Gesamtes Protokol
Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung.
Interfraktionell ist vereinbart worden, daß die für Freitag ohne Aussprache vorgesehene abschließende Beratung zum Nichtverbreitungsvertrag - Tagesordnungspunkt VI a - heute als letzter Tagesordnungspunkt mit einer Fünf-Minuten-Runde debattiert werden soll. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann verfahren wir so.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt II: Wahl des Wehrbeauftragten
- Drucksache 13/1000 -
Die Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. haben Frau Claire Marienfeld vorgeschlagen.
Ich gebe einige Hinweise zum Wahlverfahren.
- Darf ich vielleicht um Ruhe bitten? -
Zur Wahl sind die Stimmen der Mitglieder des Bundestages, d. h. mindestens 337 Stimmen, erforderlich.
Nach unserer Geschäftsordnung wird der Wehrbeauftragte mit verdeckten Stimmzetteln, also geheim, gewählt. Sie benötigen eine Stimmkarte mit Wahlumschlag sowie Ihren Wahlausweis. Die Stimmkarten mit Umschlag erhalten Sie hier oben links und rechts neben den Wahlkabinen. Den Wahlausweis entnehmen Sie bitte - soweit das noch nicht geschehen ist - Ihrem Schließfach.
Da die Wahl geheim ist, dürfen Sie die Stimmkarte nur in einer der Wahlkabinen ankreuzen und in den Wahlumschlag legen. Die Schriftführer sind verpflichtet, jeden zurückzuweisen, der seine Stimmkarte außerhalb der Wahlkabine angekreuzt oder in den Umschlag gelegt hat. Die Wahl kann in diesem Falle jedoch vorschriftsmäßig wiederholt werden.
Gültig sind nur Stimmkarten mit einem Kreuz bei „Ja", „Nein" oder „Enthaltung". Ungültig sind Stimmen auf nichtamtlichen Stimmkarten sowie Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten.
Bevor Sie die Stimmkarte in eine der auf dem Stenographentisch aufgestellten Wahlurnen werfen, übergeben Sie bitte Ihren Wahlausweis einem der Schriftführer an der Wahlurne. Der Nachweis der Teilnahme an der Wahl kann nur durch die Abgabe des Wahlausweises erbracht werden.
Um einen reibungslosen Ablauf der Wahl zu gewährleisten, bitte ich Sie, sich von Ihren Plätzen aus nach hinten über die seitlichen Zugänge zu den hier oben rechts und links von mir aufgestellten Ausgabetischen zu begeben. Nachdem Sie die Stimmkarte in einer der Wahlkabinen gekennzeichnet und in den Wahlumschlag gelegt haben, gehen Sie bitte hier links und rechts am Sitzungsvorstand vorbei zu den Wahlurnen auf dem Stenographentisch.
Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. -
Haben die Schriftführerinnen und Schriftführer ihren Platz eingenommen? - Das ist offenbar der Fall.
Ich eröffne die Wahl und bitte, zum Empfang der Stimmkarte zu den Ausgabetischen zu gehen. -
Haben alle ihre Wahl durchgeführt? - Haben jetzt alle Mitglieder ihre Stimme abgegeben? - Letzte Rundfrage: Sind alle Stimmen abgegeben? - Dann schließe ich die Wahl.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen, und unterbreche die Sitzung für zehn Minuten.
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe das Ergebnis der Wahl bekannt: abgegebene Stimmen: 646, gültige Stimmen: 644. Mit Ja haben gestimmt: 459.
Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Mit Nein haben gestimmt: 139, Enthaltungen: 46, ungültige Stimmen: 2. Gemäß § 13 des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages ist gewählt, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages - das sind 337 - auf sich vereinigt. Ich stelle fest, daß die Abgeordnete Claire Marienfeld mit der erforderlichen Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Deutschen Bundestages zur ersten weiblichen Wehrbeauftragten gewählt worden ist.
Ich frage Sie, Frau Abgeordnete Marienfeld: Nehmen Sie die Wahl an?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich nehme die Wahl an und bedanke mich für das Vertrauen.
Ich gratuliere von hier aus persönlich und im Namen von uns allen ganz herzlich und wünsche Ihnen viel Glück bei der Bewältigung dieser Aufgabe. Die Soldaten sollen und werden eine gute Ansprechpartnerin in Ihnen haben. Die Glückwünsche sind ausgesprochen, und der Zeitpunkt der Vereidigung wird rechtzeitig bekanntgegeben.
Wir setzen jetzt die Haushaltsberatungen fort. Ich rufe auf:
Einzelplan 04
Bundeskanzler und Bundeskanzleramt - Drucksachen 13/504, 13/527 - Berichterstattung:
Abgeordnete Helmut Wieczorek Roland Sauer (Stuttgart)
Antje Hermenau
Dr. Wolfgang Weng
Jürgen Koppelin
Einzelplan 05
Auswärtiges Amt
- Drucksachen 13/505, 13/527 -Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Erich Riedl
Ina Albowitz
Eckart Kuhlwein
Antje Hermenau
Einzelplan 14
Bundesministerium der Verteidigung - Drucksachen 13/514, 13/527 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Kurt Rossmanith Jürgen Koppelin Dr. Wolfgang Weng
Helmut Wieczorek
Ernst Kastning Oswald Metzger
Einzelplan 23
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
- Drucksachen 13/520, 13/527 - Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Emil Schnell Michael von Schmude
Jürgen Koppelin
Antje Hermenau
Zum Einzelplan 04 liegt ein Änderungsantrag der Gruppe der PDS vor.
Zum Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt - liegen ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P., ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD, zwei Änderungsanträge der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie vier Änderungsanträge der Gruppe der PDS vor.
Zum Einzelplan 14 - Bundesministerium der Verteidigung - liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der SPD und je ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS vor.
Zum Einzelplan 23 - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD, zwei Änderungsanträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und drei Änderungsanträge der Gruppe der PDS vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Aussprache acht Stunden vorgesehen. - Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Wir verfahren so.
Ich verweise darauf, daß wir nach der Aussprache über den Einzelplan 04 und einen Änderungsantrag der Fraktion der SPD namentlich abstimmen werden.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der SPD, der Kollege Rudolf Scharping.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Soweit Haushalte die Politik einer Bundesregierung darstellen, ist dies ein Haushalt und eine Politik des Stillstands, der Routine, der alten Gewohnheit, der alten Rezepte und der veralteten Politik.
Rudolf Scharping
Ich sage das mit dem Hinweis darauf, daß diese Bundesregierung einmal angetreten ist mit dem Anspruch der geistig-moralischen Wende. Eine Wende war das; geistig war sie nicht, und moralisch vertretbar ist sie auch nicht.
Die Politik dieser Bundesregierung, dieses Bundeskanzlers, hinterläßt eine geteilte Gesellschaft. Die Schwächen im sozialen Zusammenhalt sind offenkundig, die Ausgrenzung von Hunderttausenden von Menschen auch. Das ist nicht etwa das Beklagen eines Zustandes allein: Dieser Schaden trifft alle in Deutschland. Die Politik der Bundesregierung ist nicht nur eine schwere Belastung für die Millionen Menschen ohne Arbeit, ohne bezahlbare Wohnung, ohne anständige soziale Sicherheit. Sie ist eine Belastung für das Land insgesamt geworden.
Das sagen, Herr Bundeskanzler, nicht wir alleine. Wenn Sie wollten, könnten Sie schon bei Ludwig Erhard nachlesen, daß sich das Gute oder Schlechte einer Politik ausschließlich daran bemißt, ob sie dem einzelnen Menschen und der Gesellschaft insgesamt nutzt. Eine Politik allerdings, die kalt darauf setzt, daß sich das mittlere Drittel einer Gesellschaft schon zufriedengeben werde, wenn man dem unteren Drittel der Gesellschaft nur immer neue Lasten aufbürde und es immer weiter ausgrenze, verletzt jede soziale Idee. Sie verletzt übrigens auch den Anspruch im Namen Ihrer eigenen Partei.
Es sind ja nicht irgendwelche Minderheiten, irgendwelche abseitigen Kräfte, sondern interessanterweise die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland, die in einem Entwurf zum Gemeinsamen Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland fundamentale Kritik am wirtschaftlichen und sozialen Zustand unseres Landes üben. Wenn Sie es von den Sozialdemokraten nicht nehmen wollen, wenn Sie es von den Gewerkschaften nicht hören wollen, dann sollte eine Partei, die sich in ihrem Namen dem Christlichen verpflichtet, wenigstens die Auseinandersetzung mit dem Urteil der beiden großen christlichen Kirchen suchen.
Dieser Haushalt öffnet nicht einen einzigen Weg in die Zukunft. Er sichert in keiner einzigen Frage den Zusammenhalt. Er enthält keine Antwort auf die zukünftigen Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht. Dieser Haushalt beinhaltet nichts, was den Namen von reformerischem Fortschritt verdient hätte. Er knüpft nicht an die Phantasie, die
Kreativität, die Bereitschaft zur Verantwortung an, die in diesem Land doch vorhanden sind, sondern er enttäuscht Menschen und Kräfte, die einen Aufbruch nach vorne wagen wollen.
Reformpolitik in Deutschland ist möglich, und sie ist auch dringend notwendig: um Freiheit zu schützen und zu erweitern, um Gerechtigkeit herzustellen, um Leistung zu fördern und den Egoismus zurückzudrängen, um Verantwortung in der Gegenwart und gegenüber der Zukunft zu stärken, um Menschen und Kräfte in Deutschland zusammenzuführen, um Wege und Chancen zu öffnen. Auch wenn das manchmal nur in kleinen Schritten geschähe, wäre es immer noch Fortschritt.
Dieser Haushalt aber, die Politik dieser Bundesregierung, ist kein Fortschritt, sondern Regression, Rückschritt, Verharren in alten Bahnen, Weiterwursteln. Nichts Vernünftiges kommt dabei heraus.
In den Debatten der letzten Monate hat häufig eine Rolle gespielt - das ist mein erster Punkt -, ob wir überhaupt noch Chancen haben, aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen, oder ob es zutrifft, was aus liberalem Mund von Herrn Dahrendorf und anderen und aus christdemokratischem Mund hier und da zu hören ist, daß man sich in der modernen Wirtschaft, geprägt von neuen Technologien und einer rasanten Steigerung der Produktivität, mit einer gewissen Arbeitslosigkeit abfinden müsse. Das wollen wir nicht, und das Beispiel anderer Staaten zeigt: Das müssen wir auch nicht.
Wir werden uns mit diesem dauerhaften Übel nicht abfinden, und ich halte hier für die Sozialdemokratie fest: Das Übel sind nicht die Kosten des Sozialstaates. Das Übel sind die Kosten der Arbeitslosigkeit, die diese Gesellschaft zu überfordern beginnen.
Im Januar standen wir hier und haben gesagt: Jawohl, es ist durchaus ein Fortschritt, wenn sich Arbeitgeber, Arbeitnehmer, ihre Gewerkschaften und die Bundesregierung darauf verständigen, 3 Milliarden DM zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit einzusetzen. Das war ein Schritt - kein besonders großer - in die richtige Richtung.
Wenn dann aber wenige Wochen später im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit 3,5 Milliarden DM in einem Jahr gekürzt werden, während 3 Milliarden DM für vier Jahre zur Verfügung gestellt werden,
Rudolf Scharping
dann ist das eine Politik ohne klare Strategie, ohne den Willen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Das ist Hü und Hott und nutzt der Wirtschaft genausowenig wie den Menschen, die Arbeit suchen.
1982 - niemand wird es vergessen - stand dieser Bundeskanzler im Deutschen Bundestag und wandte sich an Helmut Schmidt mit dem Hinweis: Sie, Herr Bundeskanzler, müssen zurücktreten; Sie sind der Kanzler der Arbeitslosigkeit, der Kanzler der Verschuldung.
Herr Bundeskanzler Kohl, im Jahr 1982 betrug die Zahl der Arbeitslosen im Westen Deutschlands 1,8 Millionen, die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit betrug sieben Monate. Im Jahre 1994 waren im Westen Deutschlands 2,4 Millionen Menschen ohne Arbeit, im Osten Deutschlands weitere 1,1 Millionen. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit betrug zwölf Monate.
Wenn damals richtig war, was Sie am Beginn Ihrer Amtszeit sagten, dann ist es heute noch viel richtiger: Sie sind der Kanzler der Arbeitslosigkeit und der sozialen Ausgrenzung. Sie sind der Kanzler der sozialen Kälte, anstatt die Arbeitsmarktpolitik voranzubringen.
Mit diesem Haushalt und den Ankündigungen, die neben dem Haushalt hier und da herumgereicht werden, setzen Sie eine unsinnige Politik fort. Man hört, der Rentenversicherungsbeitrag wird steigen müssen. Man hört, die Bundesregierung wird an der unsinnigen Form der Finanzierung der deutschen Einheit festhalten.
Sie verteuern die Arbeitsplätze immer weiter, anstatt dafür zu sorgen, daß ein moderner Weg in die Zukunft geöffnet wird. Dieses Land braucht keine Verteuerung der Arbeitsplätze, keine Beschränkung der Nettoeinkommen der Arbeitnehmer. Dieses Land braucht auf diesem Sektor Entlastung und Belastung des Verbrauchs von Rohstoffen und Natur.
Wir haben Ihnen in den letzten Tagen einige Gesetzentwürfe vorgelegt, . weil wir der Überzeugung sind, daß die Idee, die am Anfang der Bundesrepublik Deutschland stand, noch immer gilt, nämlich daß wirtschaftlicher Fortschritt seinen Sinn nur in der Sozialstaatlichkeit findet und daß keine einzelne wirtschaftliche Maßnahme losgelöst von sozialen und ökologischen Entwicklungen betrachtet werden kann.
Deshalb haben wir Ihnen den Entwurf eines Gesetzes zur ganzjährigen Beschäftigung im Baugewerbe vorgelegt. Das mag manch einer für eine Kleinigkeit halten. Wir aber empfinden es als Schande, daß Arbeitnehmer auf dem Bau in die Arbeitslosigkeit geschickt werden sollen, nur weil es schlechtes Wetter gibt.
Wir haben Ihnen den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 116 Arbeitsförderungsgesetz vorgelegt, weil wir davon überzeugt sind, daß wirtschaftliche Vernunft und soziale Klugheit gebieten, die Phantasie, die Mitbestimmung und die Verantwortung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht etwa zu schwächen, sondern zu stärken, weil dieses Land sonst nicht vorankommen wird.
Wir werden Ihnen in den nächsten Wochen den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Arbeitsförderungsgesetzes vorlegen, damit es regional und sozial stärkere Verantwortung geben kann, damit die Tarifpartner - die Arbeitgeber wie die Arbeitnehmer -, die Gemeinden wie die Wohlfahrtsverbände gemeinsam auch vor Ort Kräfte in einer phantasievollen, örtlich klug verankerten Sozial- und Arbeitsmarktpolitik bündeln können, wie Beispiele aus verschiedenen Städten und Bundesländern ohnehin schon zeigen. Die Idee unserer Überlegung ist, daß Arbeit flexibler und intelligenter organisiert werden kann. Wir werden aufgreifen, was dieser Bundesregierung erkennbar unbekannt geblieben ist, nämlich die enormen Diskussionsprozesse und reformerischen Anstrengungen, die es innerhalb der deutschen Arbeitnehmerschaft bei Betrieben, Personalräten und einzelnen Gewerkschaften gibt.
Wir meinen, meine Damen und Herren, Herr Bundeskanzler, wir hätten eine Chance, die Politik der Ausgrenzung zu beenden, die Jungen mit Ausbildungsplätzen und die Älteren mit ihrer Erfahrung, die Facharbeiter, die Ingenieure, ihr Können und Wissen für die wirtschaftliche Stärke unseres Landes zusammenzubinden, anstatt eine Politik fortzusetzen, die auf immer mehr Erfahrung verzichtet, die immer stärker Jugendlichen, insbesondere jungen Frauen signalisiert, sie würden eigentlich nicht gebraucht, die auf diese Weise in der Gesellschaft ein Klima der eigenartigen Mischung schafft, die aus hoffnungsvollem - teilweise egoistischem - Voranstreben auf der einen Seite und immer stärkerer Ausgrenzung auf der anderen Seite besteht. Das muß in eine bessere Balance gebracht werden. Die Sozialstaatlichkeit in Deutschland entscheidet sich daran, ob diese Regierung bereit ist, etwas gegen ihr Krebsübel zu tun, nämlich die Arbeitslosigkeit. Der Haushalt signalisiert: Sie wollen die Möglichkeiten gar nicht nutzen.
Rudolf Scharping
Auch wir wissen: Man braucht eine starke und international wettbewerbsfähige Wirtschaft, wenn der Sozialstaat auf Dauer finanziert werden soll.
Aber dann muß man nicht nur die Frage stellen, warum Sie die Arbeitsplätze immer weiter verteuern, warum Sie den Arbeitseinkommen immer neue Lasten aufladen, sondern auch die Frage, warum Sie eine Politik betreiben, die erkennbar nicht dafür sorgt, das Geld zur Arbeit zu bringen, sondern die dazu beiträgt, die Sphäre der Produktion von der Sphäre der Finanzwirtschaft immer weiter zu entkoppeln.
Nichts anderes steckt hinter Ihrem Entwurf zum Jahressteuergesetz. Es ist wirklich ein erstaunlicher Pfusch, den uns Herr Waigel da vorlegt.
Von dieser Bundesregierung wird beschworen, die zentrale Stärke der deutschen Wirtschaft seien neben ihren technologischen Fähigkeiten, neben den Fähigkeiten der Facharbeiter und Ingenieure vor allen Dingen das Handwerk und der Mittelstand. Wir stimmen Ihnen zu: Natürlich sind Handwerk und Mittelstand, ist eine gut gegliederte, in der Produktion wie in der Dienstleistung leistungsfähige Wirtschaft in Deutschland wünschenswert und förderungswürdig.
Wenn man sich anschaut, was Sie betreiben, stellt man fest, daß die Vorstellung von der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer nur ein weiterer Baustein einer Politik ist, die seit Jahren dafür gesorgt hat, daß Handwerk und Mittelstand und damit Arbeits- und Ausbildungsplätze überproportional belastet anstatt entlastet worden sind.
Wenn das erste Feld Arbeit und Ausbildung ist, dann ist das zweite Feld die starke und international wettbewerbsfähige Wirtschaft. Dann wird aber ganz und gar unverständlich, warum die Bundesregierung mit Herrn Kohl und Herrn Waigel an der Spitze uns vorschlägt, man solle die Gewerbekapitalsteuer abschaffen. Lediglich 16 der Betriebe zahlen Gewerbekapitalsteuer. Darunter sind alle Banken, darunter sind alle Versicherungen.
Ich will Ihnen eines sehr deutlich sagen: Auf Kongressen den Handwerkern, den Mittelständlern ihre Leistung, ihre unverzichtbare Position für Arbeit und Ausbildung zu bescheinigen ist das eine. Aber dann hinzugehen und dem investierenden Mittelständler oder Handwerker die Belastung aufzubürden, nur damit in den Banken wieder leichter von Peanuts geredet werden kann, das ist eine wirtschaftlich ganz und gar unvernünftige Politik.
In dem Jahr, das für die deutschen Banken das erfolgreichste Geschäftsjahr seit 1949 war, in dem Jahr, in dem der Kostendruck auf Arbeits- und Ausbildungsplätze am größten seit 1949 war, schlagen Sie uns diesen finanziell und wirtschaftlich gesehen völligen Unfug vor. Ich sage Ihnen: Sie werden damit keine Chance haben. Wir werden das verhindern.
Dann hören wir von Ihnen, Löhne und Lohnkosten seien zu hoch. Wir meinen: Bei den Lohnnebenkosten könnte man etwas tun. Ich füge allerdings hinzu: Die Finanzpolitik dieser Bundesregierung belastet den wirtschaftlichen Fortschritt unseres Landes viel stärker, als ihn die Tarifbewegungen der letzten zehn Jahre in ihrer Summe belastet haben könnten.
Wer wie diese Bundesregierung Deutschland zu einem Kapitalimportland gemacht hat, wer wie diese Bundesregierung die öffentliche Verschuldung auf ein nie gekanntes Maß hochgetrieben hat, wer wie diese Bundesregierung erst den Solidaritätszuschlag erhebt, ihn dann wieder abschafft, um ihn danach wieder erheben zu müssen, der gibt nicht nur der Wirtschaft ein sehr fragwürdiges Signal, sondern betreibt ein Hü und Hott, ein Hin und Her nach dem Motto: Verlaßt euch auf gar nichts, außer darauf, daß diese Bundesregierung je nach Kassenlage mal dieses, mal jenes Steuergesetz oder Rahmengesetz ändert. Die einzige Verläßlichkeit in Ihrem Handeln ist, daß man sich auf keine Ihrer Entscheidungen verlassen kann.
Hohe Verschuldungen und der Zwang zum Kapitalimport bedeuten hohe Zinsen. Hohe Zinsen bedeuten eine Belastung der Investitionstätigkeit insbesondere bei Handwerk und Mittelstand. Die Änderung der Währungsrelationen in den letzten zehn bis zwölf Monaten hat die deutsche Wirtschaft mehr Wettbewerbsfähigkeit gekostet, als offenkundig dieser Bundesregierung klar ist.
Rudolf Scharping
Die Tatsache, daß es immer noch keine wirksame, europäisch abgestimmte Wirtschafts- und Finanzpolitik gibt, wird gerade in dem Moment zu einer Belastung, in dem wir uns dank wachsenden Exportes aus wirtschaftlichen Schwierigkeiten herauszuarbeiten beginnen.
Dann aber, Herr Bundeskanzler, wäre es vernünftig, daß Sie jetzt endlich dafür sorgen, daß zwei Dinge geschehen: Zum einen darf keine weitere Gefährdung des Exportes entstehen - es ist ja interessant zu sehen, wie der Deutsche Industrie- und Handelstag mit den Wachstumsprognosen umgeht -, und zum anderen müssen Sie dafür sorgen, daß es in Deutschland eine stärkere Binnennachfrage gibt. Nach Jahren der abgesenkten Lohnquoten, nach Jahren des realen Kaufkraftverlustes in den Arbeitnehmerhaushalten muß jetzt eine Politik betrieben werden, die auch die Binnenkonjunktur und die Investitionstätigkeit der mittleren und kleinen Unternehmen voranbringt. Dieser Haushalt enthält nichts in diese Richtung, die aber dringend eingeschlagen werden müßte.
Sie haben mit großem Pomp einen Zukunftsminister berufen. Aber die Tatsache, daß sich das Schild an einem Ministerium ändert, verändert leider an den Inhalten der Politik noch gar nichts.
Was Deutschland im Bereich Bildung und Wissenschaft, Forschung und Technologie heute versäumt, wird uns morgen Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze kosten.
Dieses Land investiert zu viel in Beton und Boden und zu wenig in Köpfe und Können.
Also werden wir Ihnen auf dem zweiten Feld reformerischer Politik Vorschläge vorlegen: wie man Risikokapital in Deutschland bilden könnte, wie man Existenzgründungen erleichtern könnte und was zu tun ist, um die Eigenkapitalbasis der Unternehmen - in diesem Falle wiederum besonders der ostdeutschen Mittelständler und Handwerker - zu stärken. Denn eine Hochzinspolitik, die nicht nur die Investitionen belastet, sondern angesichts der Eigenkapitalschwäche gerade diesem zentralen Teil unserer Volkswirtschaft nicht hilft, riskiert, was wir heute leider feststellen müssen: Die Bereitschaft zur Ausbildung ist zurückgegangen, leider vor allem in den Industriebetrieben, und die Kosten der Ausbildung werden mittlerweile nicht mehr als das angesehen, was sie eigentlich sein müßten, nämlich langfristige Zukunftsinvestitionen, sondern nur noch als Bestandteile einer kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung tut auf diesem Feld nichts. Bescheidene Steigerungen im Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ändern daran nichts - und die relative Kümmerlichkeit des Technologierates, der weder Kompetenz noch Unabhängigkeit in dem Maße hat, wie wir es gefordert hatten, ändert an diesem Zustand leider auch nichts -: Der Anteil Deutschlands am Welthandel im Bereich der Zukunftstechnologien ist rückläufig, und das ist die Frucht einer jahrelangen Politik, die geglaubt hat, man müsse das Immobilienvermögen, man müsse das Geldvermögen steigern, anstatt dafür zu sorgen, daß das Geld zum Arbeiten kommt, und dazu neue technische Möglichkeiten voranzubringen.
Das dritte große Feld ist die ökologische Modernisierung. So richtig es ist, daß ein Land ohne Arbeit und Ausbildung, ohne eine starke Wirtschaft auf Dauer nicht bestehen kann, so richtig ist auch, daß wir ohne eine ökologische Orientierung der Wirtschaft die Lebensgrundlagen noch stärker beschädigen, als das leider heute schon der Fall ist.
Ich will einige Bemerkungen zum Energiekonsens machen. Was war das für ein trauriges Schauspiel,
das die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien am Anfang dieser Debatte, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Dezember, geboten haben: einmal eine Energiesteuer, einmal eine CO2-Steuer, einmal überhaupt keine Steuer, einmal eine Haushaltsfinanzierung. Und dann ein Krach innerhalb der Koalition, der eines zeigt: Immer dann, wenn Sie konkrete Entscheidungen treffen müssen, immer dann, wenn Sie sich nicht auf schöne Erklärungen zurückziehen können - wie bei der Regierungserklärung, beim Jahreswirtschaftsbericht, beim Jugendbericht, beim Agrarbericht -, knirscht und kracht es in diesem - ich drücke mich vorsichtig aus - Koalitionsgebälk.
Das ist alles andere als feierlich.
Nun könnte man sich ja als Oppositionspolitiker zurücklehnen und sagen: Laßt die einmal machen. Aber eines will ich Ihnen auch sehr deutlich sagen: Für die Verläßlichkeit der Politik, für die Geradlinigkeit der Politik, für ihre Durchsetzungsfähigkeit ist das fortdauernde Schauspiel, daß sich die Koalitionspartner in keiner wesentlichen Frage mehr einig sind, daß sie schon ihre eigenen Koalitionsvereinbarungen öffentlich in entgegengesetzte Richtungen interpretieren, alles andere als sinnvoll. Wir brauchen eine Regierung, die handlungsfähig ist und
Rudolf Scharping
stark nach vorne gehen kann, anstatt sich zu verhalten wie zwei Boxer in der 13. Runde: Die stehen nur noch, weil sie sich aneinanderklammern, und nicht, weil sie noch vorangehen können.
- Herr Bundeskanzler, ich wäre in der Frage des Superschwergewichtes vorsichtig. Das ist auch eine Frage der Geschwindigkeit, eine Frage der Beweglichkeit.
Im übrigen: Wir sind zufrieden, daß wir unsere Linie nicht nur standfest formuliert, sondern auch durchgesetzt haben.
- Ich bin sehr erfreut darüber, daß Sie das freut.
Ich will eines sehr deutlich sagen: Wenn es nach maßgeblichen Teilen der Union und der F.D.P. gegangen wäre, dann wäre der deutsche Bergbau nicht gerettet worden. Er ist jetzt aber gerettet.
Ich füge hinzu: Wir sind bereit, mit Ihnen weiter zu verhandeln, weiter Gespräche zu führen.
Das nächste muß sein, die Energieeffizienz, die Energieproduktivität in der deutschen Wirtschaft zu erhöhen, dafür zu sorgen, daß wir regenerative, umweltverträgliche Energiearten stärker nutzen, daß die Brücke ins Solarzeitalter geschlagen wird. Wir haben Ihnen das schon vorgeschlagen.
Ich sage das nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus technologischen Erwägungen. Dieses mickrige und leider auch noch eingestellte 1 000-DächerProgramm zur Erprobung der Solarenergie ist ein Beweis dafür, daß dieser Bundesregierung jedes Gefühl für Verantwortung gegenüber technologischen und ökologischen Entwicklungen fehlt.
Japan macht es vor. Siemens bestätigt uns ausdrücklich: Es liegt nicht an der Technologie und ihrer Marktreife. Es liegt daran, daß in Deutschland die Bundesregierung, dieser Bundeskanzler offensichtlich überhaupt kein Gefühl dafür haben, daß öffentliche Haushalte auch als Markteinführungsprogramme für neue ökologische und technologische Entwicklungen genutzt werden könnten. Auch dazu enthält der Haushalt nichts.
Ich füge hinzu: Mit der Sozialdemokratie werden Sie zu einem Energiekonsens nur kommen, wenn es eine klare Perspektive für den Ausstieg aus der Atomenergie gibt.
Manche Menschen fragen: Wie kann man es denn vertreten, die Atomenergie abzuschalten, da sie doch am wenigsten klimabelastend wirkt?
- Das mag ein von denen, die hier klatschen, ernstgenommenes Argument sein.
Ich füge allerdings eines hinzu: Es wird nur noch wenige Wochen dauern, dann erinnern wir uns an einen Jahrestag, der, wenn ich es richtig im Kopf habe, jetzt genau neun Jahre zurückliegt, nämlich den Jahrestag von Tschernobyl. Ich sage Ihnen eines in aller Deutlichkeit: Die Atomenergie ist durch Strahlung und durch unbeherrschbare Risiken menschenunfreundlich, weil sie Fehlerfreiheit voraussetzt; sie ist umweltunverträglich, weil sie ganze Landstriche verwüsten könnte. Betrachten Sie einmal, was in der Ukraine, im Umfeld des explodierten Reaktors Tschernobyl alles geschehen ist.
Wer diese Risiken auf Dauer in Kauf nehmen will, soll es tun, wenn er glaubt, das verantworten zu können. Wir wollen und wir werden den dauerhaften Betrieb von Atomenergie in Deutschland nicht verantworten.
Wenn ich mir anschaue, was jetzt mit der begonnenen Klimakonferenz in Berlin geschieht, fällt mir nur ein Satz ein: viele Worte, viele Absichtserklärungen - alles wieder einkassiert. Die Bundesrepublik Deutschland steht zum Schaden ihres internationalen Ansehens in Berlin mit leeren Händen da.
Also wird die ökologische Umsteuerung der Wirtschaft, übrigens auch des Steuersystems, eine Aufgabe der nächsten Monate sein müssen. Auch dazu werden wir Ihnen Vorschläge vorlegen.
Das vierte Feld reformerischer Politik ist aus unserer Sicht, eine kluge Verbindung zwischen starker Wirtschaft und starkem Sozialstaat herzustellen. Was ist eigentlich in den letzten zwölf, dreizehn Jahren gewachsen? - Die Arbeitslosigkeit, die Verschuldung, die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen.
Rudolf Scharping
Auf die Wachstumsprozesse, die Sie zu verantworten haben, kann kein verantwortlicher Mensch stolz sein, wirklich nicht.
Die Zahlen, die sich daraus ergeben und die viel mehr sind als nackte Statistik, bedeuten Hunderttausende von Müttern, die ihre Kinder allein erziehen und auf eine spärliche Sozialhilfe angewiesen sind.
- Demjenigen aus den Reihen der christlichen Demokraten, der da lacht, möchte ich in aller Deutlichkeit sagen: Versuchen Sie einmal, eine Woche lang mit einer Familie zu leben, die sich von solchen Sozialleistungen ernähren muß!
Versuchen Sie einmal, sich Gedanken darüber zu machen, was es bedeutet, monatelang arbeitslos zu sein und seinen eigenen Lebensunterhalt nicht verdienen zu können! Hören Sie endlich damit auf, die Menschen, die dank Ihrer Politik ins soziale Abseits gedrückt worden sind, für ihre Lage auch noch selbst verantwortlich zu machen!
Ändern Sie endlich Ihre Politik, damit es mehr Gerechtigkeit, aber auch mehr Selbstbewußtsein für die Menschen gibt.
Wer lachen kann angesichts von über 500 000 Kindern, die in Obdachlosenheimen leben, wer lachen kann bei über 1 Million Kindern, die mit Sozialhilfe groß werden, dem spreche ich jedes Gefühl für menschliche Entwicklung ab. Das ist nicht zum Lachen, sondern zum Weinen!
In einem Land, das einen solchen Reichtum hat, müßte es einer mutigen Politik gelingen, den Reichtum und die Lebenschancen gerechter zu verteilen und wieder an das anzuknüpfen, was dieses Land wirtschaftlich und sozial stark gemacht hat.
Schauen Sie sich doch einmal Ihren Entwurf zum Jahressteuergesetz 1996 an. Wie wollen Sie eigentlich rechtfertigen, daß 7 % der Einkommensbezieher, nämlich die mit den höchsten Einkommen, im Monat für ihre Kinder 277 DM Entlastung bekommen sollen, und zwar nur wegen einer Ideologie, während andere nur 200 DM bekommen? Wie lange hat es denn gedauert, bis Sie auf die Idee gekommen sind, das endlich mit der Steuerschuld zu verrechnen und direkt mit den Finanzämtern zu regeln!
Ich kündige Ihnen an - denn es betrifft das, was taktisch dahintersteckt -, daß wir Ihnen einen Gesetzentwurf vorlegen werden, der auf der Grundlage des Art. 104a des Grundgesetzes ein einheitliches Kindergeld von 250 DM festschreibt, ein Kindergeld, das über die Finanzämter abgewickelt wird, ein Kindergeld, das in die Steuertabellen eingebaut werden kann, ein Kindergeld, das im übrigen die Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden nicht beschädigt. Dann, Herr Bundeskanzler, können Sie die Frage beantworten, ob Sie Ihr Modell vorgelegt haben, um den Familien zu helfen, oder ob Sie es vorgelegt haben, um die Vereinbarungen des Solidarpaktes faktisch aufzukündigen. Diese Frage werden Sie dann beantworten müssen.
Wo soll denn Verläßlichkeit, wo soll denn Dauerhaftigkeit, wo soll denn Vertrauen in die Politik entstehen, wenn Sie drei Monate nach Inkrafttreten der Regelungen sagen, das Paket des Solidarpaktes, des Föderalen Konsolidierungsprogramms müsse wieder aufgeknüpft werden?
Meine Damen und Herren, ich will jetzt gar nicht viele Zahlen nennen, weil ich dann in die Gefahr komme, mich mit Herrn Waigel so zu fühlen wie im März 1993. Aus meiner Sicht waren das durchaus angenehme, übrigens auch erfolgreiche Verhandlungen, und ich hatte auch nicht den Eindruck, daß die Vertreter des Bundesfinanzministeriums - auf gut rheinisch gesagt - „so neben der Kapp" waren, daß sie am Ende gar nicht mehr verhandeln konnten. Nein, diesen Eindruck hatte ich nicht.
Ich hatte allerdings den Eindruck, daß ihnen eines nicht klar ist: daß die Umsetzung des festen Willens des Bundeskanzlers, sich im Vorfeld dieser zentralen Entscheidung ein neues Denkmal zu setzen und es dann hinterher zu bejubeln, für den Bund möglicherweise an der einen oder anderen Stelle jetzt etwas schwierig geworden ist, was mit Ihrer Finanzpolitik zusammenhängt.
Ich sage Ihnen eines: Wir werden Ihnen auch nicht durchgehen lassen, daß Sie im März 1993 jubelnd verkündet haben, das zeige, Bund und Länder seien in der Lage, schwierigste Fragen zu lösen, und es gebe endlich einen klaren Finanzierungshorizont für die ostdeutschen Länder. Das war ja alles richtig. Aber wenn es richtig war, warum, Herr Waigel, wollen Sie es dann heute aufkündigen? - Weil Sie sich vor den Folgen Ihrer eigenen Politik drücken wollen.
Der Bund zahlt heute 74, 75 % der Leistungen für die Familien und Kinder, die Länderzahlen ca. 18, 19 %, die Gemeinden 7 %. Lassen Sie uns das doch in ein gemeinsames Gesetz zu Art. 104a des Grundgesetzes hineinschreiben. Dann haben wir erstens den Familien und vor allen Dingen den Kindern geholfen, und zweitens haben wir uns den Streit über die Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Ge-
Rudolf Scharping
meinden gespart. Drittens führt das dazu, daß wir endlich einmal demonstrieren können: Man kann mehr Gerechtigkeit erreichen und gleichzeitig weniger Bürokratie durchsetzen.
Im übrigen, Herr Bundesfinanzminister, zu starker Wirtschaft, starkem Sozialstaat, reformerischer Politik: Was soll man davon halten, daß Sie im März dieses Jahres fast auf den Tag genau zwei Wochen nach den Verhandlungen über das föderale Konsolidierungskonzept, den Länderfinanzministern einen Brief schreiben nach dem Motto: Ich schicke Ihnen einmal die Eckpunkte der Koalitionsvereinbarungen und frage Sie, ob Sie sich, die Länderfinanzminister, vielleicht bis zum 31. März oder so - jedenfalls wegen der Kurzfristigkeit und der Dringlichkeit des Vorhabens rasch -, einmal äußern könnten, ob Bedenken bestehen, wie man es genau machen könnte und dergleichen Dinge mehr.
Verehrter Herr Kollege Waigel, nehmen Sie bitte eines zur Kenntnis: Wir haben eine eigenständige steuerpolitische Konzeption.
