zeitung gesagt: Wir wollen ihn für ganze
zehn Jahre bis 2020 aussetzen. – Die Internetgemeinde
hat gleich Hurra gebloggt und geschrieben: Deswegen
haben wir die FDP gewählt. – Ja, und was machen Sie
heute? Sie heben heute die Hand für mehr Planstellen
beim Bundesverwaltungsamt, für Forschung auf dem
Gebiet der Biometrie und für eine abgespeckte staatliche
Propagandaoffensive hinsichtlich dieses E-Personal-
ausweises. Das ist angewandte Schizophrenie. Sie reden
von einem Unsicherheitspapier und bewilligen das Geld
dafür.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Das zweite Beispiel, das BKA-Gesetz, wurde hier
auch schon angesprochen. Herr Toncar sagt stolz: Die
Planstellen, die wir dafür vorgesehen haben, wird es ge-
ben. – Für die neue Aufgabenwahrnehmung werden es
dann insgesamt 130 Planstellen mehr beim Bundeskri-
minalamt sein – allesamt für Befugnisse, die die FDP be-
kämpft hat und gegen die die FDP durch ihre famosen
Vertreter Baum und Hirsch – leider nicht mehr ganz ak-
tuell, aber immer noch famos – in Karlsruhe vor Gericht
zieht.


(Gisela Piltz [FDP]: Das müssen wir zurückweisen! Sie sind noch sehr aktuell!)


Diese Methode von Ihnen, sowohl auf Klägerseite als
auch auf Beklagtenseite zu sein, soll jetzt offenbar die
ständige Praxis werden. Forensisch können Sie damit
nur gewinnen, weil Sie auf beiden Seiten sind. Hinsicht-
lich der Glaubwürdigkeit verlieren Sie aber, und zwar ra-
sant.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Frau Kollegin Piltz, das muss ich Ihnen hier so sagen,
weil Sie uns hier jahrelang erklärt haben, welche Versa-
ger die Grünen auf bürgerrechtlichem Gebiet sind.


(Zuruf von der FDP: Haben Sie es denn verstanden?)


Sie haben mit Frau Leutheusser-Schnarrenberger ge-
radezu darum gerangelt – das ist noch kein Jahr her –,
wer vor den Booten der Piratenpartei vor dem Schöne-
berger Rathaus die Seeräuber-Jenny spielen darf, ob Sie
oder Frau Leutheusser-Schnarrenberger. Ja, das ist noch
kein Jahr her. Jetzt müssen die Gondeln der FDP Trauer
tragen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir tun das allerdings nicht. Wir halten es mit Lothar
de Maizière, der heute Freiligrath zitiert hat:

Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht. – Unser
die Welt trotz alledem.

Das wird heute um 15 Uhr vor dem Brandenburger Tor
gesungen werden, und wir werden hier im Herbst wieder
eine Demonstration „Freiheit statt Angst“ von den vielen
erleben, die diese Wende erzwingen wollen und die mit
dem, was Sie bisher geboten haben, wirklich nicht zu-
frieden sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Otto Fricke [FDP]: Kein einziger Vorschlag!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703105300

Nun hat der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas

de Maizière, das Wort.

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Das Hohe Haus, die Mitglieder des Haushalts-
ausschusses, hat sich bei meinen Mitarbeitern und mir
für die professionelle Zuarbeit bedankt. Ich will das
gerne zurückgeben und mich für die konstruktive und
professionelle Beratung dieses Einzelplans sehr herzlich
bedanken.

Herr Abgeordneter Danckert, damit hier kein Miss-
verständnis aufkommt: Dazu gehört auch, dass sämtliche
Anträge, die die Koalition beschlossen hat, dass sämtli-
che Beschlüsse vorab mit mir besprochen worden sind.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Am Donnerstagmorgen!)


– Nein, nein, ehrlich gesagt: Wann wir das besprechen


(Gisela Piltz [FDP]: Das ist Datenschutz!)


– vielen Dank –, das ist Datenschutz.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Richtig ist, dass alle Ressorts eine Kürzungsauflage
von 2 Prozent erhalten haben. Wir sind hier ja unter uns:
Ich kann Ihnen verraten, dass wir als Exekutive uns auch
überlegt haben, wo diese 2 Prozent so einzusparen sind,
dass die Aufgabenerfüllung gerade nicht beeinträchtigt
wird. Im Bereich des Personalhaushalts der Bundes-
polizei ist es zum Beispiel so,


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Ihr Haushalt hat doch einen Zuwachs gehabt!)


dass der Abstand zwischen den Soll-Ausgaben und den
Ist-Ausgaben der vergangenen Jahre es ermöglicht, die
von Ihnen genannte Summe einzusparen, ohne dass eine





Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern


(A) (C)



(D)(B)


Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
einzige Stelle gestrichen, ohne dass die öffentliche Si-
cherheit ein einziges Mal gefährdet und ohne dass die
Bundespolizei auch nur im Ansatz in ihrer Aufgaben-
erfüllung beeinträchtigt wird. Es handelt sich um eine
Einsparung von Soll-Ausgaben, die die öffentliche Si-
cherheit nicht gefährdet. Deswegen habe ich dem zuge-
stimmt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Am Schluss meiner Rede werde ich auf einen Punkt
zu sprechen kommen, bei dem ich anderer Meinung war.
Es geht dabei um den Goldenen Plan Ost, über den wir
im Ausschuss auch gesprochen haben.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703105400

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Danckert?

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Gern.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703105500

Bitte sehr.


Dr. Peter Danckert (SPD):
Rede ID: ID1703105600

Herr Bundesminister, trifft es zu, dass der von Ihnen

vorgelegte Einzelhaushalt keine Einsparungen, sondern
einen Aufwuchs von 75 Millionen Euro aufwies? Wie
lässt sich das mit Ihrer Aussage vereinbaren, auch Sie
hätten Einsparauflagen gehabt? Ihr Haushalt ist doch um
75 Millionen Euro höher als der alte. Das sind keine Ein-
sparungen, sondern zusätzliche Ausgaben. Ich verstehe
Ihre Aussage deshalb nicht.

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Herr Danckert, der Haushalt, den wir eingebracht ha-
ben, beinhaltete einen Aufwuchs.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Genau!)


Manches davon waren auch Einmaleffekte oder Ähnli-
ches. Er beinhaltete auch Verringerungen, da im letzten
Jahr Bundestagswahlen waren; das habe ich in der ersten
Lesung vorgetragen. Dann hat der Haushaltsausschuss
– wie bei allen anderen Ressorts – entschieden, dass
2 Prozent eingespart werden müssen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Gegenüber dem Regierungsentwurf!)


Dazu kommen noch die Stelleneinsparungen. Wir haben
das so verträglich umgesetzt, dass die Aufgabenerfül-
lung für den gesamten Bereich, für den ich verantwort-
lich bin, nicht beeinträchtigt wird. Deswegen ist dieser
Haushalt für mich eine gute Arbeitsgrundlage.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Erlauben Sie mir, zu einigen Schwerpunktaufgaben
der kommenden Jahre, die zwischen der ersten, zweiten
und dritten Lesung diskutiert wurden, Anmerkungen zu
machen. Ich kann und will dabei aber nicht auf alle Ar-
gumente, die hier vorgetragen wurden, eingehen. Zu-
nächst möchte ich die Evaluierung der Sicherheits-
behörden erwähnen; das hat auch ein bisschen mit dem,
worüber Sie gesprochen haben, zu tun. Der Bundes-
finanzminister und ich werden zunächst die Sicherheits-
behörden des Bundes evaluieren. Dazu gehören die Bun-
despolizei, das Bundeskriminalamt, der Zoll sowie die
Lage auf Flughäfen, Bahnhöfen und Häfen. Wir wollen
Doppelarbeiten vermeiden. Wir wollen die Zusammen-
arbeit verbessern. Wir wollen Redundanzen vermeiden,
damit die Arbeit besser wird und gegebenenfalls das eine
oder andere effektiver geleistet werden kann.

Die Bundesregierung wird sich in diesem Prozess von
Experten beraten lassen. Es handelt sich dabei um fol-
gende Herren:


(Ute Kumpf [SPD]: Und Damen?)


Vorsitzender wird der ehemalige Staatssekretär im Bun-
desinnenministerium, Herr Werthebach. Zu den weiteren
Mitgliedern zählen der ehemalige Staatssekretär im In-
nenministerium von Nordrhein-Westfalen Wolfgang
Riotte, der ehemalige Präsident des Bundeskriminalamts
Dr. Ulrich Kersten, der ehemalige Generalbundesanwalt
Kay Nehm, außerdem Professor Dr. Rolf Ritsert von der
Deutschen Hochschule der Polizei sowie der in einigen
Wochen in den Ruhestand tretende Präsident des Zollkri-
minalamts, Karl-Heinz Matthias.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine echte Bürgerrechtstruppe ist das! – Zuruf von der LINKEN: Kritisch und unabhängig!)


Ich bedanke mich bei allen, die bei dieser Arbeit mitma-
chen.


(Ute Kumpf [SPD]: Haben Sie noch nie etwas von Gleichstellung gehört?)


– Ich weiß gar nicht, warum Sie da so aufgeregt sind.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Das ist ein reines Männerteam! – Weiterer Zuruf von der SPD: Weil die Damen fehlen!)


– Es ist ein Mangel, dass keine Frau dabei ist; das mag
sein. Wenn aber Menschen, die diesem Land treu gedient
haben, nach Abschluss ihrer Dienstzeit der Bundesregie-
rung ihren unabhängigen Rat zur Verfügung stellen,
dann ist das Lob wert und nicht Tadel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich werde sie bitten, bis zum Herbst Vorschläge vor-
zulegen. Daraus werden wir dann unsere Schlussfolge-
rungen ziehen und sie gemeinsam beraten.

Zum Digitalfunk ist viel gesagt worden. Ich teile alle
Auffassungen, die hier vorgetragen wurden. Er ist spät
eingeführt worden. Die Einführung wurde durch Bund
und Länder sowie durch den Parforceritt meines Vorvor-
gängers auf komische Weise vorangebracht.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Otto Schily ist 2005 ausgeschieden!)






Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern


(A) (C)



(D)(B)


Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
Wir sind jetzt gemeinsam dabei, es auf die richtige
Schiene zu setzen. Wir brauchen eine konstruktive und
kritische Begleitung dieses Projekts, einschließlich eines
externen Controllings. Ich finde es sehr gut, dass wir das
machen, und hoffe, dass wir auf diese Weise vorankom-
men.

Ich möchte einen weiteren Punkt vortragen, nämlich
den Abschluss der Tarifverhandlungen, den Sie alle
mitverfolgt haben. Es wurde eine Tariferhöhung um
1,2 Prozent in diesem Jahr und um 1,1 Prozent im nächs-
ten Jahr beschlossen. Zusammen mit einer Einmalzahlung
führt das für die Beschäftigten zu einer Einkommensstei-
gerung in der Größenordnung von 2,7 Prozent über eine
Laufzeit von 26 Monaten. Linear sind es 2,3 Prozent.

Ich halte diesen Tarifabschluss für verantwortbar, für
auskömmlich und im Lichte dessen, was in der Privat-
wirtschaft verabredet worden ist, auch für gut. Des-
wegen wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf
vorlegen, der diesen Tarifabschluss inhaltsgleich und
zeitgleich auf die Beamten, Richter, Soldaten und Ver-
sorgungsempfänger überträgt, allerdings unter Beach-
tung der bisher beschlossenen beamtenrechtlichen Rege-
lungen. Das bezieht sich etwa auf die Abschläge im
Versorgungsausgleich und Ähnliches. Wir werden den
Gesetzentwurf schnellstmöglich einbringen. Ich glaube,
die Angestellten und die Beamten sollten in dieser Frage
gleichbehandelt werden.

Die Einführung des neuen Personalausweises – das
hat Herr Toncar zu Recht festgestellt – steht im Gesetz.
Darin wird auch ein Datum genannt. Ich werde mich als
Bundesinnenminister an das Gesetz halten und den
neuen Personalausweis zum 1. November dieses Jahres
einführen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD])


Von der Deutschen Islam-Konferenz war bisher
noch nicht die Rede. Ich glaube, Sie haben Anspruch da-
rauf, dass ich etwas dazu sage. Ich möchte die Islam-
Konferenz, die mein Vorgänger begonnen hat, fortset-
zen. Sie hatte mit der ersten Phase insoweit einen gewis-
sen Abschluss gefunden, als man sich auf gemeinsame
Erklärungen, Bekenntnisse und eine Grundlage des wei-
teren Dialogs verständigt hat. Deswegen ist mein Ziel in
der zweiten Phase der Deutschen Islam-Konferenz, unter
Wahrung und Beachtung der dort gemeinsam erarbeite-
ten Grundlagen die Arbeiten konkreter und praktischer
zu machen. Deswegen wird auch die Teilnahme kommu-
naler Vertreter und von Ländervertretern ausgeweitet.

Ich bin insbesondere den Einzelpersönlichkeiten
dankbar, die bisher an der Deutschen Islam-Konferenz
beteiligt waren, dass sie auch weiter zur Verfügung ste-
hen. Genauso dankbar bin ich, dass wir neue Persönlich-
keiten gefunden haben, die in diesem Dialog das ganze
vorhandene Spektrum von den sogenannten islamkriti-
schen Vertretern bis hin zu anderen abdecken, sodass wir
einen repräsentativen Querschnitt der Debatte haben,
auch was die Einzelpersönlichkeiten angeht.

Ich habe auch den bisher vertretenen Verbänden bis
auf eine Ausnahme die Mitarbeit angeboten. Den besag-
ten Verband habe ich nicht etwa, wie es zum Teil gesagt
worden ist, von einer weiteren Mitarbeit ausgeschlossen;
vielmehr bin ich, solange erhebliche, schwerwiegende
strafrechtliche Ermittlungen gegen einen dieser Ver-
bände durchgeführt werden, die keine einzelnen Mitglie-
der, sondern die Arbeit des Verbandes im Kern betreffen,
nicht bereit, mich mit Vertretern solcher Verbände an ei-
nen Dialogtisch zu setzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das heißt aber nicht, dass die Tür geschlossen wird: Sie
bleibt offen. Ich hoffe sehr, dass wir zu einer konstrukti-
ven und guten Fortsetzung der Deutschen Islam-Konfe-
renz kommen.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zum Sport.
Ich habe gesagt, dass ich die Maßnahmen, die zur Kür-
zung des Regierungsentwurfs geführt haben, die die Ko-
alition beschlossen hat, in allen Punkten teile, mit einer
kleinen Ausnahme, dem Goldenen Plan Ost. Dabei geht
es nicht um die Summe – im Kern sind es 2 Millionen
Euro, um die gestritten wird –, sondern ich bedauere in
der Tat die damit verbundene Symbolik.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Ja!)


Allerdings möchte ich eines hinzufügen, Herr Danckert,
und diejenigen, die aus westdeutschen Wahlkreisen
kommen, mögen mir das verzeihen: Nach wie vor ist
– das haben auch die Ergebnisse von Vancouver gezeigt –,
repräsentativ gesehen, der Anteil der erfolgreichen ost-
deutschen Sportler deutlich höher als der der westdeut-
schen.


(Zuruf von der LINKEN: Weil wir es können!)


Das ist auch ein Reflex der Spitzensportförderung, die
wir betreiben, die sich auch infrastrukturell weit über-
proportional stärker in den ostdeutschen Ländern als in
den westdeutschen auswirkt. Auch das gehört zur Wahr-
heit der Spitzensportförderung dieser Bundesregie-
rung.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703105700

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischen-

frage der Kollegin Kunert?

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Gerne.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703105800

Bitte.


Katrin Kunert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703105900

Herr Minister, vielleicht teilen Sie die Auffassung, die

ich Ihnen jetzt vortragen werde. Es ist so, dass wir im
Sportausschuss immer darüber reden, dass wir eine
Sportfamilie sind und dass wir bei anstehenden Ent-
scheidungen immer im Interesse der Sache beschließen.
Ein Kollege im Haushaltsausschuss hat im Sportaus-





Katrin Kunert


(A) (C)



(D)(B)

schuss vehement dafür geworben, 2 Millionen Euro für
die Ski-WM 2011 einzustellen. Als darüber gesprochen
wurde, es solle eine Sondermünze geben, haben wir als
Fraktion Die Linke gesagt: Jawohl, wenn wir eine WM
in Deutschland austragen, dann möge sich der Bund an
der Finanzierung der Sondermünze beteiligen, zumal es
zu zusätzlichen Einnahmen kommt. – Dazu, dass aber
ausgerechnet dieser Abgeordnete, der für die Sonder-
münze geworben hat, den Antrag stellt, den Goldenen
Plan zu beerdigen, muss ich sagen: Da kommt es im
Ausschuss schon zu Missstimmungen.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Unsere Haushälter haben
den Zusammenhang hergestellt, dass die Ski-WM auf
Kosten des Goldenen Plans Ost finanziert wird. Das
kann nicht sein. Zum guten Ton gehört: Wenn man im
Haushaltsausschuss Anträge stellt, dann muss man sie
zumindest im Fachausschuss ankündigen. Deshalb be-
daure ich sehr, dass das hier anders gelaufen ist. Aber
wir geben Ihnen natürlich die Möglichkeit, Herr Barthle,
unserem Antrag zuzustimmen, wonach 20 Millionen
Euro für den Goldenen Plan und damit für die ostdeut-
schen Kommunen eingestellt werden. Ich sage Ihnen:
Der Spitzensport kann nur dann gedeihen, wenn wir in
den Breitensport investieren. Ich frage Sie, Herr de
Maizière: Stimmen Sie mir in diesem Punkt zu?

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Frau Kollegin, ich habe schon auf die Frage gewartet,
die dann zum Schluss kam. Ich will darauf gerne antwor-
ten und wäre darauf auch ohne Ihre Frage eingegangen.

Wir haben in Vancouver großartige Sportlerinnen und
Sportler erlebt.


(Ute Kumpf [SPD]: Vor allem Frauen!)


Wir erleben im Moment – wie soll ich sagen? – fast noch
großartigere Sportlerinnen und Sportler mit körperlicher
Behinderung, die das Beste leisten, was man sich über-
haupt nur vorstellen kann.


(Beifall im ganzen Hause)


Das ist – Herr Herrmann hat es schon gesagt – die beste
Werbung für die Bewerbung um die Olympischen
Spiele in München.


(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Dann brauchen wir das Kulturprogramm nicht!)


Was hat das mit dem zu tun, was Sie sagen? Ich sage
Ihnen Folgendes – das habe ich auch schon im Aus-
schuss gesagt –: Wenn das irgendeine Ski-WM – die
Garmischer mögen mir verzeihen – in irgendeinem Jahr
gewesen wäre, hätte ich gesagt: Sie brauchen kein Geld
für ein Kulturprogramm. Es gibt viele Weltmeisterschaf-
ten in Deutschland. Auch bei der Frauenfußball-Welt-
meisterschaft in unserem Land haben wir, die Bundesre-
gierung und der DFB, auf ein Kulturprogramm
verzichtet.


(Dagmar Freitag [SPD]: Sie wollten 6 Millionen bereitstellen!)

Aber die Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen findet im
Winter 2011 statt. Im Sommer 2011 entscheidet das
Olympische Komitee, ob die Olympischen Winterspiele
2018 in München, Garmisch-Partenkirchen und Umge-
bung stattfinden. Deswegen, ich sage: und nur deswe-
gen, weil die Veranstaltung exakt dort stattfindet, wo wir
uns um die Olympischen Spiele bewerben, sind in die-
sem Fall diese Mittel gerechtfertigt und gut, begründen
aber keinen Anspruch darauf, dass in Zukunft auch alle
anderen Weltmeisterschaften teure Kulturprogramme
bekommen. Das ist meine Antwort auf Ihre Frage.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich wünsche mir, dass es uns bei allem innenpoliti-
schen Streit, den wir haben – da wende ich mich insbe-
sondere auch an die Grünen –,


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Die haben von Sport keine Ahnung!)


auf Regionalebene, nicht auf Bundesebene, gelingt, in
einer erstklassigen Weise professionell, finanziell und in
der Art, wie wir uns um diese Olympischen Spiele be-
werben, alles daranzusetzen, was vertretbar ist, um im
Juli 2011 die Nachricht entgegennehmen können: Die
Olympischen Spiele 2018 finden in Deutschland, in
München, Garmisch-Partenkirchen und Umgebung,
statt. Das wünsche ich mir. Im Übrigen wünsche ich mir
bei allem Streit, dass wir in diesem Haus in dieser Frage
einen Konsens erzielen.

Ich bitte herzlich um Zustimmung zum Einzelplan 06.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Leider nein!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703106000

Herr Bundesminister, Sie sind zwar am Ende Ihrer

Rede, aber der Kollege Barthle möchte noch gerne eine
Zwischenfrage stellen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich auch, Frau Präsidentin!)


Darf ich ihm dazu die Möglichkeit geben?

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Gerne.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703106100

Die Redezeit ist noch nicht zu Ende. Auch Herr Jerzy

Montag möchte Ihnen anschließend eine Zwischenfrage
stellen. – Herr Kollege Barthle.


Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1703106200

Danke. – Herr Minister, können Sie mir erstens bestä-

tigen, dass der Goldene Plan Ost ursprünglich eine an-
dere Intention hatte, als er über die Jahre bekommen hat?
Die Mittel dafür wurden sukzessive abgebaut, bis sie
schließlich auf dem Level von 2 Millionen Euro gelan-
det waren.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Der Plan wurde kaputt gemacht!)






Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)

Können Sie mir dazu bestätigen, dass über die Kon-
junkturprogramme für die neuen Bundesländer ein Be-
trag von rund 600 Millionen Euro zur Verfügung steht
und dieser Betrag nicht in vollem Umfang abgerufen
werden kann, weil den Kommunen die Möglichkeiten
zur Kofinanzierung fehlen?


(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Das macht es doch nicht besser, Herr Barthle!)


Angesichts dieser Tatsache ist der Betrag aus dem Gol-
denen Plan Ost eine wirklich zu vernachlässigende
Größe und ist insofern wirklich nur Symbolik. Diese
Symbolik hat 20 Jahre nach der Wiedervereinigung viel-
leicht nicht mehr die Strahlkraft, die sie einmal hatte.


(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Wir haben Ihnen die Ausweitung auf den Westen angeboten!)


Können Sie mir zweitens bestätigen, dass ich nicht
Mitglied des Sportausschusses bin und dementsprechend
nicht an dem Beschluss beteiligt war, der im Sportaus-
schuss mit den Stimmen der Linken getroffen wurde, für
die Ski-WM 2 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen?

Können Sie mir drittens bestätigen, dass wir Haushäl-
ter, weil wir sparsam sind, diesen Betrag um eine halbe
Million unterschritten haben und nur 1,5 Millionen Euro
zur Verfügung gestellt haben?


(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Super! – Dr. Peter Danckert [SPD]: Dreimal Ja!)


Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Ich kann Ihnen alles bestätigen. Ich finde es nur etwas
seltsam, dass Sie eine Bestätigung brauchen, dass Sie
nicht Mitglied des Sportausschusses sind.


(Beifall des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD])


Das ist sicherlich wahr.

Ich finde es falsch, einen Zusammenhang zwischen
der Kürzung der Mittel für den Goldenen Plan Ost und
den Mitteln für die Ski-WM herzustellen. Einen solchen
Zusammenhang gibt es nicht. Ich habe ausdrücklich be-
gründet, dass ich das eine nicht schön und das andere
trotzdem richtig finde.

Ich füge aber eines hinzu: Der Bund ist nach der ver-
fassungsmäßigen Ordnung – ich sage ganz leise: wenn
überhaupt – für die Förderung des Spitzensportes und
nicht für die Förderung des Breitensportes zuständig.
Die Förderung des Goldenen Plans Ost war aufgrund des
Nachholbedarfs und des Erfordernisses des Zusammen-
wachsens im Sport – ähnlich wie im Kulturbereich –
nach 1990 geboten, erforderlich und sinnvoll. Aber man
muss fairerweise sagen, dass das nicht ganz der verfas-
sungsmäßigen Ordnung entspricht.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Für Kultur sind Sie doch auch nicht zuständig! – Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Sie sind für gar nichts zuständig, außer für Nacktscanner!)


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703106300

Herr Minister, eine weitere Zwischenfrage stellt der

Kollege Montag.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703106400

Danke, Frau Präsidentin. – Herr Bundesinnenminis-

ter, Sie haben explizit die bayerischen Grünen angespro-
chen.

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Ich habe es angedeutet.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703106500

Da ich im Moment der einzige Grüne aus Bayern im

Saal bin, fühle ich mich angesprochen. Ich frage Sie, ob
Sie die Debatte, die die bayerischen Grünen über die Be-
werbung um die Olympischen Spiele 2018 führen,
überhaupt kennen. Uns geht es darum, dass diese Spiele
so ökologisch wie möglich sind, dass die Eingriffe in die
Alpen durch diese Olympischen Spiele so gering wie
möglich sind und dass die öffentliche Infrastruktur da-
durch keinen Nachteil, sondern einen Fortschritt erfährt.
Wissen Sie eigentlich, dass diese Debatte dazu geführt
hat, dass sich die Grünen, die in München für die Bewer-
bung zuständig sind und seit 20 Jahren mit der SPD in
der Stadt regieren, im Münchener Stadtrat einstimmig
für die Bewerbung ausgesprochen haben und sich die
Münchener Grünen auf einer Vollversammlung mit
Mehrheit dafür entschieden haben? Wir werden aber die
Diskussion, ob diese Bewerbung letztendlich zu ökolo-
gisch nachhaltigen Spielen führen wird oder nicht, wei-
terführen.

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Herr Montag, ich begrüße Ihre Klarstellung ausdrück-
lich. Ich wollte die Grünen nicht tadeln und aus dem
Konsens über die Bewerbung quasi herausnehmen. Viel-
mehr wollte ich versuchen, sie komplett mitzunehmen,
auch die Landtagsfraktion der Grünen in Bayern.

Unsere Bewerbung wird überhaupt nur eine Chance
haben, wenn wir auf Nachhaltigkeit setzen. Ein Allein-
stellungsmerkmal unserer Bewerbung ist es gerade, dass
vorhandene Sportstätten so genutzt werden sollen, wie
es noch nie zuvor bei Olympischen Spielen der Fall war;
das ist ein Markenzeichen. Wir wollen in München zum
Beispiel alles fußläufig machen. Wir können uns bei der
Nachhaltigkeit höchstens gegenseitig überbieten. Aber
darüber, dass diese Olympischen Spiele nachhaltig sein
sollen, kann es keinen innenpolitischen Streit in
Deutschland geben.

Da wir uns darin offenbar einig sind, bitte ich Sie alle
– bei allem Streit über die öffentliche Sicherheit, den Da-
tenschutz und den Goldenen Plan Ost – herzlich, in die-
ser Frage an einem Strang zu ziehen.

Ich bedanke mich herzlich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A)



(D)(B)


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703106600

Nächste Rednerin ist Kollegin Gabriele Fograscher

für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Fograscher (SPD):
Rede ID: ID1703106700

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Wir haben gerade in einer Gedenkstunde die Arbeit
der 10. Volkskammer gewürdigt. Die Volkskammer war
fleißig und hat in nur sechs Monaten 164 Gesetze verab-
schiedet. Sie, die schwarz-gelbe Koalition, haben in vier
Monaten nichts vorgelegt, auch nicht in der Innenpolitik.
Wenn wir von der Tagesordnung für den Innenausschuss
und das Plenum in der nächsten Sitzungswoche die EU-
Vorlagen und die Initiativen der Opposition wegnähmen,
bliebe nichts mehr zur Beratung übrig.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Gerold Reichenbach [SPD]: Gähnende Leere!)


Nun könnte man sagen: Die Vorgängerregierungen
haben alles zum Thema Innenpolitik geregelt, es gibt
nichts mehr zu tun. – Aber so ist es nicht.

Vielmehr sind Sie konzeptionslos, ideenlos, oder Sie
blockieren sich gegenseitig, zum Beispiel beim Thema
Vorratsdatenspeicherung. Nach dem Urteil des Bun-
desverfassungsgerichts machen Sie, Herr Innenminister,
massive Sicherheitslücken aus, die schnell geschlossen
werden müssen, die Justizministerin aber will sich Zeit
lassen und nationale Alleingänge und Schnellschüsse
verhindern.

Sie, Herr Innenminister, wollen Integrationspolitik
zu einem Schwerpunktthema machen. Sie erhöhen die
Mittel für die Sprachkurse, aber damit sichern Sie nur
den Status quo. Mehr Qualität, mehr Kursangebote für
spezielle Gruppen und bessere Stundenlöhne für die
Lehrer lassen sich damit nicht finanzieren.


(Beifall bei der SPD)


Unser Antrag greift diesen Mangel auf, und wir bitten
deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag.

Außerdem war die Neubesetzung der Leitung der Ab-
teilung „Migration, Integration, Flüchtlinge, Europäi-
sche Harmonisierung“ im Bundesinnenministerium mit
einer entlassenen Staatssekretärin aus Sachsen schon
sehr zweifelhaft. Wir bezweifeln, dass Sie es mit Ihrer
Schwerpunktsetzung wirklich ernst meinen.

Sie haben zur Islamkonferenz gesprochen. Wir wer-
den uns dazu äußern, wenn Sie Ergebnisse vorlegen;
aber Voraussetzung dafür wäre, dass Sie die Ziele benen-
nen, die Sie erreichen wollen.


(Beifall bei der SPD)


In der ersten Lesung zum Bundeshaushalt haben Sie,
Herr Innenminister, erklärt – ich zitiere –:

Die erste Aufgabe eines demokratischen Staates ist,
Sicherheit in Freiheit zu gewährleisten. Das spie-
gelt auch unser Haushalt wider.
Wie können Sie sich dann erklären – Sie haben vorhin
versucht, es zu erklären –, dass die Mitglieder der CDU/
CSU und der FDP im Haushaltsausschuss die Kürzung
des Personaletats bei der Bundespolizei und beim Bun-
deskriminalamt durchgesetzt haben?


(Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben es immer noch nicht verstanden!)


Ein Beitrag zu mehr Sicherheit ist das sicherlich nicht.
Was Sie erklärt haben, ist einigermaßen absurd: Sparen
durch Nichtbesetzung von Stellen.


(Otto Fricke [FDP]: Morgen erklären Sie wieder, wir würden zu viele Stellen schaffen!)


Sie, Herr Innenminister, sprechen nicht mehr von innerer
Sicherheit, sondern von öffentlicher Sicherheit. Neue
Begriffe sind leider keine neue Politik,


(Beifall bei der SPD)


und Sie haben heute nicht erklärt, was das heißt und wie
sich das in Ihrem Haushalt widerspiegelt.

Politischer Extremismus ist eine Gefahr für die öf-
fentliche Sicherheit und die Demokratie. Rechtsextre-
mismus, Linksextremismus und islamistischer Extremis-
mus sind aber von der Qualität und von der Quantität her
völlig unterschiedliche Bedrohungen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Richtig!)


Ihnen muss mit unterschiedlichen Konzepten und Instru-
menten begegnet werden. Glauben Sie denn wirklich
ernsthaft, dass sich mit den Modellprojekten, die zur Be-
kämpfung des Rechtsextremismus entwickelt worden
sind und die im Bundesfamilienministerium angesiedelt
sind, auch der islamistische Extremismus oder der
Linksextremismus effektiv bekämpfen lässt? Wäre es
nicht sinnvoller, anstatt im Einzelplan 17 die vorhande-
nen Mittel auf alle Formen des Extremismus auszuwei-
ten und damit die Bekämpfung des Rechtsextremismus
zu schwächen, in Ihrem Hause Konzepte zu entwickeln,
wie den unterschiedlichen Formen des Extremismus be-
gegnet werden kann?


(Beifall bei der SPD)


Neu im Zuständigkeitsbereich des Bundesinnenmi-
nisteriums ist der Aufbau Ost. Doch was machen Sie
da? Wo sind Ihre Konzepte? Was tun Sie gegen die Ab-
wanderung? Wie wollen Sie gegensteuern, damit nicht
so viele junge Menschen die neuen Bundesländer verlas-
sen? Wie wollen Sie dort neue und zukunftsfähige Ar-
beitsplätze schaffen? Bisher sind von Ihnen noch keine
Antworten auf diese Fragen gekommen.

Die große gesellschaftliche Bedeutung des Sports
war in den vergangenen Jahren die Begründung für den
Goldenen Plan Ost. Jetzt – wir haben es schon gehört
und darüber hier diskutiert – ist er ersatzlos gestrichen.
Herr de Maizière, Sie sind jetzt auch Beauftragter für die
neuen Länder. Es gibt inzwischen aber auch in den alten
Bundesländern erhebliche Probleme mit dem Erhalt und
dem Neubau von Sportstätten. Hier wäre Ihre Initiative

(C)






Gabriele Fograscher


(A) (C)



(D)(B)

gefragt gewesen. Sie sind nicht nur für die Spitzensport-
förderung zuständig, sondern Sie sind auch Kommunal-
minister und damit zuständig für die Kommunen. Die
schlechte finanzielle Situation der Kommunen in Ost
und West sollte auch Ihr Thema sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Erfolge haben Sie, Herr Minister, bisher nicht vorzu-
weisen. Ich nenne nur das Stichwort „SWIFT“: Die Art,
wie das Ganze gelaufen ist, war ein ziemliches Desaster.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Welche Pleite!)


Das werden wir Ihnen auch in Zukunft vorhalten. Es gab
nämlich kein gemeinsames und kein abgestimmtes Ver-
halten innerhalb der Bundesregierung.


(Gisela Piltz [FDP]: Aber Sie haben es mit verantwortet!)


Sie hatte einen schlechten Start, und es geht auch nicht
viel besser weiter.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schwarz-gelbes Chaos!)


Die Bürgerinnen und Bürger wissen überhaupt nicht
mehr, was diese Bundesregierung plant oder will. Jeder
in dieser Regierung sagt etwas anderes, will etwas ande-
res. Thema „elektronischer Personalausweis“: Keiner
weiß Bescheid. Eine Forsa-Umfrage bescheinigt Ihnen:
Nur noch 8 Prozent der Deutschen haben den Eindruck,
dass in dieser Koalition an einem Strang gezogen wird.


(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Recht haben sie! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wo kommen die 8 Prozent her?)


Das ist kein gutes Ergebnis.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es wird Zeit, dass Sie der Verantwortung, die Ihnen
von den Wählerinnen und Wählern übertragen worden
ist, gerecht werden: dass Sie nicht nur ankündigen, zum
Beispiel ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz, sondern
dass Sie uns hier etwas vorlegen. Der Bundeshaushalt
und der Haushalt des Bundesinnenministers werden den
Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht gerecht,
und deshalb werden wir das Haushaltsgesetz ablehnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703106800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gisela Piltz für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Dr. Peter Danckert [SPD]: Sie spricht über den elektronischen Personalausweis! – Jan Korte [DIE LINKE]: Wir erwarten eine Erklärung!)


Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1703106900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Innenpolitik ist – das weiß hier jeder – Verfassungspoli-
tik. Der Innenminister ist auch Verfassungsminister, und
der Innenhaushalt ist der Verfassungshaushalt. Daher
muss es darum gehen, die richtigen Rahmenbedingun-
gen auch über den Haushalt zu schaffen. Dazu gehört
aus unserer Sicht die richtige Balance zwischen Freiheit
und Sicherheit. Ich glaube, wir haben angefangen, dieses
Ziel zu erreichen, und wir sind mit dieser christlich-libe-
ralen Koalition auf einem guten Weg.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir setzen nämlich neue Akzente.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!)


– Wenn Sie das so machen wie immer, müssen Sie sich
von mir auch gefallen lassen, dass es so wie immer
kommt.

Ich möchte einmal ein Wort an die SPD richten. Sie
haben in den letzten elf Jahren Verantwortung in der In-
nenpolitik getragen – vier Jahre lang waren Sie in der so-
genannten Großen Koalition mit der CDU/CSU –, und
Sie haben die Justizminister gestellt. Sie haben etliche
Gesetze beschlossen, die vor dem Bundesverfassungsge-
richt keinen Bestand gehabt haben. Ich verweise darauf,
dass vor gut zwei Wochen das Bundesverfassungsgericht
die Vorratsdatenspeicherung gekippt hat, für die Sie
Verantwortung tragen.


(Beifall bei der FDP)


Wenn nun Herr Gabriel sagt, die FDP sei eine Partei
mit Führungspersonen, die – ich zitiere wörtlich – „jung“,
„gnadenlos“, „rücksichtslos“ und „verfassungsfeindlich“
sind,


(Marco Buschmann [FDP]: Unerhört! – Florian Toncar [FDP]: Frechheit!)


dann muss ich sagen: Ich freue mich über die Bezeich-
nung „jung“ – vielen Dank! –; aber der Rest ist einfach
politische Amnesie. Eines ist klar: Sie haben das ent-
sprechende Gesetz verabschiedet und nicht wir.


(Beifall des Abg. Marco Buschmann [FDP])


Wer, wenn nicht Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der SPD, hat denn das verfassungswidrige Luftsi-
cherheitsgesetz eingeführt? Wer hat denn die Vorratsda-
tenspeicherung hier mitzuverantworten? Wer hat die
Pendlerpauschale zu verantworten? Wer hat die Be-
schneidung der Minderheitenrechte im Visa-Untersu-
chungsausschuss und der Parlamentsrechte bei den
AWACS-Einsätzen zu verantworten?


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703107000

Frau Kollegin.


Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1703107100

Das waren stets Sie, und das müssen Sie sich auch

vorhalten lassen. Wenn Frau Fograscher uns hier auffor-





Gisela Piltz


(A) (C)



(D)(B)

dert, uns einmal unsere Regierung vorzunehmen, dann
kann ich Ihnen nur eines sagen: Ich warte auf den Tag,
an dem sich die SPD endlich wieder zu dem bekennt,
was sie hier gemacht hat. Es schadet nämlich der Demo-
kratie, wie sie hier mit ihren eigenen Entscheidungen
umgeht. Es geht nicht um das, was man in der Opposi-
tion sagt, sondern um das, was man in Regierungsverant-
wortung gemacht hat.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dazu müssen Sie stehen. Das tun Sie nicht, und das wer-
den Sie nicht tun. Das ist unser Problem. Sie spielen in
der Demokratie nämlich eine schlechte Rolle.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703107200

Frau Kollegin Piltz, gestatten Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Hartmann?


Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1703107300

Ja.


Michael Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1703107400

Liebe Kollegin Piltz, da wir ja beim Thema Bekennt-

nisse und Amnesie sind, möchte ich Sie fragen: Fällt Ih-
nen denn das Bekenntnis leicht, dass es das Land Nord-
rhein-Westfalen mit einem FDP-Innenminister war, der
die Onlinedurchsuchung ins Gesetzblatt schreiben
wollte und dafür zu Recht vom Verfassungsgericht, das
dieses ablehnte, abgewatscht wurde?


Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1703107500

Herr Hartmann, was mir zum Thema „Stellungnahme

des Bundesverfassungsgerichts zu den von NRW vorge-
schlagenen Onlinedurchsuchungen“ vor allen Dingen
einfällt, ist, dass der damalige Innenminister Herr Schily


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Nein! – Dr. Peter Danckert [SPD]: Herr Wolf! – Zuruf von der FDP: SPD!)


– vielen Dank –, SPD,


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Das war doch Herr Wolf!)


sich auf Bundesebene nicht einmal bemüht hat, das
Ganze, obwohl es verfassungswidrig war, per Gesetz zu
regeln, sondern geglaubt hat, das Ganze mit einer inter-
nen Verwaltungsanweisung regeln zu können. Erst als
die FDP Druck gemacht hat, nachdem wir es im Haus-
halt gesehen hatten, wurde das überprüft. Der Anstoß
dazu kam nicht von Ihnen. Sie haben das mitverantwor-
tet;


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Das war doch Herr Wolf!)


wir haben es kritisiert. Das fällt mir dazu ein. Das müs-
sen Sie sich vorhalten lassen, meine Damen und Herren
von der SPD.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Peter Danckert [SPD]: Das war Herr Wolf!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703107600

Frau Kollegin, gestatten Sie eine weitere Zwischen-

frage des Kollegen Korte?


Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1703107700

Ja, macht Spaß, vielen Dank.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703107800

Herr Korte, bitte.


Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703107900

Liebe Kollegin Piltz, vielleicht können wir uns darauf

einigen, dass Sie beide in der Innenpolitik Mist gebaut
haben.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Mich würde jetzt interessieren, dass Sie als FDP-Ab-
geordnete, deren Partei ja an der Bundesregierung betei-
ligt ist, dem Bundestag mitteilen, was Sie nun zu tun ge-
denken mit den ganzen Sachen, die mistigerweise
beschlossen worden sind.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Außer es mit diesem Haushalt zu finanzieren!)


Danach möchte ich fragen. Es wäre doch Aufgabe des
Mitglieds einer der Koalitionsfraktionen, das dem Bun-
destag einmal mitzuteilen.


(Beifall bei der LINKEN)



Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1703108000

Ich danke Ihnen für die Frage. Ich könnte jetzt un-

fairerweise den Rest meiner Rede auf Ihre Kosten hal-
ten. Aber da ich Ihnen ersparen möchte, noch 3 Minuten
und 53 Sekunden zu stehen, verspreche ich Ihnen schon
jetzt, dass Sie gleich erfahren, was wir wollen. Damit ist,
wie ich glaube, die Frage beantwortet.

Herr Kollege Wieland,


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hatte schon Angst, Sie vergessen uns!)


Sie sind doch jetzt mein persönlicher Mackie Messer.


(Heiterkeit bei der FDP)


Das, was Sie hier gemacht haben, ist nachvollziehbar,
aber auch sehr durchsichtig.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


Ich muss die Grünen jetzt doch wieder fragen – ich
hatte es mir heute eigentlich ersparen wollen –:


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollten nach vorne gucken!)






Gisela Piltz


(A) (C)



(D)(B)

Was ist denn mit dem Luftsicherheitsgesetz, das Sie ver-
abschiedet haben?


(Otto Fricke [FDP]: Sehr richtig!)


Was ist mit der Aufhebung des Bankgeheimnisses, die
Sie vorgenommen haben? Was ist mit den sogenannten
Otto-Katalogen, die Sie mitverabschiedet haben


(Otto Fricke [FDP]: Der Mackie Messer! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand gehabt!)


und durch die das Trennungsgebot aufgeweicht wurde,
mit denen Sie eine Vorverlagerung strafrechtlicher Er-
mittlungen, biometrische Datenerfassung eingeführt ha-
ben, mit denen Sie den Verfassungsschutz ausgeweitet
und, zur Krönung, noch die Weitergabe von PNR-Daten
an die USA ermöglicht haben? Dem hat Ihr damaliger
Außenminister Fischer zugestimmt. Nur so viel zu Ihrer
tollen Bilanz als Bürgerrechtspartei. Das müssen Sie
sich sagen lassen. Was Sie da gemacht haben, war nichts
Konstruktives. Sie wollen dazu nicht wirklich etwas sa-
gen. Sie können dazu nichts sagen. Auch zu diesem
Haushalt haben Sie nichts Konstruktives gesagt. Das ist
leider Ihre Bilanz.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir, die Koalition von CDU, CSU und FDP, haben
uns vorgenommen, den Datenschutz zu verbessern. Das
ist ja etwas, was die SPD in elf Jahren nicht geschafft
hat. Wir haben endlich eine personelle Aufstockung
beim Bundesdatenschutzbeauftragten durchgesetzt. Herr
Wiefelspütz hat das witzigerweise immer nach den
Haushaltsberatungen gefordert, konnte sich damit aber
nie durchsetzen. So kann man das auch machen.

Zur Stiftung Datenschutz. Wir arbeiten gerade daran,
aber, Herr Korte – das müssen Sie sich sagen lassen –,
zur Haushaltswahrheit und -klarheit gehört auch, dass
man erst dann Beträge in den Haushalt einsetzt, wenn
die Mittel dafür auch benötigt werden.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Wann denn?)


Wir gehen davon aus, dass wir die entsprechenden Rege-
lungen bis Ende dieses Jahres verabschiedet haben. Da-
für werden wir dann im nächsten Haushalt entspre-
chende Mittel ansetzen.


(Zuruf von der SPD: Ich glaube euch! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD], an die CDU/ CSU gewandt: Es ist eine Schande, mit einem solchen Koalitionspartner Politik zu machen!)


Wir setzen darüber hinaus auch auf die Arbeit von en-
gagierten Polizistinnen und Polizisten, die in ihrer tägli-
chen Arbeit Recht und Gesetz selbstbewusst anwenden.
Deshalb haben wir – das fällt ja in den Bereich des Bun-
des – die operative Einsatzbereitschaft des BKA durch
Bereitstellung zusätzlicher Mittel verstärkt. Dass das
bisher nicht geschehen ist, haben wir in der Vergangen-
heit ja immer kritisiert. Das erfolgt nun.

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703108100

Frau Kollegin Piltz, darf ich Sie noch einmal unter-

brechen? Sie sehen das zwar nicht, weil die Kollegen
nicht aufstehen, wenn sie sich zu Wort melden. Das wäre
vielleicht eine gute Anregung.


Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1703108200

Also ehrlich, ich finde, ein bisschen Respekt könnte

Mackie Messer seiner Seeräuber-Jenny schon entgegen-
bringen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703108300

Der Kollege Wieland möchte eine Zwischenfrage

stellen; sie wird offensichtlich gestattet. – Bitte, Herr
Kollege.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Sollen wir herausgehen?)



Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1703108400

Nein, das Fernsehen ist dabei. Ich bin ja für Daten-

schutz.


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703108500

Frau Kollegin Piltz, ich habe so großen Respekt vor

Ihnen, dass ich mich nicht hinstellen wollte, bevor Sie
meine Zwischenfrage zulassen. Nun, wo Sie es getan ha-
ben, tue ich das gerne.

Sie haben eben zu Recht darauf hingewiesen, dass Rot-
Grün ein Luftsicherheitsgesetz beschlossen hat, das vor
dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand hatte. Ist
Ihnen aber entfallen, dass bei den sogenannten Otto-Ka-
talogen insbesondere das von Ihnen gerügte, angeblich
verfassungswidrige Eindringen in das Bankgeheimnis
vom Bundesverfassungsgericht gerade nicht so gesehen
wurde, wie Sie es sehen? Vielmehr wurde hier Rot-Grün
in der Ansicht bestätigt, dass man in bestimmten Fällen
den Strömen des Geldes folgen kann und muss, auch
wenn es einer bestimmten Klientel und einer Partei, die
sich immer zur Schutzpatronin dieser Klientel macht,
wehtun mag.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Die MövenpickPartei!)



Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1703108600

Herr Wieland, wenn ich das mit einer uncharmanten

Gegenfrage beantworten darf,


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, eigentlich sollten Sie antworten! – Ute Kumpf [SPD]: Sie weichen aus!)


dann frage ich Sie, ob Ihnen entfallen ist, dass die FDP
immer der Ansicht war, dass nicht alles, was das Bun-
desverfassungsgericht für machbar erklärt hat, auch um-
zusetzen ist.


(Florian Toncar [FDP]: So ist es!)






Gisela Piltz


(A) (C)



(D)(B)

Das ist unsere Maxime, und das gilt in diesem Fall wie
auch bei allen anderen Entscheidungen des Bundesver-
fassungsgerichts.


(Beifall bei der FDP – Ute Kumpf [SPD]: Gerade so, wie Sie es wollen! – Jan Korte [DIE LINKE]: Was ist mit der Vorratsdatenspeicherung?)


Ob Ihnen die Frage damit beantwortet scheint oder nicht,
Herr Wieland, weiß ich nicht; aber mehr werden Sie, so
leid es mir tut, dazu von mir nicht hören.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann wird das jetzt ja wohl auch für die Vorratsdatenspeicherung gelten! Wir werden sehen!)


Die Bundespolizei ist hier schon angesprochen wor-
den. Leider ist sie nach der letzten Reform, die wir nur
kritisieren konnten, noch nicht ganz zur Ruhe gekom-
men. Aber – das ist hier heute schon gesagt worden – mit
dem Einsatz in Afghanistan tragen die Kolleginnen und
Kollegen Mitverantwortung für den Polizeiaufbau in der
dortigen Region. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass
wir hier mehr Mittel zur Verfügung stellen.

Im Zusammenhang mit mehr Mitteln frage ich mich,
was die Opposition eigentlich will. Wenn wir mehr Mit-
tel für irgendetwas zur Verfügung stellen, werden wir
von Ihnen kritisiert. Aber wenn wir sparen, werden wir
ebenfalls kritisiert. Ich finde, das passt alles nicht zusam-
men, was Sie hier machen.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Die Politik passt nicht!)


Das ist nicht klug, sondern eher langweilig für uns.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke gleichfalls! – Dr. Peter Danckert [SPD]: Langweilig, das stimmt!)


Die christlich-liberale Koalition hat sich auch auf die
Fahne geschrieben – dazu hat der Minister bereits vorge-
tragen –, die Sicherheitsarchitektur auf Doppelzustän-
digkeiten und Reibungsverluste zu überprüfen. Denn es
macht keinen Sinn, dass man sich an der einen Stelle auf
die Füße tritt, während anderswo Personal gebraucht
werden könnte. Wenn wir nur wenige Mittel zur Verfü-
gung haben, müssen wir sie effektiv einsetzen. Auch das
ist ein gemeinsames Ziel, das wir jetzt in Angriff neh-
men.

Zur Achtung der Grundrechte und des Rechtsstaates
gehört aus unserer Sicht auch die politische Bildung.
Hier werden die Grundlagen für unsere Verfassung und
unsere Gesellschaft geschaffen. Deshalb ist es richtig,
dass wir die Bundeszentrale für politische Bildung mit
3 Millionen Euro mehr ausstatten. Das ist übrigens mehr,
als von der SPD in den letzten Jahren zu diesem Thema
zu hören war.


(Beifall bei der FDP)


Denn auf die Große Anfrage der FDP-Fraktion in der
letzten Legislaturperiode antwortete das Justizministe-
rium zwar, dass politische Bildung notwendig sei –

(Jan Korte [DIE LINKE]: Das wäre hier auch notwendig!)


möglicherweise ist da bei Ihnen schon ein Fortschritt zu
erkennen –, aber beim Haushalt hörte Ihre Liebe wohl
auf. Das bedauern wir.

Zum Schluss noch kurz zum Sport; das Beste kommt
immer zum Schluss. Hier ist viel über den Goldenen
Plan Ost gesprochen worden. Ich glaube, es macht Sinn,
auch einmal zu schauen, für was der Bund wirklich zu-
ständig ist und ob er auf ewig für Breitensportförderung
in den Kommunen zuständig ist.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Was ist denn mit Kultur? – Gegenruf des Abg. Otto Fricke [FDP]: Kultur ist Ländersache! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter Danckert [SPD]: Eben! Deshalb geben wir 1,5 Millionen für Garmisch!)


Auch das gehört zur Ehrlichkeit. Wir freuen uns darüber,
dass wir die Großereignisse unterstützen können. Über
die Auflage einer Münze könnten sie sich fast selbst fi-
nanzieren. Wir werden alles dafür tun, dass die Olympi-
schen Spiele 2018 nach Deutschland kommen.

Wir freuen uns auf die nächsten dreieinhalb Jahre und
würden uns auch über eine konstruktive Opposition
freuen.


(Florian Toncar [FDP]: Darauf warten wir noch lange!)


Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1703108700

Nächster Redner ist der Kollege Stephan Kühn für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703108800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich möchte gleich an die Themen Goldener
Plan Ost und Ski-WM anknüpfen. Ich sage das einmal
aus haushalterischer Sicht: Sie haben einen investiven
Haushaltstitel gestrichen und dafür einen konsumtiven
Haushaltstitel aufgesetzt.


(Beifall des Abg. Dr. Peter Danckert [SPD])


Wenn die Veranstaltung in Garmisch so lukrativ ist
– übrigens so lukrativ, dass dort in umfangreicher Form
Bergwald gerodet wurde –, verstehe ich nicht, warum
sich nicht ausreichend Sponsoren finden lassen, um das
Kulturprogramm für diese Veranstaltung zu finanzieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es ist natürlich richtig, dass der Breitensport eine An-
gelegenheit der Kommunen ist. Wenn aber die schwarz-
gelbe Bundesregierung den Kommunen jeden finanziel-
len Spielraum, um überhaupt in ihre Sportstätten inves-
tieren zu können, raubt, dann ist das keine gute Voraus-
setzung und schafft auch keine guten Bedingungen für
spätere Entwicklungen im Bereich des Spitzensports. So
viel dazu.





Stephan Kühn


(A) (C)



(D)(B)


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Reden Sie mal mit Ihren Kollegen im Sportausschuss!)


Ich möchte zu dem Aspekt kommen, dass der Minis-
ter die Zuständigkeit für die Angelegenheiten der neuen
Länder sozusagen geerbt hat. Ich finde, es ist grundsätz-
lich eine richtige Entscheidung, dass nicht mehr das Ver-
kehrsministerium, sondern das Innenministerium dafür
zuständig ist. Wir betrachten also das Thema Aufbau
Ost nicht mehr durch eine reine Infrastrukturbrille.

Richtig ist auch, die Förderinstrumente für den Auf-
bau Ost zu evaluieren. Das haben Sie sich ja vorgenom-
men, Herr Minister. Ich denke, das ist richtig und
notwendig. Es darf natürlich nicht nur bei wissenschaft-
lichen Analysen und Forschungsprogrammen bleiben.
Auch teilen wir die Ansicht, dass die Gießkanne kein ge-
eignetes Förderinstrument ist. Wir meinen, dass es eine
stärkere und flexiblere Akteurs- und Innovationsförde-
rung gerade für kleine und mittelständische Unterneh-
men in den neuen Bundesländern geben muss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben sich als Schwerpunkt Maßnahmen zur Stär-
kung der Strukturen und Innovationsfähigkeit der ost-
deutschen Wirtschaft gesetzt. Nun ist die Fotovoltaik eine
der wichtigsten Industrien in Ostdeutschland mit einem
ausgeprägten Spitzencluster Solarvalley Mitteldeutsch-
land und mit großer wirtschafts- und arbeitsmarktpoliti-
scher Bedeutung. Es gibt mehr als 55 000 Arbeitsplätze
und eine breite Forschungslandschaft. Es heißt ja immer,
im Osten würden nur verlängerte Werkbänke stehen. Das
ist in diesem Fall nicht so. Ostdeutschland hat sich zu ei-
nem der weltweit bedeutendsten Standorte für die Pro-
duktion von Solaranlagen entwickelt. 90 Prozent der
Produktion in Deutschland kommen aus den neuen Bun-
desländern. 20 Prozent der weltweiten Produktion fallen
auf die fünf neuen Bundesländer. In vielen Bereichen
sind wir da Weltmarktführer.

Die von der Bundesregierung geplanten Kürzungen
der Solarförderung gefährden diese aufgebauten Struktu-
ren. Sie werden Arbeitsplätze kosten und vor allen Din-
gen den Einstieg von chinesischen Billigprodukten be-
deuten.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich! – Gisela Piltz [FDP]: Sind Sie sicher, dass Sie zum Einzelplan 06 sprechen?)


Es geht hier um Industriepolitik und Technologieför-
derung in den neuen Bundesländern. Insofern wundert es
mich, Herr Minister, dass Sie dazu kein Wort verloren
haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Ich hätte erwartet, dass Sie sich als Minister, der für die
neuen Bundesländer zuständig ist, gegen eine überhöhte
Kürzung bei der Einspeisevergütung ausgesprochen
hätten. Es ist ganz klar: Aufgrund der Kürzung zum
1. Januar 2010 und der jetzt geplanten Kürzung müssten
die Unternehmen eine Produktivitätssteigerung von
30 Prozent innerhalb eines Jahres schaffen. Das ist si-
cherlich nicht machbar. Die Kürzung in dieser Form
würde bedeuten, dass das, was als Pflänzchen in den
neuen Bundesländern aufgeblüht ist, wieder verwelkt.
Ich erwarte von Ihnen als Minister, dass Sie sich hör-
und sichtbar – ähnlich wie Ihre Landeskollegen – gegen
diese überzogene Kürzung aussprechen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Zum Schluss möchte ich noch auf ein Thema zu spre-
chen kommen, das Kollegen vor mir schon angesprochen
haben und das sehr wesentlich ist. Sie haben eine Haus-
haltstiteländerung vorgenommen. Sie klingt zunächst ein-
mal recht unspektakulär: „Förderung von Projekten gegen
Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern“ heißt
jetzt „Förderung von Projekten für demokratische Teil-
habe und gegen Extremismus in Ostdeutschland“. Sie
haben lautstark verkündet: Damit ist keine Kürzung des
Programms verbunden. In der Erläuterung zum Bericht-
erstattergespräch heißt es aber: Die in Planung befindli-
chen Programmansätze sind nicht auf eine Bekämpfung
des Rechtsextremismus beschränkt. – Das bedeutet bei
gleichem Haushaltsansatz eine Kürzung der Mittel für
Projekte gegen rechts, und nichts anderes.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Obwohl alle 26 Minuten in Deutschland eine rechts-
extremistische Straftat begangen wird – 20 000 im Jahr
2008 –, obwohl über 100 Todesopfer von Gewalttaten
mit rechtsmotiviertem Hintergrund zu beklagen sind,
werfen Sie rechten und linken Extremismus in einen
Topf.


