Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Ich begrüße Sie alle herzlich. Ich wünsche Ihnen ei-nen guten Morgen und uns eine gute parlamentarischeWoche.Ich rufe die Tagesordnungspunkte I.a und b auf:a) Zweite Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2007
– Drucksachen 16/2300, 16/2302 –b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-haltsausschusses zu der Unterrich-tung durch die BundesregierungFinanzplan des Bundes 2006 bis 2010– Drucksachen 16/2301, 16/2302, 16/3126 –Berichterstattung:Abgeordnete Steffen KampeterCarsten Schneider
Dr. Gesine LötzschfSsBsDRedetAnja HajdukWir kommen zur Beratung der Einzelpläne, und zwarzunächst der drei Einzelpläne, zu denen keine Ausspra-che vorgesehen ist.Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.1 auf:Einzelplan 01Bundespräsident und Bundespräsidialamt– Drucksachen 16/3101, 16/3123 –Berichterstattung:Abgeordnete Herbert FrankenhauserKlaas HübnerJürgen KoppelinDr. Dietmar BartschAnja Hajduk
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.2 auf:Einzelplan 02Deutscher Bundestag– Drucksachen 16/3102, 16/3123 –Berichterstattung:Abgeordnete Jürgen KoppelinNorbert KönigshofenGunter WeißgerberDr. Gesine LötzschAnja HajdukHierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion desündnisses 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst ab-timmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag aufrucksache 16/3458? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-exthält sich der Stimme? – Dann ist der Einzelplan 02 mitbreiter Mehrheit angenommen.
– Meine Vermutung, dass nach der Entscheidung überden Änderungsantrag, der keine Mehrheit gefunden hat,der Einzelplan 02 eine auskömmliche Mehrheit erhält,wird sich bestätigen. Um das über jeden Zweifel hinaussicherzustellen, darf ich fragen, wer dem Einzelplan 02ussfassung seine Zustimmung geben stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –inzelplan 02 ebenfalls einstimmig ange-in der Ausschmöchte. – WerDann ist der Enommen.
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Präsident Dr. Norbert LammertIch rufe den Tagesordnungspunkt I.3 auf:Einzelplan 03Bundesrat– Drucksache 16/3123 –Berichterstattung:Abgeordnete Jens SpahnJohannes KahrsOtto FrickeDr. Dietmar BartschAlexander BondeWer stimmt dem Einzelplan 03 in der Ausschussfas-sung zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –Dann ist der Einzelplan 03 mit den Stimmen der Koali-tionsfraktionen gegen die Stimmen des Bündnisses 90/Die Grünen und bei Enthaltung der FDP und der Frak-tion Die Linke angenommen.Ich rufe Tagesordnungspunkt I.4 auf:a) Einzelplan 08Bundesministerium der Finanzen– Drucksachen 16/3108, 16/3123 –Berichterstattung:Abgeordnete Jochen-Konrad FrommeBernhard Brinkmann
Ulrike FlachDr. Gesine LötzschAnja Hajdukb) Einzelplan 20Bundesrechnungshof– Drucksache 16/3123 –Berichterstattung:Abgeordnete Norbert BarthlePetra Merkel
Dr. Claudia WintersteinMichael LeutertAnja HajdukZum Einzelplan 08 liegt ein Entschließungsantrag derFraktion der FDP vor, über den wir am Freitag nach derSchlussabstimmung abstimmen werden.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache drei Stunden vorgesehen. – Ich höredazu keinen Widerspruch. Dann ist das so vereinbart.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächstder Kollege Jürgen Koppelin für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alserstem Redner in der Debatte erlauben Sie mir, dass ichdie Möglichkeit nutze, dem Vorsitzenden des Haushalts-ausschusses des Deutschen Bundestages, meinem Frak-tionskollegen Otto Fricke, zu seinem heutigen Geburts-tag zu gratulieren.
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Zusätzlich kann der Bund laut der Steuerschätzungür November mit einer Einnahmeerhöhung von voraus-ichtlich über 9 Milliarden Euro rechnen. Noch im Sep-ember erklärte die Bundeskanzlerin bei der ersten Le-ung des Bundeshaushaltes:
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Jürgen KoppelinKaum dass eine Steuermehreinnahme verkündetwird …, gibt es eine breite Debatte darüber, wasman damit machen könnte. Lassen Sie uns erst ein-mal Geld haben!So die Bundeskanzlerin.
Bei der ersten Lesung des Haushalts im Septemberdieses Jahres sprach sich die Bundeskanzlerin eindeutigdafür aus, Mehreinnahmen für den Schuldenabbau zuverwenden. Das war richtig. Hierfür hätte sie auch un-sere Unterstützung bekommen. Doch die Ankündigungvon Steuermehreinnahmen aufgrund der November-steuerschätzung scheint für die Kanzlerin und die Koali-tion völlig unverhofft gekommen zu sein; denn sonsthätte die Kanzlerin wohl kaum zu einer Sondersitzungins Kanzleramt eingeladen, um darüber zu diskutieren,was man mit den Mehreinnahmen, die man nun plötzlichund unverhofft erzielt, machen wolle.Bei dieser Sitzung im Kanzleramt hatte man den Ein-druck, die Kanzlerin habe gedacht, dass Geld allein nichtglücklich mache, und sich daher überlegt, welche Wohl-taten sie verteilen könne. Nun verspricht sie, den gesetz-lichen Krankenkassen aus dem Bundeshaushalt 1 Mil-liarde Euro zukommen zu lassen. Frau Bundeskanzlerin,nach unserer Auffassung war die Sitzung im Bundes-kanzleramt überhaupt nicht notwendig. Denn wir habenkein Geld zu verteilen. Sie hätten nur eines tun müssen,sich nämlich an das halten, was Sie im September diesesJahres selbst gesagt haben: dass die Schulden des Bun-des gesenkt und sämtliche zusätzlichen Einnahmen zumAbbau der Schulden verwendet werden müssen. Nichtsanderes hätten Sie sagen müssen. Denn es geht nicht da-rum, Geld zu verteilen.
Die Sanierung des Bundeshaushalts muss Vorranghaben. Schauen Sie sich einmal die Veröffentlichung derBundesbank vom gestrigen Tage an. Auch sie hat daraufhingewiesen, dass die Sanierung des Bundeshaushaltsunser wichtigstes politisches Ziel sein muss. Deshalb istes für die FDP eine Selbstverständlichkeit, dass Steuer-mehreinnahmen nur zum Schuldenabbau genutzt werdendürfen. Das sind wir den kommenden Generationenschuldig. Denn sonst müssten sie unsere Schulden be-zahlen. Das wollen wir nicht und das können wir nichtverantworten.Die FDP hat mit Interesse zur Kenntnis genommen– das muss ich fairerweise eingestehen –, dass der SPD-Vorsitzende Beck und der Bundesfinanzminister nachder Bekanntgabe der Ergebnisse der Novembersteuer-schätzung darauf gedrungen haben, die Steuermehrein-nahmen allein zum Schuldenabbau zu nutzen. DieseHaltung hätten wir eher bei Ihnen, liebe Kolleginnen undKollegen von der Union, erwartet.Mit Interesse und Erstaunen hat die FDP aber auchzur Kenntnis genommen, dass nach Bekanntgabe der Er-gebnisse der Steuerschätzung plötzlich KanzlerinMerkel und die Union diejenigen waren, die gleich ansGeldverteilen gedacht haben. Ein solches Verhalten hät-tdwTmCuFgIRgnkndmnDdedGdDdadKdvd2Bdf2tm
Dass die Union in der Haushaltspolitik vom Pfad derugend abgekommen ist – das muss ich leider so sagen –,ag vielleicht auch daran liegen, dass es in der CDU/SU-Bundestagsfraktion keine einflussreichen Finanz-nd Wirtschaftspolitiker mehr gibt.
Ich nutze das Raunen in den Reihen der CDU/CSU-raktion gerne, um, was ich sonst selten tue, den Kolle-en Poß von der SPD zu zitieren.
n diesem Falle tue ich das aber, wie ich glaube, zuecht. Kollege Poß sagte, nach der Bekanntgabe der Er-ebnisse der Steuerschätzung sei es in der Union zu ei-em regelrechten „Wünsch-dir-was-Wettbewerb“ ge-ommen, und er ermahnte die CDU/CSU zu einerachhaltigen Haushaltskonsolidierung. So weit ist es miter Union schon gekommen, dass sie sich vom Sozialde-okraten Poß zu einer soliden Haushaltspolitik ermah-en lassen muss!
Lassen Sie mich auf Folgendes aufmerksam machen:er Bundesfinanzminister hat – ich finde: zu Recht –arauf hingewiesen, dass die Novembersteuerschätzungben nur eine Schätzung und das Geld noch gar nicht iner Kasse ist. Frau Merkel, wie können Sie eigentlicheld ausgeben, das Sie noch gar nicht haben? Ich be-aure, dass der Bundesfinanzminister eingeknickt ist.enn das führt dazu, dass die Politik zur Konsolidierunges Bundeshaushalts halbherzig bleibt.Es bleibt festzustellen, dass die Schulden des Bundesuch im Jahre 2007 nicht abgebaut werden, sondern dasser Schuldenberg nur langsamer steigt; aber er steigt. Imoalitionsvertrag wurde versprochen, alle Ausgabenes Bundes auf den Prüfstand zu stellen. Im Koalitions-ertrag befindet sich sogar der schöne Satz:Daher werden wir nicht alles im gewohnten Um-fang fortsetzen können.Trotz erheblicher Mehreinnahmen des Bundes wer-en Sie die geplante Neuverschuldung um gerade einmal,5 Milliarden Euro senken. Doch die Ausgaben desundes steigen um 9 Milliarden Euro. Einsparungen aufer Ausgabenseite, wie von der Koalition versprochen,inden nicht statt. Der Bundesetat hat ein Volumen von70 Milliarden Euro. Die Investitionen des Bundes be-ragen allerdings nur 24 Milliarden Euro. Das ist ein Ar-utszeugnis.
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Jürgen Koppelin
Herr Bundesfinanzminister, die FDP hat immer da-rauf hingewiesen, dass man nur dann erhebliche Mehr-einnahmen erzielen kann, wenn die Konjunktur an-springt und richtig läuft. Nun beginnt unsere Konjunkturanzuspringen. Aber die Koalition zieht daraus keineLehren. Denn sonst müssten Sie, liebe Kolleginnen undKollegen von der Koalition, aktiv tätig werden und zumBeispiel den Arbeitsmarkt modernisieren, statt ihn in ei-nem so betonierten Zustand zu belassen, wie er gegen-wärtig ist.
Kein Zeichen dazu von der Koalition, erst recht nicht– das muss man leider feststellen – von der Union.Wir als FDP sind der Auffassung: Nur mit beherztenReformschritten können wir weitere Einnahmen für denBundeshaushalt bekommen. Denn eines ist klar – da-rüber sollten wir alle uns im Klaren sein –: Durch Ab-kassieren beim Bürger allein werden Sie die Schuldendes Bundes nicht abbauen können. Wir brauchen Refor-men in Deutschland. Das ist dringend notwendig, damitwir weitere Einnahmen haben.
Wir müssen die Schere zwischen Ausgaben und Ein-nahmen weiter schließen. Die erhöhten Einnahmen auf-grund der verbesserten Konjunktur müssen zusammenmit Ergebnissen weiterer Reformen genutzt werden, umdie Ausgaben zu reduzieren. Arbeitsmarkt, Pflege, Un-ternehmensteuer – überall besteht dringender Hand-lungsbedarf.Aber die Koalition ist nicht zu Entscheidungen fähig.
Was ist denn zum Beispiel mit dem Versprechen derKoalition, die Sozialabgaben dauerhaft unter 40 Prozentzu senken? Während der Beitragssatz zur Arbeitslosen-versicherung auf 4,2 Prozent sinken soll, steigen gleich-zeitig die Beiträge für Renten- und Krankenversiche-rung. Das ist ein Zickzackkurs, der nicht zu vermittelnist.
Sie hatten im Koalitionsvertrag versprochen, zurHaushaltskonsolidierung zunächst alle Einsparpoten-ziale auf der Ausgabenseite zu prüfen. Davon kann keineRede sein. Bei dieser Koalition steht an erster Stelle dasAbkassieren beim Bürger. Wenn Sie wirklich, wie imKoalitionsvertrag vereinbart, alle Einsparpotenziale aufder Ausgabenseite geprüft hätten, würde dieser Bundes-haushalt keine Ausgabensteigerung um 9 Milliarden Euroaufweisen; vielmehr hätten wir eine Senkung der Ausga-ben.Die FDP hat Ihnen in den Haushaltsberatungen Vor-schläge zur Kürzung auf der Ausgabenseite im Umfangvon 8,6 Milliarden Euro gemacht; über 500 Anträge mitKürzungsvorschlägen. Allein mit diesen Einsparungenhätten Sie auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer verzich-ten können.AwtcwuzwbDdmmigDIDSfBhvvSsmCddktgvSTszlfnKbtg
Da Sie nicht glauben, dass man sparen kann, bringech Ihnen ein ganz aktuelles Beispiel. Gestern war eineroße, zweiseitige Anzeige zu lesen, auch im „Spiegel“.as meiste, was behauptet wird, stimmt überhaupt nicht.
ch möchte wissen, was das schon wieder gekostet hat!as muss der Steuerzahler bezahlen. Und dann gehenie auch noch leichtfertig mit der Wahrheit um. Sie wer-en das Geld zum Fenster raus. Darauf hätte man zumeispiel verzichten können, wenn man den Bundeshaus-alt sanieren will.
Der Bundeshaushalt 2007 ist ein Bundeshaushalt derertanen Chancen. Die Bundesregierung hat die Chanceertan, durch Einsparungen und mit den zu erwartendenteuermehreinnahmen auf die unsoziale und konjunktur-chädliche Mehrwertsteuererhöhung zu verzichten, wasöglich gewesen wäre. Die Bundesregierung hat diehance vertan, die Neuverschuldung von fast 20 Milliar-en Euro weiter abzusenken. Die Bundesregierung hatie Chance vertan, auf den Steuerzuschuss an die Kran-enkassen zu verzichten, mit dem die notwendige Sys-emveränderung wieder hinausgeschoben wird. Im Übri-en – das ist unsere Auffassung – ist dieser Zuschusserfassungswidrig.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wasie sich damit eingebrockt haben, können Sie in diesenagen sehen: Ulla Schmidt darf nun verkünden, die Ge-undheitsreform sei ein Zwischenschritt auf dem Wegeur Bürgerversicherung. Ich hoffe, die Union wird Stel-ung nehmen zu dem, was Frau Schmidt da gesagt hat.
Das Ergebnis der Haushaltsberatungen lässt sich wieolgt zusammenfassen: Die Konsolidierungspolitik istur halbherzig und der Schuldenberg steigt weiter. Beimürzen von Ausgaben ist die Koalition ohne Tatendrang,eim Abkassieren der Bürger hingegen ist sie voller Ta-endrang. Die Schulden steigen langsamer; aber sie stei-en weiter.
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Jürgen KoppelinDa der Bundesfinanzminister gern mit Zitaten arbei-tet, möchte ich ihm zum Schluss meiner Ausführungenein Zitat ins Stammbuch schreiben – es stammt vonBerthold Auerbach –:Geld erwerben erfordert Klugheit;Geld bewahren erfordert eine gewisse Weisheit,und Geld schön auszugeben ist eine Kunst.Herr Bundesfinanzminister, ich würde Ihnen diese Ei-genschaften wünschen.Von diesem Bundeshaushalt gehen keine Signale aus,es ist ein Bundeshaushalt der vertanen Chancen. Siewerden nicht erwarten können, dass Sie zu diesemBundeshaushalt 2007 die Zustimmung der Fraktion derFreien Demokratischen Partei bekommen.Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Joachim Poß für die
SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Lieber Kollege Koppelin, zunächst möchteich Ihnen wie allen Kolleginnen und Kollegen, die inden letzten Wochen unter hohem Druck, mit hoher Kon-zentration und mit großer Intensität gearbeitet haben, fürIhre Mitarbeit im Haushaltsausschuss herzlich danken.Ich verstehe es: Diese Haushaltsdebatte ist für Sie alsAbgeordneten der Opposition nicht ganz einfach. Dashat man Ihnen heute Morgen auch angemerkt. Das seiIhnen verziehen.
Wir von der Koalition können diese Haushaltsdebattenämlich mit großem Optimismus bestreiten; denn eineshat sich herausgestellt: Wir sind auf dem richtigen Weg.Das Ergebnis zählt! Letzen Endes wissen Sie das jaauch.
– Herr Westerwelle, Sie können noch so viele Zeilen inder „Bild“-Zeitung schreiben, die Realität, die sich in derBundesrepublik Deutschland positiv entwickelt hat, wer-den Sie dadurch nicht verbiegen.
Ich möchte natürlich auch allen Mitarbeitern des Aus-schusssekretariats und des Bundesfinanzministeriumsherzlich danken. Es war ja schon der zweite Haushalt indiesem Jahr. Mein besonderer Dank gilt den KollegenCarsten Schneider und Steffen Kampeter, die das SchiffdgfiAdnzjwdDldddsvdgdwsKBivdkdadlddWgdhEüardnwk
Herr Koppelin, eigentlich kann in dieser Woche aucheder Oppositionspolitiker dieses Ergebnis als ganzichtigen und bemerkenswerten Schritt hin zur notwen-igen Konsolidierung des Bundeshaushaltes begrüßen.as habe ich in Ihrer Rede vermisst; das fehlte nun wirk-ich.
Aus heutiger Sicht sieht es auch so aus, als würdeiese Nettokreditaufnahme auch während des Vollzugses Haushalts im nächsten Jahr nicht in Gefahr geraten;enn der Sachverständigenrat zur Begutachtung der ge-amtwirtschaftlichen Entwicklung geht zum Beispielon einem höheren Wachstum im nächsten Jahr aus alsem, welches wir unseren Haushaltsplanungen zugrundeelegt haben. Wir sind auf der sicheren Seite und zeigenie notwendige Vorsicht, die sich dann auch auszahlenird, selbst wenn man Haushaltsrisiken nie ganz aus-chließen kann.Zur Mehrwertsteuererhöhung. Das ist auch für dieoalition keine einfache Sache. Ich glaube, in diesemewusstsein diskutieren wir das auch. Herr Koppelin,nzwischen gehen aber fast alle Wirtschaftsforscher da-on aus – das ist ein Unterschied zu früher –, dass esurch sie nicht zu einem konjunkturellen Rückschlagommen wird. Man wird wohl eher eine kleine Delle iner wirtschaftlichen Entwicklung hinnehmen müssen;ber es ist doch positiv und Sie sollten sich eigentlicharüber freuen, dass die Wirtschaft in diesem Land end-ich wächst und damit auch die Arbeitslosigkeit – auchie Langzeitarbeitslosigkeit – abgebaut wird. Das sindoch die entscheidenden Signale.
ir sorgen für den Aufbau sozialversicherungspflichti-er Beschäftigung. Das macht sich im Übrigen auch inen Sozialkassen bemerkbar.Mit einer gewissen Sorge sehe ich die Zinserhö-ungspolitik der EZB. Ich habe auch in Richtung derZB die Bitte, sich das genau zu überlegen und nicht zuberziehen.Der Bundesfinanzminister hat in den letzten Tagenuf die Erkenntnis hingewiesen, dass eine Konsolidie-ungsschwalbe noch keinen Sommer macht. Deshalbarf die Nettokreditaufnahme des Bundes nach demiedrigen Stand im Jahre 2007 mittelfristig auch nichtieder ansteigen, sondern sie muss möglichst weiter sin-en. Das sind das Ziel und die Leitlinie dieser Koalition.
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Joachim Poß
Wir haben also einen klaren Konsolidierungserfolg.Wenn Bundestag und Bundesrat im Sinne eines Wirt-schafts- und Finanzpaktes für Deutschland in eine Rich-tung marschieren, dann sind die nötigen Politikergeb-nisse auch erzielbar. Dass ein solches Zusammenwirkenjetzt endlich möglich ist, ist – das muss man offensagen – auch die Rechtfertigung für die große Koalition.In diesem Jahr hat sich bestätigt – wir wussten esauch schon –, dass Haushaltssanierung ohne wirtschaft-liches Wachstum und Beschäftigungszuwachs nichtmöglich ist.
Deshalb müssen wir – das müssen auch Sie bei IhrenVorschlägen beachten, Herr Koppelin – bei der Haus-haltskonsolidierungspolitik auch immer die konjunktu-relle Entwicklung in den Blick nehmen. Deshalb mussHaushaltskonsolidierungspolitik auch immer mit Maß-nahmen zur Stärkung insbesondere der Binnenkonjunk-tur verbunden sein. Das zeigt der Erfolg des 25-Milliar-den-Euro-Impulsprogramms, das mit dem Anteil derLänder sogar 37 Milliarden Euro umfasst. Das Im-pulsprogramm der Regierungskoalition hat beim Wirt-schaftswachstum in diesem Jahr eine positive Rolle ge-spielt und wird dies auch im nächsten Jahr tun.
Wir haben also mit den erwähnten Maßnahmen zum Ab-bau der Arbeitslosigkeit und zum verbesserten Stellen-angebot unseren Beitrag geleistet.Ich möchte noch auf einen anderen, umstritten disku-tierten Punkt eingehen, der auch in Ihren Vorschlägenangesprochen wird. Ich möchte die Aussage wagen, dassauch die Umgestaltung von Arbeitsverwaltung undArbeitsvermittlung, aktiver Arbeitsmarktpolitik undLeistungsrecht im Rahmen der Agenda 2010 offensicht-lich besser ist als ihr Ruf.
Man muss immer abwarten, welche Politikergebnissesich im Laufe der Zeit tatsächlich einstellen. Das sageich an diejenigen gewandt, die die Hartz-IV-Gesetze amliebsten wieder abschaffen wollen,
und denjenigen, die immer noch meinen, es bedürfe ei-ner Verschärfung von Hartz IV auf dem Wege einer Ge-neralrevision. Für die SPD-Fraktion stelle ich fest: Dasist nicht unser Weg; wir gehen vielmehr den bisher be-schrittenen Weg weiter, der sich als erfolgreich heraus-gestellt hat.
Diese positiven wirtschaftlichen Entwicklungen ha-ben sich auch in der Steuerschätzung von Anfang desMonats niedergeschlagen.
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Das wäre ein Vabanquespiel, meine Damen und Her-en von der Opposition.
ir haben uns in der Koalition darauf verständigt, einenolchen riskanten Weg nicht zu gehen. Auch nach derositiven Steuerschätzung bleiben wir bei unserer Linie,nd zwar mit gutem Grund.Im Übrigen ist zwar immer vom Bund die Rede; aberie Länder, in deren Haushalte ein Drittel des Aufkom-ens aus der Mehrwertsteuererhöhung fließt, werdenchon gar nicht auf diese Zusatzeinnahmen verzichten.Es bedarf keiner besonderen prophetischen Fähigkei-en, um vorherzusagen, dass die Oppositionsparteien inieser Woche der Regierungskoalition mangelndenparwillen vorwerfen werden.
ie haben das auch schon getan, Herr Koppelin.Man kann wirklich nicht sagen, dass wir den Men-chen zugunsten der Haushaltskonsolidierung nichts zu-uten. Sie haben zu Recht erwähnt, dass wir eine Reiheon Steuervergünstigungen – zum Beispiel die Pendler-auschale – abbauen. Wir haben das Haushaltsbegleit-esetz 2006 beschlossen, das auch in den Folgejahrenirkt. Wir haben allerdings auch beschlossen, dass Spit-enverdiener einen Zuschlag auf ihre Einkommensteuerahlen.Ihre Vorschläge zu zusätzlichen Einsparungen haltenir auch diesmal nicht für brauchbar. Sie sind ein Sam-elsurium, weder ökonomisch noch sozial verträglichnd in vielen Punkten rechtlich nicht realisierbar.Die Mehrwertsteuererhöhung lässt sich nicht durchinsparungen bei den Staatsausgaben ersetzen. Dasollte niemand behaupten. Damit meine ich nicht nur diepposition, sondern – das sage ich ausdrücklich – auchnstitutionen wie die Deutsche Bundesbank oder dieeisten Wirtschaftsforschungsinstitute, die ständig öf-entlich den Eindruck erwecken, man könne das Konso-idierungsaufkommen aus der Mehrwertsteuererhöhung
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Joachim Poßdurchaus durch Einsparungen bei den Sozialtransfersund den Subventionen erzielen. Leider werden diejeni-gen, die so etwas predigen, selten konkret und nennennicht die Betroffenen. Dann müssten sie nämlich einge-stehen: Um das Aufkommen aus der Mehrwertsteuer-erhöhung zu ersetzen, müssten die Renten sofort undmassiv gekürzt werden, müsste das Arbeitslosengeld IIsofort und massiv gesenkt werden und müssten wohlauch öffentliche Investitionen gekürzt werden. Das allesist mit uns nicht zu machen.
Zudem sind massive Einschnitte bei den Transferleistun-gen nicht gut für die Binnennachfrage.Unsere Doppelstrategie, Haushaltskonsolidierung mitKonjunkturstabilisierung und Wachstumsförderung zuverbinden, wird auch 2007 fortgeführt, und zwar nichtnur mit dem 25-Milliarden-Euro-Impulsprogramm. Viel-mehr senken wir den Arbeitslosenversicherungsbeitragum 2,3 Prozentpunkte. Trotz des Anstieges des Renten-versicherungsbeitrags und der erwarteten Erhöhung desKrankenversicherungsbeitrags wird der Gesamtsozial-versicherungsbeitrag damit im nächsten Jahr netto umetwa anderthalb Prozentpunkte sinken. Ich gehe fest da-von aus, dass die von den Krankenkassen und manchenGesundheitspolitikern an die Wand gemalten Horrorzah-len über die zu erwartenden Erhöhungen der GKV-Bei-träge übertrieben sind. Der zusätzliche Zuschuss inHöhe von 1 Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt2007 an die gesetzliche Krankenversicherung und eineEntschuldungsfrist für die gesetzlichen Krankenkassenbis Ende 2008 werden hier stark dämpfend wirken. ImÜbrigen sind die Krankenkassen im Moment im Protestsehr stark. Sie sollten aber endlich zeigen, wie gut siebezüglich effizienter Aufgabenerfüllung und Verwaltungtatsächlich sind. Hier sollten sich die Krankenkasseneinmal beweisen.
In diesem Zusammenhang ist außerdem klar: Wirwerden in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode dieFrage klären müssen – der Bundesfinanzminister hat esam letzten Wochenende in einem Zeitungsinterview an-gesprochen –, wie es um die Finanzierung der vereinbar-ten steigenden Bundeszuschüsse an die GKV in dennächsten Jahren bestellt ist. Vor dieser Entscheidungsteht die Koalition. Hier ist eine milliardenschwere Zu-sage erteilt worden. Damit gibt es dauerhaft eine zuneh-mende Finanzierungslücke. Das müssen wir gemeinsamnoch vor der nächsten Bundestagswahl regeln.Ich glaube, dass die Nettosenkung der Sozialversiche-rungsbeiträge stimmungsaufhellend wirken wird unddass die Unternehmensteuerreform, die wir bis zumSommer nächsten Jahres in das Bundesgesetzblatt brin-gen werden, einen Beitrag dazu leisten wird.
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nd nicht um Steuerausfälle auf Dauer. „Ja“, es geht umerstärkte Steuerzahlung derjenigen Unternehmen anen deutschen Fiskus, die sich bislang der deutschen Be-teuerung durch gezielte Gestaltung intensiv entzogenaben.
Insgesamt bietet der Kompromiss, den wir in der Ar-eitsgruppe von SPD und CDU/CSU gefunden haben,ehr viele Verbesserungen. Insbesondere für den Mittel-tand gibt es erhebliche Verbesserungen. Die Lage desittelstandes wurde steuerlich schon in den letzten Jah-en erheblich verbessert. Verbesserungen gibt es auch fürie Kommunen, die sich auf eine stabile Finanzierungurch eine erweiterte Gewerbesteuer verlassen können.amit können sie hoffentlich endlich Aufträge vergeben,ie auch für den Mittelstand in den Kommunen wichtigind. Letztlich wird es auch Verbesserungen für die öf-entlichen Haushalte insgesamt geben.Ich wünsche mir, dass alle hier im Deutschen Bundes-ag den weiteren Gesetzgebungsprozess zur Unterneh-ensteuerreform konstruktiv begleiten und mitgestalten.s lohnt sich.Vielen Dank.
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Ich erteile der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch für die
Fraktion Die Linke das Wort.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Ein BBC-Reporter fragte michletzte Woche, warum die Bundesregierung denn in ei-nem Umfragetief sei, wo doch die Konjunktur anspringeund die Arbeitslosigkeit sinke.
Die Antwort findet sich unter anderem in einer repräsen-tativen Umfrage unter 600 Führungskräften aus Wirt-schaft, Politik und Verwaltung. Mehr als die Hälfte derBefragten gab zu Protokoll, dass der wirtschaftlicheAufschwung nichts mit der Arbeit der Regierung zu tunhabe. In dieser Frage scheint sich also die so genannteElite ausnahmsweise mit der Mehrheit der Bevölkerungeinig zu sein.Ich möchte zu Ihrer Überraschung die allgemeineKritik etwas relativieren; denn immer dann, wenn dieRegierung den Vorschlägen der Linken folgt, ist sie inMaßen erfolgreich.
Die Linke fordert seit Jahren mehr öffentliche Investitio-nen. Die Bundesregierung hat dieser Forderung teilweisenachgegeben und es zeigt sich, dass bei deren Umset-zung zur kurzfristigen Belebung der Binnennachfragebeigetragen wurde. Ich will Sie daran erinnern, damit SieIhre eigene Geschichte nicht vergessen, dass Herr Merzund die neoliberale Lobby
noch vor ein paar Jahren heftig gegen öffentliche Inves-titionsprogramme wetterten und ausschließlich auf Steu-ersenkung für Kapitalgesellschaften und Besser- undBestverdienende setzten.
Aber alle Erfahrung hat gezeigt: Die Steuersenkungenbrachten Steuerausfälle und keine neuen Arbeitsplätze.Darum ist die fortdauernde Steuersenkungspolitik fürBesserverdienende falsch und wird von uns abgelehnt.
Ich will auf eine weitere beachtliche Wirkung derLinken hinweisen. Inzwischen spricht man sogar von ei-nem Linksruck in der CDU. Das ist natürlich etwas über-trieben, aber Herr Rüttgers ist nicht dafür zu kritisieren,dass er – wie wir als Linke – die Verlängerung derBezugsdauer des Arbeitslosengeldes I fordert; zu kriti-sieren ist nur, dass er dafür das Geld den jungen Arbeits-losen wegnehmen will. Das ist absurd und gesellschafts-politisch kontraproduktiv.WBDswlirmsvCAmnsdas„ECfozhÜlDBbwmeIWGuzwdcsnMnhg
ir als Linke haben einen Antrag zur Verlängerung derezugsdauer des Arbeitslosengeldes I eingebracht. Amonnerstag wird dazu eine namentliche Abstimmungtattfinden. Dann werden die Bürgerinnen und Bürgerissen, wer wirklich wofür steht. Wir beantragen zusätz-ich die Anhebung des Arbeitslosgeldes II auf 420 Eurom Monat und übernehmen damit die begründete Forde-ung der Wohlfahrtsverbände. Auch hier, so denke ich,üssen Sie den Bürgerinnen und Bürgern zeigen, wofürie stehen.
Obwohl ich einiges Positive benannt habe, will ichor Euphorie warnen, nicht nur was den Linksruck in derDU betrifft, sondern auch was den wirtschaftlichenufschwung betrifft. Es gibt eine verbreitete Wahrneh-ungsstörung bei CDU, CSU und SPD. Es gibt nämlichicht den Aufschwung. Der wirtschaftliche Auf-chwung ist klar dreigeteilt. Für einen sehr kleinen Teiler Gesellschaft geht es immer aufwärts, egal wie diellgemeine wirtschaftliche Lage ist. Ich denke zum Bei-piel an die 300 reichsten Deutschen, die jedes Jahr imManager-Magazin“ genannt werden.
gal ob Krise oder Konjunktur, es herrscht immerhampagnerstimmung und es gibt immer einen Grundür die Vorstände von Siemens, der Deutschen Bankder der Deutschen Bahn, sich die Gehälter dramatischu erhöhen. Dieser Teil der Bevölkerung lebt in Sicher-eit, weil es wirtschaftlich und politisch für ihn keineberraschung gibt. Der Bundesrechnungshof hat in deretzten Woche kritisiert, dass es vor allem im Südeneutschlands schon Steueroasen für Millionäre gibt.esserverdienende haben dort bei einer normalen Le-enserwartung Prüfungen des Finanzamtes nicht zu er-arten. Diese Situation ist wirklich obszön, meine Da-en und Herren.
Für die Mittelschicht wird das Leben immer mehr zuiner Fahrt in der Achterbahn. Angst macht sich breit.mmer mehr Menschen stehen vor existenziellen Fragen:erden sie ihre Arbeit behalten? Verzichten sie auf ihrehalt, um ihre Arbeitsplätze scheinbar zu sichern undm dann doch, wie die Mitarbeiter von BenQ, entlassenu werden?Und was noch schlimmer ist: Für eine immer größererdende Gruppe von Menschen in unserem Land wirder soziale Abstieg durch den allgemeinen wirtschaftli-hen Aufschwung nicht einmal aufgehalten. Diese Men-chen haben trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs kei-en Cent mehr in der Tasche. Im Gegenteil, gerade armeenschen werden durch die Politik dieser Regierungoch ärmer und ihre Chancen, aus der Armut zu entflie-en, noch geringer. Wir teilen diese Einschätzung übri-ens mit Bischof Huber. Er erklärte in der vergangenen
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Dr. Gesine LötzschWoche, es sei skandalös, dass in unserem reichen LandArmut wieder erblich ist. Ich glaube, das ist ein Armuts-zeugnis für unsere Gesellschaft.
Besonders bedrückend ist die Konzentration der Ar-mut in den neuen Ländern. Aber das spiegelt sich imHaushalt 2007 nirgends wider. Die meisten vermeidenauch, über Armut zu sprechen, sondern sprechen zumBeispiel von der Überschuldung einiger Bundesländerund von der angeblichen Verschwendung von Solidar-paktmitteln in Ostdeutschland. Der Zusammenhang vonArmut und Überschuldung ist offensichtlich noch nichtallen deutlich geworden. Nicht nur die Herren Stoiber,Koch und Wulff, sondern auch Herr Steinbrück fordertenach dem Urteil gegen Berlin Verschuldungsobergren-zen für die Länder. Das klingt gut, das klingt entschlos-sen, das ist aber grober Unfug. Damit würde man näm-lich gegen die Erscheinung eines Problems vorgehen,nicht aber die Ursachen bei den Wurzeln packen.
Sechs Bundesländer haben verfassungswidrige Haus-halte. In diesen Ländern ist die Nettokreditaufnahme hö-her als die Investitionen. Wenn aber sechs von 16 Bun-desländern, Herr Kollege, ihren Haushalt nicht in denGriff bekommen, kann man ja wohl nicht mehr von Ein-zelfällen sprechen. Dafür muss es doch wohl gemein-same Ursachen geben.
Die Finanzkrise des Bundes, der Länder und Gemein-den ist vor allem ein Ergebnis der falschen Steuerpolitikder alten und der neuen Bundesregierung.
Allein die Steuersenkungen der rot-grünen Bundesregie-rung haben jährliche Ausfälle von 60 Milliarden Eurofür Bund, Länder und Gemeinden verursacht.Ein letztes Wort noch zur Finanzsituation Berlins.Kulturstaatsminister Neumann wirft Berlin vor, dass esaus der Finanzierung des Stadtschlosses aussteigt. DieseKritik ist mir völlig unverständlich. Die Bundesregie-rung kann doch nicht einerseits behaupten, Berlin sparenicht ausreichend, und gleichzeitig erwarten, dass Berlinein völlig nutzloses Stadtschloss mit dreistelligen Millio-nenbeträgen finanziert. Das wäre wirklich Verschwen-dung. Herr Kollege Niebel, an der Stelle hätten Sie „Ver-schwendung“ dazwischen rufen können.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns fragen, obder Haushalt 2007 einen Beitrag dazu leistet, die Pro-bleme der Gegenwart und der Zukunft in unserem Landzu meistern. Der Haushalt 2007 belastet vor allem armeMenschen, Rentner, Familien und Kinder mit rund30 Milliarden Euro. Gleichzeitig aber plant die Bundes-regierung eine Unternehmensteuerreform, die die Un-tnDDdweLVmdsdEdslowsgsvtWKstdDGcdggksnKbeKksurwa
abei liegt der effektive Steuersatz für Unternehmen ineutschland schon jetzt bei nur 16 bis 18 Prozent undamit sind deutsche Unternehmen weltweit mehr alsettbewerbsfähig. Es bedarf also keiner weiteren Steuer-ntlastung von Unternehmen. Wer das fordert, vertrittobbyinteressen und nicht die Interessen des gesamtenolkes, wie es unser grundgesetzlicher Auftrag ist,eine lieben Kolleginnen und Kollegen.Wer behauptet, dass die Unternehmensteuerreformen Steuerzahler gar nichts kosten wird, der erinnereich bitte an die letzte Steuerreform: Im Jahre 2001 wur-en in Deutschland zum Beispiel noch 25,5 Milliardenuro Körperschaftsteuer gezahlt. Ein Jahr später fielenie Einnahmen unter null und die Finanzämter musstenogar 426 Millionen Euro an Unternehmen zurückzah-en. Wenn das nicht eine Umverteilung von unten nachben ist!Wir als Linke wollen einen politischen Richtungs-echsel. Weitere Steuersenkungen für Unternehmenchaffen keine neuen Arbeitsplätze. Das hat die alte, rot-rüne Regierung eindrucksvoll bewiesen. Dafür wurdeie abgewählt. Die Lasten in unserem Land müssen neuerteilt werden. Starke Schultern müssen wieder mehrragen und schwache Schultern müssen entlastet werden.er diesen Richtungswechsel nicht will, der setzt aufonfrontation und nimmt das Auseinanderdriften in un-erer Gesellschaft billigend in Kauf. Sagen Sie nicht hin-erher, Sie hätten es nicht gewusst!
Während der Haushaltsberatungen ging es auch umie Verwendung der zu erwartenden Mehreinnahmen.er SPD-Vorsitzende Beck schlug als Erstes vor, dieseseld in die Auslandseinsätze der Bundeswehr zu ste-ken. Einen absurderen Vorschlag eines SPD-Vorsitzen-en habe ich lange nicht gehört. Aber er wurde ihm au-enscheinlich relativ schnell ausgeredet.Wir als Linke wollen die Mehreinnahmen nutzen, umrobe Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft zu be-ämpfen. Wie bereits erwähnt, wollen wir das Arbeitslo-engeld II – bekannt als Hartz IV – auf 420 Euro im Mo-at anheben. Weiterhin wollen wir die Zuschüsse für dierankenkassen erhöhen, um ein Ansteigen der Kassen-eiträge im nächsten Jahr zu verhindern. Wir haben dazuinen Antrag in die Beratungen eingebracht, der von deroalition abgelehnt wurde. Allerdings hat die Bundes-anzlerin persönlich unseren Antrag in einer Miniver-ion übernommen. Ihr ging es dabei allerdings wenigerm höhere Beiträge als vielmehr um die Umsetzung ih-es alten Konzeptes von der Kopfpauschale. Das lehnenir als unsolidarisch ab.
Ich will betonen, dass wir in unserem Entschließungs-ntrag und auch in den Haushaltsberatungen sowohl
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Dr. Gesine LötzschVorschläge für Mehreinnahmen als auch Einsparvor-schläge gemacht haben. Auf einige dieser Einsparvor-schläge möchte ich hier eingehen. Ich kann dabei an denKollegen Koppelin von der FDP anknüpfen. Die Bun-desregierung will im nächsten Jahr noch einmal mehrGeld für Verteidigung ausgeben. Ich sage Ihnen:28 Milliarden Euro sind eine Stange Geld. Zum Ver-gleich: Für zivile Investitionen gibt die Bundesrepublikin der gleichen Zeit nur 24 Milliarden Euro aus, also4 Milliarden Euro weniger als für den Militärhaushalt.Ich finde, da stimmt es vorne und hinten nicht.
Ist es nicht völlig verrückt, dass wir in Friedenszeitenmehr Geld für Rüstung und Militär ausgeben als für zi-vile Investitionen? Offensichtlich hat fast niemand indiesem Lande damit ein Problem. Selbst der Bund derSteuerzahler, der sich sonst immer meldet, schweigt sto-isch, wenn es um die Verschwendung von Steuermittelnbei der Bundeswehr geht.
Die Bundesregierung versucht nun, die hohen Ausga-ben mit der steigenden Terrorgefahr zu begründen. Dochschaut man sich die großen Beschaffungsprojekte derBundeswehr an – wir werden darüber morgen ausführ-lich diskutieren –, erkennt man, dass die meisten dieserProjekte noch aus der Zeit des Kalten Krieges stammen.Kann mir jemand aus der Koalition erklären, wie manmit Panzerhaubitzen Terroristen jagen will?
– Nein, auch der Minister nicht.
Der Innenminister hat mit der gleichen Begründungin letzter Sekunde ein 132-Millionen-Euro-Programm inden Haushaltsausschuss eingebracht. Dabei setzt manauf flächendeckende Überwachung und auf den Abbauvon Bürgerrechten. Die SPD hätte ein solches Paket vorzwei Jahren nur mit spitzen Fingern angefasst und sichangewidert abgewandt. Nun hat sie zugestimmt.
Abschließend will ich auf eine weitere Einsparmög-lichkeit hinweisen. Wir sind der Auffassung, dass diekostenintensive Teilung der Bundesregierung mit denStandorten Bonn und Berlin ein Ende finden muss.Der Wanderzirkus sollte spätestens bis zum Jahr 2012beendet sein. Es kann doch nicht sein, dass wir uns in ei-nem Land, in dem wir von jedem Mobilität und Flexibi-lität verlangen, diesen Luxus an ministeriellem Behar-rungsvermögen leisten.
Meine Damen und Herren, mein letzter Satz: Selbst-verständlich fordern wir auch an dieser Stelle die Rück-nahme der Mehrtwertsteuererhöhung. Diese Steuererhö-hung ist unsozial und Gift für die Konjunktur. Sie istglCHhDG2rdtrAdgKfkhusdavHwdSdeDJ
ie Kollegen im Haushaltsausschuss haben eine guterundlage dafür geschaffen, dass die Koalition im Jahre007 einen entscheidenden Schritt auf dem Konsolidie-ungspfad vorankommen wird.Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere voner FDP, selbst die kritische Öffentlichkeit erkennt mit-lerweile an, dass die Koalition beim Projekt Etatsanie-ung auf dem richtigen Wege ist.
uch Herr Kollege Koppelin – man hat es an seinem Re-ebeitrag gemerkt – hat ja keinen richtigen Ansatzpunktefunden, um Kritik zu üben. Populismus, Herroppelin, ersetzt keine solide und seriöse Finanzpolitikür die Bundesrepublik Deutschland.
Binnen zwölf Monaten hat diese Koalition die Netto-reditaufnahme im Bundeshaushalt etwa halbiert. Wiraben sie von einem Niveau von 40 Milliarden Euro aufnter 20 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung ge-enkt. Zwar ist auch in Zukunft eine weitere Absenkunger Nettokreditaufnahme ein Gebot der Stunde,
ber man sollte den gewaltigen Schritt, den wir nachorne gemacht haben, anerkennen.
Weiterhin reden wir im Zusammenhang mit demaushaltsentwurf 2007 – das ist hier schon vorgetragenorden – über die niedrigste Nettokreditaufnahme seiter Wiedervereinigung. Auch an diesem gewaltigenchritt zeigt sich, wie ich glaube, dass diese Koalitionas Thema „Konsolidierung des Bundeshaushaltes“rnst nimmt.
Auch auf Folgendes möchte ich hinweisen: Nachdemeutschland fünf Jahre hintereinander, nämlich in denahren 2001 bis 2005, Kriterien des Maastrichtvertrages
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Dr. Michael Meisterverletzt hat, unterschreiten wir nun sowohl 2006 als auch2007 das Kriterium der Nettoneuverschuldung und kom-men in 2007 in die Nähe von 2 Prozent Nettoneuver-schuldung. Das ist doch etwas: Wir halten europäischesRecht ein, eigentlich eine Normalität, aber um dies zurealisieren, waren gewaltige Anstrengungen nötig. Ichwürde mich freuen, wenn das in dieser Debatte zurKenntnis genommen würde.
Der Hinweis, liebe Kolleginnen und Kollegen, dassdies alles über Maßnahmen auf der Einnahmeseiterealisiert wird, ist falsch. Die Konsolidierung erfolgtüberwiegend auf der Ausgabenseite.
Dies haben wir vereinbart und nun umgesetzt. Selbstwenn Sie hundertmal etwas anderes behaupten, wird dasdamit nicht richtiger. Fakt bleibt: Wir konsolidieren vor-nehmlich über Maßnahmen auf der Ausgabenseite.
In der Situation, die wir vorgefunden haben, wäre esuns nicht möglich gewesen – das hat uns der Vorsitzendedes Sachverständigenrates in der Anhörung zum Haus-haltsbegleitgesetz bestätigt –, sowohl das Neuverschul-dungskriterium aus dem Maastrichtvertrag als auch dieVorgaben von Art. 115 des Grundgesetzes einzuhalten,wenn wir nicht gleichzeitig neben den Sparbemühungenauf der Ausgabenseite auch auf der Einnahmeseite etwasgetan hätten.
Deshalb haben wir uns nicht mit Freude, sondern ausVerantwortung vor der Aufgabe dazu entschlossen, auchetwas auf der Einnahmeseite zu tun.
Jetzt dürfen Sie sich gerne mit uns darüber freuen,dass wir die Vorgaben des Art. 115 des Grundgesetzesim kommenden Haushalt wieder einhalten werden; denndie Nettokreditaufnahme ist niedriger als die Investi-tionssumme, und zwar nicht nur deshalb, weil die Netto-kreditaufnahme sinkt, sondern auch, Herr Koppelin– das nehmen Sie ja nicht zur Kenntnis –, weil die Inves-titionssumme wieder steigt. Das bedeutet, wir tun auchqualitativ etwas für den Bundeshaushalt,
indem wir zum Beispiel die Bereiche Forschung undTechnologie stärken. Ich erinnere an das Programm zurHightech-Strategie von Kollegin Schavan. Wir habenuns als Koalition „committed“, dass dies auch in dennächsten vier Jahren mit dem entsprechenden Geld un-terlegt wird und dass wir dafür sorgen, dass wir bei For-smeg–Sfl3mdfSrbdgummgdhWsfmtPTeBpDlagibMw
Es kommt sehr wohl beim Kunden an. Es liegt eintück weit an Ihrer Realitätsverweigerung, dass Sie ein-ach nicht erkennen, dass wir eine halbe Million Arbeits-ose weniger,
00 000 Sozialversicherungspflichtige mehr und einenassiven Aufwuchs bei den Steuereinnahmen haben undass das Wachstum höher ist, als in den vergangenenünf, sechs Jahren überhaupt zu träumen war. Kommenie doch mal in die Realität, bevor Sie hier Zwischen-ufe machen!
Wir haben auch etwas getan, um die Investitions-edingungen zu stärken. Denn wir haben doch gelernt,ass wir, wenn wir nur sanieren, die Konjunktur abwür-en würden. Wir müssen neben der Haushaltssanierungnd dem Sparen, was richtig und wichtig ist, auch fürehr Wachstum sorgen. Dazu haben wir zunächst ein-al Investitionsanreize gesetzt. Ich nenne nur die günsti-en Investitionsbedingungen für die Unternehmen überie degressive AfA und die Möglichkeiten im Privat-aushalt. Das dient der Ankurbelung der Konjunktur.ir sind jetzt in der Pflicht – das wird der dritte Schrittein –, dies auch mit strukturellem Wachstum zu unter-üttern. Meine Bitte ist, dass Sie nicht nur Zwischenrufeachen, sondern gelegentlich auch mit einem konstruk-iven Vorschlag kommen, wie man das eine oder andererojekt struktureller Reformen nach vorne bringen kann.
Ich greife den Einwurf von Herrn Koppelin zumhema Lohnnebenkosten, Arbeitskosten auf. Es ist dochin gewaltiger Schritt, wenn wir zum 1. Januar 2007 deneitrag zur Arbeitslosenversicherung um 2,3 Prozent-unkte senken können.
as dient der Förderung der legalen Arbeit in Deutsch-and. Deshalb können Sie nicht sagen, es geschehe nichtsn dieser Stelle.Dann sagen Sie, der Rentenbeitrag steige leider. Ichlaube, genauso wichtig wie die Zahlen, die wir nennen,st die Tatsache, dass Politik in Deutschland verlässlich,erechenbar und stetig ist.
it dem Rentenbeitrag, den wir jetzt festlegen, könnenir über die komplette Wahlperiode hinweg ein stabiles
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Dr. Michael MeisterNiveau halten. Damit sorgen wir für verlässliche Rah-menbedingungen an dieser Stelle.
Ich hätte mich gefreut, wenn Sie, Herr Koppelin, in derÖffentlichkeit gesagt hätten: Zur Sanierung der Renten-versicherung startet die Koalition das Projekt „Rente mit67“ und die FDP geht, weil sie das für richtig hält, kräf-tig mit voran. –
Ich habe von Ihnen keinen Ton dazu gehört. Sie verwei-gern sich den strukturellen Reformen, sind aber nicht be-reit, andere Vorschläge zu machen. Das muss man ein-fach einmal deutlich festhalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sanieren, investie-ren, reformieren – das ist, glaube ich, der richtige Drei-klang. Ich sage allerdings deutlich: Wir dürfen nach die-sem ersten gewaltigen Sanierungsschritt nicht übermütigwerden. Wir müssen der Konsolidierung des Haushaltsauch für die folgenden Jahre erste Priorität einräumen,damit die Handlungsspielräume künftiger Generationennicht noch weiter beschnitten werden. Ein Blick auf dieZinslasten im Bundeshaushalt – wir geben rund 15 Pro-zent unseres Geldes für Zinsen aus; das heißt, wir kom-men für Ausgaben auf, die in der Vergangenheit zu vielgetätigt worden sind, und zwar zulasten der Zukunft –zeigt, dass es dringend notwendig ist, dass wir an dieserStelle umsteuern und zu einer Finanzierung der Zukunftübergehen, meine Damen und Herren.
Ich will an dieser Stelle folgenden Einwurf machen.Wir haben ja ein außerordentlich niedriges Zinsniveau.Dennoch bin ich der Meinung, dass es für die Menschenin unserem Land neben der Haushaltskonsolidierung un-geheuer wichtig ist, dass wir auch eine unabhängigeGeldpolitik haben,
die für stabiles Geld und eine niedrige Inflation sorgt,was die Basis einer vernünftigen Sozialpolitik ist; dennes gibt nichts Unsozialeres als steigende Inflationsraten.
Wir stellen uns den weiteren Herausforderungen. Beieinem gesamtstaatlichen Defizit von 2 Prozent ist dieKonsolidierung nicht beendet. Vielmehr muss sie weiter-geführt werden. Deshalb werden wir in den kommendenJahren in einer Größenordnung von gesamtstaatlich rund10 Milliarden Euro weiter konsolidieren müssen. Dabeisind unsere Annahmen für Wachstum und BeschäftigungzdhmrED–RDw2dsezshufSwmzMlrsVdrgEwtBBAvtd
Ich will darauf hinweisen, dass vor 40 Jahren etwa7 Prozent der Wirtschaftsleistungen für Investitionen inie Zukunft und 22 Prozent für Sozialausgaben einge-etzt wurden. Heute, also 40 Jahre später, geben wirtwa 10 Prozent weniger für Investitionen und 10 Pro-ent mehr für Sozialausgaben aus. An dieser Stelle be-teht für uns also die große Herausforderung, im Haus-alt umzusteuern, die Investitionen wieder zu stärkennd durch vernünftige Reformen die Aufwendungenür Sozialleistungen zurückzuführen. Das hat nichts mitozialabbau zu tun. Die entscheidende Frage ist, wieieder mehr Menschen in den ersten Arbeitsmarkt kom-en. Wenn das der Fall ist, müssen wir weniger für So-ialleistungen ausgeben und haben gleichzeitig mehröglichkeiten für die Finanzierung unserer gesamtstaat-ichen Aufgaben. Unser Ansatz ist also, durch Verbesse-ung der Chancen am ersten Arbeitsmarkt das von miroeben beschriebene Problem zu lösen.