Mit dieser können Sie sich in den Gremien des Parlamentes, des Bundesrates und an anderer Stelle auseinandersetzen. Wir sind nicht dazu da, Sachbearbeiter einer verfehlten Finanz- und Steuerpolitik zu werden.
Klären Sie das doch bitte einmal untereinander. Ich habe das mit großem Interesse verfolgt: Herr Lambsdorff redet von einem Haushaltssicherungsgesetz, Herr Waigel redet davon, es sei alles wunderbar. Als wir im Januar gesagt haben, dem Haushalt 1996 drohen Risiken von bis zu 35 Milliarden DM, da haben Sie gesagt, das sei alles das übliche sozialdemokratische Horrorgemälde. Mittlerweile sind Sie selbst bei 30 Milliarden DM angekommen, freilich mit kümmerlichen Vorstellungen darüber, wie man sie dekken könnte.
Meine Damen und Herren, diese Steuer- und Finanzpolitik setzt einen verhängnisvollen Kurs fort. Er führt dazu, daß immer mehr Ungerechtigkeiten etabliert werden, anstatt mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Wenn die Finanzämter in einem Jahr mit rund 600 Rechtsverordnungen, Durchführungsverordnungen und anderem bepflastert werden und das alles überhaupt nicht mehr in einen Computer, geschweige denn in einen normalen Kopf zu bekommen ist, dann sage ich Ihnen: Mit Ihrer Bürokratie, mit Ihrem Wust an Vorschriften schaffen Sie doch erst die Schlupflöcher, durch die die Steuergerechtigkeit flötengeht, durch die die Steuerhinterziehung möglich wird.
Sorgen Sie doch endlich einmal für ein einheitliches, einfaches, durchgreifendes Steuersystem!
Auch bei der Wohnungsbauförderung, groß angekündigt im Jahressteuergesetz: Fehlanzeige, nichts. Es kommt einfach nichts. Wenigstens das Land Baden-Württemberg hat einen Vorschlag gemacht, der unseren Vorstellungen ziemlich nahe kommt. Was ist das für eine Finanzpolitik, die den Maßstab der Verschuldung zum Maßstab der Förderung des Wohneigentums machen will?
Was ist denn das für eine Finanzpolitik?
Nein, auch hier gilt: Wir werden Ihnen vorschlagen,
daß die Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums unabhängig von Progressionsvorteilen mit einheitlichen Beträgen ermöglicht wird, so daß eine Familie mit einem normalen mittleren Einkommen eine Chance hat, sich selbst Wohnungseigentum zu schaffen, anstatt durch den sogenannten Mittelstandsbauch - „Mittelstandsloch" ist das bessere Wort dafür - daran gehindert zu werden, Eigentum zu schaffen und damit die beste Gewähr gegen Mietsteigerungen zu haben, die man sich überhaupt vorstellen kann.
Wenn also Reformpolitik Freiheit erweitern, Verantwortung stärken, sozialen Zusammenhalt bewirken und Kräfte bündeln soll, dann muß man feststellen: Das gelingt Ihnen auf den vier zentralen Feldern einer ökologischen Orientierung, einer Verbesserung der Arbeits- und Ausbildungssituation, einer starken, international fähigen Wirtschaft und eines starken, aber weniger bürokratischen Sozialstaates nicht. Es gelingt Ihnen einfach nicht! Und wenn Sie dann mal einen Schritt in die richtige Richtung tun, dann geschieht das halbherzig nach der Methode: Ein bißchen müssen wir der sozialdemokratischen Mehrheit in Bundesrat und Vermittlungsausschuß ja entgegenkommen. - Sie werden uns weiter entgegenkommen müssen, denn die Zeiten sind vorbei, in denen das nach der Methode ging: Lassen Sie uns mal hinter verschlossenen Türen diesen oder jenen Scheinkompromiß verhandeln! Wir wollen eine Konzeption durchsetzen, die mehr Gerechtigkeit schafft und zugleich den Staat von dieser unsäglichen und für seine Akzeptanz und Legitimation schädlichen Bürokratie endlich befreit.
Wer Freiheit schützen und erweitern will, der wird sich auch die Frage nach der Situation unseres Landes auf dem Felde der inneren Sicherheit stellen. Meine Damen und Herren, es hat wenig Sinn, den Staat immer zu verstehen als eine Instanz, die erst Steuern einnimmt, um dann soziale Leistungen auszureichen, als eine Instanz, die alle Lebenssachverhalte regeln will und deswegen für eine völlig ausgedünnte Politik immer stärker aufgeblähte Apparate aufbaut. Das gilt auf der Ebene der Bundesregierung wie auf anderen Feldern auch.
Rudolf Scharping
Wenn der Staat bürgerfreundlicher, beteiligungsfreundlicher und mehr an Dienstleistungen orientiert sein soll, dann empfehle ich der Bundesregierung, sich endlich einmal die Beispiele in verschiedenen sozialdemokratisch geführten Ländern bei Genehmigungsverfahren, beim Abbau von Bürokratie usw. anzuschauen.
- Meine Damen und Herren, Sie sind mittlerweile so weit weg von der Wirklichkeit,
daß Sie noch nicht einmal mehr zur Kenntnis nehmen wollen, daß große Chemieunternehmen in Hessen und Rheinland-Pfalz ausdrücklich die roten oder grünen Umweltminister für verkürzte Genehmigungsverfahren loben. Wo sind denn Ihre Beiträge? Wo könnten Sie denn mal auf ein ähnliches Beispiel verweisen? Das einzige, was diese Bundesregierung macht, ist ein Produkt von Phantasielosigkeit, nämlich globaler Stellenabbau, anstatt Aufgaben, Standards und anderes zu überprüfen. Wo sind denn Ihre Vorschläge zur Modernisierung staatlicher Tätigkeit? Sie bewegen sich auf abseitigen Feldern, anstatt endlich das Beamtenrechtsrahmengesetz anzupacken und dafür zu sorgen, daß im öffentlichen Dienst Spitzenpositionen auf Zeit vergeben werden können.
Das einzige, was Ihnen einfällt, ist Personalabbau.
Wo sind denn Ihre Vorschläge, die endlich dazu führen, daß im öffentlichen Dienst Beamte dort beschäftigt werden, wo hoheitliche Aufgaben ausgeführt werden - und bitte schön nur dort! Wo sind denn Ihre Vorschläge zu einer Verbesserung in den Eingangsbesoldungsgruppen, damit wir endlich von dem System der Dienstaltersstufen herunterkommen,
die im Kern doch nur das Sitzfleisch belohnen, statt die Leistung zu fördern!
Sie gehen zwar auf Beamtentage, aber von der Bundesregierung, von dem Minister, der dafür zuständig ist, hört man nichts. Das ist ja auch kein Wunder, weil die F.D.P. - immer noch in der wackeligen Position, ob sie nun Mittelstandspartei oder Partei des öffentlichen Dienstes und Beamtenpartei sein soll - nur eines macht, nämlich den verzweifelten Versuch, ihre parlamentarische Existenz zu retten, was ja sehr verständlich und übrigens auch sehr legitim ist, was aber dazu führt, daß diese Bundesregierung am Ende auf zentralen Feldern der inneren Sicherheit keine Entscheidungen mehr treffen kann und sich auf Nebengleisen bewegt. Das ist angesichts der vielen Sorgen und mancher Hoffnungen vieler Bürgerinnen und Bürger gänzlich unverantwortlich.
Also werden wir Ihnen vorlegen, was getan werden muß.
Schauen Sie sich das Geldwäschegesetz an: hin und her, hü und hott! Wir hatten von Anfang an gesagt, das wird eine ziemlich große Bürokratie und vermutlich völlig wirkungslos. Es ist wirklich erstaunlich, zu sehen, daß eine Partei, die für sich die Gewährung innerer Sicherheit und den konsequenten Einsatz für den Schutz der Freiheit reklamiert, auf dem wichtigsten Gebiet, nämlich der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, schlicht versagt.
So wie Sie um den Preis des Kommerzes im Fernsehen Gewaltdarstellungen und anderes in Kauf genommen haben, so haben Sie auch um den Preis des Kommerzes in Kauf genommen, daß die innere Sicherheit in Deutschland nicht mehr so gut gewährleistet werden kann, wie es erforderlich wäre.
Also werden wir Ihnen auch hinsichtlich der Geldwäsche, hinsichtlich der Einziehung kriminell erworbenen Vermögens entsprechende Vorschläge auf den Tisch legen.
Und wir werden Ihnen, auf der Grundlage unserer Anträge und der Gesetzentwürfe sowohl aus dem Bundesrat als auch dem Bundestag, eine Entscheidung über die Situation der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger abverlangen. - Ich zögere bei dem Wort „ausländisch"; aus meiner Sicht sind Menschen, die in Deutschland geboren sind, die hier zur Schule gingen und ihre Ausbildung machten, ein Studium absolvieren, in Sport- oder Kulturvereinen integriert sind, nicht allein wegen des Passes ihrer Eltern Ausländer.
Wenn es wirklich wahr ist, was ich hier und da aus den Reihen der Union höre, nämlich daß es besser sei, Probleme zu lösen, als sich erneut in einen Konflikt über diese Fragen zu begeben, dann will ich Ihnen das Angebot machen,
sich über drei Dinge ernsthaft und mit dem Ziel der Lösung zu unterhalten.
Erstens gilt das für eine Regelung der Fälle, die man - leider etwas technokratisch - „Altfälle" nennt. Glauben Sie im Ernst, es sei mit christlichen Grundsätzen vereinbar, Familien auszuweisen,
deren Kinder hier geboren sind, die wegen der langen Dauer der alten Asylverfahren weitgehend integriert sind, einen Arbeitsplatz haben, deren Kinder hier in den Kindergarten oder die Schule gehen? Ich appelliere ausdrücklich an Ihre Bereitschaft, solche Fälle in einem menschlichen Geist zu lösen und nicht diese kalte Gesetzesmaschine in Gang zu halten,
Rudolf Scharping
die dazu führt, daß viele Menschen in ganz bedrohliche Situationen geraten.
Das zweite, was ich Ihnen ausdrücklich anbieten will, ist eine gemeinsame Lösung für das eigenständige Aufenthaltsrecht von Ehegatten.
: Haben wir
doch!)
Ich weiß, daß hier auch Möglichkeiten des Mißbrauchs bestehen. Aber viel dringender ist, eine Lösung zu finden, die nicht noch durch Abschiebung oder Ausweisung sanktioniert, daß Notlagen ausgenutzt und Frauen aus anderen Ländern ausgebeutet werden. Das sollte man in Ordnung bringen!
Zum dritten will ich Ihnen ausdrücklich eine gemeinsame Lösung im Bereich des Staatsbürgerschaftsrechts anbieten. Ihre Kinderstaatsbürgerschaft löst die Probleme nicht. In Deutschland leben, statistisch betrachtet, mehr als sieben Millionen ausländische Mitbürger; die meisten davon sollten in Deutschland integriert werden. Manche nennen das „Konzept einer multikulturellen Gesellschaft". Mir persönlich - ich sage das ausdrücklich nur für mich persönlich - wird das Wort immer zweitrangig bleiben. Wichtiger ist die Integration an Hand der Grundsätze unserer Verfassung, insbesondere die Beachtung der Menschenwürde als dem tragenden Fundament unserer Verfassung.
Das sage ich auch mit Blick auf die Tätigkeit mancher sogenannter Kulturvereine, mancher Organisationen - nicht nur der PKK: Wer hier in Deutschland das Recht auf Aufenthalt mißbraucht, beschädigt die Integration der anderen, der übergroßen friedlichen Mehrheit. Wer sich - wie die PKK - in Deutschland, in der Türkei und andernorts terroristisch verhält, beschädigt das Ideal der Menschenrechte, der Unverletzlichkeit von Leben und Gesundheit und muß mit aller Härte,
in Deutschland wie auch andernorts, verfolgt und bestraft, im Zweifel auch ausgewiesen werden.
Die Bedingungen, die wir im eigenen Land für ein friedliches Zusammenleben schaffen, werden sehr stark darüber entscheiden, ob wir die Fähigkeiten erweitern, mit anderen - mit unseren Nachbarn und mit anderen Völkern - friedlich zusammenzuleben. Da wollen wir die große Tradition der von Willy Brandt geprägten Außenpolitik fortsetzen: Verzicht auf Gewalt, Achtung von Grenzen, Achtung von Minderheiten, Zusammenarbeit, insbesondere in globalem Maßstab, der Versuch, friedliche Lösungen voranzubringen, Konfliktursachen zu bekämpfen und vorsorglich Konflikte verhüten zu helfen, ist immer besser als mancher Versuch - auch dieser Bundesregierung -, sich scheinbare globale Verantwortung durch internationale militärische Aktionsfähigkeit zu sichern. Das ist nämlich keine Verantwortung!
Wir werden im Verlauf der Debatte sicher noch einiges zu dem deutsch-französischen Verhältnis sagen können, das verbesserungsbedürftig - nicht nur verbesserungsfähig - ist. Es wäre klug, Überlegungen aufzugreifen, die darauf abzielen, den ElyséeVertrag den heutigen Gegebenheiten anzupassen und der deutsch-französischen Zusammenarbeit im Technologischen, im Wirtschaftlichen und vielleicht auch im Sozialen, Ökologischen und Kulturellen ein stärkeres Fundament zu schaffen.
Es wäre klug, wenn die Fraktionen des Parlamentes, soweit es irgend geht, zu den Fragen der Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Union gemeinsame Positionen erarbeiten könnten. Es wäre klug, an dem festen freundschaftlichen Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Nordamerika ebenso festzuhalten wie an der deutschen Einbindung in die NATO. Es wäre klug, wenn diese ein vertretbares, vernünftiges Verfahren der Zusammenarbeit - nicht nur auf sicherheitspolitischem Gebiet - mit Rußland fände, damit auch die Osterweiterung der NATO, so richtig und notwendig sie ist, möglichst ohne Friktionen mit Rußland zustande gebracht werden kann.
Wenn man sich dann aber anschaut, was konkret auf dieser Grundlage mit der deutschen Außenpolitik geschieht, dann, so muß ich Ihnen sagen, ist die gestern verbreitete Nachricht, daß wir nunmehr nach den USA, Großbritannien und China auf dem vierten Platz der Waffenexporteure auf der Erde liegen, alles andere als beruhigend.
Herr Bundeskanzler, es ist Ihre Richtlinienkompetenz, endlich dafür zu sorgen, daß in Deutschland der Export von Waffen strikt begrenzt und außerhalb der NATO strikt unterbunden wird.
Es ist am Ende Ihre Kompetenz, sicherzustellen, daß mit deutschen Waffen nicht Morden stattfinden kann.
So sehr ich verstehen kann, daß der türkische Staat sich gegen Terrorismus wehrt, so klar werden wir auch daran festhalten, daß das Sich-Wehren gegen Terrorismus niemals die Verletzung von Menschenrechten rechtfertigt.
Rudolf Scharping
Meine Damen und Herren, die Politik der Bundesregierung auf diesem Gebiet ist halbherzig. Der Bundesaußenminister macht es wie sein langjährig amtierender Vorgänger: Er ist häufig unterwegs. Allerdings, die Atemlosigkeit im Vergleich zum Einsatz von Herrn Genscher ist deutlich gestiegen - die Konzeptionslosigkeit auch, die Erfolglosigkeit gleich mit.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, was es für die Politik dieser Bundesregierung wirklich bedeutet, aber ich sehe mit Interesse und auch mit Trauer, daß Herr Blüm oder Herr Geißler der deutschen Außenpolitik vorhalten, sie sei nicht so konsequent an Menschenrechten orientiert, wie das erforderlich wäre. - Wohl wahr! Der Einsatz für Menschenrechte mag durch Männerfreundschaften erleichtert werden, Männerfreundschaften allerdings ersetzen den Einsatz für Menschenrechte und eine klare Position nicht.
Europa hat die Grauen des Krieges zweimal auf eine schlimme Weise erlebt, und es hatte immer mit Deutschland und seiner Verantwortung zu tun, daß es diese Grauen des Krieges gab. Wenn man sich dann aber anschaut, was im Zusammenhang mit dem 8. Mai 1995 an beschämender Peinlichkeit geschieht!
Ich bin gar nicht so sicher, ob es klug ist, das alles immer aufzugreifen, aber auf eines möchte ich doch aufmerksam machen: Wenn sich der studierte Historiker an der Spitze der Bundesregierung damit auseinandersetzt, er wolle nach Berlin einladen, wer in Potsdam verhandelt und die Teilung Deutschlands vereinbart habe, dann sollte Ihnen, Herr Bundeskanzler, wenigstens klargeblieben sein, daß in Potsdam - zum Arger der Franzosen - nur drei Mächte gesessen haben und daß es alles andere als gut für die europäische Integration, das gemeinsame Verständnis und das Zusammenleben in einem größer werdenden Europa ist, wenn man den Wunsch des polnischen Staatspräsidenten zurückweist, die vernünftige Geste und die Bitte um Vergebung des deutschen Bundespräsidenten in Deutschland anläßlich des 50. Jahrestages des Kriegsendes beantworten zu können. Das ist von beschämender Peinlichkeit!
Da wird Bitburg und anderen mißlungenen Symbolen ein weiteres hinzugefügt. Selbst wenn der Deutsche Bundestag - was er seit geraumer Zeit tut und lange vor Ihren öffentlichen Anregungen - den - hoffentlich erfolgreichen - Versuch macht, den Schaden
zu begrenzen: Auf der Ebene der Bundesregierung bleibt, daß auch ein Bundeskanzler besser nicht öffentlich über vom Bundespräsidenten angeordnete Staatsakte verfügen sollte.
Ich füge hinzu: Wir sind nicht frei in der Wahl unserer Geschichte; aber wir sind frei in der Entscheidung darüber, was wir als Tradition pflegen wollen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß eine gewisse Pluralität, eine gewisse Diskussionsfreude und vielerlei Standpunkte in einer großen Volkspartei möglich sein müssen.
Aber ich habe doch große Zweifel, ob es wirklich vertretbar ist - nein, ich habe keine Zweifel, ich bin ganz sicher: Es ist nicht vertretbar -, daß in manchen Bereichen der Union behauptet wird, mit Blick auf den 8. Mai habe Deutschland mehr zu trauern als zu feiern.
Meine Damen und Herren, wenn wir so fortfahren, daß eine großzügige Geste des tschechischen Präsidenten Václav Havel, unmittelbar nach dem Fall des Eisernen Vorhangs getan, nicht aufgegriffen wird, wenn eine solche Brüskierung stattfindet, von der ich weiß, daß die polnischen Regierungsmitglieder und andere das so gar nicht aussprechen können, wenn man sieht, mit welcher mangelnden Sensibilität und mit welcher mangelnden Entschlossenheit in diesem Feld das Stichwort der Versöhnung, das die Frucht der Erinnerung sein soll, vorangebracht wird, dann, finde ich, ist die deutsche Außenpolitik, ist der innere, der geistige Zustand der Bundesregierung alles andere als begrüßenswert.
Das gilt übrigens auch für die Frage der globalen Entwicklung. Unser Lebensmodell ist nicht auf andere Regionen der Erde übertragbar. Es geht nicht darum, immer mehr Geld, Vermögen oder andere Dinge anzuhäufen, sondern darum, ein besseres Leben zu ermöglichen. Auch aus diesem Grund wird unser Lebensmodell allenfalls um den Preis des Ruins der Erde exportiert werden können.
Was am Anfang fast schon wie eine Träumerei einiger Politikerinnen und Politiker aussah, wird zu einer harten ökologischen, politischen und übrigens auch ökonomischen Realität. Wenn in der französischen Zeitung „Le Monde" Schweizer Versicherungsunternehmen sagen, sie sähen sich angesichts des globalen Fehlens wirksamer Umweltpolitik nicht mehr imstande, große Risiken auf Dauer zu versichern, dann ist das vielleicht ein Hinweis, der, wenn schon andere Hinweise die Köpfe und Herzen konservativer Politiker nicht erreichen, klarmacht, daß wir uns die Art und Weise, wie wir wirtschaften, auf Dauer nicht leisten können.
Rudolf Scharping
Wer in dieser Situation, in der sich Grenzen und der Schutz durch sie, in der sich Entfernungen und der Schutz durch sie in der globalen Interdependenz immer stärker relativieren, auf das Konzept der Nation so zurückgreift, wie man das aus Reihen der Union und der Bundesregierung häufig hört, der verweigert im Kern Verantwortung. Das ist auf Dauer verantwortungslos.
Meine Damen und Herren, wer diesen Haushalt und die Politik der Bundesregierung betrachtet, der wird eines feststellen: In den Reihen dieser Bundesregierung wird viel und gerne von sozialer Gerechtigkeit geredet,
während gleichzeitig Gesetzentwürfe vorbereitet werden, die den verhängnisvollen Weg dieser Bundesregierung fortsetzen, anstatt Gerechtigkeit und gleiche Chancen für Frauen und Männer, für Jüngere und Ältere, für Reichere und Ärmere zu schaffen. Es werden wieder denjenigen die Lasten auf den Buckel geladen, die wegen Ihrer Politik ohnehin kaum noch laufen können.
Es wird viel und gerne von wirtschaftlicher Stärke geredet. Wer sich den Haushalt ansieht, weiß: Für Forschung und Technologie wird zuwenig getan, für eine Entlastung der Arbeitsplätze gar nichts. Für die zukünftige wirtschaftliche Stärke der Bundesrepublik Deutschland wird nicht das Notwendige getan. Es wird viel und gerne von globaler Verantwortung geredet; wenig geschieht.
Nein, Reformpolitik wird ökonomische, ökologische und soziale Fragestellungen immer zusammen sehen und beantworten. Sie wird verstehen, daß ökonomische, ökologische und soziale Entwicklungen untrennbar geworden sind. Sie wird verstehen und dafür sorgen, daß der Lebensstandort Deutschland nicht nur aus dem Blickwinkel von Bilanzen, Aktienkursen oder ähnlichem betrachtet wird. Das alles sind notwendige Sichtweisen; sie sind für die Politik aber immer nur Hilfsmittel, weil der Zweck der Wirtschaft, der Zweck der Politik und der Zweck des gemeinsamen Fortschritts nicht allein aus Aktienkursen, Gewinnen, Bilanzen oder ähnlichem besteht, sondern darin, den Menschen ein gerechteres und besseres Leben in einem Land zu ermöglichen, das die Möglichkeiten dazu hat.
Niemand streitet dem Bundeskanzler Routine, Erfahrung und Standvermögen ab.
Wenn allerdings Routine in Erstarrung übergeht, Erfahrung in Abgehobenheit und Standvermögen in Unbeweglichkeit, dann ist ein Zustand erreicht, der mit diesem Haushalt sinnfällig beschrieben ist: Stillstand und Verweigerung moderner, zukunftsgerichteter Antworten.
Herr Bundeskanzler, dieses Land hat große Aufgaben vor sich. Es bestehen gute Chancen, sie zu lösen. Aber dieser Haushalt - schon gar nicht Ihre Politik - wird dem nicht gerecht, was die Menschen von Politik erwarten: klar erkennbare, nachvollziehbare, selbst unter finanziellen Zwängen erfolgende Schritte, hier und da mal kleine, jedenfalls Schritte, die das Leben der Menschen gerechter und besser machen, die Verantwortung für Gegenwart und Zukunft erkennen lassen, die zusammenhalten und zusammenführen, anstatt den Weg fortzusetzen, daß dieses Land sozial und wirtschaftlich immer weiter geteilt wird. Beenden Sie endlich diese verhängnisvolle Politik, weil sie nicht nur viele Menschen enttäuscht, sondern weil sie auch dazu führt, daß das Land am Ende in einem Zustand ist, den niemand wünschen kann und der von Teilung und Auseinandergehen geprägt ist! Sorgen Sie endlich wieder für das Anknüpfen an eine Politik, die Deutschland wirtschaftlich stark, sozial leistungsfähig und zunehmend auch ökologisch verantwortlich gestalten könnte.
Es spricht jetzt der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Dr. Wolfgang Schäuble.
Dr. Wolfgang Schäuble (von der CDU/ CSU mit Beifall begrüßt): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Scharping, Sie haben gegen Ende Ihrer Rede gesagt, es wird viel und gern geredet: von sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortung. - Die letzte Stunde war ein Beispiel dafür!
Ich weiß ja, daß Sie es in Ihrer Partei und Fraktion schwer haben.
Man kann es zur Zeit jeden Tag lesen. Deswegen ist es auch nicht überraschend, daß Sie versucht haben, das Pfeifen im Walde - -
Dr. Wolfgang Schäuble
- Ja, natürlich, das hat jeder mal; das ist völlig in Ordnung. Lassen Sie mich doch einmal zwei Sätze sagen. Ich bin ähnlich erkältet wie Herr Scharping, und wenn Sie es mir nicht zu schwer machen wollen, lassen Sie mich einmal ein paar Sätze zusammenhängend sagen.
- Dann lassen Sie mich doch erst einmal anfangen.
Es ist furchtbar! Sie schreien dazwischen, bevor man überhaupt angefangen hat.
Das eigentliche Problem
dieser Ihrer Rede ist: Sie haben ein Zerrbild von der Wirklichkeit unseres Landes gemalt. Sie haben an einer Stelle Ihrer Rede gefragt: Was ist denn in den zwölf Jahren geschehen, die Helmut Kohl Kanzler ist? - In Ihrer Rede sind zwei kleine Ereignisse nicht vorgekommen: die deutsche Wiedervereinigung und die europäische Einigung.
Sie haben zu den zentralen Problemen der deutschen Politik nicht einen einzigen konkreten Vorschlag gemacht.
Sie haben lange und viel von ökologischer Verantwortung
und von Energiekonsens geredet. Sie haben vergangene Woche eine Pressekonferenz gemacht, auf der Sie die Regierung mit Blick auf den Weltklimagipfel kritisiert haben. - Das ist die Aufgabe der Opposition. - Dann sind Sie gefragt worden, ob Sie denn nun für oder gegen eine Energiesteuer seien, und da haben Sie es gemacht wie hier im Bundestag: Sie haben die Antwort verweigert. Nicht einen einzigen konkreten Vorschlag haben Sie gemacht!
Meine Damen und Herren, ich will gar nicht in Ihren Wunden bohren. Man könnte stundenlang vorlesen, was in Ihrer eigenen Partei zur Zeit alles über den Zustand Ihrer Partei gesagt wird.
Aber es interessiert schon fast nicht mehr.
Die Lage unseres Landes ist dadurch zu beschreiben und beschrieben, daß wir auf der einen Seite ungeheure Erfolge erzielt haben. Es geht der großen Mehrzahl der Menschen in diesem Lande gut. Es geht Deutschland in außen- und sicherheitspolitischer Hinsicht, in wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischer Hinsicht besser, als es uns in der überschaubaren Geschichte jemals gegangen ist.
Gleichzeitig haben wir eine Fülle von Aufgaben und Problemen. Der Bedarf an Veränderungen ist groß in einer Welt, in der die globalen Abhängigkeiten und Zusammenhänge so eng geworden sind, in der Grenzen nicht mehr drängen, in der die ökologischen Probleme so dramatisch sind - wir empfinden es gerade in diesen Tagen angesichts der Klimakonferenz in Berlin -, in der aber gleichzeitig, weil es uns so gut geht, die Aufgabe, Veränderungen konkret durchzusetzen, auf ungeheuer viele Widerstände trifft. Solche Reden, Herr Kollege Scharping, wie Sie sie gehalten haben, tragen nun überhaupt nicht dazu bei, uns auch nur einen Millimeter weiter voranzubringen.
Sie wissen ganz genau, daß Ihre eigene Partei und Fraktion die eigentlichen Reformverhinderer und die eigentlichen Innovationsfeinde in unserem Lande sind. Es gibt ja genügend, die das in diesen Tagen auch sagen.
Deswegen kann man natürlich solche Reden halten, in denen man so tut, als wäre alles schlecht in diesem Lande, und dann aufzählt, welche Probleme alle noch zur Lösung anstehen. Es wird übrigens, solange Menschen Menschen sind, immer so sein, daß, um so mehr Aufgaben zu lösen sein werden, je mehr Erfolge erzielt worden sind.
Wenn wir also von dem reden, was in der Zukunft zu geschehen hat, dürfen wir natürlich nicht vergessen, was erreicht worden ist.
Wer so ein Zerrbild von der wirtschaftlichen Lage in unserem Lande beschreibt, wie Herr Scharping es getan hat, den muß man daran erinnern, daß wir entgegen allen pessimistischen Vorhersagen in den neunziger Jahren trotz der besonderen Belastungen nach der Wiedervereinigung nach 40 Jahren Teilung und Sozialismus wieder in einer nachhaltigen wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung sind,
weil man sonst den Bezug zur Realität verliert. Wenn man über die Probleme redet, um die es geht, muß man zwischendurch auch einmal sagen, was schon erreicht worden ist. Sonst haben ja die Menschen am Ende das Gefühl, wir lebten in einem reinen Jammertal. Am Schluß glauben diejenigen, die so reden, es selbst noch. Dann wird man unfähig, das Land voranzubringen.
Dr. Wolfgang Schäuble
Zur Wirklichkeit und zur Wahrheit unseres Landes gehört eben auch, daß wir trotz der großen finanziellen Belastungen die Stabilität unserer Mark bewahrt haben, was vor zwei Jahren noch kaum jemand für möglich gehalten hätte.
Wenn wir uns jetzt mit den Auswirkungen von Währungsturbulenzen zu beschäftigen haben, ja, meine Damen und Herren: Natürlich hat jeder Erfolg auch seine Nachteile. Mir ist es lieb, daß die deutsche D-Mark für die ganze Welt ein Hort der Stabilität, ein Anker der Stabilität ist. Das ist eine Folge der Politik dieser Bundesregierung, von Bundeskanzler Kohl und Finanzminister Theo Waigel. Das findet Ausdruck in diesem Haushalt.
Wissen Sie, Herr Scharping, Sie werden einen Widerspruch finden, wenn Sie Ihr Manuskript noch einmal nachlesen. Sie haben im ersten Satz und am Schluß Ihrer Rede wieder gesagt, der Bundeskanzler stehe für Kontinuität. Dazwischen haben Sie den Eindruck erweckt, als ginge es in der Regierung, in der Koalition ständig hin und her. Das eine oder das andere kann nur richtig sein. Beides zusammen widerspricht sich gegenseitig.
- Wenn der große Teil der Menschen in anderen Ländern nicht Vertrauen in die Solidität der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik hätte, wäre die D-Mark nicht so stark. Insofern ist das alles ein Ausdruck von Vertrauen.
Wir brauchen dieses Vertrauen auch, im Inneren wie nach außen, weil wir mit den Aufgaben, die uns weiter gestellt sind, anders nicht fertigwerden. Wir müssen mehr Veränderungen durchsetzen.
Nur, was nützen mir Ihre Reden, wenn Ihr Bundesgeschäftsführer, Herr Verheugen - er ist sogar auch stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Herr Scharping -, in diesen Tagen doch gesagt hat, die SPD werde niemals den Besitzstand von irgendeinem einzelnen zur Disposition stellen? Meine Damen und Herren, wenn wir jeden Besitzstand nicht zur Disposition stellen, wenn jeder für unveränderbar erklärt wird, dann sollten wir uns die Reden vom Umbau schenken. Beides zusammen geht nicht.
- Frau Matthäus-Maier, bevor Sie Ihre beleidigenden Äußerungen fortsetzen - -
- Doch; „dummes Zeug" ist gesagt worden.
Ich werde Ihnen das Zitat gleich nachreichen. Wenn ich es nicht hier am Pult habe, dann gebe ich es Ihnen gleich von meinem Platz aus; ich habe es dann an meinem Platz liegen.
Herr Verheugen hat gesagt, Besitzstände - - Ich suche das Zitat nachher. Aber dann werden Sie sich dafür entschuldigen; davon gehe ich aus. Das muß dann sein.
- Nein.
Ich glaube, wir sollten das lassen. Wir sollten uns vielmehr auf das konzentrieren, worum es in dieser Haushaltsdebatte geht, nämlich auf die Frage: Wie können wir in einer Zeit, in der wir wirtschaftlich große Erfolge haben und zugleich darauf achten müssen, daß wir auch in der Zukunft wettbewerbsfähig sind, die Rahmenbedingungen so gestalten, daß es auch in der Zukunft weiterhin dauerhaft wirtschaftlich bergauf geht? Das geht nicht in der Art, wie es Herr Scharping vorgeschlagen hat, der gesagt hat: Die Arbeitskosten dürfen nicht verteuert werden. Dann hat er drei Gesetzesinitiativen genannt, zum einen die Abschaffung des § 116 AFG. Dann hätten wir noch schlechtere Tarifergebnisse in der letzten Verhandlungsrunde bekommen.
- Ja, natürlich.
Dann hat er vorgeschlagen, die Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz zu erhöhen. Überhaupt: Auf der einen Seite werden die hohen Schulden beklagt, und auf der anderen Seite wird jede Leistungskürzung verweigert.
Gleichzeitig wird uns angekündigt, daß man die Gesetze, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfen, blockieren werde.
Herr Kollege Scharping, wenn wir Deutschland als Standort für Investitionen und Arbeitsplätze wettbewerbsfähig halten wollen, dann kann man nicht ernsthaft bestreiten, daß die Gewerbesteuer und die Gewerbekapitalsteuer im besonderen ein Investitionshindernis sind. Deswegen ist es richtig und notwendig, sie abzuschaffen.
Die Konsequenz Ihrer Position ist, daß wir in den neuen Bundesländern ab dem nächsten Jahr die Einheitswerte auf das Betriebsvermögen erst ermitteln
Dr. Wolfgang Schäuble
müssen, damit wir die Gewerbekapitalsteuer einführen können. Das wäre Gift für den weiteren Aufbau der neuen Bundesländer. Deswegen muß die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft werden.
Wir werden durch schrittweise Einsparungen den Konsolidierungskurs fortsetzen müssen. Aber, meine Damen und Herren, wir sind doch auf diesem Weg ungeheuer erfolgreich: Wir haben die öffentliche Gesamtverschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden in den letzten zwei Jahren von etwa 200 Milliarden DM im Jahr 1993 auf rund 100 Milliarden DM im Jahre 1995 halbiert.
- Die Neuverschuldung; Halbierung der Neuverschuldung.
Nach den ungeheuren Aufgaben nach der deutschen Einheit ist das doch eine große finanzpolitische Leistung, die natürlich dazu führt - der Kollege Adolf Roth hat das vorgestern schon gesagt -, daß unsere finanzpolitischen Spielräume ungeheuer eng sind. Auch wir würden gern für viele wichtige Aufgaben mehr Geld ausgeben. Aber man kann nicht auf der einen Seite durch Konsolidierung die Rahmenbedingungen verbessern und auf der anderen Seite mit lockerer Hand das Geld ausgeben. Das kann man nur in solchen Reden, wie Sie sie halten.
Deswegen müssen wir die zum Teil gegensätzlichen Ziele der Politik weiter in einer vernünftigen Weise vernetzen. Da ist die Priorität Numero eins in der Finanz- und Haushaltspolitik, daß wir den Pfad der Konsolidierung zur Bewahrung der Stabilität unserer Mark, zur Begrenzung von Neu- und Bruttoverschuldung und zur Sicherung der Handlungsfähigkeit unseres Staates auch in den kommenden Jahren fortsetzen.
Deshalb sind die finanzpolitischen Spielräume nicht größer, als sie sich jetzt darstellen. Deswegen nützt es mir überhaupt nicht, wenn Sie überall kritisieren, daß die Ausgaben zu gering sind, Sie aber nicht einen einzigen seriösen Sparvorschlag machen.
Wer hat denn den Solidaritätspakt aufgekündigt? Das war doch nicht die Bundesregierung. Das waren doch weder Helmut Kohl noch Klaus Kinkel, noch Theo Waigel, noch CDU/CSU und F.D.P. Es ist doch die SPD gewesen, die den Solidaritätszuschlag in einer hemmungslosen Verleumdungskampagne acht Tage nachdem er in Kraft getreten war, im hessischen Wahlkampf in Frage gestellt hat.
So kommen wir doch nicht voran. Es macht doch keinen Sinn, vor zwei Jahren zu kritisieren, daß der Solidaritätszuschlag nicht schon 1993 eingeführt worden ist, ihn dann gemeinsam zu vereinbaren, ihn übrigens höherzutreiben - das haben Sie vorhin noch einmal sanft angedeutet -, als wir es vorgesehen haben, und dann acht Tage nachdem er in Kraft getreten ist, dagegen eine Neidkampagne und eine Diffamierungskampagne öffentlich loszutreten. So kann man seriöse Politik nicht machen.
So dient man auch nicht der Aufgabe, die deutsche Einheit zu vollenden. Wir müssen daran festhalten, daß dieser Weg fortgesetzt wird. Natürlich sind wir hinsichtlich der Steuer- und Abgabenbelastung in dieser historisch einmaligen Situation an einer Größenordnung angelangt, die es dringend erforderlich macht, die zu hohe Steuer- und Abgabenbelastung schrittweise wieder zurückzuführen. Da ist das zweite Ziel neben der Konsolidierung. Deswegen haben wir gesagt: In den Jahren 1994 und 1995 muß die öffentliche Neuverschuldung zurückgeführt werden, und im Jahr 1996 nutzen wir den Spielraum, den wir durch diese solide Finanzpolitik gewonnen haben und gewinnen, zur Rückführung der Steuerbelastung mit einer Steuer- und Abgabensenkung in einer Größenordnung von bis zu 30 Milliarden DM.
