Rede von
Stephan
Mayer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-
ginnen! Sehr verehrte Kollegen! Ich komme nicht um-
hin, auf den Beitrag des Kollegen Nešković einzugehen.
Sehr geehrter Herr Kollege Nešković, ich mache das
nicht deshalb, weil ich den Beitrag so exzellent fand,
sondern weil ich es für außerordentlich bemerkenswert
halte, dass Sie die Dreistigkeit besitzen, diesen Redebei-
trag ausgerechnet am heutigen Tag zu halten, dem
20. Jahrestag der ersten freien und gleichen Wahl zur
Volkskammer in der DDR. Sie haben dem Bundesaußen-
minister historische Unkenntnis vorgeworfen.
– Ahnungslosigkeit. Ich kann diesen Vorwurf an dieser
Stelle nur an Sie zurückgeben.
Es geht hier nicht um Sie persönlich; aber Sie sitzen auf
der Bank einer Fraktion, die Mitglieder hat, die der ehe-
maligen SED angehört haben, die teilweise sogar infor-
melle Mitarbeiter der Stasi waren, die also mit dazu
beigetragen haben, ein Unrechtsregime über 40 Jahre
aufrechtzuerhalten, das den Forderungen, die Sie hier
von sich gegeben haben, gerade nicht Genüge getan hat,
nämlich Gleichheit und Freiheit zum Durchbruch zu ver-
helfen.
Ich habe mir zufälligerweise heute Vormittag die
Mühe gemacht, das ehemalige Stasi-Gefängnis in Ho-
henschönhausen zu besuchen. Es ist schon bemerkens-
wert, was man erfährt, wenn man dort durch die Zellen
und Trakte geht. Man begreift: In einem Zeitraum von
40 Jahren waren dort insgesamt 17 Millionen Menschen
eingezäunt und hinter Mauern gefangen; Hunderttau-
sende Menschen wurden in der DDR tagein, tagaus be-
spitzelt; mehrere Tausend Menschen wurden geknechtet
und gefoltert.
Sie stellen sich jetzt hier hin und halten ein großes
Plädoyer für Gleichheit und Freiheit und werfen uns vor,
dass die Bundesrepublik Deutschland diesen Ansprü-
chen nicht genügt.
Sehr geehrter Herr Kollege, das halte ich, mit Verlaub,
für außerordentlich dreist und kühn.