Ich will noch auf einen Punkt eingehen, den meineorrednerin von der PDS angesprochen hat. Es geht umas Thema Sicherheit. Ich glaube, es ist die Grundforde-ung an jedes Staatswesen, seinen Bürgern Sicherheit zuewähren.
in Staat, der seinen Bürgern keine Sicherheit gewährt,ird von ihnen nicht mehr akzeptiert. Es ist daher rich-ig, dass sich diese Koalition dazu entschieden hat, imereich des Bundesministers der Verteidigung und desundesinnenministers die notwendigen zusätzlichenufwendungen für mehr Sicherheit zu tätigen, um denor uns liegenden Herausforderungen durch den interna-ionalen Terrorismus gerecht zu werden. Ich sage ein-eutig: Auch hier ist die große Koalition auf dem richti-
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Dr. Michael Meistergen Wege und handelt im Interesse der Bürger derBundesrepublik Deutschland.
Wir haben die Föderalismusreform I abgeschlossen.Auch dies war ein gewaltiger Schritt in den ersten zwölfMonaten.
Wir stehen nun vor einem weiteren großen Projekt. Wirhaben uns nämlich darauf verständigt, eineFöderalismusreform II auf den Weg zu bringen, bei deres um die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländernund Gemeinden geht. An dieser Stelle ist es wichtig– wir reden ja auch über Defizite –, einmal zu überprü-fen, ob die heutigen Verschuldungsregeln, die im Grund-gesetz und im Maastricht-Vertrag enthalten sind, über-haupt noch konsistent zueinander sind oder ob es nichtnotwendig ist, sie besser aufeinander abzustimmen undsie in der Weise zu gestalten, dass tatsächlich eine Poli-tik für zukünftige Generationen gemacht wird. Deshalbist es richtig, dass dieser Punkt an dieser Stelle auf derTagesordnung steht. Die Koalition wird sich auch dieserHerausforderung stellen.
Ich will abschließend noch auf das Thema Strukturre-formen eingehen. Herr Koppelin sagte, die Koalitionkäme beim Thema Unternehmensteuerreform nichtvoran. Wie auch der Kollege Poß habe ich der Arbeits-gruppe angehört, die sich mit dieser Reform befasst hat.Die Koalition hat sich trotz dieses hochkomplexen The-mas auf schlüssige und tragfähige Eckpunkte geeinigt.Man kann also nicht den Eindruck gewinnen, dass es beidiesem Thema nicht vorangegangen ist. Jetzt stehen wirvor der Aufgabe, die Eckpunkte mithilfe eines Gesetzesumzusetzen. Nach den ersten Einschätzungen des ZEWaus Mannheim werden wir dann, was die Wettbewerbs-fähigkeit des Standorts Deutschland betrifft, vom letztenPlatz auf einen Platz im Mittelfeld vorrücken.Ich hätte mir gut vorstellen können, dass kritisiertwerden würde, warum wir nur solche Punkte beschlos-sen haben, die uns vom Tabellenende ins Mittelfeld füh-ren, und nicht solche Punkte, die uns weiter an die Spitzeführen. Eine solche Debatte hatte ich eigentlich erwartet.Aber die Debatte in Deutschland verläuft in die andereRichtung. Es wird die Frage gestellt, ob wir überhauptvom Tabellenende weg müssen. Ich sage dazu eindeutigJa. Wenn wir langfristig Wachstum und Beschäftigungwollen, dann müssen wir etwas für bessere Standortbe-dingungen in Deutschland tun, was uns vom Tabellen-ende ins Mittelfeld führt.
Ich würde mich freuen, wenn diese Unternehmensteu-erreform als eine Zukunftsinvestition verstanden würde.
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as heißt, Regeländerungen führen zu Verhaltensände-ungen. Das muss zur Kenntnis genommen werden. Des-alb müssen wir aufhören, von statischen Betrachtungenuszugehen, und müssen zu dynamischen Betrachtungenbergehen. Denn unser Land braucht Dynamik und nichttatik.
Wer eine dynamische Betrachtung durchführt, wirdehen, dass es zu Verhaltensänderungen der Steuer-flichtigen kommt. Kollege Poß hat zu Recht angespro-hen, dass wir dafür sorgen wollen, dass Gewinne, die ineutschland erwirtschaftet werden, auch hier der Be-teuerung unterzogen werden. Wir erwarten Verhaltens-nderungen. Wir stoßen sie durch die von uns getroffe-en Maßnahmen an.Wenn man vom Tabellenende ins Tabellenmittelfeldommen will, dann geht es auch darum, am Standorteutschland für mehr Investitionen, mehr Beschäftigungnd damit natürlich für mehr Einnahmen zu sorgen, dieir bei geringeren Tarifen erzielen wollen. Man solltelso keine statische Betrachtung anstellen, sondern dieynamik, die erzeugt wird, zur Kenntnis nehmen.Das, was wir zur Sanierung des Bundeshaushaltesufgelegt haben, ist ein sehr ehrgeiziges Programm. Ichlaube, dass es uns gelungen ist, die verschiedenen Bau-teine, nämlich Sanieren, Investieren und Reformieren,n richtiger Weise zusammenzuführen und zu mischen.iese Koalition unter Führung der Union ist auf demichtigen Wege.Ich freue mich auf diese Haushaltswoche und glaube,ass sowohl das Parlament als auch die Öffentlichkeitnseren Weg bestätigen werden.Vielen Dank.
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Für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat
die Kollegin Anja Hajduk das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! Die große Koalition hat – das kann man feststel-len – Fortune. Im Interesse unseres Landes kann man dasals Opposition auch ertragen. Aber nicht zu akzeptierenist, dass die Kollegen der großen Koalition – das ist beiHerrn Meister gerade wieder deutlich geworden – nichtzwischen der Fortune, die sie haben, und dem, was sie„eigene gewaltige Anstrengungen“ nennen, unterschei-den können.
Das ist schlicht und ergreifend lächerlich. Das sagt nie-mand anderes; nur Sie betonen das in Ihren Reden.
Ich will das belegen. Schauen wir uns das Haushalts-jahr 2006 an. Sie haben sich in den Koalitionsverhand-lungen für eine Nettokreditaufnahme von 38 Milliar-den Euro entschieden. Sie haben gesagt, diese braucheman 2006, damit die Wirtschaft anspringe. Wir werdenin diesem Jahr bei einem Wirtschaftswachstum von2,5 Prozent – Deutschland liegt damit deutlich über sei-nem Potenzialwachstum –
bei einer gleichzeitigen Nettokreditaufnahme von30 Milliarden Euro liegen. Das ist ein klarer Verstoß ge-gen die Verfassung. Das hat Ihnen der Sachverständigen-rat vor einigen Tagen gesagt.
Zumindest im Haushaltsvollzug hätten Sie stärker ge-gensteuern können. Ihre haushaltspolitische Zielsetzungin Ihrem ersten Haushaltsjahr war, sich Schulden inHöhe von 38 Milliarden Euro zu gestatten. Dass Sie jetztnur Schulden in Höhe von 30 Milliarden Euro machen,feiern Sie schon als Erfolg. Das bezahlen die Bürgerin-nen und Bürger dieses Landes aber mit steigenden Zin-sen. Das ist ein Armutszeugnis für Ihre Politik.
Das setzt sich fort. Wie ist es denn im Haushalt 2007?Im Haushalt 2007 ist eine Nettokreditaufnahme von un-ter 20 Milliarden Euro geplant. Das ist besser als in denletzten Jahren unter Rot-Grün. Das weiß ich; das leugneich auch nicht. Aber Sie sollten diese Zielsetzung an denSpielräumen messen, die Sie haben. Im Bund wird esSteuermehreinnahmen in Höhe von knapp 18 MilliardenEuro geben; die Steuereinnahmen steigen laut Steuer-schätzung im Vergleich zu 2006 um diesen Betrag. Siewollen zusätzlich die Privatisierungen um 2,5 MilliardenEnS2aWgvdRdnjnSZSlslcMS6prrtvs7hlsGwkfdhdikDvlndF
as heißt das? Das heißt, Sie steigern die Ausgaben beiuter wirtschaftlicher Entwicklung. – Wer angesichtson Mehreinnahmen in Höhe von 20 Milliarden Euroie Nettokreditaufnahme nur um die Hälfte senkt, Herröttgen, der kann nicht von einem Methodenwechsel iner Haushaltspolitik der großen Koalition reden. Sie leh-en sich zurück und sonnen sich in der rosaroten Kon-unkturentwicklung. Das kann dieses Land eigentlichicht gebrauchen.
ie als große Koalition müssten mehr leisten und ehrlicheugnis über Ihre Möglichkeiten ablegen. Das wissenie auch. Sie lehnen sich stattdessen bei konjunkturel-em Rückenwind zurück. Sie sind aufgrund Ihrer grund-ätzlichen Differenzen erschöpft; das verstehe ich natür-ich.
Ich komme nun auf einen zweiten Bereich zu spre-hen. Wie erbringen Sie Ihre Einsparungen? Herreister hat wiederholt, was uns Herr Steinbrück imommer gesagt hat: Auf der Ausgabenseite würden0 Prozent konsolidiert und es sei eine Legende der Op-osition, dass die Steuereinnahmen der Hauptkonsolidie-ungsbeitrag wären.Ich will deutlich machen, woraus Ihre Haupteinspa-ungen bestehen: Die erste Verschiebung findet zuguns-en des Haushalts und zulasten der Rentenkasse in Höheon 2 Milliarden Euro statt, weil Sie die Rentenzu-chüsse für die Bezieher von Arbeitslosengeld II von8 auf 45 Euro senken. Der zweite Verschiebebahnhofeißt Gesundheitsversicherung. Sie wollten 2,8 Mil-iarden Euro in diesem Jahr zulasten der Gesundheitsver-icherung zugunsten des Haushalts verschieben. In deresundheitsreform ist das Verschieben aber uneindeutig,eil ständig einer die Weichen umstellt: Mal solleneine Steuereinnahmen in die Gesundheitsversicherungließen, ein andermal sollen mehr Steuereinnahmen inie Gesundheitsversicherung fließen. Die Kanzlerin fügtinzu: Das findet nur statt, wenn die Steuereinnahmenas konjunkturell zulassen. Auf diesen Aspekt kommech gleich noch einmal zurück.Im Bereich der Gesundheit gibt es einen Zickzack-urs und im Bereich der Rente einen Verschiebebahnhof.as sind dann die berühmten strukturellen Einsparungenon Herrn Steinbrück, die in diesem Haushalt 3,8 Mil-iarden Euro ausmachen. Meines Erachtens ist das aberichts anderes als eine unehrliche Masche, die nicht nurie Bürgerinnen und Bürger belastet, sondern auch denaktor Arbeit. Darauf komme ich jetzt zu sprechen.
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Anja HajdukDas selbst gesetzte Ziel, die Lohnnebenkosten aufunter 40 Prozent zu drücken, wird glatt verfehlt, FrauMerkel. Ich will Ihnen eine Rechnung vorlegen, die eineehrliche Bilanz der Lohnnebenkosten aufweist: Bei derPflegeversicherung bleibt es bei einem Beitrag von1,7 Prozent. Das ist von mir freundlich gerechnet; denndie Reform ist hier überfällig. Bei der Krankenversiche-rung liegt der Durchschnittsbeitrag momentan bei14,3 Prozent.
Dieser Beitrag wird, wiederum sehr koalitionsfreundlichgerechnet, im nächsten Jahr auf 15 Prozent steigen. DerRentenversicherungsbeitrag liegt zurzeit bei 19,5 Pro-zent. Durch die Politik der großen Koalition wird er imnächsten Jahr bei 19,9 Prozent liegen. Der Beitrag zurArbeitslosenversicherung liegt bei 6,5 Prozent. Die Sen-kung des Beitrags um 1,3 Prozentpunkte, die aus denAnstrengungen der BA resultiert, kann sich die großeKoalition aber nicht auf die eigene Fahne schreiben.
5,2 Prozentpunkte in der Arbeitslosenversicherung sindProdukt der Reformen von Hartz I bis Hartz IV, die Sieteilweise bekämpft haben und bei denen Herr Rüttgersjetzt schon wieder wackelt, Frau Merkel. Das wird nochzu einem Problem für Sie.
Überlegen Sie doch: Die Bundesagentur hat durchihre Reformanstrengungen einen Eigenbeitrag in Höhevon 1,3 Prozentpunkten erbracht. Insofern landeten dieLohnnebenkosten in diesem Jahr bei 40,7 Prozent. Imnächsten Jahr werden sie aufgrund der Maßnahmen dergroßen Koalition bei 40,8 Prozent liegen. Nun könnteman sagen, es handele sich ja nur um 0,1 Prozent. Hinzukommt jedoch noch ein weiteres Problem: die Erhö-hung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte. Bei ei-ner ehrlichen Gesamtbetrachtung erkennt man, dass dieErhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte zurSenkung der Lohnnebenkosten faktisch nichts beiträgt.Sie wird vielmehr die Bezieher kleiner und mittlerer Ein-kommen besonders belasten.
Wie sieht die Bilanz aus? Kleinere Einkommen werdenbelastet und die Unternehmensteuerreform wird nichtaufkommensneutral sein, weil Sie dazu nicht die Krafthaben. Daran erkennt man die soziale Schieflage, dieletztlich Ihre Politik kennzeichnet. Das hat Frau Lötzschrichtig erkannt.
Ich möchte auf die Gesundheitsreform zurückkom-men. Einige Entscheidungen, die die Leistungssätzebetreffen, finden wir gar nicht so falsch. Das Haupt-problem ist die Finanzierung. Die Gesundheitsreform ist,wstwsdrvFlGdFdfmmgndshwGFegfbdafIevgdHsjSdStkds
Ich stelle die These auf, dass Sie die Gründung diesesonds und die Durchführung dieser Gesundheitsreformeswegen nicht lassen können, weil Sie sie zum Maßstabür die Handlungsfähigkeit der großen Koalition ge-acht haben. Wenn Sie auch nur ein bisschen ernst näh-en, was Ihnen Sachverständige zu dieser Reform sa-en, dann müssten Sie sagen: Wir machen diese Reformur hinsichtlich der Ausgaben, nicht jedoch hinsichtlicher Finanzierung. Diese wird verschoben, weil es 2009owieso eine Wahlauseinandersetzung über die Gesund-eitsreform gibt. Wir verzichten auf diesen Unfug. – Dasäre souverän. Ansonsten tun Sie dem System keinenefallen.
Warum spreche ich das in dieser Haushaltsdebatte an?rau Bundeskanzlerin, Ihre Reformkompetenz gerät inin seltsames Licht. Im Zuge der Koalitionsvereinbarun-en haben Sie gesagt, es gebe keine Steuermittel mehrür die Gesundheitsversicherung. Im Sommer dann ha-en Sie einen Kompromiss geschlossen und entschieden,ass demnächst wieder Steuermittel hineinfließen sollen,ber ehrlich gesagt, dass Sie dafür noch eine Gegen-inanzierung brauchen, die Sie derzeit noch nicht hätten.n diesem Herbst jedoch beschließen Sie – weil die Steu-rquellen so schön sprudeln –, die Steuerfinanzierungorzuziehen. – Das ist ein Zickzackkurs ohne solide Ge-enfinanzierung. Das spricht auch nicht für das Vorhan-ensein von Reformkompetenz.Ich will Ihnen das an einer Stelle verdeutlichen: Imaushaltsausschuss gab es einen heftigen Streit zwi-chen CDU/CSU und SPD, als ich gefragt habe, wasetzt eigentlich vorgezogen wird.
ie haben erklärt, die steuerfinanzierte Mitversicherunger Kinder würde vorgezogen. Das jedoch sieht diePD ganz anders. Solange die GKV und die PKV ge-rennt sind, wird es mit der SPD – und zwar zu Recht –eine Steuerfinanzierung der Mitversicherung der Kin-er geben. Das war ein Kommunikationsgag, den Sieich da geleistet haben. Es gibt im Moment keine
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Anja HajdukGrundlage für die steuerfinanzierte Mitfinanzierung vonKindern in der Krankenversicherung.Im übernächsten Jahr gibt es einen nicht gegenfinan-zierten Steuerbeitrag für die Krankenversicherung inHöhe von 4 Milliarden Euro. Dadurch ist ein riesigesLoch im Haushalt entstanden. Im Jahr 2007 beläuft sichder Steuerzuschuss auf 2,5 Milliarden Euro und da hilftdie Konjunktur. Herr Steinbrück weiß noch nicht, wie erdiese 4 Milliarden Euro im Jahr 2008 finanzieren soll.
Mit diesem Zickzackkurs bestätigen Sie leider ein al-tes Vorurteil in Deutschland, dass nämlich die Steuer-finanzierung sozialer Sicherungssysteme nur nach Kas-senlage ginge und nicht solide zu finanzieren sei. MitIhrem Zickzackkurs im Gesundheitsbereich haben Siedieses Vorurteil leider aufs Extremste bestätigt.
Ich komme zum Haushalt zurück und möchte über dieFinanzplanung sprechen. Herr Meister, Sie haben ge-sagt, Sie hätten sich sehr angestrengt und das, was hiervorgelegt würde, sei zukunftsweisend für die Haushalts-politik.
Die Finanzplanung – das habe ich schon vor einigen Mo-naten kritisiert und der Finanzminister hat mir da Rechtgegeben – ist überhaupt nicht ambitioniert. Sie siehtheute noch eine Neuverschuldung auf dem Niveau vonknapp unter 20 Milliarden Euro bis 2009/2010 vor.
Diese fehlende Konsolidierungsperspektive muss manaus heutiger Sicht kritisieren. Vielleicht ist das auch einHinweis darauf, dass wir uns im Parlament mehr um dieFinanzplanung kümmern sollten. Dass die Neuverschul-dung innerhalb der nächsten Jahre nicht abgebaut wird,ist nicht zu rechtfertigen.Sie, Herr Steinbrück, haben gesagt, Sie wollten sichnicht festlegen, wann in den nächsten Jahren Sie dieNettokreditaufnahme auf Null reduzieren können.
Sie wollen sich nicht festnageln lassen. Herr Steinbrück,ich rate Ihnen, sich in diesem Fall an dem KollegenKampeter zu orientieren.
Wie sehr ist die Reform des Maastrichtvertrages vonHerrn Kampeter gescholten worden? Jetzt will er aber,dass der Vertrag eingehalten wird. In diesem Jahr beträgtdie Defizitquote 2,2 Prozent. Laut Maastrichtvertragsind wir verpflichtet, die Defizitquote jährlich um0,5 Prozent abzubauen.
Es kann mal einige Abweichungen geben, je nachdemwie man das strukturelle Defizit definiert. Bis 2010 soll-tNnAtSzWHnnudmmGNww–iswetnbgKdgbstsisaZnrmW
ber die bisherige Unverbindlichkeit der großen Koali-ion bei der Finanzplanung für die nächsten Jahre ist iminne einer generationengerechten Politik nicht zu ak-eptieren.Ich komme noch einmal auf Herrn Röttgen zurück.enn die große Koalition einen Methodenwechsel in deraushaltspolitik will, dann muss sie für die Finanzpla-ung andere Eckwerte festlegen. Sie dürfen sich nichtur auf dem Rücken einer schönen Konjunktur ausruhennd den Kollegen Kampeter kritisieren, wenn er sagt,ass wir bis 2010 einen ausgeglichenen Haushalt habenüssen. Daran werden wir die große Koalition messenüssen; denn das ist im Interesse unserer Gesellschaft.
Ich kann mich sehr wohl daran erinnern, dass Rot-rün das Ziel hatte, in den Jahren 2004 bis 2006 eineettokreditaufnahme von Null zu erreichen. Auch wennir das nicht geschafft haben,
ar die Zielsetzung doch nicht falsch.
Hören Sie doch einmal zu! – Weil wir wissen, dass esn der deutschen Gesellschaft aufgrund der demografi-chen Entwicklung ab 2015 finanziell schwer wird,eil die Entwicklung durch die alternde Gesellschaftrst dann richtig stark auf die sozialen Sicherungssys-eme durchschlagen wird, müssen wir im Jahr 2010 ei-en ausgeglichenen Haushalt haben, um einige Jahre einisschen Geld für die richtig schweren Zeiten zurückle-en zu können. Diesen Maßstab darf man an eine großeoalition anlegen. Diesen Maßstab legen wir auch an.
Ich finde, Sie sollten mit der Kritik des Sachverstän-igenrates etwas wohlwollender umgehen. Herr Poß hatesagt, ihm sei die Kritik zu akademisch und zu abgeho-en. Meines Erachtens hat der Sachverständigenrat dasehr höflich formuliert. Er hat gesagt, die große Koali-ion sei mit Elan gestartet, habe sich dann aber in wider-treitenden parteipolitischen Interessen verheddert. Dasst eine ziemlich freundliche Beschreibung Ihrer Ge-undheits- und Arbeitsmarktpolitik. – Ich fordere Sieuf: Nutzen Sie die Konjunktur nicht als Alibi für Ihraudern und Zögern! Nutzen Sie die gute Konjunkturicht als Wärmeofen! Lehnen Sie sich nicht mit einerosaroten Brille zurück! Ich habe gerade deutlich ge-acht, dass große Herausforderungen vor uns liegen.ir erwarten, dass Sie konsequent handeln.
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Anja HajdukIch möchte Sie auf einen sehr ausführlichen Antragvon uns Grünen zu dem gerade beschriebenen Themahinweisen. Wir brauchen neue Methoden und Regeln imHaushalt. Ich habe gerade gesagt, dass wir eine verbind-lichere Finanzplanung brauchen. Ich bin auch davonüberzeugt, dass wir eine neue Verfassungsregel brau-chen. Art. 115 des Grundgesetzes ist nicht nur wirkungs-los, sondern in seiner jetzigen Form schädlich. Das willich an einem Artikel deutlich machen, den ich heute im„Handelsblatt“ gelesen habe. Darin fordert Finanzstaats-sekretär Mirow, dass die Verfassungsregel künftig eineVerpflichtung enthalten soll, den Schuldenabbau in kon-junkturell guten Zeiten zu beschleunigen. Ich bin ein-gangs auf die Nettokreditaufnahme für die Jahre 2006und 2007 eingegangen. Hier kann man nur sagen: DieHandhabung des Art. 115 des Grundgesetzes durch diegroße Koalition ist schädlich, weil sie in konjunkturellguten Zeiten viel zu viele Schulden macht. Deswegenmuss in der Tat etwas Neues her.
Wir haben Ihnen in dieser Woche eine Alternativevorgelegt, die noch gesetzlich ausgearbeitet werdenmuss. Ich weiß, dass in Ihren Reihen darüber diskutiertwird.
Ich finde, wir brauchen eine Ausgabenregel, die sich anden Einnahmen und der konjunkturellen Entwicklungorientiert. Man kann die Einnahmen mit einem Konjunk-turfaktor kombinieren und einen Ausgabenkorridorfestlegen. Nach einem solchen System funktioniert dieSchuldenbremse in der Schweiz. Wir haben uns in einerAnhörung damit befasst.Ich fordere die große Koalition auf: Verschieben Siedieses Problem nicht in die Föderalismusreform II! Hiermuss der Bund vorangehen. Die Ministerpräsidenten, diewiderstreitenden Interessen zwischen Bund und Ländernlösen sonst eine Blockade aus. Wenn die große Koalitioneinen Methodenwechsel erreichen will, dann muss siebis 2009 ein neues Haushaltsrecht schaffen. Sie habenbreite Mehrheiten dafür. Sie bekommen auch unsere Un-terstützung. Verschieben Sie dieses Thema nicht auf dieEbene eines Gesprächsmarathons. Geben Sie sich einenRuck und stimmen Sie unserem Antrag am Freitag zu!Wir würden uns freuen, an dieser Stelle mit Ihnen ge-meinsam weiterzukommen.
Sie können dann auch zeigen, wie ernst Sie es meinenoder ob es sich wieder nur um eine Ankündigung han-delt.Ich komme zum Schluss. Wir Grünen haben einen ei-genen Zukunftshaushalt entworfen. Darin haben wirEinsparungen in Höhe von 3,7 Milliarden Euro vorge-schlagen und einen weiteren Subventionsabbau – da le-gen Sie in diesem Jahr eine ziemlich große Pause ein –,dkHhwvsurtnAnIhnWHlbbwvSlnirnSgad2havIkWhd
ch möchte Sie auf den Haushalt Ihres Kollegen Glosinweisen. Herr Glos schlägt vor, die Kohlesubventio-en im nächsten Jahr aufgrund der Anrechnung dereltmarktpreise um 114 Millionen Euro zu senken.
err Glos hat dem Haushaltsausschuss ein Papier vorge-egt, in dem steht, dass aufgrund der Zuwendungsverein-arung, die wir noch unter Rot-Grün ausverhandelt ha-en, die steigenden Weltmarktpreise stärker dazu genutzterden sollen, dass der Steuerzahler weniger Kohlesub-entionen zahlt.
ie haben uns hier bisher immer gesagt, das sei gesetz-ich alles festgezurrt, das müssten wir wissen, wir solltenicht immer solche Anträge vorlegen.Herr Glos hat in diesem Herbst jetzt selbst dargelegt,m nächsten Jahr 300 Millionen Euro von der RAG zu-ückzufordern, mit einem Bundesanteil von 230 Millio-en Euro.
ie ziehen jetzt aufgrund einer Sprechklausel voreiligehorsam zugunsten der RAG Beträge ab und kommenuf einen Betrag in Höhe von 114 Millionen Euro. Wir,ie Opposition, nehmen Sie in die Pflicht: Das können30 Millionen Euro für den Bund sein. Wenn man soandelte, bräuchte man neue Investitionen nicht mehruf Pump zu finanzieren, sondern könnte sie durch Sub-entionsabbau gegenfinanzieren.
ch hoffe, dass Sie an dieser Stelle ein bisschen Ehrlich-eit walten lassen und zugeben, dass so manches heftigeort der Kritik von Ihnen nicht immer berechtigt war.Ich fordere Sie auf: Setzen Sie sich mit unseren haus-altsrechtlichen Vorschlägen bitte konstruktiv auseinan-er! Setzen Sie sich mit unserer Arbeitsmarktpolitik
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6420 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 21. November 2006
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Anja Hajduk– wir wollen die Lohnnebenkosten im Niedriglohnbe-reich deutlich senken – auseinander! Wir haben am Don-nerstag Zeit, darüber zu diskutieren. Ich kann Sie nuraufrufen, ein bisschen mehr oder am besten richtig grünzu handeln statt rosarot zu sehen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Peer
Steinbrück.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Auch ich möchte zu Beginn meiner Rede HerrnFricke sehr herzlich zu seinem Geburtstag gratulieren.Ich wünsche Ihnen, dass alle Ihre privaten Pläne gelin-gen und Ihre beruflichen, politischen Pläne nur so weit,dass sie meine nicht beeinträchtigen.
Es ist fast genau ein Jahr her, dass zum zweiten Malin der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einegroße Koalition das Mandat für die Regierungsbildungund die Wahrnehmung der politischen Verantwortungder Bundesrepublik Deutschland bekommen hat, unteranderem eben auch eine sehr schwergewichtige wirt-schafts- und finanzpolitische Verantwortung. Die Bedin-gungen für die Politik ganz allgemein, aber insbesonderefür die Wirtschafts- und Finanzpolitik, unterscheidensich allerdings sehr stark von den Bedingungen in denZeiten, in denen Herr Kiesinger und Herr Brandt, HerrStrauß und Herr Schiller die Verantwortung hatten. Eshaben sich Veränderungen eingestellt, die sich diese wieviele andere Politiker der ersten großen Koalition wahr-scheinlich nie haben vorstellen können. Heute handelt essich eher um strukturelle Herausforderungen, zum Bei-spiel in Form eines sehr ausgeprägten demografischenWandels, von dem ich glaube, dass er noch sehr viel wei-ter reichende gesellschaftliche Auswirkungen habenwird, als wir es in unseren Debatten gelegentlich einge-stehen. Es ist ein weltweit völlig verändertes Muster vonWettbewerbsbeziehungen festzustellen. Darüber hinaushaben wir notorische Probleme mit den öffentlichenHaushalten. – An dieser Stelle könnte man selbstkritischdie Frage aufwerfen, ob die Grundlagen für die heutigenProbleme nicht vielleicht genau zur damaligen Zeit ge-legt worden sind.
Die Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger andie staatliche Leistungsfähigkeit sind unverändert hoch;daran hat sich nichts geändert. Dass wir uns einemscharfen Wettbewerb und einer fortgesetzten Globalisie-rung stellen müssen, dass wir also, wie ich es gelegent-lich ausdrücke, die Rollos an unseren Grenzen nicht ineinem protektionistischen Reflex herunterlassen dürfen,ist, wie ich glaube, inzwischen ein Grundkonsens; exo-tische Bewertungen lasse ich an dieser Stelle außen vor.fGrppFdSDswsgdbdWlssdavaktsejLSnihvKdrdbiSzsosMfc
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Mehrfach – um einem Popanz gleich entgegenzuwir-ken –, auch von dieser Stelle, habe ich darauf hingewie-sen, dass ich es für genauso vermessen wie falsch hielte,wenn dieser Konjunkturaufschwung von der Bundes-regierung für sich allein reklamiert würde. Dies tut kei-ner von uns, auch keiner aus den Koalitionsfraktionen.
Doch unbeteiligt daran, Herr Koppelin, sind diese Bun-desregierung, die große Koalition, und ihre Vorgänger-regierung, die Regierung von Gerhard Schröder, auchnicht.
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Zum Beispiel das Investitionsprogramm mit einemolumen von 25 Milliarden Euro, das eine Vielzahl vonrivaten Investitionen ausgelöst hat.
rkundigen Sie sich einmal nach dem CO2-Gebäude-anierungsprogramm! Erkundigen Sie sich einmal nachen zusätzlichen 6 Milliarden Euro für Forschung undntwicklung! Alles nicht verkehrt, sondern alles richtig.
Deshalb sage ich mit einer Portion Selbstbewusstsein,ber fern jeder Überheblichkeit: Diese Bundesregierungat in ihrem ersten Jahr Managementqualitäten bewie-en.
Frau Hajduk, Sie lachen. Wenn ich mir anschaue, mitelchen Managementfehlern und welchen Fehlentwick-ungen wir es in den Führungsetagen mancher deutschernternehmen zu tun haben, wenn ich mir anschaue, mitas für vielen sich widersprechenden Wirtschaftsexper-isen wir pro Woche zu tun haben, wenn ich mir an-chaue, wie undifferenziert und wie platt fordernd man-he Verbände auftreten, und wenn ich mir anschaue, wasn vielen Medienberichten alles richtig zu stellen oderit größerem Augenmaß zu versehen wäre, dann glaubech sagen zu dürfen: Diese Bundesregierung – die Politikenerell – hat viel Anlass, Vorurteilen betreffend Sub-tanz und Qualität ihrer Entscheidungen mit größeremelbstbewusstsein entgegenzutreten und die Dinge rich-ig zu stellen.
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Bundesminister Peer SteinbrückDas wäre für das Vertrauen in die politischen Entschei-dungsprozesse und das Vertrauen in staatliche Institutio-nen nicht unwichtig, auch für die weitere Perspektive,wie sich unser demokratisches Gemeinwesen entwickelt.
Ja, etwas mehr Selbstbewusstsein im Angesicht derHäme gegenüber denjenigen, die politische Verantwor-tung tragen, wäre nicht schlecht.
Ich bleibe dabei: Der Verzicht auf zusätzliche Konso-lidierungsmaßnahmen – über das hinaus, was wir ange-kündigt haben – im laufenden Jahr war konjunkturpoli-tisch gesehen richtig, genauso wie das von mir schonapostrophierte Impulsprogramm. Einen konjunkturel-len, also einen temporären wirtschaftlichen Aufschwungpolitisch zu unterstützen, das ist das eine – eine Volks-wirtschaft wieder auf einen dauerhaft höheren Wachs-tumspfad zu führen, ist allerdings etwas anderes undsehr viel schwieriger.
Genau dieses dauerhaft höhere Wachstum brauchen wir.Denn ohne ein Erschließen des Wachstumspotenzialswird es uns weder gelingen, die öffentlichen Haushaltezu sanieren, noch, die sozialen Sicherungssysteme ro-buster zu finanzieren, noch, die Arbeitslosigkeit wirk-sam weiter zu bekämpfen.Die wahrscheinlich wichtigste Erkenntnis, die wir ausdem gegenwärtig erfreulichen Konjunkturaufschwungziehen sollten, lautet deshalb, dass die Strukturreformender letzten Jahre fortgesetzt werden müssen, damit wirendlich wieder ein höheres Potenzialwachstum errei-chen. Die Rendite solcher Maßnahmen erzielt man im-mer mit einem gewissen Zeitverzug. Ich sage deshalbvoraus – dessen bin ich mir ziemlich sicher –, dass nacheinem solchen Zeitverzug auch die Rendite der heuteumstrittenen Reformmaßnahmen – ob es die Gesund-heitsreform oder die Unternehmensteuerreform ist – er-zielt wird.Wir fragen uns sehr selbstkritisch, warum das durch-schnittliche Potenzialwachstum der BundesrepublikDeutschland in den letzten Jahren geringer als in andereneuropäischen Ländern – auf außereuropäische Entwick-lungen komme ich auch noch zu sprechen – gewesen ist.Die Antwort darauf ist relativ simpel: weil andere euro-päische Länder nach Lage der Dinge sieben bis achtJahre vor uns mit wichtigen Strukturreformen begonnenhaben und jetzt eine Rendite erzielen, sodass die freige-setzten öffentlichen Mittel insbesondere in Bildung, For-schung, Entwicklung und Infrastruktur investiert werdenkönnen.
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Ja, da kommt man schon einmal auf gute Ideen. – Inen letzten Tagen bin ich auch in Dubai gewesen. Ichann Ihnen sagen: Bei diesen Besuchen habe ich einengeheure Dynamik wahrgenommen. Diese und anderetaaten bauen große Finanzzentren auf. Sie entwickelneue Finanzmarktprodukte, um insbesondere auch Kapi-alströme zu aktivieren.In Dubai habe ich gelernt, was „Islamic Banking“eißt. Man generiert dort völlig neue Finanzprodukte fürngefähr 1,3 bis 1,5 Milliarden potenzielle Konsumen-en in der islamischen Welt. Diese Länder bauen Contai-erhäfen in der Größenordnung derer in Hamburg undotterdam. Es geht um Logistik und die Infrastruktures Luftverkehrs. Sie investieren in Forschung und Ent-icklung und in Bildung. Das heißt, Kapital-, Güter-nd Know-how-Ströme werden in diese verschiedeneneltregionen gelenkt.Natürlich haben einige Länder davon Spielräume auf-rund der augenblicklichen Hausse auf den Rohstoff-ärkten, also sehr spezifischer Entwicklungen, und ichill gar nicht in Abrede stellen, dass es Ambivalenzenibt, dass vieles gar nicht auf die Bundesrepublikeutschland übertragbar ist. Ich weiß auch, dass die Ur-eile über das, was buchstäblich weltweit passiert, sehreit auseinander gehen. Wer aber glaubt, dies alles seirrelevant und für die Beantwortung der Frage zu ver-achlässigen, wie wir unseren zukünftigen Wohlstand si-hern können, der macht einen fatalen Fehler und streutns sehr viel Sand in die Augen.
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Bundesminister Peer Steinbrück
Ich glaube, wer den Bürgern vorgaukelt, sie könnten ihrWohlstandsniveau und das Niveau unserer sozialenWohlfahrt dadurch erhalten, dass im Wesentlichen allesso bleibt, wie es ist, und dass wir uns nicht anstrengenmüssen, der flüchtet aus der Verantwortung für unserLand.Meine Damen und Herren, die große Koalition liegtsehr gut im Zeitplan bezüglich der Umsetzung dessen,was sie sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommenhat. Ich will mich nicht in Details verlieren, aber doch aneinige Punkte erinnern, weil es gelegentlich offenbar inVergessenheit gerät: erstens an die erste Stufe der Föde-ralismusreform, zweitens an die Einführung des Eltern-geldes, drittens an die Erhöhung des Renteneintrittsaltersauf 67 Jahre, viertens an die Blaupause der Unterneh-mensteuerreform – ich komme noch darauf zurück –,fünftens an die Fortentwicklung und Optimierung vonHartz IV, sechstens an das Impuls- und Wachstumspro-gramm, siebtens an die Hightechstrategie Deutschlandund achtens – last, not least – an die Gesundheitsreform,so umstritten sie sein mag und so einseitig sie bewertetwird. Herr Seehofer und Frau Schmidt haben mich übri-gens daran erinnert, dass die Gesundheitsreform häufigmit Begriffen bewertet wird, mit der auch alle vorherge-henden Gesundheitsreformen in den früheren Jahrenschon bewertet wurden, was ein gewisses Licht auf dieKritiker hier wirft.
Ich stelle dabei nicht in Abrede, dass der großenKoalition nicht alles gelungen ist, dass manches hand-werklich fehlerhaft ist, dass wir wahrscheinlich besserkommunizieren müssen und dass vielleicht manche un-serer Abstimmungsprozesse zu lange dauern. Ich ver-hehle erst recht nicht, dass die große Koalition auch eineReihe von Entscheidungen getroffen hat, die nicht zurAufhellung der Stimmungslage der Bevölkerung beige-tragen hat. Die Mehrwertsteuererhöhung war ein solchesBeispiel.
Das ist mir sehr bewusst.Aber wenn die Regierung von einer Sache überzeugtist, dann muss sie Entscheidungen treffen und ihreGründe erklären. Genau dies ist die Aufgabe der großenKoalition.
Ich halte mich dabei an eine Lebensweisheit von keinemGeringeren als Winston Spencer Churchill, der gesagthat: „Wer die bessere Einsicht hat, darf sich nichtscheuen, unpopulär zu werden.“Die notwendige Konsolidierung der öffentlichenHaushalte lässt sich nicht allein auf der Ausgabenseitedurch Haushaltskürzungen ermöglichen, Frau Hajduk.Das wissen Sie genauso gut wie ich. Wir brauchen viel-mehr strukturelle Verbesserungen auf der Einnahme-selDSdganRswGKtisufkfmlaGhsnbsidmvvlagultassd
Ein zentrales Element unserer finanzpolitischen Ge-amtstrategie ist die Unternehmensteuerreform. Wasir als Blaupause vorgelegt haben, ist ein Beleg für dieestaltungskraft und Gestaltungsfähigkeit der großenoalition. Die vorgeschlagene Reform ist eine Investi-ion in unser Land. Denn mit ihr schaffen wir eine imnternationalen Vergleich attraktive Unternehmensbe-teuerung und gleichzeitig ein Steuerrecht, das Steuer-mgehung zulasten des Fiskus und der Finanzierung öf-entlicher Aufgaben in Deutschland unattraktiv macht.Inzwischen bescheinigt uns eine Reihe früherer Kriti-er, dass unser Konzept die deutsche Wirtschaft wirdördern können. Im internationalen Standortvergleichachen wir einen großen Sprung nach vorne.Wenn durch diese Reform das Investieren in Deutsch-and wieder attraktiver wird, dann profitieren hiervonlle: diejenigen, die wieder Arbeit bekommen, und deresamtstaat, dem höhere Einnahmen zur Verfügung ste-en. Allein darum geht es. Es geht nicht um Steuerge-chenke. Dieser Begriff dient nur dem Zweck, die Unter-ehmensteuerreform zu diskreditieren.Um es klipp und klar zu sagen: Durch diese Reformekommt niemand etwas geschenkt. Mit dieser Reformtellen wir vielmehr sicher, dass die Unternehmen auchn Zukunft einen angemessenen Anteil zur Finanzierunger Staatsaufgaben beitragen, gerade auch auf der kom-unalen Ebene, die als Träger öffentlicher Investitionenon erheblicher Bedeutung ist.
Genauso klar ist: Die Unternehmensbesteuerung un-erändert zu lassen, um sich gegen die Kritik vertei-ungspolitischer Natur zu wappnen, die unter Hinweisuf Zumutungen an anderer Stelle anführt, die Reformehöre nicht in die jetzige Zeit, ist für Deutschland diengünstigste Variante. Denn dies würde uns in Deutsch-and jährlich Steuereinnahmen, Arbeitsplätze und Inves-itionen kosten und zusätzliche Investitionen ins Auslandbdrängen. Der unsägliche Kapitalabfluss, unter dem wirchon jetzt zu leiden haben, ginge weiter.Allerdings – das weiß jeder Steuerpolitiker – lassenich anfängliche Steuermindereinnahmen nicht vermei-en, wenn man Steuersätze mit sofortiger Wirkung senkt
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Bundesminister Peer Steinbrückund die Bemessungsgrundlage mit einer nachlaufendenWirkung zu erweitern versucht. Das ist der entschei-dende Punkt. Wir haben im Parteirat der SPD mit dieserDarlegung keine Schwierigkeiten, Herr Koppelin.
– Dann machen Sie sich die Schwierigkeiten in der Ar-gumentation noch zueigen!
Wir haben höhere Steuereinnahmen. Das ist die guteNachricht. An den Grundproblemen der öffentlichenHaushalte hat sich dadurch aber nichts geändert.Deutschland hat nach wie vor 1 500 Milliarden Schul-den. Die jährlichen Zinsbelastungen des öffentlichenHaushaltes betragen 40 Milliarden Euro. Die Nettokre-ditaufnahme beträgt dieses Jahr 30 Milliarden Euro. Dasheißt, wir geben einen Großteil der finanziellen Mittelfür gegenwärtige Bedürfnisse statt für Investitionen inunsere Zukunft aus. All dies engt den Handlungsspiel-raum dieses Parlamentes und der Politik in Deutschlandin Zukunft dramatisch ein.
Die erfreuliche Entwicklung in diesem Jahr ist ebennicht der politische bzw. der fiskalische Urknall, mitdem die Haushaltsprobleme auf einen Schlag gelöst wer-den. Deshalb kann es nur eine weitere Marschrichtunggeben: Auch zukünftig muss konsolidiert werden.Die ökonomischen und verteilungspolitischen Argu-mente derjenigen – das sage ich in Richtung der linkenSeite dieses Hauses –, die in einer zunehmenden Staats-verschuldung eine Art Münchhausentrick sehen, mitdem man sich am eigenen Haarschopf wieder aus demSumpf zieht, teile ich nicht.
Ich komme darauf gleich noch in einem Satz zu spre-chen, weise aber schon jetzt darauf hin, dass verteilungs-politisch gesehen eine wachsende Verschuldung das Un-gerechteste ist, was es gibt, weil sie eine Verschiebungzugunsten der Kapitalbesitzer und zulasten der „norma-len“ Steuerzahler zur Folge hat.
Das ist das größte Umverteilungsprogramm, das mansich vorstellen kann.
– Nein. Sie machen Vorschläge, die Mehraufwendungenin einer Größenordnung von 20 Milliarden bzw. sogar25 Milliarden Euro zur Folge haben. Sie wollen das überSteuererhöhungen gegenfinanzieren. Wenn man IhrenVorschlägen folgen wollte und eine Refinanzierung al-leine über die Einkommensteuer vornähme, dann müssteder Spitzensteuersatz auf sage und schreibe 73 Prozenterhöht werden. Das alles ist außerhalb jeder ProportionumcaNEgesgnHsGddvLrd6dOdUdwcrhl–JüSKdgaudGekfD
Dann ist es ein neues. Sie sind jedenfalls im letztenahr zur Regierungsbank gekommen und haben es mirberreicht, damit es ein schönes Foto gibt. Das ist auchinn der Sache. Das kann man respektieren. Herroppelin, ich nehme das Buch nachher gern entgegen,amit es nicht am Foto fehlt.
Ich habe in meiner ersten Rede zum Haushalt 2007esagt – ich setze zum Schlusssprung an –, dass es nichtlleine Aufgabe des Finanzministers ist, eine Haushalts-nd Finanzpolitik zu betreiben, die uns Spielräume fürie Zukunft erschließt und unseren Vorstellungen vonenerationengerechtigkeit entspricht. Das ist vielmehrine Aufgabe des gesamten Kabinetts, aller Fachpoliti-er und übrigens auch der Bundesländer.
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, eine Zwischen-
rage des Kollegen Kuhn zu beantworten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein. Ich habe nur noch eine halbe Minute Redezeit.as schaffe ich nicht mehr.
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Bundesminister Peer SteinbrückDie Haushalte der Länder und Kommunen entwickelnsich deutlich besser. Das erwähne ich, um an dieserStelle denjenigen Zuhörern entgegenzuwirken, die an-nehmen, dass der Bund eine Art Melkkuh sei und bei ei-nem Kompromiss immer nur für das Draufzahlen zu-ständig. Das funktioniert auf Dauer nicht mehr. Wenn esRegierungschefs in den Ländern gibt, die im Zusammen-hang mit dem Karlsruher Urteil zur VerfassungsklageBerlins darauf hinweisen, es gehe den Bund nichts an,wie die Länder ihre Haushalte aufstellten, dann kannman das als Einladung an den Bund verstehen, zukünftigauf seine Leistungen im vertikalen Finanzausgleich zuverzichten.
– Richtig, das ist ziemlich doppeldeutig. – Ich glaubedeshalb, dass eine Neuformulierung des Art. 115 desGrundgesetzes bei der Föderalismusreform II eine großeRolle spielen sollte.Abschließend: Ich glaube, dass die große Koalitionwichtige Wegmarken gesetzt hat, um unser Land zu-kunftsfähiger zu machen. Die aktuelle, günstige kon-junkturelle Entwicklung wird keine Ausrede dafür sein,bei der Sanierung der Staatsfinanzen nachzulassen. DieBürgerinnen und Bürger sind – ich behaupte: zu Recht –zu ermuntern, in Zukunft mehr eigene Vorsorge für Al-ter, Pflege und Gesundheit zu betreiben. Aber dies setztvoraus, dass dann von der Politik glaubhaft deutlich ge-macht wird, dass sie sich entsprechend verhält und Zu-kunftsperspektiven nicht durch die Befriedigung vonGegenwartsinteressen verspielt.Die große Koalition wird ihren erfolgreichen Weg inder Steuer- und Finanzpolitik fortsetzen. Ich glaube, dassdieser Anspruch auch durch den von meinem Hause vor-gelegten Haushaltsentwurf im Sinne einer gestaltendenFinanzpolitik belegt werden kann. Ich freue mich auf dieweiteren Beratungen und bin dankbar, dass der Haus-haltsausschuss bisher mit dem Bundesministerium so er-folgreich zusammengearbeitet hat.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Hermann Otto Solms
für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich wollte die Übergabe dieses Buches nicht un-terbrechen. Das ist eine stolze Arbeit unserer Haushälter,die über 500 Einzelvorschläge zum Einsparen vorlegen.KBMsAudDGdFErScDssgbdasfDaIetwUljdkbKhjgdtaemsmsmkr
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6426 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 21. November 2006
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as bedeutet: Der Normengesetzgeber bleibt so unklar,ass der Bürger nicht weiß, wie er sich verhalten soll.ragt er dann das Finanzamt, bekommt er dort eine Aus-unft nur, wenn er dafür auch noch Gebühren zahlt, ob-ohl doch jeder weiß, dass die Finanzverwaltung ausem Steueraufkommen, das wir täglich selbst erbringen,ezahlt wird.
Kollege Solms, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zu
eantworten und auf diese Art und Weise gleich die
berziehung der Redezeit auszugleichen?
Ja, bitte schön.
Herr Kollege Solms, ich teile Ihre Einschätzung, dass
nsere Gesetze und Vorschriften zu kompliziert formu-
iert sind.
enn die Bürger nicht mehr verstehen, was staatliche
tellen formulieren, dann kostet das nicht nur mehr Geld
ufgrund der Nachfragen, sondern dann führt das natür-
ich auch zu einem noch stärkeren Vertrauensverlust der
ürger gegenüber den staatlichen Stellen.
eshalb hat die große Koalition sich dazu durchgerun-
en, ein Projekt für verständlichere Sprache beim
undesministerium der Justiz anzusiedeln, und hat hier-
ür auch Gelder in den Haushalt 2007 eingestellt. Kön-
en Sie mir nach dem, was Sie eben gesagt haben, jetzt
rklären, warum die FDP einen Antrag eingebracht hat,
erade diese Gelder zu streichen?
as ist für mich völlig unverständlich.
Diese Information geht schon insoweit fehl, als dieDP-Fraktion als einzige Fraktion hier im Deutschen
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Dr. Hermann Otto SolmsBundestag ein neues Steuergesetz vorgelegt hat, welchesin einfacher, deutlicher und klar verständlicher Spracheabgefasst ist
und dazu führt, dass aus heute 475 Seiten reinem Geset-zestext nur noch 33 Seiten werden.
Damit haben wir ein Beispiel gesetzt, dem Sie folgensollten. Im Übrigen bin ich nicht der Meinung, dass Fra-gen der deutschen Sprache vom Justizministerium zu be-handeln sind. Dort pflegt man nur eine Rechtssprache.Wir brauchen aber eine allgemein verständliche Sprache,also eine Sprache, die jeder Bürger versteht.
Ich komme zum Schluss. Die große Koalition hat ih-rer Arbeit das Motto „Lasst uns mehr Freiheit wagen!“vorangestellt. Auch Steuern sind ein Freiheitsthema.
Durch Steuerentlastungen können Sie den Bürgern mehrMöglichkeiten geben, ihr Leben so zu gestalten, wie siees für richtig halten: Sie können mehr Vorsorge betrei-ben, mehr konsumieren, mehr investieren. Geben Sieden Bürgern mehr Freiheit, auch finanzieller Art, damitsie ihr Leben so gestalten können, wie sie es für richtighalten, und nicht, wie es die Administration für richtighält.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Steffen Kampeter für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die Bundesregierung und die große Koalitionsind seit etwa einem Jahr an der Arbeit. Wenn ich einenVergleich zu der Vergangenheit ziehe, dann komme ichzu dem Ergebnis, dass diese Haushaltsberatungen unterwesentlich veränderten Rahmenbedingungen stattfinden.Wir erleben in unserem Land einen, bezogen insbeson-dere auf die wirtschaftliche Sphäre, großen Stimmungs-umschwung sowohl bei den Investoren als auch bei denKonsumenten.
Die Kollegin von den Grünen hat zu Recht darauf hinge-wiesen, dass das Wirtschaftswachstum eines der erstenErgebnisse dieses Stimmungsaufschwungs ist. Das Brut-toinlandsprodukt steigt stärker als das Potenzialwachs-tum. Dieses Wirtschaftswachstum basiert, anders als inden vergangenen Jahren, nicht allein auf einer besondersgudAdswdtthwfHKDwAsilAgsSddDdiIggrudhsDmuAtddtvA
Bei dieser Entwicklung hilft insbesondere, dass wirns in einem stabilen weltwirtschaftlichen Umfeld befin-en. Der in dieser Woche verstorbene Milton Friedmanat vielen Politikern und vielen Wissenschaftlern eineehr solide Vorsicht gegenüber Inflation beigebracht.as internationale Leitbild orientiert sich an inflationsar-em Wachstum. Unsere Geldpolitik ist koordiniert, abernabhängig, sodass auch unsere Zinsentwicklung imugenblick absolut moderat ist. Die Wachstumserwar-ungen der Weltwirtschaft sind positiv.Ich will an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben,ass nach Auffassung der großen Koalition insbesondereie binnenwirtschaftliche Entwicklung etwas damit zuun hat, dass wir die in Art. 115 des Grundgesetzeserankerte Ausnahmeregelung für den Etat 2006 innspruch genommen haben. Wir hätten ansonsten die
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Steffen KampeterStörung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtsdurch eine 20 Milliarden Euro schwere Bremse hervor-gerufen. Stattdessen haben wie die ersten Erträge dieserpositiven Entwicklung eingefahren:
So konnten wir die Nettokreditaufnahme um 25 Prozentgegenüber unseren ursprünglichen Erwartungen senken.Die Inanspruchnahme dieser Ausnahmeregelung hat unsinsgesamt nach vorne gebracht.
Es gibt auch eine Reihe von Risiken. Der Bundes-finanzminister hat sie in seiner Rede zur Einbringungdes Haushaltes hier sehr klar und offen benannt. DiesenRisiken begegnen wir, indem wir bei unseren Reformbe-mühungen beherzt voranschreiten, und zwar gemäß demDreiklang von Konsolidieren, Investieren und Reformie-ren.Als Erstes nenne ich die Arbeitsmarktreform. Al-lein in dieser Woche sind im Rahmen einer Organisa-tionsreform bei der Bundesagentur für Arbeit 600 Stel-len in die Vermittlung umgeschichtet worden, um dieEffizienz der Arbeitsmarktverwaltung in Deutschlandnoch stärker zu verbessern.Ein schwieriges Reformprojekt des Bundesarbeits-ministers Müntefering, nämlich die Rente mit 67, stehtunmittelbar vor dem Abschluss. Diese Lebensarbeits-zeitverlängerung, die zur Ausbalancierung von Beitrags-und Rentenzahlungen dringend notwendig ist, werdenwir vorantreiben.Im nächsten Jahr werden wir die Pflegeversiche-rungsreform angehen.Wir haben – der Bundesfinanzminister hat zu Rechtdarauf hingewiesen – im unternehmensteuerlichen Be-reich zwei wichtige Reformvorhaben vor uns: einmal dieUnternehmensteuerreform im engeren Sinne und zumanderen die Erbschaftsteuerreform. Beides machenwir deswegen, weil wir Arbeitsplätze in Deutschlandhalten wollen. Das ist das einzige und wichtigste Ziel. Esgeht uns nicht um einen Steuerwettbewerb nach unten,wie es die Linken nennen, sondern darum, Arbeit inDeutschland wettbewerbsfähig und Investitionen renta-bel zu machen. Das ist das Anliegen dieser Politik.