Dieses doppelte Ziel, Konsolidierung und Rückführung der Steuer- und Abgabenbelastung, muß auch in den nächsten Jahren fortgesetzt werden. Deswegen sind aber die Spielräume bei den Ausgabensteigerungen auf der anderen Seite auch in den kommenden Jahren begrenzt. Wer anders redet, betrügt die Menschen, oder er muß die Rechnung präsentieren.
Das heißt, daß auch in Besitzstände maßvoll, behutsam eingegriffen werden können muß. Ohne Veränderung werden wir mit diesen Aufgaben nicht zu Rande kommen.
- Ja, aber dann darf man sie auch nicht alle für tabu erklären, und man darf nicht jedesmal, wenn ein Vorschlag gemacht wird, das eine oder andere maßvoll zu verändern, dagegen sein.
Ich denke hier etwa an den Bereich des Arbeitsförderungsgesetzes. Was haben Sie in Ihrer Rede für wahrheitswidrige Dinge dazu suggeriert! Mit dem Haushalt 1995 wird nicht eine einzige Leistung im Bereich des AFG gekürzt Lediglich der Zuschuß des Bundes kann zurückgefahren werden, weil wir auf dem Arbeitsmarkt entgegen Ihrer Schwarzmalerei eine sehr positive Entwicklung haben.
- Entschuldigung, wir haben im Februar 1995 gegenüber dem Februar 1994 über 200 000 Arbeitslose weniger. Das ist eine positive Entwicklung. Mir sind 200 000 Arbeitslose weniger lieber als 200 000 Arbeitslose mehr.
Dr. Wolfgang Schäuble
Wir haben einen drastischen Rückgang der Kurzarbeit, was im übrigen Grund zu der Annahme und zu der Hoffnung bietet, daß weiteres wirtschaftliches Wachstum zu mehr Beschäftigung führen wird, weil das aus der Kurzarbeit resultierende Potential schon weitgehend ausgeschöpft ist.
Das heißt, wir haben die Chance, mit einer Fortsetzung des wirtschaftlichen Wachstums auch bessere Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen.
Deswegen können wir den Zuschuß im Bundeshaushalt zurückfahren. Sie aber haben den Eindruck erweckt, als wären Leistungen gekürzt worden. Darüber müssen wir erst noch reden; außerdem sind solche Gesetze ohnehin weitgehend zustimmungspflichtig.
Es sollte auch niemand den Eindruck erwecken, als könnten wir die Beschäftigungsprobleme auf einfache Weise lösen. Das geht auch mit wirtschaflichem Wachstum allein nicht. Wir müssen zu mehr Deregulierung kommen, und das bedeutet natürlich, daß die Tarifpartner mitmachen müssen. Die Abschaffung des § 116 AFG ist aber genau der falsche Weg. Wenn die Tarifpartner ihre Auseinandersetzungen zu Lasten der Bundesanstalt für Arbeit führen können, dann wird die Chance, daß wir bei den Tarifpartnern zu mehr Beweglichkeit und Flexibilität kommen, noch kleiner werden. Sie ist ohnedies, wie wir bei den Metallverhandlungen gesehen haben, geringer, als wir es eigentlich brauchten. Wir sollten alle zu mehr Beweglichkeit, zu mehr Flexibilität ermuntern, auch was Arbeitszeiten und Maschinenlaufzeiten angeht, weil wir mit wirtschaftlichem Wachstum allein die Beschäftigungsprobleme nicht lösen werden.
- Herr Kollege Schily, ich will es Ihnen einmal erklären.
Wenn wir die Rahmenbedingungen für Investitionen weiter verschlechtern, dann exportieren wir am Schluß nur noch Arbeitsplätze; aber damit lösen wir die Beschäftigungsprobleme nicht. Deswegen müssen wir dafür sorgen, daß es weiterhin attraktiv und wettbewerbsfähig bleibt, in Deutschland zu investieren. Ohne Investitionen keine Arbeitsplätze.
Das heißt im übrigen auch, daß wir weiter auf technischen Fortschritt und auf technologische Modernisierung setzen müssen. In der Energieproblematik heißt das, daß man es sich nicht so einfach machen kann, wie Sie es tun. Markteinführungshilfen durch den Bund - selbst wenn es haushaltspolitisch größere Spielräume gäbe - lösen die dramatischen Energie- und Umweltprobleme nicht.
Nein, wir müssen schon eine faire Diskussion mit den Menschen in unserem Lande führen: ob wir angesichts der unübersehbaren Gefahren für das Weltklima durch die zu hohen CO2-Ausstöße den Weg fortsetzen können, durch immer mehr Verfeuerung fossiler Brennstoffe immer mehr CO2 zu produzieren.
Das ist in den Industrieländern so, aber in den Entwicklungsländern ist das noch viel stärker ausgeprägt. Was sagen wir eigentlich den aufsteigenden Ländern, z. B. China oder Indien mit Bevölkerungszahlen von jeweils über einer Milliarde Menschen, wenn sie fordern: Wir wollen wenigstens halb so viel wirtschaftlichen Wohlstand wie die Industrieländer? Dazu müssen wir die entsprechenden Energien haben.
Wenn Sie diese Energien bei Verzicht auf Kernenergie weltweit nur aus der Verfeuerung von Kohle, Erdöl und Erdgas erzielen, dann werden die Klimaprobleme auf dieser Erde nicht mehr verantwortbar sein.
Deswegen ist Ihre Demagogie des „Nein, danke", des nationalen Ausstiegs verantwortungslos.
Wenn man die Verantwortung für die Welt ernst nimmt, dann kann man die Probleme nur in globalen Dimensionen diskutieren. Dann ist die Dimension des Szenarios des nationalen Ausstiegs verantwortungslos.
Mir hat bis heute niemand - ich habe mich wirklich überall erkundigt - ein realistisches Szenario liefern können, wie man unter globalen Dimensionen in absehbarer Zeit auf Kernenergie verzichten könnte, ohne daß die Folgen für das Weltklima nicht mehr beherrschbar und nicht mehr verantwortbar wären. Das ist die Wahrheit. Das müssen wir den Menschen sagen und nicht die Ängste vor der Kernenergie schüren.
Es macht auch keinen Sinn, Herr Scharping, von diesem Pult aus daran zu erinnern, daß demnächst der Jahrestag von Tschernobyl ist, und den Eindruck zu erwecken, als seien die deutschen Reaktoren in einem ähnlichen Zustand wie die in Tschernobyl. Das ist doch eine Angst- und Panikmache. Die Wahrheit ist doch genau umgekehrt.
Dr. Wolfgang Schäuble
- Bei Ihnen kenne ich nur die Banane. Das wollte ich Ihnen schon gestern sagen, da Ihnen nichts Neues einfällt.
- Dann will ich es bei dieser Gelegenheit erklären. Zu den schäbigsten Momenten in dem glücklichen Jahr 1990 gehörte jener Moment, als am Abend des 18. März nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Volkskammerwahl ein Mitglied des Deutschen Bundestages, der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Kollege Schily,
aus Enttäuschung über das Wahlergebnis - für die SPD verständlich - eine Banane vor die Fernsehkamera gehoben hat und damit unsere Landsleute in der damaligen DDR zu Affen gemacht hat, die nur wegen Wohlstands so gewählt hätten.
Wann immer Sie sich im Bundestag zu Wort melden,
werde ich Ihnen diesen Vorwurf machen, bis Sie sich dafür vor dem deutschen Volk entschuldigen.
Aber zurück zu den Energie- und Umweltproblemen.
- Wir können gerne noch ein bißchen darüber reden. Den Menschen in Deutschland wird auf dem Weg zur Einheit ungeheuer viel zugemutet.
- Es trifft offenbar.
Aber Gott — —
Das Wort hat der Kollege Schäuble.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich war bei dem Thema der globalen Energieprobleme, als mich Kollege Schily durch einen Zwischenruf unterbrochen hat. Ich meine, wir sollten den Menschen klar sagen: Wir können weltweit auf absehbare Zeit - absehbar ist, was wir heute wissen - nicht auf die Nutzung der Kernenergie verzichten. Weil dies so ist und weil die deutsche Reaktorindustrie mit den höchsten Sicherheitsstand in der Nutzung der Kernenergie hat, ist es gerade angesichts der verbleibenden Sicherheitsrisiken bei der Nutzung der Kernenergie verantwortungslos, wenn wir den uns möglichen Beitrag zur Sicherheit durch die Nutzung der Kernenergie verweigern, indem wir aussteigen.
Ihre Strategie des nationalen Ausstiegs - aus blanker Feigheit vor innerparteilicher Opposition und nichts anderem -
führt doch nur dazu, daß die sicheren deutschen Reaktoren stillgelegt werden, daß die unsicheren in der ehemaligen Sowjetunion weiterbetrieben werden,
daß die deutsche Reaktorindustrie keinen Beitrag zur Sanierung leisten kann. Deswegen ist das eine Politik der institutionalisierten Verantwortungslosigkeit. Und die werden wir nicht mitmachen.
Wer Erneuerung und Umbau will, muß den Menschen die Wahrheit sagen, auch dort, wo es nicht immer bequem ist.
Nur immer die Demonstrationen anzuführen und gegen jede Lösung und Veränderung die Menschen zu mobilisieren, aber keine verantwortbaren Antworten zu geben, das ist die eigentliche Gefahr für unser Land.
Wir werden dieser Versuchung in der Energie- und Umweltpolitik nicht nachgeben.
Wir haben nach dem Urteil des Verfassungsgerichts, das die rechtlichen Grundlagen für den Kohlepfennig gestrichen hat, schwierige Auseinandersetzungen gehabt. Man muß zugeben: Wenn man alles öffentliche Ballyhoo wegnimmt, gab es zwei Gesichtspunkte, die beide für sich wichtig sind. Dies ist ein typisches Beispiel dafür, daß alles nicht so furchtbar ist, wenn man die Leute nicht in die Irre führen, sondern ihnen die Wahrheit sagen würde. Es gibt unterschiedliche Gesichtspunkte.
Dr. Wolfgang Schäuble
Auf der einen Seite hatten alle recht, die sagen, die Abgabenbelastung, die Steuerbelastung ist so hoch, daß wir neue Abgaben nicht verkraften können.
- Herr Kollege Fischer, ich habe versucht, Ihnen das zu erklären. Ich tue es noch einmal. Von 1982 bis 1989 - da waren Sie sogar ein paar Jahre hier im Bundestag; da waren Sie noch flegelhafter, als Sie sich jetzt gelegentlich aufführen -
haben wir die Staatsquote von 52 % auf unter 46 % zurückgeführt. Dann kam die Wiedervereinigung. Die wird gelegentlich bei Ihnen vergessen. Sie hat aber Gott sei Dank stattgefunden, und wir haben sie auch gewollt.
1990 haben wir einige der Aufgaben noch nicht vorhergesehen, um das gleich zuzugeben.
- Ja, Herr Lafontaine soll heute ja noch kommen. - Wir transferieren jedoch inzwischen jährlich über 150 Milliarden DM in die neuen Bundesländer, um diese aufzubauen.
Deswegen gibt es den Solidarpakt, den Solidaritätszuschlag und einen Anstieg der Steuern und der Abgaben und der Staatsquote auf erneut 52 %. Dies ist genauso wie 1982 am Ende der sozialdemokratischen Regierungszeit, allerdings damals ohne und heute mit der Wiedervereinigung. Jedoch muß die Staatsquote wieder zurückgeführt werden.
Aus diesen Gründen ist die Steuer- und Abgabenbelastung so hoch. Deswegen ist das Argument, jetzt keine neuen Steuern einzuführen, sondern zu versuchen, die bestehenden Steuern zu senken, durchaus ernst zu nehmen.
Das andere Argument ist genauso wichtig: Wir müssen in der Energiepolitik nicht nur den Anteil fossiler Brennstoffe zurückführen, sondern wir müssen auch das Energiesparen fördern. Das heißt im Ergebnis, daß der Energieverbrauch nicht verbilligt werden darf, sondern eher teurer werden muß.
Es ist natürlich problematisch - das weiß der Kollege Solms so gut wie ich -, jetzt den privaten Stromverbrauch zu verbilligen.
- Herr Kollege Fischer, ich beschreibe doch gerade dieses Problem. Ich glaube, die meisten Menschen haben die Art von Debatten, in denen wir uns gegenseitig die Plakate vorhalten, im Grunde satt. Lassen Sie uns doch über die Probleme ernsthaft reden.
Es gibt nun einmal bei jeder Entscheidung Argumente pro und contra. Deswegen haben wir uns dafür entschieden - es ist wirklich nicht jedem leichtgefallen, auch mir nicht; das weiß jeder, das ist auch gar kein Geheimnis -, zu sagen: Gut, jetzt gibt es keine neue Abgabe. Das heißt aber nicht, daß wir nicht auch weiter daran arbeiten, und dazu bietet auch der Energiekonsens unter Beteiligung der Mehrheit im Bundesrat - denn der muß ja zustimmen - gute Möglichkeiten.
Wir sind bereit - ich glaube, die Koalition insgesamt -, Elemente, die den sparsameren Energieverbrauch fördern, in unser Steuersystem stärker und möglichst schnell einzuführen.
- Weil uns erstens bei jeder Gelegenheit gesagt wird, daß solche Gesetze der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, und weil wir zweitens, wenn wir auf der einen Seite zu Belastungen kommen, auf der anderen Seite zu Entlastungen kommen müssen. Anders ist Umbau nicht möglich.
Bei den Entlastungen verweigern Sie Ihre Zustimmung, und bei allen Sparmaßnahmen blockieren Sie uns. Sie machen uns unsere Spielräume mit Ihrer Mehrheit im Bundesrat viel geringer, als wir sie gern hätten, zumindest bei allen zustimmungspflichtigen Gesetzen.
- Sie haben es doch gerade angekündigt.
- Ich will Ihnen ein wunderbares Beispiel sagen. Herr Kollege Scharping, Sie haben doch die Gespräche so sehr belastet, weil Sie im Vorfeld gesagt haben: Ohne eine Vorabsicherung der Kohlefinanzierung - der nun umweltfeindlichsten Energietechnologie -
würden Sie noch nicht einmal der Verbesserung des Familienleistungsausgleichs zustimmen. Das haben Sie gesagt.
Sie haben gesagt: Der Bundesrat wird nicht zustimmen.
Gestern sagte Ministerpräsident Schröder: Ohne eine Erhöhung der Werftenhilfe - natürlich auch wünschenswert -
Dr. Wolfgang Schäuble
wird die Mehrheit der SPD dem Haushalt nicht zustimmen. Also ständig Erpressung, Drohung, Blokkade und Boykott. Deswegen ist der Umbau schwieriger.
Auch wenn wir jetzt bei der Ersatzregelung für den Kohlepfennig das Ziel noch nicht erreicht haben, bleiben wir dem Ziel verpflichtet, unser Steuersystem so umzubauen, daß Energieeinsparung gefördert wird und die Anreize dafür verstärkt werden. Das ist notwendig, und wir werden es auch durchsetzen, auch wenn es wieder auf Widerstände treffen wird.
Wir müssen zugleich auch im Bereich der Lohn- und Lohnnebenkosten zu weiteren Absenkungen kommen. Das geht aber nicht in der Art von Herrn Scharping, der, nachdem er erst die zu hohen Arbeitskosten beklagt hat, in einem weiteren Teil seiner Rede gesagt hat, daß nach Jahren realen Kaufkraftverlustes endlich wieder einmal Kaufkraftgewinne durch höhere Lohnsteigerungen erzielt werden müßten. So senken Sie die Lohnkosten nicht. Darauf will ich Sie aufmerksam machen. Es kann nur das eine oder das andere sein.
Gestern haben Sie die vernünftigen und richtigen Überlegungen der Bundesregierung und des Bundesministers Seehofer zur Sozialhilfe zu diffamieren versucht, Herr Kollege Dreßler. - Er ist momentan nicht im Saal. Das ist auch in Ordnung. Nicht jeder kann immer da sein. -
Aber wenn Sie immer die Notwendigkeit diffamieren und dagegen hetzen, daß bei den sozialen Sicherungssystemen dafür gesorgt werden soll, daß die Motivation zur Arbeit, daß Leistungsbereitschaft, Eigenverantwortung und freiwillige Solidarität nicht immer mehr an den Rand gedrängt werden, dann machen Sie den notwendigen Umbau schwerer, auch im Sinne von Einsparungen in Sachen ökologischer Reform.
- Frau Kollegin Matthäus-Maier, wenn Sie einen sinnvollen Sparvorschlag machen würden, könnten wir sofort über weitere Steuersenkungen reden. Im Augenblick haben wir ein Steuersenkungsvolumen in der Größenordnung von 30 Milliarden DM für das nächste Jahr.
- Ja, ja. Es wird schon wieder damit gedroht, daß der Bundesrat das blockiert. - Wenn wir durch weitere Ausgabenkürzungen weitere Spielräume erschließen, um so besser. Ich will aber auch darauf hinweisen, daß es mindestens genauso wichtig ist, daß wir den Anstieg der Lohnnebenkosten begrenzt halten.
Deswegen werden wir nicht darum herumkommen, bei den sozialen Sicherungssystemen Veränderungen vorzunehmen. Das muß bei der Sozialhilfe anfangen, bei der Hilfe zur Arbeit, um Sozialhilfeempfänger wieder zu ermutigen, eine vorhandene Arbeit auch anzunehmen.
- Herr Kollege Fischer, wir erteilen im Jahr annähernd 1 Million Ausnahmegenehmigungen vom Verbot des Anwerbens ausländischer Arbeitskräfte von außerhalb der Europäischen Union. Wenn wir nahezu 1 Million Ausnahmegenehmigungen im Jahr brauchen, dann muß es doch erlaubt sein, einmal darüber nachzudenken, ob wir nicht doch für die viel zu große Zahl von Menschen in Deutschland, die keine Arbeit finden können, verbesserte Möglichkeiten schaffen könnten. Das lassen wir durch Ihre Diffamierungskampagnen nicht von vornherein tabuisieren. Wir werden daran weiterarbeiten.
Man könnte der Beispiele viele nennen. Mir ging es darum, gerade im Anschluß an die Rede von Herrn Scharping das Dilemma zu beschreiben. Auf der einen Seite sollten wir nicht so tun, als wäre unser Land ein reines Jammertal, als gäbe es nur noch Not und Elend in unserem Land. Mit solchen Zerrbildern dienen wir den Menschen nicht und erleichtern wir uns im übrigen auch nicht realitätsnahe Entscheidungen für die Zukunft.
Wer die Gegenwart so verzerrt wie die Sozialdemokraten in ihren Analysen, ist unfähig, die richtigen Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.
Wer auf der anderen Seite jeden vernünftigen gedanklichen Ansatz zu notwendigen Veränderungen von vornherein tabuisiert, der ist unfähig zur Innovation und Erneuerung.
Deswegen sind Sie eine politische Kraft, die in Wahrheit die Strukturen in unserem Lande verkrustet.
- Aber natürlich! Warum haben Sie denn Probleme? Soll ich Ihnen das Papier des hamburgischen Landesvorstands der SPD vorlesen? Ich habe es hier bei mir. Dieses Papier ist im Januar verfaßt worden. Da
Dr. Wolfgang Schäuble
wird auch auf Hamburg Bezug genommen. Das erspare ich Ihnen jetzt. Ich lese Ihnen nur etwas mit Bezug auf die Bundesebene vor. Auf Seite 2 heißt es:
Die SPD wird nicht annähernd als Ort wahrgenommen, an dem über die Zukunft unseres Landes integrierend und Konzepte formulierend nachgedacht wird.
Das sagt der Landesvorstand der SPD Hamburg.
Soll ich Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, noch vorlesen, was Herr Scharping aus dem Stegreif den Genossinnen und Genossen des Seeheimer Kreises in Tutzing gesagt hat?
Nein, ich lese es nicht vor. Ich finde, er hat es zur Zeit so schwer. Ich will nicht Salz in die Wunden streuen.
Es bleibt dabei. Einer Ihrer Kollegen hat dieser Tage gesagt: Die letzte technologische Erneuerung, der die SPD ohne Vorbehalt zugestimmt hat, war die Einführung des Farbfernsehens. Ein bißchen weiter sind wir inzwischen schon gekommen.
Sie sind die Partei der Zukunftsverweigerung. Diese Regierung, diese Koalition geht einen zugegebenermaßen schwierigen Weg
- Herr Ministerpräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe ein gewisses Verständnis dafür, daß es nach der Rede von Herrn Scharping durchaus von Interesse ist, daß Herr Lafontaine in den Plenarsaal des Bundestages gekommen ist.
Herr Ministerpräsident Lafontaine, es war nichts Unfreundliches gegen Ihre Person.
Ich war lediglich gerade dabei zu erklären, daß die
Sozialdemokratische Partei im Bundestag wie im
Bundesrat leider immer dann, wenn es um konkrete
Entscheidungen geht, notwendige Innovationen verhindert und blockiert und daß sie deshalb eine Partei der Zukunftsverweigerung ist.
Zur Bestätigung hat er dann den Saal betreten. Jetzt fehlt nur noch Herr Schröder, dann hätten wir sie zusammen.
Es ist gut, daß Sie da sind; ich wollte nämlich noch einen ganz anderen Punkt ansprechen.
Herr Scharping, man kann natürlich kritisieren, daß manche Probleme noch nicht gelöst sind, daß wir daran noch arbeiten und daß wir uns gelegentlich schwertun. Auch bei uns ist nicht alles hundertprozentig. Aber wir bleiben auf dem Weg, die notwendigen Erneuerungen, Entscheidungen und Veränderungen für die Gewinnung der Zukunft Schritt um Schritt durchzusetzen.
Wir haben uns seit der deutschen Einheit 1990 auf den Weg gemacht, diese Probleme Schritt um Schritt zu lösen. Ich sage im übrigen: Der Aufbau der neuen Bundesländer wird für die Union auch in den kommenden vier Jahren oberste Priorität auf dem Feld der Wirtschafts- und Finanzpolitik haben.
Wir bleiben auch in einer Zeit hohen Wohlstands, hoher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, härtester internationaler Konkurrenz dem Ziel verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die Menschen in Deutschland die Hoffnung nicht aufgeben, daß wir das Ziel, Arbeit für alle zu schaffen, wieder erreichen. Das wird aber nicht mit einer Tabuisierung von Besitzständen gehen, sondern nur dadurch, daß wir uns zu ganz neuen Schritten und Entscheidungen durchringen: mehr Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor, flexiblere Arbeitszeiten und Maschinenlaufzeiten, auch irgendwann flexiblere Ladenöffnungszeiten, die vermehrte Nutzung privater Haushalte als reguläre Arbeitgeber, mehr Arbeitsplätze im Pflegebereich, überhaupt eine stärkere Förderung des Leistungsaustauschs. Die Nivellierung, die Sie zum Kernthema Ihrer Steuer- und Finanzpolitik machen, wird am Ende nicht den Leistungsaustausch fördern, sondern sie wird dazu führen, daß immer mehr Arbeit in die Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit oder in das Ausland abgedrängt werden wird. So verlieren wir das Ziel „Arbeit für alle" aus den Augen.
Wir werden auch an der Aufgabe weiterarbeiten, den Verbrauch endlicher Ressourcen, insbesondere die Verbrennung fossiler Brennstoffe, zurückzudrängen. Deswegen können wir trotzdem nicht aus der Kernenergie aussteigen. Wir müssen an den ökologischen Elementen unseres Steuersystems weiterarbeiten.
Dr. Wolfgang Schäuble
Wir werden das Ziel nicht aufgeben, die europäische Einheit zu vollenden.
- Nein, nein. Es ist gut, daß Herr Lafontaine jetzt da ist. Da wird schon das nächste Spiel vorbereitet. Das sage ich heute, und das werden wir in den nächsten Jahren erleben.
Herr Lafontaine und die Sozialdemokraten werden wieder die Ängste der Menschen, die sich mit der Vollendung der Währungsunion verbinden, zu politischen Zwecken ausbeuten wollen. Wir dürfen dem nicht nachgeben, meine Damen und Herren.
Wenn wir auf dem Wege zur unumkehrbaren Einheit Europas resignieren würden, weil die demagogischen Widerstandskräfte zu stark erscheinen, dann würden wir das Wichtigste, das wir in den fünfzig Jahren seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges errungen haben, wieder aufs Spiel setzen. Das werden wir nicht zulassen.
Auch dies wird manche unbequeme Frage aufwerfen und manche Veränderung für die Deutschen, für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger mit sich bringen. Das ist unvermeidlich. Aber man kann den Frieden nicht mit sozialdemokratischen Parteitagsresolutionen bewahren, sondern nur mit verantwortlichem Handeln, und das Verantwortlichste in der Außen- und Sicherheitspolitik ist, daß wir die europäische Einigung unumkehrbar voranbringen, und zwar jetzt und heute und so schnell wie möglich.
Dazu ist die Vollendung der Währungsunion ein notwendiger Schritt. Ein Scheitern der Währungsunion könnte die Gefahr eines schweren Rückschlags mit sich bringen.
- Ja, ich weiß schon, wie Sie dagegenreden. Ich sage ja - deswegen spreche ich es heute schon an -, das wird uns die nächsten Jahre begleiten. Es ist eine zentrale Aufgabe deutscher Politik.
Ich füge hinzu: Wenn wir diesen Weg nicht weiter vorangehen, dann werden alle Beteuerungen, man sei für das friedliche Zusammenleben von deutschen und ausländischen Mitbürgern, durch die Wirklichkeit Makulatur werden. Ohne europäische Einigung werden wir angesichts der unabsehbaren Risiken im Osten wie im Süden und im Südosten nicht in der Lage sein, Stabilität als Voraussetzung für friedliches Zusammenleben der Menschen im Innern wie im Äußeren so sicher zu gewährleisten, daß Liberalität und Toleranz in unserer Gesellschaft erhalten bleiben.
Deswegen auch ist die Bewahrung des inneren Friedens eine Aufgabe von allerhöchster Bedeutung. Aber sie ist wiederum nicht allein mit gutgemeinten Appellen zu bewältigen, sondern sie ist nur zu bewältigen, wenn wir eine Politik von Vernunft und Verantwortung mit einem möglichst breiten Konsens gerade in diesen schwierigen Fragen betreiben.
Deswegen warne ich davor, am Asylkompromiß herumzuzündeln. Wer diesen wieder aufs Spiel setzt, versündigt sich gerade an unseren ausländischen Mitbürgern.
Wer in der inneren Sicherheit den Konsens zwischen den Verantwortlichen in Bund und Ländern immer weiter erodieren läßt, immer mehr zerbröseln läßt, der versündigt sich an der inneren Sicherheit und am Vertrauen der Menschen in die Schutzfähigkeit des demokratischen Rechtsstaats.
Deswegen müssen wir die sozialdemokratischen Innenminister in zu vielen Bundesländern auffordern, daß sie endlich wieder mehr zur gemeinsamen Verantwortung für die innere Sicherheit in unserem Lande zurückkehren.
Beim Abschiebestopp, in der Frage der Abschiebepraxis zündeln Sie am Asylkompromiß. Wenn Sie sich in den Ländern nicht mehr zu einer einheitlichen gesetzestreuen Abschiebepraxis bekennen, dann zündeln Sie am Asylkompromiß. Wenn Sie in der inneren Sicherheit nicht mehr zu einem einheitlichen polizeilichen Vollzug in Bund und Ländern kommen, zündeln Sie an der inneren Sicherheit. Indem Sie im Vollzug von Bundesgesetzen bei der Kernenergie auf ausstiegsorientierten Gesetzesvollzug setzen, zündeln Sie an den Grundlagen unseres föderalen Rechtsstaates.
Die Länder dürfen nicht aus ideologischen Gründen beim Vollzug der Bundesgesetze von der gesetzlichen Praxis abweichen.
Deswegen sage ich: Lassen Sie uns die Grundlagen unseres freiheitlichen Rechtsstaates intakt halten. Lassen Sie uns mit übrigens schwierigen - auch außenpolitischen - Fragen sensibler umgehen, Herr Kollege Scharping, als Sie das in Ihrer Rede gerade getan haben!
- Herr Kollege Fischer, wenn Sie die Liebenswürdigkeit hätten, mir das Recht zuzugestehen, daß ich das sage, was ich sagen möchte. Sie sagen das, was Sie für richtig halten. Jetzt bin ich gerade dabei zu reden.
Dr. Wolfgang Schäuble
Was Sie zu den Vorbereitungen der Feiern zum 8. Mai gesagt haben, Herr Kollege Scharping, war nicht nur wahrheitswidrig, sondern es war unverantwortlich.
- Herr Präsident, könnten Sie diesen Schreihals einmal abstellen?
Darf ich Sie für einen Moment unterbrechen? - Herr Kollege Fischer, es ist Ihre Sache, als wessen Protektor Sie sich hier aufspielen. Aber es ist die Sache des Präsidenten, dafür zu sorgen, daß der Redner zu Wort kommt. Sie lassen den Redner gelegentlich überhaupt nicht mehr zu Wort kommen. Also bitte, mäßigen Sie sich.
Herr Kollege Fischer, darf ich Ihnen in aller Freundschaft etwas sagen?
- Ich wollte ja gerade die Wahrheit sagen; ich werde sie auch sagen. Sie werden mich nicht daran hindern.
Ich wollte Ihnen bei dieser Gelegenheit einmal etwas sagen und Sie um etwas bitten. Aus Gründen, die ich nicht weiter erläutern möchte, habe ich nicht eine so kräftige Stimme wie andere. Jetzt bin ich auch noch erkältet. Da geht es mir wie Herrn Scharping. Ich wünsche Ihnen gute Besserung und Sie mir auch. Vielen Dank.
Tun Sie mir den Gefallen, und machen Sie mir akustisch das Reden nicht so schwer. Aber lassen Sie die Hoffnung fallen, Sie würden mich, wenn Sie es mir schwermachen, daran hindern. Sie werden mich nicht daran hindern.
Jetzt will ich Ihnen sagen, was ich im Hinblick auf den 8. Mai in Ihrer Rede unverantwortlich fand. Herr Kollege Scharping, die Repräsentanten der fünf Verfassungsorgane des Bundes - der Herr Bundespräsident, der Bundeskanzler, die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, die Präsidentin des Bundestages und der Präsident des Bundesrates - haben im Januar am Rande des Neujahrsempfangs des Herrn Bundespräsidenten in Berlin miteinander gesprochen. Der Herr Bundespräsident hat mich danach zu einem Gespräch empfangen - weil ich zu spät gekommen war - und mir darüber berichtet. Sie haben den Staatsakt zum 8. Mai miteinander verabredet. Die Planung war anders als die jetzt vorgesehene Feier. Sie wissen, daß dann der Präsident der Französischen Republik, François Mitterrand, den Wunsch geäußert hat, am 8. Mai, 50 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, in Deutschland zu den Deutschen zu sprechen, was ich übrigens für ein großartiges Angebot halte und für das ich mich bedanke.
Sie wissen, daß sich daran - das liegt ja nahe - die Überlegung angeknüpft hat, ob nicht auch ein Vertreter Rußlands, ein Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika und der britische Premierminister zusammen mit dem Präsidenten der Französischen Republik am 8. Mai zu den Deutschen sprechen sollten.
Dann haben wieder die Repräsentanten der Verfassungsorgane des Bundes - der Herr Bundespräsident, der Herr Bundeskanzler, die Frau Bundestagspräsidentin und der Herr Bundesratspräsident, ich nehme an, auch die Frau Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts - verabredet - so bin ich und sind auch Sie, alle Fraktionsvorsitzenden, durch die Frau Bundestagspräsidentin unterrichtet -, daß man nicht mehr an der ursprünglichen Planung des Staatsakts festhalten wolle. Man hat sich angesichts des großartigen Angebots und der großartigen Chance für das entschieden, was nun für den 8. Mai in Berlin geplant ist.
Das deutsch-polnische Verhältnis ist wichtig. Ich gehöre zu denjenigen, die sagen: Die Entwicklung in Polen gehört für mich zum Wunderbarsten. Diese Entwicklung
- lassen Sie mich das doch einmal im Ernst sagen -, die den Deutschen die Einheit in Frieden und Freiheit im Jahre 1990 gebracht hat, hat für mich in Polen mit Solidarnosc 1980/81 begonnen. Das ist am Ende dieses Jahrhunderts etwas ungeheuer Großartiges.
Nun ist die Frage, wie man damit umgeht.
Dabei sind möglicherweise mancherlei Fehler gemacht worden.
- Klatschen Sie nicht so laut.
Ich bin nicht ganz sicher, ob der polnische Außenminister - der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels ist ein ganz großartiger Mann - ganz glücklich darüber ist, öffentlich eine Initiative ergriffen zu haben, die man nicht öffentlich macht und mit der man Dinge erschwert. Ich finde, man sollte darüber im Deutschen Bundestag nicht streitig reden.
Dr. Wolfgang Schäuble
- Entschuldigung. Ich sage das, weil Herr Scharping den Bundeskanzler in einer Weise persönlich diffamiert hat, die völlig unerträglich ist und die zurückgewiesen werden muß.
Und dann sage ich Ihnen auch das zweite. Es wird darüber debattiert, ob der 8. Mai zu Freude oder Trauer, zu Feier oder Gedenken Anlaß gibt. Herr Scharping, Sie sind ein wenig jünger als ich. Ich bin 1942 geboren; ich habe keine Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Aber wollen wir denen, die im Krieg waren, denen, die ihre Männer, Väter, Söhne im Krieg verloren haben, absprechen, daß sie um die Opfer, um die Toten, um die entsetzlichen Verluste des Zweiten Weltkrieges trauern?
- Entschuldigung, Sie, Herr Kollege Scharping, haben es für richtig gehalten, einen Kollegen meiner Fraktion, dem Ehrenvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alfred Dregger - Sie haben ihn nicht namentlich genannt, aber er ist gemeint - vorzuwerfen, daß er gesagt hat, für ihn und bei seinem Lebensweg sei die Erinnerung an den 8. Mai 1945 vor allem auch mit Trauer verbunden. Wer sind wir denn, daß wir diejenigen, die ihre Väter, Söhne, Brüder verloren haben, dafür kritisieren, daß sie darum trauern!
Deshalb finde ich, daß diese Art von Streit, die Sie hier zu entfachen versucht haben, schäbig, kleinlich und verantwortungslos ist.
Deswegen finde ich, daß wir uns einig sein sollten, daß wir in bezug auf diese 50 Jahre seit dem Zweiten Weltkrieg mit seinen entsetzlichen Verlusten, mit den entsetzlichen Verbrechen der nationalsozialistischen Zeit, mit der Vertreibung und all dem sagen sollten: Jetzt haben wir 50 Jahre Frieden und europäische Einigung, sogar die deutsche Einheit, und daher sollten wir uns jetzt gemeinsam darum bemühen, daß dieses großartige Werk des Friedens, der Einheit und der europäischen Einigung weiter fortgesetzt wird. Dafür wird die Union arbeiten.
Das ist auch ein Teil der Politik, die mit dem Haushalt 1995 durch die Koalition fortgesetzt wird. Deswegen stimmt die Fraktion der CDU/CSU dem Einzelplan 04 des Haushalts 1995 zu.
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Otto Schily das Wort.
Herr Kollege Schäuble,
wenn es der Versachlichung der Parlamentsdebatte dient, entschuldige ich mich für das unbedachte Vorzeigen einer Südfrucht, einer schmackhaften Südfrucht, die übrigens auch gesund ist und die nicht nur den Affen, sondern auch den Menschen zur Nahrung dient.
Im übrigen sollten Sie, so denke ich, die Gelegenheit nutzen, Herr Kollege Schäuble - diese Empfehlung spreche ich auch in Richtung des Bundeskanzlers aus -, sich für die Steuerlüge des Jahres 1990 zu entschuldigen,
mit der Sie das Wählervolk seinerzeit getäuscht haben.
Eine zweite Bemerkung möchte ich nicht unterlassen. Herr Kollege Schäuble, Sie haben hier über den 8. Mai und die Frage gesprochen, ob wir dieses Datum als Tag der Befreiung feiern oder wegen der Opfer des Zweiten Weltkrieges in Trauer verfallen sollten.
Sie haben mit Recht über 50 Jahre des Friedens und der europäischen Einigung gesprochen und gesagt, das sei ein Grund zum Feiern. Da haben Sie recht. Aber die Geburtsstunde dieser 50 Jahre ist der 8. Mai. Deshalb haben wir großen Anlaß, diesen Tag als Geburtsstunde der Freiheit in Gesamteuropa zu feiern. Das ist meine Überzeugung.
Herr Kollege Schäuble, zur Replik? - Nein.