(Jürgen Herrmann [CDU/CSU]: Ist Linksextremismus nicht so schlimm? Sie messen mit zweierlei Maß! – Otto Fricke [FDP]: Was ist denn weniger schlimm?)


Das ist meines Erachtens nicht verantwortbar. Herr Mi-
nister, Sie kommen wie ich aus Sachsen und kennen die
Situation vor Ort. Gemessen an der Einwohnerzahl wer-
den die meisten rechtsextremistischen Straftaten in Ost-
deutschland verübt. Das muss man einfach zur Kenntnis
nehmen. In der Sächsischen Schweiz oder im Muldental-
kreis haben wir kein Problem mit Islamismus oder
Linksextremismus. Aber in den NPD-Hochburgen haben
wir ein großes Problem mit Rechtsextremismus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Die Arbeit gegen Rechtsextremismus braucht einfach
langfristige Sicherheiten vom Bund, damit lokale Initia-
tiven gegen rechts, mobile Beratungsteams, Opferbera-
tungsstellen und Bildungsprojekte arbeiten können.
Diese lassen Sie jetzt im Unklaren; dafür habe ich kein
Verständnis. Das ist keine verantwortungsvolle Politik,
meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703108900

Das Wort hat nun Kollege Hans-Peter Uhl für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1703109000

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Der Rückgang der Haushaltsmittel des BMI
um 128 Millionen Euro wird sicher schwierig umzuset-
zen sein; aber es wird nur der Einstieg in eine ganze
Kette von Reduzierungen unserer Haushalte, auch des
Haushalts des BMI, sein. Deswegen halte ich es für rich-
tig, Herr Minister, dass Sie eine Kommission einrichten
werden, die sich die Sicherheitsarchitektur zumindest
des Bundes, aber wohl auch in ganz Deutschland, vor-
nimmt.

Wir haben – daran wollen wir natürlich nichts ändern –
die Hoheit der Länder über die Polizeien.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Daran arbeiten wir! Dennoch muss man sehen, dass bei 16 Bundesländern auch gewisse Zentrifugalkräfte wirken. Das ist wohl systemimmanent, und deswegen muss man sehen, wie man in einer Sicherheitsarchitektur, die in unsere Zeit passt, Synergieeffekte erzeugen und Einsparungen erzielen kann, das heißt, mit gleichen Haushaltsmitteln mehr Sicherheit organisieren kann als zuvor. Wir haben im Bereich der IT-Kommunikation mit dem IT-Planungsrat bereits einen ersten Schritt getan. 18 Milliarden Euro werden durch den Bund, die Länder und die Kommunen jedes Jahr für IT-Beschaffungen ausgegeben. Das heißt, hier ist ein weites Feld für Koordination und Zusammenarbeit, hier kann man sparen, wenn man sich auf die richtigen Systeme verständigt, die dann auch von allen Sicherheitsbehörden genutzt werden können. E-Government wird unsere Welt revolutionieren. Dem werden wir Rechnung tragen. Wir werden auf andere Weise mit den Behörden beim Bund, bei den Ländern und den Kommunen kommunizieren können. Das Ganze wird benutzerfreundlicher, und dies ist gut so. Das De-Mail-Gesetz, das wir mit der SPD in der letzten Wahlperiode nicht mehr verabschieden konnten, gehen wir jetzt energisch an. Es wird dazu beitragen, dass wir zertifizierte, sichere E-Mails versenden können, sowohl im geschäftlichen Bereich als auch im Umgang mit Behörden. Die Wirtschaft legt größten Wert auf dieses Gesetz. Die deutschen Versicherer versenden pro Jahr circa 800 Millionen Briefe. Sie könnten also durch einen sicheren E-Mail-Verkehr einen großen Teil dieser Briefe elektronisch versenden. Dies bedeutet, dass dadurch allein für die Versicherungswirtschaft Einsparungen von mehreren Hundert Millionen Euro erzielt werden könnten. Der elektronische Personalausweis ist hier schon mehrfach angesprochen worden; er wird kommen. Dazu läuft gerade ein Countdown ab, der seinen Höhepunkt am 1. November haben wird, wenn der elektronische Personalausweis eingeführt werden wird. Er wird ein Mehr an Sicherheit bringen. (Dr. Peter Danckert [SPD]: Die FDP ist damit nicht einverstanden! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Piltz wird das verhindern!)


– Auch Sie, Herr Wieland, werden mit einem solchen
Ausweis sicher identifiziert werden können, auch im In-
ternet.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich brauche den nicht! – Dr. Peter Danckert [SPD]: Den Wieland kennt man ja!)


– Obwohl man Sie kennt, wird es auch Ihnen nichts
schaden. In München kennt Sie Gott sei Dank niemand,
und da brauchen Sie einen solchen Ausweis.

Dieser Ausweis wird kommen. 13 000 Kommunen
sind dabei, sich darauf vorzubereiten. Über 100 Firmen
sind jetzt schon dabei, zu investieren. Das lässt sich nicht
rückgängig machen, denn das löst Schadenersatzpro-
zesse in horrendem Ausmaß aus. Das will auch niemand
rückgängig machen, das kommt zum Vollzug.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Doch, die FDP!)


Lassen Sie mich noch einen Satz zur Vorratsdaten-
speicherung sagen.


(Florian Toncar [FDP]: Aha!)


Das Urteil dazu haben wir zur Kenntnis genommen; wir
haben es in gewisser Weise sogar vorausgesehen.


(Florian Toncar [FDP]: Das war keine Überraschung!)


Ich habe immer gesagt – bei irgendeiner Fernsehsendung
habe ich sogar eine Wette abgeschlossen –: Das Bundes-
verfassungsgericht wird diese Vorratsdatenspeicherung,
das Speichern von Verkehrsdaten dem Grunde nach für
verfassungsgemäß erklären – das hat es getan –, wird
aber wohl sagen, dass es mit Blick auf die Anwender-
seite vielleicht da und dort doch zu weit gehe; auch dies
hat es getan. Dies setzen wir jetzt um.

Jetzt erzähle ich Ihnen etwas. Gestern war der Präsi-
dent des Bundeskriminalamtes bei uns und hat von ei-
nem erschütternden Fall berichtet. Ein Mann miss-
braucht permanent seine beiden minderjährigen Töchter,
rühmt sich im Pädophilen-Chat fortlaufend mit dieser
Tat und kündigt an: Ich mache das auch am kommenden
Wochenende. Das Bundeskriminalamt will diesem Ver-
brecher auf die Spur kommen und versucht, seine IP-
Adresse zu bekommen. Wäre sie gespeichert, könnte das
Bundeskriminalamt diesen Mann festnehmen und diese
unerträglichen Verbrechen sofort stoppen. Aber er hat
uns nachweisen können, dass die IP-Adresse vom Provi-
der nicht gespeichert wird. Durch das Urteil des Bundes-
verfassungsgerichts darf die Information auch nicht ab-
gerufen werden, selbst wenn sie gespeichert worden
wäre.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch nicht! Sie haben eine Dr. Hans-Peter Uhl Ausnahme für IP-Adressen gemacht! Sie haben es offenbar nicht gelesen!)





(A) (C)


(B)


– Herr Wieland, ich werde es Ihnen schriftlich geben,
damit Sie den Ernst der Lage erkennen. Die Äußerung
der Linken, wir sollten bei solchen Verbrechen erst ein-
mal innehalten, wird zu einer Zumutung für jeden Bür-
ger, der sich an die Regeln unseres Rechtsstaates hält.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir werden uns von den Sicherheitsbehörden Fälle
dieser Art berichten lassen. Wir werden keine Ruhe ge-
ben, bis Fälle dieser Art in unserem Land gestoppt wer-
den und bis die Sicherheitsbehörden in die Lage versetzt
werden, durch Heraussuchen dieser Vorratsdaten solchen
Verbrechern das Handwerk zu legen. Dazu sind wir ver-
pflichtet, egal in welcher Partei man ist.


(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn der gemeinsame Gesetzentwurf?)


Ich freue mich, dass wir ein sehr viel weicheres
Thema hier bereits mehrfach besprochen haben. Deswe-
gen kann ich mich kurzfassen. Die Winterolympiade
2018 sollte nach München und Garmisch kommen. Wie
ich mitbekomme, sind alle dabei, dieses Vorhaben zu un-
terstützen. Das ist gut so. Das Mini Bid Book ist beim
Internationalen Olympischen Komitee eingegangen. Die
weiteren Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Alle
machen mit: auf Bundesebene federführend der Bundes-
innenminister, der Bundesfinanzminister mit Unterstüt-
zung des Bundesverteidigungsministers durch die Be-
reitstellung der Flächen für das Olympische Dorf. Weil
alle mitmachen, bin ich zuversichtlich, dass wir im Wett-
bewerb mit Südkorea und Frankreich am 6. Juli nächsten
Jahres die Nase vorn haben und sagen können: Der Zu-
schlag geht an Deutschland. Ich danke allen Mitgliedern
dieses Parlaments für jedwede Unterstützung dieses Vor-
habens.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703109100

Das Wort hat nun Kollege Michael Hartmann für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Michael Hartmann (SPD):
Rede ID: ID1703109200

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Es lag in der Natur der Sache, dass bei der heutigen
Debatte über den Haushalt des Innenministers viel von
innerer Sicherheit und der Polizei die Rede war.

Ich möchte in diesem Zusammenhang an ein schreck-
liches Ereignis erinnern, dass sich gestern in meinem
Heimatbundesland Rheinland-Pfalz zugetragen hat. Dort
wurde ein Beamter des SEK von einem Hells Angel
ohne Vorwarnung, ohne Androhung und ohne erkenn-
bare Gefährdung durch die geschlossene Tür erschossen.
Er war trotz Schutzweste und allem anderen, was an Si-
cherheitsmaßnahmen vorgenommen wurde, sofort tot.
Es steht uns gut zu Gesicht, einen Moment an ihn und
seine Angehörigen zu denken und uns gemeinsam vor
Augen zu führen, dass Polizist bzw. Polizistin zu sein ein
lebensgefährlicher Beruf sein kann. Deshalb hat die
Polizei, egal wo sie eingesetzt ist, unsere volle und un-
eingeschränkte Unterstützung verdient.


(Beifall im ganzen Hause)


Den größten Polizeikörper in Deutschland unterhält
der Bund mit seiner Bundespolizei. Rund 40 000 Beam-
tinnen und Beamten sind dort beschäftigt und versehen
pflichtbewusst ihren Dienst. Es wird ihnen aber seit
2008 mit dem, was sich Reform nennt, nicht leichter ge-
macht, ihren Dienst pflichtbewusst und korrekt zu verse-
hen. Wir haben am 1. März 2008 ein Gesetz verabschie-
det – auch mit Stimmen der Sozialdemokratie –, das eine
Reform der Bundespolizei auf den Weg bringen sollte.
Reform bedeutet Verbesserung. Es soll besser werden,
auch wenn es beim Umorganisieren da und dort rumpelt.

Wir sind nun bei der Evaluation. Dem Innenausschuss
wurde ein Bericht zugeleitet. Gott sei Dank haben wir
als Sozialdemokraten im Jahr 2008 gefordert, dass diese
Evaluation durchgeführt wird. Die Widerstände – ich er-
innere mich sehr gut an einzelne Diskussionen und Ver-
handlungsrunden – bei unserem damaligen Koalitions-
partner waren alles andere als gering.


(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Oh ja!)


Es war aber richtig, diese Evaluation durchführen zu las-
sen.

Nun liegt uns der Bericht vor. Herr Minister, über die-
sen Bericht müssen wir intensiv und detailgenau reden.
Das sind wir den Beamtinnen und Beamten schuldig.

Lassen Sie mich eines sehr deutlich feststellen – viele
von uns haben Standorte der Bundespolizei in ihren
Wahlkreisen; Sie wissen deshalb, dass ich das nicht
leichtfertig oder aus einer einseitig gefärbten, parteipoli-
tisch geprägten Sicht der Dinge heraus formuliere –: In
diesem Bericht ist nur eine Feststellung richtig. Sie lau-
tet:

Die personalwirtschaftliche Umsetzung der Neuor-
ganisation dauert noch an.

Selbst diese Formulierung ist beschönigend und be-
mäntelnd. Das weiß man, wenn man sich anschaut, wie
sehr diese Reform eine misslungene ist. Sehr geehrter
Herr Minister, wir dürfen es nicht länger hinnehmen,
dass diese engagierte Polizeieinheit, die größte in der
Bundesrepublik Deutschland, noch weiter beschädigt
wird durch große organisatorische und strukturelle Feh-
ler, die dieser Reform immanent sind.


(Beifall bei der SPD)


Ich will das im Einzelnen begründen – ich nenne einige
wenige Punkte, die wichtig genug sind –:

Erstens. Die Aussage Ihres Vorgängers war: mehr
Polizei in der Fläche. Rund 1 000 Polizeibeamtinnen
und -beamte mehr sollten in der Fläche tätig sein und die
Bundespolizei bei bahnpolizeilichen und sonstigen Auf-
gaben offensiv unterstützen. Tatsächlich ist es so, dass

(D)






Michael Hartmann (Wackernheim)



(A) (C)



(D)(B)

rund 1 200 Beamtenplanstellen – davon war schon die
Rede – nicht besetzt sind. Wo ist mehr Polizei in der Flä-
che? Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben weniger Poli-
zei in der Fläche als zuvor. Allein das ist ein Punkt, der
beweist, dass diese Reform eine misslungene ist, Herr
Minister.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Das darf doch nicht wahr sein!)


Wir haben tatsächlich einzelne Dienststellen, einzelne
Inspektionen, die mehr als 40 Prozent Personal zu wenig
haben. Das ist keine Zahl, die ich erfunden habe. Dem
steht entgegen, dass wir die Anzahl der Plätze in den Di-
rektionen, in den Leitungsstäben und anderswo zum Teil
um bis zu 200 Prozent aufgestockt haben. Das ist ein
krasses Missverhältnis und steht im Gegensatz zu dem,
was damals ausgesagt wurde und angeblich Ansatz der
Polizeireform war.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Zweitens. Es werden derzeit, um die Zahlen zu schö-
nen, sogenannte Fahndungsschwerpunkte – ich sage:
künstlich – gesetzt. Da wird angeblich intensiv ermittelt
und gefahndet zu Verstößen gegen das Ausländerrecht.
Das ist eine Holkriminalität: Wenn man die Beamtinnen
und Beamten losschickt, dann ermitteln die – notgedrun-
gen – und finden auch etwas. Die Art und Weise des Vor-
gehens ist zum Teil fragwürdig. Dafür können die Beam-
tinnen und Beamten nichts. Zum anderen werden
dadurch, dass man künstlich diesen Fahndungsschwer-
punkt setzt, wichtige Aufgaben im bahnpolizeilichen
und sonstigen Bereich vernachlässigt. Das ist ein weite-
rer Beweis dafür, dass diese Reform eine misslungene
und zu korrigierende ist, Herr Minister.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt also entgegen der Ankündigung weniger Prä-
senz in der Fläche. Es gibt eine Organisationsstruktur,
die bezogen auf die breite Fläche misslungen ist. Dort,
wo jetzt Inspektionen sind, wären Reviere vielleicht an-
gebrachter und vice versa. Das sagen Ihnen alle Leute,
die sich fachlich und im Detail mit der Bundespolizei be-
schäftigen.

Last not least, Herr Minister: Die Sozialverträglich-
keit der Umsetzung war eine große Überschrift bei die-
ser ganzen Reform. Ich selbst und sicher auch viele Kol-
leginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen haben
eine Vielzahl berechtigter Beschwerden und Klagen von
Beamten erhalten, die aus sozialen Gründen nicht ver-
setzt werden wollen, die aber versetzt werden sollen, um
die Fehlorganisation auszugleichen. Das kann es nicht
sein. Helfen Sie bitte mit – gemeinsam in diesem Haus –,
damit den Beamtinnen und Beamten Recht widerfährt
und das Versprechen von der sozialverträglichen Umset-
zung eingehalten wird.


(Beifall bei der SPD)


Diese Reform war die dritte in 15 Jahren, die über die
Bundespolizei hinweggezogen ist, und wahrhaftig nicht
die gelungenste. Ich denke, ich konnte das begründen
und ausführen. Herr Minister, ich habe die herzliche
Bitte an Sie, weil ich weiß, dass Sie ein sachlich abwä-
gender Mensch sind und Fakten zu werten und zu ge-
wichten wissen: Gehen Sie raus zu den Polizeidienststel-
len. Hören Sie sich auch an, was die einzelnen
Beamtinnen und Beamten Ihnen zu sagen haben. Lesen
Sie nicht nur das, was Ihnen das Präsidium aufschreibt.
Lassen Sie uns im Innenausschuss offen über diesen
wirklich an den Tatsachen vorbeigehenden Bericht dis-
kutieren, und machen Sie das Ganze zur Chefsache. Re-
vidieren Sie diese Reform, Herr Minister. Das ist meine
herzliche Bitte an Sie am heutigen Tage.

Sie haben vor kurzem in einem Interview in der
Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung – ich be-
fürchte, zu Recht – gesagt:

In der Koalition wird zu viel herumgequatscht und
zu wenig … gearbeitet.

Herr Minister, solange dieser Satz – leider – wahr ist,
werden wir Ihrem Haushalt nicht zustimmen können.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber danach, oder wie?)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703109300

Das Wort hat nun Kollege Reinhard Grindel für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Reinhard Grindel (CDU):
Rede ID: ID1703109400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Korte, ich finde, an einem historischen Tag
wie dem heutigen kann man Ihnen Ihre Bemerkungen
über die Beobachtung der Linkspartei durch den Ver-
fassungsschutz so nicht durchgehen lassen.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Ha, ha!)


Es sind gerade der Berliner Innensenator Körting und die
Berliner Verfassungsschutzchefin Schmid – ich nehme
Berlin als Beispiel, weil dort die Linkspartei sogar mit in
der Verantwortung ist –,


(Jan Korte [DIE LINKE]: Gott sei Dank!)


die uns seit Monaten darauf aufmerksam machen, dass
die linksextremistischen Gewalttaten nicht nur hier in
Berlin massiv zunehmen. Sie weisen auch darauf hin,
dass es Verbindungen zwischen der Linkspartei und mi-
litanten Gruppen gibt.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Was hat das mit uns zu tun?)


Ich darf darauf verweisen, dass es Ihre Abgeordnete
Frau Höger war, die laut der Tageszeitung am
17. Oktober 2009 die Verurteilung von Brandstiftern aus
dem Kreis der militanten Gruppen mit den Worten kriti-
siert hat:





Reinhard Grindel


(A) (C)



(D)(B)

„Gegen die aggressive deutsche Kriegspolitik sind
viele Initiativen nötig.“


(Zurufe von der CDU/CSU: Unglaublich!)


Das ist eine Verharmlosung von Gewaltanwendung, die
völlig unerträglich ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jan Korte [DIE LINKE]: Das hat sie doch gar nicht gesagt!)


Ich will daran erinnern, Herr Korte,


(Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, bitte?)


dass am Ende der Rede des israelischen Präsidenten hier
in diesem Parlament eine Reihe von Abgeordneten der
Linkspartei demonstrativ sitzen geblieben ist.


(Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Jan Korte [DIE LINKE]: Was hat das mit dem Verfassungsschutz zu tun?)


– Ich kann Ihnen genau sagen, was das damit zu tun
hat. – Danach haben mehrere Pfarrer aus dem Wahlkreis
der Kollegin Dağdelen, die sitzen geblieben ist, einen of-
fenen Brief geschrieben und darauf hingewiesen, dass
Frau Dağdelen an Demonstrationen gegen Israel betei-
ligt war, wo unter anderem Rufe wie „Tod Israel“ ausge-
bracht worden sind.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Was hat das mit dem Verfassungsschutz zu tun?)


Die Pfarrer schreiben:

Früher liefen sie mit, heute bleiben Sie sitzen, es
widert uns an. Die Kirchen, die wir bespielen, sind
Kirchen der Kulturen, es sind offene Häuser, und
manche Gespräche werden darin so offen geführt,
dass es weh tun kann. Auch Sie sind hier zu Gast
gewesen. Sie werden es nicht mehr sein, Sie sind
uns nicht erwünscht. Sie haben denen, die überlebt
haben, den Respekt verweigert, unseren haben Sie
restlos verloren.

Es gibt einen Haufen Gründe, die Linkspartei vom
Verfassungsschutz überwachen zu lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Frau Kollegin Fograscher, Sie haben die Deutsche
Islam-Konferenz angesprochen.


(Zuruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])


Ich möchte die Unterstützung der CDU/CSU für die Ent-
scheidung des Bundesinnenministers über die Neuaus-
richtung der Deutschen Islam-Konferenz ausdrücklich
betonen. Das gilt für deren Zusammensetzung, aber vor
allem für deren Inhalte. Ich finde es bemerkenswert, dass
die Mitgliedsverbände des Koordinierungsrats der Mus-
lime in Deutschland überlegen, sich dem Dialog in die-
ser Islam-Konferenz zu entziehen, gerade wenn es kon-
kret wird, wenn über die Gleichberechtigung von Mann
und Frau, die Imamausbildung und den Religionsunter-
richt oder auch eine klare Abgrenzung zum islamisti-
schen Extremismus gesprochen werden soll.
Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime nennt
das, was wir da vorhaben, heute in der Süddeutschen
Zeitung „Diskussionsspektakel“. Der Mann hat nichts
begriffen. Ein Sprecher des Koordinierungsrats der Mus-
lime hat gesagt, die Verbände wollten das Recht auf ihr
religiöses Leben durchsetzen. Ich habe nichts dagegen,
dass wir intensiv darüber diskutieren, dass religiöses Le-
ben von Muslimen in Deutschland möglich sein muss.
Nur die Grundlage unserer Debatte muss klar sein. Es
kann kein Recht darauf geben, Frauen zu unterdrücken
und jungen Mädchen ihre schulischen und beruflichen
Perspektiven zu nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es kann kein Recht darauf geben, dass Religionsunter-
richt nur noch in Koranschulen stattfindet.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Gisela Piltz [FDP])


Es muss Grundlage unseres Dialogs sein, dass man sich
klar vom islamistischen Extremismus distanziert. Über
diese konkreten Fragen müssen wir bei der Deutschen
Islam-Konferenz sprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich will hier erwähnen, dass Necla Kelek in der FAZ
in dieser Woche völlig zu Recht darauf hingewiesen hat,
dass zum Koordinierungsrat der Muslime auch DITIB
gehört, die deutsche Vertretung der türkischen Reli-
gionsbehörden. Es ist insofern eine Mitentscheidung der
türkischen Regierung, ob die muslimischen Verbände
bei der Deutschen Islam-Konferenz mitmachen.


(Zuruf der Abg. Aydan Özoğuz SPD])


Unsere Bundeskanzlerin wird Ende des Monats in die
Türkei fliegen. Ich erwarte, dass die türkische Regierung
noch vor diesem Besuch ihren Einfluss geltend macht
und erwirkt, dass sich die muslimischen Verbände dem
Dialog über konkrete Fragen, die für das Zusammenle-
ben von Muslimen und Nichtmuslimen in Deutschland
von entscheidender Bedeutung sind, nicht verweigern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gisela Piltz [FDP] – Kirsten Lühmann [SPD]: Das tun sie nicht! Das ist gar kein Thema!)


Ich will ein weiteres Thema ansprechen, das sehr
wichtig ist und das der Kollege Wieland mit der Frage
nach der Freiheit im Netz bereits indirekt aufgegriffen
hat. Wir alle sind von den vielen Fällen, in denen Kinder
in Internaten verschiedenster Träger missbraucht worden
sind, schockiert. Es ist gut, dass diese Fälle jetzt aufgear-
beitet werden, damit sich so etwas nie wiederholt.

Aber ich will bei dieser Gelegenheit daran erinnern,
dass sich Kindesmissbrauch in schrecklichster Art und
Weise jeden Tag aufs Neue im Internet wiederholt. Jeder
Klick ist eine Anstiftung zu neuerlichem Missbrauch.
Wir müssen uns in diesem Haus darin einig sein – Frei-
heitsdemo hin oder her, Herr Kollege Wieland –, dass
wir das, was wir in der realen Welt bekämpfen, in der
virtuellen Welt nicht einfach so hinnehmen dürfen. Wir





Reinhard Grindel


(A) (C)



(D)(B)

dürfen es nicht zulassen, dass Versuche, den Zugriff auf
solche Seiten zu erschweren, durch Vergleiche mit Inter-
netzensur diskreditiert werden. Wir lernen jetzt immer
mehr, dass das Löschen solcher Seiten ausgesprochen
schwierig ist und sich diese Seiten ohnehin janusköpfig
im Internet verbreiten. Ich räume ein: Auch das Sperren
ist sicher kein Königsweg. Aber mit ideologischen Gra-
benkämpfen helfen wir den Kindern nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auch die Freiheit im Netz muss Grenzen haben. Wir
müssen umfassende Strategien zur wirksamen Bekämp-
fung der Kinderpornografie im Netz erarbeiten, von der
Prävention über die Strafverfolgung bis zum Opfer-
schutz. Wir brauchen nicht nur eine nationale, sondern
wir brauchen auch eine internationale Strategie. Insofern
ist auch dies eine Aufgabe der Europäischen Union. Wir
müssen national prüfen, ob wir die Strafandrohung dem
Schutzgut, um das es hier geht, der körperlichen und see-
lischen Unverletzlichkeit von Kindern, anpassen müs-
sen. Wir müssen etwas tun. Wir brauchen Runde Tische
nicht nur zum Schutz der Kinder in der realen Welt, son-
dern wir brauchen sie auch zum Schutz der Kinder in der
virtuellen Welt, die aber immer einen sehr realen und
schrecklichen Hintergrund hat. Ich rufe dazu auf, dass
wir uns der Herausforderung stellen, die Kinder zu
schützen, auch mit Maßnahmen, die in der virtuellen
Welt zum Tragen kommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da ich der letzte
Redner in dieser Debatte bin, will ich besonders gerne
betonen: Erstens. Wir stimmen dem Haushalt des Bun-
desministeriums des Innern zu. Zweitens. Lieber Herr de
Maizière, herzlichen Glückwunsch zu einem, wie ich
finde, guten Start im neuen Amt.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703109500

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den
Einzelplan 06, Bundesministerium des Innern, in der
Ausschussfassung.

Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion
Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
17/1033? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Linken bei
Stimmenthaltung der Grünen abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
17/1034? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Änderungsantrag ist mit den gleichen Mehrheitsverhält-
nissen wie zuvor abgelehnt.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den
Einzelplan 06, Bundesministerium des Innern, in der
Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt da-
gegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 06 ist mit den
Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der drei Oppositionsfraktionen angenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den
Tagesordnungspunkt I.15 auf:

a) Einzelplan 07
Bundesministerium der Justiz

– Drucksachen 17/607, 17/623 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Alexander Funk
Ewald Schurer
Florian Toncar
Steffen Bockhahn
Manuel Sarrazin

b) Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht

– Drucksachen 17/623, 17/624 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)

Otto Fricke
Roland Claus
Alexander Bonde

Zu dem Einzelplan 07 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Ewald Schurer für die SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Ewald Schurer (SPD):
Rede ID: ID1703109600

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Als Hauptbericht-
erstatter zum Einzelplan des Bundesjustizministeriums
möchte ich zunächst einmal meiner Überzeugung nach-
kommen und der Frau Bundesministerin sowie ihrem
Haus – der Leitungsebene, aber auch den Mitarbeitern –
ganz herzlich danken für die guten Arbeitsvorlagen und
für die gute Vorbereitung der Berichterstattung. Den
Kolleginnen und Kollegen aus der Berichterstatterrunde
möchte ich für die kollegiale Zusammenarbeit danken.

Der Justizhaushalt ist eine übersichtliche Veranstal-
tung, aber deswegen nicht minder bedeutend für das
Rechtsleben und die Funktionsfähigkeit der Justiz in der
Republik. Ausgaben von 489 Millionen Euro stehen Ein-
nahmen von 409 Millionen Euro gegenüber. Das ist eine
Deckungsquote von sage und schreibe 83 Prozent. Eine
so hohe Finanzdeckung mit eigenen Mitteln zu errei-
chen, das ist im Bundeshaushalt ein Novum.

Geprägt ist dieser Haushalt durch die Personalausga-
ben; sie machen 78 Prozent aus. Dem Wesen der Mate-
rie entsprechend muss das Personal hochqualifiziert
sein.





Ewald Schurer


(A) (C)



(D)(B)

Ich habe es schon gesagt: Für die Funktionsfähigkeit
des Justizwesens ist dieser Haushalt von großer Bedeu-
tung. Bedeutend ist er aber auch dafür – ich möchte das
unterstreichen –, wie die Bürgerinnen und Bürger die
Rolle der Justiz in der Gewaltenteilung, die wir in unse-
rer Demokratie haben, wahrnehmen. Das BMJ nimmt
hoheitliche Verfassungsaufgaben wahr. Unter anderem
stellen die ihm zugeordneten Gerichte den Justizgewäh-
rungsanspruch der Bürgerinnen und Bürger sicher, und
der Generalbundesanwalt gewährleistet die Strafverfol-
gungspflicht. Dies sind eminent wichtige Güter für das
Rechtsleben einer demokratischen Kultur und eines de-
mokratischen Staatswesens.

Der größte und vielleicht markanteste Bereich in die-
sem Hause ist das Deutsche Patent- und Markenamt
in München mit Außenstellen in Berlin und in Jena.
2 500 hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
wirken hier und erteilen und verwalten gewerbliche
Schutzrechte und geben Informationen über gewerbliche
Schutzrechte in Deutschland heraus. Ich habe jüngsten
Recherchen entnehmen können, dass es im letzten Jahr
60 000 Patentanmeldungen gab. Heute hat das Früh-
stücksfernsehen aktuell beigesteuert, in der europäischen
Rangliste des Patentanmeldens belege Deutschland da-
mit den dritten Platz. Das DPMA ist die Zentralbehörde
auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, also
eine eminent wichtige Institution. Es erwirtschaftet
72 Prozent aller Einnahmen im Bereich des BMJ und
trägt so dazu bei, dass diese hohe Gegenfinanzierungs-
quote erreicht wird.

Im Jahr 2007 neu geschaffen wurde das Bundesamt
für Justiz, Kapitel 0708. Mit dem Bundesamt für Justiz,
dessen Aufbau über Jahre geplant worden war, wurde eine
neue, zentrale Dienstleistungsbehörde der Bundesjustiz
geschaffen, die, wie ich nachvollziehen konnte, zur Ent-
lastung anderer Bundesbehörden in dem Bereich „Justiz
und Recht“ geführt hat. Im Haushalt 2010 stehen Ausga-
ben von 41,6 Millionen Euro Einnahmen von voraussicht-
lich 70 Millionen Euro gegenüber. Das Bundesamt für
Justiz schafft größere Transparenz und Bürgernähe. Es hat
zentrale Aufgaben im Bereich Registerwesen, Verfol-
gung von Ordnungswidrigkeiten, allgemeine Bundesjus-
tizverwaltung und dergleichen.

Erlauben Sie mir einen kurzen Exkurs: Was mich als
Haushälter überrascht hat, ist, dass in diesem Einzelplan 07
– Bundesjustizministerium – über die Jahre eine relativ
hohe Rate an Ausgaberesten aufgebaut wurde. Dazu ge-
hören Stellen, die ausgewiesen, aber nicht besetzt wur-
den, aber auch verschobene IT-Projekte und Bauvorha-
ben. Angesichts der dramatischen Haushaltssituation
müssen diese Ausgabereste in den nächsten Jahren
selbstredend sinnvoll verwirtschaftet, sinnvoll eingesetzt
werden, beim Personal oder bei notwendigen Investitio-
nen.

Lassen Sie mich einen Titel aufgreifen, der für mich
politisch eine besondere Sensibilität darstellt, in Anleh-
nung an die Diskussion zum Einzelplan 06: In dem Ka-
pitel für das Bundesamt für Justiz sind im Titel 681 01
Härteleistungen für Opfer aller extremistischen Über-
griffe vorgesehen. Dieser Titel wird um 700 000 Euro
auf 1 Million Euro aufgestockt. Werte Kolleginnen und
Kollegen – vielleicht auch über alle Parteigrenzen
hinweg –, ich möchte an dieser Stelle sagen: Man sollte
niemals den Fehler machen, die Übergriffsarten gegen-
einander auszuspielen. Es ist vorhin gesagt worden: Flä-
chendeckend ist der Rechtsradikalismus in Deutschland
die Bedrohung mit den meisten, signifikant nachvoll-
ziehbaren Opferzahlen. Das kann man nicht kleinreden.
Dennoch würde ich niemals auch einen vorhandenen
Linksradikalismus kleinreden wollen.

Zur Gewichtung dieser Formen sage ich zum Schluss
aber ganz klar: Vergessen Sie bitte nicht, dass die rechts-
extreme Gewalt in Teilen des Landes mittlerweile flä-
chendeckend vorhanden ist, wie in Teilen Sachsens oder
in Teilen Brandenburgs. Das sollte und kann man in kei-
ner Weise kleinreden, auch wenn so etwas auch in Mün-
chen oder sonst wo vorkommt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Der Bezug ist, dass es darum geht, Programme weiter
zu evaluieren und zu entwickeln, die in den letzten Jah-
ren über das Familienministerium und über das BMI ent-
sprechend aufgebaut worden sind.

Für die Entwicklung des Justizwesens auf europäi-
scher Ebene ist es noch wichtig, das Europäische
Geldsanktionsgesetz zu erwähnen. Wir sind eines der
letzten Länder in Europa, die die entsprechende Richtli-
nie umsetzen. Hier geht es um die gegenseitige Anerken-
nung von rechtskräftigen Entscheidungen über die Zah-
lung von Geldstrafen und Geldbußen. Wenn ich richtig
informiert bin, soll das hier am 1. Oktober 2010 Gültig-
keit erlangen. Die entsprechenden Aufgaben können nur
erfüllt werden, wenn es an dieser Stelle einen Personal-
aufwuchs um 99 Stellen gibt, die in diesem Haushalt be-
reits induziert und geplant sind.

Die Hochrechnungen besagen, dass es dann per an-
num in etwa 100 000 Verfahren oder auch mehr geben
wird. Das würde für die Gegenfinanzierung Mehrein-
nahmen von circa 7 Millionen Euro bedeuten. Für die
Anfinanzierung dieses Projektes stellen die Ausgabe-
reste, die ich vorhin erwähnt habe, sicherlich eine gute
Möglichkeit dar. Damit werden die Voraussetzungen ge-
schaffen.

Frau Ministerin, ich darf Sie selbst noch auf etwas an-
sprechen, was für mich im politischen Bereich von gro-
ßer Bedeutung ist. Sie persönlich waren innerhalb der
FDP ja immer – das sage ich mit Anerkennung – eine
Fachfrau, die man mit Bürger- und Verbraucherrechten
verbunden hat, und Sie sind es auch jetzt. Das meine ich
so, wie ich es sage. Trotzdem habe ich einige Ängste und
auch ein schlechtes Gefühl, wenn ich mir das Ungefähre
des Koalitionsvertrages hinsichtlich des Mietrechts an-
schaue.

Sie beabsichtigen, eine Grundkoordinate der Gesell-
schaft, die auch die Funktion des sozialen Ausgleichs
haben muss, zu verändern, um das Mietrecht unter Um-
ständen einseitig zulasten bzw. zuungunsten der Miete-
rinnen und Mieter zu verschieben,





Ewald Schurer


(A) (C)



(D)(B)


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Machen Sie sich keine Sorgen!)


was für die soziale Sicherheit gerade von Familien und
anderen Lebensrealitäten und deren Haushalte im Lande
sicherlich keine gute Sache wäre.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Deswegen will ich Sie fragen – das ist dann eine Sache
des Dialoges –, warum die FDP das Mietrecht eigentlich
immer nur von der Seite der Vermieter aus denkt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Florian Toncar [FDP]: Tun wir doch gar nicht!)


Ist es denn so, dass durch die zugegeben natürlich auch
vorhandene kriminelle Energie von wenigen Mietnoma-
den – das bewegt sich im Promillebereich – der Schutz
von Millionen von Menschen ausgehöhlt werden muss,
die auf ein anständiges Mietrecht mit guten Kündigungs-
fristen angewiesen sind?


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Diese Frage darf man doch höflich und bestimmt stellen,
weil sich die Antwort darauf in dieser doch nicht einfa-
chen Konstruktion von Schwarz-Gelb – wir alle wissen,
dass Sie sich hier nicht sehr leicht tun – vielleicht auf
Ihre weitere Meinungsbildung auswirkt.


(Alexander Funk [CDU/CSU]: Sie können sich gern mal besagte Wohnungen angucken!)


Zum Schluss ist es für die Öffentlichkeit auch noch
wichtig, zu wissen – auch das macht mir, wiewohl nicht
Jurist, als Bundestagsabgeordneter, als Politiker und
auch als Bürger schon ein bisschen Sorge –, dass Sie
künftig auch Privatisierungen im Bereich des Rechtswe-
sens vorsehen. Sie wollen zum Beispiel das Gerichts-
vollzieherwesen privatisieren.

Ich frage mich: Zu was soll das führen? Glauben Sie,
dass durch Privatisierungen in der Rechtspolitik mehr
Sicherheit geschaffen wird? Glauben Sie, dass damit die
Durchsetzung von Recht und Gesetz verbessert wird?
Glauben Sie, dass dadurch das Vertrauen der Bürgerin-
nen und Bürger in den Rechtsstaat gestärkt wird? – Ich
glaube das nicht.

Sie stellen Analogien zu anderen Ländern her, in de-
nen es – das ist bei uns nicht der Fall – fragile zivilge-
sellschaftliche Strukturen gibt. Ich darf Ihnen das so sa-
gen: In diesen Ländern ist dies eher vorzufinden,
während das in unserem Rechtswesen nicht passend ist.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen glaube ich, dass es nicht notwendig und poli-
tisch auch ein Fehler ist, die Aufgaben des Nachlassge-
richtes auf Notare zu übertragen. Sie wollen vermeintliche
Einsparungen bei den Zwangsvollstreckungsverfahren
erwirken, aber damit geben Sie eine hoheitliche staatli-
che Aufgabe in private Hände. Das ist mit uns Sozialde-
mokraten nicht zu machen. Wir werden uns dagegen ent-
sprechend wehren.

Ich komme zu meiner Schlussaussage: Verschlechte-
rung des Mietrechts oder Privatisierungen, wie sie hier
aufgezeigt wurden, leisten meiner Meinung nach keinen
Beitrag dazu, das Vertrauen der Menschen in die Politik
oder in das Rechtswesen, also in die juristischen Voll-
züge und die Verantwortung der Gesellschaft gegenüber,
zu erhöhen. Ich möchte Sie bitten, in diesem noch lau-
fenden Prozess nachzudenken und einen politischen
Konsens mit uns Sozialdemokraten zu suchen. Wir sind
für Beratungen immer zu haben, vor allen Dingen wenn
es um die Verbesserung der Sache geht.

Ganz herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703109700

Das Wort hat nun die Bundesministerin der Justiz,

Frau Leutheusser-Schnarrenberger.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Lassen Sie mich auch mit Dank beginnen. Ich
danke den Haushaltsberichterstattern der Koalition,
Herrn Funk und Herrn Toncar, sowie den Berichterstat-
tern der Opposition, also dem Hauptberichterstatter
Herrn Schurer, Herrn Sarrazin und Herrn Bockhahn. Ich
bedanke mich außerdem für Ihren Dank an die Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter des Justizministeriums. Sie sol-
len wissen, dass wir Ihnen offen gegenüberstehen, wenn
Sie Informationen oder Begründungen für Ansätze in
unserem Haushalt, der wirklich sehr überschaubar und
dennoch sehr wichtig ist, benötigen.

Lassen Sie mich mit drei kurzen Bemerkungen zum
Haushalt beginnen. Ich möchte als Erstes mit dem Punkt
beginnen, den Sie, Herr Schurer, angesprochen haben,
nämlich den Titel für Härteleistungen für Opfer extre-
mistischer Übergriffe. Dieser Titel ist deutlich aufge-
stockt worden, und zwar um 700 000 Euro auf 1 Million
Euro. Wir haben im Haushaltsausschuss mit den Haus-
haltsberichtserstattern intensiv darüber gesprochen. Es
muss sich daher niemand Sorgen machen, dass aus die-
sem Titel keine ausreichenden Gelder gewährt werden
können, um die Opfer, die rechts- oder linksextremisti-
sche Gewalt erfahren mussten, zu entschädigen. Wir ha-
ben die entsprechenden Richtlinien für die Verwendung
dieser Gelder angepasst.

Ich möchte mich außerdem – das ist meine zweite Be-
merkung – ganz herzlich dafür bedanken, dass für unsere
zukünftige Aufgabe nach dem Geldsanktionsgesetz,
das wir nach der Bildung der Koalitionsregierung zügig
auf den Weg gebracht haben, die Stellenausstattung im
Haushalt mit dem Tag des beabsichtigten Inkrafttretens,
dem 1. Oktober 2010, gesichert ist. Herr Schurer, Sie ha-
ben die Grundlage für diese Berechnung bereits vorge-
tragen. Es ist eine wichtige Aufgabe. Wir sind verpflich-





Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) (C)



(D)(B)

tet, diese EU-Vorgabe umzusetzen. Das ist in der letzten
Legislaturperiode nicht mehr passiert.

Als dritte Bemerkung möchte ich das Präventions-
projekt Dunkelfeld der Charité Berlin erwähnen, das
seit dem Jahr 2008 durch den Haushalt des Bundesjustiz-
ministeriums mit jährlich 250 000 Euro gefördert wird.
Meine Vorgängerin hat es zusammen mit den Haushalts-
berichterstattern in den Haushalt eingestellt bekommen.
Ich bin froh, dass die Förderung dieses Jahr fortgesetzt
wird. Für das nächste Jahr ist die Finanzierung aber
überhaupt nicht gesichert.

Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte
über Missbrauch in Institutionen von katholischen, evan-
gelischen und anderen Trägern ist es in meinen Augen
ganz entscheidend, dieses Projekt weiterzuführen. Am
besten wäre es, es nicht nur weiterzuführen, sondern so-
gar auszubauen. Denn es handelt sich um ein Projekt,
das Männern, die die Gefahr ihrer pädophilen Neigung
erkennen, die Möglichkeit gibt, sich an fachkundige Be-
rater zu wenden und entsprechende Therapien zu ma-
chen, bevor etwas passiert. Ich werbe daher schon jetzt
dafür. Es wäre in unserem gemeinsamen Interesse, wenn
eine Fortsetzung des Projekts gesichert werden könnte.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christine Lambrecht [SPD]: Macht es!)


Wenn das nicht möglichst bald in Aussicht gestellt wird,
dann werden viele Therapien nicht mehr angewandt wer-
den können, weil sie über einen längeren Zeitraum und
somit über den Jahreswechsel hinaus andauern würden.

Lassen Sie mich zur aktuellen Debatte über Miss-
brauch und insbesondere über die vielen Missbrauchs-
fälle aus den vergangenen Jahrzehnten kommen. Ich
habe mich als Bundesjustizministerin von Anfang an mit
dem Gesichtspunkt eingebracht, der mich als Ministerin
besonders zu beschäftigen hat, nämlich die Durchset-
zung des staatlichen Strafanspruchs. Genau das habe ich
eingefordert.

Ich denke, es ist ganz wichtig, dass von allen Verant-
wortlichen in Institutionen bei Anhaltspunkten, die sich
etwas verdichten, die Informationen an die Staatsanwalt-
schaft gehen, ohne dass wir wieder eine strafbewehrte
Anzeigepflicht für alle Delikte in unser Strafgesetzbuch
einführen. Ich habe heute zur Kenntnis genommen und
freue mich darüber, dass gerade in Bayern von Erz-
bischof Marx öffentlich gesagt wurde, dass er sich dafür
einsetzt, dass die Leitlinien der Deutschen Bischofs-
konferenz genau in diesem Punkt entsprechend geändert
werden sollen.

Wir haben uns in der Bundesregierung – um auch hier
gleich Spekulationen und weiteren Überlegungen den
Boden zu entziehen –, nachdem ich diejenige war, die
als Erste einen runden Tisch ins Gespräch gebracht hat,
auf einen gemeinsamen runden Tisch verständigt, der in
die Zukunft blickt, aber auch zurückblickt und sowohl
das Thema Prävention als auch rechtliche Fragen wie die
Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs behandeln
wird. Von daher mündet das, glaube ich, in eine positive
Entwicklung ein, die auch – das muss unser Anliegen
sein – den Opfern von Missbrauch aus der Vergangen-
heit da, wo Verjährung eingetreten ist, aber auch im Hin-
blick auf Verhinderung Rechnung trägt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben ein umfangreiches rechtspolitisches Pro-
gramm, das sehr klar macht, dass wir sehr wohl in eini-
gen Punkten Korrekturen vornehmen. Wir werden nach
der Sommerpause im Kabinett den ersten Gesetzent-
wurf, der sich mit dem Schutz der Berufsgeheimnis-
träger befasst, nach Abstimmung mit den Ländern und
auch mit den Ressortkollegen beschließen und ihn die-
sem Haus zur Beratung und Beschlussfassung vorlegen.

Wir müssen uns auch ausführlich und intensiv mit der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur anlass-
losen Vorratsdatenspeicherung befassen, nicht nur im
Hinblick darauf, was das für uns in Deutschland heißt
und was dort kritisiert wird, und nicht nur im Hinblick
auf Gesetzesformulierungen, die man nicht einmal aus
dem Urteil abschreiben kann, sondern auch im Hinblick
auf Datensicherheit und die Bereiche, die ausgenommen
werden sollen.

Parallel dazu findet auf EU-Ebene derzeit eine Eva-
luation statt, an der wir uns zu beteiligen haben, was wir
auch tun. Die Prüfung erfolgt auch auf der Grundlage
der EU-Grundrechtecharta, die in Kraft getreten ist. Von
daher werden wir und werde ich als zuständige Ministe-
rin sehr verantwortungsvoll mit diesem so sensiblen
Thema umgehen, wobei wir uns aber auch diese Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichtes in ihrer ge-
samten Tragweite auch im Hinblick auf zukünftige Pro-
jekte immer bewusst machen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Herr Schurer, Sie haben einige Punkte angesprochen,
auf die ich nur sehr kursorisch eingehen kann. Das allge-
meine Gespenst der Privatisierung muss hier nicht an
die Wand gemalt werden. Ich sage ganz deutlich: Alles,
was nur mit einer Grundgesetzänderung möglich ist
– dazu haben wir eine pauschale Aussage in unserem
Koalitionsvertrag –, werden wir nicht vorrangig als
Thema der Koalitionsregierung und der Fraktionen an-
gehen. Das haben wir ausdrücklich so vereinbart, sodass
wir uns damit befassen werden, was außerhalb der
Ebene einer Grundgesetzänderung möglich ist. Ich
glaube, das kann schon als eine gewisse Bewertung auf-
genommen werden.

Aber wir müssen uns auch mit einer Fülle von Vor-
schlägen aus den Ländern – über Ländergrenzen hinweg,
nicht nur aus Ländern, in denen wir eine CDU/FDP-Re-
gierung oder CSU/FDP-Regierung haben – befassen und
gerade auch das Testamentsregister als erstes Projekt
forcieren. Das werden wir intensiv tun.

Zum Mietrecht haben wir viele Punkte vereinbart.
Dort werden wir und werde ich genau hinsehen: Was ge-
hen wir zuerst an? Natürlich gehen wir das Thema Miet-
nomaden an. Dabei geht es um das Berliner Modell oder





Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) (C)



(D)(B)

darum, eine deutliche Beschleunigung des Vollstre-
ckungsverfahrens zu erreichen. Das dient allen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Natürlich werden wir uns auch mit Luxussanierungen
beschäftigen.

Ich sage ganz klar: Was die Kündigungsvorschriften
im Mietrecht angeht, werde ich überhaupt nur dann ak-
tiv, wenn alle Koalitionsfraktionen voller Herzblut sa-
gen: Genau das muss jetzt geschehen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir schriftlich haben!)


Von daher wenden wir uns zunächst einmal den anderen
Punkten zu.

Vielen Dank, Herr Präsident, für Ihre Geduld. –
Danke schön.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Christine Lambrecht [SPD]: Ihr seid euch doch nie einig!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703109800

Das Wort hat nun Kollege Wolfgang Nešković für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1703109900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr verehrte Ministerin! Das waren zum
Schluss optimistische Worte. Ich bin gespannt, was da-
bei herauskommt.


(Michael Groschek [SPD]: Wollen wir wetten?)


Der Philosoph Ernst Bloch prägte einst das Bild vom
aufrechten Gang: Ihn zu lernen, sei schwer, aber mög-
lich. Zwei Lasten verwehren es den Menschen, aufrecht
zu gehen. Auf ihren seelischen Schultern lasten Un-
gleichheit und Unfreiheit. Auf der einen Schulter lasten
soziale Not und Verelendung, auf der anderen Schulter
staatliche Bevormundung und Entrechtung. Aufrecht
wollte Bloch uns sehen. Doch wirklich aufrecht geht der
Mensch nur als Freier unter Gleichen.

Freiheit und Gleichheit sind die tragenden Prinzipien
unseres Grundgesetzes. Politik, insbesondere die Rechts-
politik, bewegt sich innerhalb dieser Grenzen. Der
Rechtsstaat und die Freiheitsrechte des Grundgesetzes
sollen es jedermann ermöglichen, sich gegen staatliche
Entrechtung zur Wehr zu setzen. Die Grundrechte als
Freiheitsrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat. Sie
stellen institutionalisiertes Misstrauen gegen einen un-
vernünftigen Staat dar.

Das Sozialstaatsprinzip hingegen verpflichtet den
Staat zum sozialen Ausgleich und zur Schaffung einer
gerechten Sozialordnung, oder – um es mit den Worten
von Heribert Prantl auszudrücken –: Der Sozialstaat ist
mehr als der liberale Rechtsstaat, er ist der Handausstre-
cker für die, die eine helfende Hand benötigen.

(Beifall bei der LINKEN – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Von Bloch zu Prantl ist ein starker Schritt!)


Im über 60 Jahre alten Verfassungstext schlummert
eine unverwirklichte Utopie: der soziale Rechtsstaat. Er
ist ein gutes Wegstück auf der Reise in eine humane Ge-
sellschaft. Diesen Weg müssen wir beschreiten, wenn
wir uns beim Gang in die Zukunft aufrichten wollen.

Doch die neoliberale Politik der letzten zwei Jahr-
zehnte hat die Utopie unserer Verfassung missachtet.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir gehen trotzdem aufrecht!)


Sie hat die Lasten auf den Schultern der Menschen ver-
mehrt. Sie lässt zu, dass sich die Schere zwischen Reich
und Arm täglich vergrößert. Freiheit hält sie für Wirt-
schaftsliberalismus. Gleichheit ist für sie ein Fremdwort.
Die neoliberale Politik hat mit den technischen Mitteln
der Informationsgesellschaft – das war die vorherige
Diskussion – begonnen, einen Überwachungsstaat zu er-
richten, der den Bürger mit immer neuen Unfreiheiten
beschwert. Am ferneren Ende dieses Weges dieser neoli-
beralen Politik werden wir eine andere Gesellschaft ha-
ben. In ihr werden Armut und Wut der Gebückten für so-
ziale Kämpfe sorgen. Wir werden sehen, ob dann die
Instrumente des Überwachungsstaates genutzt werden,
um den sozialen Protest der Menschen zu unterbinden.

All das ist nicht die Vision des Grundgesetzes. Die
Vision des Grundgesetzes besteht darin, die Ideale von
Freiheit und Gleichheit miteinander zu vereinen; denn es
gibt keine wirkliche Freihheit ohne Gleichheit. Die
Linke – Sie werden das verstehen – hält es da mit Rosa
Luxemburg: Freiheit ohne Gleichheit ist Ausbeutung.
Gleichheit ohne Freiheit ist Unterdrückung.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie das aufregt, dann lesen Sie doch Urheber des-
selben Gedankens. Sie müssen nicht Rosa Luxemburg
glauben,


(Zuruf von der CDU/CSU: Tun wir auch nicht!)


Sie müssen auch nicht Ernst Bloch verstehen; Sie brau-
chen nur die Texte des Verfassungsgerichtes zu lesen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Gott sei Dank! – Caren Lay [DIE LINKE]: Die können ja nicht lesen!)


Am 17. August 1956 formulierten die Richter des
Bundesverfassungsgerichts:

Die freiheitliche Demokratie ist von der Auffassung
durchdrungen, daß es gelingen könne, Freiheit und
Gleichheit der Bürger trotz der nicht zu übersehen-
den Spannungen zwischen diesen beiden Werten
allmählich zu immer größerer Wirksamkeit zu ent-
falten

– jetzt kommt es –

und bis zum überhaupt erreichbaren Optimum zu
steigern.





Wolfgang Neškoviæ


(A) (C)



(D)(B)


Wolfgang Nešković
So wörtlich das Bundesverfassungsgericht. Das ist der
Auftrag unseres Grundgesetzes. Das haben uns die Ver-
fassungshüter in unser politisches Stammbuch geschrie-
ben.

54 Jahre später hält Herr Westerwelle die Umsetzung
dieses Auftrages für spätrömische Dekadenz. Herr
Westerwelle vergleicht – das ist ein unglaublicher Zynis-
mus – die Lebenswirklichkeit von Hartz-IV-Empfängern
mit der Dekadenz der römischen Oberschicht in der Spät-
antike.


(Florian Toncar [FDP]: Das hat er nicht gesagt!)


Spätrömische Dekadenz existiert in diesem Land, für-
wahr. Nie zuvor gab es in der Bundesrepublik so viel
Reichtum in den Händen weniger, Reichtum, der nutzlos
an den Börsen dieser Welt verzockt wird, zulasten der
Allgemeinheit. Wenn Herr Westerwelle also wissen will,
wie die Dekadenz der römischen Oberschicht in etwa
ausgesehen haben mag, dann sollte er das Lebensumfeld
einiger Menschen untersuchen, die seiner Partei ständig
Großspenden zukommen lassen.


(Beifall bei der LINKEN)


Seine von historischer Ahnungslosigkeit geleitete
Aufregung hatte allerdings Gründe. Sein aggressiver Ei-
fer wurde durch die Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichts zu Hartz IV entfacht. Wieder hatte das Ge-
richt über den Wert der Gleichheit in unserer
Gesellschaft zu entscheiden. Am 9. Februar 2010 stellte
es fest, dass die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze
gegen den vornehmsten Artikel unseres Grundgesetzes
und gegen eines seiner tragenden und unveränderlichen
Prinzipien verstößt: gegen die Menschenwürde und ge-
gen das Sozialstaatsprinzip. Das Bundesverfassungsge-
richt legte fest, dass ein einklagbarer Anspruch auf
Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzmini-
mums besteht. Dieser Anspruch ist laut Bundesverfas-
sungsgericht unverfügbar, also nicht kürzbar, und muss
stets gewährleistet sein. Das war eine kleine juristische
Revolution im Namen der Gleichheit.

Wir benötigen jedoch größere juristische Revolutio-
nen, um endlich den aufrechten Gang im Bloch’schen
Sinne zu erlernen; denn die Vision des Grundgesetzes
scheitert daran, dass die Mehrheit in diesem Hause sich
dieser Vision in trotziger Uneinsichtigkeit verschließt.
Sie übersieht den sozialen Gehalt unserer Verfassung.
Dieser Ignoranz muss auch ohne Hilfe des Bundesver-
fassungsgerichts begegnet werden. Deswegen benötigen
wir Texte im Grundgesetz, die das Sozialstaatsprinzip
präzisieren. Wir benötigen auch konkrete soziale Grund-
sätze.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir benötigen zum Beispiel Formulierungen wie diese:

Arbeit ist die Quelle des Volkswohlstandes und
steht unter dem besonderen Schutz des Staates.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Karl Marx?)

– Sie werden sich gleich noch wundern, Herr Grosse-
Brömer.

Ich fahre fort:

Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem
Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung ei-
nes menschenwürdigen Daseins für alle


(Zurufe von der CDU/CSU)


– ich wundere mich, dass Sie so empört sind, wenn es
darum geht, dass es allen gut gehen soll –

und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung
aller Volksschichten.

Ich betone: aller Volksschichten. Weiter heißt es – das
geht an die Adresse der Damen und Herren von der FDP –:

Kapitalbildung ist nicht Selbstzweck, sondern Mit-
tel zur Entfaltung der Volkswirtschaft.

Das Geld- und Kreditwesen dient der Werteschaf-
fung und der Befriedigung der Bedürfnisse aller
Bewohner.

Jetzt müssten Sie alle eigentlich klatschen, besonders
die Kolleginnen und Kollegen aus Bayern; denn es han-
delt sich um Zitate aus der aktuellen bayerischen Ver-
fassung. Das muss man zur Kenntnis nehmen.