Außerdem werden wir die Gesundheitsreform ver-abschieden. Ich war schon einigermaßen erstaunt, FrauKollegin Hajduk, dass Sie heute den Vorschlag gebrachthaben, die Gesundheitsreform zumindest in Teilen zuverschieben. So wurde in den vergangenen Jahren he-rumgewurschtelt: Wenn ein Problem auftrat, wurden Re-formen verschoben. Seitdem Ihre Partei nicht mehr inder Regierungsverantwortung steht, verschieben wirnicht Reformen, sondern machen sie. Das ist das Mar-kenzeichen der großen Koalition.
antprPrwiRfdmFKlAfafsHIdlsduddaWKgdlsdnmvnahdawWdF
Mit dem Haushalt 2007 werden wichtige und zentralenliegen der großen Koalition umgesetzt. Die Unionindet sich in dieser Politik wieder.Erstens. Wir legen Ihnen im Entwurf – wir werdenuch für den entsprechenden Vollzug sorgen – einen ver-assungsgemäßen Haushalt vor. Das ist das erste Maleit dem Jahre 2001. Dabei haben wir es im Rahmen deraushaltsberatungen sogar geschafft, den Vorsprung dernvestitionen vor den aufgenommenen Schulden, alsoie Verfassungsgemäßheit, noch um einige hundert Mil-ionen Euro auszubauen. Dieser Haushalt ist verfas-ungsfest.Zweitens haben wir in den Beratungen der Konsoli-ierung einen eindeutigen Vorrang eingeräumt. Es istns gelungen, noch über die selbstgesteckten Konsoli-ierungsziele hinauszugehen. Wir senken die Nettokre-itaufnahme, Frau Kollegin Hajduk, sehr viel stärkerb, als ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehen.ir nutzen die ersten Renditen der Politik der großenoalition, die sich in steigenden Steuereinnahmen zei-en, vor allen Dingen für die Absenkung der Nettokre-itaufnahme in diesem und im nächsten Jahr. 19,58 Mil-iarden Euro stellen die niedrigste Nettokreditaufnahmeeit der Wiedervereinigung dar.Sie, Frau Kollegin Hajduk, haben die Überarbeitunger mittelfristigen Finanzplanung eingefordert. Dieächste muss nach dem Gesetz im Frühjahr im Zusam-enhang mit der Aufstellung des Etatentwurfs für 2008orgelegt werden. Wir werden selbstverständlich dieeuen erfolgreicheren Einsparoptionen der großen Ko-lition darlegen. Der Bundesfinanzminister steht darüberinaus gegenüber der EU-Kommission in der Pflicht, inen nächsten Wochen so etwas wie eine vorläufige Linieufzuzeigen. Ich finde, es ist kein Anlass für Kritik, dassir besser sind, als wir vor einem Jahr gedacht haben.ir sollten es gemeinsam als Anlass zur Freude nehmen,ass es jetzt Überarbeitungsbedarf in der mittelfristigeninanzpolitik gibt.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 21. November 2006 6429
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Steffen Kampeter
In diesem Zusammenhang weise ich auf das Treffenam 3. November hin, bei dem sich die Spitzen der Koali-tion und der Regierung, assistiert von den beiden haus-haltspolitischen Sprechern, mit dem Ergebnis der Steuer-schätzung auseinander gesetzt haben. Die Beschlüsse,die wir an jenem Vormittag getroffen haben, haben unszweierlei bewiesen: Erstens ist die große Koalition hand-lungsfähig und zweitens ist sie konsolidierungswillig.
Das sind doch eigentlich gute Botschaften. Ich kann da-her die hier vorgetragene Kritik, dass Finanzgipfel, wiees manche genannt haben, überflüssig seien, nicht ver-stehen. An jenem Tag sind wichtige Konsolidierungsim-pulse, auch für die nachfolgende Generation, gesetztworden und diese sollten wir ausdrücklich und positivhervorheben.
Insbesondere haben wir an jenem Tag die Lohnzu-satzkosten durch die Reduzierung des Arbeitslosenver-sicherungsbeitrags in einem Schritt um 2,3 Prozent-punkte abgesenkt. Damit werden wir jetzt denniedrigsten Arbeitslosenversicherungsbeitrag, Herr Kol-lege Müntefering, seit, wie ich glaube, 20 Jahren auswei-sen. Wir setzen da – das ist ein Zusammenspiel der gro-ßen Koalition – einen wichtigen Impuls für mehrWachstum und Beschäftigung. Wir geben den Bürgerin-nen und Bürgern, den Unternehmen und den Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmern mit diesem Schritt in abso-luten Zahlen 16 Milliarden Euro zusätzliche Kauf- undInvestitionskraft zurück.
Das, Herr Kollege Solms, sollten Sie in Ihren Redennicht verschweigen, auch die Entlastungswirkungennicht, die das für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet.Dies ist ein gutes Signal für Wachstum und Beschäfti-gung in Deutschland.
Die Staatsquote, meine sehr verehrten Damen undHerren, sinkt. Der Staat nimmt die Bürger weniger inAnspruch. Das ist im Übrigen auch ein Kernanliegen li-beraler Finanz- und Steuerpolitik. Die Staatsquote sinktkontinuierlich. Ich zitiere noch einmal die „FinancialTimes Deutschland“: „EU lobt sinkende deutsche Staats-quote“. Mit Blick auf die Reden der FDP kann ich nursagen: Wenigstens an diesem Punkt könnten Sie uns ein-mal ein bisschen unterstützen. Es ist nicht immer ganzeinfach, in einer großen Koalition eine sinkende Staats-quote durchzusetzen.
Aber wir werden die Staatsquote am Ende dieser Le-gislaturperiode – in dieser Frage weiß ich mich mit demBundesfinanzminister einig – auf das Niveau unmittel-bar vor der Wiedervereinigung, zur Zeit GerhardSwSSdwdDHhhEskfmsldsrrddsuwduiPsuBdhrsaDzfgMn
Kollege Kampeter – –
Nein.Ich möchte noch auf einige Aspekte der Haushaltsbe-atung eingehen. Der Dreiklang von Investieren, Sanie-en und Reformieren wird auch bei diesem Etat 2007eutlich. Wir haben schon im Aufstellungsverfahren beiiesem Etat wichtige Investitionen in die Zukunft abge-ichert. Ich nenne die Absicherung des Elterngelds, dasnter Frau Bundesministerin von der Leyen beschlossenorden ist, und der Forschungs- und Hightechstrategie,ie im Wesentlichen durch die Bundesminister Schavannd Glos repräsentiert sind. Das sind wichtige Zukunfts-nvestitionen, ohne die wir zukünftig keine erfolgreicheolitik machen können.Wir haben trotz eines soliden Etatvorschlages weiteretrukturelle Verbesserungen im Haushalt vorgenommennd gleichzeitig die Sparanstrengungen in bestimmtenereichen verschärft. Ich will mit einem für Haushalts-ebatten etwas ungewöhnlichen Beispiel beginnen. Ichabe noch kein Land dieser Erde am Kulturetat Bank-ott gehen sehen, eher schon am Sozialetat; aber auch daind wir auf einem guten Weg. Für uns war es wichtig,uch in Zeiten strikter Sparsamkeit für die Kulturnationeutschland deutliche Akzente zu setzen, indem wirum Beispiel in der auswärtigen Kulturpolitik die Mittelür das Goethe-Institut und die Auslandsschulen gestei-ert und indem wir ein neues Eingangsgebäude für dieuseumsinsel, im Übrigen interfraktionell und einver-ehmlich,
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Steffen Kampeter
mit 73 Millionen Euro auf den Weg gebracht haben.Dies zeigt: Man kann auch mit einer Konsolidierungs-strategie ganz wichtige Impulse für die KulturnationDeutschland setzen.Impulse kann man auch auf traditionelle Weise set-zen, nämlich mit einer Investitionsstärkung. Wir wer-den in den Bereichen Verkehr, Städtebau, Wirtschaft undUmwelt in diesem und im nächsten Jahr durch Einspa-rungen bei konsumtiven Ausgaben die Investitionen um700 Millionen Euro steigern. Wir haben für das Ergän-zungsprogramm „Lückenschluss und Staubeseitigung“für Bundesautobahnen Mittel in Höhe von 420 MillionenEuro in den Verkehrshaushalt eingestellt. Damit habenwir die Antiautopolitik, die die Grünen teilweise durch-gesetzt hatten, endlich beendet.
Wir wollen, dass die Staugefahr auf Bundesautobahnendurch Lückenschluss verringert wird.
Wir haben zusätzliche Investitionen in erneuerbareEnergien ermöglicht und wir haben die Mittel für dieGemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalenWirtschaftsstruktur“ um 50 Millionen Euro gesteigert.So machen wir deutlich, dass es uns wichtiger ist, Arbeitanstatt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.Die allgemeine Sicherheitssituation in diesem Landemachte es notwendig, dass wir ein Sicherheitsstärkungs-programm unter der Verantwortung von WolfgangSchäuble auf den Weg gebracht haben. Außerdem habenwir im Verteidigungsetat die Finanzierung der Auslands-einsätze sichergestellt, indem wir zusätzliches Geld be-reitgestellt haben.
Ich danke der Kollegin Hajduk,
dass sie ausdrücklich anerkannt hat, dass wir auch voreinem Subventionsabbau nicht Halt machen. Wir habendie Kohleförderung für das nächste Jahr gesenkt, weil esmöglich und notwendig war. Es ist richtig, Frau KolleginHajduk, dass wir im Jahresverlauf noch überprüfen wer-den, ob weitere Einsparungen möglich sind.
Sie sind aber erfahren genug, zu wissen, dass dieSprechklausel gemeinsam und einvernehmlich ausge-übt werden kann. Täuschen Sie deshalb die Öffentlich-keit nicht, indem Sie sagen, dass hier eine falsche Etati-sierung durchgeführt wurde. Wir werden uns mit demLand Nordrhein-Westfalen, mit dem Bundesfinanzmi-nister und mit dem Bundeswirtschaftsminister einigenmüssen. Ich sage Ihnen hiermit zu: Was wir im BereichdkbdßdsabdnDidshcnBWvsIgdgnswtumwuFKr
Wir haben weitere Einsparungen im Personalbereichurchgeführt.Im Übrigen, Herr Kollege Koppelin, haben Sie ver-chwiegen, dass wir die Mittel für die Öffentlichkeits-rbeit der Regierung um 10 Prozent gesenkt haben. Ichin der Auffassung: Wenn man eine gute Politik macht,ann braucht man für eine entsprechende Darstellungicht so viel Geld.
a die Politik der großen Koalition gut ist – gute Politikst ebenso wichtig wie gute Öffentlichkeitsarbeit –, istie Absenkung um 10 Prozent einvernehmlich beschlos-en worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Haus-alt 2007 ist, wie ich finde, Ausweis einer sehr ordentli-hen Bilanz in der Haushalts- und Finanzpolitik nach ei-em Jahr der großen Koalition. Ich will denundesfinanzminister aber nachdrücklich bei seinenarnungen unterstützen, dass wir jetzt nicht in Euphorieerfallen und die Konsolidierungsaufgaben vergessenollten. Wir sind einen ersten guten Schritt gegangen.hm werden weitere folgen müssen. Sie werden nichtanz so einfach werden, weil wir keine Garantie haben,ass uns die Konjunktur immer Rückenwind gibt.Ich glaube, dass die gefühlte Konsolidierung im Au-enblick besser ist als die tatsächliche. Damit will ichicht die Auffassung der Bevölkerung, dass wir eine an-tändige Arbeit leisten, negativ beeinflussen. Aber wirerden in den nächsten Jahren noch viele Konflikte er-ragen müssen, damit unser Ziel langfristig nachhaltigernd ausgeglichener Haushalte in Bund, Ländern und Ge-einden sowie in den Sozialversicherungen erreichtird. Dies ist Wunsch und Wille der großen Koalitionnd ein Herzensanliegen der Union.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Barbara Höll für die
raktion Die Linke.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Der zweite Haushalt der schwarz-roten Regie-ung liegt vor und es läuft ein seit Jahren gepflegtes Ri-
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Dr. Barbara Hölltual ab. Abgeordnete freuen sich, die Beratungen been-det zu haben, und die Regierung, insbesondere derFinanzminister, freut sich, dass sie ungeschoren davongekommen ist.Auch in diesem Jahr haben die regierungstragendenAbgeordneten nicht den Mut aufgebracht, im Haushaltumzusteuern. Denn nur um 2,42 Milliarden Euro ist derHaushaltsentwurf verändert worden. Er ist und bleibt dieFortsetzung einer unsozialen Sparpolitik, die Fortset-zung einer Umverteilung von unten nach oben,
und das, obwohl es dem Herrn Finanzminister in diesemJahr wirklich gut geht und es auch im nächsten Jahr sosein wird. In diesem Jahr ist ein Steuerplus von8,4 Milliarden Euro zu verzeichnen. Im nächsten Jahrwerden 9 Milliarden Euro erwartet. Bei der Bundesagen-tur für Arbeit besteht ein Überschuss von etwa10 Milliarden Euro.Das ist viel Geld. Man könnte es natürlich einsetzen.Man könnte zum Beispiel die bei der Bundesagentur an-fallenden Überschüsse dafür einsetzen, konkrete Maß-nahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einzulei-ten. Nehmen Sie also Geld und schaffen Sie über eineAnschubfinanzierung einen öffentlich geförderten Be-schäftigungssektor!
Nehmen Sie Geld und greifen Sie den DGB-Vorschlagauf, zumindest 50 000 Lehrstellen mittels einer An-schubfinanzierung zu schaffen! Viele junge Menschenhaben keine Ausbildungsplätze. Wir hätten noch dieChance, zu reagieren. Unsere Fraktion wird einen ent-sprechenden Antrag einbringen.
Nein, Ihnen fällt nur ein, an der Mehrwertsteuerer-höhung festzuhalten. Für das nächste Jahr werdenMehreinnahmen von 19,41 Milliarden Euro erwartet.Der Verzicht auf die Mehrwertsteuererhöhung ist ein Ge-bot der ökonomischen Vernunft. Die Erhöhung ist Giftfür die konjunkturelle Belebung. Sie wissen, wir befin-den uns in der Situation, dass die Nettolöhne und dieRenten sinken und die Armut zunimmt. Genau die davonBetroffenen wollen Sie im nächsten Jahr durch dieMehrwertsteuererhöhung zusätzlich belasten.
Im Sechsten Existenzminimumbericht ist nachzule-sen, dass sich die Regierung sicher ist, dass sowohl dasKindergeld als auch das Arbeitslosengeld II als auch dieSozialhilfe bereits heute hoch genug sind, sodass dieMehrwertsteuererhöhung nicht eingerechnet werdenmuss, obwohl sie nach den Berechnungen des Bundes-finanzministeriums für jeden Verbraucher zu einerMehrbelastung von etwa 29 Euro pro Monat führenwird. Aber nein, gerade bei den kleinen Einkommen,den Transferleistungen sagen Sie, sie würden reichen.Das ist eine unsoziale Politik.
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ls Oppositionspolitikerin wünsche ich mir manchmal,ie würden zumindest den Koalitionsvertrag einhalten.enn darin stand in Bezug auf die Unternehmensteuerre-orm:Angesichts des bestehenden Konsolidierungsdrucksin allen öffentlichen Haushalten werden Nettoent-lastungen kaum zu realisieren sein.Inzwischen sind Sie drauf und dran, eine Unterneh-ensteuerreform zu realisieren, die bei den Unterneh-en zu einer dauerhaften jährlichen Entlastung von min-estens 5,6 Milliarden Euro führen wird. Die Fachleuteehen davon aus, dass es real mindestens 8,5 Milliardenuro sein werden. Das sind Riesensummen, auf die Sieahr für Jahr verzichten wollen. Dies macht, wie gesagt,ie Einnahmen aus 1 Prozentpunkt der Mehrwertsteuer-rhöhung aus.Herr Steinbrück, da Sie vorhin in einer ziemlich arro-anten Weise über die Vorschläge der Linken hinwegge-angen sind, nenne ich Ihnen eine andere Finanzierungs-uelle. In einer Kleinen Anfrage habe ich Sie gefragt,ie hoch der Unterschied zwischen den erwirtschaftetennd den besteuerten Gewinnen ist. In der Antwort Ihresinisteriums, Drucksache 16/3071, wird festgestellt,ass der Unterschied zwischen den erwirtschafteten unden besteuerten Gewinnen 65 Milliarden Euro beträgt.ch glaube, da ist Musik drin. Da kann man tatsächlichtwas machen.
ber Vorschläge in dieser Richtung haben wir von Ihnenoch nicht auf dem Tisch.In den Eckpunkten zur Unternehmensteuerreform istachzulesen, dass Sie im Prinzip nur zu geringenehreinnahmen kommen wollen. 3,5 Milliarden Euroehr wollen Sie vom inländischen Steuersubstrat ein-ehmen. Aber wie, das kann man noch nicht nachlesen.
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Dr. Barbara HöllWenn man von 65 Milliarden Euro ausgeht und nochim Nebel stochert, wie man an 3,5 Milliarden Eurokommt, ist das ein Armutszeugnis für Ihre Politik.Gleichzeitig wird daran deutlich, wie unnötig die Mehr-wertsteuererhöhung ist, die zur Belastung von Kleinver-dienern, von Rentnerinnen und Rentnern und von Stu-dentinnen und Studenten führen wird. Wir werden IhrenHaushalt ablehnen.
Die Art Ihrer Diskussion ist wirklich erschreckend.Vielleicht erinnern Sie sich: 1983 gab es einen großenHit. Eine satirische Rockband, die Erste Allgemeine Ver-unsicherung, belegte in den Charts Platz eins. Der Nameder Band ist inzwischen Realität. Die Bevölkerung istzutiefst verunsichert. Die Band sang damals: „Jetzt wirdwieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Brutto-sozialprodukt.“ Die Nation freute sich, das Lied wurdezum Hit, heute würden Millionen von Menschen gern indie Hände spucken und von ihrer Hände Arbeit leben,
aber es ist ihnen nicht vergönnt. Es gibt keinen Mindest-lohn. In dieser Richtung haben wir eine Menge zu tun.
Kollegin Höll, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Koppelin?
Ja.
Verehrte Kollegin, da ich früher einmal Leiter einer
Musikredaktion bei der ARD war, möchte ich Sie darauf
aufmerksam machen, dass es nicht die Erste Allgemeine
Verunsicherung war, sondern die Gruppe Geier Sturz-
flug, die dieses Lied gesungen hat.
Danke für Ihre Verbesserung. Ich glaube jedoch, dass
meine Ausführungen bezüglich der allgemeinen Verun-
sicherung vieler Menschen in unserem Lande völlig
richtig sind. Heute geht es nicht einfach darum, dass in
Deutschland gemeckert wird. Die Menschen sind zu-
tiefst verunsichert, weil sie nicht mehr wissen, wie es
weitergehen wird mit der Politik, ob sie ihnen vielleicht
den Boden unter den Füßen wegzieht. Das ist ein Zu-
stand, den wir ablehnen.
Ich danke Ihnen.
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ir sind gerne bereit, über das, was sie zu diesem Punktnter der Überschrift „Schuldenbegrenzung und Über-ahme von in Schweizer Gesetzen stehenden Regelun-en“ gesagt hat, zu reden. Ich habe schon in meiner Redenlässlich der ersten Lesung des Haushalts 2007 daraufingewiesen, dass das eine zentrale Aufgabe des Rech-ungsprüfungsausschusses in den nächsten Monatenein wird. Ich weise aber auch darauf hin, dass es hier soie bei vielen anderen Vergleichen ist: Man kann das,as in der Schweiz gut läuft und vielleicht besser gere-elt ist als bei uns, nicht zu hundert Prozent auf unsereerhältnisse übertragen.Mit dem Bundeshaushalt 2007 setzen wir die erfolg-eiche Konsolidierungspolitik fort. Wir werden dabeiuch unser Ziel nicht aus den Augen verlieren, so schnellie möglich einen ausgeglichenen Haushalt zu errei-hen. Wir sollten uns daran aber auch nicht überheben.ie leidvolle Erfahrung aus der Vergangenheit zeigt,ass das nicht allein national zu regeln ist, sondern manuch die globalisierte Wirtschaft im Blick haben muss,elche sowohl positive als manchmal auch negativeuswirkungen auf die Haushalts- und Finanzpolitik un-eres Landes hat.
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Bernhard Brinkmann
Mein Vorredner hat bereits darauf hingewiesen – dasist ein weiteres Erfolgsmerkmal –, dass 2006 und 2007die Maastrichtkriterien eingehalten werden können.Was die schon oft angesprochenen Steuermehreinnah-men angeht, hat man manchmal den Eindruck, als würdeder Finanzminister diese Steuermehreinnahmen in vollerHöhe im Bundeshaushalt verbuchen können. Ich willnoch einmal deutlich machen, dass diese Steuermehrein-nahmen auf alle staatlichen Ebenen verteilt und für diedringend notwendige Konsolidierung der Länderhaus-halte sowie der Haushalte der Kommunen benötigt wer-den, um hier zu einer weiteren Entlastung und Reduzie-rung der Schuldenaufnahme zu kommen.Es wurde schon viel zur Absenkung des Beitrages zurArbeitslosenversicherung gesagt, der sich mit roundabout 17 Milliarden Euro sowohl für die Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer als auch für die Wirtschaft aus-wirkt. Liebe Frau Kollegin Hajduk, Ihre Rechnung unddie Staffelung der Beiträge, die sich an der 40-Prozent-Grenze orientieren, bezogen auf die vier sozialen Siche-rungssysteme ist nicht nachvollziehbar. Aber vielleichtkönnen wir beide noch einmal in einem internen Ge-spräch klären, wer hier richtig und wer falsch liegt.
Die FDP lässt – jedenfalls nicht deutlich – nicht da-von ab, weitere Steuer- und Abgabensenkungen zu for-dern. Diese will jedoch, liebe Kolleginnen und Kollegen,niemand ernsthaft.
Das wollen letztendlich auch nicht die Landesregierun-gen, an denen Sie beteiligt sind.
Ich glaube, davon gibt es noch eine oder sogar zwei.
– Okay. Das war jetzt gegen 12.30 Uhr die Testfrage, obSie noch genau wissen, wo Sie beteiligt sind. – Bei die-ser Gelegenheit sollten wir vielleicht einmal mit demKollegen Möllring reden, inwieweit er als Finanzminis-ter meines Heimatlandes Niedersachsen bereit ist
– auch des von Herrn Thiele, keine Frage –, über weitereSteuersenkungen nachzudenken.An dieser Stelle muss man aber auch ein Stück Ver-gangenheitsbewältigung im Hinblick auf Steuersenkun-gen betreiben. 1998 betrug der Eingangsteuersatz25,9 Prozent, jetzt liegt er bei 15 Prozent. Der Spitzen-steuersatz lag 1998 bei 53 Prozent, jetzt liegt er bei42 Prozent plus einem Zuschlag von 3 Prozentpunktenbei einem entsprechenden Einkommen. Man muss deut-lich darauf hinweisen, dass sich diese Steuersenkungen– das richtet sich an die Linke – am gravierendsten beidenen auswirken, die Einkommensteuer zahlen, also beiden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie beimHmndewbsSEmd2incDhsdESdwDt–wkDr–dwtBlemä
as sind deutliche Formulierungen, die die solide Haus-alts- und Finanzpolitik dieser Regierungskoalition be-tätigen.Frau Kollegin Lötzsch, ich muss etwas zu Ihrer For-erung sagen, im Einzelplan 14, bei der Bundeswehr,insparungen vorzunehmen. Ich habe das Gefühl, dassie zumindest der staunenden Öffentlichkeit den Ein-ruck vermitteln wollten, man könne das machen. Ichill ganz klar und deutlich sagen: Das kann man nicht.ie Bundeswehr, die in den letzten Jahren durch vielfäl-ige Aufgaben, sprich: Auslandseinsätze, gefordert istjeden Tag leisten alle Soldatinnen und Soldaten so-ohl im Inland als auch im Ausland wertvolle Arbeit –,ann nicht mit weiteren Sparmaßnahmen belegt werden.as wäre unredlich und ist in aller Entschiedenheit zu-ückzuweisen.
Herr Kollege von der PDS, von der Linken bzw. voner WASG – man muss ja manchmal genau hinschauen,o Sie stehen bzw. zu wem Sie gehören –, bei der Bera-ung des entsprechenden Einzelplanes wird das, was zurundeswehr zu sagen ist, deutlich gesagt werden. Sieiegen leider auch diesbezüglich völlig falsch. Gehen Sieinmal zu den Soldatinnen und Soldaten, gehen Sie ein-al in eine Kaserne; dann werden Sie Ihre Denkweisendern und zu anderen Entscheidungen kommen.
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Bernhard Brinkmann
Der Präsident des Bundesrechnungshofs, Herr Profes-sor Engels, hat zwei wesentliche Punkte der Haushalts-und Finanzpolitik bestätigt: Die Lage der Bundesfinan-zen hat sich spürbar verbessert und es ist richtig, mit denMehreinnahmen die Nettoneuverschuldung zu verrin-gern. Wir sind noch längst nicht am Ziel dieser Bemü-hungen angekommen. Der Bundeshaushalt muss weiterkonsolidiert werden. Dabei werden wir den Finanz-minister wie bisher tatkräftig unterstützen.
Wir sind auf einem guten Weg; der muss konsequentweitergegangen werden.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die FDP-Fraktion spricht nun die Kollegin Ulrike
Flach.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sie haben in den Jahren 2005 und 2006 die einmaligeChance gehabt, zwei Haushalte hintereinander, dieHaushalte für die Jahre 2006 und 2007, in einemSchwung auf den richtigen Weg zu bringen. HerrKampeter, das wäre es wert gewesen, heute als histori-sche Tat bezeichnet zu werden. Sie haben diese Chanceaber einfach vertan.
Sie haben es nicht geschafft, die wirklich positiveKonjunktur, die wir alle begrüßen – keiner sagt etwasdagegen; insofern ist es eine Unterstellung, wenn Sie sa-gen, wir würden etwas schlecht reden –,
zur Konsolidierung des Haushalts zu nutzen. HerrKampeter, während Ihrer Oppositionszeit haben Sie unsdas bei jeder Gelegenheit erzählt.
Ich bin mehr als erstaunt, dass Sie genauso wie Kol-lege Brinkmann über die Steuerquote reden, wo dochjeder Bürger dieses Landes weiß, dass am 1. Januar einedeutliche Mehrwertsteuererhöhung in Kraft tritt, dieBürger mit 10 Milliarden Euro zusätzlich belastet wer-den
und Sie sich mit den Linken, mit den Sozialdemokraten,
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arum haben Sie denn Krach mit dem Parteirat?
eil die Steuerquote in diesem Land zu hoch ist. Das ister Punkt. Sie versuchen, die Realitäten zu verwischen.
Verlässlich, nachvollziehbar und berechenbar, soüsste Ihrer Meinung nach die Finanzpolitik sein.
as haben wir auch heute wieder gehört. Sie haben unsm Anfang dieses Jahres eine Doppelstrategie deronsolidierung ohne Gefährdung des Aufschwungsorgemalt. Wie sieht diese Konsolidierung aus? Deraushalt 2006 wurde – wir haben es heute immer wiederehört – mit einer geplanten Nettoneuverschuldung vonirca 38 Milliarden Euro verabschiedet. Jetzt kommenir auf 30 Milliarden Euro. 2007 soll die Neuverschul-ung bei 19,5 Milliarden Euro liegen. Die FDP begrüßtas, nichts anderes. Das ist selbstverständlich. Sie stellenies als großen Erfolg beim Schuldenabbau dar. Aberakt ist: In diesen zwei Jahren häufen Sie über0 Milliarden Euro neue Schulden an.
Wenn Sie sich die mittelfristige Finanzplanung an-chauen, Herr Steinbrück, dann sehen Sie, dass Sie bisum Ende der Legislaturperiode noch um 100 Milliardenuro weitergehen. Ist das eine seriöse Art, mit demaushalt umzugehen? Das ist eine Belastung der Bürgernd kein Weg, der dieses Land nach vorne bringt.
Sie haben bei den Haushaltsberatungen im Septemberieses Jahres gesagt: Hätten wir zu Beginn des Jahres006 ein niedrigeres Defizit nach Brüssel gemeldet, hät-en wir mehr konsolidieren müssen. Das hätte Ihrer Dop-elstrategie widersprochen, Herr Steinbrück. Was bedeu-et das? Sie haben die konjunkturellen Aussichten imrühjahr absichtlich zu pessimistisch eingeschätzt. Sieaben dadurch den europäischen Stabilitätspakt miss-chtet und geschwächt. Das wirft auch ein Licht auf dieerfassungsmäßigkeit des laufenden Haushaltes. Dennie gute Konjunktur hätte einen verfassungskonformenaushalt ermöglicht.
a bin ich völlig auf der Seite von Frau Hajduk. Ein vor-ätzlicher Bruch der Kreditfinanzierungsgrenze, Art. 115es Grundgesetzes, wäre bei dieser Konjunktur im Haus-altsvollzug heilbar gewesen, Herr Steinbrück.
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Ulrike Flach
Sie hatten also offensichtlich niemals vor, stärker zukonsolidieren. Sie wollten den einfachen Weg über dieEinnahmeseite gehen.
Die Bürger in diesem Land müssen wissen: Wir habenallein in diesem Oktober Steuermehreinnahmen von fast10 Prozent. Gerade bei einem solchen Geldregen mussman mehr Schulden abbauen, als Sie es tun. Dasselbe sa-gen Ihnen übrigens alle Forschungsinstitute. Die Konso-lidierungsstrategie der großen Koalition ist weder nach-haltig noch wachstumsgerecht.
Hinzu kommt, dass Sie – mehrere Redner haben dasbereits angesprochen – auf so genannte Impulspro-gramme verweisen. Ich frage mich wirklich, was Im-pulsprogramme bewirken, die entweder erst im nächstenJahr greifen – Kollege Solms hat zu Recht darauf hinge-wiesen – oder aufgrund nicht abfließender Mittel über-haupt nicht greifen können. Was Sie in diesem Augen-blick an Mehr einnehmen, ist nichts anderes als dasErgebnis einer guten Entwicklung der Weltwirtschaft.Sie versuchen, das als besondere Erfolge der großen Ko-alition darzustellen.
Unter dem Strich: Die FDP hat in den letzten zweiJahren über 1 000 Einsparvorschläge gemacht. Wir ha-ben Ihnen gerade das Buch, das diese enthält, übergeben.Ich hoffe, Sie lesen es auch.
Jeder einzelne dieser Anträge ist von der großen Koali-tion niedergestimmt worden, obwohl es zum Teil An-träge waren, die aus den Zeiten der Opposition mit derCDU/CSU übernommen worden sind. Sie, HerrSteinbrück, haben offensichtlich nicht einmal versucht,zu sparen. Das erwarten wir von Ihnen. Ansonsten wer-den Sie in Schwierigkeiten kommen. Zum Jahre 2010werden wir nach wie vor nicht die von Herrn Kampetererhoffte Konsolidierung des Haushaltes haben.
Das Wort hat der Kollege Georg Fahrenschon für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Bezogen auf die 1 000 Anträge, liebe Frau Kol-legin Flach, gilt die Generallinie, dass Qualität vorQuantität geht. In den 1 000 Anträgen waren zu vieleVsfJtAfAtszWbNkwEBDhlldgnUvnHgtbwade
Nach dem Haushalt des Übergangs für das laufendeahr 2006 markiert diese Woche den Abschluss des ers-en Haushaltsentwurfs – wenn Sie so wollen – in eigenerufstellung, in eigener Planung und in eigener Durch-ührungsverantwortung der unionsgeführten Regierungngela Merkel. Leitlinie dabei war der Koalitionsver-rag der großen Koalition, in dem die Aufgabe klar be-chrieben ist:Deutschland braucht eine nationale Anstrengung aufallen Ebenen, um das gesamtwirtschaftliche Wachs-tum zu steigern und die strukturelle Unterdeckungder öffentlichen Haushalte durch gemeinschaftlicheKonsolidierungsanstrengungen und Strukturrefor-men zu beseitigen. Jedes Hinausschieben der not-wendigen Haushaltssanierung treibt den Konsoli-dierungsbedarf nur noch weiter in die Höhe.Das ist die Leitlinie, die wir diesem Bundeshaushaltugrunde gelegt haben.
Mit dem Abschluss der Haushaltsberatungen wird derille der Koalition, eine nachhaltige Finanzpolitik zuetreiben, bestätigt und in Zahlen gegossen. Statt dieettokreditaufnahme zu erhöhen, senken wir sie imommenden Jahr – auch gegenüber dem Regierungsent-urf – um weitere 2,4 Milliarden Euro. Das ist ein gutesrgebnis, das im Haushaltsausschuss des Deutschenundestages gefunden wurde.
eshalb lautet die übergeordnete Schlagzeile der Haus-altsberatungen richtigerweise: Mit dem Haushalt 2007äutet die Regierung Angela Merkel endlich die überfäl-ige Trendwende in der Haushalts- und Verschul-ungspolitik des Bundes ein.In nur einem Jahr erreichten wir das, was die Vorgän-erregierung in den letzten Jahren ihrer Regierungszeiticht mehr geschafft hat. Das Jahr 2007 markiert diemkehr von ständig steigenden Schulden hin zu einererantwortungsvollen, sparsamen, zukunftsgerechten,achhaltigen und europa- und verfassungskonformenaushaltspolitik.
Wir halten die Regelgrenze von Art. 115 des Grund-esetzes ein und tragen den Erfordernissen des Stabili-äts- und Wachstumspaktes Rechnung. Das ist im Hin-lick auf die europäische Stabilitätskultur nicht nur einichtiges Signal nach Brüssel, sondern auch ein Signaln die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, weiladurch Vertrauen zurückgewonnen werden kann. Nurin Jahr nach dem Amtsantritt einer unionsgeführten
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6436 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 21. November 2006
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Georg FahrenschonBundesregierung schaffen wir das, was der Vorgänger-regierung – das betone ich noch einmal ausdrücklich – inmehreren Jahren nicht gelungen ist. Es gilt also: Wenndie Union in der Verantwortung steht, werden die Regelnwieder eingehalten. Das ist das Qualitätssiegel von CDUund CSU.
Diese aktuell positive Entwicklung darf allerdingsnicht den Blick dafür verstellen, dass wir in Bezug aufdie Lage der öffentlichen Finanzen nach wie vor vor rie-sigen Herausforderungen stehen. Das beweist unter an-derem eine im Oktober dieses Jahres veröffentlichteStudie der Europäischen Kommission zur langfristigenTragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in der Euro-päischen Union. Dieser Studie zufolge wird dieSchuldenquote in der Europäischen Union und in derEurozone unter unveränderten Rahmenbedingungen vonderzeit durchschnittlich 63 Prozent des europäischenBruttoinlandsproduktes auf rund 200 Prozent des Brutto-inlandsprodukts im Jahr 2050 steigen. Meine sehr geehr-ten Damen und Herren, das ist ein Menetekel für dieEntwicklung der Staatsfinanzen.Die Zahlen für Deutschland sind eine Drohung: DieSchuldenquote wird von derzeit 67,7 Prozent um fast200 Prozentpunkte, auf 260 Prozent im Jahre 2050 stei-gen, wenn wir in der Haushalts- und Finanzpolitik struk-turell nichts ändern. Deshalb ist es ein Muss, dass wiruns an den Regeln des Stabilitätspakts orientieren. Nurdann könnten wir eine derartige Explosion der Staatsver-schuldung – immerhin betrüge sie dann immer nochknapp 65 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts – ver-hindern.Daher ist es von enormer Bedeutung, dass Deutsch-land den eingeschlagenen positiven Kurs konsequentweiterverfolgt. Die Vorgaben des Stabilitätspakts, vor al-lem die weitere strukturelle Konsolidierung um einenhalben Prozentpunkt pro Jahr, sollten dabei angesichtseiner stabilen, aber zu hohen gesamtwirtschaftlichenStaatsverschuldung von 68 Prozent nicht als Strafe ange-sehen werden. Vielmehr müssen diese Vorgaben als Leit-linie, geradezu als Chance für die zukünftige Finanz-und Haushaltspolitik betrachtet werden.Insbesondere angesichts der Alterung der Bevölke-rung – dieser Aspekt muss immer wieder ins Feld ge-führt werden – muss die Tragfähigkeit der öffentlichenFinanzen unser vorrangiges politisches Ziel sein. Wirmüssen auch in Zeiten positiver Wachstumsquoten dieGrundlagen dafür legen, dass wir in Zukunft finanzpoli-tische Freiräume haben, mit denen wir aktiv Politikgestalten können. Nur mit tragfähigen öffentlichenHaushalten werden wir die Herausforderungen der de-mografischen Entwicklung einerseits und der Globalisie-rung, des ständig steigenden Wettbewerbs der Standorte,andererseits meistern.Das Ergebnis der Studie der Europäischen Kommis-sion beweist – das ist im Grunde keine Überraschung –:Staaten, die über solide und nachhaltige Finanzen verfü-gen, bekommen die Probleme der Zukunft besser in denGriff und meistern strukturelle Reformen.RiStfPEdzSunfhtszutmvWSSA–sbgkW2sdGlweaJz3EDb
Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, Sie habenecht: Das Problem der Sanierung der Staatsfinanzenst mit dem Jahr 2007 nicht gelöst und die Sanierung dertaatsfinanzen ist auch nicht beendet. Nein, das Gegen-eil ist der Fall: Vielmehr ist die Sanierung der Staats-inanzen mit dem Jahr 2007 erst eröffnet. Von diesemunkt aus müssen wir weiter voranschreiten, strukturelleinsparungen im Haushalt zu ermöglichen.
Für die Union steht das erklärte Ziel fest, mittelfristigen ausgeglichenen, den nachhaltigen Bundeshaushaltu erreichen. Dabei geht es uns nicht um Sparen um desparens willen – CDU und CSU geht es um das Sparenm der Zukunft willen. Gerade aus Sicht der jungen Ge-eration ist ein ausgeglichener Haushalt notwendig, uminanzielle Gestaltungsspielräume in der Zukunft zu er-alten. Wir werden, wir dürfen der zukünftigen Genera-ion zusätzlich zu den demografischen Problemen derozialen Sicherungssysteme nicht auch noch die Zinslastusätzlicher Schulden aufbürden. Deshalb beschäftigtns über den Bundeshaushalt 2007 hinaus die Perspek-ive für die Jahre 2008, 2009 ff. Herr Bundesfinanz-inister, wir müssen die Chance der derzeitigen positi-en Entwicklung nutzen. Gehen wir gemeinsam auf demeg, das strukturelle Defizit zügig abzubauen und diechuldenstandsquote zu reduzieren, voran. In dieseminne müssen wir gemeinsam aus den Fehlern Ihresmtsvorgängers lernen.
Doch, Herr Kollege Brinkmann!Das Jahr 2001 hat Finanzminister Eichel gezeigt, wiechnell eine günstige konjunkturelle Entwicklung, ver-unden mit einem Boom der volatilen, gewinnabhängi-en Steuern, wie wir es damals hatten, sich umkehrenann.
ir haben, ausgehend von einer positiven Entwicklung001, quasi über Nacht umfangreiche Defizite, einechnell wachsende Schuldenquote und eine Verletzunger Haushaltsgrenzen erlebt, weil wir keine soliderundposition hatten. Das ist die Lehre aus der Entwick-ung der Jahre 2001, 2002, 2003, 2004. Daher müssenir von heute an den vielfältigen Interessen vehementntgegentreten und damit beginnen, endlich Schuldenbzubauen. Nur dann hält der positive Trend desahres 2006 auch 2007 an und kann sich sogar multipli-ieren.
Die Rückführung der Nettokreditaufnahme von0 Milliarden Euro im Jahr 2006 auf 19,6 Milliardenuro im nächsten Jahr ist ein erster, wichtiger Schritt.ie Haushälter und Finanzpolitiker sind sich natürlichewusst, dass man hier mit virtuellem Geld operiert.
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Georg FahrenschonAber man muss es sich einmal durchrechnen, um die Vo-lumina zu begreifen: Wir haben durch die Reduzierungder Nettokreditaufnahme von 30 Milliarden Euro auf19,6 Milliarden Euro zukünftige Belastungen vermie-den. Wir haben in einem gewissen Sinne Freiräume ge-schaffen. Denn allein durch die – in Anführungszeichen –„gesparten“ Schulden von rund 10 Milliarden Euro müs-sen wir bei einem durchschnittlichen Zinssatz von rund4 Prozent 400 Millionen Euro weniger Zinsen zahlen.Wir haben den Bund davor bewahrt, weitere täglicheZinslasten von 1 Million Euro aufzunehmen. Ich glaube,das ist eine gute Nachricht für die Steuerzahler in unse-rem Lande.
Die große Koalition hat nach der Wahl den dringen-den Handlungsbedarf bei den öffentlichen Finanzen, ins-besondere beim Bundeshaushalt, schnell erkannt und mitihren ersten beiden Etats auch gehandelt. Die öffentli-chen Finanzen liegen langfristig wieder auf einer guten,soliden Grundlage. Wir müssen uns immer wieder be-wusst werden, dass das eine Herausforderung ist, die mitden Haushalten 2006 und 2007 nicht abgearbeitet ist.Wir müssen diese Debatte in allen gesellschaftlichen Be-reichen führen, um die Aufgaben der kommenden Jahreklar zu beschreiben. Nur wenn es gelingt, finanzielleHandlungsspielräume für eine solche aktiv gestaltendeFinanzpolitik zurückzugewinnen, kann Deutschland derZukunft erfolgreich begegnen.
Ich kann für die CDU/CSU feststellen: Wir sind einenSchritt in die richtige Richtung gegangen. Es gilt imHinblick auf die zukünftigen Jahre, Tempo aufzuneh-men, um die guten Ergebnisse des Jahres 2006 und diegute Planung für das Jahr 2007 in erfolgreiche Haushalteder Jahre 2008, 2009 und 2010 gießen zu können.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Jörg-Otto Spiller für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Kollege Fahrenschon, es ist sehr gut, dasswir jetzt an einem Strang ziehen und auch in derselbenRichtung. Es war in der vorigen Wahlperiode manchesMal schwer, mit dem Bundesrat, in dem es eine andereMehrheit gab als im Bundestag, in der Finanzpolitik zuErgebnissen zu kommen. Wäre den Vorschlägen der da-maligen Bundesregierung gefolgt worden, stünden wirheute ein Stück besser da, als wir es tun. Aber immerhin:Wir haben es ja noch geschafft.
Deutschland ist auf einem guten Weg. Das Wirt-schaftswachstum wird in diesem Jahr circa 3 Prozent be-tragen. Die Bundesbank redet sogar davon, dass es eher3kawlrezhzrwDttgadsddgSWguwddaMLFwmDsDrouhdnRt
afür gab es eine Reihe von Vorschlägen. Zum Glückind sie im Wesentlichen wieder begraben worden.
ie Koalition hält Kurs. Dieser Kurs heißt Konsolidie-ung. Ich sage aber auch: Konsolidierung gibt es nichthne Wachstum.Ich bin ein wenig erstaunt darüber, dass Frau Hajduknd auch der Vorsitzende von Gesamtmetall verkündetaben, die Koalition habe nur Fortune gehabt;
ie Konjunktur laufe gut, aber dafür könne die Politikichts. Frau Hajduk, der alte Moltke hat dazu schon dasichtige gesagt: Glück hat auf die Dauer nur der Tüch-ige.
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Jörg-Otto Spiller
Ich bin ein bisschen enttäuscht darüber, dass Sie sichselbst nicht mehr dazu zählen; denn es gab natürlichauch in der vorigen Wahlperiode Entscheidungen, diesich jetzt auszahlen. Ich weiß gar nicht, warum Sie sichdavon distanzieren. Natürlich ist die Arbeitsmarktre-form, so schwierig sie war – sie ist ja immer noch um-stritten –, auch eine der Grundlagen für die heutige Bele-bung am Arbeitsmarkt.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Hajduk?
Gerne.
Sehr verehrter Herr Kollege Spiller, halten Sie es für
zustimmungsfähig, dass ich mir hinsichtlich der Sen-
kung der Lohnnebenkosten, die jetzt Ihrer Regierung
möglich ist, auch weiterhin erlaube – weil ich zu unseren
rot-grünen Reformen gerade im Bereich des Arbeits-
marktes stehe –, darauf hinzuweisen, dass 1,3 der über
2 Prozentpunkte, um die Sie den Betrag zur Arbeitslo-
senversicherung senken wollen, durch rot-grüne Refor-
men angelegt wurden und dass deshalb dieser Schritt un-
abhängig von der Mehrwertsteuererhöhung erfolgt
wäre? Das wollte ich bei Ihrer Überlegung zu den Lohn-
nebenkosten noch einmal deutlich machen. Vielleicht
können Sie mir in diesem Punkt zustimmen. An dieser
Stelle stehe ich sehr wohl zu unseren Reformen, die wir
vor einigen Jahren durchgeführt haben.
Ganz deutlich war die Frage nicht. Aber ich nehme
mit Freude zur Kenntnis, dass Sie weiterhin zu unseren
Reformen stehen und insofern Ihre Aussage von vorhin
etwas geradegerückt haben. Herzlichen Dank für diese
Einsicht.
Der Subventionsabbau in Verbindung mit einer
gleichzeitigen Senkung von Steuersätzen hat ebenfalls
dazu beigetragen. Auch diese Maßnahmen haben wir ge-
meinsam begonnen, Frau Hajduk. Aber wir setzen sie
auch fort. Das eine oder andere hätte vielleicht etwas
schneller gehen können, wenn Herr Trittin nicht zum
Schluss gebremst hätte. Aber wir haben immerhin die
richtige Richtung eingeschlagen.
Die große Koalition hat den Mut gehabt, mit dem
Haushalt 2006 auch den Konjunkturverlauf zu stützen.
Ich finde, dazu kann man sich bekennen. Es war eine
vernünftige Entscheidung.
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Der letzte Redner in dieser Debatte ist nun der Kol-
ege Jochen-Konrad Fromme für die CDU/CSU-Frak-
ion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herrolms, es ist nicht richtig, dass es keinen roten Faden innserer Haushalts- und Wirtschaftspolitik gibt. Politikängt bei der Betrachtung der Realitäten an. Die Realitä-en sind weniger Arbeitslose, mehr sozialversicherungs-flichtig Beschäftigte und mehr offene Stellen. All dasommt nicht von ungefähr; es ist vielmehr Ausdruck da-ür, dass der schmale Grat zwischen der Sanierung deraushalte einerseits und der Schonung der Konsumkraftndererseits richtig getroffen ist. Sonst hätten wir dieseositiven Werte nicht erreicht.Womit haben wir uns noch vor einem Jahr im Wahl-ampf beschäftigt? Damals ging es um den Arbeitsmarktnd die Arbeitslosigkeit. Jetzt, nachdem sich die Lageebessert hat, spricht keiner mehr davon. Die Entwick-ung am Arbeitsmarkt spricht dafür, dass unsere Politikrfolgreich ist und richtige Ansätze verfolgt hat.
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Jochen-Konrad FrommeUm mit dem Regisseur Jacques Tati zu sprechen:„Alle Wirtschaftsprobleme wären zu lösen, wenn mandie Selbstgefälligkeit steuerpflichtig machte.“ DiesenWeg können wir nicht beschreiten. Aber die große Ko-alition ist durchaus erfolgreich, wenn man berücksich-tigt, was wir alles vorwärts gebracht haben. Der Staat isteffizienter geworden. Wir haben Reformen durchgesetztund an allen Stellen für Verbesserungen gesorgt. Wirsind zwar nicht dort, wo wir sein wollen; das ist völligklar. Alles könnte schöner, besser und größer sein. Aberwir sind auf dem richtigen Weg; das ist das Entschei-dende.Herr Kollege Spiller, die Trendwende wurde dadurcherreicht, dass Sie den grünen Ballast losgeworden sind.Wir haben uns nicht verändert. Vielmehr haben wir unsangenähert und es gibt mehr Übereinstimmung. Dasfreut mich.Die Investitionen liegen über der Nettokreditauf-nahme. Wir erfüllen damit das Maastrichtkriterium. DieSteuer- und Abgabenquote sinkt genauso wie die Lohn-nebenkosten. Das sind doch richtige und wichtige Si-gnale. Es wird behauptet, das habe nichts mit der Regie-rung zu tun. Wir sind sicherlich nicht so arrogant undsagen, das sei unser Aufschwung. Aber mit dem Regie-rungswechsel hat es schon etwas zu tun; denn die wirt-schaftliche Entwicklung hängt auch von der Stimmungab. Nun gibt es einen Stimmungswandel; dieser ist wich-tig. Diesen hätte es ohne unsere Regierungsbeteiligungnicht gegeben.Wenn man die Überschriften in den letzten Tagen liest– „Die deutsche Wirtschaft ist in guter Verfassung“;„Stärkstes Wachstum seit sechs Jahren“; „Wirtschafts-weisen erwarten kräftiges Wachstum“; „DIW rechnetmit einer Gesundung der öffentlichen Haushalte“ –,dann muss man feststellen, dass es in diesem Land nuneinen breiten Konsens darüber gibt, dass die Politik ei-nen richtigen Weg eingeschlagen hat. Diesen müssen wirkonsequent weitergehen.Es ist richtig, vorhandene Überschüsse der Bun-desagentur für Arbeit an die Beitragszahler zurückzu-geben. Es verwundert mich nicht, dass der Kollegin Höllnur einfällt, wie man das Geld ausgeben kann. Aber esist richtig, es den Bürgern zu geben, damit die ge-wünschte Entwicklung in Gang kommt.
Die FDP fordert keine Steuererhöhungen sowiegleichzeitig eine Senkung der Nettokreditaufnahme undeine Steigerung der Investitionstätigkeit. Dazu kann ichnur sagen: Alles muss unter dem Strich zusammenpas-sen. Die Rechnung muss aufgehen.Der Kollege Solms fordert plötzlich eine zentraleSteuerverwaltung. Dieser Hang zur Zentralität verwun-dert mich ganz erheblich.
Ich weiß natürlich, dass wir bei den EDV-Programmenstärker zusammenarbeiten und uns abstimmen müssen,wenn wir Einheitlichkeit erreichen wollen. Aber einWmdZirgEtdWedbbrdksznuadgkhEgketpgPsdkWEsceashPgemdzsf
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Das ist doch ein Wahnsinn. Ich würde mich freuen – ichhabe Beifall quer durch das ganze Haus gehört –, wennan diesem Thema konstruktiv mitgearbeitet würde. Ichhabe das einmal während einer Klausur angesprochenund großen Beifall erhalten. Dann aber wurde der Beifalldeutlich weniger. Ich schließe daraus, dass wir an dieserStelle weitermachen müssen. Es kann doch nicht sein,dass jemand morgens um 6 Uhr in Bonn aufbricht, mit-tags in Berlin ist, zehn Minuten lang etwas in einemAusschuss vorträgt und abends wieder nach Bonn fährt.Damit ist der ganze Arbeitstag für einen Vortrag vonzehn Minuten verloren. An der Stelle liegt doch ein riesi-ges Einsparpotenzial.