Dann erteile ich der Kollegin Kerstin Müller das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mit einem anderen Thema fortfahren, einem Thema von globalerer Bedeutung als das, das wir gerade hatten, mit einem Thema, das uns auch noch die nächsten Jahrzehnte beschäftigen wird, so oder so: dem Weltklima.
Kerstin Müller
Auf der Klimakonferenz in Berlin werden Sie von den Repräsentanten der kleinen Inselstaaten Trauriges zu hören bekommen. Die Bewohner dieser Inselparadiese überlegen nämlich derzeit, welche Arche Noah sie wohl noch retten könnte. Denn dort heißt es bald: Land unter!
Die Bundesregierung hätte auf der Klimakonferenz in Berlin eine große Chance, dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Ich befürchte, sie wird sie nicht nutzen.
Dabei geht es wohl um die größte ökologische Herausforderung in der Menschheitsgeschichte: die drohende Klimakatastrophe, verursacht durch die maßlose Verbrennung von Energie in den Wachstumsökonomien.
Meine Damen und Herren, wir müssen - im wahrsten Sinne des Wortes - das Spiel mit dem Feuer beenden. Es geht dabei um die Zukunft meiner Generation und der nachfolgenden Generationen. Das sage ich vor allem den älteren Herrschaften auf der Regierungsbank. Sie werden die dramatischsten Auswirkungen der Klimaveränderungen vermutlich nicht mehr erleben.
Auf diese Gefährdung des Weltklimas muß endlich im internationalen Rahmen und im nationalen Rahmen reagiert werden. Zunächst, so finde ich, sind die eigenen Hausaufgaben zu machen. Doch wie verhält sich die Bundesregierung? Sie ersetzt Zukunftsgestaltung durch Aussitzen und Vernebeln, frei nach dem Motto: Nach uns die Sintflut!
In einigen Jahren kann es auch bei uns heißen: Hamburg und Bremen überflutet, Schleswig-Holstein vom Meer verschlungen. - Das scheint Sie aber nicht sehr zu stören. Sie haben versprochen - auch heute hier wieder -, den Ausstoß von Kohlendioxid bis zum Jahr 2005 um mindestens ein Viertel zu verringern. Aber die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Dieses Ziel ist mit Ihrer Politik nicht zu erreichen.
Wo bleibt das verbindliche Klimaschutzprogramm? Von Ihnen kommt nichts, im Gegenteil: Sie planen das größte Straßenbauprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik. Damit wird der CO2-Ausstoß in den nächsten Jahren deutlich zu- statt abnehmen. Sie wollen bis zum Jahre 2010 insgesamt 11 500 km neue Fernstraßen bauen lassen. Mit anderen Worten: In der Verkehrspolitik rast die Bundesregierung mit Tempo 200 auf sechsspurigen Autobahnpisten in die Klimakatastrophe. Es gibt nicht den Funken eines Neuansatzes.
Beim Straßenbau wird jährlich mit 10 Milliarden DM geklotzt, für die erneuerbaren Energien haben Sie gerade einmal 10 Millionen DM übrig. Das verstehen Sie unter Klimaschutz.
Der Einbruch der Industrie in Ostdeutschland hat zwar vorübergehend die CO2-Bilanz geschönt, doch das werden Sie wohl kaum als Erfolg Ihrer Politik bezeichnen können. Die Bundesrepublik ist wahrlich nicht das gelobte Land des Klimaschutzes, und ihre immer wieder verkündete Vorreiterrolle in Sachen Umwelt ist ein Mythos. Denn beim Kohlendioxidausstoß sind wir Spitzenreiter in Europa. Der Pro-KopfEnergieverbrauch ist bei uns viermal so hoch wie im Durchschnitt der Welt.
Meine Damen und Herren, wir leben offensichtlich fiber unsere Verhältnisse. Damit setzen wir auch die Lebenschancen zukünftiger Generationen leichtfertig aufs Spiel. Ich sage Ihnen: Der Generationenvertrag muß eingehalten werden, und zwar vor allem auch was den Schutz der Lebensgrundlagen betrifft.
Nun hat Ihre Regierung wenige Wochen vor der Berliner Klimakonferenz in den Spiegel geschaut. Und siehe da, sie hat erkannt, wie schlecht sie eigentlich aussieht. In hektischer Betriebsamkeit haben Sie Rouge und falsche Wimpern aufgetragen und Ihren Freunden aus der Industrie ein paar folgenlose Versprechungen abgerungen. Diese sogenannte Selbstverpflichtung der Wirtschaft zur CO2-Minderung ist jedoch das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt ist.
Als ob Wirtschaftsverbände Unternehmen verpflichten könnten, CO2-Reduktionsziele einzuhalten. Anscheinend glauben Sie da noch an Wunder. Da geht es, glaube ich, eher um eine Beruhigungspille, die fristgemäß vor der Berliner Konferenz verabreicht wird, um ein umweltpolitisches Placebo.
Aber auch die Sozialdemokraten spielen, finde ich, eine unrühmliche Rolle. Im Bundestag werden schöne Konzepte zum Klimaschutz präsentiert, auch heute wieder. Im größten Bundesland allerdings, in NRW, kämpft die SPD dafür, die Energieverschwendung um weitere Jahrzehnte festzuschreiben.
Die Entscheidung für die Braunkohle, die Entscheidung für das Tagebaugebiet Garzweiler II ist doch eine klare Absage an jegliche ökologische Energiewirtschaft.
Wo bleibt denn in NRW der Einstieg in eine Energiewende, Herr Scharping, wenn die CO2-Bombe Garzweiler II - anders kann man sie wohl nicht nennen - der SPD-Beitrag zur Klimakonferenz ist? Na, dann gute Nacht.
Oder nehmen wir die sogenannten Energiekonsensgespräche von Regierung und SPD. Hier geht es offensichtlich um eine große Energiekoalition der Besitzstandswahrer von Atomenergie und Kohle. Das
Kerstin Müller
ist eine energiepolitische Dinosaurierveranstaltung. Denn eines ist für uns klar: Es wird und kann keinen Energiekonsens unter Einschluß der Atomenergie geben.
- Zu den Alternativen komme ich noch.
Was wir brauchen, ist ein politischer Grundkonsens, der die breite Mehrheit in der Bevölkerung für das Energiesparen und den Vorrang rationeller Energienutzung formuliert. Wir haben ein immenses Einsparpotential, denn in der Wirtschaft wird Energie immer noch massiv verschwendet und unzureichend genutzt. Untersuchungen zeigen - die dürften Ihnen eigentlich bekannt sein -: Wir könnten den Energieverbrauch allein in Westdeutschland um mehr als 40 % verringern. Das heißt, wir könnten aus der Atomenergie aussteigen, die nur etwa ein Zehntel des Energieverbrauchs deckt, und gleichzeitig könnten wir die Entstehung des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 nachhaltig reduzieren.
Wir müssen Energie einsparen und sie effizienter nutzen. Und wir müssen die erneuerbaren Energieträger wie Sonne, Wind, Wasser und Biogas fördern. Das ist das Markenzeichen einer wirklichen Energiewende.
Meine Damen und Herren, ich sage es hier ganz deutlich: Ich glaube, der Markt alleine und ein paar warme Worte der Industrie werden die ökologische Wende, vor allem mit neuen Arbeitsplätzen, nicht hervorbringen. Die Gesellschaft muß zu einem Aufbruch bereit sein, und die Politik muß jetzt den Rahmen setzen.
Herr Schäuble, Sie haben dazu einiges gesagt. Da können wir Ihnen nur zustimmen. Eine zukunftsorientierte Politik braucht eine ökologische Steuerreform. Da haben wir keinen Dissens.
Wer die Umwelt schädigt, muß zahlen, und wer sie bewahren hilft, soll gewinnen. Im Zentrum soll die Einführung einer Energiesteuer stehen, aber auch die Mineralölsteuer muß schrittweise erhöht werden, denn die Benzinsparautos, von denen so viel gesprochen wird, werden erst dann attraktiv, wenn die Preise die ökologische Wahrheit sagen.
Eine ökologische Steuerreform ist auch ohne volkswirtschaftliche Nachteile im nationalen Alleingang möglich. Die einschlägigen Studien dürften auch hier bekannt sein. Auch hier hat die Regierung meiner Meinung nach die Zeichen der Zeit nicht verstanden.
Meine Damen und Herren, Sie verschanzen sich hier hinter dem Ziel einer EU-weiten CO2-Energiesteuer. Damit verschieben Sie die ökologische Steuerreform auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.
Noch ist es nicht zu spät. Wir brauchen eine ökologische Gründerzeit, den Aufbruch in eine Energiewende, den Einstieg in eine Verkehrswende. Diese Wende wird auch neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze hervorbringen. Das DIW, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, rechnet mittelfristig mit einer halben Million zusätzlicher Arbeitsplätze. Wir wollen diese umweltverträglichen Arbeitsplätze schaffen, anstatt wie die Bundesregierung auf die Sackgassentechnologien des Atomkraftzeitalters zu setzen. Wir meinen, Kilowattstunden und nicht Menschen müßten arbeitslos werden.
Bei der ökologischen Offensive geht es nicht nur um veränderte politische Rahmenbedingungen, sondern auch darum, möglichst viele Menschen zu ermutigen, bei diesem Umbau mitzumachen. Das wird zunehmend schwerer. Denn obwohl die Umweltprobleme nicht kleiner, sondern größer geworden sind, treten sie für viele immer mehr in den Hintergrund. Der ökologische Umbau verlangt viel von den Menschen. Aber die eigentlich vorhandene Bereitschaft wird zunehmend durch soziale Probleme erdrückt. Dies bestätigt uns von den Bündnisgrünen darin: Eine ökologische Wende ist ohne soziale Gerechtigkeit nicht zu machen.
Meine Damen und Herren von der Regierung, ich meine, auch in der Finanz- und Sozialpolitik haben Sie leider kein Konzept für eine solche lebenswerte Zukunft. Sozialer Zusammenhang und Solidarität - ich möchte diese Begriffe hier noch einmal nennen - können nicht einfach vorausgesetzt werden. Sie müssen immer wieder durch konkrete Politik neu hergestellt werden. Bei Ihnen sind die Begriffe wie sozialer Zusammenhalt zu Leerformeln verkommen, vorbehalten für wohlfeile Feiertagsreden. Im konkreten Alltag wird immer wieder vorgeführt, daß das Recht des Stärkeren gilt.
Schauen wir uns die Fakten an: Fast vier Millionen Menschen sind arbeitslos. Nehmen wir die verdeckte Arbeitslosigkeit hinzu, kommt man auf nahezu sechs Millionen Menschen, die Arbeit suchen. Und trotz Wachstums alles andere als blühende Landschaften!
Die Bundesregierung hat inzwischen den Begriff Umbau des Sozialstaates in ihren Wortschatz aufgenommen. Gemeint ist aber wohl der kalte Ausstieg. Allein die in den letzten zwei Jahren beschlossenen Kürzungen, die sogenannten Konsolidierungsmaßnahmen, belaufen sich für die Jahre 1994 bis 1997 auf über 70 Milliarden DM. Ist Ihnen eigentlich klar, welche gesellschaftlichen Folgen diese tiefen Einschnitte in das soziale Netz für die Menschen in Ost und West haben? Anscheinend nicht.
Kerstin Müller
Auch das neue Programm der Bundesregierung zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen ist meiner Meinung nach völlig unzureichend. Nur 45 000 der 1,2 Millionen Langzeitarbeitslosen werden jährlich mit diesem Programm erreicht. Das ist eine sehr kleine Minderheit von nur 3 %. Dabei ist die Finanzierung sogar noch ungeklärt. Vermutlich wollen Sie hierfür bei anderen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen kürzen. So entstehen die Langzeitarbeitslosen von morgen. Was Sie da vorgelegt haben, ist eher ein arbeitsmarktpolitischer Offenbarungseid.
Ihre bisherigen Negativrekorde müßten Ihnen doch eigentlich reichen. Zur Erinnerung: Unter Ihrer Regierung hat sich die Zahl der Sozialhilfeempfänger von zwei auf vier Millionen Menschen verdoppelt. Betroffen sind vor allem Arbeitslose, alleinerziehende Frauen und kinderreiche Familien. Mehr als sieben Millionen Menschen leben in diesem Land in Armut. Das ist unter Zugrundelegung der Armutsgrenze der EU jeder elfte Bundesbürger.
Zunehmend sind auch Kinder von Armut betroffen. In Ostdeutschland - das hat der neue Jugendbericht offengelegt - ist inzwischen jeder dritte Sozialhilfeempfänger unter 18 Jahre alt. Ihre Aussage, Frau Nolte, im Zusammenhang mit der Debatte um den Jugendbericht, die jungen Menschen seien mit ihrem Leben zufrieden, beweist angesichts solcher Tatsachen nur: Sie haben regierungsamtliche Schönfärberei schnell gelernt.
Die Bundesregierung bleibt mit dem vorgelegten Haushalt jede Antwort auf diese Misere schuldig, keine Spur von christlicher Nächstenliebe oder vom Karitasgedanken. Da wird das hohe C bei der Union niedrig gehängt. Vielleicht sind diese Menschen für Sie ja auch nur Spaziergänger im Freizeitpark Deutschland; dieser diffamierende Begriff ist ja in der Debatte schon einmal gefallen.
In den neuen Plänen zur Sozialhilfe - die anscheinend nur Pläne sind - vergreifen Sie sich wieder einmal an den Schwächsten der Gesellschaft. Diese wollen Sie weiter unter das Existenzminimum drücken. Sie verbreiten die alte Legende, der Abstand zwischen der Sozialhilfe und den unteren Einkommen sei nicht gegeben, weil die Sozialhilfe zu hoch sei. Ihre eigenen Gutachter haben doch schon 1993 das Gegenteil festgestellt.
Den Vogel abgeschossen haben Sie aber mit dem neuen Ausländerleistungsgesetz. Mehr als eine halbe Million Ausländer und Ausländerinnen, Bürgerkriegsflüchtlinge und Asylbewerber haben künftig selbst auf die sogenannten normalen Sozialleistungen keinen Anspruch mehr; statt dessen gibt es Auszahlungen in Sachleistungen, Einschränkungen der Gesundheitsfürsorge.
Das ist eine unglaubliche Stigmatisierung rechtmäßig hier lebender Ausländer und Ausländerinnen. Sozialpolitik wird hier nicht eingesetzt, um den sozialen Absturz zu verhindern. Sie wird mißbraucht, um soziale Spaltung zwischen Deutschen und Ausländern zu organisieren. Das nenne ich staatlich verordneten Rassismus.
Die zunehmende Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft ist eines der Kernprobleme der Zukunft. Die Kirchen haben das in ihrer Schrift zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland ausgesprochen: Die soziale Spaltung ist eine Gefahr für die Demokratie. Auch deshalb muß der Sozialstaat reformiert werden. Es geht aber nicht darum, ihn zu zerstören, sondern darum, ihn auch für zukünftige Generationen zu erhalten.
Schon der traditionelle Sozialstaat ist längst aus den Fugen geraten. Er schützt nämlich nur noch diejenigen vor Armut, die ununterbrochen sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Doch dieser sogenannte männliche Normalarbeitnehmer, der zeit seines Lebens in der Woche 40 Stunden arbeitet, Frau und Kinder ernährt, gehört eben nicht mehr zur Normalität dieser Gesellschaft.
Für viele ist das herkömmliche Sozialstaatsmodell deshalb schon lange kein soziales Netz mehr, sondern ein Sieb: für Dauererwerbslose, Frauen, Migranten, Pflegebedürftige und Behinderte. Ohne eine bedarfsorientierte soziale Grundsicherung, die als Sockel in die Renten- und Arbeitslosenversicherung eingebaut wird, wird es dauerhaft Armut geben.
Mit einer materiellen Grundsicherung wollen wir diesen Menschen ihre Menschenwürde zurückgeben, nicht mehr und nicht weniger.
Meine Damen und Herren, klar ist aber auch: Ohne eine radikale Umverteilung der Arbeit steht der soziale Frieden auf dem Spiel. Wir brauchen ein modernes Arbeitszeitgesetz, das Frauen und Männern die Möglichkeit einer individuellen Lebensplanung bietet, das Überstunden begrenzt und jetzt Impulse für beschäftigungswirksame Arbeitszeitverkürzung gibt.
Durch öffentlich geförderte Beschäftigung kann sinnvolle Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert werden; dies gilt gerade für Langzeitarbeitslose. Deshalb haben wir im Rahmen der Haushaltsberatung beantragt, den Bundeszuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit wieder deutlich aufzustocken.
Die zunehmende Armut und der Mangel an bezahlbaren Wohnungen drängen immer mehr Menschen in die Obdachlosigkeit. Es ist skandalös: In einer der reichsten Gesellschaften müssen Menschen ohne ein Dach über dem Kopf oder in Notunterkünften leben. Das ist mit der Menschenwürde - Art. 1 des Grundgesetzes - wohl kaum vereinbar. Eine unserer ersten Initiativen war deshalb, ein Sofortprogramm zur Überwindung der Obdachlosigkeit vorzulegen.
Kerstin Müller
Wenn Sie nach den Finanzierungsquellen für einen solidarischen Umbau des Sozialstaats fragen: Es gibt sie. Sie werden jedoch aus unserer Sicht von den Koalitionsfraktionen ganz bewußt ausgespart.
Ich nenne einige Beispiele: Das private Geldvermögen wird nach Angaben der Deutschen Bundesbank auf mindestens 4 000 Milliarden DM geschätzt. Seit Beginn dieses Jahrzehnts wächst es im Westen Deutschlands um jährlich 200 Milliarden DM. An diesem Vermögen hat aber die Hälfte der Personenhaushalte so gut wie keinen Anteil; sie besitzen schlichtweg kein Vermögen.
Es gibt einen beträchtlichen neuen Reichtum, der in diesem Jahrzehnt entsteht: Immer mehr Vermögen werden ererbt statt erarbeitet. In den 90er Jahren werden es im Westen Deutschlands schätzungsweise 2 000 bis 3 000 Milliarden DM sein, die auf neue, jüngere Eigentümer übertragen werden.
Wenn der politische Wille vorhanden wäre, könnten durch eine gerechte Besteuerung dieser Vermögen zusätzliche Einnahmen erzielt werden.
Warum wird die Erbschaftsteuer bei uns nicht so hoch angesetzt wie in Japan, Frankreich oder den USA - mit angemessenen Freibeträgen, versteht sich -?
Auch die steuerliche Neubewertung von Grund und Boden ist seit langem überfällig; ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hierzu steht noch aus. Zur Zeit werden nur etwa 10 % des eigentlichen Wertes steuerlich erfaßt.
Die Koalitionsfraktionen haben das in ihrer Vereinbarung explizit ausgeschlossen. Wörtlich heißt es: „Wir wollen keine Verkehrswertbesteuerung. " Im Klartext, Sie verzichten bewußt auf mögliche zusätzliche Steuereinnahmen.
Meine Damen und Herren, beenden Sie endlich Ihre Politik, die in den vergangenen Jahren systematisch die Gutverdienenden und Vermögenden begünstigt hat! Wir wollen die Bezieher niedrigerer Einkommen entlasten.
Wir treten deshalb u. a. für eine Solidaritätsabgabe für Gutverdienende ein.
Meine Damen und Herren, keine Bundesregierung hat sich vom Verfassungsgericht so häufig und in so zentralen Fragen des Finanz- und Steuerrechts das Urteil „verfassungswidrig" eingehandelt wie die Regierung Kohl/Waigel. Ich nehme an, Sie haben in Karlsruhe bereits eine ständige Vertretung eingerichtet, so oft, wie Sie vor dieses Gericht zitiert werden.
Nun versuchen Sie sich auch noch bei der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums an den Vorgaben des Verfassungsgerichts vorbeizuschleichen. Ihre eigene Expertenkommission hat doch den Betrag von 12 000 DM als zu niedrig befunden, Herr
Waigel. Dieser Betrag liegt deutlich unter dem aktuellen Sozialhilfebedarf - preiswert für Sie, aber ungerecht für die unteren Einkommen. Das ist Steuerpolitik nach Gutsherrenart.
Genauso unzureichend sind Ihre Vorschläge zum Kinderleistungsausgleich. Sie wollen bei dem Nebeneinander von Kindergeld und -freibetrag bleiben, für die Einkommensschwächeren das Kindergeld, für die Gutverdienenden der Freibetrag. Sie bleiben Ihrem Grundsatz treu: Mit den Beziehern hoher Einkommen meinen Sie es immer besonders gut.
Leben mit Kindern ist heute für viele ein Armutsrisiko geworden, besonders für Alleinerziehende. Sie aber begünstigen mit Ihrem Steuersystem vor allem die kinderlosen Ehen, in denen nur ein Partner, oft der Mann, das Einkommen erzielt. Das ist die Konsequenz des famosen Ehegattensplitting, das Ihnen jedes Jahr ganze 36 Milliarden DM wert ist. Wir wollen, daß mit dieser einseitigen und antiquierten Subventionierung der Lebensform Ehe endlich Schluß ist.
Wir leben doch nicht mehr im 19. Jahrhundert. Wir wollen das Leben mit Kindern begünstigen und nicht den Trauschein.
Herr Waigel, das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen doch die Hausaufgaben ins Heft diktiert. Sie müssen das Existenzminimum freistellen und das Leben mit Kindern finanziell erleichtern. Umverteilung ist eben komplizierter als die Beantwortung der simplen Frage, ab welcher Verdienstgrenze man denn als Besserverdienender zu gelten habe.
Wir schlagen daher eine integrierte Steuerreform vor, die die Freistellung des Existenzminimums mit deutlich verbesserten Kinderleistungen verbindet. Wir wollen den Kinderfreibetrag ersatzlos streichen und ein einheitliches Kindergeld von 300 DM pro Kind und Monat einführen. Für die Freistellung des Existenzminimums schlagen wir einen Grundfreibetrag von 14 000 DM im Jahr vor. Vor allem für Familien und für Alleinerziehende führt die Kombination aus einem erhöhten Existenzminimum und einem deutlich erhöhten Kindergeld zu einer spürbaren steuerlichen Entlastung.
Und das alles ist auch finanzierbar, wenn die Steuerprivilegien für die Ehe eingeschränkt werden, und durch den Abbau weiterer sozial ungerechter Privilegien im Einkommensteuergesetz könnte nochmals kräftig gespart werden. Wir haben da eine entsprechende Liste vorgelegt. Herr Waigel, das wäre endlich einmal eine Steuerreform, die vor dem Verfassungsgericht Bestand hätte.
Meine Damen und Herren von der Regierung, auch die Einrichtung eines Zukunftsministeriums hat Sie in den entscheidenden Fragen keinen Schritt
Kerstin Müller
weitergebracht. Ob es um den sozialen oder den ökologischen Generationenvertrag geht: Sie sind nicht auf der Höhe der Probleme; in der Sozialpolitik unsolidarisch, in der Umweltpolitik verantwortungslos.
Oder um es mit einem alten Vers Friedrich Schillers in etwas neuer Form zu sagen:
Aber Kohl in allem seinem Glanze ist ein Grab nur der Vergangenheit.
Lebend duftet nur die frische Pflanze, die die grüne Stunde streut.
Danke.
Ich erteile dem Kollegen Dr. Hermann Otto Solms das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am dritten Tage der Haushaltsdebatte sind wir nun soweit, daß die Opposition der Regierung vorwirft, sie würde in den wichtigen Feldern nicht handeln. Aber der Haushalt weist genau das Gegenteil aus. Wir tun das, was wir vor der Wahl angekündigt hatten. Wir halten Wort, und wir haben einen Haushalt vorgelegt, der gerade auch den wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung trägt.
Es ist eben wichtig - und das zeigt sich gerade nach der hessischen Landtagswahl -, daß man nach der Wahl tut, was man vor der Wahl angekündigt hat.
Was dort in Hessen geschieht, ist ein gewaltiger Wahlbetrug. Die Landesregierung mit ihren Ministern ist durchs Land gezogen und hat allen Ämtern und Behörden zusätzliche Mittel versprochen, und nun werden sie alle wieder eingesammelt.
Die verantwortlichen Minister verlassen das Kabinett, weil sie das nicht mit verantworten wollen, und der Rest macht so weiter und denkt, die Bürger werden das wieder vergessen. Das ist keine verantwortliche Politik. Eine solche Politik würden wir nie machen.
Meine Damen und Herren, ein Wort zur Geschlossenheit. Herr Scharping hat sich ja über die Geschlossenheit der Koalition ausgelassen. Man liest nun täglich das, was in der SPD los ist. Gerade heute hat Frau Kollegin Wieczorek-Zeul interessante Ausführungen im „General-Anzeiger" gemacht. Das Urteil der Frau Kollegin Wieczorek-Zeul, veröffentlicht in der heutigen Ausgabe des „General-Anzeigers", ist noch härter als das meinige.
Deswegen will ich hier gar nicht vortragen, welchen Eindruck Sie gegenwärtig abgeben.
Wir lesen, was der Herr Scharping vor dem Seeheimer Kreis gesagt hat und was er heute hier vorgetragen hat. Widersprüchlicher kann es ja nun wirklich nicht sein.
Wenn er hier vorträgt, er wolle eine verantwortliche Politik machen und z. B. den § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes ändern, dann legt er doch damit gerade wieder die Lunte an den sozialen Frieden, dann schürt er die sozialen Auseinandersetzungen zwischen den Tarifvertragsparteien.
Herr Kollege Solms, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Glos?
Ja, bitte.
Herr Kollege Solms, da ich den „General-Anzeiger" nicht regelmäßig lese, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns vorläsen, was die Kollegin Wieczorek-Zeul gesagt hat.
Herr Kollege Glos, das würde meine Redezeit zu sehr beeinträchtigen. Ich gebe Ihnen gern anschließend das Interview. Es lohnt sich, es zu lesen. Das empfehle ich.
Herr Kollege Solms, auch die Kollegin Wieczorek-Zeul würde gern eine Zwischenfrage stellen.
Ja, bitte. Weil ich sie angesprochen habe, gern. Dann würde ich aber gern im Zusammenhang fortfahren.
Herr Kollege Solms, ich möchte Sie fragen, ob Sie sich auf die Passage bezogen haben, in der ich sage, daß wir mit einem klaren Profil antreten müssen, und weiter:
... und als klare Alternative zu einer weitgehend abgewirtschafteten Regierung, die unfähig ist, über den Tellerrand des Tagesgeschäfts zu schauen.
Frau Kollegin, das war eine rhetorische Frage. Ich habe mich darauf bezogen, daß Sie sagen: Wenn sich das durchsetzt, was gegenwärtig in der SPD beraten wird, dann „können wir uns auf den Oppositionsbänken schlafen legen".
Darauf habe ich mich bezogen. Das steht im „General-Anzeiger". Wenn Sie es nicht gesagt haben sollten, dann müssen Sie es dementieren.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Nein, ich möchte jetzt fortfahren.
Frau Kollegin, er gestattet keine Zwischenfrage mehr.
Das Interview ist ja nachzulesen. Ich bitte darum. Aber ich wünsche Ihnen viel Ruhe beim Schlafen auf den Oppositionsbänken.
Frau Kollegin, Sie haben nicht das Wort!
Meine Damen und Herren, die Äußerungen des Kollegen Scharping, der offensichtlich jetzt nicht anwesend sein kann, zum 8. Mai habe ich als peinlich, unangemessen und insbesondere völlig unnötig empfunden.
Das ist nicht die Art, das kann nicht die Art sein, in der wir mit so einem Anlaß umgehen und über Staatsgäste reden, die sich damit angesprochen fühlen müssen.
Ich hätte ihn gerne gefragt, ob er ein so geringes Erinnerungsvermögen hat, daß er nicht weiß, welche Staaten für die Sicherheit und Freiheit unserer Bürger nach 1945 Mitverantwortung getragen haben und welche Staaten mit uns zusammen an den Zweiplus-Vier-Gesprächen, die ja der Bundeskanzler und Hans-Dietrich Genscher geführt haben, beteiligt waren und dafür gesorgt haben, daß die Einheit Deutschlands zustande kommen konnte.
Das war eben die ganz besondere Verantwortung dieser Staaten. Und wenn diese von sich aus bereit sind und es sogar wünschen, mit uns zusammen den 8. Mai festlich zu begehen, die Beendigung des Krieges, die Niederschlagung des Naziterrors ebenso wie 50 Jahre Frieden und die deutsche Einheit zu feiern, dann sollten wir darüber froh und stolz sein und das nicht in typisch deutscher Art niedermachen und darüber lamentieren.
Meine Damen und Herren, Politik ist, wie Max Weber unübertroffen formuliert hat, ein starkes, langsames Bohren dicker Bretter. Und in schwierigen Zeiten muß man das mit großer Geduld tun, und zwar - das fordert er von den Politikern - mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich. Der Haushalt 1995 weist aus, daß er ein Ergebnis solcher Politik ist. Die Reduzierung der Neuverschuldung auf 49 Milliarden DM ist ein nicht erwartetes positives Ergebnis. Dabei wird immer vergessen, daß wir im Haushaltsvollzug 1994 die Neuverschuldung bereits um über 20 Milliarden DM gegenüber der Planung unterschritten hatten.
Auch das ist ein positives Ergebnis, das nicht richtig gewürdigt worden ist.
Jetzt müssen wir eine Doppelstrategie verfolgen, die wir einige Jahre durchhalten müssen, nämlich Konsolidierung einerseits und Steuersenkungen andererseits. Das ist ein ehrgeiziges Ziel - zugegeben -, aber eines, das man erreichen kann.
Aber lassen Sie mich nochmals an Max Weber erinnern: Er hat von Politikern verlangt, daß sie über zwei Dinge verfügen müssen, nämlich über Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. Beides gehört zusammen. Verantwortliches Handeln ohne eine dazugehörige Gesinnung im demokratischen, liberalen und toleranten Sinne ist genauso gefährlich wie eine Gesinnung ohne verantwortliches Handeln.
Heute stelle ich in der Bundesrepublik fest, daß immer mehr Politiker ihre Gesinnung vor sich her tragen - Max Weber nennt solche Leute Windbeutel - und in Wirklichkeit nicht bereit sind, zu sagen, daß die Wohltaten, die sie landauf, landab wohlfeil versprechen, andere bezahlen müssen. Auf Kosten anderer ist leicht gut Stimmung machen.
Das reicht jedoch nicht aus.
Die Engländer haben einen guten Begriff für diese Menschen; sie nennen sie die Good-doers. Solche Menschen laufen überall in der Welt herum und erklären, was alles gut gemacht werden muß. Sie erklären den Menschen auch noch, wie schlecht es ihnen gehe und daß sie selber nötig seien, damit es den Menschen bessergehe. Sie sagen jedoch nicht, wie das geschehen soll. Leider ist die Zahl derjenigen im
Dr. Hermann Otto Solms
Bundestag, die ich zu den Good-doers zähle, durch den Einzug der GRÜNEN und der PDS noch dramatisch gestiegen. So kann man aber keine Politik machen.
Zur Politik gehören vor allem Verantwortung und der Beweis des Handelns sowie der Beweis für den Bürger, daß er in seiner Belastungsfähigkeit nicht über alle Maßen beansprucht wird. Wer die Menschen und gerade die Jugend nicht zu eigenverantwortlichem Handeln erzieht, wird die Anspruchsmentalität, die wir uns erzogen haben, natürlich nicht loswerden.
Verantwortung für die Gemeinschaft kann nur aus eigenverantwortlichem Bewußtsein entstehen. Man muß diesen Zusammenhang erkennen, um konsequenterweise sagen zu können, daß wir das Subsidiaritätsprinzip in allen Bereichen der Gesellschaftspolitik durchsetzen müssen und daß es nicht reicht, das Gute nur zu wollen, sondern daß man es auch verantwortlich tun und finanzieren können muß. Erst dann entsteht eine Erziehung für die Jugend, aus der ein liberaler, demokratischer, freiheitlicher und toleranter Rechtsstaat erwachsen und bestehen kann.
Wir haben in dieser Legislaturperiode eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen, an denen wir von den Wählern und Bürgern gemessen werden.
Ich will zunächst auf die Steuer- und Abgabenbelastungen eingehen. Wir haben - Herr Schäuble hat darauf hingewiesen - ein Maß an Steuer- und Abgabenbelastung erreicht, welches die Leistungsbereitschaft der Menschen und die Investitionsfähigkeit der Unternehmen einschränkt, ja, geradezu abschnürt. Eine durchschnittliche Steuer- und Abgabenbelastung von 47 % ist nicht auf Dauer durchhaltbar. Zwar ist das unter der besonderen Veranlassung der deutschen Einheit befristet machbar, aber wenn die Sonderlasten abgebaut werden, muß die Steuerentlastung Vorrang haben.
Deswegen haben wir die Auseinandersetzung um die Ersatzfinanzierung des Kohlepfennigs geführt. Die Bürger dürfen nicht den Eindruck haben, bei der ersten Problemsituation werde sofort wieder in ihre Tasche gegriffen. Jetzt geht es auf Grund des moralisch wichtigen, aber auch effizienten Drucks der leeren Kassen darum, eine vernünftige, eiserne Sparpolitik durchzuführen und unsere Ausgaben daraufhin zu überprüfen, ob sie in der Weise, mit den Zielen, mit der Organisation richtig sind oder ob man das Ganze nicht auch effizienter, besser und zielgerichteter gestalten kann.
Es ist schon ein starkes Stück, wie einige noch immer versuchen, die Kohlepfennig-Ersatzsteuer als eine Art ökologischer Wohltat zu verklären. Ausgerechnet eine CO2-/Energiesteuer zur Finanzierung des am meisten CO2 emittierenden Energieträgers, der Steinkohle, kann doch keinen Sinn machen.
Gerade in dieser Frage habe ich die Äußerung der GRÜNEN hier in Bonn vermißt. Ihr Kollege in Düsseldorf, Herr Vesper, hat sich dazu sehr vernünftig im „Focus" geäußert. In Bonn kein Wort! Ich weiß nicht, wie ernst Sie es mit Ihren energie- und umweltpolitischen Zielsetzungen nehmen.
Ich kann Ihnen nur sagen, daß es völlig ungerechtfertigt ist, dies mit der Frage der Notwendigkeit der Einführung einer CO2-/Energiesteuer zu vermischen.
Wir werden und wollen ebenfalls eine ökologische Steuerreform machen, und wir werden in der Koalition über die Einführung einer CO2-/Energiesteuer beraten und unseren Vorschlag hier einbringen. Aber dies wird natürlich unter der Voraussetzung geschehen, daß die Steuerbelastung insgesamt nicht steigt und die Bürger nicht zusätzlich belastet werden. Ich hatte ja vorher darauf hingewiesen, daß es notwendig ist, sie zu entlasten. Wir wollen eine CO2-/ Energiesteuer möglichst auf internationalem Weg einführen; aber wenn das nicht möglich ist, dann sollte man auch national vorangehen.
Diese Aufgabe liegt vor uns, und ihr werden wir uns entschlossen annehmen.
Meine Damen und Herren, morgen wird - das widerspricht auch dem Vorwurf, die Steuerentlastung würde insbesondere die Besserverdienenden begünstigen - das Jahressteuergesetz im Bundestag eingebracht und auf den Weg gebracht werden. Die dort geplanten Steuersenkungen in Höhe von 30 Milliarden DM betreffen ja insbesondere die Niedrigverdienenden, weil das Existenzminimum von jeder Besteuerung freigestellt werden soll. Deswegen geht dieser Vorwurf auch völlig an der Sache vorbei.
Im Rahmen dieser Steuerreform wollen wir auch die Unternehmensteuerreform fortsetzen. Das haben wir zugesagt, und das werden wir einhalten. Dazu ist hier der Vorwurf von Herrn Scharping gemacht worden, die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer sei eine mittelstandsfeindliche Maßnahme. Das Gegenteil ist der Fall.
Ich habe gerade gestern eine Konferenz mit Obermeistern des Handwerks abgehalten. Sie haben geschlossen die Position vertreten, daß die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und die mittelstandsfreundliche Senkung der Gewerbeertragsteuer voll
Dr. Hermann Otto Solms
in ihrem Sinne seien und daß sie auch nicht so kurzsichtig und engstirnig seien, nicht zu sehen, daß Entlastungen auch da, wo sie nicht direkt bei ihnen ankämen, sie auch indirekt betreffen würden,
weil das Handwerk natürlich mit der großen Wirtschaft und der Industrie zusammenarbeitet und mit auf deren Entlastung angewiesen ist.
Hierzu gehört noch eines. Herr Metzger von den GRÜNEN hat vorgestern erklärt, die Gegenfinanzierung, nämlich die Senkung der Abschreibungssätze bei der degressiven MA, hätten insbesondere die Kleinen zu bezahlen. Das Gegenteil ist der Fall. Die kapitalintensive Wirtschaft ist die Großindustrie. Die Kleinen sind ja besonders personalintensiv und werden von der Gegenfinanzierung wesentlich weniger betroffen als die Großen.
Die Unternehmensteuerreform muß fortgesetzt werden. Sie wird ein Prüfstein für die SPD sein, insbesondere, wenn es darum geht, über die Verfassungsänderungen zu beschließen und damit zu entscheiden, ob die Gemeinden einen eigenen Anteil an der Umsatzsteuer erhalten sollen.