(Beifall bei der LINKEN)


In dieser Verfassung steht nichts davon, dass das Geld
und der Geldkreislauf den Bedürfnissen einiger weniger
dienen sollen. Es ist also nicht richtig, dass Herr
Ackermann schon wieder 10 Millionen Euro einsacken
darf, während andere Menschen in diesem Staat um ihr
Geld betteln müssen. Die bayerische Verfassung enthält
in der Tat Vorstellungen für eine humanere Gesellschaft.
Sie enthält die Utopie, von der man auch in Bayern weit
entfernt ist. Das heißt jedoch nicht, dass man sich von
dieser Utopie verabschieden sollte. Die Linke jedenfalls
wird sich von dieser Utopie, in der es darum geht, Frei-
heit und Gleichheit miteinander zu verbinden, nicht ver-
abschieden. Das ist im Bloch’schen Sinne der Weg zum
aufrechten Gang der Menschen. Das ist genau der Weg
und der Auftrag, den das Bundesverfassungsgericht be-
schrieben hat.

Diesen Weg beschreitet die gegenwärtige Koalition
nicht. Sie hat Angst, die Banken an den Kosten der Ret-
tungspakete zu beteiligen. Sie zaudert und geizt bei den
sozialen Ausgaben. Sie lehnt einen flächendeckenden
Mindestlohn ab. Sie befürwortet damit die Ausbeutung
der Menschen. Sie hat im Koalitionsvertrag Vorstellun-
gen zum Mietrecht offenbart, die den sozialen Zorn von
Millionen Menschen in unserem Land schüren werden.
Die Kündigungsfristen im Mietrecht zulasten der Mieter
zu verkürzen und die Mieter auch noch an energetischen
Sanierungsmaßnahmen zu beteiligen, sind Ausdruck ei-
ner Klientelpolitik. Das ist die Politik des kalten Her-
zens.

Die Koalition hat auch vor, das moderne Jugendstraf-
recht von seinem Erziehungsgedanken zu entfernen.
Hier sollen wieder die deutschen Stammtische die Ober-





Wolfgang Neškoviæ


(A) (C)



(D)(B)


Wolfgang Nešković
hand erhalten. Herr Koch lässt grüßen. Wir halten daran
fest: Bei Jugendlichen geht Erziehung vor Strafe.


(Beifall bei der LINKEN)


Diese Koalition steht trotz der von mir sehr geschätzten
Justizministerin weiterhin für eine freiheitsbedrohende
Sicherheitspolitik.


(Beifall bei der LINKEN)


Diese Politik ist für die Menschen in unserem Lande ein
Debakel. Das liegt schon an den politischen Grundvor-
stellungen, die beide Parteien in die Regierung einbrin-
gen. Die CDU/CSU ist mit ihrer Sicherheitspolitik kein
Freund der Freiheit. Bei ihr gilt immer noch der Grund-
satz: Im Zweifel für die Sicherheit und nicht für die Frei-
heit. Die FDP dagegen ist kein Freund der Gleichheit.
Sie ist eher ihr Feind. Diese beiden Partner treffen nun in
einer Wunschehe aufeinander. Die FDP trifft dort einen
Partner, der kein Freund der Freiheit ist. Die CDU/CSU
trifft einen Partner, der ein Feind der Gleichheit ist. Die
Folgen für die Menschen sind bitter. Diese Koalition ist
eine Koalition aus Unfreiheit und Ungleichheit.


(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie bringt den Menschen den gebückten Gang, nicht den
aufrechten Gang.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wie lange darf der noch reden?)


Sie führt uns weg vom Auftrag des Grundgesetzes, und
sie entfernt uns von der humanen Utopie unserer Verfas-
sung – hoffentlich nur für knappe vier Jahre. Ich halte es
da mit der Hoffnung. Das war das Lieblingswort von
Ernst Bloch.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703110000

Das Wort hat nun Kollege Alexander Funk für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Alexander Funk (CDU):
Rede ID: ID1703110100

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Nach diesen philosophischen, absurden und
utopischen Ausführungen komme ich wieder zu der
Haushaltsberatung zurück.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte mit einem Dank für die konstruktive Zu-
sammenarbeit bei der Erstellung des Justizetats beginnen,
der nicht spektakulär, aber deshalb nicht minder wichtig
ist. Wir haben in drei Sparrunden das vorgegebene Spar-
ziel erreicht. Das Ministerium selbst hat Vorschläge erar-
beitet, der Regierungsentwurf enthielt weitere Sparvor-
schläge, und in der Bereinigungssitzung haben wir
weitere Ressourcen erschlossen. Mit anderen Worten:
Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Die Ausgaben
sind im Vergleich zum Jahr 2009 um 2,23 Prozent gesun-
ken, was bei einem klassischen Verwaltungshaushalt mit
hohen Personalkosten, die allein 78 Prozent der Ausga-
ben ausmachen, nicht ganz einfach ist; denn die Zahlung
von Gehältern und Löhnen können wir schlecht auf das
nächste Jahr verschieben.

Herr Schurer, Sie haben einen Punkt aus dem Etat he-
rausgegriffen, nämlich den Fonds für Opfer extremisti-
scher Gewalt, der um 700 000 Euro ansteigt und einen
Betrag von 1 Million Euro beinhaltet. Ich gebe Ihnen
recht, dass es nicht darum geht, die Opfer rechter Gewalt
gegen die Opfer linker Gewalt auszuspielen. Genau des-
halb haben wir diesen Fonds nun für die Opfer jeglicher
extremistischer Gewalt umgewidmet; denn für das Opfer
macht es sicherlich keinen Unterschied, ob es von einem
Baseballschläger eines Rechten oder von einem Molotow-
cocktail eines Linken verletzt wurde. Dem haben wir
Rechnung getragen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christoph Strässer [SPD]: Darum geht es doch gar nicht!)


Die vergangenen Wochen haben jedem, auch wenn er
sonst mit dem Justizwesen wenig zu tun hat, klarge-
macht, wie wichtig Rechtsetzung und Rechtsprechung in
einer Demokratie sind. Seit der ersten Lesung des Haus-
haltsplans gibt es einige Beispiele dafür, wie Rechtspre-
chung Medien und Menschen bewegt. Heftig gestritten
wurde und wird über die zukünftige Aufgabenwahrneh-
mung nach dem SGB II. Die Diskussion ist das Ergebnis
einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
und wird nach unseren Vorstellungen in eine Änderung
des Grundgesetzes münden. Das höchste deutsche Ge-
richt hat mit seiner Entscheidung zur Höhe des Regelsat-
zes für Hartz IV neue Maßstäbe gesetzt, die wir nun um-
setzen müssen. Ich warne aber vor einem populistischen
Schnellschuss, der nur auf die Landtagswahlen in Nord-
rhein-Westfalen ausgerichtet ist. Wenn die SPD nun ih-
ren Ausstieg aus den Arbeitsmarktreformen verkündet,
dann tut sie das mit haltlosen und nicht finanzierbaren
Versprechen. Nicht jeder Zweck heiligt die Mittel. Dass
die SPD von den Linken getrieben wird, ist unüberseh-
bar. Nur frage ich mich in diesem Zusammenhang, wie
es um das Seelenleben von Frank-Walter Steinmeier be-
stellt ist, einem der Väter von Hartz IV. Der frühere
SPD-Popbeauftragte Gabriel demontiert mit einer atem-
beraubenden Radikalität sein Lebenswerk. Die einzige
Reaktion des Oppositionsführers ist eine neue Brille.
Sein Sichtfeld mag sich damit verändern, vielleicht so-
gar verengen; aber für seriöse Politik ist das zu wenig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir brauchen erst einmal die erforderlichen Daten des
Statistischen Bundesamts, dann können wir vernünftiger-
weise die Regelsätze für Hartz IV berechnen und einen
Gesetzentwurf vorlegen, der den betroffenen Menschen
gerecht wird und den Vorgaben des Verfassungsgerichts
entspricht. Schließlich müssen wir uns mit der sogenann-
ten Vorratsdatenspeicherung befassen, nachdem Karls-
ruhe das entsprechende Gesetz für null und nichtig erklärt
hat.





Alexander Funk


(A) (C)



(D)(B)

In diesem Zusammenhang stellt sich aber nicht nur
die Frage, welche Daten der Staat sammelt, sondern es
geht auch darum, wie ernst es die Bürgerinnen und Bür-
ger und vor allem bestimmte Unternehmen mit der infor-
mationellen Selbstbestimmung nehmen. Der scheidende
Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen
Papier, hat gesagt:

Wir stellen nicht erst seit gestern fest, dass dem
Grundrecht auf Datenschutz nicht nur von staatli-
cher, sondern auch von privater Seite Gefahren dro-
hen.

Er meinte damit die Daten privater Unternehmen, die
ihre Beschäftigten ausspähen. Ebenso leichtfertig gehen
aber diejenigen mit ihren persönlichen Daten um, die
ihre Brieftaschen voller Bonuskarten haben; denn bei je-
dem Einkauf hinterlassen sie Spuren. Anschließend be-
schweren sie sich über die vermeintliche Datensammel-
wut des Staates. Diese Koalition muss sehr besonnen die
Schutz- und die Freiheitsrechte der Bevölkerung abwä-
gen, bevor ein neuer Anlauf zur Vorratsdatenspeicherung
unternommen wird.

Ausdrücklich begrüße ich den Vorschlag von Innen-
minister de Maizière, einen Datenbrief einzuführen. Da-
nach sollen Unternehmen ihren Kunden einmal jährlich
Auskunft über die gesammelten Daten geben. Wer seine
Daten schützen will, muss wissen, welche Daten über
ihn kursieren; hier gebe ich dem Innenminister aus-
drücklich recht. Den Hinweis auf Kosten für die Unter-
nehmen kann ich in diesem Zusammenhang nicht gelten
lassen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
ist allemal das höhere Gut.


(Gisela Piltz [FDP]: Dann sagen Sie mir doch bitte mal, was Sie dagegen tun!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703110200

Kollege Funk, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen von Notz, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?


Alexander Funk (CDU):
Rede ID: ID1703110300

Ja.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege, Sie haben den Datenbrief angespro-
chen. Ich selbst finde das Wort „Datenbrief“ ebenfalls at-
traktiv und interessant; das klingt nach einer guten Lö-
sung. Wie soll das Ganze in der Praxis aussehen?
Nehmen wir nur einmal die Daten, die ein soziales Netz-
werk wie Facebook über uns gespeichert hat: Soll man
jedes Jahr Dutzende von ausgedruckten Seiten – sie wür-
den unter anderem Fotos und Textkommentare enthalten –
von Facebook zugeschickt bekommen? Wie soll sich das
konkret darstellen? Glauben Sie tatsächlich, dass es dem
Datenschutz dient, wenn man Unternehmen dazu ver-
pflichtet, persönliche Daten für einen solchen Datenbrief
zusammenzuführen? Ist nicht vielmehr das Zusammen-
führen personalisierter Daten selbst ein Datenproblem?

Alexander Funk (CDU):
Rede ID: ID1703110400

Da Sie selbst wissen, welche Daten Sie im Internet

veröffentlichen, haben Sie Kenntnis darüber, welche Da-
ten in einem solchen Datenbrief enthalten wären; des-
halb brauchen Sie darüber nicht informiert zu werden.

Beim Datenbrief geht es um etwas ganz anderes: Die
Unternehmen sollen Auskunft darüber erteilen, welches
Kundenprofil sie erfasst haben; die jeweiligen Daten
sollen sie übermitteln. Dementsprechend kann der
Kunde selbst entscheiden, ob diese Daten gelöscht wer-
den. Genau darum geht es. Es handelt sich hier um einen
Vorschlag, der diskutiert wird und den ich für ausgespro-
chen sinnvoll erachte.

Ein deutsches Sprichwort besagt: Es genügt nicht,
recht zu haben; man muss es auch bekommen. Das gilt
für jeden Einzelnen, der sein vielzitiertes gutes Recht ge-
genüber dem Staat geltend machen kann und manchmal
machen muss. Auch hier führe ich ein Beispiel an – es
berührt die Sozialgerichtsbarkeit –: Bei den Sozialge-
richten gingen 2009 insgesamt 193 981 Klagen gegen
Verwaltungsentscheidungen im Zusammenhang mit
Hartz IV ein; das waren 20 000 mehr als im Vorjahr. Der
Präsident des Bundessozialgerichts, Peter Masuch, for-
dert von uns, also der Politik, die Erfahrungen der Ver-
waltungspraxis und die Gerichtsentscheidungen in die
Gesetzgebung einzubeziehen. 193 981 neue Klagen, hin-
ter dieser nüchternen Zahl verbirgt sich einerseits die
hoffnungslose Überbelastung der Sozialgerichte; zu-
gleich ist sie Ausdruck des Vertrauens, dass die Bürge-
rinnen und Bürger zu Recht in den Rechtsstaat und seine
Gerichte setzen.


(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: So kann man es auch sehen, ja!)


Ich will hier nicht in den Chor derer einstimmen, die
der deutschen Gesetzgebung pauschal vorwerfen, sie
habe sich von der Lebenswirklichkeit entfernt. Dafür
gibt es überhaupt keinen Anlass. Aber ich bin der Über-
zeugung, dass Recht dem Rechtsempfinden der Men-
schen nicht diametral gegenüberstehen darf;


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie denn damit sagen?)


dann nämlich wird es weder akzeptiert noch befolgt.
Selbstverständlich muss Recht eine verlässliche Größe
bleiben, an der sich die Menschen orientieren. Es darf
nicht in opportunistischer Weise einem ständig wech-
selnden Zeitgeist angepasst werden.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gut! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das einmal Ihrem Koalitionspartner!)


Ein Thema, das uns alle in diesen Wochen bewegt, ist
– ich formuliere es einmal juristisch – der Missbrauch
von Minderjährigen und Schutzbefohlenen. Kaum ein
Tag vergeht, an dem nicht neue Übergriffe bekannt wer-
den. Auch wenn die Fälle in der Regel Jahrzehnte zu-
rückliegen, müssen sie schonungslos aufgeklärt werden.
Darüber besteht Konsens. Ebenso wichtig ist es aber,





Alexander Funk


(A) (C)



(D)(B)

künftige Übergriffe zu verhindern. Gesetze allein dürften
hier nicht ausreichen.


(Christine Lambrecht [SPD]: Sondern?)


Bei dem von der Bundesregierung angeregten runden
Tisch müssen die Ursachen für die Misshandlungen und
den Missbrauch von Kindern aufgeklärt werden. Nur so
können wir Wege einer wirksamen Prävention finden.

In der derzeitigen Diskussion wird versucht, die ka-
tholische Kirche als eine Einrichtung darzustellen, in der
es, beispielsweise aufgrund des Zölibats, geradezu zum
sexuellen Missbrauch von Kindern kommen müsse.
Diese Versuche sind schlichtweg infam.


(Zuruf von der LINKEN: Wieso denn?)


Ebenso infam könnte ich behaupten, dass die Grünen
Mitverantwortung für Kindesmissbrauch tragen. Sie
werden es nicht gerne hören, aber Tatsache ist: Im NRW-
Wahlkampf 1985 forderte die Grünen-Arbeitsgruppe
„Schwule und Päderasten“, kurz: „Schwup“, den sexuel-
len Missbrauch von Gefangenen und Kranken sowie Ab-
hängigen, homosexuelle Handlungen an Jugendlichen
sowie den sexuellen Missbrauch von Kindern straffrei zu
stellen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Unglaublich!)


Sex mit Kindern sei, so formulierten die Grünen damals,
„für beide Teile angenehm, produktiv, entwicklungsför-
dernd“.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ungeheuerlich! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wurde verworfen!)


Dass Sie, meine Damen und Herren von den Grünen,
nur ungern an solche Forderungen erinnert werden wol-
len, liegt auf der Hand.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703110500

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen

Montag?


(Burkhard Lischka [SPD]: Den Quatsch wollen wir nicht aufwerten!)



Alexander Funk (CDU):
Rede ID: ID1703110600

Ja.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703110700

Danke, Herr Präsident. – Herr Kollege Funk, ich

möchte Sie fragen, nachdem Sie uns Grüne angespro-
chen haben, ob Sie in dieser Runde auch erzählen kön-
nen, welche unterschiedlichen Anträge im Laufe der
Jahrzehnte in Gremien der CDU bzw. der CSU entwor-
fen worden sind.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Solche bestimmt nicht!)


Haben Sie je davon gehört, dass irgendein Organ der
Grünen, dass irgendein Parteitag der Grünen, dass ir-
gendein Wahlkampfaufruf der Grünen solche absurden
Forderungen beinhaltet hätte, wie Sie sie hier zitieren?
Ich kann Ihnen versichern: In der Partei der Grünen
gibt es niemanden, der sexuellen Missbrauch fördert
oder bagatellisiert. Wir sind natürlich der festen Über-
zeugung, dass alle diese Dinge bekämpft und verurteilt
werden müssen. Deswegen möchte ich Sie bitten, solche
Anschuldigungen mit einem solchen Unterton gegen un-
sere Fraktion und meine Partei zu unterlassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Alexander Funk (CDU):
Rede ID: ID1703110800

Sie haben mich an dieser Stelle missverstanden. Ich

habe klipp und klar gesagt: Es wäre ebenso eine infame
Unterstellung.

Ich sage Ihnen auch, vor welchem Hintergrund ich
dieses Beispiel angesprochen habe. Ich finde es als Ka-
tholik, ich finde es als ehemaliger Messdiener, ich finde
es als Teil der katholischen Kirche unerträglich, wie ge-
rade von Ihrer Fraktionsvorsitzenden Renate Künast die
katholische Kirche angegangen wird.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht doch die katholische Jugend auch! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht doch auch Ihre Justizministerin!)


Es geht nicht an, dass finanzielle Sanktionen gegen eine
Institution für Straftaten Einzelner angedroht werden. In
diesem Zusammenhang möchte ich auch klarstellen,
dass die grüne Partei nicht in Haftung genommen wer-
den kann und mit sexuellem Missbrauch in Verbindung
gebracht werden darf, wenn einzelne Gruppen eine solche
Forderung vor 25 Jahren gestellt haben. Darum geht es.


(Beifall bei der CDU/CSU)


In Fällen von sexuellem Missbrauch darf es nicht um
gegenseitige Schuldzuweisungen gehen. Jeder einzelne
Fall von Kindesmissbrauch ist verwerflich und schlimm.
Das Tabu des Schweigens muss gebrochen, die Taten
müssen aufgedeckt, die Opfer – soweit das überhaupt
geht – entschädigt und die Täter bestraft werden. Wenn
es notwendig ist, müssen wir auch die entsprechenden
Verjährungsfristen verlängern.


(Christine Lambrecht [SPD]: Geht es genauer?)


Wichtig ist in dieser Debatte aber auch, dass wir nicht
für die Straftaten Einzelner eine ganze Institution in Haf-
tung nehmen. So schlimm und schmerzhaft diese Miss-
brauchsfälle sind, sie finden leider in allen gesellschaftli-
chen Gruppen statt, überwiegend in Familien. Es handelt
sich also nicht um ein kirchliches oder ein katholisches
Problem, sondern um ein gesellschaftliches Problem, das
wir gemeinsam bekämpfen müssen. Hierzu fordere ich
alle auf.


(Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703110900

Herr Kollege, wollen Sie Ihre Redezeit verlängern?


Alexander Funk (CDU):
Rede ID: ID1703111000

Nein.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703111100

Dann erteile ich Kollegen Jerzy Montag von der Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703111200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

werde in meiner heutigen Rede die bayrische Verfassung
nicht zitieren, obwohl ich sie ausgesprochen gut finde
und sie im Studium immer als eine der besten Verfassun-
gen angesehen habe. Aber auch ich werde, bevor ich
mich dem Justizsektor zuwende, etwas über unseren
Bundesaußenminister sagen müssen.

Herr Westerwelle ist in der Kritik, und er antwortet
auf diese Kritik. Er sagt uns, der Opposition, die Kritik
an ihm sei unanständig, sie schade der Demokratie und
sie beschädige die Demokratie. Dabei ist es so, dass wir
– ich hoffe, Sie erinnern sich noch daran – den Bundes-
außenminister Westerwelle gelobt haben. Wir haben ihn
dafür gelobt, dass er zuerst nach Polen gefahren ist. Wir
haben ihn dafür gelobt, dass er in der Vertriebenenstif-
tungsfrage hart geblieben ist. Aber wir kritisieren ihn
auch, wenn er in der Bundesrepublik Deutschland Men-
schen beleidigt, die auf soziale Ausgleichsmaßnahmen
angewiesen sind. Wir kritisieren ihn, wenn er Spenden
entgegennimmt und dann die Spender mit Steuererleich-
terungen bedacht werden. Wir kritisieren ihn wegen sei-
ner Vetterleswirtschaft bei seinen Auslandsreisen. Meine
Damen und Herren, es ist unsere Aufgabe und unsere
Pflicht als Opposition, eine solche Kritik zu üben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aber eines ist auch klar: Unsere Kritik ist und wird
nicht so verletzend, so bodenlos und so unanständig wer-
den, wie sie in der Koalition gegenseitig ausgesprochen
wird. Davon konnte man gestern – ich kann es Ihnen
nicht ersparen – eine Kostprobe lesen. Zwei Abgeord-
nete, einer aus dem Bundestag und einer aus einem
Landtag, einer aus der CSU und einer aus der FDP, ha-
ben gestern eine Unterhaltung geführt, und zwar über die
Medien, in aller Öffentlichkeit. Diese Unterhaltung ging
so: Der FDPler sagte: Bis auf die Schwarte werde ich auf
die CSU eindreschen. Feuer frei auf sie! Ich freue mich
über jede Sottise. – Antwort der CSU: Dem Kubicki ist
wohl die Schweinegrippe aufs Gehirn geschlagen.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Für solche politischen Quartalsspinner wie Kubicki kann
sich die FDP nur schämen. – Antwort von Kubicki: BSE
schlägt aufs Gehirn, nicht die Schweinegrippe. Diesen
CSU-Generalsekretär – gemeint ist Dobrindt – werden
wir uns als Ersten vornehmen. Feuer frei auf ihn!

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Kommen Sie auch mal zum Thema?)


– Das ist das Thema.


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Das ist substanzlos! Haben Sie sonst überhaupt nichts zu sagen?)


Sie, nicht wir, lassen die Menschen daran zweifeln, dass
in den Parlamenten überhaupt noch ernsthafte Politik ge-
macht wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Sie zerstören das Vertrauen in die Volksvertreter, in uns,
und in die Demokratie. Ihre Vorwürfe treffen nicht uns,
sondern Sie selber. Sie liefern ein beschämendes Bild
von Zerstrittenheit und Unfähigkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE] – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Ich kann Ihnen gerne Zitate der Grünen liefern! Die sind nicht besser!)


Jetzt im engeren Sinne zum Thema. Wir reden über
den Haushalt des Bundesverfassungsgerichts und den
des Bundesjustizministeriums. Ich will mit dem Bun-
desverfassungsgericht anfangen.

Ich will Herrn Professor Dr. Papier meinen Dank aus-
sprechen. Vorgestern hat die Stabübergabe in Karlsruhe
stattgefunden. Ich will ihm für seine Tätigkeit als Präsi-
dent des Bundesverfassungsgerichts danken. Daneben
will ich den Glückwunsch an den neuen Präsidenten Pro-
fessor Voßkuhle, den der Bundestagspräsident schon
heute Vormittag ausgesprochen hat, erneuern und auch
den neuen Richter Professor Paulus beglückwünschen.

Der Dank gilt nicht allen Urteilen. Aber der Dank gilt
der Gradlinigkeit und der Klarheit, mit der das Gericht
über viele Jahre in Demokratiefragen, in Menschen-
rechtsfragen und in Bürgerrechtsfragen Kurs gehalten
hat. Mal über Mal hat das Bundesverfassungsgericht
– sogar noch vor einigen Tagen – die Menschenwürde
und das Recht des Individuums hochgehalten und die
Freiheit in der Abwägung von Freiheit und Sicherheit
nicht unter die Räder kommen lassen. Deswegen will ich
an dieser Stelle sagen: Jeder Cent und jeder Euro, den
wir im Haushalt für das Bundesverfassungsgericht ein-
setzen, ist gut angelegtes Geld mit einer bürgerrechtli-
chen Dividende für alle Bürgerinnen und Bürger.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Da wir schon über Geld reden, will ich auch einen
Posten im Haushalt des Bundesjustizministeriums er-
wähnen, der sich mit den Opfern rechtsextremistischer
Gewalt beschäftigt hat und der sich nunmehr mit den
Opfern extremistischer Gewalt beschäftigt.





Jerzy Montag


(A) (C)



(D)(B)


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Eine gute Entscheidung!)


Ich bin der Letzte, der Gewalt von linksextremer Seite
beschönigen will. Ich bin der Meinung, dass die Strafta-
ten von rechts wie von links verfolgt werden müssen.
Aber, Herr Kollege Funk, weil Sie diesen Punkt ange-
sprochen haben, will ich Ihnen sagen: Darum geht es bei
diesem Topf überhaupt nicht. Es geht nicht um das Geld
für die Verfolgung von Straftätern. Das Geld für die Ver-
folgung von Straftätern steht im Etat für das Innenressort
und wird dafür ausgegeben, sowohl linksradikale wie
auch rechtsradikale Straftäter zu verfolgen. Es geht bei
diesem Topf um die Opferentschädigung.


(Alexander Funk [CDU/CSU]: Genau so ist es!)


Dafür haben wir ein Opferentschädigungsgesetz, das als
Auffangposition allen Opfern rechtsextremistischer und
linksextremistischer Straftaten zur Verfügung steht.


(Alexander Funk [CDU/CSU]: Wollen Sie den ganz streichen?)


Es geht um etwas anderes. Es geht darum, dass wir
seit 1989 die Situation haben, dass bei uns 150 Men-
schen von Rechtsradikalen ermordet worden sind und
dass wir Hunderte, ja Tausende von Verletzten und
Schwerverletzten durch die Übergriffe von Neofaschis-
ten und Rechtsradikalen haben. Deswegen hat dieses
Hohe Haus mit diesem Posten für die Opfer von rechts-
radikaler Gewalt ein politisches Zeichen setzen wollen.
Dieses politische Zeichen radieren Sie aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Florian Toncar [FDP]: Das ist doch Unfug!)


Sie behandeln gleich, was ungleich ist. Das ist der Feh-
ler. Denn aufgrund des Ausmaßes und der Art und
Weise, wie die Neonazis und die Rechtsradikalen unser
Land bedrohen, Menschen Schaden zufügen und Men-
schen umbringen, haben wir es mit einer einzigartigen
Gefahr zu tun. Es wäre schön, wenn diese Koalition das
endlich begreifen würde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Tosender Beifall bei den Linken!)


Frau Bundesjustizministerin, Sie haben zu Beginn Ih-
rer Amtszeit ein Interview im Stern gegeben und davon
gesprochen, dass nun ein neuer Geist in der Rechts-
politik einkehrt, dass es einen Richtungswechsel in der
Innen- und Sicherheitspolitik geben wird und dass das
Ritual immer schärferer Gesetze durchbrochen wird. Sie
wollten und wollen für mehr Bürgerrechtsschutz statt für
mehr Überwachung sorgen. Ich habe das gerne gelesen.
Aber mir war von Anfang an klar: Das wird die härteste
Nuss mit diesem Koalitionspartner.

So erweist es sich auch. Ich weiß, die Union ändert
sich, die Union modernisiert sich mit Hängen und Wür-
gen und unter Schmerzen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mit Freude!)


Aber in Bürgerrechtsfragen und in Freiheitsfragen geht
es bei Ihnen immer noch am langsamsten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christine Lambrecht [SPD]: Rückwärts!)


Deswegen sage ich: Jawohl, das ist für die Bundesjustiz-
ministerin eine harte Nuss. Die Koalition ist auch in der
Rechtspolitik heillos zerstritten und völlig handlungsun-
fähig.

In der kurzen Zeit kann ich es Ihnen nur mit einem
Argument verdeutlichen: Die Rechtsausschusssitzung
der letzten Sitzungswoche dauerte elf Minuten, weil es
vonseiten der Koalition und der Regierung nicht eine
einzige Vorlage gab. Auf der Tagesordnung des Rechts-
ausschusses für die nächste Sitzungswoche gibt es über-
haupt nur eine einzige Vorlage mit der Federführung des
Rechtsausschusses, und das ist ein Antrag der Grünen.
Von Ihrer Seite, von der Regierungsseite, von der Koali-
tionsseite gibt es keine einzige. Sie arbeiten nicht mehr,
Sie bringen keine einzige Vorlage, und deswegen sagen
wir Ihnen: Sie sind zerstritten, Sie leisten nichts, Sie
bringen überhaupt nichts zustande.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich hätte hier gern noch ausgeführt, dass ich in einem
gewissen Sinne darüber auch froh bin,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


denn wenn ich mir vorstelle, dass Sie das Erscheinen
und die Aussagepflicht bei der Polizei einführen wollen,
dass Sie die Wiederaufnahme zulasten von Angeklagten
einführen wollen, dass Sie das Jugendstrafrecht ver-
schärfen und die Prozess- und die Beratungshilfe be-
schneiden wollen usw., dann bin ich in einem bestimm-
ten Sinne auch froh, dass es bei Ihnen ganz langsam
geht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau
Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger, bleiben Sie
bitte bei den Zitaten, die ich aus Ihrem ersten Interview
vorgetragen habe. Kämpfen Sie weiter für mehr Bürger-
rechtsschutz und gegen mehr Überwachung, gegen das
Ritual immer schärferer Gesetze und für einen Rich-
tungswechsel in der Rechtspolitik. Wenn Sie das durch-
halten, haben Sie uns auf Ihrer Seite, aber leider nicht bei
dem Haushaltstitel Justiz; ihn werden wir ablehnen müs-
sen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703111300

Das Wort hat nun Michael Grosse-Brömer für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1703111400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Es wurde auch Zeit, dass man hier einmal zu
Wort kommt.

Ich habe Ihre Vorlesung, Herr Nešković, wieder mit
Wonne genossen. Sie haben ausnahmsweise Ihren An-
kündigungen dann auch Taten folgen lassen. Ich habe
mich in der Tat gewundert, als Sie gesagt haben, die
CDU sei kein Freund der Freiheit. Ich erlaube mir, nur
kurz daran zu erinnern, dass wir als CDU/CSU auch in
diesem Bundestag bereits die Wiedervereinigung propa-
giert und uns dafür eingesetzt haben, dass alle Deutschen
in Freiheit leben können,


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Und für das Recht!)


bevor Sie überhaupt eine Stellungnahme dazu abgeben
konnten. Unserer Fraktion vorzuwerfen, sie habe ein fal-
sches Ideal von Freiheit und setze sich dafür nicht ein,
das ist so unerträglich an der Sache vorbei, dass Sie
künftig bei Ihren Vorlesungen darauf verzichten sollten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703111500

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Nešković?


Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1703111600

Ja, selbstverständlich.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1703111700

Herr Kollege Grosse-Brömer, wollen Sie bitte zur

Kenntnis nehmen, dass ich mich natürlich freue, wenn
Sie meinen Worten mit Andacht lauschen, und ich mich
noch mehr freue, wenn das bei Ihnen auch einen gewis-
sen Erfolg hat?

Aber nehmen Sie bitte auch Folgendes zur Kenntnis:
Im Jahre 1990 war ich Mitglied im Landesvorstand der
SPD und zu diesem Zeitpunkt ungefähr zehn Jahre lang
Landesvorsitzender der SPD-Juristen in Schleswig-Hol-
stein. Da habe ich die gleichen Ideen und Vorstellungen
wie Sie hinsichtlich der Wiedervereinigung gehabt.
Also, das war wieder ein Fehlschlag.


Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1703111800

Nein, ich habe Sie auch gar nicht persönlich gemeint;

ich finde es toll. Das Einzige, was mich wundert, ist der
Umstand, dass Sie, wenn Sie früher einmal so klug poli-
tisch aktiv waren, sogar mit einer juristischen Ausbil-
dung in der SPD, dann diesen Fehler gemacht haben,
jetzt bei der Linken mitzuarbeiten. Das verstehe ich dann
nicht, aber das werden Sie sicherlich vor sich selbst ver-
antworten müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ungeachtet dessen muss ich natürlich noch kurz zu
dem Kollegen Montag kommen; ich hatte gar nicht so
viel Platz, alle Stichworte aufzuschreiben. Ich freue
mich ja auch, wenn Sie vermeintliche Diskurse zwischen
FDP und CSU mit Interesse verfolgen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gab es wirklich!)


– Ja, die gab es, bestimmt. Ich habe sie nicht richtig ver-
folgen können, aber ich glaube Ihnen natürlich.

In diesem Zusammenhang sollte man noch erwähnen,
dass zum Beispiel Rot-Grün von einer stetigen Harmo-
nie geprägt war. Insbesondere der Außenminister und
der damalige Kanzler haben sich gemocht und nie etwas
Schlechtes übereinander gesagt. Vielmehr herrschte Ein-
tracht; es war Friede, Freude, Eierkuchen, im Gegensatz
zu anderen Geschichten. Was die Zerstrittenheit betrifft,
würde ich ein bisschen tiefer stapeln, als das in Ihren Re-
den der Fall ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Mich wundert es, dass Sie immer die Opferentschädi-
gung ansprechen. Sie beginnen Ihre Ausführungen im-
mer folgendermaßen: Eigentlich gibt es keinen Unter-
schied. Wir bekämpfen linke Gewalt genauso wie rechte
Gewalt. – Aber Sie finden es jedes Mal komisch, dass
man die Opfer der jeweiligen Straftaten unterschiedlich
behandelt.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil es um die Bekämpfung geht!)


Ich will Ihnen sagen, was wir gemacht haben. Wenn
es das politisch eindeutige Zeichen gegeben haben soll


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das wieder nicht verstanden!)


– doch, ich glaube, ich habe das verstanden –, nur Opfer
rechtsextremistischer Straftaten zu entschädigen, dann
finde ich es gut, dass wir jetzt das Zeichen gesetzt haben,
dass es völlig gleichgültig ist, aus welchen politischen
Motiven ein Mensch schwer verletzt wird. Es ist sinn-
voll, hier keinen Unterschied zu machen und auch bei
linksextremistischen Straftaten das politische Zeichen zu
setzen,


(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Aber die Anzahl unterscheidet sich!)


dass man sie unterlassen soll und man die Opfer in iden-
tischer Art und Weise wie die von rechtsextremistischen
Straftaten entschädigen sollte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn Sie so wollen, ist das ein politisches Zeichen, ins-
besondere vor dem Hintergrund, dass linksextremisti-
sche Straftaten eine wesentlich höhere Steigerungsrate
haben als rechtsextremistische, was die Situation aber
nicht besser macht.


(Zuruf von der LINKEN: Kein Problembewusstsein!)


Ich möchte darauf hinweisen, dass wir nach dem In-
terview, das die Ministerin zu Beginn ihrer Amtszeit im
Stern gegeben hat, festgestellt haben: Diese christlich-li-
berale Regierung





Michael Grosse-Brömer


(A) (C)



(D)(B)


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bloß nicht „Schwarz-Gelb“ sagen! Dann gibt es Ärger mit Kauder!)


wird insbesondere im rechtspolitischen Bereich sehr er-
folgreich sein, weil wir uns gut verstehen und uns ver-
nünftig darüber unterhalten, was gemacht werden soll.
Hierin unterscheiden wir uns vielleicht von Rot-Grün.
Wir arbeiten nicht schnell, sondern wir arbeiten sorgsam,


(Christine Lambrecht [SPD]: Arbeiten Sie überhaupt?)


dann muss man im Zweifel auch nicht so viel korrigie-
ren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Kommen Sie zum Thema!)


Die Zusammenarbeit ist gut. Machen Sie sich keine Ge-
danken, dass wir in rechtspolitischer Hinsicht zu wenig
machen.


(Christine Lambrecht [SPD]: Man hört jeden Tag davon, wie gut Sie sind!)


Derzeit findet der Insolvenzrechtstag in Berlin statt.
Wir sind mitten in der Arbeit. Sie werden noch früh ge-
nug Entwürfe bekommen, die dazu dienen, den Wirt-
schaftsstandort Deutschland zu stärken. Im letzten Jahr
gab es 33 000 Insolvenzen. Wir alle müssen daran arbei-
ten, dass Arbeitsplätze erhalten werden und Unterneh-
men nicht dadurch stigmatisiert sind, dass sie in Zah-
lungsschwierigkeiten kommen oder unter Umständen
sogar Insolvenz anmelden müssen.

Die Neufassung des Insolvenzrechtes ist eine große
Aufgabe, die wir anpacken. Die Kollegin Winkelmeier-
Becker wird das für unsere Fraktion übernehmen. Ich
glaube, es ist sinnvoll, Insolvenzplanverfahren zu straf-
fen und zu vereinfachen. Es ist auch sinnvoll, über eine
verbesserte Eigenverwaltung nachzudenken. Der Insol-
venzrechtstag in Berlin ist ein guter Anlass, dieses
Thema anzusprechen.

Ich komme zum Thema Kindesmissbrauch; es ist
mehrfach angesprochen worden. Es ist unstreitig, dass
das kein spezifisches Problem der katholischen Kirche
ist, sondern ein Problem von Einrichtungen, in denen
Kinder betreut und erzogen werden. Die Mehrzahl der
Fälle findet ohnehin im privaten Umfeld statt.

Wenn wir eine positive Lehre aus den Vorfällen der
letzten Zeit ziehen, dann ist es die, möglichst sensibel zu
reagieren und zu überlegen, inwieweit dieser Miss-
brauch verhindert werden kann. Das betrifft vor allem
die Sensibilität derjenigen, die in der Schule tätig sind.
Vielleicht ist ein noch genaueres Hinsehen der Ärzte er-
forderlich. Ich finde es richtig, dass es – auch auf Initia-
tive der Bundesjustizministerin – runde Tische gibt, wo-
bei die Beteiligten sowohl zurückblicken, um zu
überprüfen, was man noch an Entschädigung leisten
muss, als auch nach vorne, um darüber nachzudenken,
wie künftige Taten zu verhindern sind. Wir sind der Auf-
fassung, dass man in diesem Zusammenhang Mängel im
geltenden Recht beseitigen sollte; denn Zusehen und Be-
dauern reichen nicht mehr aus.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703111900

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Ströbele?


Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1703112000

Ja, gerne, wenn sie nicht so lang ist, wie das sonst bei

ihm der Fall ist.


(Otto Fricke [FDP]: Das wird nicht möglich sein!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege, meine Fragen sind immer ganz kurz.
Ich wollte diese Frage schon vorhin Ihrem Kollegen stel-
len. Sie kritisieren, dass nur eine Auseinandersetzung
mit der katholischen Kirche erfolgt, und weisen darauf
hin, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in vielen An-
stalten vorgekommen sind. Das ist ohne Zweifel richtig.
Wir erfahren jeden Tag, dass Menschen aus allen mögli-
chen Bereichen berichten, dass auch ihnen das passiert
ist.


(Otto Fricke [FDP]: Ist das schon eine Frage?)



Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1703112100

Das ist wieder eine sehr kurze Frage. Ich merke das

schon.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die entscheidende Frage ist doch: Wie gehen die da-
mit um? Die Kritik an der katholischen Kirche – gerade
seitens katholischer Laienorganisationen, der Katholi-
schen Jugend und anderer – betrifft den Umgang der ka-
tholischen Kirche damit, dass solche Vorwürfe gemacht
werden und sich Opfer melden.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wie ist denn das mit der Odenwaldschule?)


Darum geht es doch. Sie müssen einmal sagen, wie Sie
sich dazu verhalten. Ich denke, in vielen Fällen wäre hef-
tigere Kritik an der katholischen Kirche angebracht, so-
wohl ganz oben als auch ganz unten. Geben Sie mir da
recht? Schließen Sie sich dem an?


Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1703112200

Nach meiner Kenntnis hat die katholische Kirche ei-

nen Sonderbeauftragten für diesen Bereich eingesetzt.
Sie wird am runden Tisch teilnehmen. Bischof Marx ist
zitiert worden. Ich glaube, damit ist alles gesagt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind der Auffassung, dass Kindesmissbrauch
künftig als Verbrechen behandelt werden muss. Ich
glaube nicht, dass eine höhere Bestrafung per se der ein-
zig wirksame Weg ist, um Straftaten zu verhindern, logi-
scherweise. Deswegen sage ich ganz bewusst: Die Strafe
muss mit Präventionsmaßnahmen einhergehen.





Michael Grosse-Brömer


(A) (C)



(D)(B)


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Strafe richtet sich nach der Schuld!)


Wir müssen uns damit beschäftigen, wie man auch auf
anderen Feldern sexuellen Missbrauch beseitigen kann.
Ich bin aber zusammen mit meiner Fraktion der Auffas-
sung, dass wir die Täter, diejenigen, die diese widerli-
chen Taten begehen, als das bestrafen sollten, was sie
sind, nämlich als Verbrecher.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Gleichzeitig denken wir über die Verjährungsfristen
nach. Das wissen Sie; das haben Sie den Zeitungen ent-
nehmen können. Die Debatte darüber ist mittlerweile in
vollem Gange. Wir wollen die strafrechtliche Verjäh-
rungsfrist verlängern, weil wir anhand konkreter Bei-
spiele feststellen konnten, dass manche Opfer lange
brauchen, um sich zu offenbaren. Insbesondere gilt dies
aber auch für die zivilrechtlichen Verjährungsfristen;
denn diese beginnen ab dem 21. Lebensjahr und betra-
gen derzeit drei Jahre ab Kenntnis. Eine Verlängerung
macht Sinn. Ich glaube, für das Opfer ist es wichtig, zu
wissen, dass der Täter für diese elende Tat bestraft wird;
aber mindestens genauso wichtig ist es, sagen zu kön-
nen: Ich bekomme Schmerzensgeld, ich habe einen An-
spruch auf Schadensersatz für mögliche Therapiekosten. –
Das sind sinnvolle Überlegungen in diesem Zusammen-
hang, die wir rechtspolitisch aufarbeiten müssen.

Kollege Montag, weil wir ab und zu auch außerhalb
des Plenarsaals diskutieren und fröhlich streiten, muss
ich Ihnen sagen: An einer Stelle bin ich völlig entgegen-
gesetzter Auffassung. Sie haben öffentlich gesagt, zahl-
reiche Missbrauchsfälle seien einer kinderfeindlichen
und verklemmten Gesellschaft zuzuschreiben. Wörtlich:

Wer eine verlogene Sexualmoral predigt, ist mit-
schuldig daran, dass hunderte, vielleicht tausende
von Kindern und Jugendlichen in Schulen sexuellen
Übergriffen ausgesetzt waren.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Ich halte diese Argumentation für sehr, ich sage ein-
mal, nachdenkenswert.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! Denken Sie!)


Ich meine das in folgendem Sinne: Entlastet man nicht
in Wirklichkeit die Täter, wenn man sagt: „Die Gesell-
schaft ist aufgrund ihrer falschen Moral schuld und nicht
der Täter, der sich persönlich an den Opfern vergeht“?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das ist die alte 68er-Debatte – ich dachte, wir hätten sie
überwunden –: Die Gesellschaft ist schlecht und produ-
ziert dadurch Täter, die nichts dafür können.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er überhaupt nicht gesagt! Das erfinden Sie jetzt! Den Nachsatz haben Sie erfunden!)

Bei aller Liebe, darüber sollten wir wirklich einmal
nachdenken.

Wir sind der Auffassung, dass zivilrechtliche und
strafrechtliche Verjährungsfristen angepasst werden
müssten. Unter rechtspolitischen Gesichtspunkten müs-
sen wir darüber nachdenken, wie wir das am besten ma-
chen. Das hätte einen Vorteil: Das Opfer müsste nicht
zweimal vor Gericht erscheinen. Es gibt das Adhäsions-
verfahren. Im Rahmen eines Strafverfahrens kann man
gleichzeitig über Schadensersatz und Schmerzensgeld
verhandeln.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Macht aber nie jemand!)


– Das macht keiner. Das stimmt. Aber vielleicht ist das
eine Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass es eigentlich
sinnvoll wäre, das zu machen. Das Opfer nicht zweimal
einer öffentlichen Verhandlung auszusetzen, ist nämlich
auch eine Frage der Rücksichtnahme, die die Miss-
brauchten benötigen.

Abschließend will ich auf die Vorratsdatenspeiche-
rung eingehen; sie ist mehrfach angesprochen worden.
Meist wird behauptet, dass das Bundesverfassungsge-
richt die Politik korrigiert. Ich erlaube mir nur den Hin-
weis darauf, dass das Urteil mit 4 : 4 Stimmen verab-
schiedet wurde – da gibt es noch Abstufungen –,


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Ergebnis zählt!)


sodass das Gericht offenbar nicht vollständig überzeugt
war, dass alles falsch ist.

Wir christdemokratischen Rechtspolitiker sind jeden-
falls der Auffassung, dass wir die Hinweise des Präsi-
denten des BKA – der Kollege Uhl hat in der vorherigen
Debatte, glaube ich, auf ein Beispiel hingewiesen –, die
er gestern in einer Sitzung unserer Fraktion gegeben hat,
ernst nehmen sollten. Er sagte, dass man einen Sexual-
straftäter eigentlich schon längst hätte dingfest machen
können, wenn es die Vorratsdatenspeicherung gäbe. Nur
weil wir sie nicht haben, ist er immer noch im Internet
unterwegs und prahlt dort mit seinen sexuellen Übergrif-
fen.

Wir sind der Auffassung, dass wir schnell handeln
müssen. Das Gericht hat ja bestätigt, dass die Vorratsda-
tenspeicherung an sich geeignet und zulässig ist. Nur bei
der Datensicherheit und -verarbeitung muss nachgebes-
sert werden.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703112300

Herr Kollege, gestatten Sie, bevor Sie zu Ihren

Schlussworten kommen, eine Zwischenfrage des Kolle-
gen Wieland? Das verlängert Ihre Redezeit.


Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1703112400

Würden Sie die Uhr dann auch anhalten?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703112500

Sofort.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(D)(B)


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703112600

Vielen Dank. – Herr Kollege Grosse-Brömer, Sie ha-

ben jetzt das Beispiel wiederholt, das der Kollege Uhl
vorhin in der innenpolitischen Debatte genannt hat. Den
Kollegen Uhl zu belehren, ist meist sehr schwierig bis
unmöglich. Bei Ihnen versuche ich es einmal.


(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Weil er recht hat!)


– Nein. – Wenn man das Urteil des Bundesverfassungs-
gerichtes liest – das muss man natürlich machen –


(Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Und verstehen!)


und versteht, sieht man, dass die IP-Adressen ausdrück-
lich unter keinerlei Schutz gestellt werden. Es wird ge-
sagt: Die Vorratsdatenspeicherung bezogen auf IP-
Adressen ist – das kann man bedauern oder nicht – un-
verfänglich und darf durchgeführt werden. Die Auffor-
derung des Gerichtes zur Löschung hat sich deswegen
auch nicht auf die auf Vorrat gespeicherten IP-Adressen
bezogen. Wenn ein Betreiber das falsch verstanden hat,
wäre es Ihre Aufgabe als Rechtspolitiker Uhl und als
Rechtspolitiker Grosse-Brömer, sowohl das BKA als
auch die Betreiber darauf hinzuweisen. Sehen Sie das so
wie ich?


Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1703112700

Ich sehe ziemlich viele Sachen so wie Sie. In diesem

Fall will ich Ihnen sogar zugestehen, dass Sie als Innen-
politiker im Zweifel noch mehr Spezialwissen haben als
ich. Ich verlasse mich auf den Präsidenten des BKA und
auf dessen Mitarbeiter,


(Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Da sehen Sie, wie verlassen Sie sind!)


der seit Jahren speziell in diesem Bereich arbeitet und re-
cherchiert.


(Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Der ist noch nicht einmal Jurist!)


Wenn dieser Mitarbeiter, der täglich damit zu tun hat,
mir erklärt, dass es mit der Vorratsdatenspeicherung
möglich gewesen wäre, einen Täter zu identifizieren,
dann glaube ich ihm das erst einmal, ohne Ihre hohe
Kompetenz bei diesem Thema zu bestreiten.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, machen Sie sich kundig! – Christine Lambrecht [SPD]: Das kann er noch nachlesen!)


– Wir wehren uns ja nicht dagegen, täglich klüger zu
werden. Ich hoffe, das gilt für alle Fraktionen in diesem
Haus.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Zum Abschluss möchte ich sagen: Ich freue mich,
dass die Bundesjustizministerin zugesagt hat, die Hände
in diesem Bereich nicht in den Schoß zu legen, sondern
nachzuarbeiten.

(Christine Lambrecht [SPD]: Beim IT-Bereich! – Weitere Zurufe)


– Ja, ich jedenfalls finde, das ist eine nette Zusage.


(Lachen der Abg. Christine Lambrecht [SPD] – Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Legt sie sonst die Hände in den Schoß?)


Es gibt dazu auch eine EU-Richtlinie. Durch gesetz-
geberisches Unterlassen würden wir die Sicherheit der
Menschen gefährden. Dazu sind wir als CDU/CSU nicht
bereit.

Abschließend möchte ich der Ministerin für die gute
Zusammenarbeit herzlich danken.


(Lachen der Abg. Christine Lambrecht [SPD])


Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Man merkt an
den Reden und Feststellungen der Opposition, dass Sie
das Gefühl haben, dass wir besser sind, als zurzeit be-
merkt wird.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ein wahrer Satz!)


In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere gute Zu-
sammenarbeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703112800

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kolle-

gen Jerzy Montag.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703112900

Danke, Herr Präsident. – Lieber Kollege Grosse-

Brömer, Sie haben mich persönlich angesprochen und
einen Artikel zitiert, den ich in der Presse veröffentlicht
habe. Deswegen will ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen
zweierlei zu sagen.

Als die schwarz-gelbe Koalition 1998 die Regie-
rungsgeschäfte an Rot-Grün abgeben musste, haben Sie
uns ein Sexualstrafrecht hinterlassen, das für den sexuel-
len Missbrauch von Kindern Geldstrafen vorsah und bei
dem man von minderschweren Fällen ausging. Es be-
fand sich auf dem niedrigsten Bestrafungsniveau, das es
überhaupt in der BRD gab. Wir, Rot-Grün, haben das
Sexualstrafrecht verschärft. Wir haben die Geldstrafe ge-
strichen. Wir haben die mittelschweren und die schwers-
ten Fälle zu Verbrechen gemacht, die mit Freiheitsstrafe
von 5 bis 15 Jahre belegt sind. Deswegen würde ich Ih-
nen empfehlen, in diesem Bereich nicht wieder wie in ei-
nem Pawlow’schen Reflex erhöhte Strafen zu fordern.

Zu dem Text, den Sie kritisiert haben: Ich bin der fes-
ten Überzeugung, dass die Polizei und die Staatsanwalt-
schaft alles, was rechtsstaatlich möglich ist, tun müssen,
um Sexualstraftaten aufzudecken. Die Täter müssen be-
straft werden. Alle Straftaten geschehen aber in einem
gesellschaftlichen Zusammenhang. Das Verhalten der
Opfer, der Täter und der Organisationen, in denen sie ge-





Jerzy Montag


(A) (C)



(D)(B)

schehen, ist Teil des gesellschaftlichen Kontextes. Wa-
rum haben sich Kinder und Jugendliche jahrzehntelang,
bis sie Erwachsene im Alter von 30, 40 oder 50 Jahren
waren, nicht getraut, über diese sexuellen Übergriffe zu
reden? Meine These ist: Das hängt im Wesentlichen mit
der verlogenen Sexualmoral in der Gesellschaft zusam-
men; das war zumindest in der Vergangenheit der Fall.

Wir hören jeden Tag – ich nenne die katholische Kir-
che nur als Beispiel, nicht um sie anzuprangern –, dass
solche Fälle in den 70er- und 80er-Jahren innerhalb der
Kirche bekannt geworden sind und die Pfarrer in andere
Bezirke oder andere Staaten versetzt wurden. Darüber
hat man geschwiegen. Ich sage: Das hängt mit der verlo-
genen Sexualmoral bestimmter Organisationen und der
Gesellschaft zusammen.

Diese Situation hat sich gewandelt. Ich glaube, heut-
zutage werden solche Fälle häufiger angezeigt. Wir kön-
nen sexuellen Missbrauch erfolgreicher bekämpfen,
wenn wir über Sexualität offen reden. Wenn wir uns über
dieses Thema in einer offenen Debatte austauschen,
dann haben die Menschen nicht eine so große Scham,
solche Vorfälle anzuzeigen. Kinder und Jugendliche
müssen ertüchtigt werden, sich zu wehren und solche
Vorfälle sofort bei einer Vertrauensperson anzuzeigen.
Das habe ich gemeint, als ich geschrieben habe, dass die
sexuelle Verklemmtheit und die verlogene Sexualmoral
in den vergangenen Jahrzehnten eine Mitschuld daran
hatten, dass diese Fälle so lange verschwiegen worden
sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703113000

Herr Kollege, bitte schön.


Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1703113100

Lieber Herr Kollege Montag, mir ist diese Begrün-

dung immer noch zu einfach. Diese Opfer schämen sich
nicht, weil sie nicht mit Sexualität umgehen können,
sondern sie schämen sich, weil sie Opfer eines massiven
kriminellen bzw. sexuellen Übergriffs wurden. Auch
nach Ihren Erklärungen, die ein bisschen umfangreicher
waren als das, was Sie geschrieben haben – der Satz al-
leine klingt ja ein bisschen anders –, bin ich der Auffas-
sung, dass es sehr mutig ist, der Gesellschaft mit Verweis
auf eine bestimmte Moralvorstellung die Schuld daran
zu geben, dass sich Opfer nicht eher offenbaren.

Ich glaube, wer Opfer einer Straftat wird – es muss
sich dabei nicht unbedingt um eine Straftat mit sexuel-
lem Hintergrund handeln, sondern es kann sich auch um
einen Überfall handeln –, hat manchmal ein Problem da-
mit, sich zu offenbaren, weil er dann die genauen Um-
stände und den Ablauf schildern muss. Das Problem ist,
dass sich nicht nur Opfer sexueller Straftaten, sondern
auch Opfer anderer Straftaten nicht offenbaren; dafür
gibt es Beispiele.

Ich glaube, dass es wichtig ist, im Strafrecht die Ei-
genverantwortung des Täters zu betonen. Wer Kinder
belästigt oder sexuell missbraucht hat, darf sich nicht
vom Acker machen, indem er sagt: Diese Gesellschaft
hat mir gar keine andere Möglichkeit gelassen. – Das
lasse ich als Entschuldigung nicht gelten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Florian Toncar [FDP])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703113200

Das Wort hat nun Christine Lambrecht für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Christine Lambrecht (SPD):
Rede ID: ID1703113300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Kollege Grosse-Brömer, vorab möchte ich mich
ausdrücklich für Ihre Einschätzung bedanken, dass eine
Mitgliedschaft in der SPD eine vernünftige politische
Ausrichtung ist.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt: besser als bei der Linken!)


– Natürlich, das hast du nicht gesagt. Es war aber genau
so. Wir können das gerne im Protokoll nachlesen,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann muss ich das korrigieren!)


sofern du das noch nicht hast korrigieren lassen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das mache ich! – Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Gesagt ist gesagt!)


– Gesagt ist gesagt.

Ich glaube, hinter dieser Einschätzung verbirgt sich
viel mehr, nämlich der tief empfundene Wunsch, in eine
Große Koalition zurückzukehren.


(Lachen bei der CDU/CSU – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Bei Gott nicht! Keine zweite Zwangsheirat! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ach herrje!)


Die Große Koalition hat gerade auf dem Gebiet der
Rechtspolitik unglaublich viel erreicht. Ich will nur ei-
nen Bereich nennen, in dem wir alle, das gesamte Haus,
an einem Strang gezogen haben: das Familienrecht.


(Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Insolvenzrecht auch!)


Wir haben das gesamte Familienrecht umgekrempelt
und es den neuen Herausforderungen angepasst. Dabei
hatten wir alle im Boot.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das war schön, ist aber vorbei!)


Wie geräuschlos ging das vonstatten! Das nenne ich
sachgerechte Arbeit.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja!)


Wenn ich aber höre, dass der rechtspolitische Spre-
cher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hier im Plenum
sagt: „Im Zweifel arbeiten wir“, und weiter ausführt: „In





Christine Lambrecht


(A) (C)



(D)(B)

dem Fall legt die Frau Ministerin nicht die Hände in den
Schoß“, dann stellt sich mir die Frage: Im Zweifel arbei-
tet ihr? Wir haben große Zweifel daran, dass ihr arbeitet.
Und wenn Sie sagen, dass die Frau Ministerin in dem
Fall nicht die Hände in den Schoß legt, war das ein er-
neuter Angriff innerhalb der Koalition.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da muss man schon suchen und konstruieren!)