Ich glaube, dass wir daran arbeiten müssen. Wir soll-ten über den lokalpolitischen Tellerrand hinwegschauen.Die Stadt Bonn steht inzwischen gut da. Das hat keinervorausgesehen. Deswegen war es am Anfang richtig,Brücken zu bauen. Inzwischen haben wir gesehen, dassdie Brücken tragfähig sind, und wir können weiterarbei-ten.Sie sehen, es gibt noch viel zu tun. Packen wir es an!Wir sind auf dem richtigen Wege. Ich lade alle in diesemHause ein, auf dem richtigen Wege mitzumachen und amEnde dem Haushalt zuzustimmen.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zu den Abstimmungen. Zunächst
stimmen wir über den Einzelplan 08, Bundesministe-
rium der Finanzen, in der Ausschussfassung ab. Wer
stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der
Einzelplan 08 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
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Ausdrücklich begrüßen möchte ich aber noch, dasserr Kues erreicht hat – ich wollte mich eigentlich beihm bedanken, aber er hat heute ebenfalls Geburtstagnd soll das auch ruhig feiern –, dass die Polen beimeutsch-Polnischen Jugendwerk genauso wie die Bun-esregierung und der Bundestag ihren Verpflichtungenachkommen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir spre-hen immer vom Zukunftsprojekt Familie und vom Zu-
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Otto Frickekunftsprojekt Kinder und Jugendliche und müssen den-noch in diesen Tagen trotz positiver Meldungen auchNegatives zur Kenntnis nehmen. Man muss in der heuti-gen Debatte sicherlich auch den Fall Emsdetten anspre-chen, auch wenn der Täter ein 18-Jähriger war; denn dieUrsachen für die Tat sind in seiner Kindheit und Jugendzu suchen. Dieser Fall ist leider kein Einzelfall. DerHang zur Gewalt nimmt bei unserer Jugend zu und wirsind letztlich immer noch nicht in der Lage, klare Ant-worten auf die Fragen zu geben, die sich in diesem Be-reich stellen, auch wenn wir das alle wollen, was ichnicht bestreiten will.Ich will in diesem Hause ausdrücklich eine Warnungaussprechen: Machen wir doch bitte bei einer soschrecklichen Tat, unter deren Folgen die Betroffenennoch jahrelang leiden werden, nicht den Fehler, in Ak-tionismus zu verfallen und irgendetwas zu verbieten,weil wir glauben, damit hätten wir eine Lösung gefun-den. Das kann bei solch einer schwierigen Sache nichtder Sinn von Politik sein.
Man kann gerne die Frage prüfen, ob solche Spieleverboten werden sollen. Das ist kein Problem, das kön-nen wir machen. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich: BeimVerbot eines Spiels wird am nächsten Tag entweder dieschwarz gebrannte CD weitergegeben oder das Kindoder der Jugendliche geht am übernächsten Tag einfachins Internet und lädt sich dieses Spiel auf seinen Compu-ter, weil es ja inzwischen so leicht ist, riesige Mengenvon Informationen aus dem Internet herunterzuladen.Wir müssen hier andere Wege gehen.Am meisten sollte uns die Tatsache berühren, dass derTäter von Sinnleere spricht. Wir müssen uns fragen: Wasist in diesem Land in der Diskussion über die Zukunftund über Werte falsch gelaufen? Hier liegt nach meinerMeinung der Kernansatz, um unseren Kindern und Ju-gendlichen klar zu machen, warum es sich lohnt, in die-sem Land zu leben.Ich will aber noch eine zweite Frage ansprechen: Wa-rum passiert es in Schulen? Nun können wir über Puber-tät und alle damit zusammenhängenden Probleme reden.Da haben wir als Gesellschaft auch eine Aufgabe. Aberwir müssen noch etwas anderes sehen: Wir haben eineimmer komplexere und immer schwierigere Welt. Dieeinfachen Antworten der 50er-Jahre und vielleicht nochaus der Zeit Anfang der 60er-Jahre reichen heute nichtmehr aus.
Die sich heute stellenden Fragen sind auch nicht alleinemit dem Hinweis zu beantworten – Kollege Kampeter,Sie sollten hier nicht so reinbrüllen, sondern eine Zwi-schenfrage stellen – –
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Wir wissen, dass sich fast alle 18-Jährigen Kinderünschen, und zwar in der Regel mindestens zwei. Wirissen aber auch, dass rund ein Drittel der Deutscheniesen Wunsch nie realisiert. Hier setzt das Elterngeldn. Wir unterstützen die jungen Eltern dann, wenn es amotwendigsten ist: wenn die Ausgaben nach der Geburtines Kindes steigen und gleichzeitig ein Einkommenegfällt. Hier setzt das Elterngeld gezielt an. Ich binehr optimistisch, dass sich aufgrund des Elterngeldesehr Paare dafür entscheiden, sich ihren Kinderwunschu erfüllen.Über eines müssen wir uns aber auch im Klaren sein:olitik ist nicht allmächtig. Wir werden die Geburtenraten Deutschland auch durch noch so üppige familienpoli-ische Leistungen nicht bestimmen können. Die Ent-cheidung liegt bei den Eltern. Um sich für ein Kind zuntscheiden, braucht es vor allen Dingen eines: Zuver-icht. Renate Schmidt, die Vorgängerin unserer Fami-ienministerin von der Leyen, hat dazu einmal etwas sehrebenskluges gesagt: Junge Paare haben heute erst dannen Mut zum Kind, wenn das Eigenheim gebaut ist,enn der Arbeitsplatz auf Dauer gesichert ist und wennie ersten drei Kinderbetreuungsjahre en détail geregeltind. Sie sagte weiter: Wenn sie die Erfüllung all dieseroraussetzungen verlangt hätte, dann wäre keines ihrerrei Kinder zur Welt gekommen. Ich finde, damit hat sietwas sehr Kluges gesagt. Sie hat nämlich Recht: Denut zum Kind muss jeder selbst aufbringen. Politikann nur die Rahmenbedingungen so setzen, dass nichtu viel Mut dafür vonnöten ist.
Familienpolitik in engerem Sinne ist dafür natürlichichtig, aber nicht allein entscheidend. Die Entschei-ung für oder gegen die Erfüllung des Kinderwunschesängt zum Beispiel genauso davon ab, ob man sicherein kann, im nächsten Jahr noch einen Arbeitsplatz zuaben. Deshalb ist gute Wirtschaftspolitik eben auchute Familienpolitik.
Meine Damen und Herren, wir müssen auch klar er-ennen: Manchmal reicht es eben nicht aus, wenn dieolitik nur Rahmenbedingungen setzt. Manchmal muss das sage ich ganz bewusst auch zu meinen Kollegenon der FDP – die Politik bzw. der Staat auch eingreifen.
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Dr. Ole SchröderDamit komme ich zu der Debatte, die der SPD-Vorsit-zende Kurt Beck mit seinen Äußerungen zu der von ihmso bezeichneten Unterschicht ausgelöst hat.
Leider flammen solche Diskussionen immer nur kurz aufund ebben trotz der politischen Brisanz dann wieder ab.Was ist das Entscheidende an dieser Diskussion für dieFamilienpolitik? In der Vergangenheit wurde viel zuhäufig geglaubt, dass die soziale Ausgrenzung ein Pro-blem sei, das durch die Höhe der Sozialtransfers gelöstwerden könne. Meine Damen und Herren, nur mit hohenSozialtransfers holen wir die Menschen nicht aus dergesellschaftlichen Randlage heraus. Darüber müssen wiruns im Klaren sein. Das Problem vieler Kinder ist diemangelnde Erziehungsfähigkeit der Eltern. Die Folgeist: Immer mehr Fälle von häuslicher Gewalt und Ver-wahrlosung werden bekannt und die Bildungschancenvon Kindern hängen immer noch maßgeblich von dersozialen Herkunft der Eltern ab. Hier ist Familienpolitikgefordert.Das Wichtigste ist: Wir dürfen nicht wegschauen.Vielfach können wir schon mit beratender Unterstützungden Eltern und Kindern viel Hilfe zukommen lassen.Wichtig ist, dass diese Problemfälle aus der Isolation he-rausgeholt werden. Mit dem Aktionsprogramm „FrüheHilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarn-systeme“ ist unsere Koalition dabei, die Bildung von lo-kalen Netzwerken zu unterstützen. Dieses Programmwird dazu beitragen, den Schutz von Kindern inDeutschland konsequent zu verbessern. Von besondererBedeutung ist dabei die Verzahnung der Gesundheitssys-teme mit der Kinder- und Jugendhilfe vor Ort. Natürlichist das zunächst einmal Aufgabe der Kommunen und derLänder. Aber dem Bund kommt selbstverständlich dieAufgabe zu, die Erfahrungen aus diesen Modellprojek-ten zu bündeln und dafür zu sorgen, dass die Kommunenund die Länder auf der Grundlage dieser Erfahrungenvor Ort konkret politisch tätig werden und ein flächende-ckendes System aufbauen können.
Wir haben im Haushalt 2006 schon erste Mittel dafür be-reitgestellt und jetzt im Haushalt 2007 im Kinder- undJugendplan dafür 2 Millionen Euro vorgesehen. FrauMinisterin von der Leyen, ich begrüße ganz ausdrück-lich, dass Sie dies auf den Weg gebracht haben und dasjetzt konsequent weiter verfolgen.Meine Damen und Herren, im Zentrum unserer Fami-lienpolitik stehen die genannten zwei Ziele: höhere Ge-burtenraten und bessere Bedingungen und Entwick-lungsmöglichkeiten für Kinder. Wenn wir uns die Höheder Ausgaben für familienpolitische Leistungen iminternationalen Bereich ansehen, dann stellen wir fest,dass wir ganz oben stehen. Wir erreichen unsere Zieleaber nur mangelhaft. Es ist und bleibt daher unsere Auf-gabe, zu überprüfen, ob wir weiterhin 50 unterschiedli-che monetäre Leistungen anbieten müssen. All dieseLeistungen müssen ja beantragt, überprüft und ausge-zahlt werden. Welchen Aufwand das bedeutet, könnenwutkdgndMdkueFdgghdtbFEEdfmßeaZphdgHsdgdAdvisl
ann sehen wir, dass es sich hier um ein bürokratischesonstrum handelt, das wir dringend verändern müssen,amit das Geld wirklich bei den Kindern und Eltern an-ommt
nd nicht in der Förderbürokratie versickert. Es ist schoninigermaßen absurd, dass uns hier jetzt ein Antrag derraktion Die Linke ins Haus flattert, nach dem geradeieses ineffiziente Förderinstrument um Milliarden auf-estockt werden soll, ohne dass hierfür irgendeine Ge-enfinanzierung vorgesehen wäre.
Meine Damen und Herren, wir müssen mit den Haus-altsmitteln effizienter umgehen. Es ist daher richtig,ass die Familienministerin eine Evaluierung in Auf-rag gegeben hat, damit wir die einzelnen Förderartenündeln können, sodass das Geld bei den Kindern undamilien ankommt.Ein zweiter zentraler Aufgabenbereich in unsereminzelplan hängt mit dem Aspekt der demografischenntwicklung zusammen:
ie Politik für immer mehr ältere Menschen. Wenn heuteast jeder dritte Mann und jede dritte Frau keine Kinderehr bekommen, entstehen dadurch natürlich auch grö-ere Herausforderungen für die Seniorenpolitik. Dennines ist klar: Ebenso wie die Eltern im Zentrum der Ver-ntwortung für die Kinder stehen, stehen die Kinder imentrum der Verantwortung für die Eltern. Es ist daherositiv, dass wir mit dem Projekt „Mehrgenerationen-äuser“ offene Tagestreffpunkte schaffen, in denen sichie Generationen selbstverständlich begegnen und sichegenseitig helfen können. Wir haben die Mittel imaushalt 2007 in Höhe von 20,5 Millionen Euro einge-tellt.Meine Damen und Herren, die mittelfristige Konsoli-ierung des Einzelplans 17 bringen wir mit der seit lan-em diskutierten Umsetzung der Schließung von Zivil-ienstschulen voran.
usgehend von den aktuellen Dienstantrittszahlen undem Bettenüberhang von circa 12 000 ist die Schließungon Zivildienstschulen haushaltspolitisch notwendig. Esst dringend erforderlich, dass wir auch hier eine Anpas-ung vornehmen. Wir haben jetzt im Ausschuss nachangen Diskussionen Nägel mit Köpfen gemacht
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Dr. Ole Schröder
und werden dafür sorgen, dass bis zum April 2007 eineEntscheidung über die Schließung von drei Zivildienst-schulen erfolgt.Wir begrüßen es ausdrücklich, wenn im Rahmen derUmsetzung des Konzeptes „Zivildienst als Lern-dienst“ das Lernen der Zivildienstleistenden in ihrenDienststellen gestärkt wird. Zum Beispiel ist es eine guteIdee, wenn angehende Altenpfleger ihre Zivildienstzeitin einer Altenpflegeeinrichtung auf ihre Ausbildungszeitangerechnet bekommen, insbesondere wenn ihnen durchihre Dienststelle eine entsprechende Qualifizierung ge-boten wird.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Lenke?
Bitte schön.
Frau Humme, die Sitzungsleitung bestimmt das, nicht
Sie.
Herr Schröder, wir als FDP sind immer für die Über-
prüfung, auch in der Frage, ob wir zu viele oder zu we-
nige Zivildienstschulen haben. Aber finden Sie es richtig
– vielleicht sind Sie auch nicht informiert –, die Modell-
vorhaben in den Zivildienstschulen zu der Frage, wie der
Zivildienst zum Lerndienst entwickelt werden kann,
nicht zu Ende laufen zu lassen und nicht zu evaluieren?
Erst danach könnte doch festgelegt werden, welche
Schulen geschlossen werden. Ich frage Sie, wieso Sie da
überhaupt nicht zielgerichtet sind und der Haushaltsaus-
schuss letztendlich das Ministerium im Regen stehen
lässt.
Vielen Dank für Ihre Frage. Dazu möchte ich zwei
Anmerkungen machen. Punkt eins. Wir sind nicht der
Auffassung, dass das neue Konzept „Zivildienst als
Lerndienst“ dazu führen wird, dass wir mehr Kapazitä-
ten in den Zivildienstschulen benötigen.
Wie ich eben zum Ausdruck gebracht habe, sind wir der
Meinung, dass dieses Lernen vor allen Dingen an die
Dienststellen angebunden werden soll. Denn dort wer-
den die Zivildienstleistenden gebraucht; dort machen sie
die wichtigen Erfahrungen, die durch den Lerndienst
noch verstärkt werden sollen und die vor allem für die
Zeit nach dem Zivildienst nutzbar gemacht werden sol-
len.
Punkt zwei. Es ist erstaunlich, dass gerade die FDP
sich jetzt Gedanken über einzelne Zivildienstschulen
macht.
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Um eine effektive und transparente Politik für Fami-
ien, Senioren, Frauen und Jugend zu erreichen, hat die
egierung wichtige Schritte eingeleitet. Mir als Haus-
älter geht es insbesondere darum, dass die zur Verfü-
ung stehenden Haushaltsmittel effizient eingesetzt
erden. Auch hierfür sind die notwendigen Schritte ein-
eleitet worden.
Wir von der CDU/CSU-Fraktion unterstützen die Mi-
isterin ausdrücklich in ihren Bemühungen. Wir denken,
ass wir mit diesem Einzelplan einen ganz wichtigen
chritt in die richtige Richtung gemacht haben.
Das Wort hat nun die Kollegin Diana Golze für die
raktion Die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen underren! Staunen Sie ruhig: Ich beginne mit einem Lobn die große Koalition.
enn zwischen der ersten und der zweiten Lesung wur-en – das soll es wirklich geben – im Kinder- und Ju-endplan die Mittel für die Freiwilligendienste und fürie Jugendverbandsarbeit sichtbar angehoben. DieseMillionen Euro im Bundeshaushalt 2007 sind gut an-elegtes Geld. Ihre Bereitstellung findet die volle Unter-tützung der Linken.
Auch die gleich bleibende Höhe des Zuschusses füras neue Programm gegen Rechtsextremismus istositiv zu bewerten, gerade auch deshalb, weil es durch-us schon Hiobsbotschaften aus Ihrem Ministerium gab.ie zusätzlichen Mittel in Höhe von 5 Millionen Euroür Beratungsnetzwerke gegen rechts betrachte ich alsugeständnis an hartnäckigen Druck aus Verbänden, Ini-iativen und der Opposition.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 21. November 2006 6445
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Diana GolzeIhnen liegt übrigens ein Antrag der Linken aus demFrühjahr mit identischen Forderungen bald zur Abstim-mung vor. Es ist nur paradox, dass Sie ihn sicherlich ab-lehnen werden, obwohl Sie ihn heute praktisch schon be-schließen.
Alles in allem gibt es leider nicht oft Grund, das Ju-gendministerium zu loben. Dies sind nur kurze Licht-blicke am sonst eher dunklen Himmel der bundesrepu-blikanischen Kinder-, Jugend- und Familienpolitik. DasBeste, was Kinder und Eltern von SPD und Union nocherwarten können, ist die Linke-Tasche-rechte-Tasche-Politik, wie sie in den letzten Tagen einmal mehr disku-tiert wurde. Aber eine Regierung, die nach dem absurdenMotto „Kinder kriegen mehr! Aber sie sollen es gefäl-ligst selbst bezahlen!“ verfährt, darf sich nicht wundern,wenn ihr das Volk davonläuft. Denn im Regelfall arbei-ten Sie fleißig an der Verschärfung der alltäglichenNöte der Menschen im Lande. Besonders Familiengreifen Sie mit der Mehrwertsteuererhöhung in die Ta-sche.
Das Kindergeld ist seit sechs Jahren nicht erhöhtworden. Real wurde es also um 10 Prozent gekürzt. Nunwird bei Ihnen auch noch über ein weiteres Einfrierendebattiert. Jugendlichen bis 25 verbieten Sie, von zuHause auszuziehen, wenn sie arbeitslos sind. Statt Aus-bildungsplätze halten Sie 1-Euro-Jobs bereit und in derFerne winkt bestenfalls die mickrige Rente mit 67.Transparenz gegenüber dem Parlament ist imHause von der Leyen ein Fremdwort. Das gilt zum einenfür das neue Bundesprogramm gegen Rechtsextremis-mus, dessen Details mit dem Ausschuss bis zur gestrigenAnhörung nicht diskutiert wurden. Eine Programm-homepage wurde ohne Ankündigung gestartet. Leit-linien wurden online gestellt, ohne die Fachpolitiker zuinformieren.Wir haben in der Anhörung drastische Kritik am In-formationsmanagement des Von-der-Leyen-Ministeriumsgehört. So hat zum Beispiel der Sebnitzer BürgermeisterMike Ruckh berichtet, dass er bis jetzt nicht in die Pla-nungen für das neue Bundesprogramm, das in einemMonat auch in seinem Landkreis starten soll, einbezogenwurde.
Wir haben, so glaube ich, eine Scheinanhörung erlebt,weil bereits alle wichtigen Entscheidungen unter Aus-schluss der Öffentlichkeit getroffen worden sind. Wenndas Ihr Demokratieverständnis ist, dann gute Nacht.Transparenz habe ich auch an einer anderen Stellesehr vermisst. Der Haushaltsausschuss hat – allein gegendie Stimmen der Linken – die Schließung von Zivil-dienstschulen beschlossen.
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Ich fordere einen neuen Pakt für die Jugend, denund, Länder und Kommunen, aber auch die Beteiligtenn Verbänden, Trägern und ihren Dachvereinigungenchließen müssen. Wir legen Ihnen heute einen Ände-ungsantrag zum Einzelplan 17 vor, der den Startschussür diesen Pakt markieren kann. Wir schlagen vor, dasser Bund – vorerst für drei Jahre – einen mit 50 Millio-en Euro gefüllten Sonderfonds „Jugendarbeit“ einrich-et. Er macht Ländern und Kommunen ein Angebot; erimmt sie aber auch in die Pflicht. Auch die Höhe desonds ist nicht aus der Luft gegriffen. Die Summe aus
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Diana Golzeden 50 Millionen Euro des Bundes und einem gleich ho-hen Zuschuss von Ländern und Kommunen würde dierealen Kürzungen seit dem Jahr 2000 kompensieren.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein Wortzum Kindeswohl sagen. Auch hier könnte dieser Fondspositive Synergieeffekte haben. Starke und verlässlicheAngebote der Jugendarbeit erreichen gefährdete Kinderund Jugendliche in besonderem Maße, weil die Zu-gangsschwellen niedrig sind und weil die Kinder und Ju-gendlichen oft Zuflucht und Schutz finden. Ein wirksa-mer Kinderschutz hängt eben auch maßgeblich voneiner starken Jugendarbeit ab. Sie nimmt in den ange-strebten Netzwerken zwischen Kitas, Schulen, Jugend-ämtern, Ärzten usw. eine wichtige Rolle, wenn nicht dieSchlüsselrolle ein.
Ich bitte Sie – die anderen Oppositionsparteien einge-schlossen – um eines: Singen Sie nicht wieder das abge-droschene Lied von nicht vorhandenem Geld! Sie wissenso gut wie ich: Es ist da. Sie verschleudern es nur zumBeispiel für ein völlig überflüssiges neues Programm zurangeblichen Terrorismusbekämpfung. Die Zukunft die-ses Landes liegt nicht in mehr Überwachungskameras.Wenn Sie stattdessen in die Jugend investieren, brauchenSie diese Kameras vielleicht irgendwann nicht mehr.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Frank Schmidt
für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sicherlich kann man sich, wenn man eine etwas einge-
schränkte Sicht auf das Land hat, in Jammern ergehen.
Aber wenn man den Einzelplan 17 des Bundeshaushal-
tes 2007 betrachtet, kommt man zu dem Ergebnis, dass
der heutige Tag der zweiten Lesung eines Entwurfes des
Haushaltsgesetzes 2007 im Deutschen Bundestag ein gu-
ter Tag für die Familienpolitik ist. Denn wir haben in
diesem Etat einen eindeutigen Aufwuchs vorgesehen.
Das ist zu begrüßen und positiv für die Familien in unse-
rem Land.
Das Finanzvolumen steigt auf 5,25 Milliarden Euro.
Dies stellt einen Rekord dar. Es ist ein Zuwachs von
16,2 Prozent. Das bedeutet auch 16,2 Prozent mehr an
Leistungen für Familien, Kinder, Jugendliche, für die
Gleichstellung, für Ältere und das ehrenamtliche
Engagement. Das ist eine bewusste, richtungsweisende
und gute Entscheidung dieser großen Koalition im Deut-
schen Bundestag.
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Jetzt können Sie Ihre Frage stellen.
Frau Kollegin, bitte sehr.
Das ist sehr freundlich von Ihnen. – Auch ich habe einutes Beispiel. Wenn Vater und Mutter im ersten Jahr, inem es Elterngeld gibt, das Kind gemeinsam betreuenollen, dann wird das Elterngeld nur für sieben Monateezahlt. Das wissen Sie. Warum ist das so?
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Frau Kollegin Lenke, der Bundesrechnungshof hatgefordert, das Elterngeld bei denjenigen, die Transfer-leistungen erhalten, voll und ganz auf die Transferleis-tungen anzurechnen. Die FDP hat keinen einzigen An-trag dazu eingebracht, wie man die Situation derTransferleistungsempfänger verbessern kann. Sie hat-ten dazu keine eigenen Ideen. Daher sollten Sie hierganz ruhig sein und keine Beispielrechnungen anführen;denn wir haben das Elterngeld verbessert, wir haben dieStandards verbessert, nicht Sie.
Fakt ist: Wenn man bisher 1 834 Euro brutto im Mo-nat verdiente, erhielt man nach der alten Regelung nursechs Monate lang Erziehungsgeld. Jetzt erhalten alle abdieser Einkommensgrenze zwölf oder sogar 14 Monatelang Elterngeld und diejenigen, die darunter verdienen– hier wurde eine Klausel eingefügt –, erhalten noch ei-nen Zuschlag. Besser und gerechter kann man es nichtmachen. Das ist eine große Leistung dieser Koalitionund darauf können wir stolz sein!
Gleichzeitig wird das Elterngeld noch etwas bewir-ken: Die Betreuung für unter Dreijährige wird we-sentlich schneller ausgebaut, als wir bisher vermuten.Der Druck wird steigen.
Sie müssen die Kommunalpolitiker fragen, Frau Lenke.Diese könnten Ihnen Antworten geben. Ich bin seit20 Jahren Kommunalpolitiker und weiß, wie der Drucksteigt.
Die Nachfrage steigt jetzt schon. Immer mehr Kinder-gärten werden altersübergreifende Gruppen einrichten,es werden neue Kitas eingerichtet, weil Antworten ge-funden werden müssen. Die richtigen Antworten werdenauch gegeben.Ich bin sicher, dass die Platzzahlen, die wir beim Ta-gesbetreuungsausbaugesetz anvisiert haben, viel schnel-ler erreicht werden, als wir bisher dachten. Auch das isteine positive Entwicklung. Hier müssen wir den Bundes-ländern danken, die das unterstützen. Rheinland-Pfalzbeispielsweise leistet hier Hervorragendes.
Man sollte hervorheben, dass durch das Elterngeldund die sich anschließende Kinderbetreuung die Verein-barkeit von Familie und Beruf verbessert wird. Schrittfür Schritt setzt die Koalition dieses Ziel um. Wir redennicht, wir handeln, und das auch solide finanziert.Wir müssen nicht Anträge einbringen, wie das geradedie ganz linke Seite dieses Hauses getan hat. Sie wollenmal soeben mit 3,5 Milliarden Euro für das eine oder an-dere aufwarten. Liebe Frau Kollegin Golze, Sie solltenedSDlmEgtmasgvtEsMlKmiIAEAKSDrzbsbkefktnsB
ngesichts dessen kann jedoch niemand sagen, dass dieommunen und Verbände so etwas ablehnen würden.ie haben erkannt, dass es ein richtiges Programm ist.eswegen ein Dankeschön an dieser Stelle. Das war derichtige Weg.
Da wir – Gott sei Dank – immer älter werden, gleich-eitig aber immer weniger Kinder geboren werden,raucht es ein enges und direktes Miteinander, um ge-ellschaftliche Probleme zu überwinden und Trennendeseiseite zu räumen. Das muss die Konzeption der Zu-unft sein. Diese Mehrgenerationenhäuser, von denen jeins pro Landkreis errichtet wird, können ein Beispielür andere Kommunen geben. Auch dies ist eine zu-unftsweisende Entscheidung dieser Koalition, die rich-ig ist und weiter unterstützt werden sollte.
Weil Frau Lenke das vorhin erwähnt hat, möchte ichoch etwas zur Zukunft des Zivildienstes sagen: Esteht in keinem Fall im Widerspruch, dass wir in diesenundeshaushalt extra einen Haushaltstitel eingefügt
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Dr. Frank Schmidthaben, um den Zivildienst als Lerndienst voranzubrin-gen, und gleichzeitig mit beschlossen haben, dass sichdie Bettenkapazitäten der Zivildienstschulen am Bedarforientieren und dass gegebenenfalls einige Schulen ge-schlossen werden müssen. Ich weiß, dass Sie selber ei-nen Antrag eingebracht haben, liebe Frau KolleginLenke. Er ist heute Mittag um 12 Uhr eingegangen, so-dass ihn nicht alle rechtzeitig bekommen haben. In demfordern Sie, im nächsten Jahr zwei Zivildienstschulendicht zu machen, keine Übergangszeit zu gewähren und2008 eine weitere Schule dicht zu machen.
Das ist Inhalt Ihres Antrags, der heute eingegangen ist.Damit wären Sie schneller als wir. Wir machen es sozial-verträglich und richtig mit einer ordentlichen Evaluie-rung. Das, was Sie hier dazu sagen, entspricht nicht demInhalt Ihres eigenen Antrags.
Klar und unmissverständlich bekennt sich die Koali-tion zum Kampf gegen Rechtsextremismus.
Die 2006 auslaufenden Programme „CIVITAS“ und„ENTIMON“ werden 2007 in gleicher Größenordnungneu aufgelegt. Bestehende Einrichtungen können sichmithilfe des Ministeriums auf die neue Programmstruk-tur bewerben und erhalten so schnell eine Anschluss-finanzierung. Uns wurde vorgeworfen, das ginge nicht.Wir machen es! Wir sorgen dafür, dass das geschieht,und andere reden nur darüber.
Zusätzlich werden 5 Millionen Euro dauerhaft für Be-ratungsnetzwerke bereitgestellt, die sicherstellen, dassdie erfolgreichen Opferberatungsstellen und mobilenBeratungsteams nun in ganz Deutschland denjenigenhelfen, die dringend Hilfe gegen rechts brauchen. Wirdürfen unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger hier nichtallein lassen. Die Polizei allein kann es nicht richten.Wir brauchen die Erfahrung, die hier in der gesamtenBundesrepublik Deutschland gesammelt wurde. Dasstellen wir hiermit sicher.
Damit stehen im Haushalt 2007 insgesamt 24 Millio-nen Euro für den Kampf gegen rechts bereit. Noch voreinem halben Jahr haben viele geglaubt, das sei etwas,was wir nie hinbekommen würden, und glaubten, unsVorwürfe machen zu müssen. Alle Zweifler und Nörglerwurden eines Besseren belehrt, auch wenn Zwischenrufehier und da das Gegenteil beweisen sollen. Diese kom-men von Zweiflern und Nörglern, die glaubten, wir wür-den es nicht schaffen. Diese Koalition steht entschiedenfür den Kampf gegen rechts. Wir werden alles dafür tun,dass der Rechtsstaat gegen Rechtsextremismus, Frem-dDtLdatzemlwdRa2bsFtmkgavEnFDp2cWbmnigDEK
Nun hat das Wort die Kollegin Ekin Deligöz für die
raktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!er von dieser Koalition häufig beschworene familien-olitische Aufbruch ist zumindest im Haushaltsplan007 nicht zu erkennen. Auch wenn Sie in den öffentli-hen politischen Debatten glänzen – das hat die letzteoche wieder einmal gezeigt –, kann man diesen Auf-ruch, wenn man sich konkret anschaut, was Sie ge-acht haben,
icht erkennen. So lassen sich die Haushaltszahlen nichtnterpretieren.Ein paar konkrete Beispiele. Herr Schröder, Sie habenesagt, der Kinderzuschlag sei ein gutes Instrument.amit haben Sie Recht. Wir reden immer über prekäreinkommenssituationen, über Familienarmut und überinderarmut. Wenn Sie aber einsehen, dass der Kinder-
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Ekin Deligözzuschlag ein gutes Instrument ist, warum lassen Sie dienotwendige Weiterentwicklung dann zu einer peinlichenHängepartie werden? Warum haben Sie keine konkretenVerbesserungsvorschläge? Sie sagen, das Instrument seizu bürokratisch. Warum ändern Sie das dann nicht? Wa-rum verschweigen Sie das Ganze?
Vor lauter Selbstbeschäftigung gehen bei Ihnen vonder Koalition die Maßstäbe verloren. Sie wollen Fami-lienpolitik zu einem Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft machen. Das finde ich gut. Die gro-ßen Beiträge Deutschlands sollen die „Allianz für dieFamilie“ und die Mehrgenerationenhäuser sein. Ichfinde, an diesem Punkt überschätzen Sie Ihre Arbeit einbisschen. „Allianz für die Familie“ bedeutet Öffentlich-keitsarbeit für Familien. Das ist notwendig und gut fürDeutschland; womöglich ist das wichtig. Glauben Sieaber wirklich, dass ganz Europa darauf gewartet hat,dass wir diesen Vorschlag unterbreiten und zeigen, dasswir für Familien gute Öffentlichkeitsarbeit machen?Glauben Sie wirklich, dass Mehrgenerationenhäuser inDeutschland so überzeugend sind, dass man damit inter-national aufwarten kann, ohne eine einzige Evaluationim Inland dazu durchgeführt zu haben, ohne zu wissen,welche Effekte dieses Instrument hat?
Wenn wir etwas in der Öffentlichkeit thematisieren soll-ten, dann das Phänomen, dass wir vom Ausland lernenkönnen, wie wichtig Frühförderung und Infrastrukturals Instrumente der Chancengleichheit sind. Das könnenwir von Europa lernen.Wenn es um die konkrete Umsetzung Ihrer Modellegeht, geraten Sie in eine langwierige und holprige De-batte.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Fischbach?
Ja.
Sehr geehrte Frau Kollegin Deligöz, ich erinnere
mich, dass Deutschland 1999 unter Rot-Grün die Rats-
präsidentschaft innehatte. Können Sie kurz deutlich ma-
chen, welche Schwerpunkte Sie während dieser Ratsprä-
sidentschaft in der Familienpolitik in Europa nach vorne
gebracht haben?
Frau Fischbach, wir haben nicht von Familienpolitik,sondern von Chancengleichheit und Chancengerechtig-kmuLdgükaalidsfLDdKKGnZn–dvdenmswdFssDlDDDPtid
Ich komme noch einmal zur konkreten Umsetzung.ie Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten fin-en Sie ganz toll. Inzwischen wissen wir aber, dass dieommunen gerade dabei sind, die Elternbeiträge für dieindergärten zu erhöhen. Die Kommunen holen sich daseld über die Elternbeiträge und sagen: Der Bund über-immt die Kosten ja sowieso über die Absetzbarkeit.ahlen müssen dafür die Eltern.Die Entstehung des Elterngeldes war langwierig; aberichtsdestotrotz haben wir sie kritisch, konstruktiv undwenn Sie es so haben wollen, Herr Schmidt – mit Än-erungsanträgen begleitet. Eines können Sie doch nichterhehlen: Das beste Elterngeld wird scheitern, wenner Wiedereinstieg in den Beruf nicht möglich ist, weils an Betreuungsplätzen mangelt, weil in Deutschlandicht genügend Kinderkrippenplätze vorhanden sind.
Wenn Sie sagen, die Eltern müssten halt ein bisschenehr Druck ausüben, damit Kinderbetreuung bereit ge-tellt wird, verkennen Sie die Realität. Erst letzte Wocheurde eine Studie veröffentlicht, nach der 86 Prozenter Eltern sagen, die Vereinbarkeit von Beruf undamilie sei in Deutschland zurzeit sehr schwierig umzu-etzen. In diesem Zusammenhang bedeutet das, was Sieagen: Daran sind sie selber schuld. Würden sie mehrruck ausüben, dann könnten sie das Problemösen. – Sie lassen die Eltern im Stich.
as ist Ihre Art, Politik zu machen. Sie sagen einfach:ie Eltern sind selber schuld, wenn sie es schwer haben.arum brauche ich mich ja nicht zu kümmern. – Dieseolitik ist verlogen. Gerade die Diskussion in Ihrer Par-ei zeigt, wie wichtig die Debatte über die Infrastrukturst. Denn sonst würden Sie zurzeit nicht so viel Wirbelarum machen.
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Ekin DeligözApropos Wirbel, ich glaube ohnehin, dass Sie bei derDiskussion über die Absetzbarkeit von Kinderbetreu-ungskosten und kostenlose Kindergärten viel Parteipoli-tik und ziemlich wenig Fachpolitik machen. Sie wollensich parteipolitisch profilieren. Das klingt alles ganz gut.Was sinnvoll und machbar ist, wollen Sie aber gar nichtsehen; das ist für Sie nachrangig.Der Finanzminister hat das Verhältnis von Transfer-und Infrastrukturleistungen zu Recht aufgegriffen. Wirbrauchen mehr Investitionen in die Infrastruktur. Denndrei Dinge stehen fest:Erstens. Familientransfers sind in Deutschland wenigeffektiv.Zweitens. Wir brauchen Qualität und Quantität beiden Betreuungs- und Bildungseinrichtungen.Drittens. Zusätzliche Mittel sind im Moment schweraufzubringen.
Statt etwas Konkretes zu unternehmen, reden Sie übervirtuelle, nicht existierende Mittel. Wir haben Ihnen ei-nen ganz konkreten Vorschlag gemacht: Nehmen Sie dasEhegattensplitting. Es hat den Vorteil, dass die Mitteldafür schon existieren. Sie sind vorhanden und nicht nurvirtuell. Vor allem dienen sie derzeit dazu, die Ehe zufördern. Schichten Sie das vorhandene Geld in Richtungdirekter Kinderförderung um! Dann können Sie damitetwas Konkretes erreichen und müssen keine Geisterde-batten führen. Sie könnten mit dem Geld übrigens auchbewirken, dass man in Deutschland einen Rechtsan-spruch auf Kinderbetreuung für unter Dreijährige be-kommt. Wir, die Grünen, haben mit der Kinderbetreu-ungskarte einen Vorschlag gemacht. Dieser ist konkretund verfassungsrechtlich möglich. Den können Sie so-fort umsetzen. Warum tun Sie es nicht?
Sie kündigen Beitragsfreiheit für Kindergärten an.Dabei waren die Fachpolitiker unter Ihnen im Familien-ausschuss anwesend, als Professor Rauschenbach gesagthat, dass gerade Beiträge in der Debatte über die Inan-spruchnahme der Kinderbetreuung nachrangig sind undüberhaupt nicht zu Chancengleichheit führen, weilHaushalte mit geringen Einkommen und Hartz-IV-Emp-fänger ohnehin keine oder kaum Beiträge in den Kinder-gärten zahlen, und dass wir stattdessen Qualität in denEinrichtungen brauchen. Wir brauchen auch Quantität,weil die größten Defizite – das zeigt Ihnen die Debatteüber das TAG – in der frühkindlichen Förderung, in denKinderkrippen und in den Ganztagseinrichtungen beste-hen.
Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land wollenkonkrete Lösungen. Diese konkreten Lösungen liegenauf der Hand. Unsere Kinderbetreuungskarte ist eineAntwort darauf. Die Frage ist, ob es Ihnen gelingenwird, bei all den ganzen Sonntagsreden, die Sie zurzeitin den Medien halten, etwas Konkretes zu leisten.SMrFihjnESvnFmSnkouesVdzzenJslgdgltzmkekww
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin füramilie, Senioren, Frauen und Jugend:Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Jahrst die große Koalition im Amt. Ein Jahr Familienpolitikat etwas bewegt. Mit dem Einzelplan 17 wollen wiretzt die Grundlage dafür schaffen, dass wir auch imächsten Jahr erfolgreich handeln können. In dieseminzelplan sind die eigenständigen Politikfelder Familie,enioren, Jugend und Frauen eng miteinander verwoben.Wenn man es genau nimmt, ist es so, dass man keineollständige Familienpolitik machen kann, wenn manicht gleichzeitig die Gleichstellung von Männern undrauen berücksichtigt. Man kann keine vollständige Fa-ilienpolitik machen, wenn man sich nicht auch mit derituation von Älteren und Hochbetagten beschäftigt, ih-en Perspektiven aufzeigt bzw. Fürsorge gewährt. Manann auch keine vollständige Familienpolitik machen,hne den Heranwachsenden Chancen auf frühe Bildungnd Erziehung zu geben.Deshalb haben wir im Haushalt für das Jahr 2007rstmals die Titel für Familien-, Senioren- und Gleich-tellungspolitik zusammengelegt. Das ist eine formaleereinfachung. Aber es ist auch ein Zeichen, dass es unsarum geht, übergreifend zu handeln, Zusammenhängeu berücksichtigen und alle Generationen in den Blicku nehmen.Herr Fricke, ich war ein wenig erstaunt, als Sie mirben vorgeschlagen haben, eine Art stellvertretende Fi-anzministerin zu werden und den Kindern in einigenahren zu sagen, dass die Schulden begrenzt wordenind. Was die Zielrichtung angeht, stimme ich Ihnen völ-ig zu: Die Schulden müssen begrenzt werden. Aber an-esichts knapper Ressourcen und aufgrund der Tatsache,ass es unendlich viele Interessengruppen und Themenibt, um die gerungen wird, ist meine Aufgabe als Fami-ienministerin doch nicht, mich hinter den Finanzminis-er zu stellen. Meine Aufgabe ist vielmehr, eine Brescheu schlagen, damit trotz knapper Ressourcen dennochöglichst viel für die Familien getan wird. Ich will alsoeine zweitklassige Finanzministerin sein, sondern einerstklassige Familienministerin.
Deshalb ist es nur folgerichtig, dass die Mittel, die imommenden Jahr für den Einzelplan 17 veranschlagterden, im Vergleich zum abgelaufenen Jahr erhöhterden. Es ist schon mehrfach erwähnt worden, dass wir
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Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyenstatt der 4,5 Milliarden Euro nun 5,2 Milliarden Euro fürdas Jahr 2007 vorgesehen haben; das ist primär auf dasElterngeld zurückzuführen.Frau Deligöz, an dieser Stelle komme ich auf Ihre Be-merkungen zur EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands zusprechen. Zunächst einmal Folgendes: Mein Verständnisder deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist nicht, dass wirdie anderen Länder bevormunden bzw. ihnen zeigensollten, was wir besser können als sie. Unsere Aufgabeist vielmehr, im Rahmen unserer Präsidentschaft Ideenund Erfahrungen zusammenzuführen. Die „EuropäischeAllianz für die Familien“ hat genau dieses Ziel: inEuropa voneinander zu lernen. Denn aufgrund des de-mografischen Wandels haben wir keine Zeit mehr,Versuche durchzuführen und nach dem Prinzip „trial anderror“ zu lernen.Zum Beispiel haben wir etwas über das Thema El-terngeld gelernt. Das hat dazu geführt, dass wir es inDeutschland eingeführt haben. Ebenso können wir imHinblick auf die Kinderbetreuung und die frühkindlicheFörderung lernen. Es geht um die Frage: Wie ist dieserBereich in anderen Ländern organisiert? In England bei-spielsweise wird er relativ stark privat finanziert, in denskandinavischen Ländern relativ stark staatlich.Eine „Europäische Allianz für Familien“ zu bilden,bedeutet auch, ein Informationsnetzwerk und einen For-schungsverbund zum Thema demografischer Wandelins Leben zu rufen; denn der europäische Kontinent wirdmit diesem Problem am meisten konfrontiert sein. Dassdiese Absicht richtig ist, zeigt sich schon an der Tatsa-che, dass wir inzwischen sowohl die Unterstützung desSozialkommissars Spidla als auch die Unterstützung vonHerrn Verheugen haben. Wir haben zwischen den unter-schiedlichen Interessen und Ansätzen dieser beidenKommissare, die für verschiedene Themen verantwort-lich sind, ein großes Band gespannt.Es ist selbstverständlich, dass wir im Rahmen der vor-handenen Best-Practice-Modelle auch das Thema Mehr-generationenhäuser berücksichtigen. Wenn man sichdie Zahlen für Europa anschaut, sieht man, dass gegen-über heute, wo 460 Millionen Menschen in Europa le-ben, bis 2050 10 Millionen weniger in Eu-ropa lebenwerden. Das ist nicht weiter dramatisch. Aber zugleichwird es dann 50 Millionen Menschen im Erwerbstäti-genalter weniger geben als heute, während sich die An-zahl der über 80-Jährigen bis dahin verdreifachen wird.Als das Land, das wahrscheinlich schon bald die ältesteBevölkerung der Welt haben wird, muss DeutschlandAntworten geben auf den demografischen Wandel. Best-Practice-Beispiele wie die Mehrgenerationenhäuser zuzeigen, verstehe ich als Aufgabe unserer Präsidentschaftim Europäischen Rat.
Deshalb freut es mich, dass das Aktionsprogramm„Mehrgenerationenhäuser“ 2007 erstmals in voller Höhefinanziell umgesetzt wird. Es freut mich auch, dass esgelungen ist, die Mittel für Jugendmaßnahmen aufzusto-cken. Frau Golze, ich habe gestaunt, dass man bei Ihnenv2deAmhdM5VmGdmgadmfEdD„fwlgnbgwLusgsassIZLadgvdhsBd
Lassen Sie mich kurz zum Thema „Zivildienst alserndienst“ Stellung nehmen. Bei diesem Tietel geht esm Kompetenzen. Ich denke – ich habe es mehrfach ge-agt, möchte es aber noch einmal sagen –, meine Auf-abe ist es nicht, über den Wehrdienst zu philosophieren,ondern über den Zivildienst als Zeit, die junge Männerbleisten. Wir sind verantwortlich dafür, dass diese Zeito sinnvoll wie irgend möglich gestaltet wird. Deshalbteht hinter Projekten zu „Zivildienst als Lerndienst“ diedee, dass jungen Männern das, was sie während ihresivildienstes lernen, auch an manch anderer Stelle imeben von Nutzen sein kann, ob im Beruf, ob im Ehren-mt oder in der Familie. Wir wollen deshalb die Zivil-ienstlehrgänge, aber auch die Einarbeitung und Be-leitung in den Dienststellen – die jungen Männererbringen dort ja mehrere Monate – viel stärker am Ge-anken des Lerndienstes ausrichten. Ich denke, es ist einervorragendes Ziel, so etwas zu zertifizieren, damit espäter – gerade bei benachteiligten Jugendlichen – in dererufsausbildung anerkannt werden kann.Ich möchte ganz klar sagen, dass man hier unterschei-en muss. Diese inhaltliche Weiterentwicklung ist völlig
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Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyenunabhängig davon, dass der Haushaltsausschuss uns auf-gefordert hat, in den nächsten Wochen Entscheidungenüber die Schließung von Zivildienstschulen herbeizu-führen. Insgesamt sollen nach 2008 drei Standorte be-troffen sein. Die anstehenden Entscheidungen müssennach Sachkriterien getroffen werden. Das Ministeriumarbeitet an den entsprechenden Vorbereitungen und wirddie notwendigen Mitwirkungsverfahren einleiten.Natürlich sind bei den Zivildienstschulen dadurchVerunsicherungen entstanden. Wer die Vorgeschichteaus der vergangenen Legislaturperiode kennt – ich habemir erzählen lassen, dass manch einer oder eine hier imRaum das in der vergangenen Legislaturperiode mit-erlebt hat –, der weiß aber, dass es in erster Linie um denAbbau eines schon jetzt bestehenden Bettenüberhangsgeht. Das heißt, der Zivildienst an sich ist gesichert.Diesbezüglich bleibt es auch bei den Vereinbarungen imKoalitionsvertrag.
Mein Anliegen ist, dass nicht nur die Gesellschaft, son-dern auch die Zivildienstleistenden selbst stärker von ih-rem Dienst profitieren.Damit ist meine Redezeit zu Ende; das heißt, ichkomme auch inhaltlich zu einem Schlusspunkt.Meine Damen und Herren, unsere Gesellschaft wirdälter. Das ist die Grundtatsache des demografischenWandels. Jetzt ist vielleicht der richtige Moment, dassauch ich Ihnen, Herr Fricke, ganz herzlich zum Geburts-tag gratuliere.
– Das war keine Anspielung. Das ist nachher eineSchachtel Pralinen wert.Ich möchte in diesem Zusammenhang auch die Gele-genheit nutzen, mich bei allen Berichterstattern sehrherzlich für die sehr gute Zusammenarbeit zu bedanken.Ich denke, durch diese sehr gute Zusammenarbeit ist esgelungen, den Haushalt auf ganz solide Füße zu stellen,einen Haushalt, durch den für alle Generationen Be-währtes gesichert und gleichzeitig – das ist mir wichtig –neue Akzente gesetzt werden.Vielen Dank.
Nun hat die Kollegin Ina Lenke für die FDP-Fraktion
das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frauvon der Leyen, seit die große Koalition im Amt ist, stei-gen die Belastungen für die Familien rapide an. Beson-di–dsssnmwlantmEgmngtGsdvEsldsrmts1zKdfdkdsHkMc
Sie können so viel lamentieren, wie Sie wollen –; dennas Geld, das den Familien monatlich zur Verfügungteht, geht doch in den Konsum.Sie haben der Erhöhung der Mehrwertsteuer zuge-timmt und gleichzeitig notwendige Reformen unterlas-en. Ich will Ihnen ein Beispiel dafür nennen, nämlichotwendige Anschaffungen für Kinder. Für Pampersüssen zum Beispiel 19 Prozent Mehrwertsteuer gezahlterden, während der Staat beim Kauf von Rennpferdenediglich 7 Prozent verlangt. Wenn Sie für die Familienlso etwas tun wollen, dann fordern Sie von Ihren Fi-anzpolitikern eine Reform hinsichtlich des verringer-en Mehrwertsteuersatzes. Hiermit sollten Sie sich ein-al an Herrn Steinbrück wenden.
2005 erfolgte die Streichung der milliardenschwerenigenheimzulage. Die Bundestagsabgeordneten derroßen Koalition verlangen Verbesserungen für die Fa-ilien hinsichtlich der Altersvorsorge. Bis heute istichts passiert und bis heute hat die große Koalition keineeignetes Mittel dafür gefunden, damit das Hauseigen-um als Altersvorsorge genutzt werden kann.Meine Damen und Herren, ich will ganz kurz auf dieesundheitsreform eingehen. Die Bundesregierung ver-pricht, Steuermittel für Kinder einzusetzen, damit sie iner gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei mit-ersichert werden. Wenn man das tut, dann muss es auchntlastungen für die Kinder in der privaten Krankenver-icherung geben. Ansonsten wäre das verfassungsrecht-ich äußerst bedenklich. Frau Ministerin, ich bitte Sie,ass Sie sich dafür einsetzen. Die Position der FDP istehr klar: Wir wollen, dass für die Kinder in der Bundes-epublik Deutschland nach der Reform keine Beiträgeehr gezahlt werden müssen.Eine weitere Kritik geht direkt an das Familienminis-erium. Bis heute hat Bundeskanzlerin Merkel ihre Zu-age nicht eingehalten, den Städten und Gemeinden,5 Milliarden Euro für den Ausbau von Krippenplät-en zukommen zu lassen. Herr Schmidt, gerade Sie alsommunalpolitiker der SPD sollten dafür sorgen, dassieses Geld fließt.Meine Damen und Herren, es ist gut, dass die Kostenür die Kinderbetreuung als Werbungskosten besser voner Einkommen- und der Lohnsteuer abgesetzt werdenönnen. Diese Koalition sagt aber, dass nur zwei Dritteler beruflich bedingten Kinderbetreuungskosten abge-etzt werden können. Das kann ich nicht nachvollziehen.ierzu ist keine Erklärung gegeben worden. Mir ist be-annt, dass schon Gerichtsverfahren anhängig sind. Dieütter und Väter, die das Gericht anrufen, werden si-herlich Recht bekommen.
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Ina LenkeIch möchte noch kurz auf das Elterngeld eingehen,das ursprünglich als Lohnersatzleistung geplant war. Wirhaben das grundsätzlich unterstützt. Ich möchte aber un-sere Kritik an dem Elterngeldkonzept aufzeigen.Erstens. Gegen massive Bürgerproteste wurde beimElterngeld die Stichtagsregelung zum 1. Januar 2007eingeführt, Herr Schmidt. Das neue Elterngeld wird nurdann gezahlt – das wissen die Leute noch gar nicht –,
wenn das Kind erst im neuen Jahr geboren wird. AlleKinder, die zum Beispiel am 30. oder 31. Dezember die-ses Jahres geboren werden, gehen beim Elterngeld leeraus.Ich war gestern in Sachsen-Anhalt. Es war sehr er-staunlich, welche Antworten mir dort gegeben wurden.Mir wurde gesagt – und das auch noch von Erzieherin-nen –, sie bekämen ab 1. Januar 2007 67 Prozent ihresEinkommens, höchstens aber 1 800 Euro. Von daherwerden die Bürger und Bürgerinnen große Enttäuschun-gen erleben, wenn dieses Geld dann doch nicht fließt.Herr Schmidt, ich habe bereits vorhin gefragt – daraufhaben Sie aber keine Antwort gegeben –,
wie es sich verhält, wenn Vater und Mutter im ersten Le-bensjahr gemeinsam auf das Kind aufpassen wollen.Dann gibt es nach dem Gesetz nur sieben Monate Eltern-geld. Das verschweigen Sie. Auch Frau von der Leyenäußert sich nicht dazu. Dieser Punkt wird einfach bei-seite geschoben und verschwiegen. Das ist unserer Mei-nung nach nicht richtig.
Ich möchte auf die Steuerklasse V zu sprechen kom-men. Im Koalitionsvertrag ist eine Neuregelung derSteuerklassen vereinbart worden. Die Einstufung inSteuerklasse V ist nachteilig für erwerbstätige Frauen.
Das gilt auch für das Elterngeld. Bei einem Bruttogehaltvon 2 000 Euro erhält eine Mutter, die in Steuerklasse Veingestuft ist, 390 Euro monatlich weniger Elterngeld alseine Frau in Lohnsteuerklasse III.
Wenn Sie das nicht selber als sozialpolitische Untat dar-stellen, dann muss es die Opposition tun.Zweitens. Auch die Studierenden und die Auszubil-denden verlieren durch Ihre neuen ElterngeldregelungenGeld.
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ir haben deshalb die Einführung eines Baby-BAföGorgeschlagen, damit Mütter, die BAföG erhalten, nichtn eine Notlage kommen und ihr Studium unterbrechen.Ich habe mir diese Punkte bei einem Besuch im Stu-entenwerk in Dresden vorhalten lassen müssen; aberch konnte auf die große Koalition verweisen. Diese Ent-cheidungen zum Elterngeld müssen Sie noch einmalrüfen und ändern.Ich habe auch zu kritisieren, dass Sie den Kinderzu-chlag bisher nicht abgeschafft, umgewandelt oder ver-ndert haben. Bis November 2005 wurden 660 000 An-räge gestellt; nur 50 000 sind bewilligt worden. Dasähmt die Verwaltung, schafft Verdruss bei den Antrag-tellern und erreicht nicht das selbst gesteckte Ziel, Fa-ilien mit Kindern vor Hartz IV zu bewahren. Dass dashema bei den Abgeordneten von SPD und CDU/CSUicht zur Sprache kommt und dass aus diesen beidenraktionen auch keine Vorschläge kommen, finde ichehr erstaunlich.Lassen Sie mich zum Schluss noch auf den Zivil-ienst zu sprechen kommen. Wir sind dafür, Frau voner Leyen, dass der Zivildienst als Lerndienst ausgestal-et wird.
olange die Wehrpflicht nicht abgeschafft ist, müssenir für Verbesserungen beim Zivildienst sorgen. Das istichtig.