Meine Damen und Herren, das ist eine Jahrhundertchance für die Gemeinden. Die Gemeindeväter, auch Sozialdemokraten oder Christdemokraten, sind geschlossen der Überzeugung, daß eine Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer für sie wesentlich besser als das alleinige Angewiesensein auf die Beteiligung an der äußerst zyklisch anfallenden Gewerbesteuer wäre. Deswegen interessiert mich, wie die SPD auf diesen Antrag reagieren wird, der morgen mit eingebracht werden wird.
Der Städtetag hat ja in dem Papier, daß er zusammen mit der Wirtschaft erarbeitet hat, bereits erklärt, daß er eine solche Beteiligung wünsche, und im Städtetag führen Oberbürgermeister und Bürgermeister, die der SPD angehören, ja ein gewichtiges Wort.
Darüber hinaus - das ist in der Öffentlichkeit verkündet worden - wollen wir den Familienlastenausgleich umgestalten. Die Kritik, die Herr Scharping heute gegen diesen Plan vorgebracht hat, war mir nun wirklich total unverständlich. Wir lösen das Problem in nahezu genialer Weise; denn das System, das wir vorschlagen, ist familienfreundlich, es ist durch die Finanzamtslösung verwaltungseinfach, und es ist solide finanzierbar. Wir halten die Vorgabe des Finanzministers, 6 Milliarden DM nicht zu überschreiten, ein. Im Gegensatz zum SPD-Vorschlag ist dieser Vorschlag verfassungskonform. Das ist das Entscheidende.
Der Vorschlag, 250 DM Kindergeld für alle unabhängig vom Steuertarif, vom Einkommen und der Steuerbelastung, ist eindeutig verfassungswidrig.
Deswegen werden Sie zum Schluß, auch wenn Sie Widerstand leisten wollen, zustimmen müssen.
Ein Wort zum Solidaritätszuschlag: Wir haben gefordert, daß dieser Zuschlag so schnell abgebaut werden muß, wie die Lasten, die daraus finanziert werden sollen und die aus dem Solidarpakt zugunsten der neuen Bundesländer vom Frühjahr 1993 stammen, sinken. Auf Grund der wirklich äußerst günstigen wirtschaftlichen Entwicklungen in den neuen Bundesländern können wir heute sagen, daß ab dem nächsten Jahr diese Lasten allmählich auch abgebaut werden können. Der Solidaritätszuschlag muß jährlich überprüft und so schnell wie möglich abgebaut werden.
Wer die Idee hat, den Solidaritätszuschlag mit dem Kohlepfennig zu verrechnen, den möchte ich daran erinnern, wie er geschaffen worden ist. Der Solidaritätszuschlag war für den Aufbau Ost und nicht für die Steinkohle West gedacht. Deswegen besteht überhaupt kein Zusammenhang zwischen beiden.
Meine Damen und Herren, leider ist es so - das ergibt sich immer wieder aus der Debatte -, daß Gutes versprochen wird, und man nicht zu handeln bereit ist. Man erweckt öffentlich den Eindruck, immer nur das moralische Gute und Hehre zu tun, hält sich aber in Wirklichkeit nicht immer daran.
Vor kurzem habe ich gesehen, wie sich beispielsweise die Kollegin Antje Vollmer gegen das Reisen der Kollegen ins Ausland verwehrt oder wie sich der Kollege Such in der Boulevard-Presse gegen diese Reisen äußert, gleichzeitig hat er aber einen Antrag eingebracht, solche Reisen zu machen.
Die Frauen der GRÜNEN befinden sich in einem Wettbewerb, wer zum Frauenkongreß nach China fahren darf. Frau Kollegin Vollmer hat all diesen Reisen im Präsidium des Deutschen Bundestages zugestimmt.
- Das nenne ich Doppelzüngigkeit oder doppelte Moral.
So geht das nicht. Man kann ja auf der Woge des Zeitgeistes schwimmen, aber die Fakten holen Sie ein.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lippelt?
Nein, ich möchte jetzt nicht mehr unterbrochen werden.
Das gleiche gilt auch für die Energiepolitik. Ich habe im Wahlprogramm der nordrhein-westfälischen GRÜNEN nachgelesen. Das ist ein umfangreiches Werk und etwas mühsam zu lesen. Dort äußert man sich gegen die Kernenergie, das kennen wir. Man äußert sich natürlich auch gegen die fossilen Energieträger - Steinkohle, Braunkohle, Erdöl und Erdgas -, man wendet sich gegen die Windenergie im Norden, weil das die Umwelt verschandelt. Was bleibt denn noch übrig?
Wenn Sie Ihre Politik umsetzen wollen, dann müssen wir uns in Zukunft sehr warm anziehen, weil es keine Heizung mehr gibt.
Ich habe einen noch interessanteren Vorschlag gefunden. Ich erwähne das jetzt nur, weil ich dabei bin und es so schön ist. Man will ein Sabbatjahr für die Lehrer in Nordrhein-Westfalen zur Selbstreflektion einführen.
- Herr Verheugen, ich weiß, daß Sie gute Erinnerungen an unsere Parteigeschichte haben. Das ist mir klar.
Da ich das nicht kenne, kann ich nur sagen: Ich halte es für groben Unfug, auf die Lehrer konzentriert ein Sabbatjahr zur Selbstreflektion einzuführen. Aber das wird sicherlich dazu beitragen, daß in Zukunft die Zusammensetzung Ihrer Fraktion mit Lehrern noch homogener sein wird und Sie als Lehrerpartei identifiziert werden können.
Wir wollen das Vergleichsmietensystem für den Wohnungsbau in den neuen Bundesländern einführen. Nun gibt es eine Debatte darüber, ob es richtig sei, auch für Neu- und Wiedervermietung eine Kappung einzuführen. Wer ein Vergleichsmietensystem haben will, der muß einen Marktpreis haben. Wenn Sie gleichzeitig mit der Einführung dieses Vergleichsmietensystems verhindern, daß ein solcher Marktpreis überhaupt erst entstehen kann, dann wird der Markt als Ausgleichsmechanismus dafür, daß der Wohnungsmarkt funktioniert, ausscheiden. Dann haben wir staatliche Wohnungswirtschaft. Staatliche Wohnungswirtschaft ist in ihren Ergebnissen so, wie die Wohnungswirtschaft in der DDR war. Etwas Besseres werden Sie nicht bekommen. Sie werden erleben, wenn sie so etwas machen, daß die Baukonjunktur im Osten in kürzester Zeit dramatisch zusammenbricht. Dann haben Sie das Gegenteil von dem erreicht, was Sie eigentlich wollen. Es wundert mich nicht, daß der Ministerpräsident des Landes Sachsen, Herr Professor Biedenkopf, ebenfalls der Meinung ist, daß die Einführung einer solchen Kappungsgrenze völlig verfehlt wäre und das Gegenteil dessen erreichen würde, was man damit eigentlich gemeint und gewollt hat.
Es hilft auch hier wieder nichts, das Gutgemeinte zu verkünden, wenn man die Folgen nicht beachtet. Deswegen kann ich nur empfehlen, diesem Vorschlag von Biedenkopf und von uns zu folgen, und erinnere den Ökonomieprofessor Töpfer daran - er kommt aus einer guten Schule, der Universität des Saarlandes; er hat unter Herrn Stützel und Herrn Siewert gelernt -, sich an die ökonomischen Zusammenhänge zu halten und eine solche Politik auch dann zu betreiben.
Wir wollen einen schlanken Staat. Tucholsky hat noch gesagt:
Deutsches Schicksal, vor dem Schaltern zu stehen, deutsches Ideal, hinter dem Schalter zu sitzen.
Wir sind darüber Gott sei Dank hinweg. Aber wir sind noch nicht bei dem schlanken Staat, den wir brauchen. Deswegen müssen wir gerade in diesem Bereich enorme Anstrengungen unternehmen, denn es gilt natürlich, große Widerstände zu überwinden. Bei Bundespost und Bundesbahn haben wir die entscheidenden Schritte schon getan. Es geht aber darum, die Verwaltung insgesamt Leistungskriterien zu unterwerfen, schlanker, effizienter zu machen, weniger Hierarchieebenen einzuführen und dadurch nützlicher für den Bürger zu gestalten. Daran werden wir uns auch in dieser Legislaturperiode machen.
Schließlich ein Wort zum Umbau des Sozialstaates. Wer sieht, daß der Sozialstaat, so wie er heute gestaltet ist, zu erheblichen Verwerfungen und zu ungeheuren mißbräuchlichen Ausnutzungen führt, daß er einfach nicht mehr bezahlbar ist, der muß die unpopuläre Aufgabe, den Sozialstaat umzubauen, auf sich nehmen. Ich unterstütze Minister Seehofer ausdrücklich in seinem Vorhaben - das haben wir in der Koalition auch festgelegt -, die Sozialhilfe zu reformieren. Sie ist dringend reformbedürftig,
denn wir brauchen dringend gleiche Standards, gleiche Kriterien sowohl in der Sozialgesetzgebung wie auch in der Steuergesetzgebung. Wir brauchen einen gleichen Einkommensbegriff. Wenn wir nicht gleiche Standards haben, dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich die verschiedenen Systeme aneinander vorbeientwickeln und sich die Menschen ganz anders verhalten, als sie eigentlich sollen. Wir müs-
Dr. Hermann Otto Solms
sen dafür sorgen, daß das Abstandsgebot durchgesetzt wird, damit der Anreiz zur Arbeit wieder zur Wirkung kommt.
Schließlich noch einige Bemerkungen zum ökologischen Umbau unseres Staates, zur Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie. Das geht eben in erster Linie nicht nur durch Gebote und Verbote und staatliche Interventionen, vielmehr erreichen wir die höchste Effizienz in der Umweltpolitik, indem wir die Menschen selbst anreizen, sich umweltpolitisch zu verhalten. Das geht in erster Linie nur mit marktwirtschaftlichen Instrumenten. Ich will nur einige aufzählen: Kompensationslösungen, Steuerlösungen - ich habe über die CO2/-Energiesteuer gesprochen -, handelbare Umweltnutzungslizenzen und Zertifikatslösungen, freiwillige Vereinbarungen wie jetzt mit der Automobilindustrie, die Gewährung von steuerlichen Anreizen, das Einräumen von Benutzervorteilen, umweltrelevante Verbraucherinformationen und insbesondere der technische Fortschritt. In der Umweltpolitik müssen wir in allererster Linie auf den technischen Fortschritt setzen.
Wer diesen bremst - und das auch noch im Namen der Ökologie-, der versündigt sich an einer gesunden Umweltpolitik. Deswegen müssen wir ihn darauf hinweisen, daß eine solche Politik von uns nicht mitgetragen werden kann.
Meine Damen und Herren, wird werden dem Haushalt des Bundeskanzleramts zustimmen.
Wir werden eine konsequente Politik betreiben - wie Max Weber sagt, mit Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß - und zwar im Sinne unserer Bürger. Wir werden auch unpopuläre Maßnahmen ergreifen, wenn wir davon überzeugt sind, daß sie notwendig sind.
Die Opposition hat nun die Wahl: Wird sie diesen Prozeß konstruktiv begleiten, oder will sie ihn über ihre Mehrheit im Bundesrat blockieren und behindern? Der Wähler wird sehr genau empfinden, was er dann davon zu halten hat. Das ist dann auch Ihre Verantwortung, aus der Sie sich nicht herausstehlen können. Wir werden jedenfalls dann darauf hinweisen, in welcher Weise Sie sich verhalten haben. Das wird dann die Grundlage für die späteren Wahlentscheidungen sein.
Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, normalerweise ist es eine Übung hier, daß wir in der ersten Runde einer solchen Debatte keine Kurzinterventionen zulassen. Es hat aber heute schon einmal einen Anlaß gegeben, als jemand direkt angesprochen wurde, daß ich die Kurzintervention zugelassen habe. Es gibt jetzt noch einen solchen Anlaß. Ich erteile das Wort zu einer Kurzintervention der Kollegin Uschi Eid.
Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Kollege Solms, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß Frau Vollmer nicht mit der „Bild am Sonntag" gesprochen hat und für eine Sache ohne ihr Wissen vereinnahmt worden ist, hinter der sie persönlich nicht steht?
Herr Kollege Solms zur Replik.
Wenn man falsch in einer Zeitung zitiert wird, dann sollte man dementieren, damit alle wissen, daß man das nicht so stehenläßt.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Gregor Gysi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Solms, vielleicht noch eine weitere Bemerkung: Eine Sache finde ich nicht fair. Man kann natürlich Leuten Doppelzüngigkeit auch im Zusammenhang mit Reisetätigkeiten vorwerfen. Aber daß Sie so tun, als ob es bei der Reise nach China um eine gewöhnliche Auslandsreise ginge, bei der man sich vielleicht das Land anschaut, und hier nicht zur Kenntnis nehmen wollen, daß es dabei um eine Weltfrauenkonferenz geht, bei der es vielleicht wichtig ist, daß auch die Frauen aus dem Bundestag daran teilnehmen, finde ich schon ziemlich erschreckend.
Zunächst wollte ich etwas zum 8. Mai 1995 sagen, an dem wir den 50. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus begehen.
Herr Kollege Gysi, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Solms?
Ja, selbstverständlich.
Herr Gysi, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich diese Reisen nicht kritisiere? Ich halte diese Reisen für nützlich. Gerade diese Reise zur Weltfrauenkonferenz in Peking halte ich für ausgesprochen notwendig. Ich habe mich ja auch von diesen Reisen öffentlich nicht distanziert. Ich bin sogar der Meinung, daß die Reisen für die Abgeordneten in den Ausschüssen ausgesprochen nützlich sind. Deswegen habe ich hier nichts zurückzunehmen.
Herr Solms, dann hätten Sie in diesem Zusammenhang genau diese Reise nicht erwähnen sollen, sondern auf andere Beispiele hinweisen können; denn die Kritik an einer übermäßigen Reisetätigkeit ist ja nicht unbegründet. Machen wir uns doch nichts vor, daß nicht wenige von uns gerne nach Australien fahren, um sechs Wochen lang dort die Verwaltungsstruktur kennenzulernen und sich vielleicht auch noch einiges andere anzusehen. Das wird uns halt übel genommen.
- Nein, das mache ich nicht. Nein, Frau Baumeister, wenn Sie nachsehen, werden Sie feststellen, daß ich da keineswegs beteiligt bin.
Lassen Sie uns zu einem ernsteren Thema kommen, nämlich zu dem 8. Mai 1995. Ich finde es erschreckend, daß die Position von Richard von Weizsäcker, die er am 8. Mai 1985 verkündet hat, nach wie vor in Teilen der CDU/CSU keinen Anklang findet. Ihr Verhältnis zu diesem Tag bleibt - gelinde formuliert - ambivalent, und das gilt auch für Sie persönlich, Herr Bundeskanzler.
Am 8. Mai erlebten die deutschen Kriegstreiber, die Massenmörder, die gesamte nazistische Barbarei ihre Niederlage. Aber immer noch gibt es zahlreiche Vertreter der Union, die diesen Tag auch als Niederlage empfinden, eben z. B. Herr Dregger, und sich damit mit jenen in eine Reihe begeben. Sie fühlen sich außerstande, diesen Tag als Tag der Befreiung zu empfinden. Herr Schäuble hat hier um Verständnis dafür geworben, daß es Menschen gibt, die Ehepartner, Väter, Söhne, Brüder verloren haben. Deshalb sei dieser Tag für diese Menschen ein Tag der Trauer. Ich frage mich: Warum ist für solche Menschen nicht der 30. Januar, der Tag der Machtergreifung Hitlers, oder der 1. September, der Tag des Ausbruchs des Krieges, der Trauertag? Warum gerade der Tag, an dem der Spuk endlich ein Ende hatte?
Solchen Leuten ist es letztlich auch zu verdanken, daß es immer noch keine Entschädigung z. B. für Sinti und Roma, für Homosexuelle, für ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, für Deserteure der Deutschen Wehrmacht, für Kommunistinnen und Kommunisten der alten BRD gibt, die von den Nazis verfolgt wurden.
Daraus resultieren auch sämtliche Peinlichkeiten in der Vorbereitung des 8. Mai 1995. Der Bundestag weiß heute noch nicht endgültig, wie er diesen Tag begehen soll. Unser rechtzeitiger Antrag auf Sondersitzung fand bisher keine Zustimmung. Zum Staatsakt wurden nur die Repräsentanten der vier Siegermächte eingeladen anstatt Repräsentanten aller vom Zweiten Weltkrieg betroffenen Länder. Das führt doch nicht nur zu diplomatischen Verstimmungen mit Polen. Es animiert offensichtlich auch zu Diskussionen in Vertriebenenverbänden, die Grenzfrage weiterhin offenzuhalten und Ansprüche gegen Polen zu stellen. Der Bundesaußenminister läßt sich seinerseits davon treiben und konstruiert ein Junktim zwischen den berechtigten Entschädigungsansprüchen von Tschechen, die unter dem Nationalsozialismus gelitten haben, und Forderungen der Sudetendeutschen. Die Unwilligkeit und Gefühllosigkeit, die die Vorbereitungen auf den 50. Jahrestag der Befreiung von der Nazi-Diktatur begleiten, lassen leider befürchten, daß hier ein Schlußstrich gezogen werden soll. Wir appellieren und warnen: Machen Sie aus dem diesjährigen 8. Mai kein Begräbnis dritter Klasse für die Lehren aus der deutschen Vergangenheit!
Das Ganze muß vor dem Hintergrund eines zunehmenden Rechtsextremismus in Deutschland gesehen werden. Anstatt ihm eine klare Abfuhr zu erteilen, wird durch eine solche Politik versucht, Zustimmung auch aus diesen Reihen zu erheischen. Herr Bundeskanzler, das ist ein Spiel mit dem Feuer.
Da bleibt es eben nicht aus, daß sich Ihre Junge Union in Berlin gegen ein - wie die es nennt - Judendenkmal wendet. Das sind die Früchte solcher Politik. 50 Jahre nach dem Ende des Hitler-Faschismus und des Zweiten Weltkrieges wäre es höchste Zeit, daß auch durch die Unionsfraktion und die Union selbst ein klares, eindeutiges und unmißverständliches Bekenntnis dahin gehend ablegt wird, daß dieser 8. Mai ein Tag der Befreiung und nichts anderes war.
Sie, Herr Außenminister, verwechseln das Amt des Außenministers mit dem eines Handelsreisenden für die deutsche Exportwirtschaft, insbesondere für die Rüstungsindustrie. Fragen der Menschenrechte werden regelmäßig an das Ende der Tagesordnung gesetzt, so daß sie meistens nicht mehr behandelt werden. Sie mahnen die türkische Regierung zu deren Einhaltung - jetzt zitiere ich wörtlich aus einer dpa- Meldung - „bei ihren Militäroperationen" und „zur Verhältnismäßigkeit im Einsatz", sind also im Grundsatz für militärische Einmärsche, heute im Nordirak, und wer weiß, wo morgen. Warum haben Sie nicht den Aggressionsakt an sich verurteilt, wie es nach Völkerrecht dringend geboten war?
- Bei Ihrer Außenpolitik, Herr Kinkel, bekomme selbst ich Sehnsucht nach Hans-Dietrich Genscher, und das will schon etwas heißen.
Wir wollen auch keine neuen zeitweiligen Kunstpausen bei Waffenlieferungen, wie jetzt bezüglich der Türkei, wenn auch sehr unvollständig, vorgesehen. Lassen Sie uns doch mit dem Rüstungsexport endlich und ein für allemal Schluß machen, lassen Sie uns jegliche Beihilfe zu Kriegen und Bürgerkriegen, jegliche Beihilfe zum Töten endlich und ein für allemal einstellen, egal für wen, egal gegen wen!
Dr. Gregor Gysi
- Also wissen Sie, wenn Sie - wie ich - gegen den Einmarsch in die CSSR im Jahre 1968 gewesen sind,
so ist das schon gar keine Rechtfertigung dafür, heute Waffen in die ganze Welt zu liefern, heute an vierter Stelle der Exporteure in der Welt zu stehen und überall am Krieg beteiligt zu sein! Macht es Ihnen denn gar nichts aus, daß das kurdische Volk auch mit deutschen Waffen niedergemetzelt wird? Darüber sollten Sie einmal nachdenken!
Die türkische Regierung führt einen Krieg gegen die Kurden, und zwar in der Türkei und außerhalb der Türkei. In diesem Zusammenhang ist es eben für die Bundesregierung bezeichnend, den Stopp für die Abschiebung von Kurden aufzuheben, wobei Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg und Berlin darum bemüht sind, nun auch tatsächlich Kurden in die Türkei abzuschieben. Ihr Leben dort ist unmittelbar gefährdet. Aber dies kümmert weder Herrn Kanther noch Herrn Stoiber noch Herrn Biedenkopf, und die CDU/SPD-Regierung in Berlin und Baden-Württemberg leider auch nicht.
Daß das Ganze überhaupt möglich ist, hängt eben damit zusammen, daß mit Hilfe der SPD das Grundrecht auf Asyl faktisch abgeschafft wurde, eine verhängnisvolle Entscheidung, deren Auswirkungen Schritt für Schritt schrecklicher werden.
Mit den jetzt geplanten Änderungen zum Asylbewerberleistungsgesetz und mit anderen gesetzlichen Änderungen werden Ausgrenzung und Demütigung vorangetrieben. Als der erste abgelehnte Asylbewerber Selbstmord beging - soweit ich mich erinnere, war das 1983 Kemal Altun -, gab es eine breite öffentliche Betroffenheit. Joschka Fischer hielt damals seine erste große Rede dazu im Bundestag. Beute überdauert eine solche Meldung kaum den Tag. Wie herzlos ist die Politik unter der schwarz-gelben Koalition inzwischen geworden und mit ihr unsere Gesellschaft!
Der Wind dreht sich. Die Stimmung in der Gesellschaft beginnt, den Fährten zu folgen, die diese Regierung so verantwortungslos gelegt hat. Nach neuesten Umfragen ist inzwischen ein Drittel der Bevölkerung der Ansicht, daß es zu viele Ausländer in unserem Land gibt, und die Mehrheit befürwortet Abschiebungen von Kurden in die Türkei. Der Druck, von oben erzeugt, wuchert nun von unten auf ausnahmslos alle Parteien. Die PDS wird stets dagegen auftreten, auch wenn es untaktisch und unpopulär ist. Solche Fragen dürften eigentlich von keiner demokratischen Partei der Taktik unterworfen werden.
Die Reue über die Erzeugung intoleranter Stimmungen kommt in der Geschichte meistens zu spät. Auch das ist eine wichtige Lehre des 8. Mai 1945.
Aber auch vereinigungspolitisch sind die Ergebnisse der Tätigkeit der Bundesregierung äußerst kritisch zu beleuchten. Die Abgeordnetengruppe der PDS verkennt keinesfalls, daß es seit der Vereinigung auch positive Entwicklungen für die Menschen in den neuen Bundesländern gibt. Hinsichtlich der persönlichen Freiheiten und des Zuwachses an Demokratie ist allerdings darauf hinzuweisen, daß diese bereits mit der Wende im Herbst 1989 erkämpft wurden und nicht erst seit der Vereinigung am 3. Oktober 1990 gegeben sind.
Wir verkennen nicht, daß beim Aufbau von Stadtzentren und bei der Entwicklung der Infrastruktur einschließlich der Telekommunikationssysteme erhebliche Fortschritte gemacht wurden.
Aber dem stehen viele Negativseiten gegenüber. Nichts hat sich seitdem an der Verachtung gegenüber ostdeutschen Biographien geändert. Der Elitewechsel ist mit Hilfe der Gauck-Behörde, besonderer Kündigungsvorschriften, insbesondere der sogenannten Bedarfskündigung, der Schließung von Einrichtungen und über andere Instrumentarien fast komplett organisiert worden. Mag zunächst noch Verständnis dafür geherrscht haben, soweit es um die ehemalige politische Klasse der DDR ging, so hörte dieses Verständnis spätestens dann auf, als deutlich wurde, daß es ebenso die pädagogische, die medizinische, die wissenschaftliche, die technische und die künstlerische Intelligenz trifft. Wahrscheinlich gab es noch nie in der Geschichte Europas ein so riesiges Heer an arbeitsloser Intelligenz wie in den neuen Bundesländern.
Aber es hat ja nicht nur die sogenannte Elite getroffen. Die Hälfte der Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern wurde vernichtet. Das wirkte sich auf alle Schichten der Bevölkerung gleichermaßen aus. Noch kämpfen Menschen z. B. in Dessau um die wenigen verbliebenen Arbeitsplätze oder warten in Bischofferode darauf, daß Sie, Herr Bundeskanzler, Ihr ausdrücklich abgegebenes Versprechen einhalten, nämlich dort 700 Ersatzarbeitsplätze zu schaffen. Wissen Sie, wie viele Arbeitsplätze dort inzwischen geschaffen worden sind? Es sind unter 30. Die Menschen haben Ihnen geglaubt und darauf gehofft, daß dort wirklich 700 Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden. Fast keiner davon ist in Sicht.
Allein in der Landwirtschaft wurden zwei Drittel der Arbeitsplätze zerschlagen. Die landwirtschaftliche Produktion wurde stark reduziert. Dort sticht Ihr Argument von der maroden Wirtschaft nicht. Die Produktivität in der Landwirtschaft der DDR war nicht niedriger als in der Landwirtschaft der alten Bundesrepublik. Hier wurde schlicht und einfach an die Bedürfnisse des Westens angepaßt.
Dr. Gregor Gysi
Und so sind eben auch die massenhaften Betriebsstillegungen in der Industrie in den neuen Ländern äußerst unterschiedlich zu bewerten. Natürlich gab es Fälle, daß Betriebe so marode waren, daß sie nicht gehalten werden konnten. Aber es gab auch andere Fälle, bei denen es reale Sanierungsmöglichkeiten gab, die nicht genutzt wurden, um Konkurrenz von vorneherein auszuschließen.
Mit großer Sorge stelle ich fest, daß die Erfahrungen der Menschen aus den neuen Bundesländern für die Gestaltung dieser Bundesrepublik Deutschland weder gefragt noch genutzt werden. Im Gegenteil, schon wieder ist Anbiederei zum höchsten Motto erklärt worden. Aber damit sind ja nicht nur Chancen für die Entwicklung dieser Bundesrepublik vertan worden, sondern es wurde künstlich auch im Denken und Fühlen der Menschen ein Ost-West-Widerspruch zementiert, bei dessen Überwindung wir wesentlich weiter sein könnten.
Zu dieser Zementierung tragen auch der Bundesfinanzminister und sehr viele Rednerinnen und Redner hier in der Haushaltsdebatte unmittelbar bei.
Denn immer wieder wird auf die ungeheuren Ausgaben zum Aufbau in den neuen Bundesländern hingewiesen. Regelmäßig wird dabei jedoch verschwiegen, daß es sich bei diesen Ausgaben zu einem großen Teil um Sozialtransfers handelt, d. h. um Zahlungen an Bürgerinnen und Burger, auf die Rechtsanspruch besteht, unabhängig davon, ob die Bürgerin bzw. der Bürger in Thüringen oder in Bayern wohnt. Nur den neuen Bundesländern, nicht aber den alten werden solche Leistungen wie Kindergeld, Wohngeld, Arbeitslosenunterstützung angerechnet.
Aber dieses Geld wird ja regelmäßig konsumiert, und zwar zum größten Teil in Form von Westprodukten, wodurch westdeutsche Unternehmen nicht schlecht verdienen. Gleiches gilt für Transferleistungen, mit denen tatsächlich Aufbaumaßnahmen im Osten finanziert werden; denn auch hier sind die Nutznießer in aller Regel westdeutsche Unternehmen.
Seit Jahren wird festgestellt, daß es nicht wenige gibt, die an der Einheit erheblich verdienen; nur ist diese Bundesregierung nicht bereit, sie auch für die Kosten heranzuziehen.
Neuerdings werden die Ostdeutschen auch noch damit verschreckt, daß mittels einer dritten Mieterhöhungsverordnung, die in das Vergleichsmietensystem führen soll, Wohnungen für viele kaum noch bezahlbar sein werden. Ich ersuche Sie, Herr Bundeskanzler, sorgen Sie dafür, daß die geplante Mieterhöhung zum 1. Juli 1995 unterbleibt! Die Einkünfte der Ostdeutschen sind nicht so gestaltet, daß diese verkraftbar wäre. Sorgen Sie dafür, daß die Wohnungsgesellschaften endlich von den Altschulden, zumindest von ihrer Tilgung, freigestellt werden! Dann hätten diese Gesellschaften auch die Mittel, um in Zukunft notwendige Sanierungsmaßnahmen ohne Mieterhöhungen durchzuführen.
Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir bezahlbare Wohnungen auch in den alten Bundesländern realisieren können, anstatt darüber nachzudenken, wie die Unbezahlbarkeit von Wohnungen und die Obdachlosigkeit vom Westen auch in den Osten eingeführt werden!
Und da eben so viel darüber geredet wurde: Sorgen Sie dafür, daß wirklich das politische Strafrecht aus dem Rentenrecht beseitigt wird! Sorgen Sie auch dafür, daß Rentenerhöhungen nicht durch Abschmelzungen von Zuschlägen praktisch nicht stattfinden! Erkennen Sie endlich Arbeit in der früheren DDR gleichermaßen an, auch rentenrechtlich, und leisten Sie einen Beitrag dazu, daß Ostdeutsche die Möglichkeit erhalten, künftig selbstbewußter in die Gestaltung dieser Bundesrepublik einzugreifen!
Herr Kollege Gysi, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klein?
Sofort. Er kann das gleich noch verwenden. - Wer über viele Jahre demütigt, darf sich nämlich dann auch über die Folgen solcher Demütigung nicht wundern.
Jetzt sind Sie dran, Herr Abgeordneter Klein.
Kollege Gysi, verzeihen Sie, daß ich Ihnen gern zwei Fragen stellen möchte, die sich auf Themen beziehen, die weiter vorn lagen; aber bis eben war ich daran gehindert, das zu tun.
Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es am 8. Mai 1945 ungezählte Deutsche gegeben hat, die als Juden, als Sozialisten, als Christlich-Soziale, aus welchen Gründen auch immer, verfolgt waren, die Konzentrationslager überlebt und diesen Tag als Befreiung empfunden haben, daß es aber auch ungezählte Deutsche gegeben hat, die, als Kriegsgefangene oder - wie ich - als Sudetendeutsche oder Schlesier von einer Flucht heimkehrend, erfuhren, daß drei ihrer 13jährigen Schulkameradinnen von Sowjetsoldaten zu Tode vergewaltigt worden sind, und nachher aus ihrer Heimat vertrieben wurden und die diesen Tag daher nicht als Befreiung empfunden haben, sondern als einen Tag der Trauer? Und das widerspricht sich nicht, weil beide diesen Tag nachher natürlich als die Chance erkennen konnten, das aufzubauen, was sie aufgebaut haben.
Und die zweite Frage, Herr Kollege Gysi. Es ist wirklich eine Lernfrage. Ich habe nicht in Archiven gelesen; aber vor dem Hintergrund Ihrer Bemerkun-
Hans Klein
gen über die Sudetendeutschen, den Außenminister und die deutschen Waffen gegen die Kurden frage ich Sie: Wie haben Sie 1968 reagiert, als DDR-Truppen in die CSSR einmarschiert sind?
Also zur ersten Frage, Herr Abgeordneter Klein. Ich bin sehr wohl bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Gefühle der Menschen am 8. Mai 1945 sehr unterschiedlich waren je nach der Lage, in der sie sich befunden haben. Aber woran ich so sehr appelliere, ist, daß auch die Menschen, die danach gelitten haben - aus welchen Gründen auch immer; Sie haben Beispiele genannt -, begreifen, daß dieses Leid seine Ursache nicht im 8. Mai, sondern im 30. Januar und im 1. September der verschiedenen Jahre hatte
und daß auch sie deshalb den 8. Mai als Tag der Befreiung begreifen müssen, weil nämlich ohne diesen Tag die Greuel immer weiter angedauert hätten und auch der Krieg fortgesetzt worden wäre. Es war das Ende des Krieges und damit die Chance, daß diese Leiden aufhören. Das ist mein Appell, den ich hier an Sie richten wollte. Es geht nicht um die Unterschiedlichkeit im Erlebnis von Schicksalen.
Zu Ihrer zweiten Frage. Ich war im Jahre 1968 20 Jahre alt. Ich habe von diesen Ereignissen selbstverständlich erfahren. Ich habe an der Universität als Student auch dazu Stellung genommen. Ich kann und will hier gar nicht künstlich auf irgendeine Art Heldentum verweisen. Aber es war immerhin der einzige Anlaß, zu dem ich in meiner Partei eine Mißbilligung wegen der Äußerung, die ich damals gemacht habe, bekommen habe.
Ich füge hinzu
- lassen Sie mich das aussprechen -: Ich lasse mir von Leuten, die sich entweder in der DDR - das gilt für Ihre Freunde von der Block-CDU - oder in der Bundesrepublik Deutschland im Grunde genommen permanent nach den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen gerichtet haben, nicht erzählen, wie sie sich in der DDR verhalten hätten, obwohl sie dort nicht gelebt haben. Das müssen Sie mir dann erst beweisen.
In der DDR war Widerspruch wesentlich schwieriger als in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Dann schauen Sie sich einmal an, wie selten dennoch in dieser Gesellschaft Widerspruch erhoben wird, und zwar gerade aus den Reihen Ihrer Partei.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Feilcke?
Ja.
Bitte schön.
Herr Kollege Gysi, nach Ihrer Antwort auf die Frage zu 1968: Ist es zutreffend, daß Ihre Kommilitonen, die sich damals in gleicher Weise kritisch geäußert haben, von der Universität relegiert wurden, während Sie als Sohn eines zum System gehörenden Vaters nur einen Verweis bekommen haben? Ichfrage, ob das zutreffend ist.
Ist es nicht so? Die Kommilitonen sind relegiert worden. Ist das zutreffend?
Ich antworte Ihnen doch schon. Warten Sie doch eine Sekunde ab!
Wenn Sie die Ereignisse von 1968 gerade in meinem Umfeld genauer wissen wollen, muß ich Ihnen dazu folgendes sagen: Zehn Studentinnen und Studenten meiner Sektion Rechtswissenschaft sollten relegiert werden. Genau dagegen habe ich mich gewandt. Sie sind alle zehn nicht relegiert worden. Den Verweis habe ich bekommen. Es kann an anderen Sektionen Relegierungen gegeben haben; an der juristischen Sektion waren sie vorgesehen, sind dann aber alle zehn nicht durchgeführt worden. Aber vorgesehen waren sie in diesem Zusammenhang, ganz genau.
Nur deshalb kam ich ja in die Situation, dazu etwas sagen zu müssen. So rollte dann der Stein, wie er bei uns in solchen Zeiten zu rollen pflegte.
Jetzt muß ich aber versuchen, zum eigentlichen Thema wieder zurückzukommen. Das ist jetzt die Massenarbeitslosigkeit, weil es das größte Problem in Ost und West ist. Die Konzeptionen der Bundesregierung diesbezüglich sind völlig ungeeignet, das Problem auch nur zu reduzieren.
Allein über die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts wird sich hier nichts verändern. Die Unternehmen kommen mit immer weniger Arbeitskräften aus und sind dennoch in der Lage, mehr zu produzieren.
Wir brauchen eine andere Verteilung der vorhandenen Arbeit und damit eine Verkürzung der Arbeitszeit. An dieser Erkenntnis führt inzwischen nichts mehr vorbei. Obwohl dies seit Jahren bekannt ist, ist die Bundesregierung nicht bereit, das Arbeitszeitgesetz zu ändern. Dazu würde übrigens auch ge-
Dr. Gregor Gysi
hören, die Zahl der zulässigen Überstunden drastisch zu reduzieren. Hunderttausende Arbeitsplätze könnten damit geschaffen werden.
Wir benötigen darüber hinaus Änderungen in der Steuer- und Finanzpolitik; denn Ihr Argument, daß zu hohe Löhne die Wirtschaft zu stark belasten, ist tausendfach widerlegt. In Wirklichkeit sind die Realeinkünfte in den letzten Jahren stets gesunken. Das gilt übrigens nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für die Empfängerinnen und Empfänger von Sozialhilfe, für Studentinnen und Studenten, für Azubis, für Rentnerinnen und Rentner und selbst für Soldaten. Aber das Problem der Massenarbeitslosigkeit ist dadurch um keinen Schritt reduziert worden.
Der Kostenfaktor Lohn hat prozentual inzwischen beträchtlich abgenommen. Darauf ist ja die F.D.P. so stolz. Lag dieser Faktor nämlich 1980 noch bei fast 44 %, so liegt er heute nur noch bei 40 %, und trotzdem hat sich an der Massenarbeitslosigkeit nichts geändert.
In dieser Zeit sind auch die Gewinne ganz enorm gestiegen, aber sie sind nicht investiert worden.