Ich fand es entlarvend, was in der heutigen Debatte vor-
getragen wurde.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Traditionell ist es doch so, dass die Haushaltsdebatte
zu Beginn der Legislaturperiode eine erste Möglichkeit
bietet, ein Resümee zu ziehen: Was ist passiert? Was hat
sich die Regierung vorgenommen? Ich hatte gehofft,
heute passiert richtig etwas, heute wird etwas auf den
Tisch gelegt, zu dem man sich positionieren kann. Die
Frau Ministerin hat während ihrer Zeit als Oppositions-
politikerin, aber auch im Wahlkampf hohe Erwartungen
geweckt: Kein Mast war zu hoch, um die Freiheitsfahne
zu hissen.

Jetzt, nach nur wenigen Monaten, muss man sagen:
Diese Fahne wurde relativ schnell eingerollt. Angefan-
gen hat das Ganze – ich muss das immer wieder erwäh-
nen – mit der Positionierung zum SWIFT-Abkommen.
Was haben Sie als Oppositionspolitikerin gegen dieses
Abkommen gewettert! Auf keinen Fall wollten Sie die-
ses Abkommen durchgehen lassen. Es war mit Ihre erste
Amtshandlung, in dieser Frage einzuknicken. Ich
glaube, das ist typisch für das, was uns in den nächsten
Monaten und Jahren erwartet.

Sie haben in der Rechtspolitik kein abgestimmtes
Konzept. Sie haben zwar einen Koalitionsvertrag; aber
wahrscheinlich wird das, was in diesem Koalitionsver-
trag steht, immer dann, wenn es darauf ankommt, nicht
umgesetzt. Sie haben vorhin gesagt, dass ein Vorhaben
nur zustande kommt, wenn alle drei Koalitionsfraktio-
nen dem zustimmen. Wenn Sie etwas in Ihren Koali-
tionsvertrag geschrieben haben, dann muss man doch
davon ausgehen können, dass Sie sich damals einig wa-
ren. Da können Sie doch jetzt nicht damit ankommen,
eine Einigung müsse erst erreicht werden. Die Erklärung
der Ministerin war also entlarvend. Wir werden viele
Fragen – wir sind gespannt auf Ihre Vorschläge – vor
diesem Hintergrund beleuchten.

Ich will anfangen mit einem Punkt, den Sie, Frau Mi-
nisterin, in der Öffentlichkeit gerne als eines Ihrer Pro-
jekte beschreiben, nämlich die Pressefreiheit zu stärken
und Journalisten vor Beschlagnahme zu schützen. In Ih-
rer Regierungserklärung vom November haben Sie ge-
sagt – das kann man nachlesen –, dass Sie sich sofort mit
diesem Thema beschäftigen wollen. Heute mussten wir
erfahren, dass es bis zur Sommerpause dauern wird, bis
Sie etwas vorlegen.


(Christian Ahrendt [FDP]: Bis zur Osterpause! – Gisela Piltz [FDP]: Blöd, wenn man nicht zugehört hat!)

– Bis zur Osterpause werden Sie etwas vorlegen? Na,
dann ist ja nicht mehr viel Zeit. Wir sind gespannt da-
rauf. – Ich befürchte aber, dass CDU, CSU und FDP in
dieser Frage ähnlich wie in vielen anderen Fragen nicht
unbedingt schnell zu einer Lösung des Problems kom-
men werden. Ich habe den Eindruck, das ist hier wie im
richtigen Leben, wo Dreierbeziehungen auch immer ein
Problem darstellen. Politische Dreierbeziehungen wer-
fen offensichtlich noch viel mehr Probleme auf.

Wir können uns viele weitere Themen anschauen. Es
werden immer wieder runde Tische beschworen. Sie
sind doch nicht dafür gewählt worden und Sie sind doch
nicht dafür Justizministerin, um runde Tische einzurich-
ten. Wenn man all die runden Tische, die von der Justiz-
ministerin, von der Familienministerin und von der Bil-
dungsministerin eingerichtet werden, zusammenzählt,
wird man feststellen, dass man damit einen Bankettsaal
füllen könnte. Ich glaube, das ist nicht das, was die Poli-
tik machen sollte. Die Politik sollte Farbe bekennen, sie
sollte Vorschläge unterbreiten, statt, wie ich es von den
Koalitionspolitikern zu ganz vielen Fragen gehört habe,
anzukündigen, über die Fragen mal nachdenken zu wol-
len.

Ich will Ihnen einmal ein paar Punkte vorschlagen;
dann werden wir sehen, ob Sie über das reine „Wir wol-
len mal darüber nachdenken“ vielleicht hinauskommen.
Das Thema Kindesmissbrauch ist angesprochen wor-
den. Es ist richtig und wichtig, dass wir uns mit diesem
Thema in der gebotenen Ruhe beschäftigen und jetzt
nicht populistisch irgendwelche Vorschläge unterbreiten.
Wenn man sich die Fälle und insbesondere die Situation
der Opfer anschaut, erkennt man, glaube ich, dass es
wichtig ist, dass man über eine Verlängerung der Verjäh-
rungsfristen nicht nur nachdenkt, sondern Nägel mit
Köpfen macht. Die Rechtspolitik kann ihren Teil dazu
beitragen, dass solche Taten nicht vergessen werden,
dass solche Taten geahndet werden und die Opfer zu ih-
rem Recht kommen. Sie sollten sich einmal mit dem
Vorschlag der SPD auseinandersetzen, in Bezug auf das
Zivilrecht über eine Verlängerung der Verjährungsfristen
auf 30 Jahre und in Bezug auf das Strafrecht auf 20 Jahre
nachzudenken. Nehmen Sie diesen Vorschlag an! Ma-
chen Sie endlich etwas, statt mit Gemeinplätzen wie
„Wir werden darüber nachdenken“ zu kommen.

Ich glaube, es ist wirklich allerhöchste Zeit, dass die
Politik hier einmal klare Worte findet und dann auch et-
was tut und sich nicht nur in Allgemeinplätzen verirrt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ein weiteres Thema, mit dem Sie sich in diesem Zu-
sammenhang vielleicht beschäftigen müssen – hierbei
möchte ich mich jetzt gar nicht zu runden Tischen aus-
lassen –, ist die Frage, wie wir mit den Fällen umgehen,
die bereits verjährt sind. Auch dazu gibt es Vorschläge.
Diese würde ich Ihnen gerne unterbreiten, um auch dazu
einmal Ihre Position zu erfahren.

Was halten Sie beispielsweise davon, eine Untersu-
chungskommission hier im Deutschen Bundestag einzu-
setzen, die das ganze Ausmaß des Missbrauchs ermittelt,
und zwar unabhängig, und die hierüber dann auch öf-





Christine Lambrecht


(A) (C)



(D)(B)

fentlich Bericht erstattet? Warum ergreifen wir ange-
sichts solcher Fälle, die uns alle berühren und betroffen
machen, nicht die Möglichkeiten, die wir haben, um
auch in den Fällen, die verjährt sind, nichtsdestotrotz zu
ermitteln und sie aufzuklären?

Ich glaube, das ist ein sehr konkreter Vorschlag. Den-
ken Sie einmal darüber nach, und legen Sie vielleicht
auch in diesem Fall nicht die Hände in den Schoß, son-
dern werden Sie mal ein bisschen aktiver.

Es ist viel darüber geredet worden, was Sie alles vor-
haben. Ich hätte heute gerne zu viel mehr Punkten ganz
konkret Stellung bezogen. Leider fehlen uns momentan
die Vorlagen, die alle angekündigt wurden – jetzt wieder
eine. Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass Sie auch wei-
terhin nicht sonderlich viel dazu beitragen, weil die Zer-
rissenheit spürbar ist.

Ich will dies an einem Punkt deutlich machen: Wir
alle erinnern uns an die Frage, ob der Staat CDs, also
Datenträger, kaufen darf, auf denen Daten über Steuer-
hinterzieher erfasst sind, und wie man in Zukunft damit
umgeht. Gerade in der letzten Sitzungswoche gab es
wieder einen schönen Chor von Stimmen aus der Koali-
tion. Der Kollege Siegfried Kauder, der Vorsitzende des
Rechtsausschusses, hat gefordert, dass es in Zukunft ver-
boten sein soll, solche CDs anzukaufen. Der Kollege
Ahrendt von der FDP hat ihm sofort beigepflichtet und
gesagt, dass dies jetzt ganz dringend geregelt werden
muss. Das kann man auch verstehen; denn beide kom-
men aus Baden-Württemberg, und Baden-Württemberg
verweigert sich dem Ankauf.


(Gisela Piltz [FDP]: Wo waren Sie denn?)


Schließlich sagte der stellvertretende Fraktionsvorsit-
zende der CDU/CSU, der für diesen Rechtsbereich zu-
ständig ist: Es kommt überhaupt nicht infrage; über so
etwas denken wir nicht einmal nach.

Das ist Ihre Art, mit Themen umzugehen: Hü, hott!
Hü, hott! Man weiß nicht mehr, wo man steht.

Ich kann Ihnen nur sagen: Nehmen Sie Ihre Aufgabe
endlich entsprechend verantwortungsbewusst wahr, und
hören Sie auf, die Probleme in Ihrer Dreierbeziehung öf-
fentlich auszutragen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sind Sie neidisch?)


Machen Sie endlich eine richtige, eine sachgerechte
Politik.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1703113400

Das Wort hat nun Florian Toncar für die FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Florian Toncar (FDP):
Rede ID: ID1703113500

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Es ist schon eine interessante Debatte. Sie
pendelt sich ein bisschen so ein: Die Sozialdemokraten
werfen uns vor, dass es die Gesetze, die sie gemacht ha-
ben, immer noch gibt.


(Christine Lambrecht [SPD]: Wo waren Sie denn in der letzten Legislaturperiode?)


Das ist ein bisschen schizophren, aber wir haben uns da-
ran gewöhnt. Herr Nešković bietet eine Mischung aus
Rechtspolitik und Klassenkampf, und Herr Montag wie-
derum ist sachfremd in die Debatte eingestiegen, aber
das mit Kubicki war in der Tat wenigstens unterhaltsam.

Herr Montag, ich kann Ihnen aber sagen: Erstens ist
Kubicki nicht hier,


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sein Geist schwebt über Ihnen!)


und zweitens ist das kein Fall für die Justiz und insofern
auch noch nicht Gegenstand der Beratung hier, solange
er das nicht wahrmacht, was Sie vorgelesen haben. War-
ten wir es doch einfach ab; schauen wir mal.


(Beifall bei der FDP)


Ich möchte nun etwas zum Haushalt sagen. Wir haben
hier zwar nicht viele Veränderungen vorgenommen, aber
doch die eine oder andere. Die Ministerin hat das Thema
der Entschädigung von Opfern extremistischer Gewalt
angesprochen. Es ist schon wieder kritisiert worden –
Herr Montag, Sie haben es gesagt –, dass hier die Axt
angelegt wird, weil jetzt Opfer jeglicher extremistischer
Gewalt begünstigt werden können. Ich finde, dass Sie
damit dem Titel und dem Thema nicht gerecht werden,
und ich will Ihnen auch sagen, warum.

Zunächst einmal muss man sagen, dass die Mittel die-
ses Titels um das Vierfache ansteigen, nämlich von
250 000 Euro auf 1 Million Euro. Auch die Vorausset-
zungen dafür, diese Mittel zu erhalten, werden verändert.
Das ist im Sinne der Betroffenen. Es wurde also keine
Axt angelegt, sondern die Mittel steigen ganz beträcht-
lich, nämlich um den Faktor vier. – Das ist das eine.

Das andere ist: Es geht am Ende doch darum, dass ein
Opfer einer Gewalttat, das keinen Schadensersatz be-
kommt, weil man zum Beispiel den Schädiger nicht
kennt, weil er entschwunden ist oder weil er keinen
Schadensersatz leisten kann, diesen Schadensersatz aus
Billigkeitsgründen erhält. Es wird zuerst geschaut: Be-
kommt er für die Tat einen Ersatz von dem dafür Verant-
wortlichen? Deswegen kann man heute noch gar nicht
sagen, wie viele Betroffene im Jahr 2010 aufgrund links-
extremistischer und wie viele aufgrund rechtsextremisti-
scher Straftaten Leid erfahren und keinen Ersatz bekom-
men haben. Sie können das nicht sagen, und ich kann
das nicht sagen. Es ist völlig überflüssig, zu spekulieren,
welche Opfergruppe mit einer höheren Zahl vertreten ist.
Wir wollen etwas für die Opfer extremistischer Gewalt
tun. Dafür nehmen wir sehr viel mehr Geld in die Hand.
Das ist gut und sollte hier nicht kleingeredet werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Florian Toncar


(A) (C)



(D)(B)

Der zweite Impuls, den wir als Koalition im Haushalt
setzen, betrifft die internationale Partnerschaft, die
Rechtsberatung der Bundesrepublik Deutschland zum
Thema „Förderung von Demokratie und Marktwirtschaft
im Ausland“. Das ist ein wichtiges Anliegen. Wir kön-
nen, glaube ich, sagen, dass das deutsche Recht – egal ob
Strafrecht, Strafprozessrecht, Verwaltungsrecht oder Zi-
vilrecht – im Ausland auf großes Interesse stößt. Wir
können sehr viel zur Verbesserung der Situation in Ent-
wicklungs- und Schwellenländern beitragen. Wir sollten
stolz darauf sein, anstatt unseren Rechtsstaat – so ist es
in dieser Debatte teilweise auch wieder passiert –
schlechtzureden. Das ist an vielen Stellen völlig maßlos.
Wir sollten stolz sein. Unser Recht ist international ge-
fragt, und das bildet diese Koalition im Haushalt ab.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben nicht gesagt, dass unser Recht schlecht ist! Die Regierung ist schlecht! Das ist zweierlei!)


Ich möchte noch auf einige rechtspolitische Themen
eingehen. Aus liberaler Sicht ist die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf die Vorrats-
datenspeicherung zu begrüßen. Wir haben diese Ent-
scheidung erwartet, da sie der Argumentation unserer
Fraktion, die wir in der Vergangenheit auch von diesem
Pult aus vorgetragen haben, entspricht. Ich denke, dass
dieses Thema bei der Ministerin in guten Händen ist.
Das hat sie in der Vergangenheit gezeigt.

Sie hat auch ein weiteres Thema auf die Agenda ge-
setzt – das wird von unserer Fraktion maßgeblich unter-
stützt –, und zwar die Reform des Insolvenzrechts. In
der jetzigen Krise müssen wir uns überlegen: Ist unser
Insolvenzrecht geeignet, den Erhalt von Arbeitsplätzen
zu sichern, oder führt es dazu, dass Betriebe kaputtge-
hen? Ich glaube, dass wir uns mit den Überlegungen zur
Stärkung des Insolvenzplanverfahrens und zu mehr Ei-
genverwaltung auf einem guten Weg befinden. Denn ge-
rade in der Krise müssen für den Erhalt von Unterneh-
men und Arbeitsplätzen bessere Rahmenbedingungen
gesetzt werden.

Folgende Frage hat die Ministerin dankenswerter-
weise in einer Rede in Hamburg angesprochen: Wie kön-
nen wir das Insolvenzrecht in den Bereichen reformie-
ren, in denen es heute nicht mehr richtig greift? Das gilt
insbesondere für die Bankenkrise und den Umgang mit
den sogenannten systemrelevanten Banken. Ich denke,
dass es einer der wichtigen Aspekte dieser Insolvenz-
rechtsreform ist, sich zu überlegen, wie man mit diesem
Problem umgeht und wie man wieder dazu kommt – das
ist in einer Marktwirtschaft nur billig und gerecht –, dass
jemand, der Fehler gemacht hat, auch die unternehmeri-
sche Haftung – das geht bis zum Risiko der Insolvenz –
dafür übernehmen muss.


(Christine Lambrecht [SPD]: Dann machen Sie mal einen Vorschlag! Machen Sie doch einen runden Tisch dazu!)

Da Sie die Große Koalition so gelobt haben und Vor-
schläge verlangen, möchte ich Sie darauf hinweisen,
dass die Große Koalition gerade in diesem Punkt sehr
unterschiedlicher Meinung war. Es gab einen Vorstoß
von Frau Zypries und Herrn Steinbrück sowie einen von
Herrn zu Guttenberg. Es hat aber eben nicht geklappt.
Wir werden dafür sorgen, dass wir das Thema gemein-
sam lösen. Was das Ziel angeht, sind wir uns einig.


(Christine Lambrecht [SPD]: Dann legen Sie was vor! Reden Sie nicht darüber, legen Sie was vor!)


Insofern ist das ein gutes Beispiel dafür, dass diese Ko-
alition bestens funktioniert, Frau Kollegin Lambrecht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Christine Lambrecht [SPD]: Wann soll denn das so gewesen sein?)


Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, der im Ko-
alitionsvertrag enthalten ist. Es geht dabei um ein sehr
wichtiges Thema, das Staatshaftungsrecht. Es ist inte-
ressant, dass wir in einem Land leben, in dem fast alles
umfassend gesetzlich geregelt ist. Aber die Frage, wann
der Staat seinen Bürgern Ersatz schuldet, wenn diese ei-
nen Schaden erleiden, ist nur fragmentarisch geregelt,
und die entsprechenden Regelungen sind über etliche
Gesetze verteilt, bis hin zum Grundgesetz, das zur An-
wendung gebracht werden muss, da es keine speziellen
Gesetze gibt. Diese Frage ist seit Jahrzehnten offen ge-
blieben. Ich finde, ein Rechtsstaat schuldet es seinen
Bürgern, ihnen klare Regeln bzw. Ansprüche für den
Fall zu geben, dass dieser Staat sie geschädigt hat und
Ersatz leisten muss.


(Christine Lambrecht [SPD]: Wann kommt das?)


– Ja. Jedenfalls wird das kommen, Frau Kollegin. Sie
sind sicher froh, dass es diese Koalition jetzt aufgreift.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703113600

Herr Kollege, was auch kommt, ist das Ende Ihrer Re-

dezeit.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ende der Redezeit!)



Dr. Florian Toncar (FDP):
Rede ID: ID1703113700

Das Problem sind die vielen Zwischenrufe, Frau Prä-

sidentin.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit muss man fertig werden und darf nicht immer nur anderen die Schuld geben!)


– Wir greifen das auf. Insofern ist die Dürre in der
Rechtspolitik der letzten elf Jahre endlich vorbei. Wir
werden das Thema lösen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Lachen der Abg. Christine Lambrecht [SPD] – Christine Lambrecht [SPD]: Da müssen Sie ja selbst lachen!)







(A) (C)



(D)(B)


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703113800

Jetzt spricht der Kollege Stephan Mayer für die CDU/

CSU.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er spricht nur für die CSU, wie ich ihn kenne!)



Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1703113900

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-

ginnen! Sehr verehrte Kollegen! Ich komme nicht um-
hin, auf den Beitrag des Kollegen Nešković einzugehen.
Sehr geehrter Herr Kollege Nešković, ich mache das
nicht deshalb, weil ich den Beitrag so exzellent fand,
sondern weil ich es für außerordentlich bemerkenswert
halte, dass Sie die Dreistigkeit besitzen, diesen Redebei-
trag ausgerechnet am heutigen Tag zu halten, dem
20. Jahrestag der ersten freien und gleichen Wahl zur
Volkskammer in der DDR. Sie haben dem Bundesaußen-
minister historische Unkenntnis vorgeworfen.


(Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Ahnungslosigkeit!)


– Ahnungslosigkeit. Ich kann diesen Vorwurf an dieser
Stelle nur an Sie zurückgeben.


(Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Das meinen Sie doch nicht im Ernst!)


Es geht hier nicht um Sie persönlich; aber Sie sitzen auf
der Bank einer Fraktion, die Mitglieder hat, die der ehe-
maligen SED angehört haben, die teilweise sogar infor-
melle Mitarbeiter der Stasi waren, die also mit dazu
beigetragen haben, ein Unrechtsregime über 40 Jahre
aufrechtzuerhalten, das den Forderungen, die Sie hier
von sich gegeben haben, gerade nicht Genüge getan hat,
nämlich Gleichheit und Freiheit zum Durchbruch zu ver-
helfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Ist es denn falsch, was ich gesagt habe?)


Ich habe mir zufälligerweise heute Vormittag die
Mühe gemacht, das ehemalige Stasi-Gefängnis in Ho-
henschönhausen zu besuchen. Es ist schon bemerkens-
wert, was man erfährt, wenn man dort durch die Zellen
und Trakte geht. Man begreift: In einem Zeitraum von
40 Jahren waren dort insgesamt 17 Millionen Menschen
eingezäunt und hinter Mauern gefangen; Hunderttau-
sende Menschen wurden in der DDR tagein, tagaus be-
spitzelt; mehrere Tausend Menschen wurden geknechtet
und gefoltert.

Sie stellen sich jetzt hier hin und halten ein großes
Plädoyer für Gleichheit und Freiheit und werfen uns vor,
dass die Bundesrepublik Deutschland diesen Ansprü-
chen nicht genügt.


(Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern Ihre Partei! Das ist ein Unterschied!)


Sehr geehrter Herr Kollege, das halte ich, mit Verlaub,
für außerordentlich dreist und kühn.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703114000

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage von

Frau Wawzyniak zulassen?


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1703114100

Sehr gerne.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703114200

Bitte schön.


Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703114300

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass sich Michael

Schumann bereits 1989 im Namen der Partei beim Volk
der DDR entschuldigt hat


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: „Die Partei“! Das ist schon bezeichnend! Die Partei, die Partei, die hat immer recht!)


und dass wir einen Beschluss zur Offenlegung unserer
politischen Biografien gefasst haben? Ich frage Sie: Gibt
es einen solchen Beschluss auch bei der CDU, die be-
kanntlich Mitglieder der DDR-CDU in ihren Reihen hat?


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1703114400

Frau Kollegin, mir ist bekannt, dass die Linkspartei

die Nachfolgepartei der SED ist, dass die SED insgesamt
dieses Unrechtsregime aufrechterhalten, unterstützt und
gefördert hat, dass es in Ihren Reihen nach wie vor
Ewiggestrige gibt, die beispielsweise die wunderbare
Gedenkstätte in Hohenschönhausen bekämpfen, lächer-
lich machen,


(Beifall der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/ CSU])


dass die rot-rote Regierung in Berlin nach wie vor nicht
die erforderlichen Mittel für den Erhalt der Gedenkstätte
beiträgt. Meine sehr verehrte Kollegin, das sind Dinge,
die mir bekannt sind. Ich glaube, es ist richtig, gerade am
20. Jahrestag der ersten gleichen und freien Wahl der
Volkskammer der DDR darauf hinzuweisen. Herr
Nešković, vor diesem Hintergrund habe ich Ihren Bei-
trag wirklich als deplatziert empfunden. Sie hätten hier
über jedes Thema sprechen können, aber nicht über die-
ses.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Da kann man nur sagen: Si tacuisses, philosophus
mansisses.

Frau Bundesjustizministerin, ich bin Ihnen sehr dank-
bar, dass Sie das Thema Kindesmissbrauch so expo-
niert dargestellt haben und Ihren Dank dafür zum Aus-
druck gebracht haben, dass die bayerischen katholischen
Bischöfe heute auf ihrer Frühjahrskonferenz in Vier-
zehnheiligen in Oberfranken deutlich gemacht haben,
dass sie anregen werden, die diesbezüglichen Leitlinien
zu novellieren. Wir müssen klarmachen, dass es keiner-
lei Tabuisierung geben darf, dass es keinerlei Toleranz
gegenüber diesen schrecklichen, unmenschlichen, bar-





Stephan Mayer (Altötting)



(A) (C)



(D)(B)

barischen Missetaten geben darf. Es ist mit das
Schlimmste, was man einem Menschen antun kann,
wenn man ihm das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung
nimmt, wenn er Opfer eines entsprechenden Delikts
wird. Hier ist der Staat gefordert.

Natürlich gibt es berechtigte Fragen der Bürgerinnen
und Bürger, wie der Staat darauf reagiert. Ich glaube, es
ist richtig, deutlich zu machen, dass die katholische Kir-
che hier ihrer Verantwortung gerecht werden muss. Ich
sage aber auch ganz offen: Kindesmissbrauch gibt es
nicht nur im Bereich der katholischen Kirche. Es gab
auch Kindesmissbrauch – vielleicht gibt es ihn immer
noch – in evangelischen und weltlichen Einrichtungen.
Wir sollten auch deutlich machen, dass sich der Großteil
der Fälle von Kindesmissbrauch – leider Gottes ist die
Dunkelziffer hier offenbar erschreckend hoch – im fami-
liären Bereich ereignet.

Sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger, es ist
richtig, hier einen runden Tisch zu bilden; ich bin Ihnen
für Ihre Initiative dankbar. Es ist gut, dass sich hier die
drei betroffenen Ministerien zusammentun. Sehr geehrte
Frau Kollegin Lambrecht, ich sage Ihnen ganz offen: Ich
halte nichts davon, jetzt eine Untersuchungskommission
des Bundestags zu etablieren, weil – ich hege diesen
Verdacht einfach – Sie mit dieser Forderung unterstellen,
die katholische Kirche und alle anderen Bildungsträger
seien nicht in der Lage, diese Untaten aufzuklären.


(Christine Lambrecht [SPD]: Das sieht man doch! Das ist keine Sache der Einrichtungen!)


Dieser Auffassung bin ich dezidiert nicht. Ich habe Ver-
trauen in die katholische Kirche. Ich möchte an der
Stelle auch deutlich machen, dass der Großteil der ka-
tholischen Pfarrer, Priester und Kaplane seiner Arbeit,
auch seiner Jugendarbeit, vollkommen seriös und ver-
antwortungsvoll nachgeht.


(Christine Lambrecht [SPD]: Das sieht man! Null Toleranz!)


Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass von
interessierten Kreisen durchaus ganz bewusst nicht nur
auf diese Untaten und Verfehlungen hingewiesen wird,
sondern versucht wird, der Institution katholische Kir-
che nachhaltig zu schaden und sie nachhaltig zu erschüt-
tern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das tun die schon selber!)


Es ist richtig, dass der Staat seinem Strafanspruch ge-
recht wird. Es ist auch richtig, dass wir uns als Parlament
Gedanken darüber machen, wie wir auf diese erschre-
ckenden Enthüllungen – für mich ist das immer noch
nicht fassbar – reagieren. Wir sind gut beraten, glaube
ich, uns hier kein Stoppschild zu verpassen, sondern uns
wirklich offen und vorurteilsfrei über alle möglichen
Vorschläge und Diskussionspunkte Gedanken zu ma-
chen.

Dazu gehört natürlich, dass man sich Gedanken da-
rüber macht, sowohl die zivilrechtlichen als auch die
strafrechtlichen Verjährungsfristen zu verlängern. Dazu
gehört natürlich auch, sich Gedanken darüber zu ma-
chen, ob man Verbesserungen erreichen kann, was den
Schadensersatz oder den Täter-Opfer-Ausgleich angeht.
Meines Erachtens gibt es noch eine sehr berechtigte For-
derung: Es wäre richtig, den Kindesmissbrauch vom
Vergehen zum Verbrechen hochzustufen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703114500

Herr Kollege, es gibt noch einen weiteren Wunsch,

eine Zwischenfrage stellen zu dürfen, und zwar des Kol-
legen Sharma. Möchten Sie das zulassen?


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1703114600

Selbstverständlich. Sehr gern.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703114700

Bitte schön.


Raju Sharma (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703114800

Herr Kollege, Sie haben eben darauf hingewiesen,

dass die Bundesjustizministerin zu einem runden Tisch
in dieser Angelegenheit eingeladen hat und die runden
Tische auch zusammengeführt werden sollen. Haben Sie
zur Kenntnis genommen, dass die Bundesjustizministe-
rin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, nicht nur zu
einem runden Tisch eingeladen hat, sondern darüber hi-
naus die katholische Kirche aufgefordert hat, sehr eng
mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten?


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1703114900

Sehr geehrter Herr Kollege, ich habe die gesamte De-

batte sehr intensiv zur Kenntnis genommen und habe
mich in dieser Debatte in den letzten Tagen und Wochen
auch immer wieder persönlich zu Wort gemeldet. Es ist
richtig, glaube ich, dass die katholische Kirche und ins-
besondere die katholischen Bischöfe in Bayern heute
deutlich gemacht haben, dass sämtliche Verdachtsfälle
zur Anzeige gebracht werden. Es ist eine herausragende
Leistung der katholischen Bischöfe, dass sie heute be-
schlossen haben: Auch wenn offenkundig schon die Ver-
jährung eingetreten ist, sollen sämtliche Verdachtsfälle
offen, vorurteilsfrei und schonungslos zur Strafanzeige
gebracht werden. Insoweit steht einer konstruktiven Ko-
operation zwischen der katholischen Kirche und dem
Staat überhaupt nichts im Wege.

Auch wir als Parlament sollten die Debatte in diesem
Sinne und in diesem Geiste führen und nicht so, wie es
meines Erachtens einige Kollegen ganz bewusst und
auch interessiert tun, indem sie nämlich die katholische
Kirche insgesamt herabwürdigen, indem sie auch nicht
davor zurückschrecken, sogar den Heiligen Vater zu dis-
kreditieren und zu beleidigen. Das, sehr geehrter Herr
Kollege, halte ich für bodenlos, für unanständig und für
vollkommen unangebracht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Christine Lambrecht [SPD]: Wer hat denn das gemacht?)


Daran, dass ich zum einen den Bundesaußenminister
verteidigt habe, zum anderen die hervorragende, kon-





Stephan Mayer (Altötting)



(A) (C)



(D)(B)

struktive und sehr einvernehmliche Zusammenarbeit mit
dem Bundesjustizministerium insgesamt, aber insbeson-
dere auch mit der Spitze des Bundesjustizministeriums
lobe, kann man sehen, dass die bürgerlich-christliche
Koalition auf einem guten Weg ist, dass wir insgesamt,
aber gerade auch im Bereich der Justizpolitik sehr ge-
deihlich und sehr einvernehmlich zusammenarbeiten. In
diesem Sinne steht einer erfolgreichen Justizpolitik in
den nächsten dreieinhalb Jahren nichts im Wege.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703115000

Der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist

der Kollege Professor Dr. Sensburg.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1703115100

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Liebe Kol-

leginnen und Kollegen! Wie meine Vorredner, zumindest
diejenigen, die zum Haushalt gesprochen haben, bereits
ausgeführt haben, konnte der Titel Justiz nach den Haus-
haltsberatungen um rund 5 Millionen Euro auf knapp
490 Millionen Euro heruntergesetzt werden. Wir reden
damit über einen Haushaltstitel, dessen Anteil am Ge-
samthaushalt bei 0,15 Prozent liegt. Wir debattieren
heute über einen Haushaltstitel, der große rechtspoliti-
sche Auswirkungen hat und bei dem alle Möglichkeiten
der Einsparung genutzt worden sind. Die Justizministe-
rin hat es bereits deutlich gemacht.

Lediglich zwei Aufstockungen verzeichnet dieser
Haushalt; der Kollege Toncar ist darauf kurz eingegan-
gen. Zum einen ist im Haushalt eine Aufstockung der
Mittel für die Beratungshilfe für den Aufbau von Demo-
kratie und Marktwirtschaft vorgenommen worden. Hier
geht es vor allem um die jungen Demokratien Mittel-
und Osteuropas sowie die Staaten der ehemaligen Sowjet-
union. Die deutsche Rechtsordnung ist ein internationa-
ler Standortfaktor der Bundesrepublik Deutschland, den
wir zugleich über diese Maßnahme weiter in den Fokus
rücken wollen. Dass wir das bereits machen, beweist die
Bundesratsinitiative der nordrhein-westfälischen Justiz-
ministerin Müller-Piepenkötter. Der Entwurf eines Ge-
setzes zur Einführung von Kammern für internationale
Handelssachen beinhaltet den Vorschlag, Rechtsstreitig-
keiten auch auf Englisch als Gerichtssprache zu ermögli-
chen. Das ist eine konstruktive, wettbewerbsorientierte
Rechtspolitik. Ich danke der nordrhein-westfälischen
Justizministerin, dass sie hier Akzente setzt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dem Hamburger Senator auch!)


Zum anderen wird es eine Aufstockung beim bisheri-
gen Fonds für Opfer rechtsextremistischer Gewalt ge-
ben, und er wird auf Opfer extremistischer Gewalt ins-
gesamt ausgeweitet. Herr Montag – ich schätze Sie sehr
als sachkundigen Europarechtler –, ich halte es für fatal,
eine Unterscheidung zwischen Opfern zu treffen. Wir
dürfen nicht den einen Opfern eine Entschädigung ge-
währen und den anderen nicht. Wenn Sie sich den Haus-
haltstitel genau anschauen, stellen Sie fest, dass diese
Aufstockung nicht zulasten der Opfer rechtsextremisti-
scher Gewalt geht. Vielmehr werden auch die Opfer
linksextremistischer Gewalt berücksichtigt. Herr Toncar
hat eben sehr gut ausgeführt, dass es notwendig ist, zwi-
schen den Opfern nicht zu unterscheiden. Es darf keine
Unterscheidung geben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Zahlen sprechen für sich. So ist beispielsweise in
Niedersachsen die Anzahl linksextremistischer Strafta-
ten im Jahre 2009 um 15 Prozent gestiegen, genauso wie
in der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Das wer-
den wir spätestens im Mai bei der Vorstellung der PKS,
der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik, sehen. Verfas-
sungsschutzpräsident Fromm äußerte sich am vergange-
nen Montag in der Welt, bezogen auf die Gewalt von
links, wie folgt:

Dass die Militanz deutlich zugenommen hat, muss
ich leider bestätigen. Auch die Zahl der gewaltbe-
reiten Personen hat sich in den letzten fünf Jahren
deutlich erhöht. Gewalt auf der Straße und verdeckt
geplante Anschläge nehmen zu … Auch der An-
griff auf eine Polizeiwache im Dezember in Ham-
burg spricht für ein verändertes Niveau.

Ein Rechtsstaat darf die Augen vor keiner Gewalt ver-
schließen und muss sich gegen Extremismus von links
wie von rechts wenden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mir scheint, dass gerade die Vertreter der Fraktion Die
Linke immer wieder eine Verharmlosung linker Gewalt
betreiben. Dazu kann ich nur sagen: Der Staat muss sich
gegen jede Art von Extremismus richten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])


– Ich weiß gar nicht, warum Sie jetzt dazwischenrufen,
Frau Kollegin.

Ich zitiere aus der Internetseite der Linken: „Es gibt
keine linksextremistische Gefahr in Deutschland.“ In ei-
ner Pressemitteilung der Linken vom 19. Januar 2010 ist
im Zusammenhang mit anwachsender linker Gewalt von
einem Phantom die Rede. Ich frage mich daher, ob Sie
auf einem Auge blind sind, ob es sich um reinen Populis-
mus handelt oder ob Sie Klassenkampf führen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Aufgabe der Justiz muss es sein, klar für den
Schutz unserer Vollstreckungsbeamten und insbesondere
der Polizistinnen und Polizisten einzutreten. Sie sind
immer wieder gewaltsamen Angriffen ausgesetzt. Die
Angriffe steigern sich. Erschreckend ist hierbei, dass die
Hemmschwelle sinkt und die Intensität der Taten zu-
nimmt. Ich möchte die Relevanz an den Zahlen aus
Nordrhein-Westfalen verdeutlichen. Alle 90 Minuten
gibt es dort einen Übergriff auf Polizeibeamte.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sind das alles Linksextreme, oder was?)






Dr. Patrick Sensburg


(A) (C)



(D)(B)

Die Dunkelziffer ist – so die Deutsche Polizeigewerk-
schaft – weitaus höher. Die christlich-liberale Koalition
steht an der Seite der Polizistinnen und Polizisten in un-
serem Land. Wir werden deshalb ihren strafrechtlichen
Schutz im Strafgesetzbuch da, wo es nötig ist, verbes-
sern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte denen, die dazwischenrufen, sagen: Ge-
walttaten gegen Polizeibeamte sind kein Kavaliersdelikt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der LINKEN)


Jeder Polizist und jede Polizistin ist auch Familienvater
bzw. Familienmutter. Der Staat muss den Schutz dieser
Personen gewährleisten. Dafür müssen wir uns einset-
zen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christine Lambrecht [SPD]: Diesen Schutz gibt es schon!)


Ich möchte noch zu einem weiteren Thema kommen,
zum Europarecht. Durch den fortschreitenden europäi-
schen Integrationsprozess kommen immer mehr Aufga-
ben auch auf das Bundesministerium der Justiz zu. Dies
lässt sich – die Justizministerin hat es angesprochen –
zum Beispiel am Europäischen Geldsanktionsgesetz er-
kennen. Wenn mehr Aufgaben, insbesondere beim Bun-
desamt für Justiz, auf den Bereich des Titels 7 zukom-
men, dann müssen wir den Personalansatz erhöhen. Es
war richtig, ihn um 99 Stellen zu erhöhen. In anderen
Bereichen wurden Stellen gespart, und damit wurde der
Haushalt ausgeglichen.

Dieses Beispiel einer umzusetzenden Richtlinie zeigt,
dass der Vertrag von Lissabon den nationalen Parlamen-
ten mehr Rechte einräumt und sie stärkt. Gemeinsam mit
den Kollegen des Europaausschusses und des Unteraus-
schusses Europarecht des Rechtsausschusses arbeiten
wir daran, die Subsidiaritätsprüfung ganz konkret vorzu-
bereiten. Sie wissen, dass wir nur einen engen Zeitrah-
men von acht Wochen haben, in dem wir die europäi-
schen Vorhaben genauer unter die Lupe nehmen können.
Parteiübergreifend möchte ich deutlich sagen: Der Bun-
destag sollte die durch den Vertrag von Lissabon einge-
räumten Rechte selbstbewusst und intensiv nutzen. Wir
werden das in der nächsten Zeit tun.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703115200

Herr Sensburg, das war Ihre erste Rede hier im Haus.

Dazu gratulieren wir Ihnen alle sehr herzlich und wün-
schen Ihnen alles Gute für die Arbeit.


(Beifall)


Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 07, Bundesministerium der Justiz, in der Aus-
schussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke vor, über den wir zuerst abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-
sache 17/1035? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Zugestimmt
hat die einbringende Fraktion, alle übrigen Fraktionen
haben den Antrag abgelehnt.

Wer stimmt für den Einzelplan 07, Bundesministe-
rium der Justiz, in der Ausschussfassung? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Einzelplan bei
Zustimmung der Koalitionsfraktionen angenommen; da-
gegen haben die Oppositionsfraktionen gestimmt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 19, Bundesverfassungsgericht, in der Ausschussfas-
sung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Dieser Einzelplan ist einstimmig angenommen.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt I.16 auf:

Einzelplan 17
Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend

– Drucksachen 17/616, 17/623 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Mattfeldt
Rolf Schwanitz
Florian Toncar
Steffen Bockhahn
Sven-Christian Kindler

Es fällt auf, dass die Berichterstatter für diesen Ein-
zelplan nur Kollegen sind.

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die
Linke vor. Außerdem liegen ein Entschließungsantrag
der Fraktion Die Linke und ein Entschließungsantrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über diese werden
wir morgen nach der Schlussabstimmung befinden.

Zwischen den Fraktionen ist verabredet, dass hier ein-
einhalb Stunden lang debattiert wird. – Dazu sehe ich
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich gebe das Wort dem Kollegen Rolf Schwanitz für
die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Rolf Schwanitz (SPD):
Rede ID: ID1703115300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Traditionell beginnt man eine De-
batte zu einem Einzelplan in der zweiten bzw. dritten Le-
sung mit dem Dank für faire Berichterstattung und für
gute Information durch das Haus. Ich kann und will
heute nur für die faire Berichterstattung danken. Das hat
Gründe: Nach meinem Dafürhalten hat es, bezogen auf
das Ministerium, Frau Ministerin Schröder, massive De-
fizite im Hinblick auf die gewährten Informationen ge-
geben. Da die Defizite so erheblich sind, will ich sie hier
ansprechen:

Das erste Beispiel betrifft die Ausgabereste bei den
Titeln. Wenn ich es richtig sehe, ist Ihr Ministerium das
einzige gewesen, das uns bei den Haushaltsberatungen
nicht die nötigen Informationen über Ausgabereste bei
den einzelnen Titeln gegeben hat. Das ist deswegen be-





Rolf Schwanitz


(A) (C)



(D)(B)

sonders schmerzlich, weil in der Bereinigungssitzung
durch die Kollegen aus der Koalition vier Änderungsan-
träge gestellt worden sind, die mit dem Hinweis auf vor-
handene Ausgabereste begründet wurden. Daraus ist die
Schlussfolgerung zu ziehen, dass entweder die Begrün-
dungen für diese Anträge falsch sind – das wäre Ihnen
gegenüber aus Sicht der Koalition nicht fair – oder dass
die Kollegen aus der Koalition über Informationen ver-
fügen, über die die anderen Berichterstatter nicht verfü-
gen.


(Ute Kumpf [SPD]: Das wäre ja unerhört! – Caren Marks [SPD]: Das passt doch!)


Das wäre eine Informationspolitik nach Gutsherrenart,
nach Parteibuch, nach Fraktionszugehörigkeit, die nicht
zu akzeptieren ist. Das müsste abgestellt werden.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Caren Marks [SPD]: Ich bin gespannt, was die Ministerin dazu sagt!)


Das zweite Beispiel betrifft eine mir gestern zur
Kenntnis gelangte Vereinbarung bezogen auf den Zivil-
dienst, genauer gesagt: auf die Jugendfreiwilligendienste
im Ausland. Aus dieser Vereinbarung, die zwischen Ver-
tretern der Träger der Jugendfreiwilligendienste im Aus-
land und Herrn Staatssekretär Hecken getroffen worden
ist, geht hervor, dass diese Träger künftig, offensichtlich
in 2010, 1 Million Euro zusätzliche Zuschüsse erhalten
sollen. Ich spreche das deshalb an, weil die Frage, welche
haushaltsseitigen Auffang-, Übergangs- und Zuwen-
dungsregelungen man schon in 2010 wegen der Verkür-
zung der Zivildienstdauer braucht, in den Ausschussbera-
tungen und in den Berichterstattergesprächen bisher
immer unbeantwortet geblieben ist.

Ich will den letzten Punkt dieser Vereinbarung zitie-
ren: Beide Seiten – damit auch das BMFSFJ – betonen,
dass die Abfederungen, um die es hier geht – 1 Million
Euro –, von vornherein als notwendig erachtet werden. –
Es stellt sich hier die Frage: Wie kann eine solche Ein-
schätzung in diese Vereinbarung hineinkommen, wenn
man gegenüber den Berichterstattern die Auffassung
vertritt, es bedürfe einer solchen Veränderung nicht?
Auch hier sage ich: Es darf keine selektiven Informatio-
nen geben; eine Informationspolitik nach Gutsherrenart
muss aufhören.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Ministerin, nach der gestrigen Ankündigung be-
zogen auf die Verkürzung der Zivildienstdauer haben wir
nach meiner Einschätzung eine völlig neue Lage.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keiner weiß was Genaues!)


Es gibt eine Ankündigung des Verteidigungsministers,
die schon gestern bei der Beratung des Etats des Vertei-
digungsministeriums eine Rolle gespielt hat: Mittler-
weile scheint klar zu sein, dass es die Verkürzung der
Wehrdienstzeit nicht erst zum 1. Januar 2011, sondern
bereits in 2010 geben wird. Die Verkürzung der Zivil-
dienstdauer soll offenkundig sogar noch früher gelten.
Ich will festhalten: Die Koalition hat in der Bereini-
gungssitzung eine globale Minderausgabe in Höhe von
14,2 Millionen Euro im Bereich des Bundesamts für
Zivildienst beschlossen. Sie hat darüber hinaus einen
Kürzungsvorschlag beim Sold gemacht – aber mit einer
völlig anderen Begründung. Frau Ministerin, Sie haben in
der ersten Haushaltsdebatte – das war vor fünf Sitzungs-
wochen – der staunenden Öffentlichkeit zum ersten Mal
gesagt: Diese Verkürzung wird zum 1. Januar 2011 kom-
men. – Das war Ihre Ankündigung. Auf alle von Kollegen
und auch von mir gestellten Fragen, welche Auswirkun-
gen diese Verkürzung 2010 hätte, hat Ihr Haus geantwortet:
keine. Das war die Ansage im Berichterstattergespräch.
Das war auch die Ansage in der Bereinigungssitzung.

Jetzt kommt quasi einen Tag vor Abschluss dieser Be-
ratungen die Information: Es ist alles anders. Die Ver-
kürzung findet schon in 2010 statt. – Damit ist das, was
wir hier im Kapitel „Bundesamt für den Zivildienst“ an-
gesetzt haben, eigentlich Makulatur.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist ein gravierender Vor-
gang. So kann man miteinander nicht umgehen. Sie kön-
nen weder bezogen auf die Fachpolitiker, die natürlich
berechtigterweise fragen, wie das nun gehen soll, noch
bezogen auf die Haushaltspolitiker erst bestimmte Infor-
mationen streuen, dann aber einen Tag vorher mit einer
ganz anderen Information kommen. Das verändert die
Situation grundlegend.

Ich habe die Bitte, dass Sie sich zu diesem Vorgang
hier erklären,


(Caren Marks [SPD]: Ist ja nachher noch Gelegenheit! – Ute Kumpf [SPD]: Keiner weiß, was geschieht!)


und zwar nicht nur fachlich-inhaltlich. Ich betrachte das
wirklich als eine schwere Belastung. Es war immer Ge-
schäftsgrundlage zwischen den Haushältern und der je-
weiligen Ministeriumsführung gewesen, dass jeder
Haushälter, jede Fraktion den gleichen Zugang zu Infor-
mationen zur Beratung des Haushalts bekommt. Ich
habe die Bitte, dass Sie das hier klarstellen und sich dazu
positionieren.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir definieren jetzt natürlich, was hier passieren soll.
Im Bereich Zivildienst wurden in der Bereinigungssit-
zung insgesamt 18 Millionen Euro eingespart, während
für die Freiwilligendienste 1 Million Euro draufgesat-
telt wird. Das ist eine interessante Relation. Ich bitte Sie,
auch das einmal zu kommentieren. Die Sozialdemokra-
ten und auch andere Fraktionen haben immer gesagt:
Wenn es zu einer solchen Verkürzung kommt, dann muss
dies mit einem signifikanten Aufwuchs bei den Freiwil-
ligendiensten einhergehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)






Rolf Schwanitz


(A) (C)



(D)(B)

Was jetzt hier passiert, ist, dass 94 Prozent der beim Zi-
vildienst eingesparten Gelder verschwinden.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Skandal!)


Wenn die gleiche Relation bei der Operation in 2011 an-
gelegt wird, kann ich nur sagen: Gute Reise!

Nachdem ich dargestellt habe, was uns ärgert, möchte
ich noch eine Bemerkung zu dem Thema „Evaluation fa-
milienpolitischer Leistungen“ machen. Ich habe einmal
bei Google die Wortgruppe „Evaluation familienpoliti-
scher Leistungen“ eingegeben. Man erhält 217 000 Tref-
fer, übrigens ohne Pressemeldungen, sondern rein infor-
mative Einträge auf Homepages im Internet. Da finden
sich zum Beispiel Stellungnahmen des DIW zum Fami-
liensplitting und zum Elterngeld, des Ifo-Instituts zum
Familienleistungsausgleich, des IAB zu Familienpolitik
und Beschäftigung sowie viele Stellungnahmen zur Fi-
nanzierung familienpolitischer Leistungen. Ihre Vorgän-
gerin hat ein Kompetenzzentrum für familienpolitische
Leistungen eingerichtet. Wichtige und honorige Profes-
soren evaluieren dort unterstützend und begleitend, was
Sie in diesem Bereich tun.

Ich frage mich: Was soll eigentlich im Rahmen dieser
neuen Evaluation geschehen; was soll da gemacht wer-
den?


(Caren Marks [SPD]: Vertagen! Aussitzen!)


Wir haben diese Frage gestellt. Ihr Staatssekretär hat
auch geantwortet. Inhaltlich erschließt sich mir das trotz
der Antwort nicht. Was wollen Sie tun? Sie wollen jetzt
5,1 Millionen Euro für diese Evaluation aus dem Titel
für Familien, Gleichstellung und Ältere zur Verfügung
stellen. Die Kosten für diese neue Evaluation machen
28 Prozent des gesamten Titels aus. Da das Ganze ge-
meinsam mit dem Bundesfinanzministerium finanziert
wird und bis 2013 gehen soll, wird diese Evaluation am
Ende 16,6 Millionen Euro gekostet haben. Das wird eine
Monsterevaluation von familienpolitischen Leistungen,
nachdem hier schon jahrelang evaluiert worden ist. Für
16 Millionen Euro können Sie locker eine kleine Uni
kaufen. Ich sage Ihnen: Was Sie dort tun wollen, werden
wir uns im Haushaltsausschuss gemeinsam gründlichst
anschauen;


(Caren Marks [SPD]: Zu Recht!)


denn es handelt sich um einen großen Batzen Geld, der
nicht in eine bisher jedenfalls inhaltlich nicht untersetzte
Aktivität münden soll.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Letzte Bemerkung, meine Damen und Herren – meine
Nachredner werden sicherlich auch noch darauf einge-
hen –: Das, was Sie im Bereich Rechtsextremismus tun,
ist völlig unzureichend. Wir haben das kritisiert.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Caren Marks [SPD]: Die Ministerin hört leider nicht zu!)

Ich versteife mich jetzt nicht darauf, dass Sie im Koali-
tionsvertrag wie eine Monstranz vor sich hertragen, dass
künftig auch gegen Islamismus und Linksextremismus
Projekte ins Leben gerufen werden sollen. Herr Staatsse-
kretär Kues, habe ich gelesen, hat auf die Frage, was das
inhaltlich heißen soll, geantwortet, bis zum zweiten
Quartal wolle man dafür Ideen sammeln. Wir werden
also sehen. Aber dass Sie im Gegensatz zu dem Etat der
Bundesjustizministerin, die die Mittel dafür aufgestockt
hat, den Plafond so gelassen haben, wie er ist, und dafür
2 Millionen Euro aus nicht verausgabten Mitteln für den
Kinder- und Jugendplan nehmen, ist eine klare Drohung
für die Zukunft.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703115400

Herr Kollege!


Rolf Schwanitz (SPD):
Rede ID: ID1703115500

Denn damit ist die Mittelkürzung vorprogrammiert.

Da werden wir dranbleiben.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703115600

Andreas Mattfeldt ist der nächste Redner für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Andreas Mattfeldt (CDU):
Rede ID: ID1703115700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Mi-

nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Zuallererst, Frau Präsiden-
tin: Auch Männer verstehen etwas von Familienpolitik.
Ich denke, deshalb dürfen auch Männer heute zu diesem
Thema sprechen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das handhaben wir hier schon länger so!)


Herr Schwanitz, Ihre Kritik an der Ministerin ist abso-
lut nicht gerechtfertigt. Sie haben mehrfach die Möglich-
keit gehabt, Fragen an die Ministerin zu stellen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die wurden nur nicht beantwortet!)


Ich habe von Ihnen im Ausschuss nicht viele gehört. Die
Ministerin und der Staatssekretär haben alle Fragen der
Berichterstatter und der Mitglieder des Haushaltsaus-
schusses beantwortet.


(Caren Marks [SPD]: Dass Sie nicht rot dabei werden!)


Frau Ministerin, ich darf Ihnen Dank aussprechen für die
gute Zusammenarbeit mit dem Haushaltsausschuss und
insbesondere mit den Berichterstattern.

Der Haushalt des Familienministeriums weist für das
Jahr 2010 6,543 Milliarden Euro aus und zeigt damit





Andreas Mattfeldt


(A) (C)



(D)(B)

eine absolute Kontinuität zu den vergangenen Jahren. In
zahlreichen Ausschussberatungen haben wir in den ver-
gangenen Wochen die einzelnen Posten des Entwurfes
beraten und zum Teil hart, aber sachlich gestritten. In
meiner letzten Rede zum Regierungsentwurf habe ich
gesagt, dass wir sparen müssen, um unsere Kinder vor
allzu großen Schulden zu bewahren. Ich habe aber auch
gesagt, dass wir mit Verstand und vor allen Dingen an
der richtigen Stelle sparen müssen, damit die Familien
von uns die Unterstützung bekommen, die sie wirklich
brauchen. Gerade deshalb, Herr Schwanitz, ist Evalua-
tion so wichtig; denn so bekommen wir die Wirksamkeit
unserer familienpolitischen Maßnahmen deutlich vor
Augen geführt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ute Kumpf [SPD]: Ich wünsche mir den Kollegen Stünker zurück!)


– Dem geht es leider schlecht, Frau Kollegin.

Wenn wir über das Familienressort sprechen, sollten
wir uns ein Beispiel an unseren Kindern nehmen. Bei
meinen beiden Kindern sehe ich täglich,


(Ute Kumpf [SPD]: Wie sehen Sie das von Berlin aus? Werden die überwacht?)


wie sie ihr begrenztes Taschengeld zur Verwirklichung
ihrer Wünsche einsetzen. Wenn am Monatsende kein
Geld mehr da ist, müssen sie eben auf CDs, Süßigkeiten
und die beliebte Jugendzeitschrift verzichten. Das haben
sie sehr schnell gelernt; sie wissen mit ihrem Geld gut zu
haushalten. Vor allen Dingen haben sie gelernt, ihr knap-
pes Budget nicht für unnütze Dinge auszugeben.


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätten Sie auch mal lernen sollen!)


Daran sollten und müssen wir uns ein Beispiel nehmen.
Wir können den Bundeshaushalt nicht immer weiter aus-
ufern lassen und neue Schulden machen, um Dinge zu
finanzieren, von denen wir von vornherein wissen, dass
wir sie uns nicht leisten können.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die größte beschlossene Neuverschuldung aller Zeiten!)


Dies gilt für alle Einzelpläne in diesem Haus, auch für
den Einzelplan 17, den Haushalt des Familienministe-
riums.

Nach den letzten, zugegebenermaßen äußerst anstren-
genden Wochen der Haushaltsberatungen kann ich sa-
gen: Der Spagat zwischen Begehrlichkeiten und Spar-
samkeit ist uns Haushältern gemeinsam mit den
Fachpolitikern und dem Ministerium gelungen. In einem
gemeinsamen Kraftakt haben wir es geschafft, unseren
Beitrag zur Konsolidierung des Haushaltes zu leisten.
Darüber hinaus haben wir es geschafft, die Projekte, die
in der Wirksamkeit für unser Land bedeutend sind, mit
zusätzlichen Mitteln auszustatten.

Mir ganz persönlich liegt am Herzen, zu erwähnen,
dass es uns gelungen ist, die Nettokreditaufnahme um
5,6 Milliarden Euro auf immer noch 80,2 Milliarden
Euro abzusenken. Ich sage ganz ehrlich: Mir ist es nicht
leicht gefallen, meine Zustimmung zu dieser hohen Neu-
verschuldung zu geben.


(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Das kommt erst morgen! – Caren Marks [SPD]: Sie können morgen noch Nein sagen!)


Aber vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschafts-
krise führt – das sollten auch Sie begriffen haben – leider
kein Weg daran vorbei.

Das bedeutet aber auch, dass jeder Einzelne von uns
die Verantwortung trägt, die Neuverschuldung nicht wei-
ter ausufern zu lassen. Wir dürfen die aktuelle Krise
nicht als Ausrede benutzen, alle Ausgabenwünsche, die
an uns herangetragen werden, zu erfüllen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steuergeschenke für Hoteliers!)


Deswegen ist jedes Ministerium gefordert, seinen Bei-
trag zu leisten und auch das eine oder andere Mal Nein
zu der einen oder anderen Begehrlichkeit zu sagen.


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Betreuungsgeld!)


Auch das gehört zur Politik.

Herr Bockhahn, ich habe Ihre Ausgabenwünsche ge-
sehen. Sie sind ausufernd. Das darf ich Ihnen sagen.
Wenn ich mir die Anträge, die die Linke in die Beratun-
gen eingebracht hat, anschaue, dann kommen mir Zwei-
fel, ob so Oppositionsarbeit aussieht. Während sich alle
anderen Oppositionsparteien mehr oder weniger um Vor-
schläge für eine Gegenfinanzierung bemüht haben,


(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Wir auch!)


fehlt das bei Ihnen völlig, Herr Bockhahn.


(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)


Herr Bockhahn, Sie haben Anträge eingebracht, in denen
doch tatsächlich gefordert wird, den Familienetat um
9,8 Milliarden Euro aufzustocken.


(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Weil es nötig ist, Herr Mattfeldt!)


Das ist erheblich mehr als die 6,5 Milliarden Euro, über
die wir jetzt diskutieren. Dazu kann ich Ihnen nur sagen:
So funktioniert Oppositionsarbeit nicht; so werden Sie
nicht ernst genommen, nicht im Parlament und schon gar
nicht von den Bürgerinnen und Bürgern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Im Bereich des Familienetats ist es uns trotz eines ho-
hen Anteils gesetzlich festgelegter Leistungen gelungen,
einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten.
Wir haben es immerhin durch Einsparungen bei den un-
terschiedlichen Haushaltstiteln geschafft, ein Einsparvo-
lumen von 17 Millionen Euro zu erbringen.