Sie haben aber im Haushaltsausschuss – ich glaube,icht ganz ohne Beteiligung des Familienministeriums –chon jetzt beschlossen, dass drei Zivildienstschulen ge-chlossen werden, obwohl an allen Zivildienstschulenodellversuche laufen, um den Zivildienst als Lern-ienst umzugestalten. Wie kann man vonseiten desaushaltsausschusses in bereits laufende Modellprojekteingreifen? Warum warten Sie nicht, bis die Modellver-uche Anfang 2007 abgeschlossen und evaluiert wer-en? Dann können wir weitersehen. Dann werden wirehen, ob Zivildienstschulen geschlossen werden müs-en. Wenn dem so ist, sind wir dabei und werden unsereneitrag dazu leisten.Ich komme zum Schluss. Ich möchte Ihnen noch einSpiegel“-Zitat vom Juni 2006 zur Kenntnis geben:Zivildienstleistende werden oft ohne ausreichendeSchulung in der Alten- und Krankenpflege einge-setzt. Nur etwa die Hälfte der für Pflegehilfe oderBetreuungsdienste eingeteilten Zivis habe im
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6454 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 21. November 2006
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Ina Lenkevergangenen Jahr die gesetzlich vorgeschriebenenVorbereitungslehrgänge absolviert …Das hat der Ministerin bislang noch niemand gesagt. DieFDP will keine Ad-hoc-Schließung von Zivildienstschu-len
wie etwa in Buchholz oder Ith bei Holzminden, bevordas Konzept des Lerndienstes steht. Wir von der FDPwollen auch in diesem Haushalt sparen und haben des-halb ein liberales Sparbuch aufgelegt. Da wir aber nichtwillkürlich sparen wollen, müssen die Modellvorhabenim Rahmen des Zivildienstes erst einmal beendet undausgewertet werden. Dann müssen wir weitere Entschei-dungen treffen.
Ich erteile nun das Wort der Kollegin Nicolette Kressl
für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Frau Lenke, die Redlichkeit erfordert einige Klarstellun-
gen zum Thema Elterngeld. Was ich ganz besonders
scheinheilig finde, ist, dass Sie sich in Ihrer Rede als die
Hüterin und Beschützerin von Hartz-IV-Familien darge-
stellt haben. In Wirklichkeit haben Sie aber im Haus-
haltsausschuss beantragt, die Mittel für das Elterngeld
um 200 Millionen Euro zu kürzen. Den Familien, die
ALG II bekommen, sollte das Elterngeld angerechnet
werden. Ich finde, Sie führen eine unredliche Debatte.
Ihre Aussage, dass Studierende pauschal benachteiligt
würden, entbehrt jeder Grundlage.
Sie haben gerade gesagt, Studierende erhielten in Zu-
kunft nur ein Jahr Elterngeld, und haben daraus eine
pauschale Schlechterstellung abgeleitet. Das ist aber
nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist, dass sehr viele Stu-
dierende, die zusätzlich erwerbstätig sind und beispiels-
weise rund 500 Euro im Monat verdienen, in Zukunft,
wenn sie Elterngeld bekommen, genauso gut bzw. sogar
besser gestellt sind, weil sie aufgrund unserer Geringver-
dienerregelung pro Monat wesentlich mehr bekommen
können als die bisherigen 300 Euro. Die Redlichkeit er-
fordert, dass Sie bei der Wahrheit und den Fakten des
Gesetzes bleiben.
Ich will deutlich machen, dass der Haushalt für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend widerspiegelt, welche
politischen Rahmenbedingungen für Menschen fast je-
den Alters geschaffen werden können; hier geht es um
Lebensläufe. Die entscheidenden Fragen sind: Was er-
warten Menschen von der Familie? Was erwarten wir,
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Sie haben das nämlich nicht differenziert. Ihnen istabei offensichtlich entgangen, dass zum Beispiel zwölf-al 500 Euro mehr sein kann – –Jetzt haben Sie mich doch durcheinander gebracht.enn das monatliche Elterngeld höher als die bisherigen00 Euro Erziehungsgeld ist – –
Ja, natürlich.Wenn eine Studierende zusätzlich erwerbstätig war – –
Ich glaube, Sie, Frau Lenke, sind etwas weit von derealität entfernt, wenn Sie sagen, es gebe keine studie-enden Frauen und Männer, die gleichzeitig noch er-erbstätig sind.
Ich sage Ihnen noch einmal: Es gibt keine pauschalechlechterstellung von Studierenden. Das können Sieinfach nicht behaupten. Es geht darum, wie viel Eltern-eld tatsächlich bezahlt wird. Es kann sein, dass es sehr
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Nicolette Kresslviel mehr als 300 Euro sind. Ich bitte Sie, das einfachnachzurechnen.
Ich war gerade bei der Überlegung, welche politi-schen Zusammenhänge und welche Werte wir bei demHaushalt für Familie, Senioren, Frauen und Jugend deut-lich machen wollen. Ich habe davon gesprochen, dassMenschen bestimmte Erwartungen haben, was ihnenFamilie bringt, aber dass auch die Gesellschaft be-stimmte Erwartungen hat, zum Beispiel dass die Familiemindestens so stark wie die Schule ein Ort der Bildungund ein Ort der Möglichkeit, sich selbst zu entwickeln,ist. Dies bedeutet, dass wir sehr genau überlegen müs-sen, welche politischen Rahmenbedingungen wir setzenund welche politischen Weichen wir stellen. Wir könnenwenig verordnen und wir sollten nicht verordnen, wiesich Familien entwickeln und wie sie leben. Wir könnenaber zum Beispiel dann unterstützend eingreifen, wennes darum geht, ob sich junge Paare für Kinder entschei-den. Dass der Staat in diesem Bereich Entwicklungenunterstützen kann, ist offenbar. Ich halte es für wichtig,dass diese Unterstützung für uns kein Tabu mehr ist. Esist eine uralte und leider auch deutsche Tradition, zuglauben, in Familien entwickle sich alles von alleine or-dentlich und wir müssten nur Geld in die Familien inves-tieren. Da hat uns die Wirklichkeit überholt. Es muss einZusammenspiel zwischen den Maßnahmen des Staatesgeben, mit denen er unterstützt und fördert, und denen,mit denen er Fehlentwicklungen entgegensteuert.
In dieser Hinsicht muss das Wächteramt des Staatesfür uns entscheidend sein. Das muss in allem, was wirtun, deutlich werden. Das Wächteramt des Staates istnicht nur über Vorschriften und Zwang zu definieren,sondern auch darüber, wie wir Familien und Eltern un-terstützen. Ich will ein Beispiel nennen. In diesem Haus-halt finden sich auch 10 Millionen Euro, die für den Auf-bau eines Frühwarnsystems zum Schutz der Kinder undzur Unterstützung der Erziehungsfähigkeit der Elterneingesetzt werden. Ich glaube, das ist der richtige An-satz. Man muss aber auch sagen, dass dieser Ansatz niedas Handeln vor Ort wird ersetzen können. Wir sindvielmehr in der Situation, dass wir eine stärkere Vernet-zung der verschiedenen Ebenen brauchen. Das ist etwas,was wir als Staat für das Wohl des Kindes noch besserund intensiver als bisher auf den Weg bringen müssen.
Wir sind überzeugt, dass zu dieser Vernetzung, einerVernetzung zwischen den Generationen, auch die Mehr-generationenhäuser beitragen können. Wir starten jetztin die zweite Phase der Ausschreibung. Ich glaube, dasszur Akzeptanz dieser Häuser noch stärker als bisher bei-tragen kann, dass die Menschen vor Ort erkennen kön-nen, nach welchen Kriterien die Vergabe bei den Mehr-generationenhäusern vor sich geht.tgkdcccbstePgdhwAtSmsFbugkPdUWomlmdwugwtdegVwaFnte
Zur Antwort auf die Frage, wie wir die Familien un-erstützen können, gehören für mich auch die Pro-ramme gegen Rechtsextremismus oder die für Demo-ratie und Toleranz. Wir müssen uns fragen: Was kannie Familie an Demokratieverständnis vermitteln? Wel-hes Demokratieverständnis gibt es im gesellschaftli-hen Raum? Wie können wir Verführungen deutlich ma-hen und die jungen Leute auf einen anderen Wegringen?Deshalb ist es gut, dass wir den Ansatz für die ur-prünglichen Programme bei 19 Millionen Euro gehal-en haben. Auf der anderen Seite halte ich es für ganzntscheidend, dass wir zusätzlich 5 Millionen Euro fürrogramme gegen Rechtsextremismus zur Verfügungestellt haben, damit für diese Programme nicht mehrie Gefahr besteht, dass sie auslaufen, weil wir haus-altsrechtliche Probleme damit hatten, Modellprojekteeiterzuführen. Diese 5 Millionen Euro können jetzt dernstoß dafür sein, die Programme und die Opferbera-ung dauerhaft zu etablieren. Das ist ein ganz wichtigesignal, das weit über das Problem des Rechtsextremis-us hinausgeht und die Demokratie bei uns auch ganztark unterstützt. Wir werden uns mit Ihnen gemeinsam,rau Ministerin, sehr stark dafür engagieren, dass wir dieesten Wege finden, um diese Programme zu etablierennd zu installieren.
Zu den von mir angesprochenen Rahmenbedingun-en, die wir mit diesem Haushalt für Familien gestaltenönnen, gehört auch eine verbesserte Sicherheit füraare, die sich noch überlegen: Werden wir uns für Kin-er entscheiden oder nicht?
nd vor allem, wenn sie sich für Kinder entscheiden:erden wir uns unseren Kinderwunsch erfüllen könnender nicht? Ich halte es für ganz wichtig, nicht vorrangigit der demografischen Entwicklung und nicht nur zah-enmäßig zu argumentieren. Natürlich brauchen wirehr Kinder; das ist so. Aber wir haben in Deutschlandie Situation, dass sich junge Menschen ihren Kinder-unsch noch nicht erfüllen. Für mich ist das allererstend wichtigste Ziel, mit verbesserten Rahmenbedingun-en zu erreichen, dass sich Familien den Kinderwunschirklich erfüllen können.Dazu gehören zwei wichtige Punkte. Einer ist das El-erngeld, weil es für das erste Lebensjahr des Kindes, inem sich Eltern verstärkt um ihr Kind kümmern wollen,ine materielle Sicherheit gibt. Es ist im Übrigen auchleichstellungspolitisch wichtig, weil ab 1. Januar dieäter, die sich ja zu über 50 Prozent gerne für eine ge-isse Zeit um ihr Kind kümmern würden, es aber bisherus rein materiellen Erwägungen – sie sagen: Unsereramilie wird zu viel Geld fehlen – nur zu 5 Prozent tun,icht mehr gezwungen sein werden, sich gegen das Be-reuen ihres Kindes zu entscheiden. Sie können sich jetztben frei entscheiden.
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Nicolette KresslAuch den zweiten Punkt halte ich für ganz entschei-dend: Wir werden zusätzlich zum Elterngeld für denAusbau von Betreuungsangeboten kämpfen müssen.Da haben wir mit dem TAG bereits etwas auf den Weggebracht, aber alle Experten sagen uns: Die 230 000Plätze für unter Dreijährige, die im TAG vorgesehensind, werden nicht reichen. Da macht es Sinn, über einenweiteren Mosaikstein in unserem familienpolitischenKonzept nachzudenken und gemeinsam zu überlegen,wie wir uns noch intensiver um den schnellen Ausbauvon Betreuungsangeboten kümmern können. DieserPuzzlestein muss dringend von uns noch verstärkt wer-den.Vielen Dank.
Bevor ich nun der nächsten Rednerin das Wort erteile,
hat der Kollege Otto Fricke von der FDP das Wort zu ei-
ner Kurzintervention.
Frau Kollegin Kressl, Sie haben das schöne Vorurteil
von der ach so bösen und angeblich sozial kalten SPD
angesprochen.
– Ja, FDP. Ich merke, ich gehe in die Richtung, in die ich
eigentlich will.
Ich höre meinen nordrhein-westfälischen Landesvater
Rüttgers zu häufig und deswegen passiert mir so etwas.
Ich bitte um Entschuldigung.
Frau Kressl, Sie haben gesagt, die FDP habe einen
Antrag auf Kürzung um 200 Millionen Euro gestellt, da
sie dagegen sei, Hartz-IV-Empfängern Elterngeld zu
zahlen. Wir sind da nicht allein. Sie wissen, dass auch
andere sagen, das passe nicht ins System. Ich will Ihnen
auch begründen, warum wir dieser Auffassung sind. Es
ist nicht so, dass wir glauben, es bestehe keine Notwen-
digkeit für eine entsprechende finanzielle Unterstützung.
Unsere Haltung hat ihren Grund allein in dem Sinn des
Elterngeldes – die Ministerin hat mit dem Hinweis da-
rauf immer wieder zu Recht gewuchert –: Das Elterngeld
soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern.
Wir sind uns doch darin einig – sosehr wir uns das Ge-
genteil wünschen –: Hartz-IV-Empfänger haben keinen
Beruf. Falls man Hartz-IV-Empfängern Elterngeld
zahlte, ginge es bei ihnen nicht um die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf.
Man kann auch argumentieren: Elterngeld für Hartz-IV-
Empfänger ist eine soziale Leistung. Wenn man das tut,
müssen die Koalition und gerade die SPD zugeben, dass
Hartz IV für Hartz-IV-Empfänger mit Kindern nicht aus-
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ür mich ist Ihr Versprecher daher nachvollziehbar.Zum Hauptteil Ihrer Kurzintervention. Sie haben viel-eicht übersehen, dass das Elterngeld zwei Komponentenat: Die eine ist die Einkommensersatzleistung, die an-ere ist das so genannte Mindestelterngeld. Dafür habenir uns entschieden. Wir möchten, dass zusätzlich Erzie-ungsleistungen anerkannt werden. Es handelt sich nichtm einen Einkommensersatz. Nicht nur ALG-II-Fami-ien erhalten Mindestelterngeld; vielmehr erhalten alleltern Mindestelterngeld – diese Mittel sind in dem ent-prechenden Sockel –, die aus der „Erwerbstätigkeit“icht aussteigen können, zum Beispiel weil es nur eineninkommensbezieher gibt.
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Nicolette KresslIch habe nicht kritisiert, dass Sie Kürzungen wollen.Das ließe sich mit der FDP-Ideologie gut vereinbaren.Ich habe nur kritisiert, dass uns Frau Lenke in einem an-deren Zusammenhang scharf angegriffen hat, weil wirdie Hartz-IV-Empfänger angeblich so schlecht behan-deln. Da verlange ich von Ihnen einfach eine klare Linie.
Ich erwarte, dass Sie nicht opportunistisch und populis-tisch sind, indem Sie Ihre Einstellung zu Transferleistun-gen für Familien je nach Situation ändern.
Ich habe nicht zu kritisieren, dass Sie dazu stehen, ALG-II-Empfängern kein Elterngeld zukommen lassen zu wol-len. Das haben die Wähler bei der nächsten Wahl zu be-rücksichtigen.
Nun hat das Wort die Kollegin Elke Reinke für die
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau von der Leyen, Sie arbeiten weiter an Ihrem Ruf ei-ner talentierten Ankündigungsministerin, die ein Gespürfür symbolträchtige Themen hat. Ich fürchte, dass Ihre– ich zitiere – „feste Überzeugung“, dass es „mittelfristigbeitragsfreie Kindergartenplätze“ geben wird, nicht aus-reicht, um dieses Ziel zu erreichen. Wenn das wirklichder politische Wille der großen Koalition wäre, dannsollte sich so ein Vorhaben wenigstens teilweise imEinzelplan 17 unseres Haushaltes wiederfinden.
Ich fürchte weiterhin, dass Sie pflichtgemäß unserenEntschließungsantrag, in dem wir 200 Millionen Eurozur Verankerung von regionalen Modellprojekten for-dern, ablehnen werden. Aber nach kinder-, jugend-, fa-milienpolitischen Visionen, die Ihre Ankündigungen,Frau Ministerin, unterstützen würden, sucht man imBundeshaushalt vergeblich.Unter den so genannten großen Volksparteien ist eineigenartiger Wettbewerb ausgebrochen: Herr Rüttgerswill die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für Ältereverlängern, indem er bei den Jüngeren kürzt, Frau Kresslvon der SPD will zur Finanzierung beitragsfreier Kin-derbetreuung das Kindergeld einfrieren, also kürzen.Deshalb finde ich es lobenswert, dass Sie, Frau Ministe-rin, nicht eine Familiengruppe gegen die andere ausspie-len wollen, um die Kinderbetreuung beitragsfrei zu stel-len. Allein, Ihre bisherige Praxis sah anders aus. DasElterngeld stellt eine Umverteilung von unten nach obendar.Mehr Geld für Familien fordert die Linke. Es wäreda, wenn diese Regierung es nicht den Konzernen inFhijIdDdhataZAfdgSdhvNbdikscargkoimMcWdzhskKmd
Die Fraktion Die Linke hat sich in mehreren Anträgenur öffentlichen Verantwortung für Kinder bekannt. Wiraben Ihnen einen Vorschlag zur Reform des Kinderzu-chlags vorgelegt. Ihre Fraktionen haben diesen starr-öpfig abgelehnt. Damit haben Sie verhindert, dass alleinder aus dem Sozialgeldbezug und den Bedarfsge-einschaften herausgeholt werden. Wir meinen, dass je-em Kind, je nach Einkommen der Eltern, der Zugang
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Elke Reinkezum sozioökonomischen Existenzminimum in Höhe vonmomentan 420 Euro garantiert werden muss.
Mit unseren Vorschlägen hätten wir 2,1 Millionen Fami-lien mit 3 Millionen Kindern erreicht. Die dafür benötig-ten 3,5 Milliarden Euro wären da, wenn – ich muss daswiederholen – diese Regierung nicht schon wieder Steu-ergeschenke in Höhe von 5 Milliarden Euro den Konzer-nen hinterherwerfen würde.Wo sind Ihre Antworten? Wer nur soziale Symbolthe-men ankündigt, braucht sich nicht über enttäuschte Men-schen, wachsende Unterschichten und geringe Wahlbe-teiligung zu wundern.
Ich frage mich: Wo bleibt der Wille zur Umverteilung?Nicht von den Kinderlosen zu den Kinderreichen, nichtvon der Kindergeldkasse zum Kindergarten, sondern vonden Starken zu den Schwachen, von den breiten zu denschmalen Schultern. Liebe Sozialdemokratinnen und So-zialdemokraten, es gibt dafür einen Namen, der bei Ih-nen längst nicht mehr aktuell ist: Sozialstaat.Für uns ist es auch nicht hinnehmbar, dass der An-spruch eines Kindes auf einen Kindergartenplatz da-von abhängen soll, ob die Eltern eine Vollzeitarbeit ha-ben, teilzeitbeschäftigt oder nicht erwerbstätig sind. Einebeitragsfreie Kinderbetreuung muss ein Kinderrechtwerden.
Auch das ist wieder eine Frage für den Haushalt: Wenndie Betreuung für Kinder ausgebaut werden soll, dannmuss mehr Geld bei den Kommunen ankommen. Werernsthaft etwas gegen Kinderarmut erreichen und denZugang zu einer frühkindlichen Bildung verbessern will,der muss eine bedarfsorientierte Grundsicherung einfüh-ren und das Recht des Kindes auf einen Betreuungsplatzdurchsetzen. In unserer Verantwortung liegt es, ob es beiden Ankündigungen bleibt oder ob finanzielle Mittel fürdie drängenden gesellschaftlichen Probleme bereitge-stellt werden.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Wort zumSchluss. Viele von uns werden in der Vorweihnachtszeitversuchen, einigen Kindern im Wahlkreis eine kleineFreude zu bereiten. Weil es für viele Kinder ein StückUrlaub vom Alltag ist, sollten wir das auch tun. Kinder-armut gibt es aber nicht nur in der Weihnachtszeit, wennsich das gut in der Presse verkaufen lässt. Lassen Sie unsbitte mehr soziale Gerechtigkeit wagen!Danke schön.
Das Wort hat nun der Kollege Kai Gehring für die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
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Wir fordern von der Bundesregierung deshalb ein kla-es Konzept für den Ausstieg aus der Wehrpflicht und,amit verbunden, tragfähige Alternativen zum Zivil-ienst. 2007 will die Regierung über 88 000 Zivildienst-eistende einberufen, aber nur 62 000 Wehrdienstleis-ende. Mit der von uns vorgeschlagenen Kürzung um5 Millionen Euro würden nur noch so viele junge Män-er zum Zivildienst herangezogen werden, wie Wehr-ienst leisten. Dies wäre ein Schritt zu mehr Einberu-ungsgerechtigkeit.
Was ist unsere Alternative? Wir wollen eine klareufstockung der Mittel für Jugendfreiwilligendienste.ir haben hier fraktionsübergreifend einen ersten Schrittollzogen. Aber wir wollen ein Stück weiter gehen undchlagen eine Aufstockung um 25 Millionen Euro vor,m der großen Nachfrage junger Menschen in diesemereich nachkommen zu können. Wir wollen über dieisherigen Ansätze deutlich hinausgehen, weil es sehrinnvoll ist, dass mehr junge Menschen soziale, ökologi-che und auch kulturelle Erfahrungen im In- und Aus-and sammeln.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die zivilgesell-chaftliche Arbeit gegen Rechtsextremismus wollenir als Grüne verstärkt fördern. Die bisher von der Ko-lition vorgesehenen Mittel und Programme sind aus un-erer Sicht noch nicht ausreichend, um eine kontinuierli-he, nachhaltige und wirklich effektive Arbeit gegenechts zu gewährleisten. Die große Koalition hat die fürie Projekte gegen Rechtsextremismus Verantwortlichenurch ein langes Hin und Her sehr verunsichert. Die Trä-
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Kai Gehringger sind, gerade was die Kooperation mit den Kommu-nen angeht, auf Planungssicherheit angewiesen. Ich be-grüße, dass die Koalition diese Planungssicherheit nungewährleisten will, und hoffe, dass dies auch wirklichschnell erfolgt.In der gestrigen Anhörung zur Zukunft der Rechts-extremismusarbeit haben die Expertinnen und Expertenbestätigt, dass der Erfolg vor Ort wesentlich von der Ein-bindung in überregionale Netzwerke abhängt. Besondersfür ländliche Regionen wurde bestätigt, dass Lückendurch die Kürzung von Jugendhilfemitteln dort verstärktvon Rechtsextremen gefüllt werden. Rechtsextreme Ein-stellungen sind in manchen Regionen hegemonial ge-worden. Gerade in strukturschwachen Regionen ist esunwahrscheinlich, dass die im Vorschlag der Koalitiongeforderten Mittel zur Kofinanzierung auch wirklichaufgebracht werden können.
Das größte Manko aber ist: Der Vorschlag der Koali-tion, nur den Kommunen ein Antragsrecht einzuräumen,ist nicht zielführend, weil dies der gleichberechtigtenKooperation mit der Zivilgesellschaft eindeutig wider-spricht. Notwendig ist stattdessen die dauerhafte Siche-rung der Arbeit gegen Rechtsextremismus.
Dies könnte nach den Vorstellungen der Grünen auch imRahmen einer Stiftung geschehen, die das Engagementgegen Rechtsextremismus überparteilich verstetigt undgleichzeitig viele gesellschaftliche Akteure einbezieht.Nach unserer Auffassung ist die Einbeziehung von Bil-dungseinrichtungen besonders wichtig; denn hier fängtschließlich das Lernen von Demokratie und Toleranz an.Frau von der Leyen, Sie haben in Ihrer heutigen Rededie Shell-Jugendstudie, die vor einigen Wochen veröf-fentlicht worden ist, nicht angesprochen. Damals habenSie diese Veröffentlichung mit den Worten kommentiert:Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. – Ich hätte mirgewünscht, dass Sie dem Parlament heute erklärt hätten,welche Konsequenzen Sie als Jugendministerin aus die-ser Jugendstudie ziehen. Gerade den Schattenseitenmüssen Sie sich endlich zuwenden.
Wie kümmern Sie sich um Jugendliche, die von so-zialer Exklusion bedroht oder betroffen sind? Was tunSie für Teenager, die kaum Zukunftsperspektiven fürsich sehen, die ohne Schulabschluss und Ausbildungs-platz vermehrt ins Abseits gedrängt werden und bei de-nen eine frühkindliche Förderung nicht mehr hilft? Diegroßkoalitionäre Jugendpolitik gibt es aus unserer Sichthauptsächlich in Sonntagsreden. Werktags warten wirdann vergeblich auf jugendpolitische Zukunftskonzepte.
Seit Mai 2006 warten wir Grüne auf die Antwort zuunserer Großen Anfrage zur Jugendpolitik, was die Per-spektiven für Jugendliche in Deutschland angeht. Siesoll erst im März 2007 beantwortet werden. Die Bundes-rvblczrSlHaCHtVdtMWsrbJ1FJEnwkvwgWdhvDkH
ir meinen, dass höhere Ausgaben für Energie und Bil-ung – dies betrifft Ausgaben für den Schulausflug bisin zum Federmäppchen – schon heute dazu führen, dassiele Eltern jeden Euro buchstäblich umdrehen müssen.eshalb wäre der Vorschlag, das Kindergeld zu kürzen,ein Zugewinn an Humanität, sondern schlichtwegerzlosigkeit.
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Johannes SinghammerNun bringen manche eine zweite Variante ins Spiel:Man könnte ja einen eventuellen Zuwachs beim Kinder-geld dazu verwenden, Kinderbetreuungseinrichtungenzu finanzieren. Manche meinen, spektakuläre Fälle, überdie wir immer wieder voller Sorge diskutieren, bei denenEltern Kinder vernachlässigen oder misshandeln und dasKindergeld eher in Alkohol statt in die Bildung ihrerKinder investieren, würden das begründen. Ich möchtefür eine ehrliche Diskussion werben. Wir sollten feststel-len, dass sich die allermeisten Eltern liebevoll um ihreKinder kümmern und sorgen und es der falsche Weg ist,Eltern unter Generalverdacht zu stellen.
In manchen Regionen, vor allem in den Ballungsge-bieten der alten Bundesländer, stellt sich zudem für vieleEltern die Frage, was Kinderbetreuung kostet, erstnachrangig im Vergleich zu der Frage, ob sie überhaupteinen Betreuungsplatz erhalten. Beispielsweise in derLandeshauptstadt München – wenn ich das einmal sagendarf – ist es für manche Eltern durchaus angezeigt, ihrKind bereits vor der Zeugung für eine Kinderkrippe an-zumelden, um überhaupt die Chance zu haben, einenKinderkrippenplatz zu bekommen.
Die Selbstfinanzierung der Kinderbetreuung durchdie Eltern ist kein guter Weg; denn nach wie vor stehtden Familien deutlich weniger Geld zur Verfügung alsPaaren ohne Kinder. Aus dem 7. Familienbericht, überden wir hier vor kurzem diskutiert haben, ergibt sich,dass beispielsweise 35-jährige Paare ohne Kinder proKopf mehr als 600 Euro netto mehr im Monat haben alsvergleichbare Paare mit Kindern. Deshalb macht es kei-nen Sinn, den Eltern das Geld aus der einen Tasche weg-zunehmen und es in die andere Tasche hineinzustecken.Das gemeinsame Ziel aller Familienpolitiker sollte essein, mehr Geld für Familien aufzuwenden und in einergemeinsamen Kraftanstrengung Eltern und Kindern trotzder schwierigen Finanzproblematik mehr zukommen zulassen.
Nun sagen einige, in Deutschland würden ohnehinpro Jahr rund 115 Milliarden Euro für Familienleistun-gen ausgegeben, darunter 35 Milliarden Euro für dasKindergeld, während in anderen Ländern gerade dasKindergeld sehr viel geringer ausfällt. Ich bin froh undstolz darauf, dass wir in Deutschland dieses Geld fürKinder und Eltern aufwenden. Aber ich sage auch: Esmacht Sinn – das haben wir in der großen Koalition ver-einbart –, das Geflecht der Leistungen, die den Familienzustehen – es sind an die 143 Positionen –, nach ihrerWirksamkeit zu bewerten, um damit zu erreichen, dassdie Leistungen gebündelt und möglichst effizient einge-setzt werden.Vor wenigen Tagen hat das Statistische Bundesamteine Prognose hinsichtlich der Bevölkerungsentwick-lung in den kommenden Jahrzehnten, also etwas weiter-gdDuDK4labdgZwgwnrtHdteaFfvMVdkksuIIgwd2dnmhbwttWdbk
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Die meisten wollen das Elterngeld schon viel eher, nichterst zum 1. Januar 2007. Wir haben dies jetzt auf denWeg gebracht, nachdem viele Jahre verstrichen sind, indenen es nur Ankündigungen gab, aber keine Taten folg-ten.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Sönke Rix, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es gibt mehrere positive Ansätze im Familienhaushalt.Dazu gehört unter anderem, dass wir den Haushaltstitelfür das bürgerschaftliche Engagement, das heißt für dieFreiwilligendienste, um 1 Millionen Euro erhöhen. Esgibt einen weiteren freudigen Ansatz in unserem Haus-haltsentwurf: Für die Bekämpfung des Rechtsextremis-mus nehmen wir mehr Geld in die Hand.
Schwerpunktthema meiner Rede wird die Bekämpfungdes Rechtsextremismus sein.Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Arti-kel zum Thema Rechtsextremismus in den Zeitungensteht: Gedenkstätten in Frankfurt geschändet, Haken-kreuze an Hauswänden und Mahnmalen, rassistischePöbeleien in Fußballstadien, NPD-Parteitag in Berlin.Dabei sind diese Meldungen nur die Spitze des Eisbergs.Wenn wir jetzt nicht aufpassen, gehören Nazis bald zuunserem normalen Alltag. Aber was Nazis machen, istnicht normal und darf es niemals werden.
Vor zwei Wochen kam eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung heraus. Ein Rauschen ging durch denBlätterwald, ungefähr drei Tage. Ich glaube, seitdemhabe ich nur noch ein oder zwei Kommentare darübergelesen. Dabei zeigt diese Studie eine gefährliche Ent-wicklung auf:Erstens. Rechtsextremismus und eine sich verfesti-gende Naziideologie sind kein typisch ostdeutsches Pro-blem. Es ist ein bundesweites Problem.Zweitens. Es gibt nicht den typischen rechtsextremenWähler. Es wird quer durch alle Schichten, von beidenGeschlechtern und in allen Altersklassen rechtsextremgdisagtcmdDmknsNgdAtusXszgjnFBrFfmdmEDdinDjnOgk
Der Einzeltitel im Haushalt des Ministeriums für Fa-ilie, Senioren, Frauen und Jugend, der sich mit der Be-ämpfung des Rechtsextremismus befasst, ist sichericht der höchste, der heute zur Beschlussfassung an-teht. Trotzdem ist es, so finde ich, einer der wichtigsten.ichts anderes hat die Anhörung im Familienausschussestern gezeigt. Wir sind mit unseren Programmen aufem richtigen Weg, aber leider noch lange nicht am Ziel.Im Jahr 2001 hat die damalige Bundesregierung dasktionsprogramm „Jugend für Toleranz und Demokra-ie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeitnd Antisemitismus“ aufgelegt. Es teilt sich in dreielbstständige Teilprogramme: Civitas, Entimon undenos. Im Zentrum des Programms steht das gemein-ame Ziel, zivilgesellschaftliche Akteure und Potenzialeu fördern und zu stärken. In den fünf Jahren seit Pro-rammbeginn im Jahr 2001 konnten über 4 000 Pro-ekte, Initiativen und Maßnahmen mit über 163 Millio-en Euro gefördert werden. Bis Ende 2006 sollenördergelder in Höhe von rund 192 Millionen Euro vomund geflossen sein; ich finde, hier gehen wir in dieichtige Richtung. Auch im Jahr 2007 – unser Kollegerank Schmidt hat es vorhin dargestellt – gibt es Geldür den Kampf gegen Rechtsextremismus, diesmal sogarehr als in diesem Jahr. An dieser Stelle danke ich allen,ie sich dafür eingesetzt haben und diesen Beschlussittragen werden.Es geht um 19 Millionen Euro, zusätzlich 5 Millionenuro, die vornehmlich in Strukturprojekte fließen sollen.avon gibt es noch einmal knapp 1 600 Projekte. Dassies alles wichtige und erfolgreiche Projekte sind, mussch an dieser Stelle nicht betonen. Ich lade alle Abgeord-eten ein, sich diese Projekte einmal vor Ort anzusehen.ie wirklich aktive und erfrischende Arbeit dieser Pro-ekte ist unterstützenswert. Ich richte an dieser Stelle ei-en Dank an alle, die diese Projekte durchführen und vorrt die Flagge der Demokratie und Toleranz hochhalten.
Wir brauchen zivilgesellschaftliche Courage, um unsegen jede Form von Extremismus durchzusetzen. Dasann man mit Geld allein nicht erreichen. Wir brauchen
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Sönke Rixeine Justiz, die zeitnah in der Lage ist, die Nazis festzu-nehmen und zu verurteilen, die Gedenkstätten durch Ha-kenkreuze schänden. Wir brauchen eine Justiz und einengut ausgestatteten Strafvollzugsapparat, damit Nazis, dieüber unsere Straßen marschieren und dabei Hakenkreuzezeigen, nicht wegen Arbeitsüberlastung laufen gelassenwerden. Der Staat hat das Gewaltmonopol und sonstniemand.
Um das durchsetzen zu können, brauchen wir keineschärferen Gesetze und keine flächendeckende Überwa-chung der Bürgerinnen und Bürger. Die Gesetze, die wirhaben, sind gut und ausreichend. Sie müssen nur überallund jederzeit konsequent und vor allem schnell ange-wandt werden.
Der Staat muss zeigen, dass er sich nicht ansatzweisevon Extremisten provozieren oder vorführen lässt. DenKampf gegen Rechtsextremismus – ich habe es bereitserwähnt – kann man nicht allein mit Geld gewinnen.Man gewinnt ihn durch Überzeugungsarbeit. Sicherlichist es leichter, ein paar Millionen mehr locker zu ma-chen, um noch das eine oder andere Projekt zu starten.Diese Projekte können aber immer nur einen kleinenKreis gefährdeter Menschen erreichen.Wir Politikerinnen und Politiker dagegen stehen stän-dig in der Öffentlichkeit. Was wir vorleben und in denMedien äußern, kommt bei vielen Menschen an. Wirdürfen uns von Rechtsextremen nicht die Deutungs-hoheit streitig machen lassen.
Für Politiker, die auf Bundes- oder Landesebene Verant-wortung tragen, heißt das erstens: Zurück auf die Straße!Der Infostand ist einem parlamentarischen Abend beiweitem vorzuziehen. Anders ausgedrückt: Jeder Pro-zentpunkt, den die Rechten bei Wahlen erreichen, ist einZeichen dafür, dass die demokratischen Parteien mit ih-rer Politik nicht immer und überall bei den Menschensind; aber für sie müssen wir Politik machen. UnserMotto muss also lauten: Ran an die Leute!Zweitens. Warum fangen wir Abgeordnete nicht beiuns selbst an? Um ein Beispiel zu bringen: Jeder Abge-ordnete des Bundestages hat ein Budget zur Bezuschus-sung von Gruppen, die den Deutschen Bundestag besu-chen dürfen. Warum verteilen wir dieses Geld nichtausschließlich auf Schulklassen und Jugendgruppen?Warum gibt es eine Begrenzung auf 200 Personen? – Ichwürde mich freuen, wenn ich noch mehr Schulklassenhier begrüßen dürfte und wenn zu jedem Besuch einerSchulklasse im Parlament ein Gegenbesuch des Abge-ordneten in der Schule im Wahlkreis gehören würde.Dann würde ich sagen: Ja, hier hat die Politik einen Wegin Richtung Jugendliche eingeschlagen.
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Nächster Redner ist der Kollege Thomas Dörflinger,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollegeix, hinsichtlich Ihres letzten Satzes sind wir uns in die-em Hause sicherlich alle einig.Vor gar nicht allzu langer Zeit musste sich diejenige,ie im Bundeskabinett für Familie, Senioren, Frauen undugend zuständig war, von demjenigen, der sie berufenat, sagen lassen, sie sei zuständig für Familie, Frauennd Gedöns.
as war, wenn ich das richtig erinnere, im Jahr 1998.etzt, im Jahr 2006, finden wir die Familienpolitik in ei-er Schlagzeile der „Financial Times Deutschland“. Dasst angesichts dieser Zeitspanne eine ganz beträchtlichentwicklung. Ich glaube, Ursula von der Leyen undundeskanzlerin Angela Merkel haben einen wesentli-hen Beitrag dazu geleistet. Herzlichen Dank dafür!
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Thomas DörflingerWenn man gegen Schluss der Debatte das Wort er-greift, bietet sich die Gelegenheit, auf das eine oder an-dere einzugehen, was gesagt worden ist. Mich haben dieAusführungen zu den sieben Monaten und dem Eltern-geld sehr irritiert, Frau Lenke. Ich versuche, das einmalam Beispiel meiner Frau und mir aufzudröseln.
Stellen Sie sich vor, ich würde auch zu Hause bleiben.Dann stünden uns 14 Monate zur Verfügung. Wie wirdas organisieren, machen meine Frau und ich unterei-nander aus. Ich muss ja mindestens zwei Monate zuHause bleiben.
Also sind folgende Kombinationen möglich: zwölf pluszwei, elf plus drei, zehn plus vier, neun plus fünf, achtplus sechs oder – jetzt kommt es – sieben plus sieben.Zweimal sieben sind 14. So einfach könnte es eigentlichsein. Deswegen habe ich vorhin den Grund des Dissen-ses nicht ganz verstanden.Wenn wir gerade dabei sind: Es hat mich fast schonein bisschen belustigt,
wie hier über die Kürzungen im Bereich der Zivildienst-schulen berichtet wurde. Mit Sicherheit sind wir uns,Herr Dr. Schröder und Herr Dr. Schmidt, einig, dass essowohl im Haushaltsausschuss als auch im Fachaus-schuss niemandem leicht gefallen ist, diesen Beschlusszu fassen.
– Sie waren doch dabei. Sie haben Herrn StaatssekretärDr. Kues gefragt. Das war in der letzten Ausschusssit-zung.
Eines fand ich ganz besonders spannend. Diejenigen,die in diesem Hohen Hause Krokodilstränen über dieKürzungen im Bereich der Zivildienstschulen vergießen,sind gleichzeitig diejenigen, die uns mit Parteitagsbe-schlüssen gegen die Wehrpflicht im Nacken sitzen undhier gegen Wehrpflicht und Zivildienst argumentieren.
Das passt einfach nicht zusammen.
Wenn wir Ihre Parteitagsbeschlüsse in diesem HohenHause umgesetzt hätten, dann gäbe es den Wehrdienstnicht mehr, dann gäbe es den Zivildienst nicht mehr unddie dazugehörigen Schulen gäbe es auch nicht mehr.
Deswegen appelliere ich an Sie: Machen Sie eine Politikaus einem Guss! Bleiben Sie bei Ihren Beschlüssen, abervezgeHfbzbsRZlBdsabnestgDds–cHdspagnws–HaVmevt
as hat Herr Kollege Fricke, der gerade geburtstagsbe-ingt abwesend ist – das sei ihm gegönnt –, bereits ange-prochen.
Doch, Frau Lenke, ich habe mit ihm darüber gespro-hen.Politik kann ganz konkret sein. Daher frage ich mich,err Kollege Gehring, warum Sie vor dem Hintergrundessen, was in Emsdetten passiert ist und uns allechockiert hat, von vornherein – quasi im Stile einesawlowschen Reflexes – ein Verbot von Killerspielenusschließen. Ich teile hier die Einschätzung des Kolle-en Fricke. Wenn wir das verbieten würden, hätten wiroch keinen Beitrag dazu geleistet, dass sich Ereignisseie das in Emsdetten nicht wiederholen. Da sind wir unsicherlich einig.
Sie haben mich falsch verstanden. Ich habe mich auferrn Gehring bezogen, nicht auf Herrn Fricke. Ich teileusdrücklich, was Herr Fricke gesagt hat.Wir sollten aber zumindest ins Kalkül ziehen, ob einerbot der Herstellung und der Weitergabe dieser Spieleöglicherweise einen Beitrag dazu leisten könnte, Er-ignisse wie diese zu verhindern. Wenn wir das vonorneherein ausschließen, leisten wir sicher keinen Bei-rag.
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6464 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 21. November 2006
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Thomas DörflingerIch lade Sie alle ein, diese Frage, über die wir in derletzten Legislaturperiode schon einmal diskutiert haben,noch einmal vorurteilsfrei in den Blick zu nehmen, nichtnur, aber auch vor dem Hintergrund der Ereignisse vonEmsdetten. Wir sollten darüber nachdenken, ob es mög-licherweise nicht doch Sinn macht, zusammen mit denBundesländern über ein Verbot der Herstellung und Wei-tergabe dieser Spiele nachzudenken;
eine solche Initiative ist bereits vom Bundesland Nieder-sachsen bzw. vom dortigen Innenminister in den Bun-desrat eingebracht worden. Ich glaube, das sind wir denBürgerinnen und Bürgern schuldig, da sie von der Politiknicht nur Betroffenheitsrhetorik, sondern auch eine kon-krete Antwort auf diese Frage erwarten.
Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, der michüberrascht und zugleich gefreut hat. Ich habe mit gro-ßem Interesse zur Kenntnis genommen, dass der Minis-terpräsident des Landes Rheinland-Pfalz und geschätzteVorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutsch-lands, Kurt Beck, vor wenigen Tagen gesagt hat, er er-warte, dass der Deutsche Bundestag bzw. die Bundes-regierung im Verlauf dieser Legislaturperiode – sprich:bis zum Jahre 2009 – eine gesetzliche Neuregelung zurSpätabtreibung trifft.Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ich ebensowie Johannes Singhammer, Ilse Falk, Maria Eichhornund viele andere zu denjenigen gehört habe, die sichnicht erst in der letzten, sondern schon in der vorvorletz-ten Legislaturperiode mit diesem Thema beschäftigt ha-ben
– ja, Sie auch –, und wir alle um den Stand der gegen-wärtigen Beratungen wissen, stellt sich mir allerdingsdie Frage – vielleicht kann sie im Verlauf dieser Debattenoch beantwortet werden –: Wer war eigentlich derAdressat dieser Meinungsäußerung von Kurt Beck?Wir sind auf dem richtigen Weg. Wenn es in anderenFraktionen zu diesem Thema noch Beratungsbedarf gibt,räume ich Ihnen die Möglichkeit zur Beratung gerne ein.Aber wenn der rheinland-pfälzische Ministerpräsidentdurch seine Einlassungen dazu beitragen wollte, dass wirschon in naher Zukunft zu einer Lösung dieses Problemskommen, dann bin ich ihm dafür ausdrücklich dankbar.Herzlichen Dank.
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
Christel Humme, SPD-Fraktion.
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nachdem wirmittlerweile zwei Stunden lang eine intensive Debatteüber die Familienpolitik geführt haben, wird das SpielzldsSwOüpHDgSszdgdlDsmwdfgczbSZaedsDpngmdnFsdshSwktn
Es ist gut, dass dieser Haushalt einen anderenchwerpunkt setzt. Es geht um Hilfe statt um Strafe undwang. Wir wollen den Menschen helfen und sie nichtusgrenzen. Die gestrige Anhörung zum Thema Rechts-xtremismus hat deutlich gemacht: Wir müssen die Kin-er und Jugendlichen ernst nehmen, sie annehmen undtark machen. Das ist die beste Basis für Toleranz undemokratie.Dafür können wir Gott sei Dank 19 Millionen Euroro Jahr zur Verfügung stellen, darüber hinaus 5 Millio-en Euro für langfristige Beratungsnetzwerke. Das istut so. Denn zu helfen, Kinder und Jugendliche stark zuachen, ist die beste Basis für Gewaltprävention. Anieser Stelle will ich kurz auf die gestrigen Vorkomm-isse eingehen, die uns natürlich erschüttert haben. Dieorderung, Killerspiele zu verbieten, ist wieder derchnelle Ruf nach einer gesetzlichen Lösung. Doch alle,ie das fordern, sollten einmal einen Blick ins Strafge-etzbuch werfen: § 131 verbietet Killerspiele. Rot-Grünat in der letzten Legislaturperiode das Gesetz an diesertelle verschärft, damit auch Computerspiele erfassterden können, damit Strafen ausgesprochen werdenönnen, von bis zu einem Jahr Gefängnis. Das ist gel-ende Rechtslage. Deswegen ist die erhobene Forderungicht angemessen. Es geht vielmehr darum, Kinder und
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Christel HummeJugendliche zu stärken und ihnen mehr Medienkompe-tenz zu vermitteln. Auch das gehört dazu, wenn wir wol-len, dass Kinder stark sind und keine Gewalt anwenden.Der soziale Wandel stellt Eltern vor große Probleme,viele fühlen sich überfordert. Wir alle – Kommunen,Länder und Bund – sind aufgefordert, Familien bei ihrerErziehungsleistung zu unterstützen, ihnen früher aufsu-chende Hilfe zu gewähren. Die Entwicklung des Früh-warnsystems ist ein wichtiger Schritt, um all die Aktivi-täten zu unterstützen, die in den Bundesländern bereitsexistieren. Insgesamt 10 Millionen Euro werden in dennächsten Jahren dafür zur Verfügung gestellt.Neben der bereits erwähnten Anhörung gab es gesterneine weitere Anhörung, nämlich der Kinderkommissionzum Thema „Kinderrechte in die Verfassung“. Dabei hatsich die Mehrheit der Sachverständigen dafür ausgespro-chen, das Grundgesetz zu ändern und Kinderrechte indie Verfassung aufzunehmen. Das ist nicht verwunder-lich. Art. 6 des Grundgesetzes begründet bereits ein star-kes Recht für Eltern. Kinder haben ein solches starkesRecht nicht. Bedeutet das, Kinder müssen Eltern, diesich nicht um ihre Entwicklungschancen kümmern, hin-nehmen? Werden Eltern zum Schicksal ihrer Kinder? Esscheint so. Denn in keinem anderen Land bestimmt dieHerkunft so sehr den Bildungserfolg wie in Deutschland.Wir werden diskutieren müssen in den nächsten Mona-ten und im nächsten Jahr, ob eine Grundgesetzänderungdie bestmögliche Förderung unserer Kinder – von An-fang an, mit gleichen Chancen – befördern kann. Wirdder Staat dann sein Wächteramt noch ernster nehmenmüssen? Käme den Jugendämtern eine noch wichtigereRolle im Hinblick auf das Kindeswohl zu? Ich meine, Ja.Kinder haben Rechte, und die gehören ins Grundgesetz.
Leider wachsen zunehmend viele Kinder vereinzeltauf, Familien sind häufig isoliert, das selbstverständlicheErlernen sozialer Kompetenz findet nicht statt, schon garnicht in Familienzusammenhängen. Das Erfahrungswis-sen der älteren Menschen erreicht die jungen nicht mehr.Das Konzept der Mehrgenerationenhäuser kann hier eineLücke füllen und einen weiteren Beitrag leisten, Fami-lien zu unterstützen. Für diese Hilfe sind langfristig98 Millionen Euro im Haushalt angesetzt.Der Einzelplan 17, um den es heute in der zweitenund dritten Lesung geht, trägt die Handschrift der Hilfeund Unterstützung für Familien und gibt damit eine ein-deutige Zukunftsperspektive für Eltern und ihre Kinder,vor allem für die jungen Männer und Frauen, die Familieund Beruf vereinbaren wollen. Für sie gibt es – das ha-ben wir heute schon in mehreren Reden gehört – ab dem1. Januar 2007 das Elterngeld. Mindestens 700 Millio-nen Euro stehen hierfür Jahr für Jahr zu Verfügung. Dasist gut investiertes Geld. Denn es sichert nicht nur denLebensstandard der Familien im ersten Lebensjahr desKindes, sondern bedeutet auch einen weiteren Schritt zurGleichstellung der Frauen und Männer, die Familie undBeruf vereinbaren wollen. Wir haben das Elterngeld be-wusst auf ein Jahr angelegt, weil wir den anschließendenWiedereinstieg in den Beruf möglichst einfach machenw–m–tEit4SrkAzdiddIwgaKaApFlvsDtasDdlfEg
Natürlich, die Kommunen brauchen dafür unsere Un-erstützung. Wir geben sie über die 2,5 Milliarden Euroinsparvolumen bei Hartz IV,
ndem sich der Bund jetzt stärker an den Unterkunftskos-en beteiligt. Hinzu kommen Steuermehreinnahmen vonMilliarden Euro in diesem Jahr und – Herringhammer hat Recht – ein Sparpotenzial durch dieückgängigen Geburtenraten. Die frei werdenden Mittelönnen neu eingesetzt werden.Das wird langfristig aber nicht reichen. Wir haben dieufgabe, alle familienpolitischen Leistungen daraufhinu überprüfen, ob sie bei den Familien und bei den Kin-ern wirklich ankommen und ob sie auch in die Bildungnvestiert werden. Ich denke, wir sollten darüber nach-enken, ob eine zusätzliche Erhöhung des Kindergeldeser richtige Weg ist oder ob nicht in der Tat mehr in dienfrastruktur investiert werden muss. Mit dieser Aufgabeerden wir uns in den nächsten Monaten zu beschäfti-en haben.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, der Haushalt istusgewogen. Dies zeigen die Hilfen für die Familien, dieinder, die Jugendlichen, die Senioren und natürlichuch die Frauen. Ich glaube, wir haben ein gutes Stückrbeit geleistet.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-lan 17 – Bundesministerium für Familie, Senioren,rauen und Jugend – in der Ausschussfassung. Hierzuiegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linkeor, über die wir zuerst abstimmen.Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-ache 16/3459? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –er Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der Frak-ion Die Linke mit den restlichen Stimmen des Hausesbgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-ache 16/3460? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –ieser Änderungsantrag ist ebenfalls gegen die Stimmener Linken mit den Stimmen des übrigen Hauses abge-ehnt.Wer stimmt für den Einzelplan 17 in der Ausschuss-assung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Derinzelplan 17 ist mit den Stimmen der Koalition bei Ge-enstimmen der Opposition angenommen.
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6466 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 21. November 2006
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerIch rufe auf:Einzelplan 15Bundesministerium für Gesundheit– Drucksachen 16/3114, 16/3123 –Berichterstattung:Abgeordnete Ewald SchurerNorbert BarthleDr. Claudia WintersteinDr. Gesine LötzschAnja HajdukHierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktionder FDP sowie zwei Änderungsanträge der Fraktion DieLinke vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-gin Dr. Claudia Winterstein, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die aktuelle Debatte um die Gesundheitsreformlässt mich an einen Ausspruch des geschätzten Altkanz-lers Helmut Schmidt denken. Er sagte:Nicht alle Reformen kosten Geld, und nicht alles,was Geld kostet, ist deshalb schon eine Reform.
Frau Ministerin, treffender könnte man Ihren Entwurfnicht bewerten. Sie haben ein Gesetz vorgelegt, das miteiner sinnvollen Gesundheitsreform wirklich nichtsmehr zu tun hat. Nur eines ist sicher: Das, was Sie Re-form nennen, wird sehr viel Geld kosten. Zahlmeistersind wie immer die Patienten. Schon 2007 wird es satteBeitragssatzsteigerungen in der gesetzlichen Kranken-versicherung geben. Trotz des um 1 Milliarde Euro er-höhten Steuerzuschusses werden den Krankenkassen zurDeckung ihrer Ausgaben über 6 Milliarden Euro fehlen.Das bedeutet einen Rekordbeitrag von 15 Prozent undmehr. Damit aber nicht genug! In den Anhörungen desGesundheitsausschusses hieß es, dass der Beitrag bis2009 sogar auf 16 Prozent und darüber hinaus steigenkönnte.
Noch stärker betroffen sind die Mitglieder der priva-ten Krankenkassen, die sich dank Ihres faulen Kompro-misses auf deutlich höhere Prämien einstellen müssen.