Im übrigen wissen auch Sie: Wenn Sie die Kaufkraft immer weiter reduzieren, organisieren Sie auch Umsatzrückgänge im Handel und im Dienstleistungsbereich und Produktionsrückgänge und damit Arbeitslosigkeit.
Dafür gibt es viele Ursachen. Über die Arbeitszeit habe ich schon gesprochen.
Hinzu kommt eine Steuergesetzgebung der Koalition, die zwar große Konzerne immer stärker begünstigt, aber den Mittelstand in seiner Existenz zunehmend gefährdet. Das gilt in besonderem Maße auch für die neuen Bundesländer. Denn die Steuererleichterungen, die Ihnen vorschweben - da haben Sie einfach nicht recht, Herr Solms - und die Sie umsetzen wollen, nützen den großen Konzernen und genau nicht den mittelständischen und kleinen Unternehmen. Wenn Sie z. B. die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer, die Gewerbekapitalsteuer reduzieren oder abschaffen, dann tangiert das den Mittelstand so gut wie überhaupt nicht, weil dieser diese Steuern nicht bezahlt. Es handelt sich nur um eine Geste an die großen Konzerne.
Nein, der Mittelstand hat in der F.D.P. seit Jahren keine Lobby mehr. Das muß einmal deutlich ausgesprochen werden.
Dadurch muß die PDS auch das übernehmen. Sie hätten das gern tun können, aber Sie haben das seit Jahren vernachlässigt.
Wir haben deshalb jetzt einen eigenen Unternehmerverband gründen müssen, weil sich die F.D.P. nicht mehr darum kümmert.
Natürlich verschweigen Sie regelmäßig den Zusammenhang, daß diese Steuern nur noch einen geringen Teil des Steueraufkommens überhaupt ausmachen. Ein Drittel des Steueraufkommens ist die Lohnsteuer, und die wird von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Land bezahlt. Das sprechen Sie in einer solchen Haushaltsdebatte nicht einmal aus.
Außerdem ist es gar nicht mehr lukrativ, in die Wirtschaft zu investieren. Dafür haben Sie doch gesorgt. Ich nenne Ihnen dazu zwei Zahlen: Während das Bruttoinlandsprodukt seit 1990 jährlich um ca. 2 % anstieg, stiegen die jährlichen Zuwächse der Finanzderivate um 53 % - eine wahre Explosion! Das Einkommen aus Vermögen bei den Unternehmen machte einmal 7 % aus und liegt heute bei 50 %. Das heißt, es wird nicht mehr gewirtschaftet, es wird nur noch spekuliert. Das ist das eigentliche Problem.
Die Bankpleite in Großbritannien ist ein Signal dafür, wohin die Verlagerung von Produktions- zum Finanzkapital führen kann. Es wird jetzt schon deutlich, daß wir einen Überhang an Geld haben, der irgendwann zu einem schlimmen Schwarzen Freitag führen kann.
Es ist auch falsch, wenn die Bundesregierung behauptet, daß eine solche Bankpleite in Deutschland nicht passieren könnte. Eigentlich müßten sofort gesetzliche Schritte unternommen werden, um wenigstens Produktionsunternehmen Devisenspekulationen zu untersagen. Denn bei solchen Spekulationen hat die deutsche Metallgesellschaft bei Öltermingeschäften Milliardenverluste gemacht. Verluste machten auch VW, die Münchner Rückversicherung und andere Konzerne. Wenn aber Produktionsunternehmen solche Devisenspekulationen betreiben und dabei erhebliche Verluste erleiden, dann müssen sie zum Ausgleich dafür in ihre Produktionsstruktur eingreifen; daß heißt, sie gefährden Arbeitsplätze. Deshalb muß der Gesetzgeber hier Stoppschilder aufstellen.
- Ach, Mensch, lassen Sie doch Ihre blöden Zwischenrufe, die wirklich ohne jede Substanz sind! Sie haben doch gar keine Ahnung von der DDR. Ihr können Sie wirklich viel vorwerfen; nur, mit Devisen war sie nicht reichlich bestückt, und deshalb konnte sie damit auch nicht allzuviel spekulieren.
Ich will Ihnen etwas sagen: Der amerikanische Nobelpreisträger für Ökonomie James Tobin - der ist nicht Mitglied der PDS - hat errechnet, daß weltweit jährlich 360 Milliarden Dollar eingenommen werden könnten, wenn nur ein halbes Prozent Steuern auf diese Derivatgeschäfte erhoben werden würde. Diese Geschäfte machen in der Bundesrepublik jährlich 6 000 Milliarden Mark aus. Überlegen Sie sich: ein halbes Prozent Steuern, das wäre eine Mehreinnahme von 30 Milliarden DM für Ihre Kasse, Herr Waigel! Und 2 % ergäben 120 Milliarden DM. Ich finde, 2 % Steuern auf diese Art von Geschäften, das könnte doch glatt noch eine Forderung der CDU/
Dr. Gregor Gysi
CSU sein. Dann könnte die SPD in scharfer Opposition 3 % fordern, und dann ahnen Sie, was wir fordern würden und was man damit in der Gesellschaft alles anfangen könnte zur Schaffung von sozialer Gerechtigkeit und zur Schaffung von Arbeitsplätzen.
Ich muß mich hier noch mit Herrn Fuchtel kurz auseinandersetzen, der bestritten hat, daß es Armut in unserer Gesellschaft gibt. Herr Fuchtel, ich möchte gern einmal - -
Herr Kollege Gysi, Sie müssen zum Schluß kommen.
Ich bin gleich fertig. - Ich habe eine Bitte: daß Sie mal in meine Abgeordnetensprechstunde kommen und einer Frau aus den neuen Bundesländern,
die mir nachweist, daß sie im Monat 600 Mark hat, erklären, wie sie davon leben soll. Ich kann das nicht. Ich habe noch nie von so wenig Geld gelebt. Und Sie können es auch nicht!
Also legen Sie wenigstens Ihre reiche vermögensmäßige Arroganz ab, die Sie hier an den Tag legen, wenn Sie über Schicksale sprechen, von denen Sie nichts verstehen!
Dem Haushalt können wir nicht zustimmen; denn er ist ein Haushalt der Rüstung, der Arbeitslosigkeit, des Sozial-, Kultur- und Bildungsabbaus. Sie werden verstehen: Das ist ein bißchen viel auf einmal.
Herr Bundeskanzler, in Kürze begehen Sie Ihren 65. Geburtstag. Ich wünsche Ihnen wirklich aufrichtig Gesundheit, Wohlergehen, persönliches Glück - und den verdienten Ruhestand.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst bedanke ich mich für diese guten Wünsche. Wer 65 wird, kann gar nicht genug gute Wünsche bekommen. Wer Bundeskanzler ist, braucht sie um so mehr. Ich bin vor allem dankbar, daß Sie die Wünsche zur Gesundheit von den Wünschen zur Amtszeit abgesetzt haben. Wenn Sie Ihre Meinung zum letzten Punkt nicht ausgesprochen hätten, würden viele unserer Freunde in Deutschland an mir zweifeln. Ich denke, bei dieser Arbeitsteilung bleiben wir.
Wenn ich gesund bleibe, hoffe ich, daß der erste Teil Ihres Wunsches so in Erfüllung geht. Über den zweiten Teil, Herr Abgeordneter, entscheiden die Wähler. Da sehe ich - mit großer Genugtuung - die Dinge auch für die Zukunft auf einem guten Weg.
- Haben Sie jetzt schon wieder Angst wegen der zukünftigen Kandidatur? Ich muß Sie einmal ein bißchen aus Ihrer Lethargie herausreißen können.
Die Generaldebatte hat den Sinn, daß über die Regierungspolitik umfassend geredet wird. Diejenigen, die über sie schreiben und sie kommentieren, haben die Gewohnheit, schnell zu sagen: Die halten alle Fensterreden.
Man kann nicht über parlamentarische Arbeit lamentieren und gleichzeitig nicht zugeben wollen, daß ein Parlamentarier in der konkreten Situation an einem konkreten Tag ein bestimmtes Ziel hat. Der Oppositionsführer kann ja nun nicht das Ziel haben, zu sagen: Lieber Helmut Kohl, Sie werden 65, ich wünsche Ihnen ein langes Leben, eine lange Amtszeit. Dann ist er in seiner Partei ja ganz verloren,
zumal sein Nachbar von den GRÜNEN schon unüberhörbar Zweifel daran hegt, daß er das Klassenziel überhaupt je erreicht.
Also muß er hier herkommen und - das gehört sich ja auch so - gewaltig losdonnern. Das haben wir heute erlebt. Es war schon angekündigt worden: In der Fraktion gibt es Geraune; deshalb muß er zeigen, was er bringt. Er hat es gebracht: in scharfen Angriffen, mit wilden Worten.
Es ist eine Republik entstanden, die mit der unsrigen gar nichts mehr zu tun hat.
Das blanke Elend quoll aus diesem Saal. Deswegen streben viele unserer Landsleute jetzt mit großem Tempo - Ostern steht bevor - in den zweiten Urlaubsabschnitt dieses Jahres.
Also, Herr Kollege Scharping, ich will Ihnen ganz einfach sagen: Ich habe viel Verständnis für das, was heute bei Ihnen abgelaufen ist.
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
Ich erinnere mich immer an meine eigene Situation.
- Ich kann das noch einmal erzählen.
- Sie können es gar nicht oft genug hören.
Vielleicht nehmen Sie an diesem Punkt auch in Ihrer eigenen Fraktion ein bißchen mehr Vernunft an. Eigentlich spreche ich im Moment in Ihrem Interesse.
Als ich heute früh hierher kam, stand einer mit seinem Mikrophon da und fragte mich; Was sagen Sie zur Schwäche der Opposition? - Er war dann sichtlich enttäuscht, als ich sagte, ich hätte jetzt nicht die Absicht, mit ihm über die Opposition zu reden, sondern würde gleich im Bundestag meine Politik verteidigen. Da ich das Auf und Ab der Politik länger erlebt habe als viele andere, bin ich gegen solche vorschnellen Behauptungen. Aber Sie werden mir erlauben, Herr Vorsitzender Scharping, daß ich mich an meine eigenen Oppositionsreden erinnere, als ich, wie Sie, von Mainz hier hergekommen war, aus einem relativ ruhigen Dasein als Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz.
Ich war gerade ein paar Wochen da, da ging es auch bei uns in der Fraktion los. Wir waren damals in einer besonderen Situation. Die haben Sie jetzt auch - ich komme noch darauf zu sprechen -; aber ein bißchen anders war es schon. Da hieß es: Der bringt das nie. Dann bin ich von Rede zu Rede - wenn ich das heute lese, frage ich mich, warum ich das gemacht habe - auch immer schärfer geworden. Ich habe mich immer weiter von den Leuten draußen entfernt, und die Fraktion hat großen Beifall gegeben. Sehen Sie, so geht es auch Ihnen.
Nur, Herr Kollege Scharping, die Moral von der Geschichte ist: Es hat dann noch sechs Jahre gedauert.
Wenn Sie sich einmal vorstellen: Jetzt schreiben wir 1995.
- Darüber werden wir uns doch sicher einigen, gnädige Frau, daß es 1995 ist.
Und noch einmal sechs Jahre, lieber Herr Scharping, dann sind wir in einem neuen Jahrtausend. Überlegen Sie einmal, was das heißt!
Ich will noch einmal auf das, was ich vorhin gesagt habe, zurückkommen. Die Lage bei Ihnen ist natürlich anders. Bei uns gab es wenigstens nur einen präsumtiven Gegenkandidaten; bei Ihnen ist jedesmal ein anderer da. Man muß sich richtig daran gewöhnen.
Herr Ministerpräsident Lafontaine scheint heute nicht so gut gelaunt zu sein. Seine übliche joviale Art ist vielleicht nachher beim Reden wieder da. Ich hoffe das.
Dann kommt der Kollege aus Hannover.
Jetzt muß ich Ihnen schon sagen: Ich habe viel erlebt. Es haben auch manche meinen Sturz betrieben. Das ist ganz normal in einer demokratischen Partei. Aber eine der größten Unverfrorenheiten - das muß ich Ihnen schon sagen -, die einem Parteivorsitzenden zuteil wurde, ist der heutige Artikel Ihrer Stellvertreterin im „General-Anzeiger". Sie sollten diese Dame möglichst rasch ablösen. Das wäre ein Segen für die Sozialdemokratie und für die deutsche Demokratie. Das möchte ich Ihnen sagen.
Denn ein solches Maß - ich habe keine Freude daran; und auch der Kollege Solms hat keine Freude daran - an Illoyalität sollten wir nicht auch noch dadurch belohnen, daß wir es zitieren. Das sage ich noch einmal klar und deutlich.
Dann ein Zweites, das ich Ihnen auch sagen möchte: Ich habe noch einmal das Abstimmungsergebnis für die Frau Wehrbeauftragte angesehen, der ich an dieser Stelle noch einmal im Namen der Bundesregierung gratuliere.
Aber, lieber Herr Kollege Scharping, wenn Sie Führung anmahnen bei mir und der Bundesregierung, der Koalition: Wenn ich schon meiner Fraktion die Empfehlung gäbe, die Kollegin mit zu wählen, dann würde ich wenigstens versuchen, daß mindestens über 50 % sie wählen. Also, für Sie war es heute kein großer Tag mit diesem Ergebnis; wirklich nicht.
Sie sollten mit Ihrer Kritik, bevor Sie über andere reden - -
- Ihr Dazwischenrufen zeigt doch nur Ihr schlechtes Gewissen.
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl
Meine Damen und Herren, wir sprechen heute im Rahmen der Generalaussprache nicht zuletzt auch über die wirtschaftliche Lage. Sehen Sie, in unserer Erinnerung stehen die Debatten zur wirtschaftlichen Lage am Vorabend der Bundestagswahl - das war im September 1994, bei den ersten Reden über diesen Haushalt - und vom November 1993, als es um den 94er Etat ging. Herr Abgeordneter Scharping, wenn Sie noch einmal alles nachlesen, was Sie und Ihre Kollegen alles prophezeit haben, dann müssen Sie sich doch eigentlich fragen: Was wollen Sie uns noch an Prognosen über Weltuntergang bei uns in der Bundesrepublik zumuten?
Sie sind durch die Gegend gezogen und haben Katastrophengemälde gezeigt. Aber die Realität sieht doch bei allen Sorgen, die wir haben, ganz anders aus. Es ist doch nicht zu bestreiten, daß sich die Aufschwungkräfte in Deutschland durchsetzen. Wir erwarten für dieses Jahr ein Wachstum von ca. 3 %. Es ist doch unübersehbar, daß der Prozeß des wirtschaftlichen Aufschwungs vorankommt. In diesem Jahr werden wir in Ostdeutschland ein reales Wachstum von ungefähr 10 % haben. Wahr ist ebenfalls - das können Sie noch so lange bestreiten -, daß sich der Arbeitsmarkt zwar langsam, aber durchaus positiv entwickelt. Das gilt für Westdeutschland und ebenso für die neuen Länder.
Aber diese Entwicklung ist noch kein Grund zur Genugtuung. Jeder hier im Saal weiß, daß das Ziel, neue Arbeitsplätze zu schaffen und Arbeitsplätze zu stabilisieren, die Herausforderung der deutschen Innenpolitik bleibt. In allen vergleichbaren modernen Industrienationen erleben wir seit vielen Jahren, daß am Ende jeder Rezession der Sockel der Arbeitslosigkeit höher ist als zuvor. Das macht uns betroffen. Wenn Sie genau hinschauen, dann können Sie überall, gerade bei uns in Deutschland, unschwer erkennen, daß die Welle von Rationalisierungen, die über die Betriebe hinweggegangen ist und -geht und die zum Teil dramatisch schnell die Betriebsergebnisse verbessert hat, in vielen Fällen durch den Abbau von Arbeitsplätzen erkauft worden ist.
Hinzu kommt etwas, was ich für besonders wichtig halte, nämlich die Erkenntnis, daß im Wege des Ab- und Umbaus in den produzierenden Bereichen vor allem jene Arbeitsplätze abgebaut werden, die durch geringere Anforderungen gekennzeichnet sind. Anders ausgedrückt: Die geringer Qualifizierten haben schlechtere Möglichkeiten und bleiben eher außen vor oder werden freigesetzt. Deswegen ist die wichtigste Herausforderung der nächsten Jahre - das ist in anderen Ländern in Europa genauso -, daß wir Arbeitsplätze nicht nur im gehobenen Ausbildungssektor, sondern vor allem auch dort schaffen, wo früher etwa Hilfsarbeiter und ungelernte Arbeitskräfte ihre Chance hatten und wo heute besonders abgebaut wird.
Wir müssen uns auch überlegen, wo es neue Möglichkeiten gibt. Wir müssen beispielsweise angesichts der Entwicklung der Altersstruktur in unserem Lande mit Blick auf die Pflege die Chance eröffnen, daß viele Leute, Männer wie Frauen, in diesem Bereich einen Arbeitsplatz finden. Ich halte es für sehr wichtig, daß wir die Anforderungen nicht so hoch setzen - ich sage das bewußt so -, daß später viele wiederum keine Chance haben.
So schwierig dies ist, ich bin dennoch der Auffassung, daß wir durch gemeinsame Bemühungen der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerorganisationen, der Gewerkschaften und der Wirtschaft, der Politik und der öffentlichen Hand das Notwendige zur Transparenz und zur Flexibilisierung beitragen.
Ich bin nach wie vor völlig unzufrieden, daß wir in der Frage der Teilzeitarbeit nicht richtig vorankommen. Ich erwarte mir von diesem Bereich nicht das Heil für alles. Aber es ist doch ganz unbestreitbar, daß es auf die Dauer nicht vernünftig sein kann, daß es in Deutschland nur 14 % oder 15 % Teilzeitarbeitsplätze gibt, während es z. B. in den Niederlanden 34 % oder 35 % sind. Es darf auch nicht so sein, daß jetzt wieder die Diskussion geführt wird - übrigens nicht zuletzt im öffentlichen Dienst; ich nehme hier Bund, Länder und Gemeinden durchaus zusammen -, daß Teilzeitarbeit eine Sache der Frauen ist. Das halte ich für ganz falsch. Die Chancen, die sich hier eröffnen, müssen wir wahrnehmen. Die gesetzlichen Voraussetzungen sind da.
Es ist für mich kein Trost, daß wir im Verhältnis zu anderen Ländern immer noch besser dastehen. Wir haben vom Frühjahr 1983 bis 1990 über drei Millionen neue Arbeitsplätze in der alten Bundesrepublik geschaffen.
Warum soll es denn nicht möglich sein, auch auf diesem Feld mit gemeinsamer Anstrengung wieder ein gutes Stück voranzukommen?
Meine Damen und Herren, auch wenn es stimmt, daß die Bundesrepublik Deutschland unter den großen Industrieländern nach Japan die niedrigste Arbeitslosenrate aufweist, besteht keine Anlaß, sich auszuruhen und sich zu feiern.
Wir haben Erfolge beim Thema Jugendarbeitslosigkeit. Es ist weniger ein Verdienst der heutigen Generation als der Generation vor uns, daß mit dem dualen System eine erstklassige Chance für junge Leute geschaffen wurde, rechtzeitig eine gute Ausbildung zu bekommen.
Es ist doch bemerkenswert, daß unsere Jugendarbeitslosenrate nur ein Viertel des europäischen Durchschnitts beträgt. Der EU-Durchschnitt liegt bei 19,5 %, in der Bundesrepublik sind es knapp 5 %.
Im Hinblick auf die Kapitalmarktzinsen in den großen Industrieländern haben wir eine günstige Position. Ich begrüße ausdrücklich die Entscheidung des Zentralbankrats vom heutigen Tag - ich bekomme dies gerade von Bundesminister Bohl gereicht -, die für die Entwicklung unserer Konjunktur und die mo-
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netäre Situation insgesamt förderlich ist. Die Entscheidung geht in die richtige Richtung.
- Meine Damen und Herren, wenn ich dem Ministerpräsidenten des Saarlands schon nicht das Wasser reichen kann, kann ich ihm wenigstens das Papier reichen. Vielleicht ist das hilfreich.
Herr Abgeordneter Scharping, als Sie dauernd über die soziale Dimension der Politik klagten, haben Sie wie üblich völlig verschwiegen: Wir haben eine Inflationsrate, die jahrelang gesunken ist und jetzt bei 2,4 % liegt. Ich bleibe bei der These: Die beste Sozialpolitik für Rentner und viele Millionen Menschen mit kleinen Einkommen ist die Wahrung der Stabilität der Währung. Deswegen ist es entscheidend, daß wir uns darum kümmern.
Wolfgang Schäuble hat trotz Ihres Protestes vorhin zu Recht gesagt, daß wir eine Gratwanderung machen müssen: auf der einen Seite gewachsene internationale Verantwortung, auf der anderen Seite Verantwortung für unsere Währung und strikter Konsolidierungsbedarf. Bei allen Klagen, die von der deutschen Exportwirtschaft geäußert werden, ist doch unübersehbar, daß die Stabilität der D-Mark eine gute Sache ist. Können Sie sich die Debatte vorstellen, die heute stattfände, wenn die D-Mark in den Strudel geraten wäre?
Wir hätten gar nicht mehr anzutreten brauchen; Sie hätten doch im Chor vom Untergang der Republik gesungen.
Ich bin stolz darauf, daß sich unsere Politik, nicht zuletzt auch die Politik des Bundesfinanzministers - sein hohes internationales Ansehen hat sehr viel damit zu tun -, im Vertrauen in die D-Mark widerspiegelt.
Daß wir die enormen Sonderbelastungen für den Staatshaushalt in den letzten vier Jahren nicht einfach wegstecken können, ist auch wahr. Ich habe jetzt erste Notizen über neue IWF-Zahlen, die in ein paar Tagen erscheinen werden, gelesen. Ich finde es schon sehr bemerkenswert, daß das Urteil über die Bundesrepublik Deutschland nicht nur sehr viel positiver ausfällt, sondern daß darin auch ein kleines
Stück Anerkennung für die einmalige Leistung enthalten ist, die deutsche Einheit finanziell verkraftet zu haben.
Meine Damen und Herren, man muß auch das deutlich sagen: Bei alldem, der deutschen Einheit, dem Wiederaufbau und der Angleichung der Lebensverhältnisse in den neuen Ländern bei gleichzeitiger schwerer Rezession, der schwersten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, haben wir über 146 Milliarden DM Unterstützungsleistungen für Osteuropa gegeben. Allein für die neuen unabhängigen Staaten, vor allem für Rußland, haben wir pro Kopf zehnmal soviel gezahlt wie beispielsweise die Französische Republik und die Vereinigten Staaten von Amerika. Das gehört doch auch zum Bild Deutschlands in dieser Zeit.
Weil hier wieder zum Teil absurde Vorstellungen über den Bereich der Innenpolitik im Hinblick auf Asylbewerber geäußert wurden: Es ist doch auch wahr, und das hat viel mit der Solidarität im Bereich der finanziellen Unterstützung zu tun, daß die Bundesrepublik Deutschland mit weitem Abstand die meisten Flüchtlinge und Asylbewerber in der Europäischen Union aufnimmt, und zwar mehr als 70 %.
Meine Damen und Herren, wenn wir gleichzeitig im Vergleich der öffentlichen Verschuldung in Prozent des Bruttoinlandsprodukts im G-7-Bereich auf dem zweitbesten Platz stehen - die Bundesrepublik mit 53,7 %, die USA mit 64,2 %, bei einem OECD-Durchschnitt von 70,2 % -, dann ist natürlich viel zu tun. Ich bin der letzte, der sagt, wir hätten in diesen vier, fünf Jahren alles richtig gemacht. Wir haben dazugelernt und haben uns verbessern müssen, aber insgesamt ist das eine gewaltige Leistung, und sie wird in der ganzen Welt anerkannt.
Und dann, Herr Abgeordneter Scharping, haben Sie mich in der Auseinandersetzung mit meinem Amtsvorgänger in den 70er Jahren zitiert. Nun, meine Damen und Herren, die Schulden, die damals aufgelaufen waren, waren nicht Schulden infolge der deutschen Einheit und der Hilfe für Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Es waren hausgemachte Probleme, die Sie damals zu vertreten hatten.
Daß man das ändern konnte, haben wir ja ebenfalls bewiesen. Wir haben zwischen 1982 und 1990 den Anteil der Staatsausgaben am Sozialprodukt zurückgeführt und sind wieder auf eine Staatsquote in der Nähe von 46 % gekommen. Sonst wäre die deutsche Einheit 1990 und in den folgenden Jahren gar nicht finanzierbar gewesen. Das ist doch die Realität.
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Das heißt - und dazu bekenne ich mich auch: Wir müssen jetzt von unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern verlangen, daß wir diese Finanzierung gemeinsam solidarisch tragen. Zugleich müssen wir den Kurs der Haushaltskonsolidierung fortsetzen. Die Begrenzung der Staatsausgaben wird natürlich nicht überall Freude erwecken. Dennoch, Theo Waigel hat recht mit dem, was er hier vor ein paar Tagen gesagt hat. Das Jahr 1996 wird ein Jahr der Steuersenkungen - immerhin mit einer Gesamtentlastung von 30 Milliarden DM - werden.
Nun gibt es, weil Sie in der SPD sich vom solidarischen Denken verabschiedet haben, eine große Diskussion im Blick auf den Solidaritätszuschlag. Meine Damen und Herren, ich finde, das, was sich hier entwickelt, gehört zu den erbärmlichen Schauspielen der jüngeren deutschen Geschichte.
Ich füge ausdrücklich hinzu: Sie sind bei dieser Haltung nicht allein, leider. Ich habe noch die vielen Stimmen im Ohr, die mir zugerufen haben: Du mußt nur Opfer verlangen! Die Leute sind gern bereit, Opfer zu bringen!
Jetzt höre ich von dem einen oder anderen, daß Kirchenaustritte mit dem Solidaritätszuschlag zusammenhängen. Das ist theologisch eine sehr einfache Begründung.
Ich höre wiederum von anderen, daß das nicht zumutbar sei. Sie kennen das alles.
Ich habe eine ganz einfache Frage an jeden von uns. Die meisten, die hier im Saal sitzen, vor allem die, die aus Westdeutschland kommen, aus der alten Bundesrepublik, und die in meinem Alter oder etwas jünger sind, aber trotzdem dabei waren, haben doch erlebt, wie wir in den 50er und 60er Jahren an Weihnachten Lichter in die Fenster stellten. Es war dann die Rede von den „Brüdern und Schwestern im anderen Teil Deutschlands".
- An Ihrer Stelle würde ich diesen Zwischenruf nicht machen.
Denn als wir von den Brüdern und Schwestern im anderen Teil Deutschlands sprachen, hatten Sie längst die endgültige Trennung im Kopf. Sie haben das Recht verwirkt, für Brüder und Schwestern in ganz Deutschland zu sprechen. Da waren Sie auf der falschen Seite.
Und, meine Damen und Herren, dann waren doch auch die Feiertage, der 17. Juni. Da haben wir uns versammelt.
- Ja, Sie waren nicht dabei. Man konnte damals auch gern auf Sie verzichten, um das klar und deutlich zu sagen.
Wir haben immer wieder gesagt: Wir wollen die Einheit. Wir wollen, wenn es auch Geld kostet, alles tun. Es sind damals in der deutschen Diskussion von den großen demokratischen Parteien ganz andere Summen genannt worden. Ich will sie gar nicht aufzählen.
Jetzt haben wir für ein paar Jahre Opfer zu bringen. Wir werden den Solidaritätszuschlag so früh wie möglich abschaffen, aber erst dann, wenn es vertretbar und verantwortbar ist.
Wenn auf Kirchentagen und bei anderer Gelegenheit von den Brüdern und Schwestern in Afrika, Asien und Lateinamerika gesprochen wird, dann ist es auch angemessen, von den Brüdern und Schwestern in Rostock und Frankfurt/Oder zu reden, die unsere Unterstützung brauchen.
Besonders schäbig ist das Spiel, das Sie von der SPD jetzt in der Landtagswahl getrieben haben, indem Sie in Hessen den Leuten sagen: „Ihr zahlt zuviel" und Sie dann ein paar Kilometer über die Grenze nach Thüringen gehen und sagen: Ihr bekommt zuwenig. Das ist keine Politik!
Wenn ich, meine Damen und Herren, über die wirtschaftliche Entwicklung rede, dann muß ich ein kurzes Wort - es war in der Debatte ja viel davon die Rede, nicht nur heute, sondern in diesen Tagen - zum Standort Deutschland sagen. Zu den Elementen des Standortes Deutschland gehört eine sichere, eine kostengünstige, eine umweltfreundliche Energieversorgung.
Bis vor wenigen Jahren waren wir uns doch auch völlig einig, daß ein ausgewogener Energiemix von Mineralöl, Erdgas, Kohle, Kernenergie und erneuerbaren Energien sowie Energiesparen eine der entscheidenden Voraussetzungen ist, um Ökonomie und Ökologie miteinander zu verbinden.
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Sie, meine Damen und Herren von der SPD, haben sich davon verabschiedet. Die Begründung, die Sie bis heute geben, ist überhaupt nicht überzeugend, denn Ihre eigenen politischen Freunde in anderen Ländern Europas haben wenigstens einen Weg des Übergangs gefunden.
In Schweden hat eine Volksabstimmung - nicht einmal eine parlamentarische Abstimmung - eine bestimmte Entscheidung gegen Kernkraft erbracht. Die folgende Regierung - die jetzige, sozialdemokratisch geführte Regierung macht es genauso - hat versucht, eine Übergangslösung über Jahrzehnte hinaus zu erreichen, trotz des Ergebnisses der Volksabstimmung.
Man mag ja darüber streiten, was im Jahr 2020 oder 2030 sein wird. Aber es kann doch nicht vernünftig sein, jetzt dafür zu kämpfen, daß die weit über 20 Kernkraftwerke in der früheren Sowjetunion bzw. den Nachfolgerepubliken, die das Sicherheitsniveau von Tschernobyl haben, geschlossen werden. Es kann doch angesichts der wirtschaftlichen Lage in diesen Regionen nur ein Narr verlangen, daß diese Kernkraftwerke geschlossen werden. Also müssen sie sicherer gemacht werden.
Wenn wir gleichzeitig die Chance, Sicherheitsverbesserungen vorzunehmen, unsere Industrie auf der Höhe der Zeit zu halten, vergeben, so ist das weder eine vernünftige Politik, noch nützt es dem Standort Deutschland. Es ist ein Ausstieg aus einem Stück Zukunft.
Im übrigen wissen Sie doch bei aller Diskussion um CO2-Einsparziele so gut wie ich, daß Sie das, was wirklich notwendig ist - das gilt jedenfalls für Deutschland und vergleichbare Länder in den nächsten Jahren gemeinsam -, mit einem Ausstieg aus der Kernkraft, wie Sie ihn proklamieren, nicht erreichen können.
Bei aller Unterstützung für Energiesparen und Nutzung erneuerbarer Energien - Sie finden mich bei all diesen Dingen völlig offen für ein Gespräch und für Entscheidungen - kann doch niemand glauben, daß die eigentliche Gefährdung im CO2-Bereich auf diese Art und Weise gestoppt und beseitigt werden kann.
Deswegen ist es wichtig, daß wir jetzt versuchen - in ein paar Wochen ist ja die Wahl in NRW vorbei; die saarländische Wahl war bereits -, zu einem Gespräch der Vernunft auch in Sachen Steinkohle zu kommen. Denn, meine Damen und Herren, so einfach, wie Sie es sich machen, vor allem der Ministerpräsident. von Nordrhein-Westfalen, ist es nicht. Er hat nun wirklich nichts getan. Seine Amtszeit ist lang, aber was er zur Strukturverbesserung mit Blick auf die Steinkohle getan hat, kann ich beim besten Willen nicht erkennen.
Sie rufen lautstark: Wir brauchen das Geld aus Bonn. In der nächsten Stufe sagen Sie dann: Wenn das Geld nicht kommt, dann machen wir einen Marsch auf Bonn. Mich beeindrucken Sie mit beidem überhaupt nicht.
Sie können jetzt bei den Energiegesprächen Punkt für Punkt sagen, was Sie wirklich wollen. Aber es kann nicht angehen, daß, wenn es um die Sicherung der Arbeitsplätze der Bergarbeiter geht, wir, der Bund, dafür zuständig sind und Sie für die Propaganda vor Ort.
Vielmehr sind Sie genauso in Bund und Ländern - in den Ländern haben Sie die Mehrheit - für einen vernünftigen Energiemix in der Zukunft verantwortlich und dafür, daß in Deutschland Ökonomie und Ökologie versöhnt werden, daß wir die Schöpfung bewahren.
Wenn Sie sich an Ihren Hoffnungspartnern, wie Sie glauben, bei den GRÜNEN, orientieren, werden Sie keine Zukunft gewinnen.
Denn die GRÜNEN können diese Position nur vertreten, weil sie sicher sind, daß andere die Zukunft sichern.
Zu meinem Erstaunen sind heute von Ihrer Seite, Herr Abgeordneter Scharping, aber auch von anderen unsere Beziehungen und unser Verhältnis zum Nachbarn Polen in die Debatte gebracht worden. Es gehört schon ein ziemlich kurzes Gedächtnis dazu, den CDU-Vorsitzenden zum Thema Polen anzusprechen.
Zunächst einmal lege ich Wert auf die Feststellung, daß wir in der Christlich Demokratischen und Christlich-Sozialen Union - das war immer auch die Politik in den Koalitionen mit den Freien Demokraten - den Satz aus der Regierungserklärung Konrad Adenauers von 1949 ganz wichtig nahmen. Er sagte damals ungefähr - ich formuliere das einmal aus dem Gedächtnis -: Wir wollen Aussöhnung und Frieden mit allen unseren Kriegsgegnern von gestern - vor allem mit Frankreich und mit Polen - und auch mit dem Staat Israel. Ich denke, unsere Politik hat in all diesen Jahren dazu beigetragen, dieses Ziel zu erreichen oder ihm näherzukommen.
Mit Blick auf Israel hat das heute nacht der israelische Ministerpräsident in seiner öffentlichen Erklärung noch einmal deutlich gemacht. Im Blick auf Frankreich - auch da habe ich Sie überhaupt nicht verstanden - haben wir doch Beziehungen entwikkelt, von denen wir vor 50 Jahren nur träumen konnten.
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Herr Abgeordneter Scharping, daß es da Interessengegensätze gibt und daß man nicht in Paris sagen kann: So wird es gemacht, und wir dem nur nachfolgen, sondern daß wir auch einmal sagen: Wir möchten etwas anderes, das ist doch unter Freunden normal.
Wenn die Beziehungen so schlecht wären und die Repräsentanten der deutschen Politik, Klaus Kinkel oder Helmut Kohl, so schlecht wären, wie wäre es dann überhaupt zu erklären, daß die französischen Spitzenkandidaten so großen Wert darauf legen, mit Bildern von uns im Wahlkampf aufzutreten?
- Das ist doch die Wahrheit.
Als Vorsitzendem der Sozialdemokraten in Europa muß Ihnen doch aufgegangen sein, daß Ihr Kollege Jospin nach Deutschland kam, um zu demonstrieren, wie sehr ihm an der deutsch-französischen Freundschaft und am Kontakt zu bestimmten Persönlichkeiten gelegen ist. Also, verschonen Sie uns wirklich damit.
Ich spreche das Thema Polen an, weil ich hier meine Erfahrungen mit deutschen Sozialdemokraten habe. Einige sind ja noch im Bundestag, die das miterlebt haben. Wir hatten in der CDU/CSU eine scharfe, schwierige Diskussion in den Jahren 1975/ 76, als es um den sogenannten großen Vertrag zwischen Deutschland und Polen ging; Sie wissen das. Es gab wilde Debatten hier im Bundestag, in denen die Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion dagegen gestimmt hat. Wir haben dann nach einer dramatischen Entwicklung am 12. März 1976 mit der Mehrheit aller Stimmen der CDU/CSU-geführten Länder - ohne uns wäre nichts geschehen - im Bundesrat den Vertrag akzeptiert. Alle Ministerpräsidenten einschließlich meines Freundes Alfons Goppel, des Bayerischen Ministerpräsidenten, haben zugestimmt.
Herr Scharping, ich erwähne es deswegen, weil ich damals erlebt habe, wie weit parteitaktisches Denken bei Ihnen gehen kann. Sie haben an jenem Tag fest damit gerechnet, daß wir auf Grund unserer großen inneren Schwierigkeiten keine Mehrheit zustande brächten. Sie hatten schon Millionen Fluglätter gedruckt, um uns im Wahlkampf als diejenigen anzuprangern, die die Polen-Verträge zerstören wollen. Sie haben damals schäbig gehandelt, und Sie haben heute zu diesem Punkt schäbig gesprochen.
Dann war da noch das Wort von der Solidarnosc.
- Ich komme zum 8. Mai, aber ich lasse mir von Ihnen überhaupt nicht vorschreiben, worüber ich zu reden habe. Sie sind der letzte in diesem Haus, der mir dazu einen Grund geben kann.