Eigentlich wollten wir sogar 22 Millionen Euro ein-
sparen. Allerdings haben wir in der Union es für sinnvoll
gehalten, die Mittel für die Bundesstiftung „Mutter





Andreas Mattfeldt


(A) (C)



(D)(B)

und Kind“ um 5 Millionen Euro gegenüber dem Regie-
rungsentwurf anzuheben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Regierungsentwurf sah in diesem Bereich für 2010
92 Millionen Euro vor. Weil wir in der Union von der
Wirksamkeit der Arbeit, die die Stiftung leistet, über-
zeugt sind, sind wir der Auffassung, dass diese Stiftung
wie 2009 auch in diesem Jahr 97 Millionen Euro erhal-
ten soll. Die Bundesstiftung hilft schwangeren Frauen in
Notlagen ganz unbürokratisch. Sie unterstützt sie finan-
ziell. Das Ziel der Stiftung ist es, das ungeborene Leben
zu schützen und die Bedingungen für die Schwangere zu
verbessern. Sie erleichtert unter ganz schwierigen Vo-
raussetzungen nicht nur den Start in die Elternschaft,
sondern trägt auch zur Armutsprävention bei. Außerdem
leistet sie im System der Frühen Hilfen einen wertvollen
Beitrag und kann so helfen, Kinder zu schützen. Deshalb
haben wir diese 5 Millionen Euro zusätzlich eingestellt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Weiterhin unterstützen müssen wir die alleinerziehen-
den Frauen und Männer. Sie stehen mehr als andere vor
dem Problem, Familie und Erwerbsarbeit in Einklang zu
bringen. Auch deshalb gelingt es leider einem hohen An-
teil Alleinerziehender nicht, sich aus der SGB-II-Be-
dürftigkeit zu befreien. Es ist unsere Pflicht, gemeinsam
mit den Unternehmen die Rahmenbedingungen so zu
setzen, dass auch Alleinerziehende mit kleinen Kindern
einer Erwerbsarbeit nachgehen können. Stärkung von
Erwerbsarbeit ist die beste Armutsprävention.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Gerade bei den Minijobs!)


Deshalb ist es weiterhin von großer Bedeutung, dass wir
unsere Kraftanstrengung fortführen und gemeinsam mit
den Ländern und vor allem den Kommunen eine verläss-
liche und qualitativ gute Kinderbetreuung für alle Al-
tersgruppen weiterentwickeln.


(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Dafür brauchen die Kommunen aber Geld! – Caren Marks [SPD]: Ihnen fehlt das Geld hierfür!)


Wir müssen außerdem für flexible Arbeitszeitregelungen
werben, damit es diesen Müttern und Vätern möglich ist,
arbeiten zu gehen. Auf diese Weise können wir sie in
den ersten Arbeitsmarkt zurückholen.


(Ute Kumpf [SPD]: Keine Sprechblasen! Sie müssen Geld liefern!)


Wir können es uns allein aus volkswirtschaftlichen
Gründen nicht leisten, auf einen arbeitsfähigen Bürger
und eine arbeitsfähige Bürgerin zu verzichten.

Mein Fazit ist: Wenn es uns gelingt, die Rahmenbe-
dingungen für alleinerziehende Mütter und Väter weiter
zu verbessern und die Kinderbetreuung noch weiter aus-
zubauen, dann wird das für die Sozialsysteme und vor
allen Dingen auch für die Konsolidierung des Bundes-
haushalts von enormem Nutzen sein. Übrigens gilt das
auch für die kommunalen Haushalte.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Ausblick
auf den nächsten Haushalt wagen. Für 2011 stehen wir
vor der großen Herausforderung, die im Grundgesetz
verankerte Schuldenbremse einzuhalten. Das wird na-
türlich auch am Etat des Familienministeriums nicht
spurlos vorbeigehen. Bei allen Ambitionen, die wir beim
Sparen haben, müssen wir aber genau hinsehen, wo wir
sparen.

Durch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Verkür-
zung des Wehrdienstes und damit auch der Dauer des Zi-
vildienstes werden in unserem Einzelplan – die Experten
streiten sich noch – zwischen 150 und 200 Millionen
Euro frei. Ich sage aber hier ganz deutlich: Ich halte es
für äußerst gefährlich, Herr Schwanitz, dieses Geld aus-
schließlich zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes zu
verwenden.


(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Wo waren die Anträge?)


Ich werde mich dafür stark machen, dass diese Mittel zur
Finanzierung von Anschlusslösungen sowie für die Stär-
kung der Freiwilligendienste eingesetzt werden. Wir
müssen und werden den Zivildienstleistenden, die nicht
direkt im Anschluss an ihren sechsmonatigen Zivildienst
eine Lehrstelle oder einen Studienplatz bekommen,
Möglichkeiten bieten, die biografische Lücke zu schlie-
ßen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Sönke Rix [SPD]: Haben Sie das mit der FDP schon geklärt?)


Außerdem müssen wir die Lücke, die durch die Verkür-
zung der Zivildienstzeit entsteht, durch verstärkte Nut-
zung der Freiwilligendienste füllen. Die jungen Erwach-
senen wollen ihren Beitrag für unseren Staat leisten.
Damit sie dies können, sind wir alle hier gefordert, sie
darin zu unterstützen, sich mit gesellschaftlichem Enga-
gement für die Allgemeinheit einzusetzen. Von dem En-
gagement dieser jungen Menschen habe ich mich zusam-
men mit Herrn Dr. Kreuter, unserem Zivildienst-
beauftragten, erst vor kurzem in einer Zivildienstschule
überzeugen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sprechen
in diesen Tagen viel vom Sparen. Andererseits wird ge-
rade an uns Haushältern von allen Seiten eine Reihe von
Begehrlichkeiten herangetragen. Ich sage es ganz deut-
lich: Wir alle in diesem Hause sind gefordert, nicht nur
die Haushälter, sich zukünftig in einer gemeinsamen
Kraftanstrengung darüber Gedanken zu machen, an der
richtigen Stelle zu sparen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sparen Sie doch die Wehrpflicht ein!)


Wir alle sollten und müssen unseren Beitrag zur Konso-
lidierung des Bundeshaushaltes leisten. Lassen Sie uns
gemeinsam diese Aufgabe bewältigen, damit auch kom-
mende Generationen in unserem Land eine lebenswerte
Zukunft haben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(D)(B)


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703115800

Für die Fraktion Die Linke spricht Steffen Bockhahn.


(Beifall bei der LINKEN)



Steffen Bockhahn (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703115900

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Herr Kollege Schwanitz hat es angesprochen: Es
gab durchaus Defizite bei den Berichten. Kollege
Mattfeldt hat völlig zu Recht festgestellt, dass alle An-
fragen beantwortet sind. Aber ich muss feststellen, dass
die Antworten, die uns schriftlich überreicht wurden, of-
fensichtlich nicht unbedingt mit dem Stand von heute
übereinstimmen – und das ist ein Problem.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben in Deutschland leider auch heute noch die
Wehrpflicht, also den Zwang für junge Männer, den Um-
gang mit Waffen, das Zerstören und Töten zu lernen.
Aber zum Glück gibt es wenigstens einen Wehrersatz-
dienst, um stattdessen zu helfen, zu unterstützen und Gu-
tes zu tun. Aber auch der Wehrersatzdienst ist ein
Zwangsdienst. Herr Kollege Mattfeldt, ich kann mich
noch sehr genau an meine Zeit in der Zivildienstschule
in Barth/Pruchten – ohne den Zivildienstbeauftragten –
erinnern. Ich darf Ihnen sagen: Die wenigsten meiner
Kolleginnen und Kollegen hatten das Gefühl, in erster
Linie etwas für Deutschland zu tun. Die meisten haben
gesagt: Ich muss meinen Zivildienst abreißen.


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ich darf!)


– „Ich muss meinen Zivildienst abreißen“ haben die
meisten gesagt, weil es ein Zwangsdienst ist. – Dieser
Zwangsdienst sollte abgeschafft werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist aber gar nicht so einfach; denn wir haben es
uns in unserer Gesellschaft mit den fleißigen und über-
aus preiswerten jungen Männern, die im Zivildienst tä-
tig werden, bequem gemacht. Sie arbeiten in Kindergär-
ten, in Alten- und Pflegeheimen, in Krankenhäusern und
vielen anderen Einrichtungen. Dort leisten sie gesell-
schaftlich zwingend notwendige Arbeit. Wenn man sich
von einem solchen System verabschieden will – die Ver-
kürzung des Zivildienstes auf sechs Monate kann nur als
Einstieg in den Ausstieg vom Zivildienst betrachtet wer-
den –, dann muss man dies rechtzeitig vorbereiten. Vor
allen Dingen muss man anständige Alternativen schaf-
fen. Genau das aber versäumt die Bundesregierung.

Wenn man diese Verkürzung durchführt, muss man
sich über Folgendes im Klaren sein. Es ist inzwischen
offenkundig, dass die meisten Träger des Zivildienstes
sagen: Mit sechs Monaten können wir nichts anfangen.
Die Zeit, die die Zivildienstleistenden bei uns in den
Einrichtungen sind, ist viel zu kurz. – In der Folge wer-
den die Zivildienststellen abgebaut, aber die Aufgaben,
die die Zivis erledigt haben, bleiben meistens liegen. Das
ist zum Nachteil aller in Deutschland.
Wenn man wenigstens die Freiwilligendienste erheb-
lich ausbauen würde – wofür man Zeit bräuchte –, dann
wäre das ein Schritt in die richtige Richtung.


(Beifall bei der LINKEN)


Man könnte die Hoffnung haben, dass das passiert. Je-
doch sollen mehr als 150 Millionen Euro beim Zivil-
dienst eingespart werden; bei den Freiwilligendiensten
kommt nur 1 Million Euro hinzu. Das Verhältnis stimmt
nicht. – Ich habe noch eine tolle Idee der FDP kennenge-
lernt: Wer Freiwilligendienst leistet, soll einen besseren
Zugang zum Studium erhalten. Ich kenne das aus Ge-
sprächen mit Menschen, die in der DDR bei der NVA
waren. 18 Monate waren Pflicht, wer scheinbar freiwil-
lig 36 Monate machte, hatte bessere Studienmöglichkei-
ten. Das kann doch nicht das Ziel der FDP sein.


(Beifall bei der LINKEN – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Aber Ihres?)


Ich schlage Ihnen stattdessen vor: Machen Sie sich
Gedanken über eine Alternative zum Zivildienst! Ma-
chen Sie sich Gedanken über einen öffentlich geförder-
ten Beschäftigungssektor! Bezahlen Sie Arbeit statt Ar-
beitslosigkeit und finanzieren Sie so gesellschaftlich
notwendige Arbeit. Nehmen Sie Mecklenburg-Vorpom-
mern als Beispiel; dort gab es das. Schauen Sie sich Ber-
lin an; dort gibt es das. Das sind sehr gute Beispiele, die
Ihnen allen helfen sollten, dieses Prinzip zu verstehen
und einzusehen, dass Sie damit etwas für die gesamte
Gesellschaft tun.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich füge hinzu: Wir sind völlig schmerzfrei, wenn Sie
das als Ihr Programm ausgeben. Wir werden den Men-
schen zwar sagen, dass es nicht Ihr Programm ist, aber
wir werden Sie dabei unterstützen, es einzuführen.

Ich komme zu einem anderen Thema. Frau Gruß, be-
vor Sie sich wieder aufregen: Herr Toncar sitzt neben Ih-
nen. Er kann Ihnen das erklären. Im Einzelplan 17 des
Bundeshaushaltes finden sich Extremismusprogramme
wieder. Deshalb ist es richtig, wenn ich darüber spreche.


(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Aussteigerprogramme!)


Die Bundesregierung hat – das ist heute mehrfach
deutlich geworden – in allen Bereichen festgestellt, dass
es keine Notwendigkeit gibt, eigenständige Programme
gegen Rechtsextremismus zu führen. Es müssen immer
Programme gegen Extremismus sein. Das offenbart ei-
nen großen Mangel an Problembewusstsein. Ich möchte
Ihnen ein gravierendes Beispiel nennen. In Limbach-
Oberfrohna in Sachsen gibt es ein erhebliches Problem
mit rechtsextremistischen Gewalt- und Straftaten. Allein
im letzten Jahr – die Zahl stammt vom Verfassungs-
schutz Sachsen, nicht von mir – gab es 37 eindeutig
rechtsextreme Straftaten, keine einzige der Linken.


(Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!)


In Limbach-Oberfrohna gibt es ein Bündnis, das sich für
Demokratie und Toleranz einsetzen möchte. Der CDU-
Landtagsabgeordnete Hippold lädt zu diesem Bündnis





Steffen Bockhahn


(A) (C)



(D)(B)

das NPD-Mitglied des örtlichen Stadtrates ein, das mit-
gestalten soll, wie dieses Bündnis arbeiten möge.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)


Auf jede Kritik, auch der Kirchen, dass das doch wohl
nicht sein könne, kommt die Reaktion, die NPD sei eine
demokratisch legitimierte Partei, man dürfe sie nicht
rausschmeißen, sondern müsse das mit ihnen zusammen
regeln. Das ist fehlendes Unrechtsbewusstsein.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die NPD ist eine verfassungsfeindliche Partei.


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Aber die Linke auch! – Dorothee Bär [CDU/ CSU]: Die Linke auch!)


Verstehen Sie das endlich! Der Rechtsextremismus ist
ein großes Problem. Frau Bär, wenn Sie meinen, Pro-
gramme gegen Rechtsextremismus sei „Saufen gegen
rechts“, dann glaube ich, dass Sie zu oft in Bayern unter-
wegs waren.


(Beifall bei der LINKEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Pfui! Sie werden vom Verfassungsschutz beobachtet! Sie sind unter Beobachtung! Sie sind linksextrem!)


Ich will Ihnen deutlich sagen: Wir haben ein Problem,
das Sie offensichtlich unterschätzen. Der Rechtsextre-
mismus in Deutschland ist eine Gefahr für die Demokra-
tie und eine Gefahr für die Verfassung. Das sagen nicht
nur Linke, das sagen auch der Präsident des Bundesver-
fassungsschutzes und viele andere. Reden Sie einmal mit
Opfern rechtsextremer Gewalt, dann werden Sie begrei-
fen, dass das, was Sie hier tun, eine Verharmlosung ist.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie lenken doch von Ihrer Verfassungsfeindlichkeit ab!)


Wenn Sie sich anschauen, was in Dresden passiert ist
und was am Wochenende wieder in Lübeck bevorsteht,
dann werden Sie begreifen, warum der Kampf gegen
Rechtsextremismus viel wichtiger ist als alles andere,
was Sie in Sonntagsreden immer wieder einfordern.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dorothee Bär [CDU/ CSU]: Sie sollten sich wirklich schämen!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703116000

Für die FDP-Fraktion hat Florian Toncar das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Florian Toncar (FDP):
Rede ID: ID1703116100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Kollege Bockhahn, wenn man Sie hört und vor allem
auch sieht, dann muss man sagen: Das ist nicht nur eine
Verunglimpfung von parlamentarischen Parteien, son-
dern auch eine ziemlich schamlose Instrumentalisierung
des Extremismusproblems, was Sie hier betreiben.


(Lachen bei der LINKEN – Caren Marks [SPD]: Dass das Aussehen im Plenum Thema ist, ist wirklich eine Unverschämtheit! – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Frechheit! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter Tauber [CDU/ CSU]: Ihr seid doch die rot lackierten Faschisten!)


Ich fordere Sie auf, dieses Thema in Zukunft vielleicht
etwas sachlicher zu diskutieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der LINKEN – Gegenruf des Abg. Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Was war das eben? – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Er hat gesagt, wir arbeiten mit den Nazis zusammen! – Gegenruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In Sachsen ist es so! – Sebastian Edathy [SPD]: Ein unmögliches Verhalten! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Frau Präsidentin, das geht nicht!)


Frau Präsidentin, was machen wir denn jetzt?


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703116200

Ich nehme an, dass Sie jetzt erst einmal Ihre Rede hal-

ten. Wenn jemand eine Zwischenfrage stellen will, dann
wird er die stellen. Wir werden im Protokoll nach-
schauen, was hier gesagt worden ist, weil wir nicht alles
genau verstanden haben.


Dr. Florian Toncar (FDP):
Rede ID: ID1703116300

Gut, Frau Präsidentin.

Die Familienpolitik der Bundesregierung ist ein Poli-
tikbereich, dem große Priorität beigemessen wird. Ich
möchte darauf hinweisen, dass die Erhöhung des Kin-
dergeldes eine der Kernforderungen und eine der Kern-
maßnahmen unseres Wachstumsbeschleunigungsgeset-
zes gewesen ist, dass es mehr als die Hälfte des
Entlastungsvolumens des Wachstumsbeschleunigungs-
gesetzes ausmacht und die Bundesregierung damit von
Anfang an klargemacht hat, dass ihr die materielle Ver-
sorgung von Familien mit Kindern ein wichtiges Anlie-
gen ist.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Kindergelderhöhung hat direkten Einfluss auf die
Höhe des Kindesunterhalts. Das kann man in der Düssel-
dorfer Tabelle nachsehen. Die Sätze sind umgehend ge-
stiegen. Das wirkt sich auch in unserem Bundeshaushalt
aus, und zwar im Bereich der gesetzlichen Pflichtleistun-
gen, beim Unterhaltsvorschuss. Daran kann man able-
sen, welche Verbesserungen diese Koalition für die Fa-
milien geschaffen hat.

Wir haben darüber hinaus zusätzliche Ausgaben beim
Elterngeld veranschlagt. Diese Leistung wird mehr
Geld in Anspruch nehmen, und zwar aus Gründen, die
politisch gewollt sind. Die sogenannten Partnermonate
werden heute stärker in Anspruch genommen als in der





Florian Toncar


(A) (C)



(D)(B)

Vergangenheit. Aus diesem Grund haben wir höhere
Ausgaben im Bereich der Pflichtleistungen. Das ist für
die FDP eine erfreuliche Entwicklung.


(Beifall bei der FDP)


Wir haben uns darüber hinaus im Zusammenhang mit
dem Arbeitslosengeld II mit der Situation von Kindern
zu beschäftigen. Das hat uns das Bundesverfassungsge-
richt aufgegeben. Das hat keinen Einfluss auf diesen
Einzelplan, aber natürlich große Bedeutung für das, was
wir an ergänzenden Maßnahmen im Familien- oder Ju-
gendbereich zu vereinbaren haben. Für uns ist wichtig,
dass es eine Neuberechnung der Regelsätze gibt, die
nachvollziehbar ist und sich am eigenständigen Bedarf
von Kindern orientiert. Um es deutlich zu sagen: Es ist
völlig klar, dass ein Kind einen Bedarf an Windeln oder
Schulmaterial hat, der eingerechnet werden muss, aber
eine fiktive Einrechnung von anteiligen Ausgaben für
Alkohol oder Tabakwaren nicht dazugehört. Das muss
eigenständig und nachvollziehbar berechnet werden.
Das wird diese Koalition machen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir haben uns darüber hinaus vorgenommen, die
Teilhabe an Bildung, die soziale und kulturelle Teilhabe
dieser Kinder zu verbessern. Das müssen wir nach dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts machen. Das wol-
len wir auch tun – das ist jedenfalls die Vorstellung der
FDP-Fraktion –, und zwar insbesondere in Form von
Sachleistungen wie Schulessen oder Musikunterricht,
um eine Mindestteilhabe dieser Kinder an Bildung und
kulturellen Leistungen der Gesellschaft sicherzustellen.


(Beifall bei der FDP – Caren Marks [SPD]: Wieso nur eine Mindestteilhabe? Teilhabe komplett für alle!)


– So steht es auch im Urteil des Bundesverfassungsge-
richts, das im Übrigen Ihr Gesetz kassiert hat, nicht un-
seres.

Eigentlich wollte ich nur einmal darstellen – auch
wenn Sie das gar nicht mehr gewöhnt sind –, dass man
lösungsorientiert denken kann.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn Ihre Lösung? – Caren Marks [SPD]: Nur haben wir die Lösung nicht gehört!)


Ich finde, Schulessen und Musikunterricht sollten Dinge
sein, bei denen wir uns einig sind, dass Kinder sie be-
kommen sollen. Wir müssen uns frei von Vorbehalten
einmal überlegen, wie wir sicherstellen können, dass das
Geld, das wir dafür in die Hand nehmen, auch da an-
kommt und dafür verwendet wird. Das ist etwas, wo Sie
nicht dazwischenrufen müssen, sondern sagen können,
dass Sie das auch so sehen.


(Beifall bei der FDP – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo lässt sich das am Haushalt ablesen? – Sören Bartol [SPD]: Sie haben es nicht verstanden!)


Wir haben uns darüber hinaus in diesem Jahr mit der
Zukunft des Zivildienstes zu beschäftigen. Verschie-
dene Redner haben dieses Thema angesprochen. Der
Koalitionsvertrag enthält die klare Aussage, dass die
Verkürzung zum 1. Januar des Jahres 2011 in Kraft tre-
ten soll. Was das Ziel angeht, sind wir uns einig: Wir
wollen die Verkürzung auf sechs Monate.


(Sören Bartol [SPD]: Ich dachte, Sie wollen abschaffen!)


– Das ist das, was im Koalitionsvertrag steht. Sie haben
die weitergehenden Wünsche der FDP verstanden. Die
haben wir weiterhin.


(Ute Kumpf [SPD]: Ach so! Das ist gar nicht gültig!)


Wir haben einen Kompromiss gefunden, der, wie ich
glaube, an dieser Stelle mehr Freiheit für die Betroffenen
bedeutet, jedenfalls besser ist als das, was heute Rechts-
lage ist. Insofern ist das ein gehöriger Fortschritt für die
Betroffenen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir wollen das machen, indem wir klare Daten nennen.
Das ist so von uns im Koalitionsvertrag festgelegt.

Es ist völlig klar, dass wir parallel zur Verkürzung des
Zivildienstes die Freiwilligendienste stärken müssen.
Es ist völlig klar, dass man das nicht ersatzlos wegfallen
lassen kann. Das ist auch nicht geplant.


(Sönke Rix [SPD]: Wo spiegelt sich das im Haushalt wider?)


– Das spiegelt sich auch im Haushalt wider, Herr Kol-
lege Rix.


(Caren Marks [SPD]: Wo denn?)


Denn wir haben den Betrag für die Freiwilligendienste
erhöht. Die Verkürzung tritt erst nächstes Jahr in Kraft;
das wissen auch Sie. Insofern ist die Aufregung auch
hier übertrieben und fehl am Platze.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Sie sind nicht auf dem Laufenden! – Was sagt Herr Guttenberg?)


Ich habe gesagt, dass der Koalitionsvertrag gilt. Das ist
für mich die Grundlage dieses Haushalts.


(Zuruf von der LINKEN: Hauptsache, die Regierung weiß das auch!)


Wir haben über das Thema Zivildienst auch unter der
Frage zu diskutieren, ob es andere Instrumente geben
soll, die ersatzweise greifen. Ich sage für die FDP-Frak-
tion: Eine mögliche freiwillige Verlängerung des Zivil-
dienstes darf zu einem nicht führen: Es darf nicht zu
einem faktischen Zwang des Zivildienstleistenden kom-
men, neun oder zwölf Monate arbeiten zu müssen, weil
nur solche Stellen existieren und ausgeschrieben werden.
Der entscheidende Unterschied zwischen Zivildienst und
Wehrdienst ist, dass der Wehrpflichtige in eine konkrete
Einheit einberufen wird – er kann sich das nicht aussu-
chen –, wohingegen der Zivildienstleistende dazu ver-
pflichtet ist, sich eine Stelle zu suchen. Wenn diese nur
für neun oder zwölf Monate ausgeschrieben werden, hat





Florian Toncar


(A) (C)



(D)(B)

er im Endeffekt keine andere Wahl. Das wollen wir na-
türlich nicht; denn das würde dazu führen, dass Zivil-
dienstleistende jedenfalls faktisch im Durchschnitt län-
ger dienen müssten als Wehrdienstleistende. Wir werden
darauf achten, dass eine solche Ungerechtigkeit nicht
eintritt.

Ich möchte für das Thema Familie, Beruf und Pflege
auf die Rede der Kollegin Miriam Gruß verweisen. Wir
haben etliche Baustellen im Bereich der Familienpolitik,
der Politik für Senioren, für Frauen und für die Jugend.
Wir als Koalition sind uns da einig und gut aufgestellt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703116400

Das Wort hat die Kollegin Katja Dörner für

Bündnis 90/Die Grünen.


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703116500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Ich muss schon sagen, Herr Mattfeldt,
Herr Toncar, Ihre schönen Sonntagsreden heute Abend
können nicht verschleiern, dass auch in familien- und
kinderpolitischen Fragen in erster Linie Zwist und
Chaos in der schwarz-gelben Koalition herrschen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Wo haben Sie das denn gesehen?)


– Ich werde Ihnen jetzt Beispiele nennen. Dann werden
Sie selber sehen, wie ich darauf komme.

Das erste Beispiel ist das Elterngeld. Von wegen El-
terngeld verlängern, weiterentwickeln und ausbauen.
Herr Wissing, immerhin Finanzexperte der FDP, stellt
das Elterngeld sogar komplett infrage und bezeichnet es
als eine unsinnige Leistung, die die breite Masse gerne
einmal mitnehme. Das hört sich nicht gut an für das El-
terngeld. In der Antwort auf meine schriftliche Frage in
der letzten Woche zu den Plänen beim Elterngeld lese
ich: Die Bundesregierung prüft, aber was es kosten soll,
weiß sie noch nicht so genau. Das hört sich nicht gut an
für das Elterngeld. Quo vadis, Elterngeld?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das zweite Beispiel ist das Kindergeld. Von wegen
Kindergelderhöhung. Der Ministerpräsident von Schles-
wig-Holstein, Peter Harry Carstensen – er ist von der
CDU –,


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das ist ein sehr guter Mann!)


stellt das Recht auf Kindergeld komplett infrage, da wir
in Deutschland – ich zitiere – „Kindergeld zahlen an El-
tern, die das gar nicht nötig haben“. Ich finde, das hört
sich nicht gut an für das Kindergeld in diesem Land. An
einer Stelle hat der Ministerpräsident allerdings recht,
und zwar wenn er bemängelt, dass die Kindergelderhö-
hung auf Hartz-IV-Leistungen komplett angerechnet
wird und deshalb bei den Familien im Leistungsbezug
nicht ankommt, obwohl besonders sie dies brauchen
würden. Das ist vom Ministerpräsidenten sehr gut be-
obachtet, allerdings sagt er gleich dazu, dass er keine
Lösung für dieses Dilemma hat. Wir Grüne haben eine
Lösung für dieses Dilemma. Wir schlagen eine Kinder-
grundsicherung vor. Diese würde gewährleisten, dass
die Kinderförderung in diesem Land endlich vom Kopf
auf die Füße gestellt würde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das dritte Beispiel ist das Betreuungsgeld. Frau von
der Leyen hat eigentlich das Richtige dazu gesagt. Sie
hat gesagt, das wäre eine „bildungspolitische Katastro-
phe“. Dem ist nichts hinzuzufügen. Deshalb sollte man
es am besten sang- und klanglos beerdigen. Die ge-
schätzten 2 Milliarden Euro jährlich, die uns das zukünf-
tig kosten soll, sollte man besser in die Kitas investieren:
in mehr Kitaplätze, in bessere Kitaplätze, beispielsweise
in kleinere Gruppen, in die Ausbildung der Erzieherin-
nen und Erzieher und auch in eine bessere Entlohnung
dieser pädagogischen Fachkräfte, die eine höhere Wert-
schätzung in unserer Gesellschaft mehr als verdient hät-
ten. Ich denke, darüber sind wir uns alle hier einig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Die FDP hat in ihren Wahlprogrammen an diversen
Stellen die Elternbeitragsfreiheit gefordert. Allerdings
habe ich jetzt vernommen, dass Herr Wissing auch diese
Leistung für unsinnig hält; darauf gehe ich an dieser
Stelle aber nicht ein. Beitragsfreiheit – richtig so, sagen
wir Grünen. Aber Fakt ist: Durch Ihre kommunalfeindli-
che Politik


(Caren Marks [SPD]: Ja, genau!)


haben Sie den Kommunen Milliarden Euro entzogen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


20 Euro mehr Kindergeld, aber um 30 Euro höhere Kita-
gebühren, das ist die Folge schwarz-gelber Politik. Das
ist das Gegenteil von familienfreundlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE] – Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Das war fachlich falsch!)


Zurück zum Betreuungsgeld. Statt es einfach zu beer-
digen, geht es beim Betreuungsgeld richtig rund: Bar-
zahlung, Gutscheine, Sachleistungen, Gutscheine für
Hartz-IV-Beziehende, Barzahlungen für die anderen,
Einbeziehung in ein Bildungskonto und jetzt – tatarata –
Rentenanwartschaften. Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Elterngeld, Kindergeld, Betreuungsgeld – ich habe den
Eindruck, in dieser Koalition darf jeder alles vorschla-
gen.


(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wo sind denn Ihre Vorschläge, Frau Dörner? – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Steht das eigentlich im Haushalt, Frau Kollegin?)






Katja Dörner


(A) (C)



(D)(B)

Jeder darf jederzeit alles sagen, alles infrage stellen, in-
klusive Koalitionsvertrag.


(Caren Marks [SPD]: Genau! Gemacht wird ja eh nichts!)


Jeder kann irgendwo ein Papier einreichen. Hauptsache,
man steht damit dick in der Presse.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Sönke Rix [SPD]: Nur entschieden wird nichts! – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Steht das denn im Haushalt oder nicht? Gucken Sie doch mal nach! Dann wissen Sie, was passiert!)


– Entschieden wird nicht, regiert wird nicht, und Ihre fa-
milienpolitische Agenda, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen von der Koalition, ist nicht bemerkenswert. Das
Chaos, das hier produziert wird, ist bemerkenswert. Das
ist aus meiner Sicht unübertroffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Seien Sie doch nicht so hart mit uns!)


Frau Ministerin, ich habe den Eindruck, nicht nur
Frau von der Leyen tanzt Ihnen auf der Nase herum, son-
dern die halbe Koalition. Das muss ein Ende haben.
Schaffen Sie endlich Klarheit, auf was sich die Familien
in den nächsten Jahren tatsächlich einstellen können
bzw. – das muss man fast so sagen – auf was sie sich bei
dieser Regierung wohl einstellen müssen.

Noch eine Anmerkung zu einem Thema, das uns alle
sicherlich sehr beschäftigt: zu den vielen Fällen sexuel-
len Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, die
in letzter Zeit öffentlich wurden. Vor zwei Wochen
– noch zu einem Zeitpunkt, als drei Ministerinnen mein-
ten, Zeit damit verplempern zu können, indem sie da-
rüber streiten, wer den schöneren runden Tisch veran-
staltet – habe ich den Satz von Ministerin Schröder
gelesen, es sei falsch, jetzt nur die katholische Kirche an
den Pranger zu stellen. Es stimmt: Missbrauchsfälle
kommen auch in Institutionen anderer Träger vor. Aber
von 27 katholischen Bistümern sind – so viel wissen wir
bis jetzt – 22 betroffen. Ich erwarte von der Familienmi-
nisterin, da sie auch für Kinder zuständig ist, dass sie
sich ganz eindeutig zur Anwältin der Kinder und Ju-
gendlichen, zur Anwältin der Opfer dieser abscheulichen
Verbrechen macht und sich nicht etwa in die Phalanx
von Kleinrednern, Verharmlosern und Vertuschern ein-
reiht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das hat sie ja überhaupt nicht gemacht! – Thomas Jarzombek [CDU/ CSU]: Das ist jetzt aber nicht fair! Das ist ja schon fast eine Unterstellung!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703116600

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703116700

Ich komme zu meinem letzten Satz. – Meine Kollegin

Renate Künast hat es in der gestrigen Debatte, wie ich
finde, absolut richtig auf den Punkt gebracht. Sie hat ge-
sagt: Die Kinder bedürfen des besonderen Schutzes der
Gesellschaft und nicht der Papst. – Wir Grüne erwarten,
dass Ministerin Schröder als zuständige Ministerin dem
gerecht wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703116800

Das Wort hat die Bundesministerin Dr. Kristina

Schröder.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gut ist ein Kompromiss ja angeblich dann, wenn jeder
glaubt, er hätte das größte Stück vom Kuchen bekom-
men. Dies mit Blick auf den Einzelplan 17, der ein Ge-
samtvolumen von 6,54 Milliarden Euro hat, zu behaup-
ten, wäre sicherlich etwas gewagt. Für die Familien und
den Zusammenhalt unserer Gesellschaft haben wir den-
noch gute Ergebnisse erzielt. Der Einzelplan 17 zeigt:
Diese Koalition stärkt Familien den Rücken, auch in
wirtschaftlich schwierigen Zeiten, und diese Koalition
investiert in den Zusammenhalt der Gesellschaft, gerade
in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich danke allen, die sich dafür in den Haushaltsver-
handlungen der letzten Wochen eingesetzt haben. Mein
Dank gilt den Mitgliedern des Familienausschusses und
den Berichterstattern für die bisher konstruktive Zusam-
menarbeit.

Herr Schwanitz, Sie haben gerade einige Punkte an-
gesprochen. Zu § 14 c des Zivildienstgesetzes werde ich
später noch etwas sagen. Was das Thema Zivildienst an-
geht, scheint mir allerdings wirklich ein Missverständnis
vorzuliegen. Die Vorschläge, die der Bundesverteidi-
gungsminister gestern präsentiert hat, besagen, dass die
Verkürzung der Dienstzeit schon für die wirken soll, die
zum 1. Oktober 2010 eingezogen werden. Ihr Dienst en-
det also nicht am 30. Juni 2011, sondern am 31. März
2011.


(Caren Marks [SPD]: Ja, wir können rechnen!)


Auf den Haushalt 2010 hat die Verkürzung also keinerlei
Auswirkungen.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


Alles das, was Herr zu Guttenberg gestern vorgeschla-
gen hat, wird erst 2011 wirksam. Deswegen ging Ihre
Kritik an diesem Punkt leider ins Leere.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wenn sich Herr Schwanitz besser vorbereitet hätte, hätte er das erkennen müssen!)






Bundesministerin Dr. Kristina Schröder


(A) (C)



(D)(B)

Meine Damen und Herren, beginnen wir mit dem
größten Posten im Einzelplan 17, nämlich dem Eltern-
geld. Mit den knapp 4,5 Milliarden Euro, die wir für das
Elterngeld ausgeben, reagieren wir auf ein Bedürfnis
junger Mütter und junger Väter. Wir treffen damit den
Nerv der heutigen Elterngeneration. Das zeigt vor allen
Dingen das hohe Interesse an den Partnermonaten, die
mit 80 Millionen Euro mehr zu Buche schlagen als im
letzten Jahr. Mit dem Elterngeld haben wir ein tiefes Be-
dürfnis von jungen Familien getroffen: das Bedürfnis,
Zeit für familiäre Verantwortung zu haben, ohne den Be-
ruf an den Nagel hängen zu müssen.


(Caren Marks [SPD]: Die Erklärung des Elterngeldes hatten wir vor vier Jahren!)


Das ist ein Bedürfnis von jungen Männern und von jun-
gen Frauen. Deshalb werde ich bald, sehr zügig, einen
Gesetzentwurf vorlegen, mit dem sowohl das geplante
Teilelterngeld umgesetzt als auch eine Ausweitung der
Partnermonate auf den Weg gebracht wird.


(Caren Marks [SPD]: Das steht aber auch nicht im Haushalt!)


Kinder wiederum haben vor allen Dingen das Bedürf-
nis, behütet und geborgen aufzuwachsen und teilzuhaben
am Wohlstand und an den Chancen unserer Gesellschaft.
Das darf kein Privileg der Kinder starker Eltern sein. Mit
dem Ausbau der Kinderbetreuung investieren wir ge-
rade in die Bildungschancen derjenigen, denen diese
Chancen nicht in die Wiege gelegt wurden. Insofern sehe
ich in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur
Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes für Kinder auch einen
familienpolitischen Auftrag, nämlich jedem Kind eine
faire Chance zu geben. Es geht nicht nur um das finan-
zielle Existenzminimum – Nahrung, Wohnen, Kleidung,
medizinische Versorgung –, es geht auch um faire Chan-
cen auf Bildung und damit auch auf gesellschaftlichen
Aufstieg.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit dem Betreuungsgeld?)


Auch wir mussten einen Beitrag zur Haushaltskonso-
lidierung erbringen. Es ist mir wichtig, darauf hinzuwei-
sen, dass wir versucht haben, ausschließlich dort nach
Einsparpotenzialen zu suchen, wo Kinder und Familien
möglichst wenig betroffen sind. Die Einsparungen, die
im Einzelplan 17 realisiert wurden, werden überwiegend
durch Einsparungen beim Zivildienst bestritten. Die
Ausgaben für den Zivildienst sinken wegen der geplan-
ten Verkürzung der Wehrpflicht, die beim Zivildienst
nachvollzogen wird, ohnehin.

Weil wir aber unabhängig vom Zivildienst den Dienst
junger Menschen am Gemeinwohl für sehr wichtig hal-
ten, werden wir auch die Förderung der Jugendfreiwilli-
gendienste neu strukturieren. Junge Frauen und Männer
wollen sich engagieren, und die Gesellschaft ist auf die-
ses Engagement angewiesen. Deshalb ist es das Ziel der
Bundesregierung, die Freiwilligendienste erheblich aus-
zubauen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Ute Kumpf [SPD]: 1 Million Euro sind ganz schön wenig!)


Den finanziellen Spielraum dafür eröffnet uns, insbeson-
dere ab 2011, die geplante Streichung des § 14 c Abs. 4
des Zivildienstgesetzes.


(Zurufe von der SPD: Das ist aber eine Mogelpackung!)


Statt einer gesonderten Förderung für anerkannte
Kriegsdienstverweigerer, die als Ersatz für den Zivil-
dienst ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein Freiwilli-
ges Ökologisches Jahr ableisten wollen, wollen wir FSJ
und FÖJ insgesamt besser fördern. Die dadurch frei wer-
denden Mittel von über 30 Millionen Euro sollen ab
2011 in vollem Umfang in die Förderung der Jugendfrei-
willigendienste fließen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wichtig war mir dabei, dass die Träger der Freiwilli-
gendienste in den Bereichen Sport, Ausland und Kultur
nicht die Leidtragenden dieser Neustrukturierung sind;
denn diese Träger sind zur Refinanzierung der Plätze be-
sonders auf § 14 c Zivildienstgesetz angewiesen.

Herr Schwanitz, deshalb haben wir immer gesagt,
dass wir hier keine Übergangsregelungen, sondern eine
Sonderregelung schaffen müssen.


(Caren Marks [SPD]: Ja, am Parlament vorbei!)


In der letzten Woche ist es uns mit den Trägern der Frei-
willigendienste gelungen, in den Bereichen Sport und
Ausland eine solche Sonderregelung zu treffen, mit der
ihr Platzangebot auf hohem Niveau abgesichert wird.


(Ute Kumpf [SPD]: Kungelrunde! Das hätten Sie transparenter und demokratischer machen können!)


Diese Mittel für 2010 stammen aus den Mitteln gemäß
§ 14 c des Zivildienstgesetzes. Insofern sind das exakt
die Mittel, die uns der Haushaltsausschuss für genau die-
sen Bereich gewährt hat.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit den anderen Freiwilligendiensten?)


Mit den Trägern im Kulturbereich sind wir noch in
Gesprächen, aber ich bin mir sicher, dass wir auch hier
eine gute Lösung finden werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703116900

Frau Ministerin, Herr Schwanitz würde Ihnen gerne

eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:

Ich will hier jetzt erst einmal im Zusammenhang vor-
tragen. Danach können wir das gerne machen.





Bundesministerin Dr. Kristina Schröder


(A) (C)



(D)(B)

Wenn wir über Investitionen in den Zusammenhalt
unserer Gesellschaft reden, dann sollten wir aber nicht
nur an Geld denken, sondern für den Zusammenhalt un-
serer Gesellschaft wird Zeit mehr und mehr zur zweiten
Leitwährung. Deshalb wird allein mit Blick auf die
Haushaltslage schon eines klar: Wenn wir unserer Ver-
antwortung gegenüber nachfolgenden Generationen ge-
recht werden wollen, dann werden wir im nächsten Jahr
nicht jedes Problem allein nur mit mehr Geld lösen kön-
nen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703117000

Sie möchten eine Zwischenfrage auch jetzt nicht zu-

lassen?

Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:

Neue Wege sind gefragt, um auf die Bedürfnisse von
Kindern, von Eltern und vor allen Dingen auch von älte-
ren Menschen reagieren zu können. Die Familien-Pfle-
gezeit, für die ich mich einsetze, ist ein solcher neuer
Weg. Ich möchte den Menschen damit Zeit für Verant-
wortung geben.

Wir wissen, dass kranke und ältere Menschen so
lange wie möglich zu Hause bei der Familie bleiben
möchten.


(Ute Kumpf [SPD]: Das hatten wir schon einmal, Frau Schröder!)


Wir wissen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen demo-
grafiebedingt rasant ansteigen wird. Wir wissen, dass
viele Menschen ihre betagten Angehörigen aus Verant-
wortung, aber vor allen Dingen auch aus Liebe zu Hause
pflegen. Wir wissen, dass diese Menschen dabei ein gro-
ßes Opfer bringen und dabei oft auch die Grenzen ihrer
Belastbarkeit überschreiten. Wir wissen auch, dass die
meisten dieser Menschen berufstätig sind, dass sie ihr
Einkommen brauchen und dass es mit Mitte/Ende Fünf-
zig ein sicherer Weg in die Arbeitslosigkeit wäre, länger
oder ganz aus dem Beruf auszusteigen.

Weil wir all das wissen, dürfen wir die Menschen, die
diese Doppelbelastung schultern, nicht alleinlassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ute Kumpf [SPD]: Geschultert wird das doch vor allem von älteren Frauen!)


Menschen, die ihr Leben lang viel gearbeitet haben, ver-
dienen einen würdigen Lebensabend, und Menschen, die
ihnen diesen würdigen Lebensabend schenken, verdie-
nen unsere Unterstützung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deshalb hoffe ich auch auf Ihre Unterstützung und
Ihre konstruktive Kritik, wenn ich diesen Vorschlag in
die parlamentarischen Gremien einbringen werde, und
ich hoffe, dass nicht nur solche Vorwürfe geäußert wer-
den, wonach dem ein veraltetes Familienbild oder ein
veraltetes Frauenbild zugrunde liegt; denn ich sage Ih-
nen eines: Diese Menschen, die zu Hause ihre Angehöri-
gen pflegen, brauchen unsere Unterstützung, aber bitte
nicht den anmaßenden Vorwurf, sie hätten ein veraltetes
Familienbild oder ein veraltetes Frauenbild.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sönke Rix [SPD]: Sagt doch keiner!)


Es stimmt: Durch die Familien-Pflegezeit wird mehr
Flexibilität von uns allen und insbesondere auch von den
Arbeitgebern verlangt. Ich denke aber, dass die Unter-
nehmen ein Interesse daran haben, nicht auf dem Höhe-
punkt des Fachkräftemangels auf ihre erfahrensten Mit-
arbeiter verzichten zu müssen.

Mit der Familien-Pflegezeit gewinnen wir auf jeden
Fall Zeit für Verantwortung. Damit tragen wir den unter-
schiedlichsten Bedürfnissen, die ich gerade aufgezählt
habe, Rechnung. Diese Bedürfnisse werden wir mit Geld
allein nie erfüllen können.

Ich finde, gerade auch in einer Haushaltsdebatte kön-
nen wir auch von der Opposition erwarten – das gehört
zur Ehrlichkeit dazu –, dass sie ehrlich sagt, dass wir
nicht alle Probleme mit Geld werden lösen können. Das
erwarte ich gerade von einer Opposition, die in dieser
Woche so wortreich einen konsequenten Sparkurs ange-
mahnt hat.

Der Austausch mit denjenigen, die von der Familien-
Pflegezeit unmittelbar betroffen sind, ist mir sehr wich-
tig. Das gilt auch bei anderen Themen. Denn ich glaube,
dass wir in der Gesellschaftspolitik nur dann etwas be-
wegen können, wenn wir den Dialog mit allen relevan-
ten gesellschaftlichen Gruppen suchen. Angesichts der
schockierenden Fälle von Kindesmissbrauch habe ich
mich deswegen dafür eingesetzt, dass wir ein Gespräch
mit Vertretern aller Institutionen führen, denen wir un-
sere Kinder anvertrauen. Meines Erachtens können wir
nur so ein wirksames Konzept für die Zukunft entwi-
ckeln.

Vielleicht sollte man aufgrund des Verlaufs dieser De-
batte Folgendes sagen: Ob es um wirksamen Kinder-
schutz, um Pflege oder um gesellschaftliches Engage-
ment geht: Neue Wege finden wir nur dann, wenn viele
danach suchen. Neue Wege finden wir nicht, wenn einer
sucht und die anderen damit beschäftigt sind, Barrieren
aufzubauen. Deshalb sollten gerade wir Familienpoliti-
ker mit unserem vergleichsweise kleinen Etat, mit dem
wir auf eine Vielfalt von gesellschaftlichen Problemen
reagieren müssen, offen sein für einen konstruktiven und
sachlichen Austausch und eine konstruktive, sachliche
sowie vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Eine sehr gute Rede! Das ist eine tolle Frau! Davon könnt ihr was lernen!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703117100

Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen

Sven-Christian Kindler das Wort.






(A) (C)



(D)(B)


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Ministerin Schröder, Sie haben gerade von Ehr-
lichkeit und von einem konstruktiven Austausch gespro-
chen. Ich finde es wichtig, dass man diesen in der Politik
pflegt. Sie haben gesagt, dass man neue Wege ausprobie-
ren und Barrieren abbauen sollte. Ich frage mich aller-
dings, warum Sie nicht auf die Frage des Kollegen
Schwanitz bezüglich der Ausgabereste eingegangen
sind. Sie haben auch Zwischenfragen verweigert. An-
scheinend können Sie oder wollen Sie sie nicht beant-
worten.


(Zurufe von der CDU/CSU)


– Lassen Sie mich bitte ausreden.

Wir haben am 5. Februar 2010 einen Bericht bekom-
men, in dem es heißt, dass wir bis zur Rechnungslegung
warten müssen, die im April 2010 beendet wird. Erst
dann könne man die Ausgabereste feststellen und sa-
gen, wie hoch sie sind. Das BMU zum Beispiel hat uns
die Ausgabereste bereits Anfang Januar zugestellt.

Die Koalition hat innerhalb der Bereinigungssitzung
mehrere Anträge gestellt, in denen zu lesen war, dass die
Mittel gekürzt werden können, weil Ausgabereste
vorhanden sind. Ich finde es ungeheuerlich, dass an-
scheinend nur der Koalition Informationen über die Aus-
gabereste zugeleitet wurden. Die Opposition wurde au-
ßen vor gelassen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt ja nicht!)


Neue Wege bedeutet für Sie anscheinend, die Koalition
zu bevorzugen und die Opposition weiterhin auszu-
schließen. Das ist ungeheuerlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703117200

Frau Ministerin, möchten Sie antworten?

Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:

Herr Kollege Kindler, ich kann leider nichts daran än-
dern, dass wir erst am Ende der Rechnungslegung, also
Anfang April, einen vollständigen Überblick über die
Restmittel im Haushalt vorlegen können. Ich weiß nicht,
worauf Sie sich beziehen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf die Koalition!)


Ich kann daran leider nichts ändern. Ich halte nichts da-
von, Ihnen unvollständige, eventuell falsche oder noch
nicht wirklich geprüfte Berichte zukommen zu lassen.
Sie werden sie nach Ende der Rechnungslegung erhal-
ten.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie doch so beschlossen! – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wir haben von Natur aus einen viel besseren Überblick!)


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703117300

Der Kollege Sönke Rix hat jetzt das Wort für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Sönke Rix (SPD):
Rede ID: ID1703117400

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Frau Ministerin, Sie haben gerade davon ge-
sprochen, neue Wege zu gehen, konstruktiv und offen zu
sein; das ist gar keine Frage. Sie müssen uns aber geneh-
migen, dass wir Sie zumindest darauf aufmerksam ma-
chen, wenn Sie falsche Wege gehen. Wir wollen keine
Barrieren legen, aber zumindest auf falsche Wege hin-
weisen.


(Beifall bei der SPD)


Wir haben das Gefühl, dass insbesondere bei der Ver-
kürzung des Wehrdienstes und damit auch bei der Ver-
kürzung des Zivildienstes falsche Wege gegangen wer-
den. Dass wir heute darüber diskutieren, liegt unter
anderem daran, dass es sich um einen Posten im Haus-
halt von immerhin über 631 Millionen Euro handelt. Das
ist nicht irgendeine Summe oder irgendein kleines Pro-
jekt am Rande, sondern eine erhebliche Maßnahme. Die
Debatte kocht nicht nur aufgrund der Tatsache hoch,
dass der Verteidigungsminister vorgeschlagen hat, die
Verkürzung vorzuziehen.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Der Verteidigungsminister ist auch ein guter Mann!)


Ich habe gelesen, dass Sie darüber nicht so erfreut sind
und das unabgesprochen aus der Regierung gedrungen
ist. So stand es zumindest in der Märkischen Allgemei-
nen Zeitung.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Was lesen Sie denn für Zeitungen?)


Ich wollte nur darauf aufmerksam machen. Ich kann es
verstehen, dass Herr zu Guttenberg diese Diskussion los-
tritt – die Verteidigungspolitiker können wohl mehr dazu
sagen –, um vielleicht von den Fehltaten seines Ministe-
riums im Rahmen der Kunduz-Affäre abzulenken.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das war jetzt billig!)


Die Debatte über die Verkürzung des Zivildienstes ist
aber nicht neu; sie ist nicht nur deshalb in Gang gekom-
men, weil Herr zu Guttenberg vorgeschlagen hat, es vor-
zuziehen; die Debatte über den Umgang mit diesem
Thema ist schon älter. So sagte beispielsweise der Chef
der CSU-Landesgruppe, Hans-Peter Friedrich, bei einer
reduzierten Wehrpflicht lohne sich die Ausbildung von
Zivildienstleistenden für viele soziale Organisationen
nicht mehr; man müsse mehr Geld in die Hand nehmen
und überlegen, den Zivildienst auf freiwilliger Basis zu
verlängern. Der dafür zuständige Kollege von der FDP,
Florian Bernschneider, sagt:

Der Vorschlag der Union bedeutet faktisch die
Rückkehr zu einem Zivildienst, der länger als der
Wehrdienst dauert.

Ich kann Ihnen da nur zustimmen; Sie haben da voll-
kommen recht.





Sönke Rix


(A) (C)



(D)(B)

Der Streit ist also mitten in der Koalition;


(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wir haben keinen Streit! Wir diskutieren nur!)


die Debatte, wie man in Zukunft mit dem Zivildienst
umgeht, ist in vollem Gange.


(Zuruf der Abg. Ingrid Fischbach [CDU/ CSU])


– Ich verstehe Ihre heftigen Reaktionen gar nicht.

Setzen Sie sich mit Ihrem Koalitionspartner an einen
Tisch und machen Sie keine faulen Kompromisse! Es ist
doch folgendermaßen: Die FDP möchte den Wehrdienst
abschaffen; das kann ich durchaus verstehen. Die Union
möchte den Wehrdienst, so wie er jetzt ist, erhalten.
Aber es ist doch kein guter Kompromiss, den Wehrdienst
dann einfach auf sechs Monate zu verkürzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist doch ein Kompromiss, der absolut nach Hilfe
schreit, ein fauler Kompromiss.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sie verstehen das nicht! Deshalb sind Sie in der Opposition!)


Die Einrichtungen, die Zivildienstleistende einsetzen,
können in sechs Monaten gar nichts mit den jungen
Männern anfangen. Ihre Idee ist konzeptlos. Hätten Sie
sich doch auf unser Modell geeinigt!


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ja nicht! Dann wären wir Opposition!)


Hätten Sie doch gesagt: Wir wollen beim Wehrdienst
möglichst viel Freiwilligkeit einräumen und verstärkt die
Freiwilligendienste ausbauen! Dann hätten wir erheblich
mehr erreicht.


(Beifall bei der SPD)


Sie haben es heute wieder in Ihrer Rede erwähnt
– Frau von der Leyen hat das, glaube ich, auch erwähnt –:
Die Mittel, die durch die Verkürzung des Zivildienstes
frei werden, sollen quasi ungekürzt für die Freiwilligen-
dienste zur Verfügung gestellt werden.


(Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Was hat denn Frau von der Leyen damit zu tun?)


Es liegen immer noch keine Konzepte vor. Stattdessen hat-
ten Sie die Idee – Sie haben das gerade angesprochen –,
§ 14 c Abs. 4 Zivildienstgesetz zu streichen. Damit ha-
ben Sie bei den Trägern der Freiwilligendienste in den
Bereichen Kultur und Sport und bei den Auslandsdiens-
ten für Unruhe gesorgt. Dann haben Sie in einer nächtli-
chen Sitzung eine Einigung mit den Trägern erzielt. Da-
rüber ist die FDP wohl erst hinterher informiert worden,
das Parlament in Gänze gar nicht. Sie gehen da mit Ge-
setzen und mit Mitteln in Millionenhöhe um; das betrifft
den Haushalt. Heute sagen Sie, das werde nur für ein
Jahr gelten; die Organisationen werden dann zu Recht
wieder bei Ihnen auf der Matte stehen. Es ist wirklich ein
Skandal, dass Sie hier am Parlament vorbeiagieren.

(Beifall bei der SPD)


Gerade sind wir in der Debatte auf die Frage der
Extremismusprogramme gekommen. Sie haben die
Frage von Herrn Kindler, wie Sie mit den Haushaltsres-
ten umgehen, nicht beantwortet. Es ist ein Skandal, dass
Sie immer noch nicht erkennen: Die Bekämpfung von
Rechtsextremismus und die Bekämpfung von Links-
extremismus sind völlig unterschiedliche Dinge.


(Zuruf von der CDU/CSU: Beides muss getan werden!)


Sie haben trotz der steigenden Zahl der Gewalttaten
im rechtsextremistischen Bereich immer noch nicht er-
kannt, dass Sie die Mittel erhöhen müssen. Stattdessen
bleibt es beim gleichen Betrag. Sie nehmen 2 Millionen
Euro aus dem Kinder- und Jugendplan, um sie für zwei
Projekte gegen Linksextremismus und Islamismus – so
heißt es, glaube ich, in Ihrem Titel – zu verwenden, die
nicht einmal definiert sind, von denen man in Hamburg
und Berlin, wo die Projekte angeblich umgesetzt werden
sollen, noch nichts gehört hat.

Frau Kollegin, Sie müssen hier schon deutlich ma-
chen, was Sie mit dem Geld – –


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: „Frau Kollegin“? Das heißt „Frau Ministerin“! Ein bisschen mehr Respekt! – Gegenruf der Abg. Caren Marks [SPD]: Ganz locker bleiben! Sie ist nach wie vor Abgeordnete! Sie hat ihr Mandat, glaube ich, nicht zurückgegeben! – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wo sind wir denn hier? Nur weil Sie hier mit Ihrer Gartenkleidung auftreten, können Sie die Ministerin nicht beleidigen! Sie sitzt auf der Regierungsbank, dann ist sie Ministerin! So viel Verstand sollten sie von der SPD doch haben! Wo sind wir denn?)


– Entschuldigung. – Frau Ministerin, Sie müssen schon
etwas deutlicher machen, wie Sie mit dem Geld im
Haushalt umgehen, und nicht nur darauf verweisen, dass
Ihre Ideen längst noch nicht umgesetzt sind. Einigen Sie
sich mit dem Koalitionspartner in der Frage der Verkür-
zung des Zivildienstes! Einigen Sie sich endlich mit
Ihrem Kollegen Verteidigungsminister, wann das umge-
setzt werden soll, damit die Träger des Zivildienstes end-
lich Klarheit haben!

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703117500

Miriam Gruß hat das Wort für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1703117600

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Auf Schuldenbergen können Kinder nicht spie-





Miriam Gruß


(A) (C)



(D)(B)

len und erst recht nicht lernen. Das sage ich nicht nur
heute anlässlich der Haushaltsdebatte, sondern das habe
ich schon in den letzten Jahren immer wieder gesagt.
Dieser Satz muss gerade für uns als Familienpolitiker,
die hier die Zukunft der Familien gestalten, eine ständige
Mahnung sein. Wir müssen darauf achten, dass wir die
nächsten Generationen nicht mit einem Haushalt belas-
ten, der ihnen Möglichkeiten nimmt und den Kindern
Chancen verbaut.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb bauen Sie jetzt den höchsten Schuldenberg aller Zeiten! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Deshalb entlasten Sie die Hoteliers, die Erben, die Unternehmer!)