Erhöhung der Krankenkassenbeiträge, Erhöhung derRentenbeiträge – hier kommt es also zu keiner Absen-kung der Arbeitskosten. Durch die Mehrwertsteuererhö-hung tun Sie das Übrige zur Kostenexplosion im Ge-sundheitswesen.Sdlddgar1lKlzfstndzDunRldmnKähcGdwlmE
Geld, das als Einmaleffekt in das Gesundheitssystemließt, ist doppelt schädlich. Erstens wird der Druck ge-enkt, das System nachhaltig zu reformieren, und zwei-ens wird dadurch das strukturelle Haushaltsdefizitoch erhöht. Dabei sind wir uns doch – zumindest unteren Haushältern – einig, dass konjunkturell gute Zeitenur Haushaltskonsolidierung genutzt werden müssen.as sieht auch Ihr Chef Kurt Beck so, liebe Kolleginnennd Kollegen von der SPD-Fraktion. Ich zitiere aus sei-er Rede beim Arbeitgebertag am 7. November:Man kann nicht Mehreinnahmen, die dem Staatallein aufgrund konjunktureller Entwicklungen zu-sätzlich zur Verfügung stehen, für dauerhafte Aus-gaben verwenden. Damit wird ein neues Haushalts-risiko geschaffen.
echt hat er.Außerdem lassen Sie offen, wie die zusätzliche 1 Mil-iarde Euro genutzt werden soll. Ist das der Einstieg inie Kindermitversicherung aus Steuermitteln oder sollenit dem Geld weiter versicherungsfremde Leistungen fi-anziert werden? Die Äußerungen und Anträge aus deroalition waren im Haushaltsausschuss
ußerst widersprüchlich.Nach einigem Hin und Her begründen Sie die Erhö-ung nun mit „Aufwendungen für gesamtgesellschaftli-he Aufgaben“. Wenn das bedeuten soll, dass Sie die imesetzentwurf zur Gesundheitsreform vorgesehene Kin-ermitversicherung für GKV-Mitglieder vorziehenollen, dann stehen Sie mit dem Grundgesetz im Konf-ikt. Denn dann müssen Sie auch die Privatversichertenit einbeziehen.
ine Ungleichbehandlung wäre verfassungswidrig.
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Dr. Claudia WintersteinAuch Finanzminister Steinbrück windet sich mit Wor-ten. Im Interview mit der „Welt am Sonntag“ kündigt eran, bis 2008 die allgemeinen Zuschüsse zu beenden undim Gegenzug 2007 in die Kindermitversicherung einzu-steigen. Welche Maßnahmen Sie wann planen, wissenSie offenbar selbst noch nicht richtig.
Im Übrigen ist bei der Koalition völlig unklar, wie Sielang- und mittelfristig die Kindermitversicherung ausSteuermitteln finanzieren wollen, die 16 Milliarden Europro Jahr kosten wird. Die bisherigen GKV-Zuschüsse,die eigentlich über die Tabaksteuer fließen sollten, wa-ren schon auf Pump finanziert. Insofern ist die Frage be-rechtigt, wie Sie in Zukunft eine solide Finanzierung si-cherstellen wollen. Bisher sind Sie völlig planlos.Ihre Vorhaben werden viel Geld kosten. So viel stehtfest. Von einer Reform hingegen sind Sie noch immerweit entfernt. Das macht Ihr 582 Seiten starkes Papier-monster, das Sie „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbsin der Gesetzlichen Krankenversicherung“ nennen, deut-lich. Sie haben seltsame Vorstellungen darüber, wasWettbewerb bedeutet.In der Wirtschaft definiert man den Nutzen von Wett-bewerb als die Bereitstellung von bedarfsgerechten An-geboten an Gütern und Dienstleistungen zu möglichstniedrigen Preisen. Genau das wird aber durch den ein-heitlichen Dachverband der GKV und erst recht durchdie Festsetzung der Beiträge durch das Ministerium ver-hindert.
Die Krankenkassen können ihren Versicherten ebenkeine bedarfsgerechten Angebote unterbreiten. Vonniedrigen Beiträgen kann schon jetzt keine Rede mehrsein.Mit dem Gesundheitsfonds bauen Sie eine neue um-ständliche und überflüssige Bürokratie auf. Die Transpa-renz sinkt und die Kosten steigen. Fazit: Ihr Gesetzwürgt den Wettbewerb im Gesundheitswesen ab, stattihn zu stärken. Sie verhindern das notwendige Umsteu-ern in Richtung eines freiheitlichen Gesundheitswesens.Stattdessen gehen Sie den Weg in eine staatliche Ein-heitsmedizin. Der Sachverständigenrat zur Begutach-tung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat IhrenFonds sogar als „Missgeburt“ bezeichnet. Das ist hart,aber korrekt.Leider haben Sie kein Interesse an der Meinung vonExperten. Sie stellen sich einfach taub.Frau Ministerin, Sie haben hier im Deutschen Bun-destag gesagt: Ich bitte Sie, in den kommenden Wochenmit uns über diesen Gesetzentwurf zu diskutieren. – DieArt und Weise, wie Sie Ihre Reformen durchpauken wol-len, hat aber nichts mehr mit Diskussionskultur zu tun.Sie kennen ja die Kritik der Patientenverbände, derKrankenkassen und aller anderen Organisationen ausdem Gesundheitsbereich. Sie wissen, dass 90 Prozentder Bevölkerung Ihre Pläne ablehnen. Aber Sie habensich stur gestellt und über die Kritik hinweggesetzt, umeàASlnpdhFKdevD2sdrsggsdEEakGBEdlgpdddvrzmsasss
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– Hören Sie zu! Es ist auch für Sie erhellend. – Es stelltsich allerdings die Frage – wir Haushälter müssen siestellen –, ob und wie wir dies finanzieren können. Einesinnvolle Begrenzung der Lohnnebenkosten ist wei-terhin eine notwendige Zielsetzung dieser großen Koali-tion.
Dabei sind die bereits angekündigten Beitragserhöhun-gen der gesetzlichen Kassen sicherlich mit aller Ernst-haftigkeit zu betrachten. Umso mehr richtet sich meinBlick, verehrte Kollegin Winterstein, auf die kostenredu-zierenden Elemente in der vorliegenden Gesundheits-strukturreform,
also auf die Teile Struktur- und Finanzreform. Manmuss zunächst einmal feststellen, dass das Arzneimittel-versorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz, seit dem 1. Mai2006 in Kraft, über billigere Generika, über sinkendeFestpreise und beispielsweise durch manipulationsfreiePraxissoftware insgesamt Kostenvorteile in Höhe vonknapp 1,5 Milliarden Euro erwirtschaften soll. Die Ge-sundheitsreform selbst will die Effizienz im System stei-gern, Versichertenbeiträge künftig zielgenauer einsetzenund die Behandlungskette aus ambulanter Versorgung,Krankenhausversorgung, Reha und Pflege besser mitei-nander verzahnen sowie die Wahlmöglichkeiten der Ver-sicherten entsprechend erweitern. Alleine dadurch sollein Einsparvolumen von 1 Milliarde Euro generiert wer-den. Auch die Umstellung auf Höchstpreise, die Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln oder die Verord-nung teurer Medikamente in speziellen Zentren sollendazu führen, dass wir insgesamt gut 1,8 Milliarden Euroüber den Jahreszeitraum zusätzlich einsparen.Aus sozialdemokratischer Sichtweise wäre sicherlichein noch größeres Einsparpotenzial zu erschließen gewe-ssEspLnIwSfibdAkMkbzs–ktkmwUedtmdsGWhLwtgdEsMdmR
owie Beitragsbemessungsgrenze und Versicherungs-flichtgrenze um je 300 Euro angehoben worden wären.eider konnten wir an der Stelle vom Koalitionspartneroch keine Zustimmung erreichen.
ch bin optimistisch, dass das in der Zukunft nachgeholterden kann.
Der schrittweise Aufbau einer steuerfinanziertenäule in der GKV wurde innerhalb der Koalition eben-alls sehr unterschiedlich beurteilt. Ein solches Projektst nach meiner Meinung dann sinnvoll, wenn die Aufga-en, deren Übernahme als gesellschaftspolitisch notwen-ig erachtet wird, exakt definiert sind. Es geht also umufgaben, welche die Politik den Kassen überträgt oderünftig übertragen wird, zum Beispiel die beitragsfreieitversicherung der Kinder in der gesetzlichen Kran-enkasse. Im aktuellen Haushalt 2007 wird hierfür ne-en den ursprünglich geplanten 1,5 Milliarden Euro nunusätzlich 1 Milliarde Euro in das Kapitel 15 02 einge-tellt.
Diese 1 Milliarde Euro wird seriös aus dem Steuerauf-ommen finanziert.Diese Gesundheitsreform muss daran arbeiten, wei-ere Effizienzgewinne zu heben. Erste Ansätze zur Stär-ung der integrierten Versorgung bei Schwerstkrankenüssen – kein Zweifel – ausgebaut werden. Vorteile er-arte ich mir persönlich von der künftig konsequentenmsetzung des Hausarztmodells durch die Kassen undiner entsprechend breiten Inanspruchnahme dieses Mo-ells durch die Versicherten. Ich bin überzeugt, da könn-en Hunderte von Millionen Euro – wenn nicht nochehr – gespart werden. Von Bonusprogrammen, die aufer regelmäßigen Vorsorge der Menschen aufbauen, ver-preche ich mir ebenfalls große Effizienzgewinne in derrößenordnung von Hunderten von Millionen Euro.eitere Potenziale sehe ich auch darin, dass künftigoch spezialisierte Leistungen im Benehmen mit denändern ambulant auch an Krankenhäusern erbrachterden können.Ganz zum Schluss möchte ich noch etwas zum zen-ralen Instrument des Risikostrukturausgleiches sa-en. Er muss nach meiner Meinung so ausgestaltet sein,ass er den Kassen ermöglicht, ihren Aufgaben samt denrweiterungen des Leistungskataloges, wie jetzt be-chlossen, gerecht zu werden. Ohne einen umfassendenorbiditätszuschlag wäre dies nicht möglich. Nur wenner RSA auch künftig einen hundertprozentigen Einnah-eausgleich im Fonds sicherstellt, wird er den Namenisikostrukturausgleich auch verdienen.
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Ewald SchurerDas muss funktionieren, weil ich gar nicht daran denkenmöchte, was es bedeutet, wenn die Kassen ernsthaft unddauerhaft auf die Zusatzbeiträge zurückgreifen müssten.Das würde nach meiner Meinung den Wettbewerb fürdie gesetzlichen Kassen, die Volkskassen, deutlich er-schweren. Das möchte ich nicht. Es darf nicht passieren,dass gesetzliche Kassen als Volkskassen, die sie sind,
dadurch Nachteile haben, dass sie in wirtschaftlichschwierigen Regionen des Landes mehr Menschen, diearbeitslos sind, ältere Menschen oder kränkere Ver-sicherte versorgen müssen. Das darf nicht sein.
Der Haushalt 2007 und die mittelfristige Finanzpla-nung bieten wenig Spielraum für Experimente, wie sievon der Opposition vorgeschlagen worden sind. Ganz imGegenteil, ich als Gesundheitshaushälter leite ab: Die Si-cherung der Sozialsysteme hängt entscheidend davon ab,dass wir den Bundeshaushalt durch Entschuldung stabi-lisieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, erst aus derKombination von gezieltem Schuldenabbau und einergesicherten Gegenfinanzierung für künftige Maßnahmenim Gesundheitssystem ist es möglich,
mittel- und langfristig mit einer Steuerfinanzierungs-funktion das Gesundheitssystem wirksam zu unterstüt-zen und damit den Faktor Arbeit auch entsprechend zuentlasten.Als Hauptberichterstatter möchte ich mich bei allenBerichterstattern der Fraktionen, ganz besonders beimUnionskollegen Norbert Barthle, für die gute Zusam-menarbeit bedanken, ebenso bei der Ministerin für diesehr guten Vorlagen aus dem Gesundheitsministeriumsowie beim Finanzministerium für die gute Kooperationund für die fachgerechte Unterstützung bei der Aufstel-lung des Einzelplans 15, Gesundheit, für das Jahr 2007.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Frank Spieth, Fraktion Die
Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Kollege Schurer, es ist im-mer wieder erfreulich, Ihnen als Haushälter beim ThemaGesundheitspolitik zu lauschen. Ich frage mich nur, obdas, was Sie hier in vielen Passagen richtigerweise sa-gen, auch in Übereinstimmung zu bringen ist mit dem,was Ihr Koalitionspartner zur Gesundheitsreform geradeam Beispiel des Morbiditäts-, also des krankheitsorien-tierten Risikostrukturausgleichs gesagt hat. Ich stelledffdbAAzmehczu2GgssSWBdzdLtdgumiUgVgkrMscbdamKiJue2Eg
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6470 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 21. November 2006
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Nächster Redner ist der Kollege Norbert Barthle,
DU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Verehrte Frau Ministerin! Die jet-ige Debatte zeigt, dass mit der heutigen Lesung desinzelplans 15 die relativ aufgeregte Debatte um die Ge-undheitsreform noch nicht zu Ende sein wird. Um eintwas relativierendes Licht darauf zu werfen, möchte ichit einem Zitat in meine Rede einsteigen:Es ist nicht zu verkennen, dass für die Höhe derBeiträge [in der gesetzlichen Krankenversicherung]einmal eine Grenze gegeben ist, die aus volkswirt-schaftlichen und psychologischen Gründen nichtüberschritten werden sollte. So scheint mir, bleibtnur der Weg, durch eine Entlastung der Kranken-versicherung von Bagatellfällen einerseits die Kas-sen in die Lage zu versetzen, bei lang andauerndenund schweren Krankheiten wirksam zu helfen, an-dererseits die Beitragsbelastung in vernünftigenGrenzen zu halten.on wem stammt das wohl? Von Horst Seehofer? Vonlla Schmidt? Nein, weit gefehlt! 1958 stellte der dama-ige Arbeitsminister Theodor Blank fest, dass wir einemfassende Reform der gesetzlichen Krankenversiche-ung brauchen, bei eigentlich genau den gleichen Voraus-etzungen wie heute, allerdings unter anderen Gegeben-
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Norbert Barthleheiten: So lag das Wirtschaftswachstum bei 5 Prozent,überschuldete Haushalte waren Fremdworte usw.
Was lernen wir daraus? Ich glaube, diese große Koali-tion hat aus den bisher gemachten Erfahrungen gelerntund eine Reform vorgelegt, die unser Gesundheitssys-tem grundlegend erneuert und es damit zukunftsfestermacht sowie für mehr Transparenz, mehr Effizienz undmehr Wettbewerb steht. Deshalb kann sich diese Reformsehen lassen.Liebe Kollegin Winterstein, an dieser Stelle möchteich der FDP empfehlen, eine ordnungspolitische Debatteanzustrengen. Ich bin bisher immer davon ausgegangen,dass Sie von der FDP für mehr Wettbewerb sind. Des-halb verstehe ich jetzt nicht, weshalb die FDP gegendiese Gesundheitsreform ist. Vielleicht machen Sie sicheinmal schlau, was der Vorstandsvorsitzende der BKK inDeutschland, Ralf Sjuts, am vergangenen Sonntag in„Sonntag Aktuell“ geschrieben hat. Er sagt:Mit dieser Gesundheitsreform wird es für die Versi-cherten langfristig durch den Wettbewerb qualitativbessere Leistungen und zu günstigeren Preisen ge-ben.
Das ist die Leistung des Wettbewerbs, sehr verehrte FrauKollegin Winterstein. Warum die FDP dagegen ist,werde ich wohl mein Leben lang nicht verstehen.
Zu den fachpolitischen Auseinandersetzungen möchteich mich nicht vertiefend äußern, sondern jetzt als Haus-hälter reden. Nach Abzug des durchlaufenden Postens andie GKV verbleiben rund 425 Millionen Euro für denGesundheitsetat. Das ist in Relation zum Gesamthaushaltrelativ wenig. Dennoch hebt sich dieser Etat für 2007 et-was von den früheren ab. Das liegt schlicht und einfachdaran, dass ein Erweiterungsneubau in der Rochusstraßevorgesehen ist, der allein 16 Millionen Euro verschlingt.Im Rahmen eines Gesamtkontextes werden wir sicher-lich noch länger darüber diskutieren, wie wir damit ver-fahren. Mein Kollege Fromme hat heute Vormittag schondarauf hingewiesen, dass wir Haushälter die Debatte be-züglich der Dependancen in Bonn und der Einrichtungenhier in Berlin angestoßen haben.Zurück zum Haushalt: Der Gesamtetat des Einzel-plans 15 umfasst 2,9 Milliarden Euro. Der Zuschuss fürdie GKV wird jetzt richtigerweise als Zuschuss für diegesamtgesellschaftlichen Aufgaben der gesetzlichenKrankenversicherungen bezeichnet.
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uch der Sachverständigenrat hat sich ähnlich eingelas-en. Lassen Sie mich deshalb noch einmal in aller Ruheinen Blick auf die Faktenlage werfen; dann relativiertich vielleicht manches wieder.Rot-Grün hat diese Zuschüsse 2004 mit möglichenehreinnahmen aus der Tabaksteuer verknüpft undersprochen, diese Mehreinnahmen den GKVen als Zu-chüsse zukommen zu lassen.
ieser Schuss ging zugegebenermaßen nach hinten los.ie sah es nämlich aus? 2003 hatten wir Tabaksteuer-innahmen in Höhe von 14 Milliarden Euro. Nach derabaksteuererhöhung waren es gerade noch 13,6 Mil-iarden Euro. In den Folgejahren lagen die Einnahmenmmer um 2 bis 3 Milliarden Euro niedriger als erwartet.o werden sie auch 2007 über 3 Milliarden Euro niedri-er liegen als erwartet. Wir machen also nichts anderes,ls zu den Prinzipien der Haushaltswahrheit und Haus-altsklarheit zurückzukehren, indem wir diese Fehlein-chätzung der Vergangenheit korrigieren und den Etatieder auf ordentliche Beine stellen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es scha-et dem Ansehen der Politik insgesamt nicht, wenn wirine Fehleinschätzung eingestehen und dann die richti-en Schlüsse ziehen und diese Fehleinschätzung korri-ieren. Deshalb sage ich an dieser Stelle auch an dierankenkassen: Ich wäre froh, wenn endlich dieses La-entieren darüber aufhören würde, dass aufgrund derbsenkung der Steuerzuschüsse jetzt die Beiträge erhöhterden müssen, damit die 1,5 Milliarden Euro zur Ver-ügung gestellt werden können.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Bahr?
Aber immer, gerne.
Herr Kollege Barthle, können Sie mir bitte einmalolgendes erklären: Sie sagten, da die Tabaksteuerein-ahmen nicht so hoch ausgefallen seien, wie Sie erwartet
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Daniel Bahr
hätten, hätten Sie den Zuschuss für die Krankenkassenstreichen müssen. Heißt das, dass Sie die Hoffnung ha-ben, dass die Menschen sich weiterhin gesundheits-schädlich verhalten und mehr rauchen, damit Sie mehrGeld in die Krankenversicherung geben können? Ist dasdie Logik, die hinter diesem Zuschuss steckt?
Denn das Geld fehlt ja offensichtlich, weil sich die Men-schen gesundheitsbewusst verhalten haben.
Herr Bahr, ich kann Ihnen die Logik gerne noch ein-mal erklären. Wenn man die Zusage, die Steuermehrein-nahmen aus der Tabaksteuererhöhung der GKV zur Ver-fügung zu stellen, ernst nimmt, dann müsste der Bundeigentlich von den Krankenkassen Geld zurückfordern,da die Erhöhung eben nicht zu Mehreinnahmen, sondernzunächst einmal zu einem Rückgang der Einnahmen ge-führt hat.
Auch heute liegen die Mehreinnahmen weit unter dem,was erwartet worden war. Dass wir logisch handeln, se-hen Sie daran, dass wir diese Fehleinschätzung der Ver-gangenheit korrigieren und das Ganze den Fakten ent-sprechend wieder auf die Beine stellen. – HerzlichenDank.
Prinzipiell entspricht der Weg einer verstärkten Steu-erfinanzierung innerhalb des GKV-Systems, den wirjetzt beschreiten, dem, was alle kundigen Thebaner unsraten, weil wir damit zumindest einen Einstieg in dieEntkoppelung unserer sozialen Sicherungssysteme vomLohneinkommen schaffen. Das ist das, was wir alle wol-len,
weil es zu einer gerechteren Finanzierung unserer sozia-len Sicherungssysteme führt. Denn die Steuereinnahmensind nach der Leistungsfähigkeit gestaffelt; das heißt, dieBankerin zahlt mehr als der Gebäudereiniger.
Derjenigen Kasse, die jetzt noch argumentiert, Bei-ragserhöhungen seien eine Folge des Entzugs von Steu-rmitteln, muss ich sagen, dass ich einer solchen Logikicht folgen kann. Ich fordere deshalb alle Kassen auf,ieses Lamentieren endlich einzustellen, stattdessen diehancen zu ergreifen und zu nutzen, die in mehr Wettbe-erb und mehr Transparenz bestehen, und sich entspre-hend zu positionieren.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch kurz einenlick über den Tellerrand des Gesundheitsetats werfen,nd zwar auf die Frage unserer Sozialabgaben, unsererohnnebenkosten, was durchaus in diesem Zusammen-ang zu sehen ist. Heute Vormittag wurde an diesertelle bereits darüber debattiert. Ich habe festgestellt,ass die Opposition sich schon da nicht ganz auf demoden der Tatsachen bewegt hat. Denn wie sieht es 2007us? Die Rentenversicherungsbeiträge steigen auf9,9 Prozent. Die Arbeitslosenversicherungsbeiträge ha-en wir auf 4,2 Prozent abgesenkt. Hinzu kommt dieflegeversicherung mit 1,7 Prozent. Wenn ich dann nochie Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von, Steige-ung inbegriffen, 13,9 Prozent auf Arbeitgeberseite hin-urechne und den Arbeitnehmeranteil von 0,9 Prozentbziehe, dann addiert sich das auf eine Summe von9,7 Prozent. Das heißt, wir werden bereits nach zweiahren Arbeit in der großen Koalition das angestrebteiel, die Lohnnebenkosten auf unter 40 Prozent zu sen-en, im kommenden Jahr erreichen. Das ist eine groß-rtige Leistung der großen Koalition und ein Erfolg, denuch die Opposition nicht einfach kleinreden kann. Miter Absenkung der Lohnnebenkosten erhöhen wir diehance, dass mehr Arbeitsplätze geschaffen werden undass damit noch mehr Menschen in Arbeit kommen. Dierwähnung dieses Erfolges sollte man nicht hintanstel-en.
Noch eine Bemerkung zu den einzelnen Positionenm Einzelplan 15. In diesem Etat sind allein 140 Millio-en Euro für Personalkosten vorgesehen; das ist derrößte Brocken des ministeriellen Etats. Damit werdenm Ministerium und in fünf nachgeordneten Behörden400 Stellen finanziert. Wir Haushälter werfen immerinen kritischen Blick auf die Personalkosten. Wir muss-en in diesem Jahr zwar einige neue Planstellen akzeptie-en, weil die Begründung stichhaltig und überzeugendar – wir wollen ja mit Sorgfalt und nicht mit Unein-ichtigkeit vorgehen –, aber wir sagen, dass wir aufange Sicht an dieser Stelle eine konstruktive Aufgaben-ritik betreiben werden.Man muss betonen, dass der Bundesrechnungshof Ihraus, Frau Ministerin, ausdrücklich gelobt hat. Er hat
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Norbert Barthlenur eine einzige kritische Erwähnung vorgenommen, diedie Insellösungen bei den Personal- und Stellenverwal-tungssystemen betrifft. Wir sollten einmal miteinandersprechen, ob man die Anregungen des Bundesrech-nungshofes an dieser Stelle nicht aufgreifen kann.Darüber hinaus haben wir innerhalb des Etats einigeSchwerpunkte gesetzt. Darüber waren der KollegeEwald Schurer und ich uns sehr einig. Das betrifft zu-sätzliche Mittel für die Aids-Aufklärung und zusätzlicheMittel für die Prävention, für die 3 Millionen Euro zurVerfügung stehen. An dieser Stelle muss man immerwieder betonen: Die meisten Krankheiten werden nichtangeboren, sondern stellen sich im Laufe des Lebens ein.Prävention ist immer noch das beste Mittel, um Krank-heiten zu vermeiden. Deswegen werden dafür auch mehrMittel zur Verfügung gestellt.
Selbstverständlich stehen wir auch an der Seite desGesundheitsministeriums, wenn es darum geht, für even-tuell drohende Gefahren Vorsorge zu treffen. Ich nennein diesem Zusammenhang nur die Stichworte Bioterroroder Pandemien wie Vogelgrippe. Heute konnten wir inder Zeitung lesen, dass die Vereinigten Staaten Impf-stoffe in einem Wert von 200 Millionen Dollar bestellthaben. Wir geben dafür in fünf Jahren nur 20 MillionenEuro aus. Auch wenn wir uns auf einem vergleichsweiseniedrigen Niveau befinden, ist die Sicherheit gewährleis-tet. Trotzdem sollten wir diesen Punkt im Auge behalten.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Birgitt Bender,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HerrKollege Barthle, ich darf Ihrem politischen Gedächtnisetwas auf die Sprünge helfen. Die Koalition, der Sie an-gehören, ist angetreten, um die Lohnnebenkosten zu sen-ken. Was aber haben Sie gemacht? Die größte Steuer-erhöhung nach dem Krieg!
Sie haben es gerade einmal geschafft, die Beiträge zurArbeitslosenversicherung zu senken. Die Beiträge in derRentenversicherung und in der Krankenversicherungsteigen aber.
Warum steigen sie? Vor allem deswegen, weil Sie selbstein Milliardenloch an dieser Stelle geschaffen haben.Es ist natürlich richtig, was meine Kollegin heuteMorgen gesagt hat. Sie fahren hier einen Zickzackkurs:rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln.DeEdddshrRdrdWbhdrtIznrSkDcücdthWuDswsd
enn Sie haben für 2007 wieder 1 Milliarde Euro Steu-rmittel eingestellt. Man weiß aber nicht, was 2008 wird.s bleibt dabei, dass Sie eine Lücke durch Abschaffunges Steuerzuschusses verursacht haben. Damit tragen Sieazu bei, dass die Lohnnebenkosten steigen. Warum Sieas getan haben, müssen Sie einem vernünftigen Men-chen erst einmal erklären.
Herr Kollege, da Sie es mit der Seriosität in der Haus-altspolitik haben, sollten Sie Ihre Kollegen aus dem Be-eich Gesundheit einmal fragen, warum sie bei diesereform davon sprechen, es sei ein Steuerzuschuss fürie Kindermitversicherung geplant, obwohl das eineeine Luftbuchung ist. Denn nirgendwo – auch nicht iner mittelfristigen Finanzplanung – ist dies ausgewiesen.enn man ein solches Vorgehen seriös nennt, dann ha-en wir einen verschiedenen Begriff von Seriosität.
Wir reden nicht nur über den Haushalt des Gesund-eitsministeriums, sondern wir befinden uns inmittenes parlamentarischen Verfahrens zur Gesundheits-eform. Wir haben viele Stunden Anhörung gerade hin-er uns.
ch frage mich, ob die Koalition bereit ist, etwas darausu lernen. Denn es hat sich doch gezeigt, dass es nichtur Kritik, wie das zugegebenermaßen bei jeder Anhö-ung der Fall sein mag, gab, sondern dass Sie von allenachverständigen auf der ganzen Fläche zu hören be-ommen haben, dass es so nicht geht.
as war ein Desaster für die Koalition.Ich will das an einigen wenigen Punkten deutlich ma-hen, zunächst am Zusatzbeitrag. Ich rede gar nichtber soziale Gerechtigkeit und die Belastung der Versi-herten. Ich rede darüber, dass die Koalition sagt, mitem Zusatzbeitrag solle es Wettbewerb der Kassen un-ereinander geben. Was haben wir in der Anhörung ge-ört? Dieser Wettbewerb wird nichts anderes sein als einettrennen der Kassen um Gutverdienende, Kinderlosend Gesunde.
enn es werden die Kassen mit vielen einkommens-chwachen und kinderreichen Mitgliedern sein, die, ob-ohl sie keineswegs schlecht wirtschaften – vielleichtogar besser als andere Kassen –, durch die Erhebunges Zusatzbeitrages in den Ruin getrieben werden,
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Birgitt Bender
weil sie ihr besseres Wirtschaften gar nicht realisierenkönnen.
Das haben Ihnen die Experten – Sie selber habenHerrn Rürup und Herrn Fiedler eingeladen – schon imVorfeld der Anhörung gesagt und sie haben es auf derAnhörung wiederholt. Wenn Sie also bei der Einführungdes Zusatzbeitrages bleiben, dann muss man dieserKoalition vorwerfen, dass sie das Krankenversiche-rungssystem sehenden Auges schwer beschädigt unddies lieber tut, als einen mühsam herbeigeführten Kom-promiss wieder aufzuschnüren. Das gereicht Ihnen nunwirklich nicht zur politischen Ehre.
Ein weiterer Punkt. Sie führen letztlich das Verschul-densprinzip in die gesetzliche Krankenversicherungein. Es ist ja richtig, was Sie, Herr Barthle, vorhin sag-ten, nämlich dass die Mehrzahl der Krankheiten nichtangeboren ist. Aber was schließt man denn daraus? DieKoalition führt die Regelung ein, wonach Krebskrankein Zukunft die vollen Zuzahlungen für Arzneimittel,Krankenhausaufenthalte und weitere Leistungen zu tra-gen haben, wenn sie nicht regelmäßig bei Früherken-nungsuntersuchungen waren. Das ist zynisch. Es ge-hört nicht viel dazu, das zu erkennen.Aber die Sachverständigen haben Ihnen auf der An-hörung Weiteres ins Stammbuch geschrieben, nämlichdass nicht alle Früherkennungsuntersuchungen per segut sind. Die Stiftung Warentest hat 50 davon unter dieLupe genommen und ist zu dem Ergebnis gekommen,dass 36 der angebotenen Untersuchungen per se unge-eignet und 13 eingeschränkt geeignet sind. Gerade ein-mal eine Untersuchung hat sie als geeignet befunden.Das heißt doch, dass die Politik vor allem die Aufgabeder Qualitätssicherung hat und nicht Pädagogik mit demRohrstock betreiben sollte.
Im Übrigen müssen sich Versicherte auch gegen dieTeilnahme an einer solchen Untersuchung entscheidenkönnen, weil dies immer eine Risikoabwägung bedeutet.Es wundert mich, dass gerade die Union, die jüngst wie-der bürgerliche Werte hochhalten wollte, beispielsweisedie Entscheidung einer mündigen Patientin mit finan-ziellen Sanktionen belegen will. Das ist schon sehrmerkwürdig.Schließlich geht es darum, dass die tatsächliche Zu-gänglichkeit zu qualitätsgesicherten Früherkennungs-untersuchungen verbessert werden muss, weil es näm-lich eher die sozial Benachteiligten sind, die diese nichtin Anspruch nehmen. Es zeigt sich, dass beispielsweisebei einem Bonusprogramm, wie es die AOK Baden-Württemberg – übrigens durch die Möglichkeiten, diemit der letzten Gesundheitsreform geschaffen wurden –aufgelegt hat, 89 Prozent der an diesem Programm Teil-nehmenden auch zu Krebsfrüherkennungsuntersuchun-gen gehen. Wenn man eine solche breite Teilnahme will,dsBBespEdIhsDthsegtrkzubMskdhdsEgrnlddsd8iseÜhrKIne
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Birgitt Benderwir in der Anhörung erlebt. Selbst bezüglich des Kern-stücks der Reform – das ist der berühmte Gesundheits-fonds – müssen Sie sich von den Anhängern solcher Lö-sungen sagen lassen, dass die jetzige Ausgestaltung esnicht bringt. Der Fonds taugt allenfalls als politischesWartehäuschen für die politische Regenzeit, die Sie of-fenbar in dieser Koalition erleben. Ich sage Ihnen: Werpolitisch gestalten will, muss auch bereit sein, sich gele-gentlich nasse Füße zu holen.Danke.
Das Wort hat jetzt die Bundesministerin für Gesund-
heit, Ulla Schmidt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir beraten heute über den Einzelplan 15. Wir haben
schon viel darüber gehört, dass der Haushaltsausschuss,
der eine Beschlussempfehlung abgegeben hat, auch in
den letzten Beratungen noch dazu beigetragen hat, den
Haushalt aufzustocken. Ich glaube, das war eine gute
Entscheidung. Die Entscheidung, die Steuerzuschüsse zu
streichen, hat nichts mit der Gesundheitsreform, sondern
mit haushaltspolitischen Entscheidungen zu tun.
Dass die Finanzierung im Prinzip an das Tabaksteuer-
aufkommen geknüpft war,
hatte etwas mit den Entscheidungen zu tun, die die Grü-
nen forciert und mitgetragen haben. Dafür ist nicht die
jetzige Bundesregierung verantwortlich gewesen. Ich
bin dafür, die Zusammenhänge so darzustellen, wie sie
tatsächlich sind. Ich bin daher froh, dass mit der Gesund-
heitsreform ein Weg gefunden wurde, der unabhängig
vom Aufkommen der Tabaksteuer oder einer anderen
Steuer gegangen werden kann. Wir wollen zur Finanzie-
rung des Gesundheitssystems eine zweite Säule auf-
bauen, die steuerfinanziert ist. Als wichtigen Schritt
haben wir daher beschlossen, dass der Steueranteil
14 Milliarden Euro ausmachen soll. Das sind immerhin
10 Prozent der heutigen Ausgaben des Gesundheitswe-
sens.
Wir werden diese Säule Schritt für Schritt aufbauen.
Die Tatsache, dass die Koalition in der Lage und bereit
war, jetzt aufgrund der besseren finanziellen Ausgangs-
situation für das kommende Jahr 1 Milliarde Euro mehr
als ursprünglich geplant aufzuwenden, zeigt, dass der
Wille zu einer stabilen Finanzierung vorhanden ist.
Ich werde oft gefragt: Wozu dient das Geld? Ich ant-
worte dann: Es dient auch zur Abgeltung der gesamtge-
sellschaftlichen Aufgaben,
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ie, Herr Kollege Bahr, nur die gesetzlich Krankenversi-
herten in diesem Lande finanzieren, während sich die
rivat Versicherten und diejenigen, die überhaupt nicht
ersichert sind, daran bis heute nicht beteiligen.
azu gehören familienpolitische Leistungen, die bei-
ragsfreie Mitversicherung von Kindern, Haushaltshilfen
nd vieles andere mehr. Dafür werden wir Steuermittel
ufwenden;
enn heute ist es so, dass nur Kinderlose, die Mitglied
iner gesetzlichen Krankenversicherung sind, an der
inanzierung der beitragsfreien Mitversicherung für
inder beteiligt sind. Wer privat versichert ist, beteiligt
ich bis heute nicht daran. Hier wollen wir ein Stück
ehr Gerechtigkeit schaffen. Das ist der richtige Weg.
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Niebel?
Ja, bitte.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Können Sie bestäti-
en, dass Eltern in der privaten Krankenversicherung je-
es Kind einzeln versichern müssen? Wenn Sie das be-
tätigen können: Würden Sie mir den Unterschied bei
er Behandlung von Kindern gesetzlich Versicherter und
rivat Versicherter nach Ihrem Konzept erklären?
Herr Kollege Niebel, Sie müssen Folgendes sehen:Erstens. In die Privatversicherung werden – die An-örung hat das noch einmal deutlich gemacht – grund-ätzlich nur diejenigen aufgenommen, die gesund sind,ie über ein hohes Einkommen verfügen oder verbeam-et sind.
emgegenüber werden die Risiken – Behinderungennd Krankheiten auch von Kindern – von den gesetzlichersicherten in diesem Land getragen.
Zweitens. Alle Bundesregierungen haben entschieden,ass die gesetzlichen Krankenkassen viele gesamtpoliti-che Aufgaben, die man auch über Leistungsgesetze re-eln könnte, erfüllen müssen. Wenn die entsprechenden
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Bundesministerin Ulla SchmidtLeistungen – zum Beispiel für Haushaltshilfen, die ein-springen, wenn Eltern erkrankt sind – über Leistungsge-setze geregelt würden, müssten sie ebenfalls über Steu-ern finanziert werden. Deshalb ist es richtig, dass alle ander Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben,die originär nichts mit Krankheit zu tun haben – etwa dieUnterstützung von Familien, die in eine schwierige Si-tuation geraten, weil ein Elternteil krank wird –, beteiligtwerden. Deshalb hat sich die Koalition dafür ausgespro-chen, dass die Finanzierung gesamtgesellschaftlicherAufgaben, die bisher nur über die Beiträge der gesetzlichVersicherten getragen werden, eine Angelegenheit dergesamten Bevölkerung sein soll und dass sich alle – auchdiejenigen, die nicht gesetzlich versichert sind – daranbeteiligen.
Ich bedanke mich beim Haushaltsausschuss und beiden Berichterstattern dafür, dass sie diesen Haushalt er-möglicht haben.
Die Berichterstatter haben im Haushaltsausschuss einklares Signal gesetzt: Trotz der schwierigen finanziellenLage fördern wir weiterhin den Gedanken der Präven-tion. Man kann lange darüber diskutieren, ob die Einfüh-rung der Kapitaldeckung und viele andere Maßnahmendie richtige Antwort auf eine älter werdende Gesell-schaft sind. Eines ist jedenfalls klar: Investitionen in Ge-sundheitsvorsorge und Prävention sind in einer Gesell-schaft des längeren Lebens, in der die Menschen solange wie möglich gesund leben und so aktiv wie mög-lich alt werden wollen, entscheidend.Deshalb ist es auch richtig, neben dem Werben fürmehr Bewegung und gesunde Ernährung mehr Mittel inMaßnahmen zu investieren, die dazu führen, dass weni-ger Menschen rauchen. Ich halte es für ein gutes Signal,dass die Mittel für diese Maßnahmen um 2 MillionenEuro aufgestockt wurden. Wir würden ein entscheiden-des Stück vorankommen, wenn der Bundestag mit einemGesetz dem Nichtraucherschutz in Deutschland einstärkeres Gewicht beimessen würde und wenn es uns ge-länge, die Unterstützung des Bundesrates dafür zu ge-winnen. Ich würde das aus gesundheitspolitischer Sichtsehr begrüßen.
Ich möchte mich auch dafür bedanken, dass wir dieMittel für die Aufklärung über HIV/Aids aufstockenkonnten. Ich glaube, dass die Gefahren, die von HIV/Aids ausgehen, in der Gesamtgesellschaft immer nochunterschätzt werden. Wir müssen weiterhin viel tun, da-mit klar wird, dass nur Prävention, also Schutz, ein wirk-sames Mittel ist. Leider glauben viele junge Menschen,dass es gute Medikamente gegen Aids gebe, und ver-nachlässigen die Prävention. Wir werden den Kampf ge-gen HIV/Aids in Zusammenarbeit mit anderen europäi-sTigWid4dTuZbWmdsbHevheEzmJSSwktSsgM„wEtiL
Frau Kollegin Winterstein, in der Debatte habe ichon der FDP – Herr Bahr folgt ja noch – so einiges ge-ört. Ich hätte es gut gefunden, wenn Sie sich für irgend-twas entschieden hätten.
ntweder stimmt, dass wir in den kommenden Jahrenusätzliche Milliarden ins Gesundheitswesen steckenüssen, oder, dass die Menschen in den kommendenahren keine Leistungen mehr bekommen.
ie führen eine Debatte nach dem Motto – Herr Bahr,ie schreiben entsprechende Briefe –: Die Leistungenerden gekürzt; die Ärzte und die Krankenhäuser be-ommen kein Geld; die Menschen erhalten keine Leis-ungen mehr; aber alles wird teurer. Insoweit kann ichie nur auf Ihren Mathematikunterricht zurückverwei-en; denn Ihren Ausführungen kann ich nicht ganz fol-en.
an kann natürlich sagen: Das gehört ins Programm derBar jeder Vernunft“ und ist wert, dort aufgeführt zuerden.
Herr Spieth, Sie sprechen hier von 10 Milliardenuro. Hat eigentlich einer von Ihnen, die Sie die Debat-en unterstützen, die auch von den Verbandsvertreternnitiiert werden, darüber nachgedacht, was in diesemande eigentlich los wäre, wenn es stimmen würde, dass
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Bundesministerin Ulla Schmidtjedes Jahr 10 oder 15 Milliarden Euro zusätzlich in diegesetzliche Krankenkasse fließen müssten, um Gesund-heitsversorgung zu organisieren?
Ich glaube, dass man über die Risiken reden muss.Aus Gründen der Redlichkeit muss man aber auch Fol-gendes sagen – ich richte das an die Adresse der Ver-bandsvertreter der Krankenkassen –:Erstens. Wir haben in diesem Jahr erstmals wiedersteigende Einnahmen, weil wir ein Mehr an sozialversi-cherungspflichtiger Beschäftigung haben. Das kommtals Plus in der Rentenversicherung und in der Bundes-agentur für Arbeit an und auch als Plus in den gesetzli-chen Krankenversicherungen. Das ist mehr als das, waswir und die Wirtschaftsweisen vor drei Monaten pro-gnostiziert haben.Zweitens. Zu Beginn dieses Jahres drohte eine Steige-rung der Arzneimittelausgaben um 2 Milliarden Euro.Mit unserem Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaft-lichkeit in der Arzneimittelversorgung haben wir dafürgesorgt, dass jetzt, nach dem dritten Quartal, praktischkeine Steigerung der Arzneimittelausgaben eintritt.Auch das kann man quasi als Zusatzeinnahme werten.Drittens. 1 Milliarde Euro mehr Steuermittel.Viertens. Für das nächste Jahr haben wir – konserva-tiv gerechnet – Einsparungen von 1,3 Milliarden Eurobeschlossen. Herr Kollege Spieth, irgendwann werdensich auch die Vorsitzenden der Krankenkassen einmaldafür zu verantworten haben, wohin das Geld fließt,wenn es nicht in die Versorgung kranker Menschenfließt.
Was soll der Gesetzgeber denn tun, wenn auf der an-deren Seite, vor Ort, auf diese Entwicklungen offensicht-lich nicht reagiert wird? So geht das nicht! Vor diesemHintergrund kann in diesem Land keine seriöse Debattedarüber stattfinden, welche Reformen notwendig sind,um eine gute Gesundheitsversorgung für die Menschenin Ost und West, in der Stadt und auf dem Land sicherzu-stellen. Diese Debatte wollen einige immer noch nichtführen.
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Spieth?
Das führt zu weit.
Wenn Sie glauben, dass man den Kritiken der Lobby-verbände – –
–hGlIaBdsslbhawvE„ph1rgsttlDdWllnngsnhmtnWhsS
amals waren Sie von der FDP in der Regierung.
Sie können das bis zum Beginn des letzten Jahrhun-erts zurückverfolgen.
enn man sich als Politiker oder Politikerin darauf ein-ässt, dass man diese Schlagworte als Argumente wirkenässt, dann hat man verloren. Aber man hat in Wahrheiticht selber verloren. Verloren haben vielmehr 82 Millio-en Menschen, die darauf angewiesen sind, dass wir ge-en die Interessen der Lobbyisten angehen, die, obwohlie die Sorge um den Patienten im Mund führen, immerur kämpfen, um ein größeres Stück vom Kuchen zu er-alten, der im Gesundheitswesen verteilt wird. Wennan den Lobbyisten folgt, haben die Patienten und Pa-ientinnen verloren. Ich sage Ihnen: Wir werden dasicht machen.
ir werden darauf achten, dass wir eine gute Gesund-eitsversorgung in diesem Land gegen die Lobbyinteres-en durchsetzen.Lassen Sie mich zum Schluss sagen, Herr Kollegepieth: Mich hat gewundert, dass Sie hier von Berichten
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Bundesministerin Ulla Schmidtsprechen, gesetzlich Krankenversicherte würden imKrankenhaus nicht ordentlich behandelt.
Die gesetzlich Krankenversicherten erhielten keine Ter-mine. Dies alles liege an den Lobbyinteressen.
Ich frage Sie jetzt einmal – Sie sind Verwaltungsratvor-sitzender der AOK in Thüringen –:
Was tun Sie in Ihrer Krankenkasse, um die Interessen derVersicherten zu vertreten, und was tun Sie, um die Inte-ressen der Versicherten durchzusetzen, wenn es für sieeine andere Behandlung gibt? Das müssen Sie sich ein-mal fragen lassen.
– Die Krankenkassen wurden nicht gegründet, um irgend-etwas auszubaden. Die Krankenkassen führen im Mo-ment mehr Diskussionen darüber, ob aus sieben Spitzen-verbänden einer wird, und wehren sich dagegen, dass beiden Finanzströmen Transparenz einzieht, damit die Ver-sicherten besser sehen können, wie die Krankenkassenmit ihren Geldern umgehen und welche Versorgungsan-gebote sie organisieren.
Das bringt uns nicht nach vorne.Ich sage Ihnen: Wir – auch ich – werden den Kampfdarum führen, dass die Krankenkassen das tun, wofür sieda sind, nämlich die Interessen der Versicherten zu ver-treten und dafür zu sorgen, dass so etwas nicht vor-kommt. Denn das Gesetz erlaubt nicht, dass Menschen,die gesetzlich krankenversichert sind und hohe Beiträgezahlen, bei den Ärzten und Ärztinnen oder in Kranken-häusern schlechter behandelt werden als die Privatpa-tienten. Wenn Sie dabei mitmachen, sind Sie bei unswillkommen. Aber sich hier hinzustellen, das anzugrei-fen und selbst in einer verantwortlichen Position zu sein,das ändern zu können, das geht nicht.
Wir werden die Debatte weiterführen. Natürlich wer-den die Koalitionsfraktionen nach den Anhörungen aneinigen Stellen Änderungen des Gesetzentwurfes aufden Weg bringen, wo man ihn besser formulieren kann.Man führt Anhörungen ja durch, damit man erfährt, woetwas zu Entwicklungen führen könnte, die man nichtwill. Wir werden jedoch nicht davon abrücken, dass wirdiese Reform brauchen.awIwsnbjtmssimdKicsnnt–VsSs–Dt
ch möchte von einem Einzigen hören, was passierenürde, wenn wir die unverantwortliche Forderung, wirollten es ganz sein lassen, erfüllen würden.
Um auf Ihre Krankenkasse einzugehen, sage ich Ih-en: Der AOK-Bundesverband ist der Auffassung, wirrauchten keine Reform. Es sei genug getan, wenn wiredes Jahr 10 Milliarden Euro mehr in das System inves-ierten. Aber ich sage Ihnen: Wer so etwas fordert, deruss gleichzeitig sagen, dass er nicht will, dass für un-ere Kinder in Zukunft weiterhin das gilt, was für unselbstverständlich war: dass man dann, wenn man krankst, unabhängig von der Höhe des Einkommens eine guteedizinische Versorgung erhält. Wer so etwas fordert,er fährt das System gegen die Wand.Vielen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem
ollegen Spieth.
Auch wenn es der SPD-Fraktion nicht gefällt, mussch Ihnen, Frau Ministerin, Folgendes sagen:Erstens. Ich finde es interessant, wenn Privatversi-herte über die gesetzliche Krankenversicherung philo-ophieren und dabei sehr deutlich zeigen, wie viel Ah-ung sie davon haben. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zuehmen, dass die AOK Thüringen, in deren Verwal-ungsrat ich ehrenamtlich tätig bin
ich bin allerdings nicht der Vorsitzende –, die höchsteersichertenzufriedenheit aller deutschen Krankenkas-en vorweisen kann.
ie sollten sich von Ihrem großen Apparat wirklich bes-er informieren lassen.
Sie können jetzt so laut herummaulen, wie Sie wollen.as, was ich gesagt habe, ist eine Tatsache, die von Drit-en und nicht etwa von uns festgestellt wurde.
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Frank SpiethZweitens. Manchmal hat man wirklich den Eindruck,als wollten Sie uns in Ihrem Redebeitrag potemkinscheDörfer zeigen: Die erwarteten Defizite, die im kommen-den Jahr zu verzeichnen sein werden und die Sie nochvor kurzem selbst beschrieben haben, haben Sie auf ein-mal auf wundersame Art und Weise wegdekliniert. Es istdoch so, dass Sie die Beiträge im nächsten Jahr erhöhenwollen, weil Sie genau wissen, dass die Krankenkassenmit den vorhandenen Mitteln nicht auskommen. AberSie vermitteln den Eindruck, als stimme das nicht, undwerfen uns vor, wir würden auf eine Art und Weise agi-tieren, die zumindest unsolide sei. Den Finger, den Sieauf andere richten, sollten Sie sich einmal genau anse-hen. Denn drei Finger derselben Hand deuten auf Sieselbst zurück.
Drittens. In seiner Antwort auf unsere Kleine Anfragegeht Ihr Ministerium selbst davon aus, dass im kommen-den Jahr, im Jahre 2007, Einnahmeausfälle bzw. Zusatz-belastungen in Höhe von round about 7 Milliarden Euroentstehen werden. Wenn ich das Ergebnis Ihrer eigenenBerechnungen hier vortrage, Sie dann aber behaupten,diese Aussage sei falsch, dann fällt das, was den Wahr-heitsgehalt Ihrer Antwort betrifft, auf Sie zurück.Viertens. Der Abgeordnete Professor Lauterbach– weiß Gott kein Unbekannter in diesem Hause – be-hauptet, dass sich die Defizite, die im kommenden Jahrentstehen werden, in einer Größenordnung von 10 Mil-liarden Euro bewegen. Ist das alles falsch? Ist das allesnur das Wunschdenken der Opposition? Frau Ministerin,ich glaube, hier sind Sie jenseits der Realität.
Frau Ministerin, Sie können antworten.
Herr Kollege Spieth, ich bin alles andere als jenseitsder Realität.
Ich habe ganz klar gesagt: Wenn man über dieses Themadiskutiert, muss man auch zur Kenntnis nehmen, dasswir entgegen den Schätzungen zur finanziellen Situationeine positive Entwicklung zu verzeichnen haben unddass Verbesserungen festzustellen sind. Mehr erwarteich auch von den Krankenkassen nicht.Es ist ein Beschäftigungszuwachs zu verzeichnen.Das dritte Quartal wurde nach allen Zahlen, die bishervon den Kassen vorliegen, mit einem Plus abgeschlos-sen. Im vierten Quartal wird die zweite Zahlung derSteuermittel für dieses Jahr in Höhe von 2,1 Milliar-den Euro erfolgen. Ebenfalls sind im vierten Quartal dieZuwächse im Zusammenhang mit den Einmaleinnahmenzu berücksichtigen. Ich habe gesagt, dass das AVWG,das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit inder Arzneimittelversogung, größere Auswirkungen hat,ar–SwwKsWlsWd–dKdfsgawaesdkIsvknzAzWw
Ich glaube, Sie von der Linken waren gegen diesespargesetz. – Wir wollen nämlich nicht den Eindruck er-ecken, es seien mehr Einsparungen vorgenommenorden, als es tatsächlich der Fall war.Der erste Fakt ist: Angesichts dessen, dass wir denrankenkassen 1 Milliarde Euro mehr zur Verfügungtellen, muss man zur Kenntnis nehmen, dass sich derorst Case, nämlich ein Risiko in Höhe von 5 Mil-iarden Euro, verringert hat.Der zweite Fakt ist: Die Beiträge erhöhen nicht wir,ondern die Krankenkassen.
er erhöht denn nächstes Jahr die Beiträge? Das sindoch nicht wir!
Das, was ich gesagt habe, ist richtig. Denn ich stehe zuem, wofür ich jetzt verantwortlich gemacht werde.
Ich sage noch einmal: Das GMG war nötig, weil dierankenkassen mit mehr als 8 Milliarden Euro verschul-et waren und die Schulden abbauen mussten. Das ist er-olgreich angegangen worden; aber es gibt noch Rest-chulden. Wir werden jetzt noch einmal zwei Jahre Zeiteben, damit die Krankenkassen die restlichen Schuldenuf einem vernünftigen Weg abbauen. Selbstverständlichird es dazu auch Beitragsanhebungen geben müssen,ber nur bis die Altschulden abgebaut sind.Deshalb, Kollege Spieth, können Sie sich da nichtinfach herauswinden. Ich glaube, dass die Krankenkas-en gut daran tun, sich darauf einzustellen, sich mehr umie Versorgung ihrer Versicherten zu kümmern. Ichenne gute Krankenkassen und ich kenne schlechtere.ch sage Ihnen: Die AOK Rheinland/Hamburg hat mirehr gefallen, weil sie ihren Versicherten jetzt den Ser-ice anbietet, sich um zeitnahe Termine beim Arzt zuümmern. Sie will sich engagieren, sie will es nicht hin-ehmen, dass ihre Versicherten, die hohe Beiträge be-ahlen, womöglich monatelang auf einen Termin beimrzt warten müssen, während privat Versicherte vorge-ogen werden.
enn Sie das bei der AOK Thüringen auch machen,erde ich das auch loben.Danke schön.
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Das Wort hat der Kollege Daniel Bahr, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! FrauMinisterin, ich kann rechnen und wir werden Sie nichtaus der Verantwortung entlassen, was die Beitragserhö-hungen im nächsten Jahr angeht. Denn was ist dieHauptursache für die Beitragssteigerungen im nächstenund im übernächsten Jahr? Das waren Ihre Entscheidun-gen. Nicht wir, nicht die FDP-Fraktion, haben beschlos-sen, die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte zu erhö-hen, was die gesetzlichen Krankenkassen mit 800 bis900 Millionen Euro belastet. Nicht wir, nicht die FDP-Fraktion, haben den Zuschuss an die gesetzlichen Kran-kenkassen von 4,2 Milliarden Euro sukzessive zurück-gefahren, was ihnen Finanzmittel entzieht und eine derUrsachen für die Beitragssteigerungen ist.