Also, dann war hier die Rede von Solidarnosc. Herr Fraktions- und Parteivorsitzender Scharping, wo war denn die deutsche Sozialdemokratie 1981/82? An der Seite der Solidarnosc? Wer hat denn von den deutschen Parteien dieser neu aufkommenden Gruppierung die ersten, auch materiellen, Unterstützungen gegeben? Hier sitzt Norbert Blüm, der Ihnen bestätigen wird, wer die Gespräche mit dem jetzigen Präsidenten der Polnischen Republik geführt hat. Ich habe keinen Bedarf an Nachhilfeunterricht in Sachen Polen, in Sachen Solidarnosc und in Sachen Freiheit in Polen.
In Polen käme auch niemand auf den Gedanken, das zu sagen, was Sie hier gesagt haben.
Denn die politische Führung, auch die jetzt gerade neu ins Amt gekommene polnische Regierung, der Ministerpräsident wie der Außenminister, und ganz gewiß der Staatspräsident, wissen sehr genau, daß die Bundesregierung und hier insbesondere der Bundesaußenminister und auch ich bei jeder Gelegenheit das Notwendige getan haben, um Polen etwa den Weg in die Europäische Union zu ebnen. Wenn Sie sehen, was Volker Rühe im Bereich der NATO tut, dann kommen Sie zur gleichen Erkenntnis. Sie konnten vor wenigen Wochen in den Zeitungen lesen, was der polnische Ministerpräsident anläßlich des EU-Gipfels in Essen zu diesem Thema gesagt hat und daß er sich bei den Deutschen bedankt hat.
Was soll das also? Wenn Sie unsere Politik nicht mögen, ist das Ihre Sache. Sie sollten aber eine Grundausstattung an Fairneß haben und die Dinge nicht so ganz falsch darstellen.
Jetzt erlauben Sie mir ein Wort zu der Gedenkfeier am 8. Mai. Ich versuche wieder zu dem Thema zu kommen, um das es hier eigentlich geht und das doch jeden von uns berührt, gleich, ob er in jenen Tagen schon dabei war oder später geboren ist.
Meine Damen und Herren, am 8. Mai jährt sich zum 50. Mal das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. Das muß für uns alle in allererster Linie ein Tag des Gedenkens und der Selbstbesinnung sein, auch bei ganz unterschiedlichen Lebensläufen.
Wir erinnern uns an diesem Tag an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, an die Millionen ermordeter Juden, an die ermordeten Sinti und Roma und an viele andere. Wir erinnern uns auch an das Leiden unschuldiger Männer, Frauen und Kinder aus anderen Völkern wie auch aus unserem eigenen Volk.
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Millionen von Soldaten aus vielen Nationen ließen auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs, den Hitler entfesselt hatte, ihr Leben. Millionen gerieten in Kriegsgefangenschaft, viele kehrten als Kriegsversehrte in die Heimat zurück.
Wir haben guten Grund, an diesem Tag auch derer zu gedenken, die bei Flucht und Vertreibung Schlimmes erlebt haben und die ganz unschuldig waren, die nicht für sich als einzelne die Verantwortung zu tragen hatten, die aber in die Kollektivschuld unseres Volkes geraten sind.
Wir gedenken an diesem Tag der Frauen, die vergeblich auf ihre Männer gewartet haben, und der Mütter, die vergeblich auf ihre Söhne gewartet haben. Wir gedenken der vielen Kinder, die im Zweiten Weltkrieg Vater oder Mutter verloren haben.
Das Kriegsende bedeutete für uns Deutsche die Chance zum Neubeginn. Es ermöglichte Frieden und Versöhnung zwischen den Völkern, hat dem größeren Teil unseres Volkes in der dann gegründeten Bundesrepublik 40 Jahre Freiheit geschenkt. 1990 kam dann die Wiedervereinigung.
Wenn man noch einen Sinn für die Würde unseres Volkes hat, kommt man zu dem Ablauf des 8. Mai, den wir überlegt hatten. Wolfgang Schäuble sprach davon. In den allerersten Gesprächen des Bundespräsidenten, der Bundestagspräsidentin und des Bundesratspräsidenten, der Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und des Bundeskanzlers waren wir uns einig, daß wir versuchen wollten, diesen Tag unter uns zu begehen. Es war gar keine Rede vom Einladen ausländischer Gäste. Das ist eine Überlegung, die man sehr wohl anstellen kann. Es war gedacht, daß der Bundespräsident wie schon vor zehn Jahren die Hauptrede hält und daß eine Ansprache der beiden Parlamentspräsidenten - Bundestagspräsidentin und Bundesratspräsident - die Rede des Bundespräsidenten einrahmt. Das war unsere Vorstellung.
In diese Vorbereitung kam dann, und zwar plötzlich - ich bin dennoch dafür sehr dankbar -, der Wunsch des französischen Präsidenten François Mitterrand, an diesem Tag in Deutschland zu sprechen. Wenn François Mitterrand einen solchen Wunsch deutlich macht, muß man gleichzeitig auch bedenken, daß am Tag vor dem 8. Mai, am 7. Mai, die Stichwahl für die Wahl des Präsidenten der Französischen Republik stattfindet, daß heißt, daß in der darauffolgenden Woche seine Amtszeit endet.
Er selbst hat ja auch öffentlich erklärt, daß seine Rede auf den Champs-Elysées am Grabmal des unbekannten Soldaten am Morgen des 8. Mai sein letzter öffentlicher Auftritt in Frankreich sein soll. Nun ist François Mitterrand nicht irgend jemand: Er hat mehr als viele andere dazu beigetragen, daß in seiner 14jährigen Amtszeit die deutsch-französische Freundschaft sprichwörtlich in der Welt geworden ist.
Er hat in vielen Stationen dieser Jahre gemeinsam mit uns und nicht zuletzt mit mir als Regierungschef in Deutschland die Sache Europas vorangebracht. François Mitterrand ist in seinem Leben dreimal aus deutscher Gefangenschaft ausgebrochen.
Er hat unser Land - das ist in diesen Tagen in einer literarischen Würdigung deutlich geworden - in seinem kulturellen und geistigen Gehalt in einer Weise in sich aufgenommen wie wenige andere. Ich finde, wir haben allen Grund, stolz zu sein, daß dieser Mann am 8. Mai bei uns in Deutschland sprechen wird.
Das kann jeder nachvollziehen.
Angesichts der Tatsache, daß wir bis vor wenigen Jahren von den „vier Statusmächten" in Deutschland sprachen - diese Zeit liegt nicht so weit zurück, daß wir alles vergessen haben -, war es doch ganz naheliegend, die Überlegung anzustellen, daß wir die Vier Mächte, die für das, was dann zur deutschen Einheit führte, ganz entscheidend waren, einladen. Es ist nicht alles vergessen, was in diesen Jahrzehnten geschehen ist, beispielsweise die Garantie der Freiheit Berlins. So kommen Vizepräsident AI Gore, Premierminister John Major und der russische Ministerpräsident.
So entstand das Konzept, das der Würde unseres Landes, den Beziehungen zu unseren Freunden und Partnern entspricht und das - was mir vor allem wichtig ist - nicht rückwärtsgerichtet ist, sondern Perspektiven für die Zukunft aufweist.
In diesem Zusammenhang darf man, Herr Abgeordneter Scharping, auch daran erinnern, daß das Treffen jetzt in Berlin 50 Jahre nach Potsdam stattfindet. Auch jemand wie ich weiß noch, wer in Potsdam am Tisch gesessen hatte; ich brauche die Ermahnung nicht, die Sie mir vorhin gegeben haben. Es ist eigentlich ziemlich naheliegend, daß wir sagen: In diesen 50 Jahren haben wir - nicht allein die hier Sitzenden, sondern ganze Generationen vor uns; ich schließe alle meine Amtsvorgänger ausdrücklich ein - diesen Weg überhaupt möglich gemacht. Wir sollten das jetzt nicht kleinreden. Wir sollten stolz darauf sein, daß wir eine solche Möglichkeit haben.
Dann stellt sich die Frage, ob wir darüber hinaus noch andere einladen und ob wir, wenn wir jemanden einladen, jemanden einladen können, der nicht spricht. Ich brauche das nicht näher zu erläutern. Jeder spürt doch, wie schwierig so etwas ist.
Man kann den Kalender zur Hand nehmen und festlegen, wann man anfängt. Wenn Sie von Polen reden, dann müssen Sie natürlich auch die Frage nach Tschechien und der Slowakei stellen; allerdings liegen die entsprechenden Ereignisse zeitlich davor. Dann müßten Sie auch Norwegen, Dänemark, die
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Niederlande, Belgien und Luxemburg - ich könnte die Liste fortsetzen - nennen.
- Meine Damen und Herren von der PDS, das ist Ihre Meinung. Aber Ihre Meinung ist für mich deswegen völlig unerheblich, weil Sie über 40 Jahre mit all diesen Ländern ganz andere Beziehungen hatten. Sie sind doch in der Tschechoslowakei einmarschiert und nicht die Bundesrepublik Deutschland.
Ich empfinde es als ein starkes Stück Heuchelei, daß Sie vorhin von der Wiedergutmachung für die Juden gesprochen haben. Sie in der DDR haben doch überhaupt keine Wiedergutmachung an den Staat Israel geleistet.
Sie haben sich doch über Jahrzehnte hinweg vor Ihrer moralischen Verantwortung für das Unrecht, das in deutschem Namen geschehen ist, gedrückt. Insofern brauchen wir von Ihnen wirklich keinen Appell.
Ich will noch einmal sagen: Wer ruhig darüber nachdenkt, wird unschwer erkennen, daß der gewählte Weg der richtige ist. Ich bedaure, daß von polnischer Seite - ich will ausdrücklich bestätigen: in einer gutwilligen Weise und mit voller Anteilnahme am Schicksal der Deutschen - der Vorschlag zu einem solchen Zeitpunkt kam, daß wir über die Gründe, die wir haben, noch gar nicht haben reden können. Ich bin ganz sicher, daß im Parlament - nicht auf meinen Rat hin, Herr Abgeordneter Scharping; auch da ist das, was Sie gesagt haben, der Wahrheit zuwider -, in seinen Gremien und auch im Bundesrat überlegt wird, erstens die Chance zu haben, einen Redner von Gewicht aus Polen bei uns in diesen Tagen als Gast zu sehen. Zum zweiten finden wir leicht eine Möglichkeit, bei dem Besuch des polnischen Staatspräsidenten hier im Deutschen Bundestag seine Rede mit jener Erwartung zu hören, die viele an diese Diskussion geknüpft haben.
Ich sage noch einmal: Wir wollen Ausgleich mit unseren polnischen Nachbarn. In den Ländern, die ich soeben angesprochen habe und die man bei einer solchen Einladung mit nennen muß, hat mir der eine oder andere bedeutet, daß er diese Einladung lieber nicht erhält, weil sie innenpolitisch Schwierigkeiten machen könnte. Das alles wissen auch Sie.
Lassen Sie uns bitte zur sachlichen Betrachtung zurückkehren. Man mag ja unterschiedlicher Meinung sein; das respektiere ich doch. Aber diese Verbalinjurien - hätte ich beinahe gesagt -, die Sie damit verbunden haben, sind der Sache nicht gemäß.
Ich komme zum letzten Punkt: Wissen Sie, Herr Abgeordneter Scharping, ich stelle mich gerne Ihrer Kritik an unserer Außenpolitik. Natürlich machen wir da auch Fehler, denn wir müssen ja fast täglich Entscheidungen treffen. Nur, die Vorstellung, daß die Regierung und ich isoliert seien, ist mir neu. Ich kenne nicht einen einzigen Amtskollegen in Europa - gleich welcher Partei -, der Ihren Wahlsieg am 16. Oktober gewünscht hat. Das wissen Sie doch wirklich selber.
Wenn Sie einmal unter echten Klausurbedingungen in der Sozialistischen Internationale mit Bezug auf die europäischen Länder nachfragen, werden Sie zu einem erstaunlichen Ergebnis kommen.
Sie können übrigens auch über die europäischen Grenzen hinausgehen: Sie finden auch in anderen Teilen der Welt wenig Anklang, und zwar deswegen, weil Sie sich völlig isoliert haben. Sie vertreten doch die Politik, daß die Deutschen dort, wo es darum geht, Vorteile zu haben, Teil der Völkergemeinschaft sind, sich aber dort, wo es darum geht, Verantwortung zu übernehmen oder gar Opfer zu bringen, drücken. Das ist doch Ihre Position.
Herr Abgeordneter Scharping, Sie müssen uns wirklich nicht loben; das kann niemand erwarten. Aber ich wäre dann wenigstens ruhig bei der Frage, ob die Bundesregierung, der Bundesaußenminister, der Bundeskanzler und die Koalition, die diese Politik trägt, international nicht das notwendige Ansehen genießen. Am Ende dieses Jahrhunderts, in fünf Jahren, nach zwei schrecklichen Weltkriegen, nach zwei schrecklichen Diktaturen - erst einer braunen und dann einer roten Diktatur in einem Teil Deutschlands -, nach dem Furchtbaren, was in deutschem Namen geschehen ist und auf immer mit dem Namen Auschwitz verbunden sein wird - viele Jahrestage im Jahr 1995 erinnern uns daran -, bin ich glücklich und stolz, daß die großen demokratischen Kräfte - das ist nicht nur eine Frage meiner Partei - nach 1945 und vor allem nach 1949 nach Gründung der Bundesrepublik, ein neues Bild von Deutschland geschaffen, genauer gesagt: erarbeitet haben.
Das ist uns nicht in den Schoß gefallen. Es waren Millionen Menschen daran beteiligt. Es waren die Gewerkschaften mit ihrer internationalen Arbeit genauso daran beteiligt wie auch viele deutsche Unternehmer und Unternehmungen, die weltweit arbeiten. Es war eine ganze Generation nachwachsender junger Leute - denken Sie nur an das Deutsch-Französische Jugendwerk - daran beteiligt. Denken Sie auch an die Sportverbände, denken Sie an die Arbeit der Kirchen. Ich könnte noch vieles hinzufügen.
Wir haben die Wiedervereinigung trotz aller Bedenken und Befürchtungen, daß sich die Deutschen doch nicht geändert haben könnten, mit Zustimmung all unserer Nachbarn erreicht. Zugegeben: Die Zustimmung war zum Teil etwas reserviert. Aber sie ist letztendlich gekommen. Am 3. Oktober 1990 haben sich viele in Europa - jetzt spreche ich nicht nur von den Regierungen, sondern von den Menschen - daran erinnert.
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Wenn ich daran denke - er hat dann zwar Probleme bekommen, weil Kurzsichtigkeit überall zu Hause ist -, daß der Ihnen nicht gänzlich unbekannte Wiener Bürgermeister an diesem Tag - nicht in Erinnerung an 1938, sondern in der Hoffnung auf die Zukunft - Schwarz-Rot-Gold auf dem Wiener Rathaus aufziehen ließ, in Erinnerung an Freundschaft und Partnerschaft zwischen Deutschen und Österreichern nach dem Zweiten Weltkrieg wenn ich daran denke, was wir etwa auf den Champs-Elysées erlebt haben, als das deutsch-französische Korps an den Feierlichkeiten zum 14. Juli teilgenommen hat, finde ich: Damit können wir uns sehen lassen.
Sie müssen das, was Sie glauben sagen zu müssen, sagen. Ich bin ganz zufrieden mit der Erkenntnis, daß Sie außerhalb und innerhalb der deutschen Staatsgrenzen für Ihre Meinung nicht nur keine Mehrheit, sondern nicht einmal eine minimale Zustimmung finden.
Wir werden unseren Weg weitergehen für eine Politik für Frieden und Freiheit, für eine Politik des Umdenkens in einer sich dramatisch verändernden Welt. Wolfgang Schäuble hat deutlich gemacht, Herr Solms hat deutlich gemacht, was angesagt ist: ein Umdenken, das eben nicht in der bequemen Form zu erreichen ist, indem wir überall Besitzstände erhalten. Vielmehr werden wir über Besitzstände reden müssen, um Prioritäten neu zu setzen und die Zukunft zu sichern.
Die Bundesregierung wird auf diesem Weg vorangehen. In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung für den Haushalt. Ich sage Ihnen auch: Bei allen Diskussionen - das gehört zu einem aktiven politischen Leben in der Koalition - werden die Koalition von CDU/CSU und F.D.P. und diese Bundesregierung ihr Ziel erreichen, so wie in den vergangenen zwölf Jahren auch. Das ist immerhin ein Wort. Sie besteht bald länger als die Weimarer Republik. Deshalb hat unsere Politik auch Zustimmung gefunden.
Ich erteile jetzt dem Herrn Ministerpräsidenten Lafontaine das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat zum Schluß seiner Ausführungen die Außenpolitik seiner Regierung gewürdigt und darauf hingewiesen, auf wieviel internationale Zustimmung diese Außenpolitik stößt. Wer von der Opposition wollte dies beklagen, entspräche es den Tatsachen? Es ist aber - hierin wird mir jeder zustimmen - nicht in Ordnung, wenn in diesem Parlament ein Bild der Zustimmung zur Außenpolitik der Bundesregierung im gesamten Europa gezeichnet wird, das den Tatsachen schlicht und einfach nicht entspricht.
Beginnen wir mit Polen. Herr Bundeskanzler, Sie haben dieses schwierige Thema nicht sachgemäß behandelt. Niemand bestreitet, was Sie zur Politik Konrad Adenauers erwähnt haben. Ich stehe auch nicht an zu sagen, daß einige kritische Bemerkungen, die Sie hinsichtlich des Umgangs mit der Solidarnosc gemacht haben, durchaus berechtigt sein mögen. Zu Zeiten der Ostpolitik war es halt immer schwer, den Spagat zwischen den Regierenden und den Oppositionsgruppen richtig zu halten.
Aber davon war gar nicht die Rede. Die Rede ist von der jüngeren Geschichte, die Sie zu verantworten haben. Die Rede ist von Ihrer Weigerung, die polnische Westgrenze anzuerkennen. Diese Weigerung war ein schwerer politischer und diplomatischer Fehler, der heute noch nachwirkt.
Herr Bundeskanzler, wenn Ihnen entgangen sein sollte, wie isoliert Sie zur damaligen Zeit waren, hätte ich mir gewünscht, daß Sie beispielsweise den Film von Hajo Friedrichs über die deutsche Einheit gesehen hätten, der anläßlich seines Todes noch einmal gezeigt worden ist. Beispielsweise mußte Sie der amerikanische Präsident öffentlich zur Ordnung rufen. Diese Begebenheit aus dem Jahre 1990 habe ich noch nicht vergessen.
Sie wissen ganz genau, auf wieviel Unverständnis in Frankreich und England diese Ihre Politik gestoßen ist. Maggie Thatcher schrieb in ihren Memoiren: Helmut Kohl hinterließ den denkbar schlechtesten Eindruck.
Herr Bundeskanzler, von großer Zustimmung kann hier ja wohl nicht die Rede sein.
- Das ist auch nicht zum Lachen.
Ihre Weigerung, die polnische Westgrenze anzuerkennen, hat das deutsch-polnische Verhältnis schwer belastet. Herr Bundeskanzler, wenn Sie das heute immer noch nicht verstanden haben, dann tut uns das leid. In diesem Kontext ist die Frage zu sehen, ob der polnische Staatspräsident nicht vielleicht anders hätte behandelt werden müssen, als Sie ihn behandelt haben.
Es mag ja sein, daß Sie bis zu dem Zeitpunkt, als François Mitterrand darum gebeten hat, das Wort ergreifen zu dürfen, durchaus übereinstimmend vorgegangen sind. Aber spätestens dann hätte sich doch die Frage stellen müssen - nachdem der französische Staatspräsident um diese Einladung gebeten hat -, ob nicht auch eine besondere Einladung an den polnischen Nachbarn hätte ergehen müssen.
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
Darum geht es, Herr Bundeskanzler, und um nichts anderes. Dies kann man nicht mit irgendwelchen Einwänden vom Tisch fegen.
Ich möchte ganz leise etwas zur Diskussion über den 8. Mai sagen. Das scheint wirklich schwer zu sein. Herr Kollege Schäuble, Ihre Einlassung dazu war unter der Gürtellinie.
Es geht nicht darum, daß irgend jemand daran gehindert werden soll zu trauern. Mein Vater ist am 25. April 1945 gefallen. Wenn das Ende des Krieges früher gekommen wäre, bräuchte ich seinen Tod nicht zu betrauern. Ich bin der Auffassung, daß wir die Opfer und die Leiden nicht unbedingt am 8. Mai betrauern müssen, sondern wir betrauern sie ständig. Wir betrauern sie, wenn wir ihres Todestages gedenken
oder wenn wir der Tage gedenken, an denen das Unglück eingetreten ist.
Natürlich stellt niemand in Abrede, daß viel Unrecht auch nach dem 8. Mai 1945 geschehen ist. Natürlich nehmen wir am Los solcher Menschen Anteil und betrauern ihr Schicksal. Was wir beklagen, ist, daß sich viele immer noch weigern einzusehen, daß der 8. Mai 1945 das Ende der Schreckensherrschaft des Nazi-Systems war. Darum ging es.
Wenn Sie von der großen Zustimmung sprechen, die Sie in der internationalen Politik erfahren haben, muß ich Sie leider korrigieren. Es könnte allerdings sein, daß wir immer in verschiedenen Hauptstädten sind und mit unterschiedlichen Politikern sprechen.
- Ach, Herr Kollege Schäuble, Sie haben schon klügere Zwischenrufe gemacht.
Ich will dies gern am Beispiel François Mitterrands erläutern. Dies hat mich im Jahre 1990 belastet. Es trifft ja nicht zu, daß alles eitel Sonnenschein ist, wie Sie hier immer versuchen, es darzustellen. Sie, Herr Bundeskanzler, reden sich die Welt so schön, wie Sie glauben, daß sie aus Ihrer Sicht sein sollte. Das ist aber kein richtiges Herangehen an die Wirklichkeit.
Als Sie im Jahre 1989 den Zehn-Punkte-Katalog im Deutschen Bundestag vorgetragen -
- eine Sternstunde, höre ich hier - und damals keine
Zeit gefunden haben, den französischen Staatspräsidenten zu informieren, haben Sie einen schweren Fehler begangen, der das deutsch-französische Verhältnis bis zum heutigen Tage belastet.
Sie waren mitverantwortlich dafür, daß im Anschluß daran der französische Staatspräsident, Ihr Freund François Mitterrand, in der französischen Politik in enorme Schwierigkeiten kam. Er reiste nach Ost-Berlin, er reiste nach Kiew, und er mußte sich die Frage gefallen lassen, was er eigentlich wolle und was eigentlich das Ziel der französischen Politik sei.
Ich sage Ihnen: Den französischen Staatspräsidenten über diese entscheidende, richtungsweisende Rede im Deutschen Bundestag nicht informiert zu haben war für mich ein Bruch des Elysee-Vertrages, um dies einmal in aller Deutlichkeit zu sagen.
Hören Sie, Herr Bundeskanzler, also auf, von der großen Zustimmung im Ausland zu Ihrer Politik zu sprechen. Ich habe Ihnen einige Beispiele, die das Gegenteil belegen, genannt. Es wäre ebenfalls gut, wenn Sie nicht mit einer derartigen Selbstgewißheit hier an das Podium treten würden, so als hätte ganz Europa, von rechts bis links, von oben bis unten, nur auf Ihren Wahlsieg gewartet. Das ist doch ein bißchen Selbstüberschätzung. Nehmen Sie sich etwas zurück! Das wäre auch gut für das Ansehen der deutschen Außenpolitik, Herr Bundeskanzler.
Immer wenn Sie sich listig hier ans Pult pirschen und sich schon im vorhinein über den Humor freuen, den Sie vortragen werden, ist Aufmerksamkeit geboten. Und so unterrichteten Sie Rudolf Scharping darüber, daß Sie hier Reden als Oppositionsführer gehalten hätten, daß Sie da immer aggressiver geworden seien, daß Sie sich immer weiter von den Leuten entfernt hätten und daß die Fraktion großen Beifall geklatscht habe. Nun, großen Beifall haben Sie vorhin wieder von Ihrer Fraktion gehabt. Dies führt dann zu der Frage, ob Sie wirklich so nahe bei den Leuten draußen im Lande sind, wie Sie glauben, daß Sie derzeit seien.
Dabei, Herr Bundeskanzler, wollen wir Ihnen gar nicht absprechen - und Sie haben dem SPD-Vorsitzenden leider nicht genau zugehört -,
daß Sie mit Ihrer Rede durchaus die Empfindungen vieler Menschen in unserer Republik treffen und daß Sie durchaus auch viele Positionen vertreten, die mehrheitsfähig sind. Wer wollte das bestreiten?
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
Aber wenn man wirklich den Anspruch erhebt, sich nicht von den Leuten zu entfernen, dann muß man natürlich auch an die Minderheiten in unserem Volke denken,
weil sich eine Demokratie eben im besonderen durch den Umgang mit Minderheiten auszeichnet, und zwar mit dem Recht, daß ihre Anliegen hier zur Sprache kommen.
Deshalb sage ich Ihnen: Wenn der Oppositionsführer Rudolf Scharping hier von den Arbeitslosen, von den Obdachlosen, von den Sozialhilfeempfängern, von den vielen Menschen spricht, die in Not und Elend sind, dann geht es zwar um eine Minderheit, aber trotzdem muß von ihr gesprochen werden, denn diese Minderheit darf in unserem demokratischen Rechtsstaat nicht vergessen werden.
Sie haben die Arbeitslosigkeit angesprochen. Aber auch hier fehlt eine kritische Selbstreflexion. Sie setzen auf Wachstum. Sie zitieren die Statistik. Ich rate immer, sich die Statistik genau anzusehen. Die stolzen Zahlen, die Sie verkünden, relativieren sich nämlich schnell, wenn man sie analysiert hinsichtlich Vollzeitarbeitsverhältnissen, Teilzeitarbeitsverhältnissen und nicht sozialversicherungspflichtig abgesicherten Arbeitsverhältnissen. Wenn Sie sich einmal dieser Mühe unterzögen, dann würde Ihnen etwas auffallen. Dann würde Ihnen auffallen, daß Sie seit Jahren an einer Stelle eine falsche Politik betrieben haben.
Es ist nun einmal so, daß sich der Zuwachs unserer gesamten Wirtschaftsleistung über Jahrzehnte linear vollzieht und daß die Entwicklung der Pro-Kopf-Produktivität eben nicht linear verläuft, sondern stärker ist als der Zuwachs unserer gesamten Wirtschaftsleistung; man nennt das exponentiell. Bei einer solchen Entwicklung ist mehr Menschen ein Zugang zum Arbeitsleben nur zu ermöglichen, wenn man die Arbeitszeiten verkürzt.
Sie haben diese richtige Politik jahrelang mit der Formel „dumm, töricht und absurd" bekämpft. Sie sind also mitverantwortlich für Fehlentwicklungen, die sich in den letzten Jahren eingeschlichen haben.
Noch vor einiger Zeit sprachen Sie von einer Verlängerung der Arbeitszeit, die notwendig sei. Sie dürfen nicht auf das Kurzzeitgedächtnis setzen, Herr Bundeskanzler. Politik vollzieht sich in langen Wellen. Sie sprachen mit vielen Verbandsfunktionären von einer notwendigen Verlängerung der Arbeitszeit.
Es ist ja gut, daß Sie jetzt von dieser völlig falschen Rezeptur heruntergekommen sind; es ist ja gut, daß Sie jetzt die Wende vollzogen haben und daß Sie jetzt immer mehr über Teilzeit reden. Sie haben das in Ihrer Rede eben wieder getan. Teilzeit ist Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich. Wir begrüßen es, daß Sie jetzt endlich zu dieser Einsicht gefunden haben. Sie haben aber mehr als zehn Jahre dazu gebraucht, Herr Bundeskanzler.
Sie sprachen von der Stabilität der D-Mark und von ihrer Stärke. Ich bedanke mich für die Information über die Entscheidung des Zentralbankrates, die Sie mir freundlicherweise zukommen ließen. Ich hoffe, daß Sie mir das Papier auch noch nach meiner Rede gegeben hätten. Es ist nun einmal meine Aufgabe, Herr Bundeskanzler, auf die Schwachstellen Ihrer Politik aufmerksam zu machen.
Ich möchte, was die Stärke der D-Mark angeht, zur Vorsicht raten, Herr Bundeskanzler. Auch der Dollar war beispielsweise zu Zeiten Ronald Reagans sehr stark.
Ob dies ein Ausdruck besonders rationaler ökonomischer Politik war, mag zumindest dahingestellt sein.
In Amerika wird das heute anders gesehen. Daß Sie diese Zusammenhänge nicht richtig würdigen und damit zu politischen Fehlern kommen, ergibt sich aus Ihrer Betrachtung des Verschuldungsgrades der Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland. Ich habe es mir aufgeschrieben: Auf das Sozialprodukt bezogen beträgt der Verschuldungsgrad bei uns 53 % - nun will ich nicht darüber rechten, wie viele Nebenhaushalte dabei noch nicht berücksichtigt sind; das ist für meine Betrachtung unwichtig - und in den Vereinigten Staaten 64 %.
Nur, verehrter Herr Bundeskanzler, das entscheidende Problem ist dabei nicht berührt: Das Problem, mit dem wir konfrontiert sind und das wir nicht gelöst haben, ist der rapide Anstieg der Staatsverschuldung in den letzten Jahren. Dieses Problem muß gelöst werden. Das kann man nicht wegreden mit dem Hinweis darauf, daß die Amerikaner ja schon viel früher angefangen haben, sich über beide Ohren zu verschulden.
Hier möchte ich durchaus selbstkritisch eine Reflexion aufgreifen, die auch aus Ihren Reihen gekommen ist und vom Bundesfinanzminister zu Recht immer wieder eingewandt wird: Wir stehen alle in der Pflicht der Konsolidierung. Es hat keinen Sinn, populäre Forderungen nach Steuersenkungen in die Welt zu setzen, aber nicht zu sagen, wie das Ganze gegenfinanziert werden soll. Es hat ebenfalls keinen Sinn, immer wieder Forderungen zu erheben und nicht zu sagen, wie das gegenfinanziert werden soll. Das trifft dann in der Regel die Opposition. Es hat
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
keinen Sinn, sich an diesen Grundregeln solider Finanzpolitik vorbeizumogeln. Daher möchte ich auch in meiner Funktion und in meiner Verantwortung für den Bundesrat dies hier in aller Klarheit sagen.
Wenn Sie aber, Herr Bundeskanzler, in diesem Zusammenhang die Argumentation der SPD, was den Solidaritätszuschlag angeht, als erbärmlich bezeichnen, dann haben Sie die Debatte in der letzten Zeit wohl nicht richtig mitbekommen.
Es waren doch nicht die Sozialdemokraten, die als erste angefangen haben zu sagen: Wir müssen die Steuern sehr schnell senken. Ich habe hier oft die finanzpolitischen Reden für die Sozialdemokraten gehalten. Ich habe bei meiner ersten Rede den Finanzminister bestärkt und gesagt: Geben Sie bei Steuersenkungsforderungen nicht so leicht nach, ehe wir nicht bestimmte Probleme gelöst haben. Es war zunächst einmal vielmehr Ihr Koalitionspartner, der immer wieder gesagt hat: Es müssen jetzt schleunigst die Steuern gesenkt werden. Wenn Sie also den Esel meinen, dann hauen Sie auch den Esel, und schlagen Sie nicht nach dem Sack!
Ich habe natürlich mit einer gewissen Skepsis aufgenommen, daß auch der geschätzte Kollege Waigel es zu einer bestimmten Zeit nicht lassen konnte, als Weihnachtsmann durch die Lande zu ziehen und große Steuersenkungspakete zu verkünden.
Sie wurden heute in einer Tageszeitung darauf aufmerksam gemacht, daß es fair wäre, die zusätzlichen Belastungen gegenzurechnen. Dann relativiert sich nämlich die Summe, die auf die Bürgerinnen und Bürger in Form von Steuern und Abgaben zukommt und die Sie in die Welt gesetzt haben. Das würde der Redlichkeit entsprechen und ist für die Bürgerinnen und Bürger, die uns zuhören, sicherlich von Bedeutung.
Nein, es hat keinen Sinn, sich mit Steuersenkungsversprechen zu überbieten, Forderungen zu erheben und gleichzeitig so zu tun, als könne man das Ziel der Haushaltskonsolidierung in vollem Umfang erfüllen.
An dieser Stelle zeigt sich die besondere Schwäche der jetzigen Koalition: Was war das für ein Hin- und Hergewürge um den Kohlepfennig und seine Gegenfinanzierung! Die F.D.P. hatte vor der Bundestagswahl einen Parteitag. Auf diesem Parteitag wurden drei Energiesteuern beschlossen: zunächst einmal eine allgemeine Energiesteuer, dann eine CO2-Steuer und schließlich die Erhöhung der Mineralölsteuer. Die allgemeine Energiesteuer war zunächst an die Mitwirkung der Europäischen Union gebunden, und nach einiger Zeit sollte der entsprechende Vorbehalt aufgegeben werden.
Ich habe es begrüßt, daß jetzt - dies ist ein Ertrag der Debatte - der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Herr Schäuble, wieder gesagt hat - er hat das ja öfters gesagt -, daß er für die ökologische Steuerreform eintritt. Daß selbst Herr Solms dies hier wiederholt hat, hat mich wirklich überrascht. Er hat hier gesagt: Auch wir sind für die ökologische Steuerreform. Wenn dies auf europäischer Ebene nicht geht, dann wollen wir das auf nationaler Ebene tun. - Dann laßt es uns doch endlich machen.
Seit Jahren werben viele verantwortliche Bürgerinnen und Bürger dieses Landes für die ökologische Steuerreform; nicht von heute auf morgen in riesigen Schritten, sondern abgestimmt auf die konjunkturelle Entwicklung und die Erfordernisse der Wirtschaft. Aber wir müssen dieses Reformprojekt auf den Weg bringen, wenn ein Klimagipfel, wie er jetzt in Berlin stattfindet, nicht zu einer reinen Witzveranstaltung verkommen soll.
Daß jetzt am Ende Ihres von Ihnen so gepriesenen Regierungshandelns - Herr Bundeskanzler, es tut mir leid, daß ich etwas Wasser in den Wein gießen muß -, am Ende Ihrer Diskussion ein Absenken der Strompreise steht, ist nun wirklich schizophren und keinem draußen mehr vermittelbar.
Beenden Sie diesen Unsinn! Wenn Sie Geld zuviel haben, dann legen Sie es irgendwo drauf. Dann ziehen Sie meinetwegen die Entlastung beim Solidaritätszuschlag vor oder irgendwo sonst. Aber daß Sie ausgerechnet die Strompreise senken wollen, zeigt doch nun wirklich, daß Sie vor lauter Streit im Innern der Koalition nur noch zu unsinnigen Beschlüssen fähig sind.
Damit komme ich nun zur Energiepolitik, die sowohl vom Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion als auch vom Bundeskanzler angesprochen worden ist. Ich stelle hier schlicht und einfach fest, daß wir in der Beurteilung der Fakten weit auseinanderliegen. Ich bin der Auffassung, daß man die energiepolitische Diskussion nicht auf einen Schadstoff, auf CO2, reduzieren kann. Ich habe das nie verstanden. Das ist wissenschaftlich nicht haltbar und unökologisch. Vernünftig ist es, davon auszugehen, daß unendlich viele Schadstoffe unsere Umwelt belasten, auch wenn einzelne stärker im Blickfeld der Öffentlichkeit und der Politik stehen, andere weniger. Aber einzelne Schadstoffe herauszugreifen und sie gar etwa durch Energieumwandlungsprozesse ersetzen zu wollen, die dann noch weitaus größere Gefahren in sich bergen, ist irrational und von der Sache her nicht haltbar.
Es gab einmal eine Zeitlang eine Diskussion um die Schwefelsäure. Dann gab es eine Zeitlang eine Diskussion um die Stickstoffverbindungen. Jetzt ist CO2 das beliebteste Thema. Dann gab es andere, die sich der Fluorchlorkohlenwasserstoffe und vieler anderer Schadstoffe annahmen. Einen einzelnen
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
Schadstoff herauszugreifen ist methodisch völlig unhaltbar und führt daher - Herr Kollege Töpfer, Ihre Heiterkeit erheitert nun wieder mich - zu völlig falschen Schlußfolgerungen.
Die saubere Antwort darauf ist: Reduktion der Energieumwandlung in jeder Form.
Dies ist die einzige Formel, auf die wir uns verständigen können. Unter diese Formel müssen alle Formen der Energieumwandlung subsumiert werden. Wer aber wirklich auf die Schwachsinnsidee verfällt, das CO2 durch das Plutonium ersetzen zu wollen, das den Lebenskreislauf 500 000 Jahre lang belastet und das in geringsten Dosen wirklich lebensgefährdend ist, da es ganze Landschaften unbewohnbar machen kann, der hat von Ökologie wirklich überhaupt nichts verstanden.
Ich sage also noch einmal: Wir müssen die Umwandlung fossiler Brennstoffe reduzieren, aber wir müssen - mit weitaus besseren Argumenten - auch die Umwandlung von Uranerzen und andere Prozesse der Erzeugung von Strom aus Kernenergie reduzieren.