Das gilt nicht nur für den globalen Haushalt des Deut-
schen Bundestages und dieser Koalition, sondern auch
für den Etat der Familien. Es ist ganz klar – die Ministe-
rin hat es schon gesagt –: Wenn jedem alle Wünsche er-
füllt würden, hätten wir einen enormen Aufwuchs. Das
geht nicht. Deswegen müssen wir auch in diesem Haus-
halt mit Maß und Ziel walten, und das haben wir getan.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Demgegenüber bauen andere Kolleginnen und Kollegen
hier Luftschlösser auf. Das hilft nicht weiter. Wir haben
uns an den Realitäten und an dem orientiert, was im Ko-
alitionsvertrag vereinbart ist.

Damit komme ich schon zu den einzelnen Themen.

Im Bereich Kinder und Jugendliche war es uns im-
mer wichtig, eine eigenständige Jugendpolitik zu betrei-
ben. Dazu bekennen wir uns weiterhin. Uns war aber
auch wichtig, Kindern Schutz und Chancen zu bieten.
Auch dieses Ziel verfolgen wir weiterhin. Beim Kinder-
schutzgesetz müssen wir überlegen, auf welche Bereiche
es ausgeweitet werden soll. Nach wie vor stehen wir
dazu, dass es ein Kinderschutzgesetz geben soll, und
zwar mit den beiden Komponenten „Prävention“ und
„Intervention“.

Im Bereich der Familie stehen wir zu den Erkenntnis-
sen, die das gesamte Haus in den vergangenen Jahren
mehrfach von Experten geliefert bekommen hat: Fami-
lien brauchen vor allen Dingen Zeit, Geld und Infra-
struktur. Diese drei Prinzipien haben wir realisiert. Wir
werden das mit diesem Haushalt und mit den zukünfti-
gen Haushalten weiterhin tun.

„Zeit“ heißt, Zeit für Kinder zu haben, heißt aber
auch, Zeit für Pflege zu haben. Deswegen ist es richtig
und wichtig, hier eine Initiative zu starten und für Fami-
lien in allen Lebenslagen Möglichkeiten zu schaffen,
Zeit zu haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Zur Infrastruktur. Nachdem wir in den letzten Jah-
ren großen Wert darauf gelegt haben, die Quantität aus-
zubauen, setzen wir nun auf die Qualität, aber natürlich
auch weiterhin auf die Quantität. Wir müssen uns mit
den Ländern darüber einig werden, wie wir im frühkind-
lichen Bereich einheitliche Standards schaffen und die
frühe Phase der Kinder noch besser nutzen; denn in die-
ser Phase sind Kinder wie Schwämme, saugen alles auf,
wollen alles wissen. Was wir im frühkindlichen Bereich
investieren, wird sich später tausendfach auszahlen, wer-
den wir als Staat später nicht ausgeben müssen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Bei der Infrastruktur ist aber auch wichtig, dass wir
die Arbeitszeit in den Blick nehmen. Da brauchen die
Familien mehr Flexibilität, und da müssen wir mehr Un-
terstützung bieten. Im Übrigen geht es nicht nur um
Kleinstkinder, sondern um Kinder in allen Lebenspha-
sen. Auch Kinder im Alter von vier, fünf oder sieben
Jahren brauchen Infrastruktur und Unterstützung. Des-
wegen müssen wir auch hier den Blickwinkel erweitern.

Bezüglich der finanziellen Situation hat diese Koali-
tion bereits gehandelt. Wir haben mit dem Wachstums-
beschleunigungsgesetz die Familien erheblich entlastet.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Schuldenaufbaugesetz!)


Wir haben das Kindergeld erhöht, die Freibeträge erhöht
und damit ein Signal gesetzt, dass Kinder nicht einfach
kleine Erwachsene sind, sondern einen eigenständigen
Bedarf haben. So werden wir mit dem Thema auch um-
gehen, wenn wir in diesem Jahr die Vorgaben des Bun-
desverfassungsgerichts umsetzen. Das Gericht hat uns
den klaren Auftrag gegeben, die Kinder stärker in den
Fokus zu nehmen. Das werden wir tun. In unsere Lösung
werden wir insbesondere den Bildungsaspekt einbrin-
gen, was uns allen nur am Herzen liegen kann.

Noch einmal zur finanziellen Situation. Es ist natür-
lich wichtig, zu wissen, ob die vielen familienpolitischen
Leistungen, die wir gewähren, wirklich bei den Familien
ankommen. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass
wir weiterhin die Evaluation der familienpolitischen
Leistungen vorantreiben. Ich finde es gut, dass wir den
Haushalt so aufgestellt haben, dass wir Weichen stellen
können. Die Erkenntnisse der Evaluation kommen uns
zugute; denn nichts ist schlechter, als Geld als Mon-
stranz vor uns herzutragen, während es bei den Familien
nicht ankommt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Gerade in den letzten Sitzungswochen wurde viel über
das Thema Gleichstellung gesprochen. Wir achten da-
rauf, dass die Gleichstellung in Unternehmen weiterhin
im Blick bleibt. Wir haben das Modellprojekt Logib-D
zum Laufen gebracht; ich finde das richtig und wichtig.
Das Projekt ist bereits in den ersten Unternehmen gestar-
tet. Auch diesen Aspekt behält die Koalition im Auge. Ich
freue mich aber auch, dass es im Ministerium ein neues
Referat gibt, das sich speziell mit Fragen der Jungen- und
Männerpolitik befasst; denn eine solche Blickwinkel-
erweiterung brauchen wir. Das ist ganz wichtig. Wir wer-
den weiterhin die Mädchen fördern und im Blick haben,
aber auch die Jungen. Ich freue mich über dieses neue Re-
ferat in Ihrem Ministerium, sehr geehrte Frau Ministerin.

Wir haben hier viel über den Zivildienst und den Ex-
tremismus debattiert. Da meine Redezeit leider abgelau-
fen ist, möchte ich nur noch Ihnen, sehr geehrter Herr





Miriam Gruß


(A) (C)



(D)(B)

Kollege von der Linken, etwas sagen, weil Sie mich na-
mentlich angesprochen haben. Ich weise ausdrücklich
zurück, dass ich ein Problem damit hätte, gegen rechts
zu kämpfen.


(Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Das habe ich gar nicht gesagt!)


Ich weiß nicht, ob Sie über mein Leben Bescheid wissen.
Aber Sie finden mich auch auf Demonstrationen gegen
rechts, genauso wie viele andere Kolleginnen und Kolle-
gen dieser Koalition. Deswegen weise ich Ihre Unter-
stellung auf das Äußerste zurück, dass wir den Kampf
gegen rechts nicht mehr betreiben würden, nur weil wir
unseren Blickwinkel erweitern.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703117700

Ich möchte auf einen Zwischenruf von vorhin zurück-

kommen. Das Protokoll liegt uns jetzt vor. Ausweislich
des Protokolls hat der Kollege Peter Tauber gesagt: „Ihr
seid doch die rot lackierten Faschisten!“. Herr Tauber,
dafür erteile ich Ihnen eine Rüge und mache im Übrigen
deutlich, dass Vergleiche mit dem Nationalsozialismus
hier im Hause nichts zu suchen haben.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der CDU/ CSU)


Ich gebe jetzt das Wort der Kollegin Heidrun Dittrich.


(Beifall bei der LINKEN)



Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703117800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Die Regierung tönt lauthals: Die Familie ist
das Kernstück der Gesellschaft. – Aber wie sieht denn
die Wirklichkeit aus? Können Kinder geplant werden,
wenn befristete Beschäftigungsverhältnisse zur Normali-
tät werden? Wird eine werdende Mutter wieder einge-
stellt, wenn ihr Arbeitsverhältnis durch Befristung aus-
gelaufen ist? Das Institut der deutschen Wirtschaft
schreibt: 41 Prozent der unter 20-Jährigen haben eine
befristete Stelle; bei den 20- bis 25-Jährigen ist es noch
jeder Vierte. – Ungesicherte Arbeitsverhältnisse be-
deuten unsichere Einkommen und im Allgemeinen
schlecht bezahlte Arbeit. Hierzulande gehen Menschen
arbeiten und sind trotzdem arm; sie müssen beim Job-
center aufstocken.

Die Familienministerin spricht gern von gleichen
Chancen für alle Kinder. Aber welche Kinder und Fami-
lien werden gefördert? Die Einführung des Elterngeldes
2007 zeigt: die der Mittel- und Oberschicht. Zulasten der
Erwerbslosen wurde die Bezugsdauer des Elterngeldes in
Höhe von 300 Euro monatlich um zwölf Monate ver-
kürzt. Das ist ein Verlust in Höhe von 3 600 Euro für ein
Jahr. Einkommensschwache Familien werden zum Spiel-
ball der Politik. Mit dem geplanten Betreuungsgeld in
Höhe von 150 Euro monatlich ab 2013 werden einkom-
mensschwache Familien dazu verführt, ihre Kinder nicht
in einer Kita anzumelden, damit sie Betreuungsgeld an-
rechnungsfrei zusätzlich zu Hartz IV oder zum Minijob
erhalten. Warum werden eigentlich pünktlich zum Ende
der Elternzeit 150 Euro Betreuungsgeld gezahlt? Um die
Nachfrage nach Kinderbetreuungsplätzen ab dem ersten
Lebensjahr zu senken. Damit geben Sie zu, dass der Aus-
bau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren
nicht vorankommen soll. Das Sondervermögen in Höhe
von über 4 Milliarden Euro für den Kita-Ausbau beinhal-
tet nur den Aufbau von Kindertagesstätten. Die Regie-
rung investiert in Beton statt in Pädagogik.

Für die Einstellung von Erzieherinnen fehlt das
Geld. Dafür sind die Kommunen zuständig. Es fehlen
aber bundesweit 80 000 Erzieherinnen. Die Kommunen
können sich neue Personaleinstellungen nicht leisten,
weil sich die Bundesregierung Steuergeschenke an
Großbanken und Großkonzerne leistet.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Und die Hotels!)


– Und die Hotels. Danke.

Das Vorzeigeprogramm der Familienministerin mit
dem Betreuungsausbau für 35 Prozent aller Kleinkin-
der zwischen ein und drei Jahren ist gescheitert. Was ge-
schieht nun mit den Kleinkindern, wenn das erste Le-
bensjahr zu Ende geht? Im Anschluss an das Elterngeld
ist kein Krippenplatz in Sicht. Ist denn das Kind nach Ih-
rer Auffassung mit zwölf Monaten schon erwachsen?
Muss es dann nicht mehr betreut werden? Auch geeig-
nete Tagesmütter gibt es nicht flächendeckend, und sie
werden schlecht bezahlt.


(Beifall bei der LINKEN)


In Niedersachsen, woher ich komme, gibt es für unter
Dreijährige eine Versorgerquote von nur 12 Prozent, in
Nordrhein-Westfalen von nur 11,6 Prozent. Die Eltern in
den alten Bundesländern müssen rumdümpeln, bis der
Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder
ab drei Jahren greift. Der Fortschritt, dass im Jahr 2009
73 Prozent aller Väter immerhin zwei Monate Elternzeit
nahmen, wird durch die fehlende Kinderbetreuung nach
14 Monaten komplett aufgehoben. Es werden wieder die
alten Rollenverhältnisse zementiert;


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Sauerei!)


denn ein Elternteil muss zu Hause bleiben und das Kind
betreuen. Dieser Elternteil ist traditionell die Frau; denn
die hat offensichtlich schon 12 Monate Elternzeit ge-
nommen.

Obwohl das Elterngeld vorrangig Besserverdienende
bedient, stehen auch diese Elternteile nach einem Jahr
vor dem Nichts. Sie locken die Eltern damit in eine
Falle: erst die Anreize und dann keine Anschlussbetreu-
ung. Ihre Familienpolitik ist verantwortungslos,


(Beifall bei der LINKEN)


gegenüber den Eltern und gegenüber den Kindern. Des-
halb lehne ich diesen Familienhaushalt ab. Indem Sie
den Armen den Kitaplatz abkaufen, werden die Integra-
tion der Kinder und ein gemeinsames Lernen, was zur
Chancengleichheit führen könnte, von Anfang an un-
möglich gemacht.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)






Heidrun Dittrich


(A) (C)



(D)(B)

Die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Er-
werbstätigkeit ist in den alten Ländern der Bundesrepu-
blik seit über 60 Jahren nicht erreicht. Was in Frankreich
seit den 50er-Jahren möglich ist, nämlich für jedes Kind
ab dem dritten Monat einen Betreuungsplatz zu stellen,
und was in der DDR für Kinder ab dem ersten Jahr mög-
lich war, ist in der Bundesrepublik bis heute nicht mög-
lich. Wer nicht arbeitet, kann keine Rente aufbauen. Die
Altersarmut von Frauen ist vorprogrammiert. Sie erlegen
die soziale Verantwortung für die Familie einseitig den
Frauen auf. Das betrifft die Betreuung der Kinder und
die Pflege. Sie kaufen den Frauen die Berufe ab. Hätten
wir mehr Kinderbetreuung, könnten mehr Frauen arbei-
ten, und wir würden wieder Frauenberufe im öffentli-
chen Dienst einrichten, Stellen für Erzieherinnen, Sozial-
arbeiterinnen und Sprachlehrerinnen. Geld ist genug da.
Es muss umverteilt werden.


(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Umverteilung ist Ihr einziges Konzept! Das ist unglaublich!)


Die Millionärsteuer ist nur ein Beispiel dafür, wie dieser
Staat zu mehr Einkommen kommen könnte. Außerdem
können Sie auch am Verteidigungsetat sparen.


(Beifall bei der LINKEN)


Der beläuft sich nämlich auf 31 Milliarden Euro, wäh-
rend der kleine Familienhaushalt 2,56 Milliarden Euro
beträgt. Damit möchten Sie den Zusammenhalt der Ge-
sellschaft organisieren. Sie organisieren damit die Spal-
tung zwischen Arm und Reich.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703117900

Das Wort hat der Kollege Norbert Geis für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1703118000

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Es ist schon wahr, was Sie sagen:
Die Familie ist der Angelpunkt der Gesellschaft. Nur
wenn es gelingt, die Bindekräfte der Familie zu erhalten,
werden wir morgen noch Kultur haben, werden wir ei-
nen stabilen Staat und eine stabile Gesellschaft haben.
Deswegen kommt es darauf an, dass unsere Generation
ihrem Erziehungsauftrag gerecht wird.

Wir müssen unsere Kinder und Jugendlichen zu frei-
heitsfähigen Menschen heranziehen. Nur dann werden
wir morgen genügend Erfinder, genügend Firmengrün-
der, genügend Arbeitsplätze und genügend Menschen,
die in die Sozialsysteme einzahlen, haben. Wir werden
nur dann genügend Nachfrager und genügend Anbieter
haben. Wir werden auch nur dann unseren Staat und un-
sere Zukunft sichern, wenn wir unsere Gesellschaft in
freiheitsfähige Hände weitergeben können. Deswegen
kommt es entscheidend darauf an, dass die Familien ih-
ren Auftrag erfüllen und ihre Kinder und Jugendlichen
zu freiheitsfähigen Menschen heranziehen, zu Men-
schen, die in der Lage sind, die kulturellen Werte zu er-
kennen, die fest in unserer Gesellschaft verankert sind,
und für die die Freiheit eine große Bedeutung hat.
Die Staaten gäben ihre Zukunft in die Hände der Fa-
milien, schreibt der frühere Verfassungsrichter Paul
Kirchhof – und er hat recht. Die zentrale Funktion der
Familien haben die Väter und Mütter unserer Verfassung
erkannt. Deswegen haben sie in Art. 6 GG die Funk-
tionsbedeutung der Familie in einer so herausragenden
und hervorragenden Weise niedergelegt. Dort steht ge-
schrieben, dass Eltern und Familien unter dem besonde-
ren Schutz des Staates stehen. Der besondere Schutz gilt
also auch für Eltern, die Verbindung von Mann und
Frau auf Lebenszeit.


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


– Stöhnen Sie nicht! Das ist kein veraltetes Familienbild.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Herr Geis!)


Ich zitiere das Urteil des Verfassungsgerichts zum
Nachzug von Familien – wenn Sie das Verfassungsge-
richt nicht achten wollen, dann können Sie so stöhnen –:
„Voraussetzung für die bestmögliche geistige und seeli-
sche Entwicklung von Kindern“ sind die Eltern. – Das
sollten wir nicht missachten. Wer das missachtet, macht
einen entscheidenden Fehler an dieser Stelle.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte in diesem Zusammenhang noch ein Wort
zu den gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften
sagen: Sie sind mit der Elternschaft nicht gleichzustel-
len.


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Caren Marks [SPD]: Was sagt denn Herr Westerwelle dazu?)


– Stöhnen Sie nicht! Genau so steht es im Urteil des Ver-
fassungsgerichts zu gleichgeschlechtlichen Lebensge-
meinschaften.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie genießen nicht den Schutz der Verfassung. Das muss
bei einer solchen Diskussion einmal klargestellt werden,
weil es inzwischen vergessen wird.


(Caren Marks [SPD]: Das ist diskriminierend, was Sie hier sagen! – Ute Kumpf [SPD]: Sie müssen immer Ihr Lieblingsthema unterbringen!)


Schutz von Ehe und Familie heißt nicht, dass in die-
sen Schutz Großeltern und Verwandte einbezogen sind;
es geht nur um den Schutz der Kleinfamilie. In diesen
Schutz einbezogen sind die alleinerziehenden Frauen
und diejenigen Eltern, die nicht verheiratet sind; sie ge-
nießen den gleichen Schutz.


(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


– Lassen Sie mich doch in Ruhe reden. Vielleicht ist es
ganz günstig, wenn Sie ab und zu auch eine gegenteilige
Meinung hören. Wenn Sie sie nicht hören wollen, dann
können Sie hinausgehen.





Norbert Geis


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das ist keine Majestätsbeleidigung!)


Es muss in der Demokratie möglich sein, eine gegentei-
lige Meinung zu hören. Lassen Sie mich fortfahren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Schutz-
auftrag, wie er in der Verfassung niedergeschrieben ist,
hat zwei Aspekte:

Erstens. Der Staat ist nicht berechtigt, allzu schnell in
die Freiheitssphäre der Familie einzugreifen. Der Staat
ist beschränkt auf sein Wächteramt. Wenn sich irgendwo
eine Gefährdung der Kinder abzeichnet, ist es deswegen
nicht richtig, dass das Jugendamt sofort kommt und die
Kinder wegnimmt. Das geschieht zurzeit in Deutsch-
land. Das ist verfassungsrechtlich bedenklich.


(Ute Kumpf [SPD]: Es geht um den Schutz der Kinder!)


Zweitens. Der Staat muss die Familien vor allem för-
dern. Dabei geht es darum, dass er drei gegenläufige
Ziele zu einem Ausgleich zu bringt. Das erste Ziel ist,
dass Ehen geschlossen und Familien gegründet werden.


(Caren Marks [SPD]: Was ist mit nicht verheirateten Paaren?)


Das zweite Ziel ist, dass den jungen Menschen die Mög-
lichkeit geboten wird, Geld zu verdienen und in der
Wirtschaftsordnung ihre Frau oder ihren Mann zu ste-
hen. Das dritte Ziel ist die Erziehung von Kindern.

Berufsausübung und Erziehung von Kindern stehen
oft im Gegensatz. Es ist Aufgabe der Politik, zu ermögli-
chen, dass beide Ziele vereinbar sind: zum einen die Fa-
milienpräsenz und zum anderen die Berufsausübung.


(Beifall der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU] – Ute Kumpf [SPD]: Genau! Das sagen Sie mal Ihren Geschlechtskollegen!)


Um das zu gewährleisten, sind eine Menge Dinge zu er-
ledigen. Für uns gilt insbesondere, uns Gedanken da-
rüber zu machen, wie wir dafür sorgen können, dass es
mehr Zeitarbeitsplätze gibt. Ich denke an Telearbeits-
plätze, die es den Frauen ermöglichen, daheim präsent
zu sein.


(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Männer! Männer!)


– Das passt Ihnen nicht.

Kita ist eine Hilfe, aber kein Ersatz für die Erziehung
durch Familie. Wer das annimmt, der ist auf dem Holz-
weg.


(Beifall bei der CDU/CSU – Caren Marks [SPD]: Darum geht es ja auch nicht! – Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Ich weiß schon, was Sie sagen wollen; aber das ist mir
ziemlich gleichgültig. Was die Linken sagen, ist hier so-
wieso ohne Bedeutung.

(Widerspruch bei der LINKEN – Beifall bei der CDU/CSU – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: So viel zum Thema Demokratie!)


– Sie von der Linken haben ein völlig falsches Familien-
bild. Ihr Familienbild kommt aus dem Marxismus, und
der gehört in die Mottenkiste des vorletzten Jahrhun-
derts.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der LINKEN – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Lassen Sie andere Meinungen zu!)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine wich-
tige Aufgabe ist es also, diese drei Ziele zu einem Aus-
gleich zu bringen. Nun kommt es darauf an, dass wir
Ehe und Familie den richtigen Rang in unserer Gesell-
schaft einräumen. Ich glaube, dass dies ein wichtiger
Auftrag an die Familienpolitik ist. Die Familienpolitik
ist deshalb ein ganz zentrales Feld der Gesellschaftspoli-
tik.

Ich danke der Frau Ministerin, dass sie mit so viel
Elan ihr Amt wahrgenommen hat. Sie haben unsere Un-
terstützung. Ich freue mich über den runden Tisch, den
Sie zusammen mit Frau Schavan und natürlich auch mit
Frau Leutheusser-Schnarrenberger geschaffen haben.
Ich hoffe, dass er zum Erfolg führt.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703118100

Herr Kollege Geis!


Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1703118200

Ich freue mich über Ihre Initiative zur Familien-Pfle-

gezeit. Wir werden Sie unterstützen.
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für die

Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703118300

Kai Gehring hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703118400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Geis, ich habe mit Wohlwollen zur Kenntnis ge-
nommen, dass auch einem Großteil Ihrer Fraktion ein
Teil Ihrer Ausführungen ziemlich peinlich gewesen ist.
Ich kann das nachvollziehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hallo?!)


Toleranz gegenüber Intoleranz gehört hier wirklich nicht
ins Haus.

Ich möchte sehr deutlich sagen, dass in Regenbogen-
Familien, wo zwei Mütter oder zwei Väter womöglich
ein Leben lang verbindlich Verantwortung für Kinder
übernehmen und sich fürsorglich um ihre Kinder küm-
mern,


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Geht doch biologisch gar nicht!)






Kai Gehring


(A) (C)



(D)(B)

übrigens konservative Werte gelebt werden, die Sie ei-
gentlich unterstützen müssten.


(Rolf Schwanitz [SPD]: Sehr richtig!)


Diese Familien haben denselben Schutz des Grundgeset-
zes verdient und dieselbe Wertschätzung der Gesell-
schaft und des ganzen Parlamentes wie alle anderen Fa-
milien in diesem Land auch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Solange Sie das nicht begreifen, sind Sie in der Neuzeit
nicht angekommen.

Nun zum Einzelplan 17. Er zeigt ja, dass es der Koali-
tion und auch der Ministerin ziemlich schwerfällt, klare
Entscheidungen zu treffen und richtige Prioritäten zu
setzen. Es zeigt sich auch, dass die Leitung eines Minis-
teriums nicht mit der eines Ponyhofes gleichzusetzen ist.
Ich wünsche Ihnen insofern künftig ein glückliches
Händchen. Ich möchte ein paar kritische Punkte anspre-
chen.

Ich finde es – das sage ich bewusst als Mann –
schlicht peinlich, dass sich Ministerin Schröder in der
Frauenpolitik ausgerechnet von der Privatwirtschaft
überholen und vorführen lassen muss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit der Einführung einer Quote für das Management hat
die Deutsche Telekom einen mutigen Schritt in Richtung
Gleichstellung in der Privatwirtschaft getan.


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Ich finde, das ist peinlich!)


Ministerin Schröder setzt weiterhin auf Unverbindlich-
keit und warme Worte; das ist mehr als mutlos. Ich sage
als männlicher Feminist für die grüne Bundestagsfrak-
tion:


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ohne Quote bleiben Frauenförderung und Geschlechter-
gerechtigkeit reine Lippenbekenntnisse. Deutschland
kann es sich schlichtweg nicht leisten, die Talente von
Frauen weiter zu vergeuden. Frau Schröder, Ihre Frauen-
politik ist von vorgestern. Packen Sie endlich die Gleich-
stellung in der Privatwirtschaft an!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703118500

Herr Kollege Gehring, möchten Sie eine Zwischen-

frage der Kollegin Gruß zulassen?


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703118600

Ja, gerne.

Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1703118700

Herr Gehring, sind Sie bereit, anzuerkennen, dass der

Fall Telekom ja genau zeigt, dass man jenseits der Ein-
führung einer gesetzlichen Quote Lösungen in Unterneh-
men finden kann und dass es auch zu diesen Lösungen
kommt?


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Caren Marks [SPD]: Wenn wir noch 500 Jahre warten! Wie viele DAXUnternehmen machen das denn noch?)



Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703118800

Ich erkenne an und finde es auch toll, dass die Deut-

sche Telekom als erstes DAX-30-Unternehmen diesen
Schritt macht. Dies sollten wir vonseiten der Politik un-
terstützen und begleiten und uns ganz klar im Sinne ei-
nes Gleichstellungsgesetzes auch für eine Quote in der
Privatwirtschaft einsetzen. Wir müssen das unterstützen.
Wir sehen doch, dass Frauen in Führungspositionen lei-
der immer noch Seltenheitswert haben.


(Ute Kumpf [SPD]: Die Frauenquote in der FDP-Fraktion ist niederschmetternd!)


Es sollte uns allen am Herzen liegen, dass Frauen die
gleichen Karrierechancen haben wie Männer. Deutsch-
land ist hier aber gleichstellungspolitisches Entwick-
lungsland, was man sowohl in den Großkonzernen als
auch in den Universitäten sehr deutlich sehen kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deshalb muss man sich hier kluge Instrumente und An-
reize überlegen, wozu wir immer wieder Vorschläge ge-
macht haben, die Sie von der Bundesregierung gerne
aufgreifen können, um endlich Schritte in die richtige
Richtung zu gehen.

Ich möchte noch andere aktuelle Punkte ansprechen.
Sie sind eine Krach- und Chaoskoalition, wenn es um
die Wehrpflicht geht. Vor lauter Pirouettendrehen allein
in den letzten Tagen müsste Ihnen völlig schwindelig
sein. Mir fällt es fast schwer, das alles mitzuverfolgen.
Aber halten wir einmal fest: Die Union sind die letzten
Mohikaner in diesem Parlament, die sich an der Wehr-
pflicht festklammern. Mit der FDP haben wir in der letz-
ten Legislaturperiode noch gemeinsam für den Ausstieg
aus der Wehrpflicht gekämpft. Jetzt ist sie in den Koali-
tionsverhandlungen umgefallen. Schade! Letztlich gab
es mit der Verkürzung auf sechs Monate einen faulen
Kompromiss.

Ich erwarte aber, dass Herr zu Guttenberg und Frau
Schröder sich da zusammensetzen, abstimmen


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


und diesem Parlament ein gemeinsames, einigermaßen
schlüssiges Konzept vorlegen, statt in den Medien öf-
fentlich herumzudilettieren. So geht das nicht weiter.

Die Wehrpflicht ist ungerecht, sie ist sicherheitspoli-
tisch überflüssig, sie ist unvertretbar teuer, und sie ist ein





Kai Gehring


(A) (C)



(D)(B)

tiefer Eingriff in die individuellen Freiheitsrechte junger
Männer. Deshalb müssen wir da aussteigen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Geben Sie endlich Ihr Wehrpflichtdogma auf! Gehen Sie
die neuen Wege, die Sie eben angekündigt haben! Die
Pflichtdienste haben keine Zukunft mehr, sondern die
Zukunft liegt in den Freiwilligendiensten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage Ihnen auch: Die Verlängerungsoption beim
Zivildienst ist letztlich eine Verlängerung des Zivil-
dienstes und eine Abkopplung von der Wehrpflicht.


(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Haben Sie was gegen Freiwilligkeit?)


– Von wegen Freiwilligkeit. Das setzt man dann noch
davor. Aber es ist eine Krücke und keine Brücke, und
Sie schließen damit auch keine biografische Lücke, wie
hier angekündigt wird; das ist Unsinn. Das ist schon jetzt
der Fall.


(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Nur Misstrauen gegenüber unseren Verbänden! Natürlich wollen es die Träger! Führen Sie doch mal Gespräche mit den Trägern!)


Sie schaffen es einfach nicht, die Frage nach dem Sinn
zu beantworten, den ein sechsmonatiger Wehr- und Zi-
vildienst haben soll. Statt diese Legislaturperiode mit
Verkürzungs- bzw. Verlängerungsdebatten zu vergeuden,


(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Gähn, gähn! Wie lang sind fünf Minuten?)


sollten Sie endlich einen Ausstiegsbeschluss herbeifüh-
ren. Sie sollten dafür sorgen, dass aus den Pflichtdiens-
ten ausgestiegen und endlich massiv in den Ausbau der
Freiwilligendienste investiert wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Als einer der letzten Redner in dieser Debatte sage
ich: Hören Sie auf, die Jugendlichen zu ignorieren! Ju-
gendliche kamen heute noch gar nicht richtig vor.


(Miriam Gruß [FDP]: Das stimmt nicht, Herr Kollege!)


Wertschätzen Sie zum Beispiel, dass Jugendliche sich
beteiligen wollen, dass es ihnen um Partizipation geht.
Neulich hatten wir die Abschlusskonferenz zum Bundes-
programm für mehr Jugendbeteiligung. Da erwartet man
eigentlich, dass gesagt wird, dass man sich weiter um die
Jugendbeteiligung kümmern will. Das ist aber nicht er-
folgt. Was geschieht da jetzt? Die Jugendpolitik sollte
unter Schwarz-Gelb nicht völlig in der Bedeutungslosig-
keit verschwinden. Mit Sachsen wird offensichtlich das
erste Bundesland aus der Jugendhilfe aussteigen.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Da haben wir die Auffangorganisation NPD im Land!)


Das sind sehr bedenkliche Entwicklungen. Man darf
nicht auf dem Rücken der Jugendlichen den Haushalt zu-
sammenstreichen. Das müsste eigentlich großer Konsens
in diesem Haus sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703118900

Herr Kollege, kommen Sie zum Ende, bitte.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703119000

Ja. – Ich möchte mit einem Appell enden, auch auf-

grund der Sprechblasen zum Thema Extremismus. Ich
wünsche mir, dass hier endlich Konsens darüber herbei-
geführt wird, dass man vor allem gegen Rechtsextremis-
mus kämpfen muss.


(Beifall bei der LINKEN – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Und gegen links nicht?)


– Gegen links auch.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703119100

Herr Kollege.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703119200

Aber wenn im Jahre 2009 über 20 000 rechtsextreme

Straftaten –


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703119300

Herr Kollege!


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703119400

– ich komme zum Schluss –


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703119500

Aber definitiv.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703119600

– laut Bundeskriminalamt begangen wurden, dann

muss hierauf die Priorität liegen. Also hören Sie endlich
auf, die Extremisten alle in einen Topf zu werfen,


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Gewalt ist Gewalt! Es gibt keine gute und schlechte Gewalt!)


und konzentrieren Sie sich auf das, was wirklich wichtig
ist: den Kampf gegen Rechtsextremismus und für die
Demokratie.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703119700

Der Kollege Thomas Jarzombek hat jetzt das Wort für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Thomas Jarzombek (CDU):
Rede ID: ID1703119800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe

in dieser Debatte zwei Beobachtungen gemacht. Erstens





Thomas Jarzombek


(A) (C)



(D)(B)

finde ich es ziemlich unglaublich, in welcher Art und
Weise hier Linksextremismus verharmlost wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN)


– Meine Damen und Herren von den Linken, dass Sie
das nicht juckt, ist mir klar. – Aber dass die SPD das so
sieht, wie sie es sieht, finde ich erstaunlich; da hätte ich
persönlich mehr Anstand an dieser Stelle erwartet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Rolf Schwanitz [SPD]: Sie sehen das falsch! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ausgerechnet!)


Anstatt sich aufzuregen, sollten Sie vielleicht den
Vorschlag aufgreifen, den ein Kollege der Linkspartei in
der ersten Lesung gemacht hat, nämlich endlich einmal
Aussteigerprogramme für die Linkspartei zu etablieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich habe heute noch eine zweite Beobachtung ge-
macht. Wie es um die Familienpolitik bei der Opposition
bestellt ist, zeigt die Tatsache, dass alle Vorredner von
der Opposition mit Ausnahme des Kollegen Gehring
nicht einen Satz zum Thema Kinder und Familie verlo-
ren haben. Wir haben hier offensichtlich ein Problem.
Wir sind hier nicht der Verteidigungsausschuss des
Deutschen Bundestages. Ich kann in diesem Zusammen-
hang nur den amerikanischen Juristen Darrow zitieren,
der vor 100 Jahren mit satirischem Unterton sagte:

Die erste Hälfte unseres Lebens wird von den El-
tern ruiniert, die zweite von den Kindern.

Kardinal Frings hat es so ausgedrückt:

Die Zukunft des Volkes hängt nicht von der Zahl
der Kraftwagen ab, sondern von der Zahl der Kin-
derwagen.

Darüber müssen wir hier sprechen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Jeder, der nur ein bisschen finanzpolitisches Gespür
in seinen Fingern hat, der muss doch sehen, dass die
Schulden dieses Landes nicht nur als Zahl im Haushalt
stehen. Die Schulden dieses Landes spiegeln sich in den
Geburtenstatistiken wider.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Genau so ist es!)


Wir haben heute eine Geburtenrate von 1,4. Die Frage
ist, wie wir alle unsere Aufwendungen in der Sozialver-
sicherung zukünftig decken können, wenn es so weiter
läuft. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, da haben
Sie, was diese Entwicklung betrifft, sieben Jahre verlo-
ren.

Erst mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin und mit
Ursula von der Leyen als Familienministerin ist hier et-
was passiert. In diesen vier Jahren ist der Etat von 4,4
um 50 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro gestiegen. Tatsa-
che ist doch: Unter Rot-Grün gab es für Familie und
Kinder keine Lobby.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gedönskanzler Schröder hat Ihre Familienpolitiker am
langen Arm verhungern lassen.


(Ute Kumpf [SPD]: So ein Quatsch! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Betreuungsausbau! Kindergeld! Machen Sie doch mal selber was!)


Ich kann aus eigener Erfahrung in Nordrhein-West-
falen sagen, was 39 Jahre SPD-Politik für die Familien
gebracht haben: eine Betreuungsquote für unter Dreijäh-
rige von 2,8 Prozent, die niedrigste in ganz Deutschland.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hört euch das mal an!)


Mit Schwarz-Gelb haben wir es in Nordrhein-Westfalen
geschafft, die Anzahl der Plätze in fünf Jahren nahezu zu
verzehnfachen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir mussten das aufräumen, was Sie hinterlassen haben.

Wir werden an dieser Stelle weitermachen. Denn wir
müssen etwas tun. Wir haben schon eine Menge getan,
zum Beispiel für die Infrastruktur. Fast 10,5 Milliar-
den Euro aus dem Konjunkturpaket werden bis 2013 in
Betreuungsplätze für unter Dreijährige investiert.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Große Koalition!)


Die rot-grüne Koalition hat im Jahr 2005 eine Quote von
13,7 Prozent hervorgebracht, was die Betreuungsplätze
für unter Dreijährige betrifft. Dank Ursula von der
Leyen haben wir heute eine Quote von 20 Prozent er-
reicht. Wir werden 35 Prozent in 2013 erreichen. Dafür
steht auch dieser Haushalt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir tun mehr für die Eltern. Wir als Union haben das
Elterngeld eingeführt. Wir werden auch das Teileltern-
geld einführen und damit eine gute Weiterentwicklung
ermöglichen. Ich nenne weiterhin die steuerliche Ab-
zugsfähigkeit der Kinderbetreuungskosten und nicht zu-
letzt die Erhöhung des Kindergeldes, die wir mit dem
Wachstumsbeschleunigungsgesetz vorgenommen haben.
Ich glaube, das ist richtig. Denn in sieben Jahren gab es
keine Erhöhung des Kindergeldes, obwohl die Ausgaben
für die Kinder von Jahr zu Jahr steigen.

Der Focus hat vor einigen Wochen von der Familie
eines Hochschuldozenten – er gehört also nicht zum Pre-
kariat – berichtet. Er kann es sich noch nicht einmal er-
lauben, mit seinen drei Kindern in den Urlaub zu fahren.
Es ist daher wichtig, dass wir mehr finanzielle Leistun-
gen für Familien, die sich in der Mitte der Gesellschaft
befinden, bereitstellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Damit kommen wir zu einem ganz entscheidenden
Punkt. Denn wir als Union sind die Einzigen, die den
Eltern Wahlfreiheit lassen. Die Geburtenzahlen erlau-
ben es uns nicht, aus ideologischen Gründen nur auf ein
ganz bestimmtes Familienmodell zu setzen.


(Beifall bei der CDU/CSU)






Thomas Jarzombek


(A) (C)



(D)(B)

Wir müssen Eltern Wahlfreiheit bieten. Wenn das Be-
treuungsgeld – in welcher Form der Umsetzung auch im-
mer – dazu beiträgt, dass insbesondere Familien mit
mehreren Kindern, bei denen die finanzielle Lage mögli-
cherweise auch aufgrund einer Teilzeitarbeit sehr
schwierig ist, eine bessere Unterstützung von uns be-
kommen und das wiederum dazu beiträgt, dass wir eine
höhere Geburtenrate und mehr Kinder bekommen, dann
ist es genau die richtige Politik, die wir als Koalition ver-
abredet haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Florian Toncar [FDP])


Deshalb kann ich nach der heutigen Debatte nur das
Fazit ziehen: Da, wo die Union regiert, hört man immer
mehr Kinder schreien. Da, wo die Linken regieren, hört
man höchstens noch die Eltern schreien.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703119900

Herr Kollege Jarzombek, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer

ersten Rede im Deutschen Bundestag.


(Beifall)


Das Wort hat jetzt die Kollegin Caren Marks von der
SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD – Dorothee Bär [CDU/ CSU]: Das war gerade so ein schönes Schlusswort von Thomas! Und jetzt kommt doch noch jemand!)



Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1703120000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege
Jarzombek, Sie haben eben gesagt, da, wo die Union re-
giert, sei es um die Familienpolitik besonders gut be-
stellt.


(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Da hat er recht!)


In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wo die
Union regiert, ist es aber ganz besonders schlecht um
den Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung
bestellt. Das ist und bleibt richtig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: 13 Jahre Gerhard Schröder!)


Zu dem Betreuungsgeld will ich gar nicht mehr viel
sagen. Da kann ich mich durchaus der vorherigen Fami-
lienministerin, Frau von der Leyen, anschließen. Es ist
Unsinn und eine bildungspolitische Katastrophe, und das
wird es auch bleiben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Frau Ministerin Schröder, Politik ist eigentlich in der
Verantwortung, klare Antworten auf die gesellschafts-
politischen Herausforderungen zu geben. Dies trifft
ganz besonders auf unser Ressort, Familie, Senioren,
Frauen und Jugend, zu. Die Bekämpfung der Kinder-
und Familienarmut, die Begleitung des demografischen
Wandels, mehr Teilhabe für Jugendliche und die konse-
quente Gleichstellung von Männern und Frauen: Im
Einzelplan 17 finden wir leider kaum Antworten auf
diese und weitere Herausforderungen.

Im Bereich der Gleichstellungspolitik wird das ganz
besonders deutlich. Der Lohnunterschied zwischen
Männern und Frauen beträgt skandalöse 23 Prozent. Der
Frauenanteil in deutschen Vorständen und Aufsichtsrä-
ten ist lächerlich gering. Das schreit geradezu nach einer
aktiven Gleichstellungspolitik. Doch was macht die
Frauenministerin? – Die Telekom ist mit ihrer aktuellen
Entscheidung für eine Frauenquote entschlossener als
die zuständige Ministerin.

Wer wie Frau Schröder unbeirrt auf Freiwilligkeit in
der Wirtschaft setzt, nimmt die Realität in den meisten
Unternehmen nicht zur Kenntnis. Die Zeit ist mehr als
reif für verbindliche Regelungen.


(Zuruf der Abg. Ingrid Fischbach [CDU/ CSU])


Die SPD fordert eine gesetzliche Quotenregelung für
Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten. Ich höre schon
die konservativen Bedenkenträger: Gibt es denn genü-
gend qualifizierte Frauen für diese Posten? – Erstens ist
das der Fall; es gibt sie. Zweitens, wer hat eigentlich
nach der Qualifikation der Männer gefragt, meine Her-
ren?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bei der Überwindung der Entgeltungleichheit ver-
lässt sich die Ministerin mit einem unverbindlichen Lohn-
prüfungsverfahren ebenfalls auf das rein freiwillige Han-
deln einzelner Unternehmen. Auch diesbezüglich gibt es
kein entschlossenes Handeln, sondern nur Mutlosigkeit.
Die SPD sagt: Wir brauchen endlich ein wirksames Ent-
geltgleichheitsgesetz. Gerade heute haben Sozialwissen-
schaftlerinnen noch einmal die Notwendigkeit eines Ge-
setzes betont.

Die jetzige Bundesregierung hat ganz offensichtlich
dringenden Beratungsbedarf in Sachen Genderkompe-
tenz. Umso bedauerlicher ist es, dass die schwarz-gelbe
Koalition die Förderung des Gender-Kompetenz-Zen-
trums Mitte des Jahres einstellt und künftig auf gute,
wissenschaftliche Politikberatung verzichtet.

Die Antidiskriminierungsstelle ist zwar mit genauso
viel Geld wie im Vorjahr ausgestattet, ich habe aller-
dings große Zweifel, ob die Bundesregierung eine ziel-
führende Antidiskriminierungspolitik wirklich will.
Denn der Kurs, den Sie, Frau Ministerin, auf EU-Ebene
verfolgen, ist ein Trauerspiel. Sie blockieren in Brüssel
eine neue Antidiskriminierungsrichtlinie.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sie sollten einmal etwas Nettes sagen!)






Caren Marks


(A) (C)



(D)(B)

Das ruft sogar öffentliche Proteste von Amnesty Interna-
tional hervor.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Positiv denken!)


Über die 5 Millionen Euro für die Evaluation von fa-
milienpolitischen Leistungen kann man sich nur wun-
dern. Mein Kollege hat das schon angesprochen. Viel-
leicht ist es ratsam, Frau Schröder, dass Sie mit Ihrer
Amtsvorgängerin sprechen. Sie hatte eine solche Evalua-
tion bereits in Auftrag gegeben, die Ergebnisse liegen
massenweise vor und sind keineswegs veraltet. Es man-
gelt nicht an Daten, sondern an Ihrem politischen Gestal-
tungswillen.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ja, es ist richtig: Familien wünschen sich bei der
Pflege mehr Unterstützung. Im wahrsten Sinne des Wor-
tes „sparsam“ ist das unausgereifte Konzept der Ministe-
rin zur Pflegeteilzeit für pflegende Angehörige. Der
O-Ton der Ministerin ist entlarvend. Sie sagt: Der Pfle-
geversicherung käme die Familienpflegezeit langfristig
zugute; denn Pflege zu Hause koste weniger als im
Heim. „Hört, hört!“, sage ich da nur. Erschreckend ist
die fehlende Reflexion darüber, dass es in den allermeis-
ten Fällen die Frauen sind, die Angehörige pflegen.
Frauen sind häufig im Niedriglohnsektor zu finden. Wer
von ihnen kann ohne Kompensation vier Jahre lang von
75 Prozent des Gehaltes leben? Das Angebot geht an der
Lebenswirklichkeit vieler vorbei.


(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Was ist denn Ihre Lösung?)


Ich frage mich, meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen von der Union, warum Sie die von der SPD gefor-
derte bezahlte Pflegezeit von zehn Tagen nach wie vor
ablehnen. Gerade zu Beginn der Pflege, die in der Regel
von heute auf morgen notwendig wird, brauchen Fami-
lien Zeit, um Informationen und Hilfe zu suchen und
sich auf die neue Situation einzustellen.

Es bleibt festzustellen: Auch in der Haushaltspolitik
entzieht sich die Bundesregierung der Verantwortung.
Sie handeln nicht dort, wo es nötig ist, sie zaudern und
prüfen, bestenfalls hören wir Appelle an Wirtschaft und
andere. Ich wünsche mir für die Menschen in unserem
Land, dass sich die Ministerin Schröder den Herausfor-
derungen unserer Zeit stellt. Wir alle, vor allem wir
Frauen, erwarten zu Recht konkretes Handeln statt ein
Herumstochern im Nebel. Vielleicht wird es ja noch et-
was.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Sie können uns nicht in Generalhaftung nehmen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703120100

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 17, Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend, in der Ausschussfassung. Hierzu
liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor,
über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Än-
derungsantrag der Fraktion Die Linke auf Druck-
sache 17/1036? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen, der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen bei Zustimmung der Fraktion Die Linke und Enthal-
tung der SPD-Fraktion.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 17 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 17 ist
angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.17 auf:

Einzelplan 30
Bundesministerium für Bildung und For-
schung

– Drucksachen 17/620, 17/623 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Eckhardt Rehberg
Klaus Hagemann
Ulrike Flach
Michael Leutert
Priska Hinz (Herborn)


Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke vor, über den wir am Freitag im Anschluss an
die Schlussabstimmung abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es
Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so
beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner das Wort dem Kollegen Klaus Hagemann von der
SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Klaus Hagemann (SPD):
Rede ID: ID1703120200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Es ist jetzt gleich 19.15 Uhr und wir beraten den
Einzelplan 30, den Haushalt, der zukunftsgerichtet ist.
Die Medien haben kein Interesse mehr. Ich freue mich,
dass Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, noch so zahl-
reich hier sind und der Debatte folgen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Man sollte vielleicht einmal überlegen, ob man dieses
Thema im Rahmen der Beratungen des Haushaltes 2011
nicht etwas früher behandeln sollte.

Bei diesem Haushaltsentwurf muss ich, wie in der
ersten Lesung, feststellen: Viele Titel sind gesperrt. Sie
sind während der Haushaltsberatungen nicht entsperrt
worden, Frau Ministerin. Es sind sogar noch zusätzliche
Sperren durch die schwarz-gelbe Koalition hinzuge-
kommen. Weil nicht genügend ausgereifte Konzepte





Klaus Hagemann


(A) (C)



(D)(B)

vorliegen, hat die Koalition entsprechende Sperren vor-
genommen. Was nützen die schönen Ankündigungen,
die im Koalitionsvertrag festgeschrieben und in den Me-
dien immer wieder dargestellt werden, und was ist das
Gerede vom Gesamtkunstwerk wert – davon hat Kollege
Barthle am Dienstag gesprochen –, wenn nicht konkrete
Politik dahintersteht?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Patrick Meinhardt [FDP]: Konkreter kann Politik gar nicht sein!)


Man kann es als Mangel bezeichnen, wenn keine kla-
ren Konzepte vorliegen und man nicht sehen kann, wie
es mit den Projekten im Jahr 2011 überhaupt weiterge-
hen soll. Wir wissen zwar, wie schwierig die Haushalts-
lage ist, aber es ist nicht gut, dass keine mittelfristige
Finanzplanung vorgelegt worden ist. Dadurch entsteht
gerade im Forschungsbereich und im Bildungsbereich,
die auf unser Geld angewiesen sind, Unsicherheit, weil
man nicht weiß, wie es mit der Finanzierung der Pro-
jekte weitergeht. Wir wissen, dass vor der Wahl in Nord-
rhein-Westfalen am 9. Mai 2010


(Patrick Meinhardt [FDP]: Das ist die, vor der Sie zittern!)


nicht gestrichen werden soll, jedoch keine Klarheit da-
rüber herrscht, was danach geschieht. Ich sehe nur die
Gefahr, dass das, was vor der Wahl gesperrt wurde – so
hieß es dieser Tage –, nach der Wahl gestrichen wird. Ich
frage: Ist es so?


(Patrick Meinhardt [FDP]: Das ist blühende Fantasie!)


Der Schuldenberg ist gewachsen. Sie legen noch ein-
mal 80 Milliarden Euro obendrauf.


(Patrick Meinhardt Sie drauflegen? Sie müssen einmal die Zinsen bezahlen. Die Schuldenbremse greift außerdem im nächsten Jahr. Da sind mit 10 Milliarden Euro zusätzlichen Einsparungen schon erhebliche Dinge zu beachten. (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Und ihr macht jetzt Sparvorschläge in Höhe von 80 Milliarden Euro!)


– Ihr habt die Mehrheit, und ihr habt entsprechende Vor-
schläge zu machen. Doch die hat auch Herr Schäuble in
seiner Rede am Dienstag nicht vorgetragen. Es ist kein
klares Konzept vorgelegt worden. Die Financial Times
Deutschland, nicht gerade der Hort der Sozialdemokra-
tie,


(Patrick Meinhardt [FDP]: Oh! Das hat er auch schon festgestellt!)


schreibt, dass nicht einmal die Andeutung eines Konsoli-
dierungskonzeptes durch den Finanzminister vorgelegt
wurde.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sehr richtig!)

In der 16. Legislaturperiode, also während der Gro-
ßen Koalition, haben wir bei den Haushaltsberatungen
– jetzt wollte ich den Kollegen Willsch als Zeugen auf-
rufen, aber er ist nicht da – immer noch Geld obendrauf-
gepackt.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Der hat jetzt eine kleine Pause gemacht! Das steht ihm zu!)


Ich verweise auf das BAföG. Dort haben wir im parla-
mentarischen Verfahren erhebliche Mittel obendrauf-
gepackt.


(Patrick Meinhardt [FDP]: Beim BAföG? Überhaupt nicht! Falsch!)


Jetzt sind durch die Koalition sogar Mittel gestrichen
worden


(Ulrike Flach [FDP]: Das ist jetzt wirklich mutig!)


– ob das Ihre Leistung ist, weiß ich nicht –, beispiels-
weise beim Titel „Klimaforschung und Lebensraum
Erde“ haben Sie 4,5 Millionen Euro gestrichen. Liebe
Frau Flach, in den Bereichen, in denen es deutliche Kür-
zungen geben könnte, beispielsweise bei der Öffentlich-
keitsarbeit oder beim Personalaufbau, haben Sie im Ge-
gensatz zur Oppositionszeit jetzt keine Kürzungsanträge
gestellt. Die hätten wir gerne unterstützt. Ich muss sa-
gen: Die FDP ist als Tiger in der Opposition gestartet
und als Bettvorleger in der Koalition gelandet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Patrick Meinhardt [FDP])


– So ist es. Wenn man keine Konzepte hat, kann man das
sagen, lieber Kollege Meinhardt.

In den zurückliegenden Jahren hatte das Parlament
500 Millionen Euro mehr bewilligt, als im Laufe der
Zeit ausgegeben worden sind. Da muss man noch einmal
genauer hinschauen. Sie haben über die globale Minder-
ausgabe hinaus nicht alles Geld, das das Parlament zur
Verfügung gestellt hatte – in der letzten Legislatur-
periode 500 Millionen Euro –, verausgabt. Das fehlt na-
türlich Kindern, Jugendlichen, Bildung und Forschung.
Darauf müssen wir genauso hinweisen wie auf die Flops,
die wir festzustellen haben. Die Forschungsprämie ist zu
nennen. Ebenso das Technikum: 4 Millionen Euro Aus-
gaben, ein Praktikumsplatz, nein, zwischenzeitlich sind
zwei entstanden, habe ich gehört.


(Patrick Meinhardt [FDP]: Lächerlich!)


Unter anderem ist auch – das ist nicht lächerlich; das ist
alles vom Rechnungshof festgestellt – die fehlende Kon-
trolle der Bewilligungsbescheide durch das Ministerium
zu nennen. Das alles müssen wir in Erinnerung rufen
dürfen, lieber Kollege.


(Beifall bei der SPD – Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Das ist aus rot-grüner Zeit!)


Wir dürfen darauf hinweisen, dass ihr von Schwarz-Gelb
hier viel zu tun und im Ministerium darauf hinzuweisen
habt.





Klaus Hagemann


(A) (C)



(D)(B)


(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Das Aufräumen von dem, was ihr hinterlassen habt! Ganz genau!)


Die Ausgaben für die atomaren Altlasten in den For-
schungsreaktoren sind erneut gestiegen und steigen wei-
ter. Sie steigen ins Unermessliche; mit 4 Milliarden Euro
ist dafür zu rechnen. Die Atomwirtschaft in Hamm-
Uentrop lässt grüßen. Sie wird nicht herangezogen, oder
wenn, dann nur ein wenig. Diese Punkte sind als negativ
herauszustellen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In der Großen Koalition und auch unter Rot-Grün ha-
ben wir einiges bewegt und nach vorne gebracht, dessen
Ernte Sie jetzt einbringen können. Die Exzellenzinitia-
tive ist gestartet worden. Der Pakt für Forschung und
Innovation wurde unter Rot-Grün gestartet.


(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Bewilligungsbescheide versaut!)


Die Hightech-Strategie wurde in der Großen Koalition
gestartet. Herr Fischer, der Rechnungshofbericht zur
Umsetzung des Nationalen Entwicklungsplans Elektro-
mobilität liegt jetzt vor. Da ist festzustellen, dass bisher
nur wenig Geld verausgabt worden ist. Der Hochschul-
pakt I ist zu nennen. Mehr Studienplätze wurden
geschaffen. Nordrhein-Westfalen ist dabei stark im
Rückstand. Rheinland-Pfalz, mein Bundesland, hat
50 Prozent mehr Studienplätze geschaffen, als es sich
verpflichtet hatte. Das muss positiv erwähnt werden.


(Beifall bei der SPD – Patrick Meinhardt [FDP]: Die rote Brille!)


Der Clusterwettbewerb und viele andere Punkte sind zu
nennen.

Ich darf noch einmal an das Ganztagsschulpro-
gramm erinnern. Es ist notwendig, dies fortzusetzen.
Das hat auch Frau von der Leyen am Dienstag gesagt.
Das Ganztagsschulprogramm musste damals gegen hef-
tigsten Widerstand von Union und FDP durchgesetzt
werden.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht! – Ulrike Flach [FDP]: Nein! Nein! Lieber Herr Hagemann, wir haben zugestimmt!)


Frau Schavan, ich finde es ganz toll, dass Sie im Han-
delsblatt dafür einstehen, für Grundschulen 1 Milliarde
Euro mehr bereitzustellen.


(Beifall der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])


Ich finde es gut, dass Sie das ankündigen. Aber Sie ha-
ben zurzeit keine Kompetenz, das durchzusetzen. Denn
das Kooperationsverbot im Grundgesetz steht dagegen.
Lassen Sie uns gemeinsam dieses Kooperationsverbot
aus dem Grundgesetz streichen. Dann kann das Verspre-
chen von Frau Schavan auch umgesetzt werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben versucht, unser Wahlprogramm durch
Haushaltsanträge umzusetzen. Wir haben Anträge einge-
bracht, in denen wir fordern, dass das BAföG deutlich
erhöht wird und dass für eine „gute Lehre“ an den Hoch-
schulen mehr Geld zur Verfügung gestellt wird.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wie wollen Sie das finanzieren? Nachher sind es 160 Milliarden Schulden!)


– Es ist gegenfinanziert, lieber Herr Kollege
Schirmbeck.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703120300

Herr Kollege Hagemann.


Klaus Hagemann (SPD):
Rede ID: ID1703120400

Wir hätten mit unserem Konzept sogar weniger

Schulden aufgenommen als ihr. Wir sind nur – in Anfüh-
rungszeichen – bei 77 Milliarden Euro gelandet,


(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Durch Buchungstricks in den Einzelplänen 32 und 60!)


während ihr bei 80 Milliarden Euro liegt – Schulden-
rekord!


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703120500

Kommen Sie bitte zum Schluss.


Klaus Hagemann (SPD):
Rede ID: ID1703120600

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Wir wer-

den darauf hinarbeiten, dass unsere genannten Initiativen
und Anträge berücksichtigt und in Politik umgesetzt
werden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703120700

Das Wort hat der Kollege Eckhardt Rehberg von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1703120800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Kollege Hagemann, es ist immer sehr
leicht, uns auf der einen Seite mangelnden Sparwillen
vorzuwerfen – das haben Sie gerade wieder getan; aber
Sie arbeiten mit Buchungstricks in den Einzelplänen 32
und 60 –


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: So ist das!)


und sich auf der anderen Seite zu beklagen, dass hier und
da womöglich gestrichen worden ist. Dieser Haushalt,
Einzelplan 30, ist ein Aufwuchshaushalt. Dieser Haus-
halt für 2010 wächst im Vergleich zu 2009 um
660 Millionen Euro.


(Klaus Hagemann [SPD]: Das ist gesperrt!)