Nicht wir, nicht die FDP-Fraktion, haben zu verantwor-ten, dass sich die Krankenkassen verschuldet haben. Siewaren es in Ihrer Verantwortung als Ministerin der rot-grünen Regierung, die so etwas 2001/2002 zugelassenhat – obwohl Krankenkassen normalerweise keineSchulden machen dürfen. Das rächt sich jetzt.Diese drei Aspekte sind die Hauptursachen für dieBeitragssteigerungen in den nächsten Jahren. Dafür sindSie verantwortlich und keiner von der Opposition.
Und dann tun Sie so, also ob die ganzen Kritiker nurBesitzstandswahrer wären! Ich fand es schon beeindru-ckend, wie die große Koalition dafür sorgt, dass ehema-lige Widersacher bei den Anhörungen zu Verbündetenwerden. Ich hätte mir vor einem Jahr nicht vorstellenkönnen, dass der DGB und die Bundesvereinigung derDeutschen Arbeitgeberverbände eine gemeinsame Pres-semitteilung gegen diese Reform herausgeben. Und datun Sie so, als ob die alle nur Besitzstandswahrer undLobbyisten wären!
Meine liebe Ministerin Frau Schmidt, Sie sollten sichdiese Kritik zu Herzen nehmen, statt einfach stur zu blei-ben und sich taub zu stellen. Denn wenn Sachverstän-dige, die Sie selbst für die Anhörung benannt haben, IhreReform kritisieren, ist das etwas, was uns alle sehr nach-denklich stimmen sollte. Dann ist das fundamentale Kri-tik an dieser Reform.
Mit dieser Reform werden Sie den Problemen im Ge-sundheitswesen doch überhaupt nicht gerecht. Es erfolgteben keine Abkopplung der Gesundheitsausgaben vonden Lohnzusatzkosten. Im Gegenteil: In dieser Legisla-turperiode steigen die Krankenkassenbeiträge und damitdmrdstasigmlsRPeSZhcdeSkgvKlSae4ZSds4wglbKegnwEhkW
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Die Aussage der Bundesregierung in einer Anzeige,die wir am Montag in einem großen Magazin sehenkonnten, heißt übrigens: Die Gesundheitskosten unse-rer Kinder werden nach und nach aus Steuermittelnbezahlt; dadurch werden die Beiträge und damit dieLohnzusatzkosten verringert. In dem hier vorliegendenHaushaltsplan steht doch gar nicht, dass das Geld für dieKinder ist. Es ist für gesamtgesellschaftliche Aufgaben.Das ist alles Mögliche. Wenn es Ihnen wirklich um dieKinder ginge, dann müssten Sie diesen Zuschuss natür-lich auch für privat versicherte Kinder zahlen. Bei einergesamtgesellschaftlichen Aufgabe ist es nämlich völligwurst, ob das Kind gesetzlich oder privat versichert ist.
Ich weiß, dass die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU diese Auffassung teilen. Deswegen haben sie jaauch den Vorschlag gemacht, dass für die Kinder vonPrivatversicherten auch ein Zuschuss gezahlt wird. Sieverwenden die Kinder nur als Vorwand.Es geht Ihnen doch gar nicht darum, dass die Krank-heitskosten der Kinder aus Steuermitteln bezahlt werden,sondern es geht Ihnen nur um einen Vorwand, um eini-germaßen rechtfertigen zu können, Steuermittel in einUmlagesystem zu stopfen.
Genauso ist es bei den anderen Themen. Sie schaffenes, dass der durchschnittliche Krankenkassenbeitrag aufRekordniveau steigt. Damit steigen die Lohnzusatzkos-ten. Sinnvoll wäre es gewesen, den Arbeitgeberbeitragfestzuschreiben und als Lohnbestandteil auszuzahlen,wie wir das vorgeschlagen haben. Sinnvoll wäre es auchgewesen, bestimmte Bereiche des Leistungskatalogs– Zahnersatz, Krankengeld, Unfälle – in die private Ver-antwortung zu geben, sodass sich jeder bei seiner Versi-cherung den passenden Versicherungsschutz auszusu-chen hätte, damit die Belastung des Arbeitsmarkts durchLohnzusatzkosten geringer ausfiele.
Das, was Sie tun, ist eben nicht sinnvoll. Sie sind alsBundesregierung demnächst jedes Jahr in der Verant-wortung, zu entscheiden, wie hoch der Beitragssatz fürdie Krankenversicherungen bundesweit einheitlich ist.Das wird dazu führen, dass wir hier im Bundestag jedesJahr darüber streiten werden, wie viel Geld die Bundes-regierung bereit ist, dem Gesundheitswesen zur Verfü-gung zu stellen.AsSsdudEadwSassuatMtIhlfgwaddShh
llein aufgrund dieser Diskussion über den Steuerzu-chuss sage ich Ihnen voraus, dass es jedes Jahr einentreit geben wird. Sie sehen hier Gesundheit nach Kas-enlage vor.
Sie mehren den Einfluss des Staates, der Politik aufas Gesundheitswesen und Sie bauen auf ein staatlichesnd zentralistisches Gesundheitswesen mit einem Bun-eskrankenkassenverband, durch den der Weg in dieinheitskasse vorgezeichnet wird, wie es die Ministerinm Wochenende bei der Arbeitsgemeinschaft der Sozial-emokratinnen und Sozialdemokraten im Gesundheits-esen gesagt hat.
ie wollen einen hauptamtlichen Gemeinsamen Bundes-usschuss, der darüber entscheidet, was gute undchlechte Medizin ist, und der dem Ministerium unter-tellt ist.Meine Damen und Herren, die Folgen dieser Reformnd eines weiteren staatlichen und politischen Einflussesuf das Gesundheitswesen können wir uns in Großbri-annien und in anderen Ländern anschauen. Das wird zuangelverwaltung, Wartelisten und den krassesten Un-erschieden in einer Zweiklassenmedizin führen. Durchhre Gesundheitspolitik verschlechtern Sie die Gesund-eitsversorgung für 82 Millionen Menschen in Deutsch-and.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Annette Widmann-Mauz
ür die Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-en! Kollege Bahr, wenn Sie heute wieder die Schuldzu-eisung hinsichtlich der Schulden zumindest in Teilenn die falsche Adresse richten,
ann muss ich darauf hinweisen, dass der Finger auch anieser Stelle auf Sie selbst zeigt. In Rheinland-Pfalz, woie mitregiert haben, haben Sie wegen einer bevorste-enden Wahl verhindert, dass die AOK die Beiträge an-ebt.
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Annette Widmann-MauzMan muss die Verantwortung immer dann wahrnehmen,wenn man sie hat. Die Tatsache, dass Sie die Verantwor-tung nicht mehr haben, zeigt, dass Sie sie nicht wahrge-nommen haben.Sie haben heute über die Steuerzuschüsse für versi-cherungsfremde, gesamtgesellschaftliche Aufgaben ge-redet. Sie haben in dieser Haushaltsdebatte nicht einenAntrag vorgelegt, der die Erhöhung der Steuerzuflüssevorsieht. Sie brauchen doch für Ihr Projekt – ob es sichum risikoadäquate oder solidarische Prämien handelt –Steuermittel in zweistelliger Milliardenhöhe. Auch dazuhaben Sie keine Vorschläge gemacht.
Entweder ist das, was Sie hier vortragen, heiße Luftoder Sie nehmen Ihre eigenen Worte nicht ernst. Auch indiesem Hohen Hause müssen Sie Ihre Verantwortungwahrnehmen.
Manch ein journalistischer Beobachter mag meinen,dass die adipöse Neigung unseres Gesundheitssystemsdurch gesetzliche Hüfthalter zu regeln wäre. Doch dieProbleme lassen sich nicht länger kaschieren. Die Lö-sung der Probleme muss grundsätzlich angegangen wer-den. Dazu braucht es eines Programms für mehr Fitnessund Bewegung im Gesundheitswesen.Was wir bereits im ersten Jahr der großen Koalitiongeschafft haben, ist beachtlich. Das Arzneimittelsparge-setz von Anfang dieses Jahres zeigt es: Wir haben beiden Arzneimittelpreisen und Arzneimittelausgaben Er-folge erzielt. Dieses Gesetz hat dafür gesorgt, dass MitteNovember über 6 000 Arzneimittel von der Zuzahlungbefreit sind, weil sich die Hersteller durch die hohe Preis-senkung – nämlich 30 Prozent unter dem Festbetrag – hö-here Marktanteile versprechen. Wir haben unsere Ver-antwortung wahrgenommen und die Verantwortlichkeitim System gestärkt.Die große Koalition ist sicherlich keine Wunschfor-mation oder gar eine Traumkonstellation.
Aber sie ist eine Verantwortungsgemeinschaft auf Zeitim Interesse der Menschen unseres Landes. Jede und je-der, der in diesem Hause Verantwortung trägt, muss sichdieser Verantwortung stellen. Das tun wir, auch wenn esunbequem wird. Der Bundeshaushalt ist ein Beispiel da-für. Haushaltskonsolidierung hat für uns oberste Priori-tät, auch wenn sie unser System der gesetzlichen Kran-kenversicherung betrifft.Vor diesem Hintergrund bin ich froh, dass es gelun-gen ist, für das nächste Jahr nochmals 1 Milliarde Euromehr als ursprünglich vorgesehen zur Finanzierung ge-samtgesellschaftlicher Aufgaben im Bundeshaushalt ein-zustellen. Das ist ein Erfolg. Es ist der erste Schritt in dierichtige Richtung.abgsnfhaasczddnMwhwdeSEgwuggDasBuwanVrVafwad
Wieder anderes verlief nach dem Sankt-Florians-Prin-ip: „Verschon mein Haus, zünd andere an!“ Ich denkeabei an die Solidarbeiträge, die die Krankenhäuser oderer Arzneimittelsektor zu erbringen haben.Wenn auch das nicht weiterhalf, dann gab es immeroch die Methode der bewussten Verunsicherung derenschen und damit der Instrumentalisierung von Un-issenden. Auch hierzu kann ich nur feststellen: Wer be-auptet, die Versorgung würde nur deshalb schlechter,eil wir Wettbewerb einführen,
er führt die Menschen an der Nase herum.
Am Ende waren sich wieder alle einig, dass es so, wies ist, für alle am besten ist. Sie stecken den Kopf in denand. Plattitüden ersetzen aber keine Argumente und diemotionalisierung trägt, auch als oppositionelle Strate-ie, nur eine einzige Empörungswelle lang. Eine not-endige Sachpolitik hingegen ist langfristig angelegtnd damit unverzichtbar.Verantwortung ist das prägende Leitmotiv in derroßen Koalition und insbesondere unserer Vorstellun-en eines zukunftsfähigen Gesundheitssystems.
iese Verantwortung hat zwei Perspektiven: den Blickuf sich selbst gerichtet, also als Individuum zuerst fürich selbst Verantwortung zu übernehmen, und denlick, für andere verantwortlich zu sein. Subsidiaritätnd Solidarität sind Ausdruck ein und derselben Verant-ortung. Beides, die Verantwortung für sich und die fürndere, gehört zusammen. Die Betonung des einen darficht dazu missbraucht werden, sich aus der anderenerantwortung zu stehlen. Wir wollen keine Privatisie-ung, aber auch keine Sozialisierung und erst recht keineolkskasse oder Volksversicherung, sondern eine Ver-ntwortungsgemeinschaft. Nur wer sich verantwortlichühlt, kann auch Verantwortung für sich und andereahrnehmen.Was beklagen wir denn? Wir sehen doch: Je größer,nonymer und intransparenter die Systeme werden,esto schwieriger ist es, die Verantwortlichkeit zu spüren
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Annette Widmann-Mauzund Verantwortung wahrzunehmen. Im Gesundheitswe-sen sind uns die negativen Erscheinungen und Entwick-lungen doch bestens bekannt: Chipkartenmentalität bishin zum Missbrauch, Abrechnungskampf im Hamsterradmit Punktwertverfall, der Einschreibedruck auf die Pa-tienten, in die DMPs zu gehen, nur um Ausgleichszah-lungen im Rahmen des Risikostrukturausgleichs zu er-halten, und vieles andere mehr.Die Rückbesinnung auf die Verantwortungsgemein-schaft organisieren wir nun mit dem geplanten Gesund-heitsfonds.
Mit dem Fonds und einheitlichen Zuweisungen an dieeinzelnen Krankenkassen schaffen wir genau die Trans-parenz bei der Wirtschaftlichkeit der Krankenkassen, diewir brauchen. Mit dem Zusatzbeitrag machen wir dieKosten und damit den Preis für die Leistungen sichtbarund für die Versicherten vergleichbar. Diese Transparenzist Voraussetzung für eine verantwortliche Wahlentschei-dung der Versicherten und stärkt zudem die Eigenverant-wortung der Krankenkassen für Kosten und Verträge mitÄrzten, Krankenhäusern und der pharmazeutischen In-dustrie.Mit der neuen ambulanten, ärztlichen Vertragsgebüh-renordnung schaffen wir Transparenz bei Leistungenund Preisen in der ärztlichen Honorierung. Feste Punkt-werte in Euro und Cent sowie das Ende der Budgetie-rung schaffen in diesem Bereich mehr Leistungsgerech-tigkeit.
Ich sage ganz offen: Mir wäre an noch mehr Transparenzim Verhältnis von Patient zu Arzt bei Preisen und Leis-tungen zum Beispiel in Form einer generellen Rech-nungsstellung mit der Möglichkeit der Forderungsabtre-tung an die Krankenkassen sehr gelegen, auch wenn icheinräumen muss, dass wir nun Pflichtversicherten mitKostenerstattung und Selbstbehalten in weitaus größe-rem Umfang und unbürokratisch neue Möglichkeiten er-öffnen. Vielleicht lässt sich aber unser Koalitionspartnerin den kommenden Wochen zu noch mehr Transparenzbewegen.
Verantwortung wird nur dann übernommen, wenn dieAbgrenzung der beiden Perspektiven, also der Eigenver-antwortung und der Verantwortung für andere, als ge-recht beurteilt wird. Zumutbarkeit und Leistungsgerech-tigkeit sind dabei wichtige Aspekte.Liebe Kollegin Bender, was Sie am heutigen Nach-mittag zur Früherkennung gesagt haben, empfinde ichals zynisch.
Ich finde, es ist unverantwortlich, Menschen nicht auchmit ökonomischen Instrumenten zu sinnvollen Maßnah-men zur Erhaltung der Gesundheit ihres Körpers zu mo-tüssbAsgadBsdrAbwZPnswlZÜegawCzgagdmsrBkdwgzFdDn
ann ich überhaupt nicht verstehen. Wir wollen, dassiese Schulden nicht auf die nächste Generation abge-älzt werden. Denn jede Generation muss ihre Last tra-en.
Wir dürfen Verantwortung nicht größeren Kollektivenuweisen, wenn es zum Beispiel um kassenindividuellesehlverhalten in der Zukunft geht. Deshalb wollen wiras Insolvenzrecht für Krankenkassen etablieren.azu gibt es nach den Anhörungen berechtigterweiseoch eine Reihe von offenen Fragen.
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Annette Widmann-Mauz
Doch ich sage auch bewusst: Manches Problem, das der-zeit vorgetragen wird, resultiert weniger aus der Anwen-dung des Insolvenzrechts als aus der Begrenzung desZusatzbeitrags. Deshalb sage ich heute: Probleme müs-sen dort gelöst werden, wo sie entstehen. Da müssen wirhandeln.
Wir müssen die Verantwortlichkeiten stärken, dasheißt aus Betroffenen Beteiligte machen und umgekehrt.Das muss uns noch besser als in der Vergangenheitgelingen. Es ist gelungen, Betroffene in Entscheidungs-prozesse einzubeziehen, während die Beteiligung vonPatientenvertretern im Gemeinsamen Bundesausschussbereits im GMG im Jahre 2003 geregelt und damit eingroßer Fortschritt erzielt worden ist. Mit dieser Gesund-heitsreform werden wir die Selbsthilfeförderung auffeste Beine stellen und den Organisationen zum Beispielim Bereich der Palliativversorgung bei der Leistungsde-finition im Gemeinsamen Bundesausschuss ein Anhö-rungsrecht einräumen. Was alle angeht, muss auch vonallen finanziert werden. Auch diesem Grundsatz ver-schreibt sich die Reform mit der kontinuierlich anstei-genden Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgabenin der gesetzlichen Krankenversicherung.Lassen Sie mich einen letzten Aspekt ansprechen,nämlich das Prinzip der Verantwortlichkeit der gesetzli-chen Krankenversicherung. In der Selbstverwaltung istdieses Prinzip grundsätzlich angelegt. Die Selbstverwal-tung hat sich bewährt, auch wenn die Entscheidungsab-läufe und -verfahren zuweilen sehr mühsam, zeitaufwen-dig und nicht immer nachvollziehbar sind.
Kollegin Widmann-Mauz, jetzt sprechen Sie auf
Rechnung Ihrer Kollegen.
Ich komme gleich zum Schluss.
Wir sollten jetzt nicht den Ausweg darin suchen, im-
mer mehr Verantwortung von den Beteiligten zur Politik
zu verlagern, sondern die originären Verantwortungsge-
meinschaften und Beziehungen stärken. Ich glaube, in
diesem Zusammenhang werden wir auch über die Anre-
gungen hinaus, die in der Anhörung gemacht wurden,
noch erheblichen Diskussionsbedarf haben. Wir tragen
die Verantwortung und nehmen die Anhörung ernst. Wir
werden ein gutes Gesetz vorlegen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Eine umfassende, verstetigte Prävention hätte für dasWohlbefinden von Jung und Alt und auch für die Sozial-systeme viel Gutes; es gäbe sehr viele Synergien. Hiermuss einfach ein Punkt gesetzt werden. In der Zukunftreichen für eine Präventionskampagne 3,2 MillionenEuro als gesamtgesellschaftlicher Beitrag nicht aus.Angesichts dieser Summe von 3,2 Millionen Euromuten die 6,1 Millionen Euro geradezu grotesk an, die inIhrem Haushalt für Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügungstehen. Sie sollten bessere Gesetze machen. Wenn Siedas tun, dann brauchen Sie kein Geld für das Schönredenvon Gesetzen, für Gesetze, die es überhaupt noch nichtgibt, wie in Anzeigen dieses Jahr. Machen Sie Gesetze,die den Patientinnen und Patienten helfen! Machen SieGesetze, die den Beschäftigten helfen! Wenn Sie das tun,dann brauchen Sie dieses Geld nicht für eine überbor-dende Öffentlichkeitsarbeit und dann könnten Sie essinnvoller verwenden.Ich danke.
tNlabdarEsgastSrtSgkpcAkDnIter
Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kol-eginnen und Kollegen! Meine Kollegin Bender unduch die Kolleginnen und Kollegen der Opposition ha-en wirklich schon zur Genüge darauf hingewiesen, dassiese Gesundheitsreform gründlich danebengeht.
Wir erleben – leider – aber auch, dass die große Ko-lition in dieser Hinsicht offensichtlich vollkommen be-atungsresistent ist.
s ist mir wirklich ein Rätsel, wie eine Koalition, dieich selbst als „groß“ tituliert, sehenden Auges und ge-en die Widerstände von allen Seiten – im Übrigen auchus den Reihen der eigenen Koalition – an diesem Un-inn festhalten kann. Glauben Sie mir: Wir als Opposi-ion finden dieses Spiel hier nur sehr begrenzt amüsant.
Ich schaue mit Grauen nicht nur auf den dauerhaftenchaden, den Sie gerade mit der Gesundheitsreform an-ichten, sondern auch auf das, was uns wohl noch erwar-et.
ofern Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von derroßen Koalition, Ihren eigenen Koalitionsvertrag nochennen, müssten Sie wissen, dass wir zum jetzigen Zeit-unkt eigentlich schon bei der Reform der Pflegeversi-herung sein sollten.
ber auch das haben Sie bisher nicht auf die Reihe be-ommen.
ie Reform der Pflegeversicherung ist schon auf dasächste Jahr verschoben worden.
ch bin einmal gespannt, was für Ausreden wir im nächs-en Jahr zu hören bekommen. Das ist ein verlorenes Jahr,in Jahr, in dem die Pflegebedürftigen und ihre Angehö-igen weiter auf Verbesserungen warten müssen.
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Elisabeth ScharfenbergGenauso lassen Sie alle in der Pflege Beschäftigten imRegen stehen. Alle warten auf Verbesserungen, die siedringend brauchen.Wenn ich aber die Vorschläge und die Meinungsäuße-rungen der letzten Tage aus den Reihen dieser Koalitionzur Pflegereform höre, dann frage ich mich allen Erns-tes, ob es nicht besser wäre, wenn Sie die Finger davonließen.
Wir hören und lesen abenteuerliche Geschichten. Dawollen die einen, Mitglieder der Union, eine kleineKopfpauschale einführen, während Ulla Schmidt wie-derum die Bürgerversicherung ins Spiel bringt. FrauMinisterin, hier haben Sie unsere volle Unterstützung.Die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung derCDU/CSU will mit der Solidarität und der sozialen Ge-rechtigkeit ganz Schluss machen. Sie will die Pflegever-sicherung total auf Kapitaldeckung umstellen.
Aber es kommt noch besser: Sie will auch die Pflege-stufe I komplett abschaffen, weil dadurch 4 MilliardenEuro gespart werden können.
Eigentlich fehlen jetzt nur noch zwei Vorschläge: erstensdie Einführung des Pflegefonds; zweitens die gänzlicheAbschaffung der Pflegeversicherung.
Das würde wirklich am meisten sparen.
Die große Koalition bläst bei der Pflegereform schonjetzt in das gleiche Horn wie bei der Gesundheitsreform.Was soll denn dabei Sinnvolles herauskommen? DasSchlimmste daran ist: Sie verlieren bei diesem ganzenTheater nicht ein Wort über die Pflegebedürftigen undihre Angehörigen. Genau um diese Menschen geht esaber hier.
Sie sollten sich einmal das Positionspapier der Grünenzur Pflegereform durchlesen. Da steht einiges dazu drin.Ich lade Sie auch ganz herzlich jetzt und hier zu unseremmorgigen Fachgespräch zu diesem Thema ein. Notfallskönnen Vertreter der großen Koalition ja inkognito kom-men; wir werden sie nicht bei den Kollegen verraten.Es würde mir an Ihrer Stelle schwer zu denken geben,wenn hilfsbedürftige Menschen und deren Angehörige,die sich das Treiben dieser Regierung anschauen, fest-stellen: Wir brauchen dringend Verbesserungen, aber lie-ber keine Reform als eine von Schwarz-Rot. Genaudiese Stimmung erzeugen Sie momentan im Land.tnSunUusmifMeLwdVKkzggKdehsmhPzhW
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Frau Minis-erin Schmidt, verlassen Sie endlich Ihren großkoalitio-ären Sockel und kommen Sie in der Realität an.chauen Sie endlich dahin, wo der wirkliche Bedarf ist,nd reagieren Sie verantwortungsvoll, und zwar ohneoch länger abzuwarten!Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Maria Eichhorn für die
nionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnennd Kollegen! Das Thema Gesundheit berührt alle Men-chen. Deswegen ist es nachvollziehbar, dass darüberit großer Leidenschaft diskutiert wird. Allerdings stellech in Diskussionen mit den Bürgerinnen und Bürgernest, dass sich die Kritik wegen der Kompliziertheit deraterie meist auf Schlagworte aus den Medien bezieht.Den meisten Versicherten und offensichtlich auchinigen aus der Opposition ist nicht bewusst, dass dereistungskatalog durch die Gesundheitsreform ausge-eitet wird. Mutter/Vater-Kind-Kuren sind ein Thema,as uns die letzten Jahre immer wieder beschäftigt hat.
iele berechtigte Proteste Betroffener, die dringend eineur gebraucht hätten, haben uns erreicht, weil Kranken-assen ihnen diese Kuren verweigert hatten. In Zukunftählt diese Kur zu den Pflichtleistungen. Das ist eineanz wichtige Verbesserung für Mütter und Väter.
Ein wichtiger Fortschritt ist auch, dass in Zukunfteriatrische Rehaleistungen zu Pflichtleistungen derrankenkassen werden. Wer hat nicht schon miterlebt,ass in der Familie oder in der Nachbarschaft nachinem Sturz oder einem Schlaganfall im Alter eine Re-amaßnahme verweigert wurde, weil der Patient jaowieso in Pflege käme? Dabei kann mit einer Reha-aßnahme die Selbstständigkeit auch im Alter wieder-ergestellt werden bzw. erhalten bleiben.Das, was Sie, Frau Scharfenberg, gerade zum Themaflege gesagt haben, kann ich überhaupt nicht nachvoll-iehen. Es handelt sich um reine Vermutungen, die Sieier angestellt haben.
ir werden darauf zurückkommen.
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Maria Eichhorn
Meine Damen und Herren, die humane Antwort aufdie Forderung nach Sterbehilfe ist die Palliativversor-gung. Mit diesem neuen gesetzlichen Anspruch ist esmöglich, den Wunsch zu erfüllen, bis zum Tod in dervertrauten häuslichen Umgebung fachgerecht versorgtzu werden. Versicherte in stationären Einrichtungen ha-ben ebenfalls einen Anspruch auf Palliativversorgung.Diese Leistung kann nicht nur von Vertragsärzten, son-dern auch von entsprechend qualifizierten Krankenhaus-ärzten verordnet werden. So können Sterbende wiederaus den Krankenhäusern heraus und in das häuslicheoder ein anderes vertrautes Umfeld zurückgeholt wer-den. Wer wie ich in den letzten Wochen Einrichtungender Palliativversorgung besucht hat, weiß, dass mit derNeuregelung ein lang geäußerter Wunsch dieser Einrich-tungen in Erfüllung geht.
Mit der Gesundheitsreform werden auch die Rahmen-bedingungen für Kinderhospize verbessert.Das Präventionsgesetz, Frau Dr. Bunge, wird kom-men. Darauf können Sie sich verlassen.
Der Gesundheitsetat 2007 enthält Aufwüchse bei Prä-vention und Suchtbekämpfung; das ist auch schon an-gesprochen worden. Als Drogenbeauftragte der Unionbegrüße ich, dass der Bund 2007 für Drogenprävention8,7 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Das sind2 Millionen Euro mehr als im letzten Jahr. Diese Mittelersetzen bisherige Beträge aus der Tabaksteuer, die nochin 2006 mit 2,5 Millionen Euro angesetzt waren. Siewerden der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä-rung speziell für Tabakprävention bei Jugendlichenzur Verfügung gestellt. Wenn Kinder bereits in einemAlter von durchschnittlich 11,6 Jahren das erste Mal rau-chen, ist das erschreckend. Daher müssen wir die Auf-klärung so früh wie möglich beginnen.Wir brauchen aber auch eine Vorbildfunktion für un-sere Kinder und Jugendlichen. Deshalb ist es sehr zubegrüßen, dass die große Koalition sich auf ein Rauch-verbot in allen öffentlichen Gebäuden, öffentlichen Ver-kehrsmitteln, Theatern und Kinos geeinigt hat.
Dazu gibt es in einigen Kommunen und Bundesländernbereits gut funktionierende Beispiele. Beschlossen istauch die Anhebung der Altersgrenze für den Zigaretten-kauf von 16 auf 18 Jahre.Rauchen kann tödlich sein. Neueste Untersuchungenzur Passivrauchbelastung belegen, dass die Gesundheits-brgssDjddtsDbwMedDusVLRadWwdNakdgatvsuFG
Frau Bender, wenn Sie in der letzten Sitzungswocheei der Diskussion über die Tabakrichtlinie anwesendaren, dann konnten Sie von Herrn Staatssekretärüller hören, dass die Arbeitsgruppe der Koalition aufinem sehr guten Wege ist; es wurde bereits vereinbart,ass in Speisegaststätten Rauchverbot herrschen soll.erzeit wird noch darüber verhandelt. Ich persönlichnd auch Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionenind für einen Nichtraucherschutz nach italienischemorbild; denn ich bin der Meinung, dass sich die dortigeösung bewährt hat. Wir treten dafür ein, ein generellesauchverbot in der Gastronomie einzuführen, aber auchbgeschlossene Räume für Raucher zu schaffen, woiese ihrer Sucht, die zwar schädlich ist, aber auf dieseeise keinen anderen schädigt, frönen können. Dasäre eine saubere Lösung nach italienischem Vorbild,ie ich befürworten könnte, weil sie einen Schutz derichtraucher vor dem Passivrauch gewährleistet, aberuch einen Raum für Raucher schafft. Ich denke, dasönnen auch Sie befürworten. Auf jeden Fall habe ichas in den Ausführungen der Grünen bisher immer soehört.
Meine Damen und Herren, im Übrigen ist nach einerktuellen Umfrage des Deutschen Krebsforschungszen-rums die Mehrheit der deutschen Bevölkerung für einollständiges Rauchverbot in der Gastronomie. Ichelbst habe noch nie so viele zustimmende Zuschriftennd Anrufe zu einem Thema bekommen wie zu meinerorderung nach einem Rauchverbot.Kollegen, die sich gegen ein Rauchverbot in derastronomie aussprechen, befürchten, dass eine solche
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Maria EichhornRegelung zu mehr Bürokratie führen und der Umsatz inder Gastronomie zurückgehen könnte. Dass diese Be-denken unbegründet sind, zeigen uns die europäischenLänder, welche ein Rauchverbot bereits eingeführt ha-ben.
Beispielsweise ist in Irland wie auch in anderen Ländernder Getränkeumsatz nach Einführung des Rauchverbotskonstant geblieben, während der Speisenumsatz sogarangestiegen ist.
Es ist an der Zeit, auch in Deutschland zu handeln unddie große Mehrheit, nämlich 63 Prozent der Bevölke-rung, vor dem Tabakrauch umfassend zu schützen.Aber nicht nur die Tabaksucht muss uns zum Handelnveranlassen. Auch die Zahl der Alkoholabhängigen isterschreckend hoch. Kinder greifen heute durchschnitt-lich im Alter von 12,8 Jahren zum Alkohol. Ein Jahrspäter haben sie bereits den ersten Alkoholrausch.Kampftrinken ist „in“ und hat auch schon zum Tod vonJugendlichen geführt. Daher sind Aufklärungskampag-nen wie zum Beispiel „Kein Alkohol in Kinderhände“äußerst wichtig.
Ich danke in diesem Zusammenhang allen Verant-wortlichen in den Schulen, Kindertagesstätten, Jugend-gruppen, Verbänden und Vereinen, die diese Aufklärungvor Ort betreiben. Schließlich ist der verantwortungs-volle Umgang der Erwachsenen mit Alkohol auch hierdas beste Vorbild für die Jugend.Alkohol und Nikotin führen oft auch zu illegalen Dro-gen. Alarmierend ist vor allem die Zunahme des Kon-sums von Cannabis. Daher muss die Präventions- undAufklärungsarbeit weiter verbessert werden. Cannabisist keine Spaßdroge; sie kann zu schweren physischenund psychischen Schäden führen.Zum Ende des Jahres läuft die Heroinstudie aus, dieunter der Vorgängerregierung in Auftrag gegeben wurde.Die Koalition hat jetzt in einem Spitzengespräch verein-bart, dass bei denjenigen Menschen, die aktuell im Hero-inprojekt sind, die Behandlung zu Ende geführt wird.
Wir wollen diese Menschen schließlich nicht ins Nichtsfallen lassen.
Eine grundsätzliche Fortführung der Heroinsubstitutionund damit eine Zulassung von Diamorphin als Arznei-mittel wird es nicht geben.
Damit wird den starken Vorbehalten der Union gegen dieHeroinsubstitution Rechnung getragen.CfWwDSDfsksdrsGwBddidD–As–wbd
Es ist besser, dieses Geld für eine Verstärkung derannabisprävention auszugeben; diese ist dringend er-orderlich.
ir müssen alles tun, um Menschen vor der Sucht zu be-ahren.
amit können wir ihnen viel Leid und Elend ersparen.
Das Wort hat die Kollegin Jella Teuchner für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ie Debatte um den Haushalt des Bundesministeriumsür Gesundheit lässt sich nicht losgelöst von der Diskus-ion um die Gesundheitsreform führen. In beiden Dis-ussionen steht die Finanzierung der Krankenver-icherung im Mittelpunkt. Für beide Diskussionen giltie klare Prämisse: Die gesetzliche Krankenversiche-ung ist unverzichtbar; nur sie garantiert ein solidari-ches Gesundheitssystem, in dem die notwendigenesundheitsdienstleistungen flächendeckend erbrachterden.
Es gibt eine deutliche Verbesserung, die im Laufe dereratungen zum Haushalt erreicht wurde. Wir werdenie pauschale Abgeltung für die versicherungsfrem-en Leistungen deutlich weniger senken, als dies nochm Entwurf vorgesehen war. Den Krankenkassen wirdadurch 1 Milliarde Euro mehr zur Verfügung stehen.as ist ein wichtiges Signal.
Herr Bahr, wenn Sie Ihre qualifizierten Beiträge imusschuss bringen würden, dann wäre dies für uns alleehr hilfreich.
Ich werde mich anstrengen.Dies ist auch ein Signal dafür, dass wir die Verant-ortung, die wir für die gesetzliche Krankenkasse ha-en, wahrnehmen. Insbesondere die versicherungsfrem-en Leistungen sind Ausgaben, die nicht nur von den
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Jella TeuchnerMitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen, sondernvon allen Bürgerinnen und Bürgern zu finanzieren sind.
Es sind Leistungen für alle, die von allen zu finanzierensind.
Wir bekräftigen mit dieser Änderung das, was wir mitder Gesundheitsreform auf den Weg bringen wollen. Wirwollen eine dritte Säule der Finanzierung: eine spürbareSteuerfinanzierung für die gesetzlichen Krankenkas-sen. Dazu brauchen wir Antworten auf folgende Fragen:Wie finanzieren wir die Krankenversicherungen? Wermuss welchen Beitrag leisten? Woher kommt das Geld?Unser Anspruch dabei ist, dass es auch in Zukunft einesolidarische Finanzierung gibt. Wir wollen, dass dieReichen weiterhin für die Armen, die Gesunden für dieKranken und die Jungen für die Alten einstehen.
Wenn wir über die gesetzliche Krankenversiche-rung reden, dann sprechen wir über ein Ausgabenvolu-men von 235 Milliarden Euro pro Jahr. Dies sind Ausga-ben, die von den Beiträgen der Versicherten finanziertwerden. Die Versicherten verlangen zu Recht, dass mitihren Beiträgen
wirtschaftlich umgegangen wird. Sie verlangen ebenfallszu Recht, dass ihnen die notwendigen medizinischenLeistungen zur Verfügung stehen und sie am medizini-schen Fortschritt teilhaben können.Ich sehe es daher als Erfolg der Gesundheitsreform,dass wir damit fortfahren, Strukturen zu verändern, diein vielen Jahren gewachsen sind. Es ist uns gerade beiden neuen Versorgungsformen gelungen, Schritte nachvorn zu machen. Krankenkassen müssen in Zukunft ei-nen Hausarzttarif als Wahltarif anbieten. Die Kassen ha-ben die eingeschränkte Möglichkeit, Preise für Arznei-mittel auszuschreiben, und die Krankenhäuser werdenweiter für die ambulante Versorgung geöffnet. Wir ma-chen also einen weiteren Schritt hin zu mehr Effizienz,
mehr Koordination und mehr Qualität im Gesundheits-wesen.Ich sehe es auch als Erfolg, dass in Zukunft 300 000Nichtversicherte wieder eine Krankenversicherung ha-ben werden. Wir wollen, dass jeder krankenversichertist. Dies umzusetzen, ist längst überfällig.
Es gibt noch einen wichtigen Erfolg der Gesundheits-reform. Wir führen eine Reform durch, die keine Leis-tungskürzungen beinhaltet. Es ist richtig, dass die Be-hBdhEvtImdAcdvknawEruiiuzdßvs2fzrbDs–M
005 haben die Krankenkassen rund 5 Milliarden Euroür solche Leistungen ausgegeben. Diese Mittel gilt esu verstetigen.
Herr Bahr, auch wenn Sie immer wieder dazwischen-ufen,
leibt es dabei.
eswegen müssen wir schauen, dass wir die Leistungenichern können.
Ich habe Sie gehört. Sie brauchen es nicht zum viertenal zu wiederholen.
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6490 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 21. November 2006
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Jella TeuchnerIn der Anhörung zur Gesundheitsreform ging es unteranderem um die Regelungen zur privaten Krankenver-sicherung. Es wurde deutlich, dass das Argument, dieprivate Krankenversicherung unterstütze die gesetzliche,nicht stimmt. Die privaten Krankenversicherungen zah-len zwar höhere Arzthonorare. Der Finanzverlust für diegesetzliche Krankenkasse durch die Risikoselektion derPrivaten übertrifft diese höheren Honorare aber bei wei-tem. Es stellt sich schon die Frage, wie hoch der Beitragzu einer privaten Krankenversicherung sein müsste,wenn sie zum Beispiel auch die Kosten für die Infra-struktur bei der ärztlichen Versorgung durch die Kran-kenhäuser übernehmen müsste.
Wie viel müsste dann bezahlt werden?Außerdem machen Privatversicherte im Wesentlichendort einen spürbaren Anteil aus, wo wir eine medizini-sche Überversorgung haben. Sichergestellt wird die Ver-sorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung.90 Prozent der Menschen haben eine gesetzliche Kran-kenversicherung.
Für diese Menschen müssen wir deren Krankenkassenfunktionsfähig erhalten.
Wir stehen aber weiter in der Pflicht, die Finanzie-rung der gesetzlichen Krankenkassen verlässlich zu re-geln. Wir müssen damit das Fundament stärken. DieReform sieht einen Fonds zur Finanzierung der Kran-kenkassen vor. Es ist notwendig, die Finanzierung dergesetzlichen Krankenkassen und gleiche Wettbewerbs-bedingungen so weit wie möglich sicherzustellen; dennohne diese gibt es keinen Wettbewerb um eine effizienteund gute Versorgung, sondern nur reinen Preiswettbe-werb. Eine Verschlechterung des Leistungsumfangs,zum Beispiel durch Streichung von Satzungsleistungenoder Einschränkungen der im SGB V als Kann- oder Er-messensleistung definierten Maßnahmen, würde danndrohen. Dies darf nicht passieren; denn dies würde dasbewährte System der gesetzlichen Krankenkassen in sei-nem Bestand gefährden.Wir müssen sicherstellen, dass der Morbi-RSA wirk-lich funktionieren wird. Darüber hinaus müssen wirnochmals deutlich machen, dass wir von Anfang an ei-nen deutlichen Steuerzuschuss brauchen. Bisher ist fest-gelegt, dass im Startjahr die Finanzmittel, die über dieBeitragseinnahmen und die zusätzlichen Steuermittel inden Fonds fließen, ausreichen sollen, um die zu erwar-tenden Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversi-cherung zu decken. Dies müssen wir auch in Zukunft si-cherstellen. Wenn das nicht gelingt, wenn wir denKassen Mittel entziehen, dann muss das dadurch aufge-fangen werden, dass Leistungen, die keine Pflichtleis-tungen sind, nicht mehr gewährt werden. Das wollen wiralle nicht.Es darf nicht dazu kommen, dass wir über einen stetigsteigenden Zusatzbeitrag die Kosten für die Kranken-vgIrtzthMdDsDWDlfhfdkGwaBAksmDrrß
Hier liegen Aufgaben, die wir in den weiteren Bera-ungen zur Gesundheitsreform lösen müssen. Mit denusätzlichen Mitteln für die versicherungsfremden Leis-ungen setzen wir hier das Signal: Wir sind handlungsfä-ig.Es muss vor allem aber ein Signal an uns selbst sein.it der Gesundheitsreform werden wir beschließen,ass die Politik für die Beitragssätze verantwortlich ist.as heißt, wir müssen diese Verantwortung zukünftigelber wahrnehmen.
ie gesetzliche Krankenversicherung ist unverzichtbar.ir sind es, die die Finanzierung sicherstellen müssen.
as heißt, wir müssen jetzt und auch in Zukunft hand-ungsfähig sein.
Der Kollege Dr. Rolf Koschorrek hat für die Unions-
raktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gesund-eitspolitik und Gesundheitsreform sind in diesen Tagenast schon zu Synonymen geworden. Seit Monaten wer-en die geplanten Neuerungen ausgiebig öffentlich dis-utiert und vielfach aus verschiedenen Perspektiven undründen gescholten.In diesem Jahr haben wir als große Koalition einigeegweisende Gesetze im Bereich der Gesundheitspolitikuf den Weg gebracht.
ereits im Frühjahr verabschiedete der Bundestag dasVWG – zunächst unter schwerem Beschuss der Kriti-er –, im Verlauf der letzten Monate hat sich aber die po-itive Wirkung des Gesetzes auf die Kosten im Arznei-ittelbereich deutlich herausgestellt.
er überproportionale Anstieg der Kosten in diesem Be-eich im ersten Quartal ist bereits zum Ende dieses Jah-es nicht nur ausgeglichen, sondern wir werden abschlie-end für dieses Jahr sogar sinkende Kosten haben.
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Dr. Rolf KoschorrekBesondere Kritik erfuhr die Einführung der Bonus-Malus-Regelung in diesem Bereich.
Durch gute, wegweisende regionale Verhandlungen konn-ten aber auch hier in den vergangenen Wochen und Mo-naten zukunftsfeste, qualitätssteigernde und kostensen-kende Verträge geschlossen werden.
Hier möchte ich besonders auf das in meiner HeimatSchleswig-Holstein in der vergangenen Woche zwischenKV, Apothekern und Kassen als ablösende Vereinbarungbeschlossene leitliniengestützte Informationssystem hin-weisen. Hier zeigt sich, dass gute und vertrauensvolleZusammenarbeit der Kassen, der Leistungserbringer undnicht zuletzt der Politik auf regionaler Ebene durchausgut funktioniert.
Vor einigen Wochen verabschiedeten wir hier dasVertragsarztrechtsänderungsgesetz, das viele libera-lere Organisationsformen in der ärztlichen Versorgungs-landschaft ermöglicht, vorhandene Hemmnisse abbautund den ärztlichen Kollegen für die flächendeckendeVersorgung der Patienten neue Perspektiven gibt. Zu-gleich wird hier die Zukunftsfestigkeit unseres Gesund-heitssystems nachhaltig gestärkt. Die engere Verzahnungvon ambulanter und stationärer Versorgung wird deut-lich verbessert. Zudem verpflichtet das Gesetz die ge-setzlichen Krankenkassen nachdrücklich dazu, ihreSchulden offen zu legen und sie in einem konkretenZeitrahmen abzubauen. Wir schaffen damit für die Kas-sen im Hinblick auf die künftige neue Finanzstruktur derGKV vergleichbare Startbedingungen.
So viel zu den bereits beschlossenen, sehr umfangrei-chen Vorhaben.Nun steht die parlamentarische Beratung des größtenGesetzeswerkes, das je im Rahmen einer Gesundheitsre-form geschaffen wurde, bevor. Die Bürger – das erfahrenwir immer wieder in Gesprächen und bei Veranstaltun-gen in den Wahlkreisen – haben allerdings angesichtsder Vielfalt der Reformmaßnahmen nicht nur den Über-blick darüber verloren, was die Gesetze im Einzelnenbringen; vielfach haben sie auch das Interesse daran ver-loren, die Diskussionen zu verfolgen und sich mit denverschiedenen Meinungen, Vorschlägen und Standpunk-ten auseinander zu setzen. Viele wollen sich erst wiederdann mit dem Thema befassen und sich informieren,wenn es ernst wird. Jetzt wird es ernst!Bei vielen Betroffenen, zum Beispiel bei den Ärzten,den Krankenkassen, Krankenhäusern und ihren Beschäf-tigten, ist bei all den Auseinandersetzungen und Diskus-sionen der Eindruck entstanden, die Politik sei unbelehr-bÄfWrKZdgTvgaguspwsnzmrBftgkddbrlZrp
Zusammen mit meinen Fraktionskollegen bin ich da-on überzeugt, dass wir im Laufe der Ausschussberatun-en zur Gesundheitsreform in den nächsten Wochenuch inhaltlich in einigen wesentlichen Punkten Lösun-en finden und beschließen werden, die inhaltlich bessernd praktikabler als jene im vorliegenden Gesetzentwurfind.
Wir von der Union werden deutlich machen, dass einearlamentarische Anhörung für uns keine Farce ist, dieir als parlamentarisches Ritual über uns ergehen las-en. Wir werden aus dem Gehörten, aus den Informatio-en der Fachleute aus den Verbänden, Konsequenzeniehen. Im Anhörungsverfahren ist uns sehr deutlich ge-acht worden, dass wir in einigen Punkten zu Verbesse-ungen kommen müssen.
ei aller lauten, manchmal überzogenen Kritik mussestgestellt werden, dass die parlamentarische Bera-ung der Reform eigentlich erst jetzt beginnt. Arbeits-ruppen und Ausschuss werden sich in dieser und in derommenden Woche erstmals inhaltlich mit den Detailses Gesetzes und den Schlussfolgerungen aus der Kritik,ie in 26 Stunden Anhörung geübt wurde, befassen. Ichin sicher, dass viele Teile des Gesetzentwurfs nocheichlicher Überarbeitung bedürfen.Als letzter Redner der Debatte möchte ich allen Betei-igten ausdrücklich für die – bei aller Kontroverse – guteusammenarbeit danken. Ich freue mich auf die weite-en Beratungen.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-lan 15 – Bundesministerium für Gesundheit – in der
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6492 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 21. November 2006
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Vizepräsidentin Petra PauAusschussfassung. Hierzu liegen uns vier Änderungsan-träge vor, über die wir zuerst abstimmen.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derFDP auf Drucksache 16/3487? – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Dieser Antrag ist mit den Stimmen der Ko-alitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen derFDP und der Linken bei Enthaltung der Fraktion desBündnisses 90/Die Grünen abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derFDP auf Drucksache 16/3488? – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Dieser Antrag ist ebenfalls mit den Stim-men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen derFraktionen der FDP und der Linken bei Enthaltung derFraktion des Bündnisses 90/Die Grünen abgelehnt.Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion DieLinke auf Drucksache 16/3461. Wer stimmt dafür? – Ge-genstimmen? – Enthaltungen? – Dieser Antrag ist gegendie Stimmen der Fraktion Die Linke von den übrigenFraktionen des Hauses abgelehnt.Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion DieLinke auf Drucksache 16/3462. Wer stimmt dafür? –Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Dieser Antragist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor abge-lehnt.Wir kommen damit zur Abstimmung über den Einzel-plan 15 in der Ausschussfassung. Wer stimmt für denEinzelplan 15? – Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltun-gen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Einzelplan 15mit den Stimmen der Unionsfraktion und der SPD-Frak-tion gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen des Hau-ses angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.7 auf:a) hier: Einzelplan 07Bundesministerium der Justiz– Drucksachen 16/3107, 16/3123 –Berichterstattung:Abgeordnete Otto FrickeLothar Binding
Dr. Ole SchröderRoland ClausAnna Lührmannb) hier: Einzelplan 19Bundesverfassungsgericht– Drucksache 16/3124 –Berichterstattung:Abgeordnete Lothar Binding
Dr. Ole SchröderOtto FrickeDr. Dietmar BartschAnna LührmannZu dem Einzelplan 07 liegt ein Änderungsantrag derFraktion Die Linke vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. – Dazu höre ichkeinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. IchbtlgFnKasEfgptndhnsukAAvsrwPdsDR–kfsScnPsiwtm
as entspricht unserer Auffassung von der Arbeit imechtsausschuss.Die Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie das kann ich Ihnen nicht vorenthalten – war insgesamtein Ruhmesblatt. Ich will die Diskussion, die besondersür die Kollegen von der CDU/CSU schmerzhaft gewe-en ist, nicht wiederholen. Eines will ich aber sagen:chon bei der Schlussberatung wurden viele handwerkli-he Mängel aufgezeigt und jetzt, nur wenige Monateach In-Kraft-Treten, zeigt sich, dass das Gesetz in derraxis hoch missbrauchsanfällig ist. Schon jetzt zeichnetich ab, dass die erwarteten Vorteile für die Betroffenenn der beabsichtigten Form überhaupt nicht eintretenerden.
Frau Ministerin, Sie haben sich mit einem sehr wich-igen Vorhaben, nämlich der Neuordnung der Telekom-unikationsüberwachung, einige Zeit gelassen. Jetzt
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Sabine Leutheusser-Schnarrenbergerliegt ein Referentenentwurf vor. Die FDP-Fraktion hat inAnträgen, die sie in der letzten und in dieser Legislatur-periode vorgelegt hat, deutlich gemacht, wie dringlichund notwendig diese Neuordnung ist, die im Übrigenauch durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts vor-gegeben ist. Ich hoffe, dass wir den Gesetzentwurf zügigzugeleitet bekommen und dann nicht nur den Deliktkata-log durchforsten – das ist mit Sicherheit ein wichtigerPunkt –, sondern uns auch damit befassen, wie wir aufdie abnehmende Kontrollwirkung durch den Richtervor-behalt zu reagieren gedenken, und natürlich damit, wel-che anderen Verbesserungen bei der BenachrichtigungBetroffener vorzunehmen sind, bis hin zu dem Problem,dass wir einheitliche Regelungen für die Berufsgeheim-nisträger brauchen.In diesem Zusammenhang möchte ich ein Vorhabenansprechen: die Stärkung der Pressefreiheit. Dazu gabes eine Anhörung, einen Vorschlag der FDP-Fraktionund einen weiteren vom Bündnis 90/Die Grünen. DieSachverständigen haben dargestellt, und zwar alle, auchdie von CDU/CSU und SPD benannten, dass es hierHandlungsbedarf gibt. Ich will jetzt keine einzelnenPunkte aufzeigen. Ich denke, morgen werden in der Ver-handlung beim Bundesverfassungsgericht im „Cicero“-Verfahren noch weitere deutliche Hinweise gegeben. Ichsage Ihnen, Frau Ministerin: Sie haben unsere Unterstüt-zung, wenn Sie in andere Gesetzgebungsverfahren, zumBeispiel zur Telekommunikationsüberwachung, Ände-rungen zur Stärkung der Pressefreiheit aufnehmen.Lassen Sie mich in meiner kurzen Redezeit in nurzwei Sätzen einen Blick auf das werfen, was im nächstenJahr neben den jetzt im Gesetzgebungsgang befindlichenVerfahren ansteht. Ich denke, entscheidende Bedeutungkommen der EU-Ratspräsidentschaft und dem gesam-ten Bereich der Rechtspolitik zu, der zum Schwerpunktder deutschen EU-Ratspräsidentschaft werden soll. Hiermuss endlich ein Durchbruch bei der Stärkung derBeschuldigtenrechte im Mittelpunkt stehen. Wir habenbisher immer die Sicherheitsorgane aufgrund von EU-Rahmenbeschlüssen und EU-Gesetzgebung gestärkt.Hier brauchen wir jetzt einen deutlichen Durchbruch.Ich hoffe – dabei haben Sie unsere Unterstützung, FrauMinisterin –, dass das in den sechs Monaten EU-Rats-präsidentschaft trotz ganz erheblicher Widerstände ge-lingen kann und wird.Recht herzlichen Dank.
Nach diesen sehr langen zwei Sätzen hat nun die Bun-
desministerin der Justiz, Brigitte Zypries, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zunächsteinmal ganz kurz auf zwei Punkte eingehen, die Sieangesprochen haben, liebe Frau Leutheusser-Schnarrenberger: Missbrauch des Allgemeinen Gleich-brr„t–sazsdeanvetF–DdizbmahbdeSnDwhLUiVEsgdew
Danke schön.Sie sind in einer solchen Weise unwahr, dass man nuragen kann: Das ist tendenziös und damit ist etwas ganznderes gemeint: Es geht um einen angeblichen Zwistwischen den Koalitionspartnern, der vertieft werdenoll, obwohl völlig klar ist: Die Koalitionspartner habenieses Gesetz gemeinsam auf den Weg gebracht. Es istin richtiges Gesetz. Wenn es vielleicht an der einen odernderen Stelle Verwerfungen gibt, dann ist das relativormal. Sie erinnern sich sicherlich daran, dass wir, alsor 25 Jahren der so genannte Portoparagraf ins BGBingeführt wurde, am Anfang dieselben Probleme hat-en. Es gab dann fünf Entscheidungen und damit war derall gelöst.
Ja, dieses Land ist weiter, als man manchmal denkt.
as ist also nicht so dramatisch. Ich sehe das entspannt.Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Ankündigung,ass Sie uns vor allem während der EU-Präsidentschaftn Sachen Mindeststandards für Strafverfahren unterstüt-en wollen. Ich gehe davon aus, dass das das ganze Hausetrifft. In der Tat ist es so, dass wir da vorankommenüssen. Wir müssen deutlich machen, dass die Vorgabenus Brüssel nicht nur eine Beschränkung von Rechteninsichtlich der Speicherung und Weitergabe von Datenedeuten – so wird es gerade in Deutschland im Bereicher Rechtspolitik vielfach wahrgenommen –, sondernben auch die Schaffung von Mindeststandards in allentaaten.Ich war gestern in Brüssel und habe mit den Abgeord-eten des Europaparlaments Gespräche darüber geführt.ort wird dieses Vorhaben sehr begrüßt und dort habenir Unterstützung. Aber Sie haben völlig richtig daraufingewiesen, dass im Rat die Kritik von den anderenändern kommen wird. Es wird deshalb kein einfachesnterfangen. Aber wir werden unser Bestes versuchen.Ich kann Ihnen aber jetzt schon sagen: Ein halbes Jahrst sehr kurz. Das ist leider so. Wir haben die Idee deserfassungsvertrages aufgenommen – das sage ich zurrgänzung – und zum ersten Mal eine 18-Monats-Prä-identschaft. Wir haben das Programm mit den Portu-iesen und mit den Slowenen abgestimmt. Sonntag fan-en die letzten Abstimmungen statt. Wir haben jetztinen gemeinsamen Text, in dem beschrieben wird, wasir machen wollen. Ich bin ganz optimistisch, dass die
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Bundesministerin Brigitte Zypriesbeiden Länder, die sich verpflichtet haben, dabei mitzu-machen, unsere Abmachungen fortführen werden, wennwir selbst nicht so weit kommen sollten.Nun zum eigentlichen Thema, dem Haushalt. Es istmir ein Anliegen, zunächst einmal darauf hinzuweisen,dass nicht jede Modernisierung des Staatsapparates ei-nen Bürokratieabbau zur Folge haben muss. Sie kennenmeine Position: Ein gutes Staatsmanagement ist nichtnur eine Frage der Quantität, sondern auch eine Frageder Qualität. Es geht darum, die Verwaltung vernünftigzu organisieren, damit sie mit den zur Verfügung stehen-den Mitteln ein Optimum an Leistung erbringen kann.Ich will darauf hinaus – Sie ahnen es wahrscheinlichschon –, dass wir das Bundesamt für Justiz gegründethaben. Ich möchte mich ganz herzlich bei all denen be-danken, die dazu beigetragen haben, es zu ermöglichen,dass dieses neue Amt seine Arbeit bereits am 1. Januarnächsten Jahres aufnehmen kann. Insbesondere möchteich mich bei den Haushaltspolitikern bedanken, denendieses Projekt, das nachträglich in den Haushaltsplanaufgenommen wurde und mehr als 100 Änderungs-anträge mit sich brachte, viel Arbeit gemacht hat. Ichmöchte mich aber auch bei den Rechtspolitikern bedan-ken, die mit dem Errichtungsgesetz die Rechtsgrundlagefür das Bundesamt für Justiz geschaffen haben.Ich glaube, es war eine gute Idee, dass wir die beimUmzug von Bonn nach Berlin seinerzeit erfolgte Aufga-benkritik jetzt in gewisser Weise aufgenommen haben.Die Zuständigkeit für Aufgaben, die nicht notwendiger-weise im Ministerium angesiedelt sein müssen, könnenwir nun anderweitig regeln. Die neue Behörde hat alsonicht mehr Aufgaben bekommen, sondern ihre Aufga-ben wurden konzentriert. Teilweise handelt es sich umsolche Aufgaben, die bisher beim Ministerium angesie-delt waren, teilweise betrifft dies das BZR, also das Bun-deszentralregister – das ist der wesentliche Nukleus –,das von der Generalbundesanwältin geführt wird. Mitdieser Bündelung der Aufgaben erzielen wir eine MengeSynergieeffekte.Ein anderes Thema, das wir damit für meine Begriffeabhaken, ist die Sicherung des Justizstandortes amRhein. Zumindest die Beschäftigten des Bundesamtesfür Justiz können sich in Zukunft aus den immer wieder-kehrenden Debatten über den Rutschbahneffekt beimRegierungsumzug ausklinken. Denn sie wissen: Ihr Ar-beitsplatz ist in Bonn und er wird in Bonn bleiben.Ich möchte noch einen weiteren Aspekt ansprechenund mich erneut bei Ihnen bedanken. Dabei geht es umzwei Fragen, die mir, wie Sie wissen, sehr am Herzenliegen: Wie ist das Deutsche Patent- und Markenamtausgestattet? Wie schaffen wir es, den Break-even, denwir beim Stauabbau erreicht haben, zu halten und keinenneuen Stau aufzubauen?Das gelingt natürlich nur, wenn wir gute EDV undgutes Personal in ausreichender Zahl zur Verfügung stel-len. Deswegen danke ich all denen ganz herzlich, diedazu beigetragen haben, dass die Stellen, die aufgrunddes linearen Personalabbaus verloren gegangen sind,jWrCnum–dtSDobntwSumBanzRiTeeDmwdwRSerWzTsshsivaDwDnt
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Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Dank an denHaushaltsausschuss aussprechen, der die besondere Si-tuation des Bundesministeriums der Justiz und des Bun-desverfassungsgerichts in einem Beschluss berücksich-tigt hat, der für die Versorgungsausgaben eine Umlagevorsieht, die bisher zentral veranschlagt waren und nun-mehr in den Plänen der einzelnen Ressorts ausgewiesenwerden. Sie wissen, dass das bei einem Haushaltsplan,der ganz überwiegend aus Personalkosten besteht, be-sonders problematisch ist. Ich möchte deshalb demHaushaltsausschuss, der auf Antrag der AbgeordnetenLothar Binding, Dr. Ole Schröder und Otto Fricke denBeschluss gefasst hat, ganz besonders danken. In diesemheißt es nämlich:Die Erfüllung verfassungsmäßig vorgegebenerAufgaben darf nicht durch überproportionale Be-lastungen aus strukturell bedingten hohen Anteilender Versorgungsausgaben in dem Einzelplan 07– BMJ – … und dem Einzelplan 19 – Bundesver-fassungsgericht – … gefährdet werden.
Ich danke Ihnen, dass Sie in dieser Art und Weise vo-rausschauend auf die Haushaltsaufstellung für dasJahr 2008 reagiert haben.
– Und folgende. Deshalb habe ich das hier noch einmalvorgelesen und allen zur Kenntnis gebracht. Das werdendann Haushaltsverhandlungen – der Kollege Diller lachtschon freundlich –, bei denen wir gemeinsam sehenmüssen, wie wir die in unserem Land allgemein als gutanerkannte Rechtspflege auch personell so ausstatten,dass sie ihre Aufgabe weiter erfüllen kann. In diesemSinne herzlichen Dank an den Haushaltsausschuss.
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Nešković für die
Fraktion Die Linke.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
er aktuell vorliegende Einzelplan hilft diesem Zustanduf der Ebene der obersten Bundesgerichte erneut nichtb.Viele in diesem Haus finden schmale Justizhaus-alte überhaupt nicht ungewöhnlich, sie sind der Regel-all, sie werden nicht hinterfragt, sie sind das Normale.enn Menschen definieren, was das Normale ist, dannenennen sie allzu oft lediglich das, woran sie sich ge-öhnt haben. Der Zustand der Gewöhnung mag einriedlicher sein, er ist allerdings völlig untauglich für diermittlung dessen, was notwendig und angemessen ist.ieser Gewöhnung möchte ich entgegenwirken. Dieustiz ist nicht irgendein Aufgabenbereich des Staates,ie ist unentbehrlicher Mindestbestandteil des sozialenechtsstaates.
Viele von uns haben die Fußball-Weltmeisterschaftn diesem Land genossen. Für eine kurze Zeit wurdenogar die ernsten Angelegenheiten der Politik von deregeisterung über die schönste Nebensache der Weltberstrahlt. Die besten und teuersten Spieler der ganzenelt traten zum Wettkampf gegeneinander an.Es gab aber nicht nur 22 Spieler auf dem Platz, son-ern es bewegten sich noch drei weitere Personen aufem Spielfeld.
ch meine die Schiedsrichter, die mit einigen tausenduro Spesen abgefunden wurden, während sie bei man-hen Spielen von Spielern umringt wurden, deren Ver-ögen im dreistelligen Millionenbereich liegt.
Nun stellen Sie sich ein Fußballspiel ohne Schieds-ichter vor. Es könnte nicht funktionieren; denn es wärein Spiel ohne durchsetzbare Regeln. Chaos! Niemandürde ein solches Spiel sehen wollen; denn es wäreberhaupt keines mehr.
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Wolfgang NeškoviæWolfgang NeškovićEs ist also der vergleichsweise schlecht bezahlte Mannin Schwarz, der das Spiel überhaupt erst ermöglicht, in-dem er die Spielregeln durchsetzt.
Im Spiel unserer Gesellschaft sind es die Richterin-nen und Richter, die die Regeln unserer Gesellschaftdurchsetzen.
Auch sie kosten wenig und sind dennoch unentbehrlichfür den Zusammenhalt und die Funktionsfähigkeit unse-rer Gesellschaft.
Deswegen ist es bei dieser Sachlage völlig unverständ-lich, dass wir der Justiz nicht die sächlichen und perso-nellen Mittel zur Verfügung stellen, die sie braucht, umdieser unentbehrlichen Funktion gerecht zu werden.
Aus diesem Grunde ist es nicht ausreichend, die Aus-gaben für die Justiz allenfalls stabil zu halten. Wir benö-tigen die Bereitschaft zu deutlichen Mehrausgaben. Wirbrauchen diese Mehrausgaben, um den ansteigendenAnforderungen bei gleich bleibender Qualität gerecht zuwerden.
Die steigende Arbeitslast an den Gerichten führt dazu,dass die Richterinnen und Richter keine Zeit mehr fürdie Parteien und ihre Probleme haben. Das nehmen Sienur nicht wahr. Ich empfehle Ihnen, einmal auszu-schwärmen und sich bei den Leuten zu erkundigen, wiesie die Lebenswirklichkeit bei den Gerichten erleben.
In fast allen Völkern und zu fast allen Zeiten galtendie Rechtshüter auch als Hüter der Zeit. Sie hüten dasRecht nicht nur in der Zeit, in der sie richten, sondernZeit ist genau das, was sie für die schwierige Aufgabebrauchen, die ihnen anvertraut ist, nämlich Recht vonUnrecht zu trennen. Der Wahrheit Mutter ist nämlich dieZeit und nicht der richterliche Erledigungsautomat. IhreHaushaltspläne führen aber genau dazu.
Wir benötigen Mehrausgaben für die Justiz aber auchund vor allem darum, um den Anspruch an eine sozial-staatlich orientierte Justiz endlich einzulösen.Ich erinnere dazu an die Motivlage bei der Beratungunseres Grundgesetzes. Carlo Schmid beantragte seiner-zeit, das Prinzip des sozialen Rechtsstaates in dasGtmznSsegbmdvCJnHdfnOeraHMwwzmrdnfrdwHzssswasdeirfVS
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 21. November 2006 6497
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Kollege Nešković, können Sie bitte zum Schluss
kommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich komme zum Ende. – Sie entscheiden heute also
nicht wieder aus alter Gewöhnung über den wie gewöhn-
lich zu schmal geratenen Etat für das gewöhnliche Jus-
tizwesen. Sie entscheiden heute über einen Haushalt, der
dem sozialen Rechtsstaat in keiner Weise gerecht wird.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Dr. Ole Schröder für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Vorweg mein Dank an Sie, Frau Ministerin, undIhr gesamtes Haus für die gute Zusammenarbeit bei derAufstellung dieses Haushalts. Vielen Dank auch an denKollegen und Hauptberichterstatter Lothar Binding unddie Mitberichterstatter für die gute Zusammenarbeit.
In den vergangenen Debatten über diese Einzelplänewurde regelmäßig darauf hingewiesen, dass die Etats derEinzelpläne für das Bundesministerium der Justiz unddas Bundesverfassungsgericht gemessen am gesamtenAusgabevolumen sehr klein sind. Der Etat für diese Ein-zelpläne beträgt nicht einmal 1,8 Promille der Gesamt-ausgaben.Was sagt uns diese Zahl eigentlich? Keinesfalls darfman von der Höhe der Ausgaben auf die Bedeutung derInstitutionen schließen. Beim Bundesverfassungsgerichtist diese Gefahr relativ gering. Wir sind uns darüber imKlaren, wie bedeutend diese Institution ist. Dagegen gibtes auch Institutionen wie das Deutsche Patent- und Mar-kenamt, die keine oder nur wenig mediale Aufmerksam-keit genießen. Dennoch ist deren Bedeutung fürDeutschland als Wirtschafts- und Technologiestandortimmens.wWlttBdtbNöGtsGusKmrtomodlggkdsj5ddGdulktsDAIdsvV
ann wird die EU-Ratspräsidentschaft nicht nur einusgabenposten im Einzelplan, sondern eine wichtigenvestition in weniger Bürokratie sein.Ein weiterer Gegenstand intensiver Beratungen waras Deutsche Patent- und Markenamt. Hier haben wirowohl bei den Stellen als auch bei den Mitteln für In-estitionen in die Informationstechnologie aufgestockt.or einigen Jahren hat sich beim Deutschen Patent- und
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6498 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 21. November 2006
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Dr. Ole SchröderMarkenamt ein massiver Patentanmeldestau entwickelt,der erst durch den Einsatz zusätzlicher Prüfer abgebautwerden konnte. Hätten wir nicht reagiert und dem Deut-schen Patent- und Markenamt nicht zusätzliche Stellenbewilligt, dann wäre der Grundstein für einen weiterenPatentanmeldestau gelegt worden. Qualifiziertes Perso-nal ist das eine. Wichtig ist aber auch die Informa-tionstechnologie. Man darf nicht vergessen, dass es mitt-lerweile um die Verarbeitung und Bewertung von30 Millionen Patentschriften geht. In keinem anderenPatentamt in Europa gehen so viele neue Patentanmel-dungen ein wie beim DPMA. Damit das auch in Zukunftso bleibt, stellen wir 4,5 Millionen Euro für das Projekt„elektronische Schutzakte“ bereit. Das ist eine wichtigeInvestition in den Technologiestandort Deutschland.
Der dritte und letzte Punkt, den ich anspreche, ist dieGründung des Bundesamtes für Justiz. Es wird beste-hende Aufgaben vom Bundesjustizministerium und vomGeneralbundesanwalt übernehmen. Das ist notwendig,weil im Laufe der Jahre dem Ministerium und dem Ge-neralbundesanwalt relativ wahllos Aufgaben übertragenwurden, ohne dass diese Aufgaben richtig zu den Häu-sern gepasst hätten. Diese Neugründung wurde sehr kos-tengünstig über die Bühne gebracht. Wir haben hierfürlediglich 400 000 Euro veranschlagt. Wir gehen davonaus, dass diese Mittel noch nicht einmal ausgeschöpftwerden. Entscheidend ist aber, dass wir in Zukunft auf-grund von Synergieeffekten in erheblichem Maße ein-sparen können und dass der Service für die Bürger ver-bessert werden kann.Das Modell des BMJ, die Reduzierung auf die minis-teriellen Kernaufgaben, verbunden mit der Ausgliede-rung nicht ministerieller Tätigkeiten in nachgelagerteBereiche, kann ein Vorbild für andere Häuser sein. Ichdenke insbesondere an die Diskussion, die jetzt im Bun-desministerium des Innern über die Gründung einesBundespolizeipräsidiums geführt wird.Ich habe bereits bei der Diskussion über das Gesetzzur Errichtung des Bundesamts für Justiz gesagt, dasswir diesen Weg konsequent fortsetzen müssen. Es mussuns klar sein, dass für eine Außenstelle des Bundes-ministeriums der Justiz in Bonn jetzt wirklich keine Not-wendigkeit mehr besteht. Hier steht uns aber das Berlin-Bonn-Gesetz im Wege. Wir haben deshalb im Haushalts-ausschuss beschlossen, dass wir nochmals den Bundes-rechnungshof auffordern wollen, die Arbeitsteilung derMinisterien zwischen Berlin und Bonn zu untersuchen.Wir sollten diese Analyse zum Anlass nehmen, das Ber-lin-Bonn-Gesetz entsprechend zu ändern.Schönen Dank.
Das Wort hat der Kollege Jerzy Montag für die Frak-
tion des Bündnisses 90/Die Grünen.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deraushalt des Bundesjustizministeriums ist immer nochlein und immer noch fein. Mit 0,17 Prozent des Ge-amthaushalts kann er weder viel zur Sanierung dertaatsfinanzen beitragen noch diese ernsthaft beschädi-en. Bei einem Deckungsgrad von 69,6 Prozent ist derustizhaushalt vorbildlich. Allerdings, Frau Ministerin,atten wir früher schon einmal einen Deckungsgrad voneit über 70 Prozent.Das neue Bundesamt für Justiz hat den Justizhaushalt,ie von der Ministerin versprochen, nicht belastet. Dasrkennen wir an. Deshalb haben wir Grünen dem Einzel-tat des Bundesjustizministeriums und des Bundesver-assungsgerichts im Rechtsausschuss zugestimmt undicht wie die Linke krampfhaft lange nach einem Haar iner Suppe gesucht, um aus Prinzip auch dazu Nein sagenu können.
ie von der Linken geforderte Verlegung des Bundes-mts für Justiz von Bonn in den Osten Deutschlands istlanker Populismus und angesichts der Tatsache, dassich der Kernbereich des neuen Bundesamts für Justizit dem Bundeszentralregister schon seit Jahren in Bonnefindet, sachlich nicht zu begründen.
Nein, ist er nicht.Die Ministerin hat letzte Woche zusammen mit demnnenminister der Öffentlichkeit den Zweiten Periodi-chen Sicherheitsbericht vorgestellt. Er berührt Kern-ereiche der Rechtspolitik, weshalb ich mich ihm heuteidmen will. Politik beginnt mit dem Erfassen der Wirk-ichkeit und Kriminalpolitik als ein immer in der öffent-ichen Debatte stehender Teil der Rechtspolitik mit demrfassen der tatsächlichen und nicht der gefühltenicherheitslage. Um wirksame Konzepte zur Kriminali-ätsbekämpfung entwickeln zu können, braucht die Poli-ik eine verlässliche Bestandsaufnahme der Kriminali-ätslage, die über die bloße Analyse der Statistikeninausgeht. So jedenfalls haben Sie es, Frau Zypries, ge-chrieben.Es ist erstaunlich, aber wahr, dass erst unter Rot-Grünit einer solchen systematischen Erfassung der Wirk-ichkeit begonnen wurde.
oraussetzung war und ist eine breit gefächerte Aufar-eitung und Analyse des vorhandenen Datenmaterialsnter kriminologischen, unter soziologischen, unterechtswissenschaftlichen und unter statistischen Aspek-en. So steht es im Sicherheitsbericht. Der erste stammtus dem Jahr 2001. Er erfasste naturgemäß die Entwick-ung der Kriminalität aus der Zeit der unionsgeführten
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Jerzy MontagKohl-Regierung. Der zweite Sicherheitsbericht, der ausdem Jahr 2006, erfasst die Entwicklung bis zumJahr 2005. Er ist so etwas wie der kriminalpolitische Re-chenschaftsbericht der beiden rot-grünen Regierungen.Deshalb habe ich mit Spannung und mit Interesse aufdiesen Rechenschaftsbericht gewartet. Was haben wiraus diesem Bericht erfahren? Die Zusammenfassung zu-erst: Deutschland war unter Rot-Grün eines der sichers-ten Länder der Welt.
Deutschland nimmt auf der Kriminalitätsskala in Europaden ruhmreichen letzten Platz ein. Noch 1994, also inunionsgeführten Zeiten, lagen wir bei Kapitalverbrechenwie Mord und Totschlag in Europa über dem Durch-schnitt, heute weit darunter. In den Bereichen Raub undErpressung ist Deutschland das einzige Land Europasmit zurückgehenden Deliktraten.
Entgegen politisch und medial geschürten Ängsten voreiner überbordenden Kriminalität hat in den letzten Jahr-zehnten, insbesondere in den letzten sieben Jahren derrot-grünen Kriminalitätspolitik, die Opfergefährdungdurch Vergewaltigungen, sexuelle Nötigungen, sexuelleÜbergriffe gegenüber Kindern und durch Mord und Tot-schlag nicht zugenommen. Ganz im Gegenteil, wir ha-ben deutliche Rückgänge zu verzeichnen.
Der Bericht spricht insoweit unter Hinweis auf immerwieder in der Öffentlichkeit und in den Medien breit he-rausgestellte Einzelfälle von einem drastisch verzerrtenBild des Kriminalgeschehens in der Öffentlichkeit. Eineallgemeine Brutalisierung unserer Gesellschaft, von vie-len immer wieder beschworen und herbeigeredet, istnicht nachweisbar.Bis Ende der 90er-Jahre war eine Zunahme derJugenddelinquenz zu verzeichnen. Seit 1999 ist dieserAnstieg in fast allen Deliktarten der Jugenddelinquenzgestoppt; er geht überwiegend zurück, zum Teil sehrdeutlich.
Opfer der Gewaltdelikte Jugendlicher sind überwiegendGleichaltrige, nicht ältere Menschen. Opfer von GewaltErwachsener sind überwiegend junge Menschen undKinder. Das alles wird weder in der „Bild“-Zeitung pu-bliziert, noch findet es sich in den sicherheitspolitischenAnalysen der Union.Besonders wichtig finde ich im Sicherheitsbericht,dass die Wirkungen des erhöhten Anzeigeverhaltens unddie Ergebnisse der Dunkelfeldforschung ins Verhältniszu den Deliktbereichen gesetzt werden, bei denen An-stiege der angezeigten Kriminalität zu verzeichnen sind.Das ist traditionell das Betätigungsfeld konservativerKlwbszLidzvKwegdSügatSHRVOhsdsmbtvdgSdspWS
ber schon die erste Bewährungsprobe dieses neuen ra-ionalen Ansatzes bei Ihnen gescheitert ist.Gestern hat ein 18-jähriger Amokläufer in einerchule in Nordrhein-Westfalen viele Menschen verletzt.eute sind die Zeitungen voll mit Vorschlägen aus deneihen der Union zu strengerem Jugendschutz, zu neuenerboten und neuen Strafen.
hne gesicherte Kenntnisse, ohne Sinn und Verstandauen Kollegen des Regierungslagers auf die Repres-ionspauke. Dabei müsste uns aufhorchen lassen, dasser 18-Jährige über seine Erfahrung als Jugendlicher ineiner Schule geschrieben haben soll: Das Einzige, wasir die Schule beigebracht hat, ist, dass ich ein Versagerin.Wenn wir Grünen Ihre kriminalpolitische Tagespoli-ik, Ihr rechtspolitisches Programm in Ihrer Koalitions-ereinbarung und Ihre rechtspolitischen Vorstöße überen Bundesrat bewerten, dann ist keine Entwarnung an-esagt. Danke, dass Sie uns für unsere Regierungszeit imicherheitsbericht so gelobt haben! Aber die Umsetzunger im Sicherheitsbericht zu Papier gebrachten Grund-ätze einer rationalen Kriminalitätspolitik in die Tages-olitik haben Sie noch vor sich.
ir werden Ihnen dabei nach Kräften helfen.
Das Wort hat der Kollege Lothar Binding für diePD-Fraktion.
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Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Zum Haushalt und zu den Einzelplänenhaben wir schon viel gehört und ich frage mich inzwi-schen – ich sitze seit 10 Uhr hier –, warum eigentlich soein guter Haushalt in so unterschiedlichem Licht er-scheint.
Ich will versuchen, das an drei Beispielen, die ich heutehören konnte, zu erläutern.Herr Koppelin fragte heute Morgen gegen 10.14 Uhr:Wie können Sie, Frau Kanzlerin – er schaute ganz vor-wurfsvoll zu ihr herüber –, eigentlich Geld ausgeben, dasSie noch gar nicht haben? Da habe ich mich gefragt: Wiekann das jemand von der FDP fragen, obwohl die FDP39 Jahre lang genau das gemacht hat? Die FDP hat daspraktiziert und dabei sämtliche Verfahren in dieser Rich-tung angewandt. Dennoch stellt sich ein FDP-Vertreterhierhin und stellt diese Frage.
Frau Lötzsch von der Linken hat gesagt, die großeKoalition sei immer dann erfolgreich gewesen, wenn sieden Vorschlägen der Linken gefolgt sei.
Man muss schwer aufpassen, dass man sich nicht ver-hebt; die Bandscheiben danken dafür.
Es ist immer ein schönes Gefühl, jemandem zu folgen,der Geld ausgibt, etwa in der Zeit vor Weihnachten. DerUnterschied zwischen Ihnen, Frau Lötzsch, und uns be-steht darin, dass wir versuchen, Ausgaben im Haushaltzu decken: Wir kümmern uns auch um entsprechendeEinnahmen.
Wer so vorgeht, hat andere Probleme als jemand, dersich nur um die Ausgaben kümmert. Es stimmt: Immerwenn wir Geld ausgeben – auch in Ihrem Sinne –, hatdas ein positives Moment.Ich möchte auf Anja Hajduk zu sprechen kommen.Sie hat uns etwas vorgerechnet. Das möchte ich gernenachrechnen. Sie hat gesagt – das zeigt, in welchen Ka-tegorien von Haushalt man eigentlich denkt, welcheHaushaltsgrundsätze man hat –: Die Pflegeversicherungkostet den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber 1,7 Pro-zent; die Reform fehlt noch. Das stimmt. Auch ich ma-che der großen Koalition – allzu lange existiert sie nochnicht – einen kleinen Vorwurf. Frau Hajduk hat also ge-sagt: Die Verantwortung hat die große Koalition. NachFrau Hajduks Rechnung wird der Beitragssatz in derK1FgzDlnphlFDtBlsgh1rzuwmuIdwstmmdwsaeFdfkLI
er Beitragssatz in der Rentenversicherung – derzeitiegt er bei 19,5 Prozent – steigt auf – ich gehe auf kei-en der Gründe ein – 19,9 Prozent. Das stimmt hundert-rozentig. Frau Hajduk hat gesagt: Die Verantwortungat die große Koalition. Der Beitragssatz in der Arbeits-osenversicherung sinkt von 6,5 Prozent auf 4,2 Prozent.rau Hajduk hat bezüglich der Verantwortung gesagt:as ist die Folgewirkung der langfristig angelegten, gu-en rot-grünen Politik und ein Ergebnis der Arbeit derundesanstalt für Arbeit.
Eine solche Differenzierung vorzunehmen, ist natür-ich wunderbar. Sie muss mir noch erklären – ich konnteie noch nicht fragen –, wie sie aufgrund der von ihrenannten Zahlen zu einer Gesamtbelastung von – bis-er – 40,7 Prozent kommt, um dann die Entlastung von,2 Prozent zu einer Belastung von 0,1 Prozent umzu-echnen und so zu einer Gesamtbelastung von 40,8 Pro-ent zu kommen. Zum Schluss hat Frau Hajduk addiertnd darauf hingewiesen, dass die Erhöhung der Mehr-ertsteuer um 3 Prozentpunkte hinzukommt.
Wer so rechnet, der muss den Haushalt zugegebener-aßen zwingend anders betrachten als wir. Deshalb istnser Urteil „guter Haushalt“ wahrscheinlich richtig undhr Urteil „schlechter Haushalt“ falsch.
Ich will noch eine Bemerkung zu einer Frage machen,ie Ulla Schmidt gestellt hat. Ulla Schmidt hat gefragt,elcher der vielen Kritiker oder Kritikaster eigentlichubstanzielle eigene Vorschläge gemacht hat. Den lautes-en Zwischenruf hat Herr Niebel gemacht: Wir! – Schautan einmal nach, was Sie vorgeschlagen haben – Sieachen viele große Reformvorschläge –, stellt man fest,ass Sie die gesetzliche Krankenversicherung abschaffenollen. Jeder soll an sich denken und alles soll privati-iert werden. Das ist ein super Modell – völlig klar –;uch die Abschaffung der Bundesanstalt für Arbeit istine ganz tolle Idee. Wie man sie ersetzt, ist eine zweiterage. Sie wollen dieses Steuersystem abschaffen und esurch ein besseres ersetzen, das zwar einfach, aber nichtinanzierbar und total ungerecht ist.
Jetzt möchte ich auf Herrn Nešković zu sprechenommen. Herr Nešković, Sie haben etwas vergessen.etztes Jahr haben Sie etwas zu Arm und Reich gesagt.ch habe Sie gefragt, ob Sie einmal prüfen können, wie
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Lothar Binding
es Rot-Grün geschafft hat, den Spitzensteuersatz zu sen-ken und gleichzeitig die Steuerlast der Millionäre zu er-höhen. Die Antwort wollten Sie heute geben, haben esaber leider nicht getan. Das ist sehr bedauerlich.
Auch dadurch leisten Sie keinen Beitrag zu einer verant-wortlichen Haushaltspolitik.Verantwortliche Haushaltspolitik kommt in diesemEinzelplan zum Ausdruck, weil Ole Schröder, OttoFricke, Anna Lührmann, Roland Claus und Dr. DietmarBartsch sehr gut zusammengearbeitet haben, und zwarauf der Grundlage der Vorlagen des Ministeriums, beidem wir uns herzlich bedanken möchten. Es war sehrkooperativ. Ich danke Brigitte Zypries, Herrn Schmitt-Wellbrock und Axel Vogel. Auch Frau Dr. Barnstedt undHerrn Köntopp vom Bundesverfassungsgericht möchteich erwähnen. Mit diesem gesamten Team kann man beider Erstellung des Haushalts sehr gut auch kritischePunkte behandeln. Auf dieser Basis ist ein ausgezeichne-ter Einzelplan zustande gekommen. Auf Einzelheitengehe ich nicht ein; denn das haben meine Vorredner hin-reichend getan.Vielen Dank.
Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Otto
Fricke.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Herr Binding, es ist schade, dass Sie nicht in derSchlussrunde reden. Ich hätte Ihre Ausführungen dagerne auch noch einmal gehört und wäre gespannt, obdann ebenso stark von Ihrer Fraktion applaudiert würde.Die Debatte über den Justizhaushalt bringt die Not-wendigkeit mit sich, dass man über Kosten sprechenmuss, nämlich über die Frage, wie viel der Rechtsstaatuns kostet. Das ist unangenehm und das tut man nichtgerne; aber der Rechtsstaat muss Geld kosten und er sollauch Geld kosten. Wir diskutieren aber leider nicht da-rüber, wie viel Geld wir bereit sind, für den Rechtsstaatzu bezahlen. Der Rechtsstaat lebt nämlich von Voraus-setzungen, die er selber nicht garantieren kann, nämlichvon Ressourcen.Die erste Ressource ist das Geld. Darüber kann manso viel reden, wie man will. Das gewährt im Bundes-haushalt zum Teil auch der Haushalt des Bundesverfas-sungsgerichts und zum Teil leider immer noch der Haus-halt des Arbeits- und Sozialministeriums. Ich fordere Sienoch einmal auf, Frau Ministerin Zypries: Holen Siewährend der großen Koalition die Verantwortung für dasBundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht hi-nüber zum Justizministerium. Es darf nicht sein, dasszwischen zwei Ministerien, beide noch dazu SPD-ge-fwamsssJGsgdd–wsubsizratBszEdDcznbGrkprdmsckswbndddLt
Ich sage das auch deswegen, weil es natürlich richtigst, dass wir dafür mehr Geld geben müssen. Dafür sindwar in dem Falle die Länder zuständig – Frau Ministe-in, Sie haben Recht –, aber das Problem ist doch, dassuch die Länder entsprechende Haushaltsschwierigkei-en haben. Man muss dann eben schauen, Kollegeinding, woher das Geld genommen werden kann. Nunind es immer noch 19,6 Milliarden Euro, die der Bundusätzlich aufnehmen muss, und über 40 Milliardenuro an Zinsen. In solch einer Situation befinden sichie Länder eben auch.Der Rechtsstaat braucht aber auch einen Kompass.as Antidiskriminierungsgesetz ist schon angespro-hen worden. Ich finde es bemerkenswert, dass ich in-wischen Briefe von Gewerkschaftern bekomme, in de-en sie von riesigen Problemen mit den Tarifverträgenerichten, da sie gar nicht wüssten, ob diese mit diesemesetz konform gingen. Vielleicht ist es so, dass die Ge-ichte nicht wie befürchtet entscheiden. Aber wehe, esommt nachher dazu, dass innerhalb dieser Legislatur-eriode noch das zweite, dritte, vierte oder fünfte Ände-ungsgesetz nötig wird, nur weil die Koalition und inieser insbesondere die SPD sagt, man wolle gar nichtsehr an dem ändern, was einmal unter Rot-Grün be-chlossen wurde und was die CDU/CSU nachher mitma-hen musste.Auch bei der Urheberrechtsreform, die ja nochommen soll, müssen wir aufpassen, dass der Kompasstimmt. Ich fand es schon bemerkenswert, dass 90 welt-eit bekannte Regisseure, die zum Teil in den USA le-en, Ihnen, Frau Ministerin, sagen: Passen Sie auf, dassicht nur die Verwerter das große Geld verdienen wer-en, und sorgen Sie dafür, dass auch die Kreativen undie Urheber ihren Teil bekommen. Ich bitte Sie wirklich,arauf zu achten, dass ein wesentlicher Punkt, der unserand stark macht, nämlich Kreativität und kulturelle Be-ätigung, nicht hinten herunterfällt.
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Otto Fricke
– Nein, es wird auch im zweiten Korb eine ganz wesent-liche Rolle spielen. Lassen Sie sich das einmal von derMinisterin erklären.Eine Frage möchte ich noch kurz am Schluss anspre-chen: Der BGH-Präsident Günter Hirsch hat eine sehrbemerkenswerte Aussage gemacht: Der Gesetzgeber seider Komponist des Rechtsstaates und die Gerichte seiendiejenigen, die schauen müssten, wie sie das musikalischumsetzten. Es wurde auch noch gesagt: Wenn dem Ge-setzgeber Takt und Tongefühl fehlen, wird die ganzeMelodie schief und schräg. Man kann sicherlichschauen, was Sinn und Zweck eines Gesetzes sind. Aberwenn der Gesetzgeber einen Viervierteltakt vorgibt,dann kann ein Gericht nicht sagen, es finde einen Walzerschöner, und einen Dreivierteltakt spielen. Es muss sichvielmehr an den Viervierteltakt halten. Wir müssen ge-nau aufpassen, dass Gerichte nicht zu Ersatzgesetzge-bern werden.Letzter Satz: Professor Johann Braun hat einmal eineAussage gemacht, der ich auf keinen Fall zustimme– damit ich hier nicht missverstanden werde –: Auchwenn Sie vom Recht nichts verstehen, Gesetzgeber kön-nen Sie immer noch werden. – Wenn eine solche Auffas-sung Eingang bei uns finden würde, dann würde uns dasletztlich den Rechtsstaat kosten. Das wollen wir nicht.Deswegen ist dieser Haushalt so wichtig.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Jürgen Gehb für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Haus-haltsdebatten geben nicht nur Anlass zu artigen Danksa-gungen, sondern bieten auch eine Gelegenheit, einmalüber den Tellerrand zu schauen und nicht nur stakkato-haft das Klein-Klein abzuarbeiten, also jedes Gesetz zuuntersuchen; sie ermöglichen, auch einmal Grundsätzli-ches zu diskutieren.Zu diesem Grundsätzlichen gehört für mich eine War-nung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts,die er vor den Teilnehmern der 5. Medienakademie derFriedrich-Naumann-Stiftung Anfang dieses Monats aus-gesprochen hat. Ich zitiere aus dem „Tagesspiegel“ vom4. November. Dort heißt es:„Die Journalisten schüren den Aktionismus der Po-litik“ … durch ihr ständiges Rufen nach dem Ge-setzgeber bei jedem noch so kleinen Problem. Zei-tungen, Rundfunk und Fernsehen trieben Regierungund Parlament an, immer neue Gesetze zu erlassen…–ddPdwtdnNskmkKrmsImvtßibMhResgkeBvd
Ich habe ja nur zitiert. Man muss ein Zitat korrekt wie-ergeben, selbst wenn es nicht richtig ist, Herr Wieland;as haben Sie doch bestimmt auch gelernt.
Nun will ich mir nicht jedes Wort von Präsidentapier zu Eigen machen; doch im Kern hat der Präsidentes Bundesverfassungsgerichts wohl Recht. Ständigird nach dem Gesetzgeber gerufen und wir Parlamen-arier werden von den Medien, aber auch von vielen an-eren Seiten, manchmal auch ein bisschen von der Mi-isterialbürokratie, angesprochen.
icht wahr, Herr Stünker, davon können wir ein Liedingen, wenn diese Herrschaften sogar an Podiumsdis-ussionen teilnehmen und um jedes Wort und jedes Se-ikolon ringen – und die Abgeordneten sitzen im Publi-um und müssen zuhören. Eine gewisse politischeonkurrenz, die im Prinzip überhaupt nicht zu kritisie-en ist, hat sicherlich ihren Anteil an der Gesetzgebungs-aschinerie.Trotzdem sollten wir uns immer wieder die Fragetellen: Wie weit lassen wir uns auf dieses Treiben ein?st es wirklich erstrebenswert, einem solchen Aktionis-us zu frönen, nur weil dies von der Öffentlichkeit oderon einflussreichen Medien oder von Lobbyisten erwar-et wird? Ich bin jedenfalls froh, dass wir uns in der gro-en Koalition diesen Fragen stellen und sie auch einmaln dem Sinne beantworten, dass ein geplantes Gesetzge-ungsprojekt nicht auf den Weg gebracht wird. Frauinisterin, ich denke da an das Untätigkeitsrechtsbe-elfsgesetz. Manchmal müssen die Parlamentarier dieegierung ein bisschen zur Raison rufen und dann wirdine Kabinettsvorlage auch einmal abgesetzt.
Um es deutlich zu sagen: Für mich kann auch derelbstgenügsame Gesetzgeber ein wirklich guter Gesetz-eber sein. Anders formuliert: Auch in der Rechtspolitikann weniger manchmal mehr sein. Ich bemühe nochinmal Montesquieu. Letzte Woche musste ich Herrneck erklären, dass es sich dabei nicht um den Grafenon Monte Christo handelt und dass das auch kein Mo-ezar oder jemand aus der Haute Cuisine ist.
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Dr. Jürgen GehbMontesquieu hat gesagt: Wenn es nicht notwendig ist,ein Gesetz zu erlassen, ist es notwendig, kein Gesetz zuerlassen. – Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.Meine Damen und Herren, diese Kultur des offenenWortes wünschte ich mir auch bei den Debatten um wei-tere Staatsziele in unserer Verfassung.
Ich habe hierüber in der ersten Lesung des Justizhaushal-tes vieles gesagt, möchte aber heute mindestens für un-sere Gruppe der Rechtspolitiker noch einmal eines he-rausstellen: Viele der Anliegen, die als potenzielleStaatsziele in der Diskussion sind, sind sicherlich mehrals ehrenwert; gar keine Frage. Nach unserer Auffassungwäre es aber eine geradezu dramatische Fehlentwick-lung, wenn ein politisches Ziel oder ein Recht nur nochdann als angemessen verortet gälte, wenn es auch seinenPlatz im Grundgesetz gefunden hätte. Das wäre eine völ-lige Entwertung.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wie schnellman hier auf eine abschüssige Bahn geraten kann, wirdfür mich überdeutlich an einem Ausspruch des Präsiden-ten des Deutschen Kinderschutzbundes in der gestrigenAnhörung der Kinderkommission. In der „LeipzigerVolkszeitung“ wird Herr Hilgers wie folgt zitiert: Ichfühle mich in einem Land nicht wohl, in dem der Tier-schutz Staatsziel ist, der Kinderschutz aber nicht.Das hat natürlich prima facie einen gewissen Charme.Alle zucken zusammen. Aber genauso wenig, wie es ei-nen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt,gibt es einen Anspruch auf Gleichbehandlung bei legis-lativen Fehlleistungen.
Meine Damen und Herren, wer hierin einen Wertungswi-derspruch sieht, dem kann ich nur eines sagen: Einensolchen könnte man auflösen, indem man den ursprüng-lichen Fehler, sozusagen die Erbsünde, rückgängigmacht und das Staatsziel Tierschutz aus dem Grundge-setz wieder herausnimmt. Aber bitte lassen Sie uns dasGrundgesetz, das durch seine Kargheit und Schlichtheitbesticht, nicht zu einem Neckermannkatalog verkom-men!
Diese Vorsicht und Zurückhaltung der Rechtspolitikerwäre auch bei der Änderung des Bundesverfassungs-gerichtsgesetzes, was die notwendige Mehrheit bei Ver-botsverfahren angeht, angebracht. Da gebe ich unsererMinisterin vollkommen Recht. Man kann doch dieScheibe nicht einfach nach dem Schuss hängen, indemman sagt: Da es nur eine einfache Mehrheit, aber keineZweidrittelmehrheit unter den Senatsmitgliedern gab,verändern wir einfach das Quorum. – Da wird zumindestder unschöne Anschein erweckt, als gäbe es so etwaswie eine bestellte oder politisch erwünschte Rechtspre-chung.DGdtdzäsrtlsrndgswEWekassIIFduiFImL2
avor sollten wir uns wirklich hüten.Im Kern geht es bei dieser Debatte aber um vielrundsätzlicheres. Gerade von dieser Stelle aus mussaran erinnert werden, dass unser Grundgesetz ein Par-eienverbot nur als Ultima Ratio ansieht,
as zum Schutze der Demokratie zwar eingesetzt, aberum Schutze der Parteiendemokratie wiederum nurußerst selten und dann nur unter ganz engen Voraus-etzungen geändert werden darf. Zu diesen engen Vo-aussetzungen gehört aus guten Gründen eine Zweidrit-elmehrheit.Bei der Gelegenheit – heute lobe ich dich sehr oft,iebe Brigitte –
ollte man die Rede der Ministerin mit dem Titel „Wa-um dürfen Neonazis demonstrieren?“ lesen. Ich weißoch, dass ich vor zwei Jahren, als es um die Änderunges Versammlungsgesetzes ging, Murren bei den streng-läubigen Innenpolitikern hervorgerufen habe. Aber esteht uns Rechtspolitikern insgesamt sehr gut an, dassir darüber auch einmal reden.Man hat Angst, man würde sofort in eine bestimmtecke gestellt werden, wenn man diese Meinung vertritt.ir alle kennen die unschönen Bilder. Aber das ist nuninmal der Preis der Demokratie. Diese unsere Demo-ratie zeichnet sich dadurch aus, dass Parteiverbote nurls allerletztes Mittel angewendet werden und stattdes-en stärker auf das Engagement der demokratisch ge-innten Bürger gesetzt wird.Ich möchte in die allgemeine Danksagung einfallen.ch danke nicht nur den Haushältern und der Ministerin.ch will an dieser Stelle erwähnen, dass es eine wahrereude ist, mit meinem Pendant, Joachim Stünker, mitem ich mich noch vor zwei Jahren böse gefetzt habend der wie ich ordentlich ausgeteilt hat, Rechtspolitikn diesem Hause zu machen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Nun hat der Kollege Joachim Stünker für die SPD-
raktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ch möchte in meinen drei Minuten drei Anmerkungenachen.Erste Anmerkung. Herr Kollege Nešković, wenn deninken zur Rechtspolitik nichts anderes einfällt, als30 Assistentenstellen an deutschen Obergerichten zu
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Joachim Stünkerfordern, dann sollten Sie nicht solche Reden wie vorhinhalten.
Sie können sicher sein – da kann ich Sie beruhigen –,dass die Rechtspolitiker in der SPD-Bundestagsfraktionin der Tradition Carlo Schmids stehen. Sie werden dasauch in Zukunft tun, Herr Kollege Nešković.
All die vermeintlich bösen Dinge, die Sie zu der Be-hauptung veranlassen, wir würden nicht mehr in dieserTradition stehen, wurden nicht von der großen Koalitionim Deutschen Bundestag eingebracht. Das alles sindVorlagen aus dem Bundesrat. Machen Sie uns für dieVorlagen des anderen Verfassungsorgans nicht verant-wortlich, Herr Kollege Nešković.Zweite Anmerkung. Frau Ministerin, ich habe heutegelesen, dass es morgen im Kanzleramt Sekt gibt. DieKanzlerin hat dazu eingeladen. Ich habe mich gefragt,Herr Kollege Gehb, wann wir eigentlich eingeladen wer-den; denn ich meine, dass die Indianer in der Rechtspoli-tik in diesem Jahr gute Arbeit geleistet haben.
Wir haben in diesem einen Jahr mit der Föderalismus-reform, mit dem AGG, mit dem Europäischen Haftbe-fehl, mit der Vermögensabschöpfung bei Straftaten, mitder Einführung des elektronischen Handelsregisters undder Schaffung des Bundesamtes für Justiz sehr geräusch-los sehr wichtige Entscheidungen getroffen. Dies warenzukunftsweisende Schritte. Ich bedanke mich dafür beimKoalitionspartner. Ich denke, wir werden noch vor Weih-nachten eine Regelung finden, dass Stalking zukünftigunter Strafe gestellt wird. Wir werden das Zweite Justiz-modernisierungsgesetz noch verabschieden. Danach fol-gen die Reform des Unterhaltsrechts und die Reform desWohnungseigentumsgesetzes. Wir haben in der Tat indiesem Jahr viel geleistet.Dritte Anmerkung. Auch ich bin der Meinung – es istbereits darauf hingewiesen worden; Herr Fricke hat dazueine Anmerkung gemacht; auch ich will das heuteAbend tun, weil mir das sehr ernst ist –, dass es uns beiall den Vorkommnissen in den Justizvollzugsanstalten– sei es in Sachsen, in Nordrhein-Westfalen oder woauch immer in der Vergangenheit –, über die wir gegen-wärtig öffentlich diskutieren, nicht gut ansteht – ich binder Letzte, der danach ruft –, zu sagen: Da müssen mög-licherweise von denjenigen persönliche Konsequenzengezogen werden, die im Augenblick den undankbarenJob haben, in den jeweiligen Ländern Justizminister zusein.Auch wenn meine Redezeit schon fortgeschritten ist,noch eine nachdenkliche Bemerkung: Ich bin der Mei-nung, dass wir in den letzten zehn bis 20 Jahren querdurch alle Regierungen – um es deutlich zu sagen: KeineRegierung kann sich, wie ich meine, im Ergebnis einenschlanken Fuß machen – in diesem Bereich, aber auch inaLhüddbRDVruuaAhDzucrLfueüs„tsnBndklsdwtrmstlUi
nd zur Pressefreiheit sowie an die vielen und zahlrei-hen Anhörungen zum sehr komplexen Urheberrecht.Wir konnten natürlich – Kollege Stünker hat es ge-ade grob zusammengefasst – einige Erfolge verbuchen.assen Sie mich beispielhaft nur ein Gesetzgebungsver-ahren herausgreifen – denn es hat uns sehr viel Kraftnd sehr viel Zeit gekostet; letzten Endes ist aber dochin gutes Ergebnis zustande gekommen –: das Gesetzber elektronische Handelsregister und Genossen-chaftsregister sowie das Unternehmensregister, kurzEHUG“ genannt. Es wird zum 1. Januar 2007 in Kraftreten. Die genannten Register werden auf den elektroni-chen Betrieb umgestellt, was natürlich einer dringendotwendigen Anpassung an die neuen Techniken, zumeispiel an das Internet, entspricht. Weil die Registerun elektronisch geführt werden sollen, können Han-elsregistereintragungen künftig auch elektronisch be-annt gemacht werden. Dies ist eine preiswerte undeicht zugängliche Form für jeden Interessierten. Insge-amt führt diese Verlagerung auf die elektronische Ebeneazu, dass unsere Gerichte entlastet werden und dassesentliche Daten über Firmen, die publikationspflich-ig sind, online abgerufen werden können. Wen es inte-essiert: Ab dem 1. Januar ist dies unter www.unterneh-ensregister.de möglich; das Hineinklicken lohnt sich.In den Diskussionen im Vorfeld haben wir festge-tellt, dass die Abkehr von der ursprünglichen Publika-ion in den Tageszeitungen gegebenenfalls zu Umstel-ungsproblemen führen könnte, da manch kleinernternehmer vielleicht noch gar nicht online vernetztst. Deswegen war es uns, der Union, immer sehr wichtig
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Daniela Raab– ich danke an dieser Stelle der Kollegin Voßhoff fürihren regen Einsatz bei diesem Thema –, eine bundesein-heitliche Übergangsfrist von nunmehr zwei Jahren ein-zuführen. Ich denke, wir kommen hiermit allen Beteilig-ten entgegen. Ich bin froh, dass wir diesen Kompromissim Endeffekt erzielt haben.
Es wird nun parallel im Internet und in der Tageszeitungveröffentlicht. Jeder der Beteiligten hat die Möglichkeit,sich darauf einzustellen. Ich denke, schon allein das wardie Mühe wert.Ein weiteres Thema, mit dem wir uns beschäftigt ha-ben und immer noch beschäftigen, ist die Reform desUnterhaltsrechts. Die öffentliche Anhörung im Oktoberhat uns darin bestärkt, dass die Stärkung des Kindes-wohls, die Betonung des Grundsatzes der Eigenverant-wortung nach der Ehe und die Vereinfachung des Unter-haltsrechts nun unverzüglich umgesetzt werden müssen.Wir, die Rechtspolitiker der Union, hoffen sehr, dass dieBedenken der Familienpolitiker auf unserer Seite ausge-räumt werden können; denn grundsätzlich unterstützenwir den Reformansatz, dass der Kindesunterhalt in derRangfolge vor allen anderen potenziellen Unterhaltsbe-rechtigten kommen muss. Bevor es um den Unterhaltdes ehemaligen Partners geht, muss der des Kindes gesi-chert sein.Jeder der beiden Partner – ich betone bewusst: jeder –muss die Chance haben, auch nach einer geschiedenenEhe einen Neuanfang wagen zu können. In diesem Re-formansatz unterstützen wir die Ministerin. Ich denkeund hoffe sehr, dass wir zu einem guten Ende dieser Dis-kussion kommen werden.
In den nächsten Wochen, vielleicht auch Monaten, jenachdem wie schnell wir uns eine Meinung bilden kön-nen, wird uns eine weitere sehr bedeutsame Frage be-schäftigen. Nicht nur die Rechtspolitiker werden sich da-mit befassen müssen, sondern das gesamte Parlament.Wir werden zu entscheiden haben, wie wir die Patien-tenverfügung am besten gesetzlich regeln. Dass wir siegesetzlich regeln müssen, denke ich, ist mittlerweile un-umstritten.Aus Gesprächen mit Hospizvereinen, Ärzten und ins-besondere mit persönlich Betroffenen wissen wir, dasswir Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schaffen müs-sen. Dies geht nur mit einer eindeutigen gesetzlichen Re-gelung. Wir werden dabei schwierige und sehr sensibleFragen zu beantworten haben, zum Beispiel: Wie weitkann eine Patientenverfügung reichen? Kann der Patientim Vorhinein alles anordnen oder alles ausschließen?Muss eine solche Verfügung nicht in ihrer Reichweitebegrenzt werden und wie oft muss sie erneuert werden,um gültig zu sein? Wir werden die Frage zu beantwortenhaben, ob es zu einem Behandlungsabbruch bei Wach-komapatienten oder Schwerstdemenzkranken kommenkann. Wir werden uns um so technische Fragen küm-mern müssen wie: Bedarf es der notariellen Beurkun-dung der Patientenverfügung oder reicht die einfacheSchriftform?IgeanKcZwminNEAFW1DdtEAtUBFEsezsod21)
um jetzigen Zeitpunkt ist auf jeden Fall die Botschaftichtig, dass sich der Deutsche Bundestag dieses The-as annimmt. Ich bin mir sicher, wir werden auch hiern bewährter Weise eine gute Lösung finden.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Zum Einzelplan 07 liegt eine Erklärung des Abgeord-
eten Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN) vor.1)
Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst zum
inzelplan 07 – Bundesministerium der Justiz – in der
usschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der
raktion Die Linke vor, über den wir zuerst abstimmen.
er stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
6/3463? – Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? –
er Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition,
er FDP und der Grünen gegen die Stimmen der Frak-
ion Die Linke abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den
inzelplan 07. Wer stimmt für den Einzelplan 07 in der
usschussfassung? – Gegenstimmen? – Gibt es Enthal-
ungen? – Der Einzelplan 07 ist mit den Stimmen der
nionsfraktion, der SPD-Fraktion und der Fraktion des
ündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP-
raktion und der Fraktion Die Linke angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den
inzelplan 19. Dabei geht es um das Bundesverfas-
ungsgericht. Wer stimmt für den Einzelplan 19? – Gibt
s Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Der Ein-
elplan 19 – Bundesverfassungsgericht – ist damit ein-
timmig angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Mittwoch, den 22. November
006, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.