Eckhardt Rehberg


(A) (C)



(D)(B)

Die Bundesregierung, die Regierungsfraktionen haben
Wort gehalten. In der Krise wollen wir Bildung und For-
schung stärken. Das ist die Überschrift für diesen Einzel-
plan.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn wir als Haushälter uns darüber unterhalten, wie
denn die Steuermittel, die im Einzelplan 30 im Bereich
der Forschung eingestellt worden sind, eingesetzt wer-
den und welche Wirkungen sie entfalten, dann muss man
sich überlegen, Herr Kollege Hagemann, ob das wirklich
die Ernte der Saat ist, die Sie in den Boden gebracht ha-
ben, oder ob das die Ernte ist, die seit dem Jahr 2005,
seit Annette Schavan das Bildungs- und Forschungs-
ministerium führt, in den Boden gebracht wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn man sich die Entwicklung im Bereich der Pro-
jektförderung ansieht, stellt man fest: Hier ist ein Auf-
wuchs zu verzeichnen. Im Jahr 2005 gab es 11 500 Ein-
zelprojekte, heute gibt es 18 000. Das ist die erste
Schavan-Kurve, die ich Ihnen aufzeige.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Noch deutlicher wird diese Entwicklung am Auf-
wuchs der Mittel für die Projektförderung.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ja!)


Im Jahre 2004, also zu Ihrer Regierungszeit, waren es
1,8 Milliarden Euro, heute sind es 3,4 Milliarden Euro.
Das ist die zweite Schavan-Kurve, die ich Ihnen vor-
halte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Betrag
von 3,4 Milliarden Euro sagt eigentlich gar nichts aus.
Die Frage ist doch: Welche Wirkungen entfalten diese
Mittel?


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Richtig!)


Herr Kollege Hagemann, insgesamt 130 Berichte musste
uns das Ministerium innerhalb weniger Wochen zustel-
len; fünf Berichtsanträge davon waren von der Regie-
rungsfraktionen. Einer dieser Berichte ist hochinteres-
sant. Darin geht es um die Wirkungen des 6-Milliarden-
Euro-Programms und der Hightech-Strategie. Wenn Sie
sich diesen Bericht genau ansehen, stellen Sie fest, dass
darin die Wirkungen für die einzelnen Bereiche aufge-
führt sind: Umwelttechnologie 1,5 Millionen Arbeits-
plätze, optische Technologien 110 000 Beschäftigte.
Aber das ist nicht mein zentraler Punkt.

Mein zentraler Punkt ist, dass von externen Gutach-
tern nachgewiesen wurde, dass mit jedem im Bundes-
haushalt eingesetzten Euro im Durchschnitt 5,20 Euro
aufseiten der Wirtschaft aktiviert wurden. Das heißt,
600 Millionen Euro, die im Jahre 2009 investiert wur-
den, haben aufseiten der Wirtschaft 3 Milliarden Euro
aktiviert. Das ist aus meiner Sicht der Sinn von Politik:
dass wir Mittel einsetzen und dadurch die Wirtschaft an-
geregt wird. In diesem Fall hat sie die von uns eingesetz-
ten Mittel sogar verfünffacht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ludwig Ehrhard wäre stolz auf uns!)


Besonders abstrus finde ich in diesem Zusammen-
hang den Antrag der Linken. Darin wird ernsthaft vor-
geschlagen, bei der industrienahen Innovationsför-
derung 216 Millionen Euro zu streichen. Das betrifft
zwar den Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums,
das ZIM, aber ich frage Sie: Haben Sie sich wirklich gut
überlegt, was Sie da formuliert haben, Herr Kollege
Leutert?

Sie schreiben, diese Mittel sollten für strukturschwa-
che Regionen, für Klimaschutz und Ökologie zur Verfü-
gung gestellt werden. Wissen Sie eigentlich, dass ein
Drittel der ERP-Mittel in die Bereiche Ökologie und Kli-
maschutz fließt? Wissen Sie eigentlich – das sage ich im
Hinblick auf die strukturschwachen Regionen –, dass im
Jahr 2009 insgesamt 742 Millionen Euro aus dem ZIM
abgeflossen sind und davon ein Drittel, also etwa
250 Millionen Euro, in die neuen Bundesländer geflos-
sen ist?

Das, was Sie in Ihrem Antrag zur Hebelwirkung bei
den Arbeitskräften und zur Umsatzgenerierung schrei-
ben, können Sie nicht ernst meinen. 80 Prozent der Mit-
tel dieses Programms kamen kleinen und mittelständi-
schen Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten
zugute. Wir wären doch mit dem Klammerbeutel gepu-
dert, wenn wir das tun würden! Meine sehr verehrten
Damen und Herren von den Linken, ich kann Ihnen nur
den Rat geben: Ziehen Sie diesen unsinnigen Antrag zu-
rück. Diese Maßnahmen hätten verheerende Folgen, ins-
besondere für die neuen Bundesländer.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben etwas anderes getan – dafür bedanke ich
mich ganz ausdrücklich beim Ministerium und bei den
Kolleginnen und Kollegen der Arbeitsgruppen Bildung
und Forschung von CDU/CSU und FDP –: Wir haben
die Mittel für die Innovationsförderung in den neuen
Bundesländern um 6 Millionen Euro aufgestockt; denn
diese Mittel werden gut abgerufen.


(Ulrike Flach [FDP]: So ist das!)


Damit werden 17 Verbundprojekte in den neuen Ländern
gefördert. Hinzu kommen die Hebelwirkungen, die ich
dargestellt habe.

Aufgrund der demografischen Entwicklung, des
Rückgangs der Geburtenzahlen und des Rückgangs der
Schulabgängerzahlen haben wir uns darüber hinaus Ge-
danken gemacht: Was können wir tun, damit auch die
Hochschulen in den neuen Ländern Mittel und Möglich-
keiten haben, für sich zu werben? Wir haben eine Hoch-
schulmarketingkampagne speziell für die Hochschulen
in den neuen Bundesländern initiiert und dafür
2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Herr Kollege
Hagemann, all das ist auch gegenfinanziert.

Wir haben uns auch gefragt: Die Investitionen in wel-
che Zukunftstechnologien müssen wir erhöhen? Die
Mittel für die Entwicklung energieeffizienter Antriebs-
technologien werden um 1 Million Euro, die Mittel für





Eckhardt Rehberg


(A) (C)



(D)(B)

die Biotechnologie um 5 Millionen Euro und die Mittel
für die biomedizinische Forschung um 3 Millionen Euro
erhöht. Wir haben hier umgeschichtet und im Bereich
der Forschung Prioritäten gesetzt, weil wir fest davon
überzeugt sind, dass gerade der Bereich der Forschung
gestärkt werden muss, damit Deutschland seine Wettbe-
werbsfähigkeit und seine Exportfähigkeit behält und
ausbaut.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Herr Kollege Hagemann, damit hier keine Märchen
aufkommen: Die nicht geprüften Verwendungsnach-
weise sind eine Erblast von Rot-Grün. Ich will Ihnen das
ganz kurz mit einigen Zahlen belegen: 2005 waren knapp
4 000 Nachweise offen, 2009 noch 1 924, also knapp
2 000. Zugleich – ich habe das deutlich gemacht – hat
sich die Anzahl der Projektförderungen in diesem Zeit-
raum mehr als verdoppelt. Das heißt, das Schavan-Minis-
terium musste erst einmal den Müll aufräumen, den Rot-
Grün hinterlassen hat.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn Sie hier versuchen, den Eindruck zu erwecken,
dass diese offenen Nachweise ein Versäumnis des
BMBF unter Annette Schavan sind, kann man entgegen-
halten, dass diese Zahlen und der Bericht des Bundes-
rechnungshofes Ihre Behauptung deutlich widerlegen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703120900

Herr Kollege Rehberg, erlauben Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Hagemann?


Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1703121000

Aber gerne.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703121100

Herr Hagemann, bitte.


Klaus Hagemann (SPD):
Rede ID: ID1703121200

Herr Kollege Rehberg, sind Sie bereit, zur Kenntnis

zu nehmen, dass in dem abgestimmten Bericht des Bun-
desrechnungshofes – nach einer heftigen Diskussion im
Haushaltsausschuss; Sie erinnern sich – auch steht, dass
erneut Fälle dazugekommen sind und es noch einen rie-
sigen Rückstand gibt, dass Bewilligungsbescheide nicht
in der vorgeschriebenen Zeit kontrolliert worden sind?
Wollen Sie das zur Kenntnis nehmen?


Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1703121300

Das kann ich nicht zur Kenntnis nehmen; denn der

Sachstand ist: 2005 waren 4 000 Nachweise offen, heute
knapp 2 000. Das heißt, die Zahl der Altfälle wurde hal-
biert. Außerdem sind pro Jahr zwischen 3 000 und 4 000
neue Projektförderungen hinzugekommen. Das heißt, es
müssen neue Nachweisprüfungen durchgeführt werden.

Was Sie zu sagen versäumt haben: 2005 waren – nach
meiner Kenntnis – nur noch ein oder zwei Mitarbeiter
damit befasst, die Verwendungsnachweise zu prüfen.
Die Personalaufstockung von heute dient unter anderem
dazu, sicherzustellen, dass Projektförderungen sachge-
recht geprüft werden können, und selbstverständlich
vorab, damit überhaupt Projektförderungen initiiert wer-
den können. Wir räumen hier in zweierlei Hinsicht die
Altlasten weg, die Sie hinterlassen haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Willi Brase [SPD]: Aber Sie waren vier Jahre mit in der Regierung!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703121400

Herr Kollege Rehberg, auch die Kollegin Sitte hat das

Bedürfnis, Ihnen eine Frage zu stellen. Erlauben Sie das?


Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1703121500

Gerne.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703121600

Bitte.


Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703121700

Herr Kollege, ich möchte Ihnen keine Frage stellen,

sondern, wie es nach der Geschäftsordnung möglich ist,
eine Zwischenbemerkung machen.

Sie haben vorhin kritisiert, dass wir in unserem
Punkt 8 eine Kürzung bei der technologieorientierten In-
novationsförderung vorgeschlagen haben. Erstens han-
delt es sich um eine Kürzung der Steigerung, die Sie vor-
gesehen haben.


(Heiterkeit des Abg. Georg Schirmbeck [CDU/CSU])


– Ja, das muss man einmal sagen. – Zweitens haben wir
uns vor allem auf die Bereiche konzentriert, in denen die
Abflüsse in den vergangenen Jahren vor allem an große
Unternehmen gegangen sind, die bereits technologie-
stark sind. Wir haben dann vorgeschlagen – damit mache
ich Sie auf einen Fehler beim Lesen aufmerksam –, dass
die Projektförderung des Bundes – ich zitiere – an Krite-
rien wie Unterstützung strukturschwacher Regionen,
Klimaschutz, Ökologie und öffentliche Gesundheit ge-
koppelt werden. – Da gibt es, wenn ich Sie richtig ver-
standen habe, keine Differenzen. Sie haben aus diesem
Antrag aber offensichtlich das Gegenteil herausgelesen.
Insofern lege ich Wert auf diese Korrektur.

Und Sie haben den letzten Satz unterschlagen. Wenn
wir alle wissen, dass der Haushalt, der zur Verfügung
steht, nicht unbegrenzt ist, muss man in der Tat politi-
sche Prioritäten setzen. Die politische Priorität, die wir
setzen, besteht darin, diese Mittel umzuverteilen, sie
dem Bildungs- und Hochschulsektor zugutekommen zu
lassen. Wir wissen doch, dass dieser Sektor massiv un-
terfinanziert ist und in der nächsten Zeit, insbesondere
auf dem zweiten Bildungsgipfel, über Verbesserungen
verhandelt wird.


Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1703121800

Frau Kollegin Sitte, es tut mir leid: Ein Minus ist bei

mir immer noch ein Minus.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Dafür gibt es einen Aufwuchs an anderer Stelle!)






Eckhardt Rehberg


(A) (C)



(D)(B)

Wir haben uns politisch dafür entschieden, die Mittel
für die Innovationsförderung zu steigern. Wenn Sie
vorschlagen, diese Mittel um 216 Millionen Euro zu kür-
zen, dann sind das 216 Millionen Euro weniger.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Nein! Wir wollen, dass dieses Geld der Bildungsund Hochschulsektor bekommt!)


Frau Kollegin, Sie müssen doch bitte einmal zur Kennt-
nis nehmen, dass wir im Bildungsbereich einen Auf-
wuchs um 400 Millionen Euro veranschlagt haben.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: 350 Millionen Euro!)


– Entschuldigung, 350 Millionen Euro. 400 Millionen
Euro sind es bei der Forschung. Sorry, ich korrigiere
mich hier gerne.

Frau Kollegin Sitte, kommen Sie mir bitte nicht mit
Haushalts- und Fiskalpolitik. Sie haben im Gesamtetat
2010 einen Aufwuchs von 45 Milliarden Euro beantragt.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hallo!)


Allein für den Einzelplan 30 haben Sie 1,3 Milliarden
Euro mehr beantragt. Das halte ich nicht nur für politisch
fragwürdig, sondern ich halte es auch für unverantwort-
lich, eine solche Politik auf Kosten der Kinder und Kin-
deskinder zu machen, Frau Kollegin Sitte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Michael Leutert [DIE LINKE]: Bei 80 Milliarden Euro neuen Schulden ist das ein schlechtes Argument!)


– Herr Leutert, ich sage Ihnen nur eines losgelöst von
der Bildungs- und Forschungspolitik: Allein der Zu-
schuss für den Gesundheitsfonds und die Arbeitslo-
senversicherung beträgt insgesamt 18 Milliarden Euro.
Dafür verwenden wir Steuermittel, wodurch wir alles
belasten: zum Beispiel Mieten und Pachten und insbe-
sondere die hohen Einkommen, weil 60 Prozent der
Steuern von den 10 Prozent der Steuerpflichtigen gezahlt
werden, die am meisten Steuern bezahlen. Wir erhöhen
eben nicht die Arbeitslosenbeiträge oder die Versiche-
rungsbeiträge, wodurch der kleine Mann belastet würde.


(Klaus Hagemann [SPD]: Das kommt noch! – Michael Leutert [DIE LINKE]: Das kommt noch! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Was machen Sie im Juni? Geben Sie es doch zu!)


– Nein, wir machen das ganze Gegenteil. In diesen
80 Milliarden Euro stecken die 18 Milliarden Euro sehr
wohl mit drin.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Totenstille!)


Die ganze Gesellschaft hat eine Herausforderung zu
bestehen, und zwar den massiven Rückgang der Zahl der
Geburten und damit den massiven Rückgang der Zahl
der Schulabgänger. In dem Haushalt werden genau hier
Prioritäten gesetzt, obwohl – das sage ich ganz aus-
drücklich – Schulpolitik nicht Bundessache ist.


(Klaus Hagemann [SPD]: Deswegen: Kooperationsverbot raus!)

Der Bund und die Koalitionsfraktionen stellen sich aber
diesen Herausforderungen.

Eine Herausforderung ist unter anderem – das hängt
beides zusammen –, dass im Schnitt 8 Prozent der Schul-
abgänger – in der Spitze sind es 12,7 Prozent – keinen
Schulabschluss haben. Die durchschnittliche Rate von
Ausbildungsabbrüchen beträgt knapp 22 Prozent; es geht
bis zu 26 Prozent. Gerade im Bildungsbereich müssen Sie
sich die Aufwüchse anschauen.

Herr Kollege Hagemann, es ist jetzt Mitte März. Vor
fünf Monaten wurde die Bundesregierung gebildet. Des-
wegen bringen wir als Haushälter selbstverständlich
Sperren aus – das ist unser gutes Recht –,


(Klaus Hagemann [SPD]: Ja, natürlich!)


weil wir fragen wollen, wie effizient die Programme
sind, die es geben wird. Ich denke, dass genau dies die
richtigen Ansätze sind.

Ich nenne zum Beispiel die Stärkung der Leistungsfä-
higkeit des Bildungswesens mit 95 Millionen Euro, die
Sprachförderung, die außerschulische Bildung, die früh-
kindliche Bildung, die Gestaltung der neuen Ganztags-
schulangebote, lokale Bildungsbündnisse und das För-
derprogramm „Lernen vor Ort“. Daneben investieren
wir 370 Millionen Euro in die berufliche Bildung. Wir
wollen die Berufsorientierung nach der 7. Klasse stärken
und fördern, damit es nicht mehr zu so vielen Abbrüchen
kommt. Ich denke, genau dies ist die richtige Politik.

Ein Letztes, das Thema BAföG.


(Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703121900

Entschuldigen Sie einen kleinen Moment, Herr Kol-

lege Rehberg. – Zwischenfragen sind erwünscht, aber
wenn es zu viele werden, dann entsteht ein falscher Ein-
druck der Debatte.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber eine wichtige Frage!)


Ich frage Sie jetzt noch einmal: Erlauben Sie eine
Zwischenfrage des Kollegen Rossmann?


Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1703122000

Nein, ich möchte jetzt zum Schluss kommen.


(René Röspel [SPD]: Ich erinnere mich bisher nur an zwei Zwischenfragen!)


Da die Uhr weitergelaufen ist, Herr Präsident, erhöhe ich
meine Redezeit mit Ihrem Einverständnis noch einmal
um 30 Sekunden.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann gibt es eine Kurzintervention! Das dauert wieder!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703122100

Ja.






(A) (C)



(D)(B)


Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1703122200

Ganz kurz noch zum BAföG. Da Sie sich als SPD hier

hinstellen und über BAföG-Steigerungen reden, lassen
Sie mich eines noch kurz andeuten: In Ihrer Regierungs-
zeit stieg das BAföG für die Studierenden innerhalb von
sieben Jahren um 34 Euro, unter Ministerin Schavan
stieg es für die Studierenden innerhalb von fünf Jahren
um 108 Euro.

Das heißt, bei uns stimmen Anspruch und Wirklich-
keit und bei Ihnen nicht.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus Hagemann [SPD]: Da mussten wir Frau Schavan zum Jagen tragen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703122300

Der Kollege Rossmann wünscht jetzt das Wort zu ei-

ner Kurzintervention. In Anbetracht der fortgeschritte-
nen Stunde darf ich Sie aber bitten, in Zukunft auf zu
viele Zwischenfragen und Kurzinterventionen zu ver-
zichten.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Bildung ist wichtig!)


Herr Rossmann, Sie haben das Wort. Bitte.


Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1703122400

Herr Präsident, diese Kurzintervention ist darin be-

gründet, dass wir als Opposition aufmerksam zuhören,
wenn etwas gänzlich Neues verkündet wird. Eben war
nämlich die Rede davon, dass es ein neues Ganztags-
schulprogramm geben soll. Weil die Ganztagsbetreu-
ung in Deutschland so wichtig ist und wir alle in diesem
Hause wissen, dass sie mit Gerhard Schröder und
Edelgard Bulmahn ihren Anfang genommen hat, die da-
für 4 Milliarden Euro bereitgestellt haben, interessiert es
uns natürlich, wenn ein Abgeordneter der hochmächti-
gen Regierungsfraktion jetzt ein neues Ganztagsschul-
programm ankündigt. Deshalb sind wir ausgesprochen
interessiert daran, zu hören, mit wie vielen Milliarden
Euro Ihr neues Ganztagsschulprogramm ausgestattet ist.

Im Übrigen würde ich in dieser Kurzintervention gern
noch darauf hinweisen, dass immer gesagt wird, es gebe
einen Verzug in Bezug auf innovative Maßnahmen. Ich
möchte die Kollegen der jetzigen Mehrheitsfraktionen
daran erinnern, dass wir schon viel weiter gewesen wä-
ren, wenn Sie den Vorstoß, den Gerhard Schröder da-
mals gemacht hat, mitgetragen und ihn nicht dreieinhalb
Jahre blockiert hätten. Dieser sah nämlich vor, 6,6 Mil-
liarden Euro aus der Eigenheimzulage in Innovation für
Bildung und Forschung umzuwidmen. Wenn Sie diese
Mittel freigegeben hätten, wäre das eine gute gemein-
same Bilanz geworden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir dürfen mit Recht feststellen, dass wir gemeinsam
für das BAföG streiten. Die ganze Wahrheit ist aber,
dass es bei diesem Thema in der Großen Koalition ge-
wiss ein bisschen Gerangel gegeben hat. Wenn aber je-
mandem das Verdienst gebührt, die BAföG-Reform der
Großen Koalition gegen verschiedene Widerstände am
Ende durchgesetzt zu haben, dann geht der Blumen-
strauß an Peter Struck, den damaligen Fraktionsvorsit-
zenden. Er hat diesen Weg nämlich mit freigemacht. Es
wäre nur ehrlich, dass wir anerkennen, es hat eine Leis-
tung in der Großen Koalition gegeben, und Sie anerken-
nen: Da hat die SPD und ihr Fraktionsvorsitzender der
Bundesbildungsministerin einen gehörigen Schub gege-
ben, als es darum ging, sich gegen den Finanzminister
und dessen Kalkulationen durchzusetzen. Diese Ehrlich-
keit darf man einfordern, wenn wir einen sachlichen
Aussprachekreis in Bezug auf die Bildung und For-
schung in den letzten Jahren und in der Zukunft pflegen
wollen.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703122500

Ich erteile Herrn Rehberg zur Erwiderung das Wort.


Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1703122600

Ich halte mich, wie versprochen, kurz. Zum BAföG:

Herr Kollege, ich bin immer dafür, dass wir unsere Er-
folge gemeinsam verkaufen. Ich wende mich aber dage-
gen, dass man so tut, als ob man in Bezug auf das
BAföG auf einmal den Stein der Weisen erfunden hat,
und anderen vorwirft, nichts oder zu wenig zu tun.


(René Röspel [SPD]: Deswegen sollten Sie das auch nicht tun!)


Wir können beide gern in eine Diskussion über die
Steuerpolitik von Rot-Grün einsteigen. Da fällt mir ins-
besondere ein Ereignis ein:


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Eigenheimzulage!)


die Steuerreform 2000. Sie haben für die steuerliche Frei-
stellung der Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen an
Kapitalgesellschaften gestimmt. Das Minus bei den Ein-
nahmen aus der Körperschaftsteuer betrug 24 Milliarden
Euro. Kumulativ waren das 120 Milliarden Euro. Wenn
Sie das nicht getan hätten, dann hätten Sie in Ihrer rot-
grünen Zeit genug Geld gehabt, um mehr für Bildung und
Forschung zu tun.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Halten wir fest: kein neues Ganztagsschulprogramm! – Klaus Hagemann [SPD]: Den Mund zu voll genommen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703122700

Das Wort hat der Kollege Michael Leutert von der

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) (C)



(D)(B)


Michael Leutert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703122800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Ministerin, der hier vorgelegte Haushalt ist durch
drei Merkmale gekennzeichnet. Erstens: Alte Probleme
werden nicht angegangen. Zweitens: Fehlentwicklun-
gen werden nicht korrigiert. Drittens: Sie verwechseln
Überschriften mit Konzepten.

Zum ersten Punkt: Seit Jahren ist allen das Problem
des Fachkräftemangels bekannt. Lösen kann man es un-
ter anderem durch Weiterbildung. Viele Menschen mit
geringem Einkommen – das gilt insbesondere für die
über 30-Jährigen – können sich die Weiterbildung aber
nicht leisten. Genau aus diesem Grund brauchen wir ein
Erwachsenenbildungsförderungsgesetz: um den Betrof-
fenen finanziell unter die Arme zu greifen.


(Beifall bei der LINKEN)


Das hat im Übrigen schon 2004 eine unabhängige Ex-
pertenkommission der Bundesregierung festgestellt. Sie
hat den exakt gleichen Weg vorgeschlagen. Getan hat
sich vonseiten der Regierung aber nichts. Wir Linken ha-
ben wiederholt einen Antrag gestellt, den Sie im Aus-
schuss aber leider abgelehnt haben.

Ein zweites Beispiel für nicht angegangene alte Pro-
bleme ist der Hochschulpakt. Auch hier ist seit langem
bekannt, dass es eine Diskrepanz zwischen ständig stei-
genden Studierendenzahlen und einer zu geringen Anzahl
an zur Verfügung stehenden Studienplätzen gibt. Darauf
wurde schon im Jahr 2006 durch die Hochschulrektoren-
konferenz hingewiesen. Zur Lösung des Problems wurde
ein Mehrbedarf von 2,3 Milliarden Euro – und zwar jähr-
lich – festgestellt. Im vorgelegten Haushalt werden für die
Verbesserung der Studienkapazitäten gerade einmal
250 Millionen Euro eingeplant. Aber auch hier haben Sie
die Möglichkeit, dem Antrag der Linken zuzustimmen.

Zum zweiten Punkt: Fehlentwicklungen, die nicht
korrigiert werden. Seit Jahren weisen wir Linken darauf
hin, dass es notwendig ist – Herr Kollege Rehberg, wir
hatten das Thema gerade –, bei Förderinstrumenten auf
Synergieeffekte zu setzen. Wenn man zum Beispiel beim
Spitzenclusterwettbewerb Forschung und Entwicklung
als Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft för-
dern will, dann sollte auch die Förderung strukturschwa-
cher Regionen als Kernaufgabe enthalten sein. Wenn
dem nicht so ist, gewinnen wirtschaftlich eh schon stark
entwickelte Regionen. Man sieht das, wenn man einen
Blick auf die Liste der Gewinner der zweiten Runde des
Spitzenclusterwettbewerbs wirft: Dort ist kein ostdeut-
sches Projekt mehr vertreten.

Wir sagen Ihnen deshalb ganz klar: Sie sollten die für
den Spitzenclusterwettbewerb vorgesehenen zusätzli-
chen Mittel in Höhe von 15 Millionen Euro besser für
die Förderung der Forschung an Fachhochschulen aus-
geben. Gerade in strukturschwachen Regionen trägt die
anwendungsnahe Forschung zur Stärkung regionaler
Wirtschaftsstrukturen bei.


(Beifall bei der LINKEN)


Zum dritten Punkt: Wo sind die Konzepte, die zu den
Titeln gehören? Man muss schon sagen: Respekt! Ich
habe es im Haushaltsausschuss ebenfalls angesprochen:
Die Abteilung Überschriften hat zumindest in quantita-
tiver Hinsicht sehr gut gearbeitet. Es ist die Rede von
Bildungsbündnissen, -allianzen und -pakten, die ge-
schmiedet werden sollen, von Zukunftskonten, Bil-
dungsschecks usw. Die Konzepte dazu haben wir aber
nicht bekommen. Wenn es Vorüberlegungen gibt, lassen
sie nichts Gutes erahnen. Das möchte ich an zwei Bei-
spielen aufzeigen.

Erstens: die lokalen Bildungsbündnisse. Dafür woll-
ten Sie 32 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Die
Kollegen aus Ihren Fraktionen haben die Summe in ih-
ren Verhandlungen schon auf 21 Millionen Euro zusam-
mengekürzt. Bis heute habe ich auf meine mehrmaligen
Nachfragen nach den Konzepten keine Antwort bekom-
men. Herr Kollege Rehberg, Sie hatten so schöne
Schavan-Diagramme dabei; ich habe zwei Schavan-Be-
richte mitgebracht. Ich habe zum einen eine halbe DIN-
A-4-Seite erhalten. Die Kernaussage steht im letzten
Satz: Derzeit wird ein detailliertes Förderkonzept erar-
beitet.

Zweitens: Zukunftskonten. Hier liegt ebenfalls kein
Konzept vor. In diesem Fall habe ich eine Antwort von
nicht einmal einer halben Seite, den zweiten Schavan-
Bericht, erhalten; ich habe ihn mitgebracht. Hier steht,
dass Gelder für die vorbereitenden Aktivitäten zur Ent-
wicklung eingeplant werden sollen.

Hier wird allen Ernstes von uns erwartet, dass wir
Projekten zustimmen, für die es keine Konzepte gibt und
bei denen wir nicht wissen, wohin die Reise gehen soll.


(Ulrike Flach [FDP]: Sie hätten ja mit sperren können!)


Frau Ministerin, das, was man den knappen Zeilen
der beiden Blätter entnehmen kann, zeigt allerdings, in
welche Richtung in Ihrem Haus gedacht wird: Letztend-
lich planen Sie eine weitere Privatisierung der Bil-
dungsvorsorge. Durch den ganzen Haushalt zieht sich
der Gedanke: Wer Bildung will, soll in Zukunft dafür be-
zahlen. Es ist hier hinlänglich bekannt, dass Sie für Stu-
diengebühren sind.


(Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Wir erweitern das BAföG! Ist das angekommen?)


Ich halte es aber schon für ein starkes Stück, dass Eltern
jetzt auch noch Bildungskonten für ihre Kinder – ähnlich
der Riester-Rente oder einem Bausparvertrag – anlegen
sollen. Dabei ist völlig ungeklärt: Was passiert eigentlich
mit den Leuten, die nicht sparen können? Was ist mit
den Leuten, die gespart haben, aber in Hartz IV fallen?
Werden die Bildungskonten dann als Vermögen ange-
rechnet und abgezogen? Wie sind da Ihre Vorstellungen?

An anderer Stelle sprechen Sie davon, den Kindern
Schecks für ihre Bildung auszuhändigen. Vielleicht ist
das eine gute Vorbereitung auf Bildungsgutscheine, die
sie später vom Amt erhalten könnten; aber ich glaube,
das kann nicht Sinn und Zweck der Sache sein. Ich
möchte gerne wissen, wer auf die Idee gekommen ist, ei-
nem Kind mit einem Scheck zu zeigen, was sein Schick-
sal der Gemeinschaft wert ist.





Michael Leutert


(A) (C)



(D)(B)

Frau Ministerin, das, was Sie hier vorhaben, ist unso-
zial. Das kann man nur ablehnen; wir Linken werden es
auch ablehnen. Um es zusammenzufassen: Der Haushalt
setzt die falschen Schwerpunkte, ist nicht mit Konzepten
untermauert und enthält stattdessen unsoziale Ideen. Aus
diesen Gründen müssen wir diesen Haushalt ablehnen.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703122900

Das Wort hat die Kollegin Ulrike Flach von der FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1703123000

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Man kann in diesen Tagen sehr viel über die Koali-
tion und ihre Außendarstellung lesen; man kann auch
sehr viel darüber diskutieren. Eines kann man aber über-
haupt nicht sagen: dass wir uns an der wichtigsten Stelle
der deutschen Politik, bei der Stärkung von Bildung und
Forschung, nicht einig sein sollten. Dieser Haushalt steht
sozusagen als Leuchtturmprojekt für genau dieses Ziel.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Man kann sich natürlich in einzelnen Millionen und
Milliönchen verfangen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Milliönchen“ passt!)


Fakt ist aber, dass wir in den Koalitionsverhandlungen
ein Plus von 12 Milliarden Euro ausgehandelt haben.


(Klaus Hagemann [SPD]: Das steht noch nicht im Gesetz!)


Das unterscheidet uns beträchtlich von Ihnen. Lieber
Herr Hagemann, Ihnen ist das nie gelungen.


(Klaus Hagemann [SPD]: Das stimmt nicht!)


Dieses Plus von 12 Milliarden Euro macht sich im Haus-
halt natürlich auch entsprechend bemerkbar; das ist doch
gar keine Frage.

Herr Rehberg hat bereits auf die 700 Millionen Euro
zusätzlich in diesem Jahr hingewiesen – plus Verpflich-
tungsermächtigung! Wir Haushälter wissen, wie schwie-
rig es ist, beim BMF Verpflichtungsermächtigungen
durchzusetzen. Herr Hagemann, ich schätze Sie ja sehr,
aber ich muss Sie doch einmal fragen: Wie kommen Sie
auf die verwegene Idee, dass wir wegen einer Landtags-
wahl ein solch großes Projekt gefährden würden?


(Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie machen schon seit Monaten nichts anderes in diesem Hause! Stillstand pur! Seit Monaten!)


Es geht um ein Plus-Projekt, lieber Herr Hagemann, das
selbstverständlich umgesetzt wird. Dafür stehen wir.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Eben, für den Stillstand!)


Warum sollten wir plötzlich auf die wirklich verwegene
Idee kommen, zusätzliche Investitionen in Bildung und
Forschung nach einer Landtagswahl zurückzunehmen?
Bei aller Liebe und bei der Vorliebe der SPD im Augen-
blick zur Rumklopferei: Halten Sie uns für fahrlässig?


(Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!)


Das ist ein sehr ernstes Projekt. Jeder, der mich kennt
– ich bin seit zehn Jahren im Bundestag –, weiß, wie
sehr ich für Bildung und Forschung stehe und wie stolz
wir darauf sind, dass wir das umsetzen. Sie haben mein
Wort dafür, dass dies so sein wird.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – René Röspel [SPD]: Auch das Wort des Finanzministers?)


– Ja, auch das Wort des Finanzministers.

Wir haben hier eine Variante. In diesem Haushalt ist
es zum ersten Mal so, dass das BMBF Mittel für FuE für
andere Ministerien verteilen soll. Herr Rehberg und ich
haben uns sehr intensiv dafür eingesetzt:


(Klaus Hagemann [SPD]: Mit unserem Druck!)


Wir sind stringent dafür, dass das in Zukunft direkt bei
den anderen Ministerien angesiedelt wird, und zwar mit
dem strikten Vermerk, den wir dem Finanzministerium
erst abringen mussten, dass das ausschließlich für FuE
eingesetzt wird, also nicht für Schreibmaschinen, nicht
für Kaffeemaschinen und sonst etwas, sondern für Sa-
chen, die wir in die Zukunft dieses Landes investieren
wollen.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das beruhigt uns jetzt! – Michael Leutert [DIE LINKE]: Warum lachen Sie eigentlich die ganze Zeit? – Heiterkeit im ganzen Hause)


– Liebe Kollegen, ich habe einfach eine gewisse Sympa-
thie für Sie. So ist das.


(Heiterkeit im ganzen Hause)


Lassen Sie mich aber etwas zu einem Punkt sagen,
der mir schon Sorgen bereitet, über den wir seit vielen
Jahren diskutieren und von dem Sie wissen, dass die Bil-
dungspolitiker der FDP zu Teilen – nicht alle – immer
der Meinung waren, dass es ein Fehler war: das Koope-
rationsverbot. Mein Hauptbemühen in den nächsten
Monaten wird darauf liegen, gemeinsam mit Herrn
Rehberg sicherzustellen, dass wir diese zusätzlichen
Mittel auch wirklich in den Ländern anlanden können,


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Klaus Hagemann [SPD]: Den Gemeinden!)


und zwar trotz des Fehlers, den Sie gemeinsam mit der
CDU/CSU begangen haben.


(Klaus Hagemann [SPD]: Und Teilen der FDP!)






Ulrike Flach


(A) (C)



(D)(B)

Das ist des Mutes unserer Bildungsministerin wert, die
an dieser Stelle bekanntlich über ihren Schatten springen
muss. Das tut sie aber. Für uns ist wirklich entscheidend,
dass wir das zusätzliche Geld in den Ländern anlanden
können. Das ist gut für unsere Kinder, und dafür steht
diese Koalition.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die FDP hat sich schon wieder davon distanziert!)


Wir als Haushälter haben noch eine weitere Erblast
von Ihnen übernommen, nämlich den wunderbaren euro-
päischen Windkanal. Herr Hagemann, Sie haben uns
damals gefragt: Setzt ihr das jetzt wirklich um? Ich habe
Ihr Scheitern in dieser Hinsicht noch gut in Erinnerung.
Uns ist es gelungen. Wir setzen es um. Wir setzen es hin
zum Wirtschaftsministerium. Dahin gehört es nämlich,
weil es um Raum- und Luftfahrt geht.


(René Röspel [SPD]: Sie haben Erfahrung im Produzieren von heißer Luft!)


Wir werden natürlich sehr stringent auf das Wirt-
schaftsministerium schauen; denn dort gibt es eine ganze
Reihe von ähnlichen Projekten. Wir werden darauf
schauen, dass das effizient eingesetzt wird. Wir werden
darauf schauen, dass die Wirtschaft an dieser Stelle Geld
ins System gibt, was die FDP seit vielen Jahren fordert.
Lieber Herr Hagemann, das ist Ihnen nie gelungen. Sie
haben immer nur gesagt: Die Wirtschaft profitiert davon. –
Nie haben Sie zusätzliches Geld hereinbekommen. Das
ist aber unser Ziel, und wir sind jetzt den ersten Schritt
gegangen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703123100

Frau Kollegin Flach, erlauben Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Hagemann?


Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1703123200

Natürlich.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das ist nicht so natürlich! Das haben wir eben gemerkt!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703123300

Bitte, Herr Hagemann.


Klaus Hagemann (SPD):
Rede ID: ID1703123400

Frau Kollegin Flach, Sie haben richtig gesagt, dass

wir uns da bemüht haben. Sind Sie bereit, auch mitzutei-
len, dass Sie eine kräftige Morgengabe, ein Hochzeitsge-
schenk, nämlich 800 000 Euro, mitgegeben haben, damit
die Zuständigkeit für den Windkanal von einem Ministe-
rium zum anderen wechseln kann?


Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1703123500

Lieber Herr Hagemann, Sie machen jetzt Wind.


(Beifall bei der FDP)

Wenn der Windkanal im Wirtschaftsministerium ord-
nungsgemäß angesiedelt wird, dann ist sicherlich ein In-
vestitionszuschuss notwendig. Das wissen Sie genauso
gut wie ich. Natürlich mangelt es beim Windkanal an In-
vestitionen. Das BMBF hat es nicht leisten können. Im
BMWi werden wir nun dafür sorgen, dass es passiert.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Turbo-Injection!)


– So ähnlich.

Unter dem Strich sind sich die Haushälter der Koali-
tion mit diesem Haushalt der Verantwortung für die Zu-
kunft dieses Landes voll bewusst. Ich will bei dieser Ge-
legenheit auf das BAföG verweisen. Ich habe genauso
wie Herr Rossmann und die meisten anderen noch er-
lebt, dass Frau Bulmahn mit ihrem Korbmodell schei-
terte. Ich bin froh und glücklich, dass es jetzt offensicht-
lich mit der Mehrheit dieses Hauses gelingt, das BAföG
auf solidere Beine zu stellen. Ich kann Ihnen für die FDP
sagen, dass das wahrscheinlich noch nicht das Ende vom
Lied ist; denn es kommt darauf an, dass wir Menschen
unterstützen, die sich sonst keine Bildung leisten kön-
nen. Dazu gehört zwingend das zweite Bein, nämlich
Stipendien. Ich will genauso wie beim letzten Mal an
dieser Stelle darauf verweisen, welch ein erfolgreiches
Modell wir hier auf den Weg bringen.


(Beifall bei der FDP)


Da Sie so gerne nach den Prozenten fragen: Die neu-
este Prozentzahl für NRW besagt, dass 37 Prozent der
Geförderten aus bildungsfernen Schichten kommen und
einen Migrationshintergrund haben. Lieber Herr
Rossmann, was wollen Sie eigentlich noch mehr?


(Klaus Hagemann [SPD]: Mehr!)


– Noch mehr? Das ist ja toll. Wir sind gerne bereit, noch
mehr zu tun. Aber Ihre Modelle haben null Prozent ge-
bracht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wir bringen hier ein Modell auf den Weg, welches
dazu führen wird, dass auch bildungsferne Schichten
Bildung bekommen. Das ist nach rund zehn Jahren SPD-
Regierung auch dringend notwendig.


(Klaus Hagemann [SPD]: Sogar die Wirtschaft hat Bedenken!)


Wir werden uns in den nächsten Monaten auf aus-
drücklichen Wunsch der Gesundheitspolitiker mit dem
Fakt befassen, dass der Hochschulpakt offensichtlich
dazu tendiert, Studienplätze nicht im teuren, sondern im
preisgünstigen Bereich in den Ländern zu fördern. Ich
bitte Sie hier um Ihre Unterstützung;


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Die Regierung oder uns?)


denn wir brauchen Ärzte in diesem Land. Ich bin fest
davon überzeugt, dass wir hier gemeinsam etwas auf den
Weg bringen müssen. Nordrhein-Westfalen hat einen
Vorschlag gemacht. Ich bitte Sie alle, sich in Ihren Län-
dern diesen Vorschlag anzuschauen und darüber nachzu-





Ulrike Flach


(A) (C)



(D)(B)

denken, wie wir gemeinsam die medizinische Versor-
gung in diesem Land verbessern können.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Meinen Sie uns? – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht an alle MPs!)


Lassen Sie es uns anpacken, Herr Gehring. Das wird hel-
fen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703123600

Das Wort hat die Kollegin Krista Sager von

Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703123700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bun-

desregierung hat angekündigt, sich mit 40 Prozent an der
Deckung der Finanzierungslücke beim Zehn-Prozent-
Ziel im Bereich Forschung und Bildung zu beteiligen.
Schauen wir uns die Entwicklung genau an. Als Erstes
wird in Kumpanei von Bund und Ländern die Finan-
zierungslücke schöngerechnet. Sie wird um ungefähr
10 Milliarden auf 13 Milliarden Euro heruntergerechnet.
Das bedeutet für den Bund eine Reduzierung seiner Ver-
pflichtungen um 4 Milliarden Euro bis 2015. Das ist
nicht gerade wenig. Sie können die Finanzierungslücke
zwar schönrechnen, aber die Probleme im Bildungssys-
tem werden dadurch nicht geringer.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Geldlücke korrespondiert leider mit ganz konkreten
Defiziten bei der Kinderbetreuung an den Hochschulen.
Durch Rechentricks verschwindet kein einziges Defizit.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn aber 85 Prozent der öffentlichen Bildungsaus-
gaben von Ländern und Gemeinden geleistet werden,
dann ist es von zentraler Bedeutung, ob das Geld, das
der Bund mehr ausgeben will, überhaupt dort ankommt,
wo die Hauptprobleme in unserem Bildungssystem be-
stehen.

Herr Rehberg, Sie haben hier schlicht die Unwahrheit
gesagt. Das Ganztagsschulprogramm von Rot-Grün läuft
aus, und es gibt keine Fortsetzung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Was findet stattdessen statt? Die Bundesministerin denkt
sich stattdessen ein teures Begabtenförderungspro-
gramm aus,


(Patrick Meinhardt [FDP]: Sehr gut!)


das an den Hauptproblemen vorbeigeht, will aber, dass
die Länder dieses mitfinanzieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das heißt, dass die Länder noch weniger Geld zur Verfü-
gung haben, um die eigentlichen Hauptprobleme im Bil-
dungssystem zu bearbeiten. Sie schließen hier nicht eine
Lücke, sondern Sie schaffen zusätzliche Probleme. So
sieht es nämlich aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Jetzt haben Sie – das konnte man heute in den Zeitun-
gen lesen – angekündigt, Sie wollten die Steuerreform
doch ganz schnell vorziehen und auf den Weg bringen.
Diese Ankündigung ist ein direkter Anschlag auf die Bil-
dungspolitik in den Ländern und Gemeinden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Patrick Meinhardt [FDP]: Von Finanzen keine Ahnung!)


Wir alle wissen doch, wie es in den Haushalten der Län-
der und Gemeinden aussieht. Es ist die Rede von 10 bis
20 Milliarden Euro Mindereinnahmen durch diese Steu-
erreform. Frau Flach, ich frage Sie: Wo ist denn da das
Leuchtturmprojekt für die Bildung? Sie reißen eine rie-
sige Lücke und sagen dann, dass Sie sich am Lücken-
schluss beteiligen. Das kann doch wohl kein Leucht-
turmprojekt sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Patrick Meinhardt [FDP]: Wir vertrauen den Menschen!)


Die Konstruktionen, mit denen Sie versuchen, die Barri-
eren zu umschiffen, die Sie sich mit der Föderalismus-
reform selber aufgebaut haben, sind inzwischen nur
noch peinlich und an Abenteuerlichkeit kaum noch zu
überbieten,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


ob das das Konjunkturprogramm oder Ihre Bildungs-
bündnisse vor Ort sind. Inzwischen sind ganze Heer-
scharen von Beamten in Bund und Ländern nur noch
damit beschäftigt, zu klären, wie man Verfassungspro-
bleme löst, statt damit, wie man die Probleme in der Bil-
dung löst. Das ist wirklich absurd.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Jetzt wird es interessant: Frau Schavan – das hat man
jetzt lesen können –, Sie haben sich in der Frage der ge-
samtstaatlichen Verantwortung für die Bildung gewisser-
maßen von der Saula zur Paula gewandelt.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Dass Sie irgendwann merken, dass Sie als Bundesminis-
terin nicht die ganze Zeit mit Ihrer baden-württembergi-
schen Landesbrille herumrennen können, war abzuse-
hen;


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)






Krista Sager


(A) (C)



(D)(B)

denn schließlich kann man nicht jahrelang als Bundes-
bildungsministerin erklären, dass man für die Hauptpro-
bleme im Bildungssystem keinerlei Zuständigkeit hat.
Wir alle machen Fehler. Leider ist es aber so, dass Herr
Müntefering und Herr Stoiber – das sind nämlich die
Hauptverantwortlichen gewesen – sich mit dem Grund-
gesetz eine ziemlich schlechte Spielwiese zum Begehen
von Fehlern ausgesucht haben, weil man die Fehler lei-
der nur schwer rückgängig machen kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Interessant finde ich schon, dass Sie, Frau Schavan, Ihre
Revision in dem Moment besonders laut verkünden, da
Sie mit der FDP in einem Boot sitzen, wobei die Libera-
len die Allerletzten sein werden, die kapieren, dass der
Föderalismus und der Wettbewerb nicht alle Probleme in
diesem Land lösen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Frau Flach, Sie sind offensichtlich die Einzige in diesem
Saal, die nicht mitbekommen hat, dass die FDP als Al-
lererstes gegen diesen Meinungswandel von Frau
Schavan protestiert hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Frau Schavan, Sie haben jetzt drei Dinge erreicht: Sie
haben sich erstens aus der öffentlichen Schusslinie ge-
bracht, Sie haben zweitens sicher die Mehrheit der Be-
völkerung in dieser Frage auf Ihrer Seite, und Sie haben
drittens erreicht, dass die FDP als die Blöde dasteht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war schon vorher so!)


In dieser Hinsicht haben Sie eines mit der Bundeskanzle-
rin gemeinsam. Sie haben bewiesen, dass Sie intelligen-
ter und wendiger als Ihr Koalitionspartner sind. Aber wo
ist die Lösung des Problems? Sagen Sie nicht nur, dass
Sie etwas dazugelernt haben, sondern ergreifen Sie eine
ernst zu nehmende politische Initiative, um an die Lö-
sung dieses Problems heranzugehen! Das ist für die Bil-
dung in diesem Staat dringend erforderlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703123800

Das Wort hat die Bundesministerin Dr. Annette

Schavan.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Derzeit findet in Köln Euro-
pas größte Bildungsmesse, die didacta, statt. Wer sich
das Programm mit vielen Veranstaltungen über fünf
Tage ansieht, der weiß, dass Deutschland für viele, auch
aus benachbarten Ländern, ein attraktiver Standort ge-
worden ist, um über Perspektiven in Bildung und Wis-
senschaft zu diskutieren.

Für diejenigen, die da ausstellen, diskutieren und prä-
sentieren, ist es ein ermutigendes Signal, dass diese Bun-
desregierung der Bildung und der Wissenschaft Priorität
einräumt. Der Haushalt 2010 ist ein deutliches, starkes
Signal an alle in Deutschland, die in Bildung und Bil-
dungspolitik engagiert sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das bezieht sich auf die Summen. Herr Hagemann,
ich musste eben schon ein bisschen schmunzeln. Ich bin
gar nicht geneigt, über die letzten vier Jahre zu schimp-
fen, auch wenn ich von Ihnen immer wieder kritisiert
werde.


(Klaus Hagemann [SPD]: Nein, ich habe Sie gelobt!)


Da bin ich fast gezwungen, irgendwie zu antworten und
zu sagen: Es war doch nicht alles Mist! Ich finde eigent-
lich, das ist den Menschen gegenüber irgendwie blöd;
sie verstehen uns nicht.

Zu Ihrem Beispiel mit der mittelfristigen Finanzpla-
nung: Eine solche Planung haben wir doch in den letz-
ten vier Jahren nie gehabt.


(Klaus Hagemann [SPD]: Was?)


Es gab jedes Jahr das Theater, dass all das, was im Haus-
halt des Vorjahres veranschlagt worden war, im darauf-
folgenden Haushalt nur fortgeschrieben wurde. Es
musste jedes Mal beim Punkt null angefangen werden.
Jedes Mal hat der Finanzminister einen blauen Brief an
die Bildungsministerin geschrieben – er ging natürlich
zeitgleich an die Presse –, um deutlich zu machen, dass
diese Ministerin wieder viel zu viel fordert. Dieses Thea-
ter ist in dieser Legislaturperiode erstmals beendet.


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)


Ja, es ist beendet. – Dieser Haushalt soll in der mittelfris-
tigen Finanzplanung um 12 Milliarden Euro aufwach-
sen. Der Finanzminister hat vor Beginn der Verhandlun-
gen über den Haushalt 2010 ganz deutlich gemacht, dass
zeitnah die ersten 750 Millionen Euro und im nächsten
Jahr die nächsten 750 Millionen Euro zur Verfügung ste-
hen. Durch dieses Aufwachsen wird der Haushalt jetzt
einen Gesamtumfang von 12 Milliarden Euro erreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)


– Ich verstehe, dass Sie neidisch sind. Wie Sie wissen,
hat er es genau so gesagt. Das ist der große Unterschied
zu vorher. Bleiben Sie doch einfach ein bisschen näher
an der Wahrheit. Das dient eher der Glaubwürdigkeit in
der Öffentlichkeit.


(Florian Pronold [SPD]: Warum schreibt man es dann nicht hinein in die mittelfristige Finanzplanung?)


Die Überzeugungskraft dieses Haushalts hat aber
nicht nur etwas mit seinem Aufwuchs zu tun – durch ihn





Bundesministerin Dr. Annette Schavan


(A) (C)



(D)(B)

sind wir übrigens international ebenfalls in einer interes-
santen Position; die Wirtschaftskrise hat in vielen Berei-
chen zugeschlagen; viele sagen, Deutschland gehe den
richtigen Weg, da es an den Vorhaben festhalte, die Prio-
rität hätten –, sondern auch mit den Konzepten, die da-
hinterstehen. Wir beteiligen uns so konsequent wie nie
zuvor an der Umgestaltung und Weiterentwicklung der
frühkindlichen Bildung. Ob das die Bildungshäuser
sind, ob das das Haus der kleinen Forscher ist, ob das Er-
zieherinnenfortbildungen sind, ob das flächendeckende
Sprachförderungen sind: So konkret war es nie. Da Poli-
tik mit dem Betrachten der Wirklichkeit beginnt, rate ich
Ihnen, sich die konkreten Fortschritte vor Ort anzu-
schauen. Viele Partner machen mit. Die frühkindliche
Bildung bei uns wird sich in einer Schnelligkeit wie nie
zuvor entwickeln.


(Klaus Hagemann [SPD]: Die Kitas klagen, dass sie kein Geld haben!)


Wir arbeiten an lokalen Bündnissen für mehr Bil-
dungsgerechtigkeit. Ich kann gut verstehen, dass man ei-
ner Bildungsministerin, die zehn Jahre Kultusministerin
war, diese zehn Jahre und das damit verbundene Selbst-
bewusstsein immer wieder einmal in Erinnerung ruft;
das finde ich in Ordnung. Ich stehe nämlich dazu. Ich
habe nicht für das Kooperationsverbot gesorgt.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sie haben von der Bundesratsbank geredet!)


Sie werden keinen einzigen Satz von mir finden, mit
dem ich zum Ausdruck gebracht habe: Föderalismus
heißt Kooperationsverbot. Föderalismus heißt: Jeder
muss wissen, wofür er Verantwortung trägt; keiner kann
seine Verantwortung an einen anderen abgeben; es gibt
nach der Verfassung eine klare Aufgabenverteilung. Wir
sollten an der für moderne föderale Systeme kennzeich-
nenden klaren Verteilung von Verantwortung festhalten;
denn es macht überhaupt keinen Sinn, wenn der Bund
für die Finanzierung aufkommt, wenn die Länder dies
nicht mehr leisten können. Wenn dies geschieht, kann
das Ziel von 10 Prozent nicht erreicht werden. Stattdes-
sen kommt es dann zu einer Verschiebung und zum Aus-
schluss einer zentralen politischen Ebene.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deshalb habe ich mich in diesem Sinne ausgedrückt. Ich
werde für ein realistisches Vorgehen werben.

Ich weiß genau, wie es weitergeht: Die parlamentari-
sche Opposition wird mich irgendwann mit einem An-
trag dazu auffordern, zu sagen, ob ich meine Ankündi-
gung einhalte. Dieses wunderbare Spiel können wir gern
spielen; das machen wir auch.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht spielen, liefern und machen!)


– Das ist in Teilen ein Spiel. Sie wissen genau, dass wir
jetzt die Zeit nutzen.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Dass Sie sich nicht durchsetzen werden!)


– Wie hieß der Kovorsitzende? Fragen Sie einmal den
rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten! Er hat mir
noch vor einigen Wochen gesagt, er werde sich nach der
Verabschiedung des Ganztagsschulprogramms kein
zweites Mal in sein Land hineinregieren lassen. Das
Ganztagsschulprogramm sei der Sündenfall gewesen, so
lautete die Argumentation aus der SPD. Also tun Sie
nicht so scheinheilig!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)


Ich glaube, dass wir in unserem Koalitionsvertrag
deutlich gemacht haben, dass es eine Menge Dinge gibt,
die wir gemeinsam tun können und auch gemeinsam tun
werden.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Dann fangen Sie an!)


Das bezieht sich aber nicht allein auf die Projekte im
Koalitionsvertrag, sondern dazu gehören auch die gro-
ßen Pakte. Hierzu muss ich einmal sagen: Über Jahre,
wenn nicht Jahrzehnte, wurde darüber geredet, dass die
Lehre ein Stiefkinddasein an den deutschen Universitä-
ten friste.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ja!)


– Und, was haben Sie gemacht?


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Was hat denn Koch damals gemacht, als es um die Bologna-Zentren ging?)


– Auf den Satz habe ich gewartet. Dazu kann ich nur sa-
gen: Eine Ministerin setzt entweder ein Projekt so um,
dass es nicht beim Bundesverfassungsgericht landet,
oder sie setzt sich nicht durch.

Jetzt liegt der erste Vorschlag auf dem Tisch, die
Säule „Hochschulpakt“ als dritte Säule zu verankern.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir schon vor drei Jahren gefordert! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt den Vorschlag zu einer Säule, die ausschließlich
auf die Lehre konzentriert ist. Die Verhandlungen mit
den Ländern laufen wunderbar. Wir werden erstmals in
der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nicht
nur viel Bundesgeld in die Forschung investieren, son-
dern viel Geld, nämlich genauso hohe Milliardenbeträge
wie für die schon bestehende Exzellenzinitiative, für die
Lehre in die Hand nehmen. Das sind unsere starken Si-
gnale auch an die Studierenden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Zum BAföG ist schon viel gesagt worden. Wir erhö-
hen es und modernisieren es. Ich erinnere mich noch gut
an die Debatte, als hier an meinem Platz Peer Steinbrück
gestanden hat und vor allen Dingen an die Adresse sei-
ner eigenen Fraktion gerichtet erklärt hat, dass er doch
zugeben müsse, dass es Frau Schavan war, die die
BAföG-Erhöhung gewollt habe.


(Klaus Hagemann [SPD]: Weil wir Druck gemacht haben, Frau Schavan!)






Bundesministerin Dr. Annette Schavan


(A) (C)



(D)(B)

– Weil Sie Druck gemacht haben auf Ihren Finanzminis-
ter? Na gut, das ist eine neue Variante. Die Variante ist
klasse: SPD macht Druck auf Steinbrück, und dann
kommt das, was die Bildungsministerin immer schon
wollte. So war das bei der Lehre, genauso war das beim
BAföG!


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD)


Die BAföG-Erhöhung ist, wie Frau Flach eben gesagt
hat, ein wichtiges Instrument der Grundsicherung. Des-
halb wird es kontinuierlich weiterentwickelt. Wir wer-
den nicht sieben oder acht Jahre lang nichts tun und kei-
nerlei Anpassungen an die Lebenshaltungskosten
vornehmen, und erst recht werden wir, wenn wir das
BAföG erhöhen, nicht das machen, was Sie während Ih-
rer Regierungszeit gemacht haben: Sie haben nämlich
das Geld, das Sie für die BAföG-Erhöhung benötigt ha-
ben, den Studenten an anderer Stelle wieder weggenom-
men.


(Klaus Hagemann [SPD]: Wir haben 5 Prozent vorgeschlagen!)


Wir werden die Hightech-Strategie auf die Bereiche
Gesundheit, Klima und Energie, Mobilitätssicherheit
und Kommunikation konzentrieren. Wir werden sie auch
nach Europa tragen. Ich glaube, es ist ein ganz zentraler
Punkt, dass wir unsere forschungspolitischen Erfahrun-
gen in die Europäische Union einbringen. Das Gleiche,
was für Deutschland gilt, gilt nämlich auch dort: Wir
brauchen insgesamt mehr Investitionen in die For-
schung. Wir müssen Unternehmen in diesem Sinne mo-
bilisieren. Das Gleiche gilt auch für die Zusammenarbeit
zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

Wir sind verlässliche Partner der Hochschulen und
der Forschungsorganisationen in den neuen Ländern.
Ich weiß, warum Sie das nicht wahrnehmen; denn nur
wer in die neuen Länder fährt, mit Rektoren und Verant-
wortlichen in unseren Forschungsinstituten spricht, der
bekommt das mit und erfährt, dass Kontinuität in der
Förderung und bei den Konzepten viel bewirkt. Deshalb
werden wir mit großer Konsequenz bei all dem, was die
neuen Länder und den Pakt für Forschung und Innova-
tion angeht, weitermachen. Damit entstehen genau die
Leuchttürme, die in den strukturschwachen Regionen
notwendig sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Weitermachen! Weitermachen!)


Wir stärken nicht nur die Allianzen zwischen Wissen-
schaft und Wirtschaft, den Spitzencluster-Wettbewerb
und die Innovationsallianzen, sondern wir arbeiten
auch – das steht ebenfalls im Koalitionsvertrag – daran,
wie wir steuerliche Anreize für Investitionen unserer
Unternehmen in Forschung und Entwicklung schaffen
können. Das ist auch ein völlig neues Instrument, das es
bislang in Deutschland nicht gegeben hat. Auch damit
werden wir den Forschungsstandort Deutschland stär-
ken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Nachdem wir über zehn Jahre lang über die Abwan-
derung von Spitzenforschern diskutiert haben, kommt
jetzt schon die zweite Runde an Spitzenforschern über
Humboldt-Professuren nach Deutschland. Sehen Sie
sich einmal die Listen an: Das sind absolute Spitzenty-
pen aus allen Regionen der Welt. Dafür ist viel investiert
worden. Ich glaube, das ist eine Investition, durch die
Menschen nach Deutschland geholt werden, die im Üb-
rigen auch für unsere Studierenden und für unsere Hoch-
schulen interessant sind. Wir holen nämlich die Besten
nach Deutschland, weil wir immer wieder neue Akzente
brauchen.Wir wollen, dass dieses Land eine Talent-
schmiede ist. Wir haben schon manches erreicht und
werden genau auf diesem Weg weitergehen.

Wenn Sie sich ewig über Eliten- und Begabtenför-
derung aufregen – ich habe überhaupt nicht verstanden,
welchen Zusammenhang Sie eben zwischen Schluss mit
Ganztagsschulen und Begabtenförderung herstellen
wollten –, dann kann ich nur sagen: Ich stehe zur Talent-
förderung. Ich stehe zu Spitzenforschern. Ich bin der
Meinung: Wer sich um die Spitze nicht kümmert, der
wird auch dauerhaft die Breite nicht mehr mit Bildung
und Wissenschaft erreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir bauen die Internationalisierung unserer Bildungs-
und Forschungspolitik konsequent aus.


(Klaus Hagemann [SPD]: Es wird beim DAAD gestrichen!)


Wenn wir eine solche Debatte führen, dann sollten wir
über den eigenen Tellerrand hinausschauen und auch die
Verantwortung wahrnehmen, Herr Hagemann, die über
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-
Holstein hinausgeht. Die Internationalisierung, die sich
auf die Schwellen- und Entwicklungsländer bezieht, ist
für uns ein Schwerpunkt. Auch hierzu finden Sie in die-
sem Haushalt erste Ansätze.


(Klaus Hagemann [SPD]: Deswegen kürzen Sie beim DAAD!)


– Ich kürze nicht, sondern wir verstärken.

Was die Ganztagsschulen angeht – Herr Rehberg hat
es angesprochen –, ist der Wunsch


(Klaus Hagemann [SPD]: Ah! Neue Ankündigungen!)


der über 7 000 erfüllt worden, Herr Hagemann. Wir wer-
den, wenn die Phase des Bauens zu Ende geht, den
Schulen in jedem Land die Servicestelle zur Verfügung
stellen, die Schulentwicklung ermöglicht und begleitet.
Das sind nicht Milliarden, sondern Millionen; aber auch
das ist eine richtige Antwort auf Schulentwicklung in
Deutschland und ein Beispiel für Zusammenarbeit.

Ich danke den Mitgliedern des Haushaltsausschusses
und den Regierungsfraktionen dafür, dass ein solcher
Haushalt entstehen konnte, dessen Wachstumsrate höher
ist als die Wachstumsrate des Bundeshaushaltes. Das ist
ein gutes Zeichen und ein starkes Signal.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703123900

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dagmar Ziegler von

der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dagmar Ziegler (SPD):
Rede ID: ID1703124000

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vielleicht können wir uns in dieser Debatte wenigstens
auf eines einigen: Alle Bildungspolitikerinnen und -poli-
tiker in diesem Haus eint die Überzeugung, mit ihrer Ar-
beit etwas für die Zukunft unseres Landes zu leisten.
Bildung hat eine Schlüsselfunktion für die Lebenschan-
cen der Menschen und auch für den Wohlstand von mor-
gen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dass wir uns trotzdem in der Bildungspolitik immer
wieder streiten müssen, liegt daran, dass man in zentra-
len Grundsatzfragen ganz unterschiedlicher Überzeu-
gung sein kann: Sehe ich Bildung als öffentliches Gut
an, oder sehe ich es mehr als Privatangelegenheit an?
Möchte ich die Chancengleichheit verbessern oder aber
bestimmte Gruppen bevorzugen? Das sind Grundsatzfra-
gen, auf die Union und FDP andere Antworten geben als
die Sozialdemokratie.

Das Ergebnis ist – wie in fast allen anderen Politikfel-
dern auch – eine schwarz-gelbe Klientelpolitik, die die
Bildungschancen privatisiert, die Zukunft der Menschen
deren Herkunft überlässt und die enormen sozialen
Ungleichheiten in der Bildung verfestigt,


(Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Die HIS-Studie hat das widerlegt!)


statt Bildungspolitik am Ziel gleicher Chancen auf beste
Bildung für alle auszurichten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Herr Leutert hat die Stichworte heute schon genannt:
Studiengebühren, Stipendien, Bildungssparkonten, Be-
treuungsgeld. Weil aber auch Schwarz-Gelb weiß, dass
eine solche Politik schnell als sozial kalt erkannt werden
könnte, wird das „Hauptgericht“ der Bildungsprivatisie-
rung mit ein bisschen Sozialsymbolik und Fürsorge-
rhetorik garniert, in der Hoffnung, dass die Menschen
nicht merken, was ihnen da tatsächlich serviert werden
soll. Außerdem ist die Bildungspolitik der schwarz-gel-
ben Bundesregierung bislang über Ankündigungen
nicht hinausgekommen. Ihre Gestaltungskraft erschöpft
sich in ganzen Ketten von Ankündigungen – manchmal
sogar falscher –, etwas tun zu wollen, ohne dass sie
konkret sagen würde, was. Bildungssparen, lokale Bünd-
nisse, Ausbildungsschirm, Weiterbildungsallianzen, Bo-
logna-Mobilitätspaket – statt diese Vorhaben und Pro-
jekte hier zur Debatte zu stellen, finden sich nur
marketingoptimierte Überschriften und Etiketten.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP)


Wir hätten unsere Rede fast gemeinsam schreiben kön-
nen.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wenn es so auffällt!)


– Genau.


(Heiner Kamp [FDP]: Ah! Kaderschmiede! Hört! Hört!)


Meine Damen und Herren, mit dem gescheiterten
Bildungsgipfel vom Dezember letzten Jahres ist der Bil-
dung mindestens ein halbes Jahr verloren gegangen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Jetzt richten sich die Erwartungen auf das nächste Tref-
fen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten im Juni.
Liebe Ministerin, es wird höchste Zeit, dass Sie liefern
und wir hier im Bundestag endlich einmal wieder über
konkrete Vorschläge der Bundesregierung diskutieren
können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich habe die Befürchtung, dass beim dritten Bildungs-
gipfel einmal mehr über Finanztransferwege gestritten,
aber wieder nicht über Bildung geredet wird. Dabei
glaube ich, dass der Bildungsgipfel 2010 nach den bei-
den glücklosen Anläufen 2008 und 2009 tatsächlich eine
echte Chance bieten könnte: für substanzielle Schritte,
für mehr Chancengleichheit und für substanzielle Ver-
einbarungen zur Bekämpfung von Bildungsarmut.

Das Bundesverfassungsgericht hat uns die Bekämp-
fung von Bildungsarmut als Auftrag gegeben. Heute
gab es von der Ministerin kein Wort dazu. Eigenständige
Kinderregelsätze, die die gleiche Teilhabe an Bildung
für alle Kinder und Jugendlichen auf der materiellen
Seite absichern, sind die eine Seite der Medaille. Die an-
dere Seite lautet: Stärkung der Bildungsinfrastruktur.


(Beifall bei der SPD)


Nun hat auch die Bundesbildungsministerin das Wort
Bildungsarmut neuerdings in ihren Wortschatz aufge-
nommen. Mir ist aber noch nicht klar geworden, was
sich eigentlich hinter ihren „Bildungsbündnissen“ ver-
bergen soll. Auch dazu hat sie keine Ausführungen ge-
macht. Sehr wohl ist mir aber klar, was die Bundesregie-
rung machen müsste, wenn sie es mit der Bekämpfung
von Bildungsarmut ernst meinen würde: Sie müsste alles
daransetzen, gemeinsam mit den Ländern eine verbindli-
che nationale Initiative zur Stärkung und Verbesserung
der Bildungsinfrastruktur zu vereinbaren.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Konkret müsste das bedeuten: Erstens. Verbindliche
Vereinbarungen für den weiteren Ausbau und einheitli-
che Qualitätsstandards in der frühkindlichen Bildung.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Genau!)


Zweitens. Verbindliche Vereinbarungen für den flächen-
deckenden Ausbau der Ganztagsschulangebote. Drittens.
Verbindliche Vereinbarungen für eine bessere Personal-
ausstattung von Kitas, Kindergärten und Schulen.


(Beifall bei der SPD)






Dagmar Ziegler


(A) (C)



(D)(B)

Viertens. Verbindliche Vereinbarungen für eine Fach-
kräfteoffensive bei Erzieherinnen und Erziehern. Fünf-
tens. Verbindliche Vereinbarungen für Gebührenfreiheit
von Anfang an.


(Beifall bei der SPD)


Und schließlich: Verbindliche Vereinbarungen für ein
kostenloses warmes Mittagessen in allen Kitas und
Schulen, für Lehrmittelfreiheit und kostenlosen Förder-
unterricht überall und für flächendeckende Schulsozial-
arbeit.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Wenn Sie diese Schwerpunkte setzen würden – mit
dem Fokus auf starke Institutionen und funktionierende
Infrastrukturen, abgesichert durch Rechtsansprüche –,
dann hätten Sie unseren ehrlichen Respekt und unsere
volle Unterstützung. Sie brauchen nur den politischen
Gestaltungswillen und den richtigen Ansatz.


(Beifall bei der SPD)


Eine letzte Bemerkung zum Stichwort Symbolpoli-
tik. Politik sollte nicht nur lernfähig, sondern immer
auch glaubwürdig sein. Wenn Frau Schavan neuerdings
beim Thema Bildungsföderalismus mit der Forderung,
das schon so oft zitierte Kooperationsverbot aufzuheben,
Lernfähigkeit unter Beweis stellen möchte, dann kann
das nur glaubwürdig sein, wenn sie diesem Haus einen
entsprechenden Gesetzentwurf für eine Grundgesetz-
änderung vorlegt.


(Beifall bei der SPD)


Wenn Sie, Frau Ministerin, das nicht tun, werden wir es
tun.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703124100

Das Wort hat jetzt der Kollege Patrick Meinhardt von

der FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie halten Sie es mit dem Föderalismus? – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Meinhardt, sagen Sie doch mal etwas zum Kooperationsverbot!)



Patrick Meinhardt (FDP):
Rede ID: ID1703124200

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Bildung ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Ge-
rade weil dies so ist, gerade weil wir Bildungsarmut in
diesem Land wirksam bekämpfen müssen und gerade
weil die Schaffung von mehr Bildungsgerechtigkeit die
Perspektive dieser Regierung der Mitte ist, werden wir
in den kommenden vier Jahren 12 Milliarden Euro mehr
in die Hand nehmen. Dies ist ein historisches Wachstum
für den Bildungsbereich. Dies ist die Botschaft dieser
Bundesregierung: Wir werden in Deutschland für mehr
Bildungsgerechtigkeit sorgen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Der von der Regierung der Mitte eingebrachte Bun-
deshaushalt ist ein deutliches Zeichen des Aufbruchs,
ein deutliches Zeichen der Modernisierung unseres Lan-
des. Mit einem Plus von 750 Millionen Euro, einer Stei-
gerung von 56 Prozent bei der Begabtenförderung, von
69 Prozent bei der Modernisierung und Stärkung der be-
ruflichen Bildung, von 54 Prozent beim lebenslangen
Lernen setzen wir ein glasklares Zeichen: Bildung und
Forschung haben für uns oberste Priorität.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Mit diesen Maßnahmen schlägt die Bundesregierung
der Mitte ein neues Kapitel für eine moderne Bildungs-
und Forschungspolitik auf. Um eines sehr deutlich zu sa-
gen: Der Unterschied zwischen Ihrer Bildungspolitik,
meine Damen und Herren auf der linken Seite dieses
Hauses, und unserer Bildungspolitik ist in erster Linie
eine Frage der Geisteshaltung.


(Beifall bei der FDP – Klaus Hagemann [SPD]: Siehe Herr Westerwelle!)


Wir wollen kreative Kräfte in unseren Kindergärten,
Schulen und Hochschulen freisetzen und fördern. Sie
wollen Dirigismus und bürokratische Hürden.


(Beifall bei der FDP)


Wir wollen faire Möglichkeiten für öffentliche und freie
Schulen und Hochschulen, während Sie immer noch an
Ihren staatsgläubigen Konzepten aus dem 19. Jahrhun-
dert festhalten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir wollen Selbstverantwortung und Chancengleichheit
am Start an den Bildungseinrichtungen in Deutschland.
Sie wollen Leistung bestrafen und neue Hürden auf-
bauen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der SPD – Klaus Hagemann [SPD]: Lächerlich!)


Kurz: Sie glauben immer noch an zentrale Steuerung.
Wir setzen auf individuelle Förderung und die Vielfalt
der Bildungswege; das ist auch der richtige Weg.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Bei der Forschung legen wir dynamisch zu. Der ge-
rade veröffentlichte Europäische Innovationsanzeiger
spricht eine ganz klare Sprache. Deutschland zählt neben
den skandinavischen Ländern und Großbritannien zu
den innovativsten Ländern in der EU. Im internationalen
Standortwettbewerb ist es für uns Deutsche außerordent-
lich wichtig, alle verfügbaren Kräfte zu mobilisieren.

Deswegen wollen wir den Forschern bereits in diesem
Jahr ermöglichen, ihre Forschungsergebnisse auf eine
mögliche spätere Anwendung hin zu untersuchen. Sie
sollen in die Lage versetzt werden, den nächsten Schritt
zu gehen, nachdem sie ihre eigentlichen Entdeckungen
in der Grundlagenforschung abgeschlossen haben. Da-
her werden wir noch in diesem Jahr – das ist, wie Sie ge-
sehen haben, im Haushalt verankert – das Instrument der





Patrick Meinhardt


(A) (C)



(D)(B)

Validierungsförderung als eigenständige Förderlinie ein-
führen. Das ist ein enorm wichtiger Ansatz in der For-
schungspolitik.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – René Röspel [SPD]: Herr Meinhardt, Förderung oder Forschung?)


An dieser Stelle möchte ich auch auf die neue High-
tech-Strategie der Regierung der Mitte zu sprechen
kommen. Ein Beispiel für das Neue ist das Instrument
der Innovationsallianzen, in denen bei Forschung und
Entwicklung Wirtschaft und Wissenschaft bei bestimm-
ten anwendungsnahen Themen zusammenarbeiten. Ge-
nau so muss es gehen.


(René Röspel [SPD]: Das gibt es doch seit 2007 schon!)


Konkret schlägt sich das bereits im Nationalen Ent-
wicklungsplan Elektromobilität nieder. Wir wollen die
Forschung und Entwicklung, die Marktvorbereitung und
die Markteinführung von rein elektrisch angetriebenen
Fahrzeugen voranbringen. Jetzt werden wir die Entwick-
lung verstetigen und dem Technologiefortschritt anpas-
sen. An vielen Stellen dieser Wertschöpfungskette gibt
es noch erheblichen FuE-Bedarf, Optimierungsbedarf
und Vernetzungsbedarf. Auch dabei haben wir uns in
dieser Koalition gemeinsam auf einen erfolgreichen Weg
gemacht.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Ich bin mit dem Tempo dieser Regierung bei Bil-
dung und Forschung sehr zufrieden. Erst haben wir die
Bildungsprämie auf 500 Euro verdreifacht. Fragen Sie
vor Ort in Ihren Wahlkreisen nach. Jetzt haben wir eine
deutlich attraktivere Höhe. Diese Entscheidung war
goldrichtig.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Dann kommt die BAföG-Modernisierung mit der Erhö-
hung der Freibeträge und Bedarfssätze, dem Ende für die
Altersgrenze von 30 Jahren bei der Masterförderung und
für die Benachteiligung bei einem Fachrichtungswech-
sel, mit einer besseren Anerkennung von Kinderbetreu-
ungszeiten, einem Abbau von Bürokratie, einer Verein-
fachung des Verfahrens und der klaren Ansage, alle zwei
Jahre eine Anpassung vorzunehmen. Das bedeutet in
vier Jahren circa 1,6 Milliarden Euro mehr. Das ist ein
wirkliches Aufwuchsprogramm für die Studierenden in
der Bundesrepublik Deutschland.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Im gleichen Atemzug werden wir eine unglaubliche
Ungerechtigkeit in diesem Land beenden. 98,1 Prozent
der Studierenden wird die Chance auf ein Stipendium
vorenthalten. Das ist durch und durch unsozial. Wir wol-
len die Rate der Stipendien verfünffachen und damit
endlich die rote Laterne bei der Begabungsförderung ab-
geben, damit in diesem Land wieder mehr Bildungsge-
rechtigkeit bei der Talentförderung herrscht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her-
ren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir glauben an
die Menschen in unserem Land, an ihre Talente, an ihre
Kreativität und an ihre Leistungsbereitschaft. Wir wollen
den Menschen mit diesem Haushalt ein Zeichen geben:
Macht was aus euch. Wir investieren in eure Köpfe.
Denn wir trauen euch was zu.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703124300

Das Wort hat die Kollegin Dr. Rosemarie Hein von

der Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1703124400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sollen in der
Bundesrepublik Deutschland künftig für Bildung und
Forschung ausgegeben werden. Das scheint ein ehrgeizi-
ges Ziel zu sein; denn Deutschland liegt hier immer noch
unter dem OECD-Durchschnitt. Gleichzeitig wird land-
auf, landab die große Abhängigkeit des Bildungszugan-
ges von der sozialen Herkunft beklagt, was offensicht-
lich auch die Bundesbildungsministerin umtreibt. Darum
begründet sie einen Großteil der Finanzposten im Bil-
dungshaushalt – wie mein Kollege Vorredner auch – mit
der Absicht, einen Nachteilsausgleich für die Schwäche-
ren leisten zu wollen, um soziale Gerechtigkeit herzu-
stellen.

Doch bleiben wir zunächst bei den Zahlen: 10 Prozent
im Bundesdurchschnitt. Man wolle den Ländern helfen
– so war zu lesen und zu hören –, dieses Ziel ebenfalls
zu erreichen. Schon diese Formulierung macht deutlich,
worum es geht: Nicht der Bund will zahlen, sondern die
Länder sollen zahlen.

Zur Illustration möchte ich Ihnen drei Zahlen nennen:
11, 23 und 3. Nein, meine Damen und Herren von der
FDP, das ist nicht das neue Steuerkonzept der Linken


(Patrick Meinhardt [FDP]: Würde uns auch wundern!)


– das würde Sie wundern, mich auch –, sondern das sind
die Bildungsanteile in den aktuellen Haushalten von
Bund, Ländern und Kommunen. Mehr als 11 Prozent
wendet meine Heimatstadt Magdeburg in diesem Jahr
für die Bildungsfinanzierung auf, und zwar ohne Kinder-
betreuung, über 23 Prozent das Land Sachsen-Anhalt,
aus dem ich komme, und gerade einmal 3 Prozent stehen
im Bundeshaushalt zur Verfügung.

Der Haushalt des BMBF umfasst knapp 11 Mil-
liarden Euro. Allein für das geplante Steuersenkungspa-
ket will die Bundesregierung ab 2011 mehr als das Dop-
pelte ausgeben. Oder: Für die Bildung will der Bund
jährlich im Durchschnitt 3 Milliarden Euro mehr ausge-
ben, achtmal so hoch sollen die Steuergeschenke ab
2011 ausfallen. Man darf gespannt sein, in welcher Grö-
ßenordnung dieses Steuerpaket, das Sie bereits angekün-
digt haben, ausfallen wird. Wie wäre es damit: Lassen





Dr. Rosemarie Hein


(A) (C)



(D)(B)

Sie es einfach. Geben Sie dieses Geld in die auskömmli-
che Finanzierung von Bildung.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das wären zusammen 27 Milliarden Euro mehr pro Jahr,
und damit würden wir den nötigen Zielzahlen ein gutes
Stück näherkommen.


(Beifall bei der LINKEN – Patrick Meinhardt [FDP]: Wir vertrauen den Menschen!)


Wer 3 Milliarden Euro zusätzlich in die Bildung in-
vestieren will, aber Steuergeschenke in Höhe von
24 Milliarden Euro macht und dann noch behauptet –
wie Sie eben, Herr Meinhardt –, dass mit dem Haushalt
den sozialen Ungerechtigkeiten im Bildungssystem ent-
gegengewirkt werden soll,


(Patrick Meinhardt [FDP]: Exakt!)


der hat offensichtlich ein komisches Verständnis von so-
zialer Gerechtigkeit.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben die 1,3 Milliarden Euro, die wir beantragt ha-
ben, kritisiert. Dabei waren wir noch bescheiden gewe-
sen. Aber auch 11 Milliarden Euro sind ja nicht nichts.
Man kann auch damit Vernünftiges tun.

Schauen wir uns die Details an: Für den Nachteilsaus-
gleich ist der Bundesregierung etwas Seltsames eingefal-
len: ein nationales Stipendienprogramm.


(Patrick Meinhardt [FDP]: Hervorragend!)


Herr Meinhardt hat eben darüber gesprochen. Das hört
sich zunächst gut an. Ein Leistungsstipendium soll es
sein, ganz nach dem Motto: Leistung muss sich wieder
lohnen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


– Sie klatschen an der falschen Stelle. – Die Chance, ein
Leistungsstipendium zu erhalten, haben nur diejenigen,
die die Hürde genommen haben, ein Studium finanzie-
ren zu können; aber daran scheitern viele in diesem
Land. Dort liegt die soziale Ungerechtigkeit.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)


Was glauben Sie, wie es Jugendlichen aus Hartz-IV-
Familien oder aus Familien mit geringem Einkommen
gelingen soll, ein Studium zu finanzieren? Von einem
Leistungsstipendium haben nur diejenigen etwas, deren
Eltern so viel verdienen, dass sie das Studium finanzie-
ren können, oder diejenigen, die nur wenig jobben müs-
sen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Denen
kann ein Leistungsstipendium vielleicht helfen, aber
nicht denen, die es wirklich nötig haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Programm des Bundes wirkt fast wie eine Geld-
druckmaschine; denn der Bund finanziert das Stipen-
dium mit einem Anteil von nur 75 Euro – das entspricht
einem Viertel –, weitere 75 Euro sollen von den Ländern
kommen und die Hälfte aus privater Hand. Für den Bund
nenne ich das eine ordentliche Rendite, praktisch gese-
hen ist es aber ein weiterer Einstieg in die Privatisierung
der Bildungskosten. Die Mittel für dieses Programm wä-
ren besser im BAföG-System für Schülerinnen und
Schüler sowie Studierende aufgehoben; denn darauf gibt
es wenigstens einen Rechtsanspruch.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Doch an das BAföG gehen Sie sehr vorsichtig heran. Bis
heute gibt es kein auskömmliches Angebot. Man darf
gespannt sein, was Sie noch vorlegen werden. Wir brau-
chen die Aufstockung der Beträge, die Erweiterung des
Kreises der Anspruchsberechtigten und die Beendigung
der Rückzahlungspflicht. Das wäre ein wirklicher Nach-
teilsausgleich. Das Stipendienprogramm ist es nicht.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nehmen wir den Bereich der beruflichen Bildung,
den die Bundesministerin gern als das Flaggschiff des
deutschen Bildungswesens bezeichnet. Dafür gibt es so-
gar noch Bundeszuständigkeiten. Wir werden Anfang
April den Berufsbildungsbericht erhalten. Der wird uns
den Spiegel vorhalten: Immer noch sind es 1,5 Millionen
junger Menschen zwischen 20 und 30 Jahren, die keine
abgeschlossene Berufsausbildung haben. Wir werden
wohl erstmals mit Zahlen über die Bugwelle konfrontiert
werden, also mit der Zahl jener Jugendlichen, die sich in
Schulen weiter in Warteschleifen befinden und gar nicht
erst einen Ausbildungsplatz erhalten. Ihre Projekte dort
wirken wie eine Notfallambulanz: Übergangsmaßnah-
men, am Mangel wird herumgedoktert, eine konjunk-
turunabhängige Ausbildungsfinanzierung steht nicht zur
Debatte.

Ganz peinlich wird es, wenn man auf die Felder
schaut, bei denen die Bundesregierung überhaupt keine
Kompetenzen hat. Gegen die lokalen Bildungsbündnisse
ist eigentlich nichts zu sagen, wenn es um die Öffnung
von Schule geht; aber Sie wollen leistungsschwache
Kinder und Jugendliche stärker fördern. Förderunterricht
wollen Sie anbieten. Aber individuelle Förderung ist ein
Auftrag an die Schule und nicht an zusätzliche private
Anbieter. Wenn Sie auf diesem Gebiet etwas tun wollen,
muss das Geld in die Schulen fließen.

Das Ganztagsschulprogramm ist auch ein Problem.
Jetzt planen Sie 6,3 Millionen Euro ein. Was wollen Sie
damit eigentlich finanzieren? Für Besichtigungsreisen
wird es wahrscheinlich reichen, für mehr aber nicht.

Ich bleibe dabei: Das Kooperationsverbot war der
schwerste bildungspolitische Fehler in der jüngeren Ge-
schichte. Darum, Frau Schavan: Nutzen Sie einfach den
Antrag der Linken, der in der nächsten Sitzungswoche
im Plenum behandelt wird. Legen Sie einen entspre-
chenden Gesetzentwurf vor. Wir wollen für alle drei
Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – die gleiche
Verantwortung bei der Finanzierung. Mit „11, 23 und 3“
muss Schluss sein. Wir wollen eine Gemeinschaftsauf-





Dr. Rosemarie Hein


(A) (C)



(D)(B)

gabe Bildung, und die kann nur in gleicher Verantwor-
tung finanziert werden. Dafür treten wir ein. Das, was
Sie leisten, reicht bei weitem nicht aus.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703124500

Das Wort hat der Kollege Kai Gehring vom

Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703124600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Schavan, ich möchte direkt auf Ihre Rede reagieren,
weil ich finde, dass das, was Sie hier zur Föderalismus-
reform vorgetragen haben, so nicht stehen bleiben kann.
Das war Geschichtsklitterung. Das waren Halbwahrhei-
ten. Das kann man Ihnen nicht durchgehen lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie waren damals für das Kooperationsverbot. Dazu
gibt es Äußerungen von Ihnen. Zum Beispiel im Aus-
schuss und auch öffentlich haben Sie sich dazu geäußert.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Natürlich!)


Dazu sollten Sie stehen und nicht einfach das Gegenteil
vorgaukeln. Das wäre dann eine Stärke von Ihnen. Dann
könnte man sagen: Von Saula zur Paula. Lasst uns ge-
meinsam etwas machen und dieses unsinnige Koopera-
tionsverbot wieder aufheben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Sie haben es doch dem damaligen Einsatz von Oppo-
sition und SPD zu verdanken, dass Sie nicht Ihr halbes
Ministerium schließen mussten; dann wären Sie nur
noch Forschungsministerin. Ohne uns und ohne die Auf-
weichung des Kooperationsverbotes im Wissenschafts-
bereich gäbe es doch heute gar keinen Hochschulpakt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Das ist auf unserem Mist gewachsen. Ich finde, Sie soll-
ten einen Vorschlag vorlegen, das konkret ändern und
dieses Kooperationsverbot aufheben. Dann kann man ei-
nen gesamtstaatlichen Bildungsaufbruch auch wirklich
organisieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich finde es schon witzig, dass Sie landauf, landab mit
der rosaroten Brille der Ministerin herumlaufen und
überall „12 Milliarden Euro für Bildung“ promoten. Da-
bei stehen im Haushalt 2010 lediglich 700 Millio-
nen Euro, und das auch noch als ungedeckte Schecks, da
sie mit Sperrvermerken und Ländervorbehalten versehen
sind. Allein deshalb muss man fragen: Wie wollen Sie
das eigentlich über die Dauer einer Legislaturperiode
hinbekommen? Dazu kann man nur sagen: Die schwarz-
gelbe Bildungsrepublik bleibt offensichtlich eine Fata
Morgana.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Was für den Haushalt 2010 gilt, wird beim Haushalt
2011 noch viel schlimmer: Wir haben eine explodie-
rende Schuldenlast. Sie haben eine nie da gewesene Re-
kordneuverschuldung beschlossen. Es gibt eine Schul-
denbremse, die Sie einhalten müssen. Also müssen Sie
ab dem nächsten Jahr um mindestens 10 Milliarden Euro
pro Jahr kürzen. Dann gibt es noch den Steuersenkungs-
fetischismus der FDP. Wie wollen Sie vor diesem Hin-
tergrund das 12-Milliarden-Euro-Ziel erreichen? Eine
Antwort darauf fände ich sehr interessant.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir Grüne haben verschiedene Finanzierungsvor-
schläge gemacht. Bei einem hoffe ich immer noch, dass
er irgendwann aufgegriffen wird: beim Bildungssoli. Mit
dem Bildungssoli ließe sich ein gesamtstaatlicher Bil-
dungsaufbruch organisieren.

Geld ist das eine; das andere ist die Prioritätenset-
zung. Wir sagen ganz klar: Wir brauchen einen Aufstieg
durch Bildung statt einer blockierten Gesellschaft. Wir
brauchen ein gerechtes Bildungssystem statt des weit
verbreiteten Schubladendenkens. Wir brauchen mehr
Akademiker und keinen immer größeren Fachkräfte-
mangel. Diese Prioritäten setzen Sie von Schwarz-Gelb
leider überhaupt nicht, sondern Sie stellen die Weichen
falsch. Ein Beispiel dafür ist die Studienfinanzierung.
Sie veranschlagen 300 Millionen Euro öffentliche Mittel
für ein nationales Stipendienprogramm, das aus unserer
Sicht weiterhin ungeeignet ist, deutlich mehr junge Men-
schen für ein Studium zu gewinnen. Das ist die falsche
Priorität.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Wir werden das Gegenteil beweisen!)


Wenn Sie für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen wollen,
sollten Sie stattdessen Ihre Sparstrumpfnovelle beim
BAföG aufbessern und es um mindestens 5 Prozent er-
höhen. Dann wäre der Bildungsgerechtigkeit viel mehr
Genüge getan als mit dem Stipendienprogramm.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Die zentralen Projekte, die Sie ansprechen, sind un-
ausgegoren und unterfinanziert.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Unbekannt!)


Ich nenne zwei Beispiele dafür. Was genau steckt im Bo-
logna-Qualitätspaket, das Sie nach zwei Bildungsstreiks
angekündigt haben?


(Dagmar Ziegler [SPD]: Ja, eben!)






Kai Gehring


(A) (C)



(D)(B)

Wie wollen Sie die Studienbedingungen und die Qualität
der Lehre tatsächlich verbessern? Wie viel Geld legen
Sie auf den Tisch? Sind auch die Länder bereit, Geld in
die Hand zu nehmen? Es reicht an so einer Stelle nicht,
Ankündigungsministerin zu bleiben und durch die Pres-
selandschaft zu stolzieren. Hierbei ist vielmehr ein ganz
konkretes Konzept gefordert, das Sie dem Bundestag
vorlegen müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das zweite Beispiel ist der Hochschulpakt. Es müs-
sen dringend mehr Studienplätze aufgebaut werden; aber
der Studienplatzaufbau verläuft schleppend. Die Zwi-
schenbilanz ist alarmierend. Man muss nur einmal nach
Nordrhein-Westfalen schauen.


(Klaus Hagemann [SPD]: Ja, genau!)


Gerade die schwarz-gelb regierten Länder müssen hier
in die Puschen kommen. Absolutes Schlusslicht ist
NRW.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] – Klaus Hagemann [SPD]: So ist es!)


Dort müssen noch 15 000 Studienplätze aufgebaut wer-
den. Dort hat man bisher nur 40 Prozent der zwischen
Bund und Ländern verabredeten Zielzahl erreicht. Das
ist ein Armutszeugnis.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Dort ist Alarmstufe gelb angesagt. Man kann das nicht
als Erfolgsmeldung bezeichnen. An den Universitäten in
NRW sind sogar 7 000 Studienplätze abgebaut worden.
Das ist eine schlechte Bilanz. Das zeigt, dass der
Hochschulpakt I weit hinter den Erwartungen zurück-
bleibt und dass Worte und Taten massiv auseinanderklaf-
fen.


(Klaus Hagemann [SPD]: Aber nur in NRW!)


Wenn Sie eine dritte Säule im Hochschulpakt schaf-
fen wollen, finden wir das erst einmal vielversprechend;
denn wir haben hier vor drei Jahren Anträge gestellt, die
ähnliche Vorschläge enthielten, wie man die Lehre deut-
lich stärken und verbessern kann. Ich hoffe, dass das
ernst gemeint ist und nicht die schwarz-gelb regierten
Bundesländer vor der Blamage bewahren soll, dass sie
keine Studienplätze aufbauen. Diese Säule muss ein
Meilenstein und eine echte Qualitätsoffensive für die
Lehre werden; das ist uns wichtig. Wir wollen einen ech-
ten Pakt für die Studierenden, der deutlich mehr Studien-
plätze, gute Studien- und Lehrbedingungen, eine bessere
Studienfinanzierung und einen Abbau der Zugangshür-
den vorsieht. Auf dem nationalen Bologna-Gipfel im
Mai und auf dem Bildungsgipfel im Juni dieses Jahres
– Sie gipfeln ja jetzt wieder ganz viel –


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703124700

Kommen Sie bitte zum Schluss.

(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Sehr gute Bemerkung!)



Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1703124800

– müssen Sie verbindliche Beschlüsse fassen, statt

uns weiterhin halbherzige Ansätze zu präsentieren. An
den Ergebnissen Ihrer Gipfel werden wir Sie messen.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703124900

Das Wort hat der Kollege Albert Rupprecht von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Albert Rupprecht (CSU):
Rede ID: ID1703125000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Wir erleben derzeit unter Ministerin Schavan eine histo-
rische Aufholjagd der deutschen Forschung zurück an
die Weltspitze. Das Herzstück ist die Hightech-Strategie.
Die institutionelle Förderung und die Projektförderung
befinden sich auf sehr hohem Niveau. Bei den Spitzen-
clustern setzen wir europaweit Maßstäbe.

Deutschland ist Weltspitze bei der medizinischen For-
schung. Deutsche Forscher sind auf dem Weg, die Alz-
heimer-Krankheit früher zu erkennen und zu behandeln.
Deutsche Forscher sind auf dem Weg, neue Verfahren im
Kampf gegen Krebs zu finden. Das sind nur zwei Bei-
spiele von vielen, die zeigen: Wir sind Weltspitze, und
Forschung kommt auch bei den Menschen an.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich glaube, wir alle wären gut beraten, diese Leistungen
stärker hervorzuheben und den Menschen Hoffnungen
zu machen, statt das Wertvolle durch Kleinkrämerei und
irrationale Technikfeindlichkeit schlechtzureden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir sind Weltspitze in der Bildungsforschung, in der
optischen Forschung, der Klimaforschung, der Umwelt-
forschung, der Agrarforschung, der biochemischen For-
schung und der Materialforschung, um nur einige Berei-
che zu nennen.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das ist leider falsch!)


Die von Ministerin Schavan ins Leben gerufene Exzel-
lenzinitiative hat an den Hochschulen – das wurde in meh-
reren entsprechenden Untersuchungen dokumentiert –
nachweislich einen Motivationsschub ausgelöst.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das stimmt aber nicht!)


Das Fördersystem der DFG ist absolute Weltspitze und
hat Weltruf.

All das ist nicht vom Himmel gefallen, sondern
wurde, auch von der Bundespolitik, hart erarbeitet.





Albert Rupprecht (Weiden)



(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Oh! Wer hat das denn gemacht?)


Das ist eine außerordentliche Leistung von Ministerin
Schavan.


(Agnes Alpers [DIE LINKE]: Was ist los?)


Man muss schon ein ziemlicher Kleingeist sein, um all
das zu unterschlagen, wie es die Opposition in dieser
Haushaltsdebatte tut.

Klar ist: Man muss Spitzenleistung, Exzellenz und
Elite auch wollen. Wir wollen Spitzenleistungen,


(Agnes Alpers [DIE LINKE]: Wir auch! Spitzenleistungen von allen!)


weil wir der festen Überzeugung sind, dass wir den
Schwachen nur dann helfen können, wenn sich die Star-
ken entfalten und einen großen Beitrag zur Solidarge-
meinschaft leisten können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dagmar Ziegler [SPD]: Aber nicht auf Kosten der Schwachen!)


– Das geht auch nicht auf Kosten der Schwachen, son-
dern wir müssen alle Gruppen der Gesellschaft, Starke
und Schwache, stärken und stabilisieren.


(Agnes Alpers [DIE LINKE]: Alle stärken, das finde ich sehr schön!)


Das geht aber nicht, indem wir alle gleichmachen und
die Starken schwächen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt – das gehört
zur Klarheit und Wahrheit dazu – noch eine große
Schwachstelle:


(Dagmar Ziegler [SPD]: Eine?)


die Umsetzung dieser Spitzenforschung in neue Unter-
nehmen und neue Produkte. Das ist in den nächsten Mo-
naten die große Aufgabe der christlich-liberalen Koali-
tion.

Wir werden in den nächsten Monaten wichtige Maß-
nahmen, die beschlossen und im Koalitionsvertrag fest-
geschrieben wurden, in Angriff nehmen:

Erstens. Wir schaffen einen attraktiven Wagniskapi-
talmarkt.

Zweitens. Wir werden in den nächsten Wochen einen
Vorschlag zur steuerlichen Forschungsförderung vorle-
gen.

Drittens. Es kann nicht sein, dass die Fraunhofer- und
Max-Planck-Institute großartige Ideen für neue Produkte
in der Schublade verschwinden lassen, weil es ihnen zu
oft verboten ist, junge Unternehmen zur Vermarktung zu
gründen.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Was? Das stimmt ja gar nicht!)

Deswegen müssen wir auch im Bereich der Wissen-
schaftsfreiheit neue Wege gehen. Die Wissenschaft
braucht mehr Freiheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Viertens. Wissenschaftler müssen schneller erken-
nen, ob ihre Forschungsergebnisse marktfähig sind. Des-
wegen wird die Ministerin in den nächsten Tagen als
neue Maßnahme die Validierungsförderung vorstellen.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Oh! Schon in den nächsten Tagen? So schnell? – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ach! Das ist doch wieder etwas Geklautes!)


All diese Maßnahmen sind ein historisch einzigartiger
Kraftakt. Im Haushalt für das Jahr 2005, also unter Rot-
Grün, waren für Bildung und Forschung 7 Milliarden
Euro veranschlagt. Im Haushalt für Bildung und For-
schung für das Jahr 2010 sind es beinahe 11 Milliarden
Euro. Das ist eine Steigerung um 57 Prozent.

Was für den Bereich der Forschung gilt, gilt auch für
die Bildung. Ihr Vorwurf, die Regierung mache hier zu
wenig, ist absurd. Der Hochschulpakt war richtig und
wichtig. Jetzt kommen neue Maßnahmen hinzu: der
Qualitätspakt Lehre, die BAföG-Erhöhung, lokale Bil-
dungsbündnisse, die Weiterentwicklung des Ausbil-
dungspaktes und vieles andere mehr.

Die Bundeskanzlerin hat den Ländern angeboten
– das ist absolut außergewöhnlich –, 40 Prozent der Kos-
ten der Maßnahmen, die auf dem Bildungsgipfel be-
schlossen werden, zu tragen, und das, obwohl der Bund
nur 8 Prozent der Bildungskosten zu tragen hätte, da dies
eigentlich in der Zuständigkeit der Länder liegt.

Das ist ein Angebot an die Kinder dieses Landes, das
ist ein Angebot an Eltern und Lehrer, aber das ist auch
ein Angebot an die Ministerpräsidenten. Von den SPD-
Ministerpräsidenten höre ich bis dato aber herzlich we-
nig. Sie äußern sich weder zu den Inhalten noch geben
sie die Zusage, dass auch sie die notwendigen Landes-
mittel zur Verfügung stellen, damit wir das 7-Prozent-
Ziel erreichen.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Was ist denn mit den CDU-Ministerpräsidenten?)


Wenn der SPD die Bildung so wichtig ist, dann ist der
Bildungsgipfel der Tag der Bewährung. Am 10. Juni
kommt es zum Schwur. Die christlich-liberale Regierung
will die Bildungsrepublik Deutschland. Unser Angebot
steht. Jetzt ist die SPD gefragt, jetzt sind ihre Minister-
präsidenten am Zuge.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703125100

Das Wort hat der Kollege Swen Schulz von der SPD-

Fraktion.






(A) (C)



(D)(B)


Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1703125200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Koalitions-
vertrag zwischen CDU, CSU und FDP steht in der Ein-
leitung zum Bildungskapitel Folgendes:

Wir wollen mehr Chancengerechtigkeit am Start,
Durchlässigkeit und faire Aufstiegschancen für alle
ermöglichen. Wir wollen Deutschland zur Bil-
dungsrepublik machen, mit den besten Kinderta-
gesstätten, den besten Schulen und Berufsschulen
sowie den besten Hochschulen und Forschungsein-
richtungen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Was da im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP
steht, ist ein großartiges Ziel.

Die Frage ist aber: Was passiert konkret? Uns liegt
der erste Haushalt dieser Regierungskoalition vor. Der
Haushalt ist ein Gradmesser dafür, was tatsächlich pas-
siert. Der Haushalt ist das Buch der Wahrheit. Wenn man
sich den Haushalt genau anschaut, muss man feststellen:
Die großen Worte, die im Koalitionsvertrag stehen, sind
reine Lippenbekenntnisse, nichts Konkretes steckt da-
hinter.

Natürlich stehen im Haushalt auch ein paar gute
Dinge.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


– Sie bauen durchaus auf der richtigen Politik von Rot-
Grün und der Großen Koalition auf; das will ich der
Fairness halber sagen.


(Beifall bei der SPD – Patrick Meinhardt [FDP]: Märchen! – Georg Schirmbeck [CDU/ CSU]: Ihre Welt ist so einfach: Die einen sind die Guten, die anderen die Schlechten!)


Aber die Frage ist doch: Was macht die neue Regie-
rungskoalition an eigener Politik?

Schauen wir uns den Bereich der Hochschulen an:
Frau Schavan hat eine große Initiative für eine bessere
Lehre angekündigt, und zwar 2 Milliarden Euro über ei-
nen Zeitraum von zehn Jahren. Doch was steht in diesem
Haushalt? Kümmerliche 2 Millionen Euro. Unseren An-
trag, diesen Titel aufzustocken, hat die Regierungskoali-
tion abgelehnt. Das war also nicht gerade ein Glanzstück
der Regierungskoalition.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Oder nehmen wir das BAföG: Wir haben eine starke
Ausweitung des BAföGs beantragt. Die Regierungsko-
alition hat das abgelehnt, sie will nur eine kleine, mode-
rate Anpassung vornehmen, und für die möchte sie sich
auch noch feiern lassen. Da Herr Rehberg, Frau Schavan
und Frau Flach in dieser Debatte behauptet haben, im
Vergleich zu Rot-Grün würden sie auf großartige Weise
mit dem BAföG umgehen, will ich daran erinnern, wie
das mit dem BAföG war: Unter der Regierung Kohl
– CDU, CSU, FDP, mit dem zuständigen Minister
Rüttgers – wurde das BAföG kurz und klein gehauen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Rot-Grün – wir – mussten das BAföG erst mühsam wie-
der aufbauen, und das in einer Situation, in der uns die
Bundesratsmehrheit von CDU/CSU und FDP jeden er-
denklichen Knüppel zwischen die Beine geworfen hat.
In der Großen Koalition musste die SPD das BAföG ge-
gen anfänglichen Widerstand von Frau Schavan und der
CDU/CSU sichern und konnte erst spät eine Verbesse-
rung des BAföGs durchsetzen. Meine sehr verehrten Da-
men und Herren von der Regierungskoalition, ich finde,
Sie sollten beim Thema BAföG ganz ruhig sein, statt
sich hier aufzuspielen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Patrick Meinhardt [FDP]: Wer vor nicht allzu langer Zeit sieben Jahre regiert hat, sollte schweigen!)


Wir freuen uns, wenn wir einen Erkenntnisgewinn be-
obachten können wie bei dem, was Sie jetzt beim
BAföG planen; das ist wenigstens etwas. Leider gibt es
Themen, über die Frau Schavan zwar viel redet, für die
sie aber nichts tut. Beispiel Schule: Sie wollen jetzt die
Grundschulen unterstützen, insbesondere Grundschulen
in sozialen Brennpunkten. Das ist ein sehr diskutabler
Ansatz. Sie brauchen dafür aber eine Änderung des
Grundgesetzes. Wenn man das, was Frau Schavan in der
Öffentlichkeit gesagt hat, ernst nehmen darf, sind Sie in-
zwischen dazu bereit. Aber wo bleibt die konkrete Initia-
tive, wo wird das, was Sie sagen, handfest? Frau
Schavan, Sie sind Bundesministerin, und Sie sind auch
Abgeordnete. Ergreifen Sie die Initiative und machen
Sie einen konkreten Antrag! Ich mache Ihnen einen Vor-
schlag: Lassen Sie uns gemeinsam Butter bei die Fische
geben, lassen Sie uns gemeinsam hier im Deutschen
Bundestag einen Gesetzentwurf zur Abschaffung des
Kooperationsverbotes einbringen! Ich werde Sie an-
schreiben und Ihnen das entsprechend vorschlagen.
Dann wollen wir einmal sehen, ob Sie es ernst meinen,
liebe Frau Schavan.


(Beifall bei der SPD)


Dann gibt es Themen, Frau Schavan, zu denen Sie
sich, obwohl diese Themen bildungspolitisch wichtig
sind, nicht einmal äußern, etwa zur Frage des Betreu-
ungsgeldes. Das ist für viele Kinder, die in schwierigen
familiären Verhältnissen leben, eine Maßnahme zur Ver-
hinderung von Bildung. Frau Schavan, ich behaupte, Sie
sind klug genug, um das zu wissen. Trotzdem schweigen
Sie zu diesem Thema. Aber den Grundschülern helfen
wollen! Dabei müssen Förderung und Unterstützung vor
der Schule einsetzen. Das blenden Sie aus. Hier verlet-
zen Sie Ihre Pflicht als Bildungsministerin, Frau
Schavan.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nun zur Finanzsituation der Länder und Kommunen.
Diese sind ja nun hauptsächlich für die Bildung zustän-
dig. Sie brauchen dringend Geld für eine bessere Bil-
dung, aber die Regierungskoalition haut den Ländern
und Kommunen mit einer verantwortungslosen Steuer-





Swen Schulz (Spandau)



(A) (C)



(D)(B)

politik finanziell die Beine weg. Sie sind nicht mehr in
der Lage, eine vernünftige Bildungspolitik zu machen.

Wir wollen das ändern; wir stehen dagegen auf. Aber
wo sind Sie, Frau Schavan? Wo sind Sie bei dieser bil-
dungspolitisch so wichtigen Frage? Immer dann, wenn
es wirklich ernst und hart wird, tauchen Sie ab, Frau
Schavan. Das ist einer Bildungsministerin nicht würdig.


(Beifall bei der SPD)


Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Re-
gierungskoalition, Sie ruhen sich auf den Erfolgen, die
Sie gemeinsam mit der SPD errungen haben, aus. Sie
verabreichen noch ein paar Beruhigungspillen, finden
salbungsvolle Worte oder ducken sich ganz weg, aber ei-
nes machen Sie nicht: die Probleme tatsächlich anpa-
cken. Das wird klar, wenn man in den Haushalt sieht.
Das sind die Fakten. Darum können Sie nicht herumre-
den.

Wir von der SPD wollen keine Klientelpolitik ma-
chen, so wie Sie es tun, sondern wir wollen gute Bildung
für alle. Dafür haben wir entsprechende Änderungsan-
träge zum Haushalt gestellt. Diese haben Sie abgelehnt.
Deswegen ist dieser Haushalt nicht zustimmungsfähig.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703125300

Das Wort hat der Kollege Michael Kretschmer von

der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Michael Kretschmer (CDU):
Rede ID: ID1703125400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was bleibt

am Ende dieser Debatte? Es bleiben viel Gutes, eine
positive Bilanz und traurige, reflexhafte Kritik der Op-
position. Das ist schade, weil Sie damit den Blick auf ein
wirklich großartiges Ergebnis verstellen, das seine Ursa-
che und seine Begründung natürlich in dieser Koalition
hat.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Super Koalition! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Chaostruppe!)


Letzten Endes ist das das Ergebnis einer Zusammen-
arbeit über viele Jahre. Viele Ideen – auch von Kollegen,
die nicht der Regierung angehören – sind hier eingeflos-
sen. Es ist schade, dass Sie darüber den Stab brechen.
Das spricht nicht für Sie.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


CDU/CSU und FDP sind es gewöhnt, dicke Bretter zu
bohren.


(Lachen des Abg. Klaus Hagemann [SPD] – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem in der Koalition!)


Das ist gerade im Bereich der Bildung und der For-
schung notwendig, wenn man erfolgreich sein will. Wir
haben einen Aufwuchs von 3 Milliarden Euro in nur fünf
Jahren durchsetzen können. Das ist eine gewaltige Zahl.

Wir planen weitere Projekte. Dazu gehört das Wissen-
schaftsfreiheitsgesetz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es ist uns in der vergangenen Legislaturperiode gelun-
gen, vieles in diesem Bereich zu bewegen; aber wir wol-
len noch mehr. Unser Standort soll noch attraktiver wer-
den. Das geht nur, wenn man gemeinsam – Bund und
Länder – in den Facharbeitsgruppen zusammenarbeitet.

Ich erinnere mich: Als ich zum ersten Mal Mitglied
des Deutschen Bundestages war – damals regierte Rot-
Grün –, gab es Befristungsregeln und den Dudenhausen-
Erlass. Diese Zeiten sind längst vorbei. Die Hochschulen
und die Forschungseinrichtungen atmen auf. Das ist das
Ergebnis einer Politik, die auf Leistung setzt und den
Hochschulen und Forschungseinrichtungen Freiheit gibt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus Hagemann [SPD]: Das haben wir gemeinsam gemacht, Herr Kretschmer!)


– Herr Hagemann, ich finde es sehr traurig, dass Sie das
alles immer nur kritisieren. Natürlich haben viele Kolle-
gen mitgewirkt. Ich bin bereit, das zuzugestehen, weil
ich mich über die Fachdiskussion freue. Ich kann Sie nur
einladen, auch in Zukunft mitzuarbeiten, zum Beispiel
am Stipendienprogramm.

Wir haben gesagt: In diesem Land gibt es keine Stipen-
dienkultur. – Wir haben das über viele Jahre, vielleicht so-
gar Jahrzehnte, gemeinsam kritisiert. Jetzt macht diese
Regierung einen wirklich großartigen Vorschlag, näm-
lich ein Stipendienprogramm für einen großen Teil der
Studierenden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Insgesamt 10 Prozent wollen wir erreichen. Ich glaube,
man sollte das gut finden und mit daran arbeiten, dass
am Ende tatsächlich 10 Prozent der jungen Leute ein Sti-
pendium erhalten können.

Sie sollten nicht den Stab darüber brechen und nicht
sagen – denn es stimmt nicht –, dass Menschen aus so-
zial schwachen Familien keine Chance haben. Im Ge-
genteil: Es gibt in diesen Familien einen unglaublichen
Leistungswillen. Wir wollen hoffen, dass viele von ihnen
ein solches Stipendium bekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der LINKEN: Machen Sie doch keine falschen Hoffnungen!)


Wir haben die zweite Phase der Exzellenzinitiative
gestartet. Wir sagen ganz klar: Es kann nicht sein, dass
eine Spitzenuniversität nicht auch in der Lehre spitze ist.
Deswegen wird es diese dritte Säule, die die Bundesmi-
nisterin angekündigt hat, geben. 200 Millionen Euro pro
Jahr für mehr Qualität in der Lehre sind eine klare An-
sage und ein deutliches Zeichen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Michael Kretschmer


(A) (C)



(D)(B)


Das BAföG wurde angesprochen. Dazu muss man sa-
gen: Es ist ungerecht, die Ankündigungen in Bausch und
Bogen kleinzureden. Es wird eine Erhöhung um
2 Prozent und eine umfassende Reform geben. Eine sol-
che Modernisierung ist in den letzten Jahren nicht durch-
geführt worden. Wir sehen konkrete Änderungen beim
BAföG vor, so zum Beispiel bei der Altersgrenze, und
wir erweitern die Möglichkeit, mit Kind zu studieren.
All das ist notwendig. Die jungen Leute, die BAföG be-
ziehen, werden es uns danken. Diese Kritik werden sie
nicht verstehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich glaube, wir werden deutlich über das hinausgehen,
was das Bundesverfassungsgericht uns aufgegeben hat.
Ich finde es richtig, dass dies auch in Form von Sachleis-
tungen geschieht, zum Beispiel bei Nachhilfe oder bei
der Förderung von Mitgliedschaften in Vereinen; dafür
bitte ich um Unterstützung. Die jungen Leute brauchen
das. Wir können nicht zulassen, dass auch in Zukunft
20 Prozent der unter 15-Jährigen zu einer Risikogruppe
gehören und irgendwann die Schule abbrechen. Die Bil-
dungsrepublik Deutschland braucht jedes Talent. Jeder
braucht eine Chance. Gerade dort, wo es notwendig ist,
müssen wir helfen.
Herr Kollege Rupprecht hat den Wissenstransfer an-
gesprochen. Das wird in der nächsten Zeit ein wichtiges
Thema für uns sein. Gestern war ich beim Senat der
Leibniz-Gemeinschaft; der Kollege Hagemann war da-
bei. Dort wird ganz selbstverständlich über Netzwerke
zur Verwertung gesprochen. Es gibt zum Beispiel ein
Translationszentrum. Es ist dort angekommen, dass wir
wollen, dass das Wissen, das wir mit staatlichen Mitteln
möglich machen, auch zu neuen Produkten führt. Auch
in dieser Hinsicht sind wir erfolgreich gewesen. Die
Politik der vergangenen Jahre hat sich ausgezahlt und
zahlt sich weiterhin aus. Darauf kann man stolz sein.


(Klaus Hagemann [SPD]: Genau!)


Wir können mittlerweile sagen – auch die Forschung
sieht das so –: Wir haben Amerika überholt. Im Jahr
2000 lagen wir bei der Produktion von forschungs- und
wissensintensiven Gütern noch hinter Amerika. Mittler-
weile liegen wir vorn.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So wie Westerwelle Brasilien entdeckt hat!)


Das ist ein großer Erfolg.

Wir werden die Gespräche über die steuerliche For-
schungsförderung in diesem Jahr abschließen. Die steu-
erliche Forschungsförderung ist ein sehr wichtiges In-
strument, mit dem wir den Forschungsstandort
Deutschland international wettbewerbsfähig halten kön-
nen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Für uns ist wichtig, dass wir denjenigen, die es
schwer haben, helfen. Bei den Reformen von Hartz IV,
im Rahmen der Neuberechnung und der Neuausrich-
tung, werden wir mehr für die Bildung von Kindern tun.
Michael Leutert [DIE LINKE]: Da können Sie
ja mal in Sachsen mit der Bildungsrepublik an-
fangen!)

Wir sind auf einem guten Weg und werden auch in
den nächsten Jahren Schwerpunkte setzen. Alle sind ein-
geladen, daran mitzuwirken. Es lohnt sich, sich für For-
schung und Entwicklung einzusetzen. Denn für eine
Wissensgesellschaft sind dies die zentralen Investitio-
nen, wenn sie auch in Zukunft wettbewerbsfähig sein
will.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1703125500

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den
Einzelplan 30 – Bundesministerium für Bildung und
Forschung – in der Ausschussfassung. Wer stimmt für
den Einzelplan 30 in der Ausschussfassung? – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 30 ist in der
Ausschussfassung mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
tionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen an-
genommen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Freitag, den 19. März 2010, 9 Uhr,
ein.

Die Sitzung ist geschlossen.