Was soll denn nun diese wirklich ideologische Anbetung und Gläubigkeit gegenüber der Kernenergie? Meine Damen und Herren, manchmal stellt man sich die Frage, was eigentlich passiert wäre, wenn im japanischen Kobe ein Kernreaktor gestanden hätte. Wären Sie dann vielleicht wach geworden, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien?
Oder sitzt hier jemand, der wirklich glaubt, tektonische Verwerfungen würden sich nach der Tagespolitik der Bonner Koalition richten?
Der Philosoph Günther Anders hatte recht, als er analysierte, daß die Menschheit apokalypseblind geworden ist, daß sie nicht mehr in der Lage ist, die Reichweite ihrer Verantwortung für ihre eigenen Produkte zu erfassen. Das ist auch meine feste Überzeugung. Wer die Kerntechnologie so befürwortet wie Sie, der muß auch wissen, daß die Ausbreitung der Kerntechnologie die sichere Gewähr dafür ist, daß wir eine immer größere Verbreitung von Atomwaffen auf dieser Erde haben werden. Alles andere ist schlicht und einfach naiv.
Aber jetzt bewege ich mich wieder auf Kategorien zu, die Sie vielleicht eher akzeptieren können. Wenn Sie schon so sehr Anhängerin und Anhänger der Kernenergie sind, dann sorgen Sie in Ihren Kategorien endlich einmal dafür, daß in Bayern und in Baden-Württemberg Zwischenlager und Endlager eingerichtet werden, ehe Sie hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Energiepolitik auf andere zeigen.
Denn hier, meine Damen und Herren, stehen wir alle in der Verantwortung. Die Parteienmehrheit hat zu verantworten, daß die Kernenergie in der jetzigen Form der Nutzung auf den Weg gebracht worden ist. Wir haben bis zum heutigen Tage keine Antwort auf die Frage: Wohin mit den radioaktiven Abfällen?
An dieser Stelle möchte ich, Herr Kollege Schäuble, auf Ihre etwas schwachen Betrachtungen zur Technologiefreundlichkeit oder -feindlichkeit der SPD eingehen. Ich habe Ihnen zugerufen: Wenn Sie sich in technischen Fragen mit den Leuten anlegen wollen, dann müssen Sie auch eine gewisse Sachkenntnis haben.
Es ist zwar ganz nett, darüber zu philosophieren, daß der Farbfernseher die letzte technologische Innovation war, der die SPD zugestimmt hat, aber das allein reicht nicht.
- Ja, auch bei uns gibt es Leute, die dummes Zeug reden. Die gibt es nicht nur bei Ihnen, Herr Kollege Schäuble. Das möchte ich durchaus einräumen.
Aus Zeitgründen will ich jetzt nicht die lichtvollen Ergüsse Ihrer Kollegen, die ich täglich in der Presse lese, referieren. Aber eines will ich Ihnen sagen: Wenn das, was Sie hier selber zur ökologischen Erneuerung gesagt haben und was Sie mehr und mehr
- von uns oder anderen - als Ziel der Energiepolitik übernehmen, nämlich daß wir die Brücke ins Solarzeitalter bauen müssen, ernst gemeint war, dann brauchen wir an einer Stelle den technologischen Durchbruch: bei der Photovoltaik. Wenn dieser einmal gelingen würde, wäre das eine Revolution, auf die die ganze Welt gewartet hätte.
Auf diesen Punkt würden wir unsere technologischen Bemühungen gerne konzentrieren. Wer die fachlichen Daten kennt, weiß, daß es nicht mehr allzu weit ist, bis technologische Durchbrüche zu erwarten sind. Es wäre wünschenswert, wenn wir auch über unsere Möglichkeiten in der Forschungspolitik und der Steuerpolitik einen Beitrag dazu leisten würden, daß dieser technologische Durchbruch, der wirklich etwas mit dem Klimagipfel zu tun hat, der wirklich etwas mit der Not der Länder in der Dritten Welt zu tun hat, endlich gelingt. Hören wir auf, uns die Keulen des Vorwurfs der Technologiefeindlichkeit um die Ohren zu schlagen!
Das ist wirklich eine falsche Betrachtungsweise. Es geht um die Frage, mit welcher Technologie wir eine umweltverträgliche Energieversorgung in der Zukunft aufbauen können.
Ich meine also, daß wir allen Grund haben, bei den Energiekonsensgesprächen einen ökologischen Ansatz zu suchen. Dort, wo es keine Einigung gibt, muß
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
man sie ausklammern. Wir haben Gesetze, auf deren Grundlage man Entscheidungen treffen kann. Es wäre ein völlig falsches Herangehen an die Konsensgespräche, wenn wir Sie zu Einsichten nötigen wollten, die Sie nicht haben, oder wenn Sie umgekehrt sagten - das ist fast das Sandkastenspiel kleiner Kinder -: Wir machen aber nur mit, wenn ihr euch der Ansicht anschließt, die wir haben. Nein, laßt uns den Konsens suchen dort, wo er möglich ist - ich will Ihnen drei Felder nennen -: erstens bei der Laufzeit der Reaktoren, zweitens bei der Entsorgung des radioaktiven Mülls und drittens bei dem Ausbau regenerativer Energien und der Energieeinsparung. Dann sind wir doch schon ein gewaltiges Stück weiter.
Ich habe schon öfters kritisiert, daß die Selbstgefälligkeit, mit der Sie, Herr Bundeskanzler - vorhin wieder - die großen Erfolge Ihrer Politik ansprechen,
im merkwürdigen Widerspruch zu dem steht, was eigentlich passiert. Ich habe mir einmal erlaubt, darauf hinzuweisen, daß man auch von einer „Reagierung" sprechen könnte.
Denn Sie reagieren im Moment auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichtes. Das, was uns derzeit vorrangig beschäftigt, sind die Hausaufgaben, die uns das Verfassungsgericht zur Lösung aufgegeben hat. Das aber verstehe ich nicht klassisch unter Regierungspolitik.
Ich habe darunter immer verstanden, daß man Ideen hat, daß man ein Projekt hat, daß man Konzepte hat, die man auch umsetzen möchte. Aber Sie reagieren nur auf die Urteile des Verfassungsgerichts.
Da sagt das Verfassungsgericht: Ihr nehmt den kleinen Leuten viel zuviel weg, insbesondere den Familien. Diese Entscheidung wendet man dann in ein technisches Schlagwort: Freistellung des Existenzminimums. Die Leute können sich darunter oft nicht viel vorstellen. Unterhalten Sie sich einmal mit einfachen Leuten, was sie unter „Freistellung des Existenzminimums" verstehen. Schon die Sprache wird verräterisch, wenn man versucht, dahin zu kommen, daß die Leute gar nicht verstehen, um was es eigentlich geht. Es geht darum, daß Sie den Leuten, die ein geringes Einkommen haben, insbesondere den Familien, seit Jahren viel zuviel Geld wegsteuern. Das ist ein Skandal in dieser Republik, meine Damen und Herren.
Es ist eine Schande, daß das Verfassungsgericht Sie nötigen muß, dieses soziale Unrecht zu beseitigen.
Soziale Politik hätte dazu geführt, daß das Unrecht von uns aus, von diesem Parlament, korrigiert worden wäre und nicht in der Folge eines Spruchs des Bundesverfassungsgerichts.
Familienlastenausgleich, Existenzsicherung und Kohlepfennig sind drei Beispiele dafür, daß das nicht an den Haaren herbeigezogen ist, was ich hier sage. Was demnächst zur Gerechtigkeit der Zinsbesteuerung und zur Frage der Einheitswerte vorgelegt wird und was das Verfassungsgericht noch alles dazu sagen wird, will ich mir gar nicht ausmalen. Nur, meine Damen und Herren, Sie werden sicherlich zustimmen, die gesamte deutsche Öffentlichkeit wird sicherlich zustimmen: Ein Ruhmesblatt ist es sicherlich nicht, wenn das Verfassungsgericht Steuer-, Finanz- und Sozialpolitik für die Bundesregierung und die Mehrheit dieses Hohen Hauses machen muß.
Deswegen ist die entscheidende Frage: Was sind die zentralen Aufgaben der nächsten Zeit? Was ist eigentlich das politische Projekt, um das wir uns derzeit bemühen müssen? Wir Sozialdemokraten meinen, daß die sozialen Ungerechtigkeiten, die auch durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts festgestellt worden sind, schleunigst beseitigt werden müssen. Wir bieten dazu unsere Mitarbeit an. Wir meinen beispielsweise, daß dieser Wust von Steuerverordnungen und Steuergesetzen, den ich nicht nur einer Partei zuschreibe - dies wäre unfair und ungerecht -, zu etwas geführt hat, was vielleicht alle, die sich daran beteiligt haben, nicht gesehen haben, nämlich zu immer mehr Steuerungerechtigkeit, weil nur noch derjenige, der sich einen Steuerberater leisten kann, wirklich alle Schlupflöcher unserer Steuerverordnungen und Steuergesetze ausnutzen kann.
Deswegen ist - neben der ökologischen Steuerreform - das zweite Projekt, das wir Ihnen anbieten, eine durchgreifende Steuervereinfachung. Sie ist dringend erforderlich, wie es ebenfalls erforderlich ist, daß das Statistische Bundesamt, Herr Bundeskanzler, die prozentualen Veränderungen der Vermögensverteilung und der Einkommensentwicklung wieder auswirft. Es geht nicht an, daß Leute, die sich um diese Fragen bemühen, auf den merkwürdigen Sachverhalt stoßen, daß diese prozentualen Veränderungen gar nicht mehr ausgewiesen werden.
Das dritte Projekt, das wir Ihnen anbieten, ist eine wirkliche Veränderung des Rechtes des öffentlichen Dienstes. Hier sind nicht die Sozialdemokraten und der Bundesrat diejenigen, die blockieren. Das, was beispielsweise die Staatsregierung von Bayern kürzlich vorgeschlagen hat, ist ein Paket, über das zu reden sich lohnen würde, weil andere Bundesländer das genauso sehen. Wenn man einen Teil davon umsetzen würde, dann gäbe es eine spürbare und nützliche Reform des öffentlichen Dienstes. Ich nenne Ihnen nur einen Punkt: Wir können im Beamtenrecht nicht zulassen, daß es ständig Lebensarbeitszeitverkürzungen mit vollem Pensionsausgleich gibt. Das ist
Ministerpräsident Oskar Lafontaine
nicht mehr bezahlbar. Das muß dringend abgestellt werden, meine Damen und Herren. Ich appelliere noch einmal an alle, einen entsprechenden Gesetzentwurf zügig umzusetzen und ihn nicht wiederum im Gestrüpp von Beamtenrechtsreferenten und handlungsschwachen Regierungen versickern zu lassen. Wir brauchen eine Reform des öffentlichen Dienstrechtes. Die Sozialdemokraten bieten über den Bundesrat, wie es der Parteivorsitzende soeben gesagt hat, diese Reform an.
- Ich will die Frage gerne beantworten. Das Saarland hat in der letzten Zeit zwei Initiativen im Bundesrat eingebracht.
- Wir haben z. B. das Kabinett im Saarland auf eine Art und Weise reduziert, daß sich selbst die Bundesregierung ein Beispiel daran nehmen könnte.
Denn bei uns gilt, verehrter Herr Kollege: Wenn man anfängt, unten auszudünnen, muß man zuerst oben mit gutem Beispiel vorangehen. An dieser Einsicht scheint es Ihnen noch zu fehlen.
Ich frage also: Was ist das zentrale Projekt Ihrer Regierung? Über diese Frage hätten wir gerne etwas gehört. Das zentrale Projekt, das wir befürworten, umfaßt mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Steuergerechtigkeit und mehr Flexibilität innerhalb unseres Staatswesens, weil die gegenwärtigen Strukturen nicht mehr aufrechtzuerhalten sind. Als zentrales Reformprojekt für die Zukunft werben wir für eine andere Energiepolitik, die wir die „Brücke ins Solarzeitalter" nennen, weil wir auf diesem Gebiet viel zu lange zurückgeblieben sind und weil wir kommenden Generationen ein Umdenken schuldig sind.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Michael Glos.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Ministerpräsident des Saarlandes kann auf praktische Beispiele der Steuervereinfachung und des Entgegenkommens in Sachen Steuern verweisen. Nicht umsonst hat Zwick junior die Johannisbad AG ins Saarland verlegt und dann prompt die Steuern, die er in Bayern bezahlt hat, zurückbekommen. Wenn das die Steuergerechtigkeit für die kleinen Leute ist, die Sie einfordern, Herr Ministerpräsident, dann gute Nacht!
Sie haben aber sehr bewußt heute nicht mit der Wirtschafts- und Finanzpolitik begonnen, für die Sie in der Troika zuständig sind, sondern mit allerlei Ablenkungsmanövern versucht, über Ihre Fehlprognosen hinwegzutäuschen: Sie müssen uns nicht mehr mahnen, die polnische Westgrenze anzuerkennen; das ist längst geschehen. Wir brauchen auch nicht Ihre Ratschläge, wie wir mit dem 8. Mai umzugehen haben. Das wird sicher mit großer Würde erfolgen. Wir werden der Tatsache gedenken, daß an diesem Tag ein Teil unseres Vaterlandes befreit worden ist, ein anderer Teil leider unter Diktatur verblieben ist. Wir werden der Opfer gedenken, die dieser Weltkrieg im In- und im Ausland gefordert hat. Und wir werden mit den Millionen Menschen fühlen, die als Folge des Zweiten Weltkrieges aus ihrer angestammten Heimat verjagt worden sind.
Wir dürfen uns nicht nur am 8. Mai dieses Tages erinnern, sondern müssen vor allen Dingen aus unserer Geschichte die Lehren für die Zukunft ziehen. Dazu gehört vor allen Dingen, daß wir in der Welt die Verantwortung übernehmen, die uns Deutschen zusteht und der wir nicht ausweichen dürfen, nämlich Frieden zu stiften. Dazu gehört - das erwartet man von uns Deutschen -, daß wir unsere ökonomischen Fundamente in Ordnung halten und mit unserer wirtschaftlichen Stärke dazu beitragen, diese Welt besser zu machen.
Damit bin ich bei dem möglichen Super-GAU, der hätte passieren können: Es wäre ein Super-GAU gewesen, wenn Herr Lafontaine Wirtschafts- und Finanzminister in diesem Land geworden wäre.
Er ist ein Mann der Fehlprognosen; seine Vorhersagen stimmen nicht. Noch kurz vor der Bundestagswahl haben Sie im Scheinwerferlicht der Bundespressekonferenz ein gesamtstaatliches Finanzierungsdefizit in der Größenordnung von weit über 100 Milliarden DM beschworen. Sie haben Sondersitzungen verlangt und den Bundesfinanzminister aufgefordert, neue Finanzpläne auszuarbeiten. Heute sind diese Defizite gottlob niedriger, als wir alle es erwartet haben. Das ist eine gewaltige Leistung.
Im September 1994 haben Sie den Bundeskanzler der „Steuerlüge" bezichtigt. Ich darf zitieren, was Sie am 5. September 1994 in ntv gesagt haben - Herr Lafontaine, Sie haben dann anschließend Gelegenheit, sich zu entschuldigen; deswegen sollten Sie sich sehr bewußt ins Gedächtnis rufen, was Sie vor der deutschen Öffentlichkeit gesagt haben -:
Kohl lügt jetzt wieder. Er wird nach der Wahl, wenn er im Amt bleibt, die Mehrwertsteuer erhöhen.
Michael Glos
Gott sei Dank ist Helmut Kohl im Amt geblieben. Die Mehrwertsteuer wird nicht erhöht, und sogar die Finanzierung der Kohle - auch der teuren Kohle, die in Ihrem Land gefördert wird - wird auf den Bundeshaushalt übertragen, ohne daß dieser Bundeshaushalt aus den Fugen gerät.
In der Debatte am 29. Juni 1994 haben Sie uns für den Februar dieses Jahres 4 Millionen Arbeitslose prognostiziert. Dies ist nicht eingetreten. Gleichzeitig haben Sie der Bundesregierung vorgehalten, es genüge nicht, mit Blick auf den Wahltermin erste Konjunkturschwalben zu feiern. Wir wissen, daß wir inzwischen einen Wirtschaftsaufschwung erreicht haben, der sich selber trägt. Wir brauchen ihn ganz dringend, nicht zuletzt um die Schulden des Saarlandes mitfinanzieren zu können.
Sie sind ein Herr der Irrtümer, sozusagen der Irrtum-Oskar, eine Art Daniel Düsentrieb der Wirtschaftsprognose. Alles, was Sie bisher prognostiziert haben, war falsch.
- Frau Matthäus-Maier, von Herrn Lafontaine und Ihnen finanzpolitische Ratschläge anzunehmen ist so töricht,
wie wenn man Frau Griefahn nach dem Sinn des Familienzusammenhaltes fragt. Nur, Frau Griefahn ist in Fragen des Familienzusammenhalts immer noch sehr viel kompetenter als Sie in Finanzprognosen.
- Herr Fischer, Sie nutzen jede Gelegenheit, um auf sich aufmerksam zu machen.
Ich habe gehört, Sie hätten jetzt sogar Ihre Büste im Haus der Geschichte aufstellen lassen. Deswegen sind Sie aber noch lange keine geschichtliche Figur geworden.
Das Saarland hat die höchste Pro-Kopf-Verschuldung aller Flächenstaaten; darüber sollten wir einmal reden. Sie haben Ihren letzten Haushalt gerade noch einmal - am Rande der Verfassung - hinbekommen. Ohne Bundeszuschüsse in Höhe von 2 Millliarden DM jährlich könnten Sie Ihren Haushalt überhaupt nicht aufstellen. Außerdem: Ich habe mir sagen lassen - dazu sollten Sie entweder selbst etwas sagen oder sagen lassen -, Sie würden hier herkommen und über den Bundeshaushalt 1995 reden, ohne in Ihrem Land bisher den Haushalt für dieses Jahr aufgestellt zu haben.
Gehen Sie doch erst einmal nach Hause und machen Sie Ihre Hausaufgaben!
Die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Koalition hat die entscheidenden Grundlagen für die wirtschaftliche Belebung geleistet. Deutschland und die D-Mark sind Horte der Stabilität. Der Dollarkurs steht zur Zeit bei 1,378 DM. Ich weiß nicht, ob das ein Grund ist, stolz zu sein.
Jedenfalls entwickeln sich die Märkte nach den Finanzströmen, und die Finanzströme richten sich nach dem Vertrauen. Das Vertrauen in die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland ist sehr hoch.
Ich befürchte, daß uns dieser niedrige Dollarkurs in vielen exportorientierten Bereichen Sorge machen wird. Das wird uns immer wieder veranlassen, uns nach der Decke zu strecken und uns daran zu erinnern, daß wir auf den internationalen Märkten konkurrieren müssen und daß uns wegen „Made in Germany" allein niemand etwas abkauft, weil inzwischen auch andere Länder in der Lage sind, qualitativ hochwertige Produkte zu fertigen.
Immer mehr deutsche Markenprodukte werden in anderen Ländern gefertigt. Wir erleben eine Globalisierung der Wirtschaft, wie wir sie noch nie hatten. Wir können das nicht aufhalten.
Ich war während der Zeit des deutschen Metallarbeiterstreiks zufällig bei BMW in Pretoria. In diesen Streik und in den damit verbundenen Kostenschub hat man dort große Hoffnungen gesetzt. Man hat gesagt: Qualitativ sind wir nun gleichwertig mit den deutschen Werken. - Das ist auch vom internen Qualitätssicherungssystem, das in allen großen Konzernen vorhanden ist, anerkannt. Die Chance, daß jetzt die Märkte der südlichen Halbkugel mit dem 3er-
BMW von Pretoria und nicht mehr von Deggendorf aus beliefert werden, steigt mit jedem Kostenschub, den wir bei uns produzieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die Wahrheit.
Sie sollten die Arbeitnehmer auch darüber aufklären: Durch Solidarität mit Streikenden und dem Erscheinen an den Toren der Fabriken - die SPD-Abgeordneten haben sich dazugestellt und den Streikenden gut zugeredet, weiterzustreiken -, in denen will-
Michael Glos
kürlich gestreikt wird - Bayern war als Streikregion ja willkürlich gewählt -, wird man der Verantwortung für die Arbeitnehmer bei uns im Land schon lange nicht mehr gerecht.
Wir wären jetzt die Sorgen - und das sind die geringeren -, die eine starke Mark mit sich bringt, ein ganzes Stück los, wenn Sie die letzte Bundestagswahl gewonnen hätten. Das ist ganz sicher. Dann wären wir in die zweite Liga abgestiegen,
dann würde sich die Stabilität der Mark der italienischen Lira immer stärker annähern. Das würde zwar manche Probleme lösen, aber andere und viel größere Probleme schaffen. Vor allen Dingen: Wenn wir Ihren haushalts- und steuerpolitischen Vorschlägen folgten, bekämen wir ein Defizit von weit über 100 Milliarden DM. Dann würde genau der umgekehrte Schub auf den Finanzmärkten einsetzen. Das, was wir vermeiden wollen, würde dann eintreten.
Ich möchte jetzt gern ein paar Äußerungen aus Ihrer Rede aufgreifen, Herr Ministerpräsident. Sie haben von Steuervereinfachung gesprochen. Ich kann nur sagen: Die meisten Komplizierungen werden in die Steuergesetze durch die faulen Kompromisse hineingetragen, zu denen der Bundesrat mit seinen Einsprüchen zwingt.
- Das ist nicht unehrlich, Frau Matthäus-Maier.
Ich habe Gelegenheit gehabt, mit Ihnen zusammen viele Steuergesetze zu machen. Wir hatten zu der Zeit allerdings eine klare Mehrheit im Bundesrat, zwischen 1986 und 1990, und dadurch war sehr vieles leichter als heute. Sie können jetzt mithelfen, den im Bundesrat Handelnden gute Ratschläge zu geben, damit die Verkomplizierung nicht weiter Platz greift.
Ich weiß natürlich, daß die größte Vereinfachung dann besteht, wenn man überhaupt keine Steuern mehr zahlen muß. Aber dennoch: Auch die Maßnahmen, die der Bundesfinanzminister jetzt auf den Weg gebracht hat, nämlich die Entlastung der Bürger um 30 Milliarden DM durch die Steuerfreistellung des Existenzminimums und durch eine wesentliche Verbesserung beim Familienlastenausgleich, führen dazu, daß eineinhalb Millionen Menschen, die bisher Einkommensteuererklärungen abgeben mußten, in Zukunft keine mehr abgeben müssen und damit auch keine Steuern mehr zahlen müssen. Das ist für mich die großartigste Steuervereinfachung.
Auch die heute stark kritisierte geplante Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer halte ich für äußerst notwendig für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wer hier glaubt, er könne sich bei den Kommunen ganz billig einschmeicheln, indem er mit falschen Zahlen und falschen Prognosen versucht, dies zu verhindern, der ist auf dem Holzweg. Die kommunalen Spitzenverbände werden erkennen, daß die Beteiligung an der Umsatzsteuer auf die Dauer sehr viel mehr Sicherheit
in der Steuerkalkulation und in der Einnahmevorausschätzung für die Kommunen bringt. Sie werden Sie dazu zwingen, unserem Vorschlag zuzustimmen; er ist eine einmalige Chance für die Kommunalfinanzen.
Ich bin überzeugt, daß der Rat Ihrer Oberbürgermeister, Ihrer Oberkreisdirektoren, Ihrer Landschaftsverbandsvorsitzenden usw. - was weiß ich, was es alles gibt; in sozialdemokratisch regierten Ländern gibt es mehr Bürokratie als in Bayern, wo ich mich mit den Strukturen besser auskenne - Sie dazu bringen wird, hier der Vernunft gemäß zu handeln.
Es ist ja nicht so, daß für die Industrieunternehmen, die wir bei uns im Land halten wollen oder die wir von außerhalb gewinnen wollen, nur die Kosten zählen, die sie für die Arbeit, für die Infrastruktur aufzubringen haben. Ein ganz entscheidender Kalkulationsfaktor, wenn es um den Standort geht, sind auch die Kapitalkosten. Die Gewerbesteuer ist überholt; zumindest die Gewerbekapitalsteuer muß schnell abgeschafft werden.
Mit einer tariflichen Jahresarbeitszeit von 1 620 Stunden liegt Deutschland weit hinter allen Industrieländern. In den Vereinigten Staaten sind es 1 850 und in Japan fast 1 900 Stunden. Es wäre einmal interessant gewesen, wenn Herr Lafontaine etwas dazu gesagt hätte, warum z. B. das Swatch-Auto nicht im Saarland gefertigt wird, sondern nebenan im Elsaß. Das hat u. a. nicht nur mit den Lohnkosten, sondern auch mit den Energiekosten bei uns im Land zu tun.
Nun möchte ich noch einmal auf die Kernenergie zu sprechen kommen. Ich bin beileibe kein Kernenergiefetischist. In meinem Wahlkreis, in Grafenrheinfeld, steht ein Kernkraftwerk. Es steht sehr nahe bei der Stadt Schweinfurt, und es ist für einen Abgeordneten, der dort direkt gewählt worden ist, nicht unproblematisch, den Bürgerinnen und Bürgern seine Notwendigkeit zu erklären.
Ich habe - wie die allermeisten - großes Vertrauen in die Zuverlässigkeit der deutschen Technik, auch unserer Bedienungsmannschaften und all derer, die Großes leisten, um uns mit preiswerter Energie zu versorgen. Niemand forscht auch mehr in den Bereichen nachwachsender und regenerativer Energie unter den deutschen Bundesländern, als es Bayern tut. Je mehr Spielräume wir durch günstige Strompreise haben, desto mehr können wir für die Forschung aufwenden, um in Zukunft vielleicht etwas Vernünftiges zu finden, was die Kernenergie ersetzt.
Michael Glos
Ich weiß jedenfalls: Gegenwärtig ist die Kernenergie in Deutschland nicht zu ersetzen,
wenn wir nicht gleichzeitig die energieintensive Industrie aus dem Land vertreiben wollen und damit unsere Arbeitsmarktprobleme zusätzlich verschärfen wollen.
Deutschland hat mit 34 % den größten Anteil der Kernenergie an der öffentlichen Stromversorgung. Wir haben gleichzeitig auch die sichersten Kernkraftwerke. Wir haben 21 Kernkraftwerke in Betrieb. Wenn wir sie ersetzen wollten, müßten sehr, sehr viele neue Kohlekraftwerke gebaut werden, mit den entsprechenden Folgen für den CO2-Ausstoß.
Dieses Thema wird ja derzeit sehr intensiv diskutiert. Ich habe der Diskussion nichts hinzuzufügen. Ich möchte nur sagen: In der Welt sind - wenn ich die richtigen Zahlen habe - ca. 440 Kernenergieanlagen in Betrieb, und fast 50 weitere Reaktoren sind im Bau. Rund 17 % des Weltstrombedarfs werden derzeit durch die Kernenergie gedeckt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir Deutschen, die diese Energie mit am besten beherrschen, aussteigen, machen wir die Welt noch lange nicht sicherer.
Im Gegenteil, wenn wir uns ausblenden, verlieren wir auch das Know-how, die Fähigkeit und die Möglichkeit, noch sicherere Kernkraftwerke zu entwikkeln als die derzeitigen. Wir können vor allen Dingen nicht mithelfen, die unsicheren Kernkraftwerke um uns herum zu verbessern. Und das ist unsere Aufgabe.
Das wird zwangsläufig mit deutschem Kapital, mit deutschem Geld geschehen müssen. Wer sonst soll das in den ost- und südosteuropäischen Nachbarländern mitfinanzieren? Auch wenn es aus EG-Mitteln oder von gemeinsamen europäischen Banken finanziert wird, wird es letztendlich mit deutschem Geld mitfinanziert. Dann möchten wir aber auch, daß in Deutschland dadurch Arbeit entsteht und wichtiges Know-how gehalten wird.
Ich weiß, daß ein zweites Tschernobyl verheerende Wirkungen hätte, nicht nur auf die unmittelbare Umgebung, sondern auch auf das Vertrauen der Menschen in die Beherrschbarkeit dieser Technologie. Deswegen sollten wir uns, statt uns in Deutschland unsinnige Ausstiegsdiskussionen zu leisten, aufmachen und die um uns herum befindlichen unsicheren Kernkraftwerke mit deutscher Technik sicherer machen. Darüber zumindest sollten wir uns einig sein.
Wo sind die Rezepte der SPD geblieben, um die Lage unseres Landes zu verbessern? Ich habe sie heute vermißt.
Ich habe heute Herrn Scharping erlebt - ich habe sehr intensiv zugehört, Herr Schmidt -, der lediglich versucht hat, vor seiner eigenen Riege eine Art Schaulaufen zu veranstalten. Es ist ja bekannt, was sich z. B. am vergangenen Montag in der SPD-Fraktion abgespielt hat.
Der Herr Bundeskanzler und auch Kollege Solms haben heute schon einmal eine der Stellvertreterinnen von Herrn Lafontaine, nein, von Herrn Scharping - bei Ihnen wechseln ja die Vorsitzenden so schnell, daß man immer zu tun hat, nachzukommen - zitiert. Ich möchte zitieren, was über eine andere Stellvertreterin von Herrn Scharping im „Handelsblatt" geschrieben worden ist. Das ist, wenn ich es richtig sehe, so etwas wie die Leib- und Magenzeitung der Frau Matthäus-Maier. Ich kenne keine andere Zeitung, in der sie so oft mit Bild erscheint. Da steht u. a. zu lesen, daß sie das „Vorgehen der eigenen Haushälter und Verteidiger" verdammt hat, daß es Herrn Lafontaine ungeheuer schwergefallen ist, Ruhe in die Fraktionssitzung zu bringen.
Es heißt dort wörtlich:
Angesichts einer absehbaren Mehrheit für diese populistische Position in der inzwischen eher nach links neigenden Fraktion sah sich Scharping offenbar gezwungen, gegen die eigenen Haushälter und „ Verteidiger" zu stimmen.
Es gibt eine ganze Reihe von Zeitungen - ich könnte die „Süddeutsche Zeitung" zitieren -, die sich inzwischen mit der furchtbaren Situation in der SPD-Fraktion beschäftigen.
Nun könnten wir darüber kurzfristig Schadenfreude zeigen. Wenn man sich jedoch überlegt, daß die Opposition von heute einmal die Regierung von morgen sein kann, so wird es einem angst und bange um das, was in unserem Land dann offensichtlich möglich wäre.
Ich habe die Rede von Herrn Scharping heute morgen so verstanden, daß er gehandelt hat - das ist ihm ja auch gelungen - wie in der Geschichte vom Capitano. Sie kennen die Geschichte vielleicht; ich darf sie ganz kurz erzählen: Der Capitano befiehlt den Angriff im Morgengrauen, springt aus dem Schützengraben und ruft: „Vorwärts, Kameraden!" Die Re-
Michael Glos
aktion: Beifall in den Schützengräben hinter ihm, vereinzelte Rufe „Bravissimo, Capitano!"
Ähnlich ist der Zustand in Ihrer Partei und Fraktion: ein gespaltener und zerrissener Haufen, der nicht nur zur Regierung, sondern auch schon zur Opposition unfähig ist. Auch in dieser Rolle läuft Ihnen, ob Sie wollen oder nicht, Herr Fischer ein ganzes Stück den Rang ab. Und was ist in Hessen passiert? Da ist ein grüner Fuchs in einen roten Hühnerstall eingefallen.
Die erschreckte Reaktion zeigt dies alles überdeutlich.
Ich will der Frau Wieczorek-Zeul nicht so viel Ehre antun und noch einmal alles vorlesen, was sie in dem wirklich nachlesenswerten Interview im Bonner „General-Anzeiger" von heute alles gesagt hat.
In Bayern ist der Zustand der SPD fast noch schlimmer. Es findet ein kabarettreifes „Schmidteinander" statt. Renate Schmidt sagt über Bonn zur Ablenkung: „Da läuft einiges schief, was wir korrigieren müssen. " Deswegen will sie wieder nach Bonn, angeblich zur Rettung der SPD. In Bayern wird sie nicht gebraucht.
- Zum Haushalt? Ja, darüber rede ich doch die ganze Zeit.
Sie hätten zuhören müssen. Dem Haushalt liegt immer eine bestimmte Politik zugrunde. Wir reden hier über die Politik und nicht über Erbsenzählereien. Das habe ich früher lange genug im Haushaltsausschuß getan.
Was die SPD in Bayern mit ihrer Vorsitzenden gemacht hat, das ist schon eine große Gemeinheit. Da bezeichnet der SPD-Landtagsabgeordnete Schösser Edmund Stoiber als eine „Lichtgestalt" - so weit geht sonst nur die CSU-Landesgruppe.
Was ich vor allen Dingen beklagen will, ist, was man mit Frau Schmidt dort gemacht hat. Ich möchte das einmal in Ihre Vorstellungswelt übertragen: Das ist, als wenn man den Herrn Struck zugleich zum stellvertretenden Parteivorsitzenden, zum geschäftsführenden Fraktionsvorsitzenden und zum Generalsekretär machen würde und dann immer noch versichert, das alles sei nicht gegen den Herrn Scharping gerichtet.
Zu Recht schreibt Herr Deubmann in der „Süddeutschen Zeitung":
Nun ist bald Ostern, und geändert hat sich nichts. Die 252 Bonner SPD-Abgeordneten bieten wie seit Jahren das jämmerliche Bild einer nörgelnden, undisziplinierten und am liebsten mit sich selbst beschäftigten Ansammlung von Politikern, die zufällig zur selben Partei gehören.
Ich habe dem sehr wenig hinzuzufügen.
Ich kann nur sagen: Wir tragen diese Koalition mit. Herr Bundeskanzler, ich habe mit sehr großer Freude gehört, daß Sie noch mindestens bis zum Jahr 2001 zur Verfügung stehen.
Deswegen kann ich für die CSU-Landesgruppe versichern, daß sie dann unter meinem Vorsitz immer noch sehr gerne mit Ihnen zusammenarbeiten wird.
Es ist selbstverständlich, daß wir dem Einzelplan 04, um den es heute geht, zustimmen.
Danke schön.
Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Klaus Kinkel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen kurz vor dem 8. Mai, dem Tag der Erinnerung an den Schlußpunkt der dunkelsten Zeit unserer Geschichte - was heute ja in der Debatte schon eine große Rolle gespielt hat -, aber auch einem Tag der Erinnerung an einen demokratischen Neuanfang, der uns ein vorher nicht gekanntes Maß an Sicherheit, Wohlstand und internationaler Wertschätzung gebracht hat.
Den 8. Mai würdig zu begehen muß unser aller Anliegen sein. Ich bin sehr sicher, daß uns das gelingen wird. Morgen wird übrigens der polnische Außenminister Bartoszewski hierher kommen und Gespräche führen. Ich gehe einmal davon aus - auch
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
nach den Gesprächen, die ich in der Zwischenzeit mit ihm geführt habe -, daß wir danach wissen werden, wie wir diesen Tag wirklich würdig begehen können, auch was Polen anbelangt.
Deutschland ist wiedervereinigt, souverän, rundum von Freunden umgeben, und erstmals gibt es keine wirklich existentielle außen- oder sicherheitspolitische Bedrohung für uns. Der Herr Bundeskanzler hat schon recht: Unser Ansehen draußen ist enorm; es ist nach der Wiedervereinigung weiter gewachsen. Aber auch die Erwartungen an uns sind gewachsen. All das sollten wir nicht aus den Augen verlieren und für selbstverständlich halten, auch wenn es keine Schlagzeilen macht.
Schlagzeilen werden in diesen Tagen leider von der türkischen Militäroperation im Nordirak, vom Wiederaufflammen der Kämpfe in Bosnien und vom anhaltenden Tschetschenien-Konflikt gemacht, von Ereignissen, die unsere außen- und sicherheitspolitische Lage nicht unmittelbar berühren, die uns aber doch aus unterschiedlichsten Gründen betreffen und fordern. Es wird uns nicht möglich sein, das, was da abläuft, nur von der Zuschauertribüne aus zu betrachten und auf dieser Zuschauertribüne zu verharren.
In diesem Zusammenhang möchte ich ein Wort an die Opposition richten. Ich verstehe ja, daß mehrere von Ihnen, zuletzt beim Thema Nordirak, die Gelegenheit zur innenpolitischen Profilierung gesucht haben.
- Doch! - Wann immer etwas schlecht läuft, rufen Sie sofort, ob nun gegenüber Freund oder Feind, nach dem großen Knüppel und überbieten sich an Entrüstung. Ich möchte einmal deutlich und klar sagen, daß Sie im Gegensatz dazu weder im Auswärtigen Ausschuß - das hat die gestrige Sitzung wieder gezeigt - noch hier im Parlament bessere Vorschläge machen. Im Bundestag hört man von Ihnen zur Außen- und Sicherheitspolitik praktisch nichts, auch heute morgen nicht von Herrn Scharping. Und was Herr Lafontaine geboten hat, war ja nun auch mehr als vage und wirklich mager.
- Ja, ich bin gespannt darauf, Herr Verheugen, was noch kommt.
Nach außen aber wird vor allem bei Ereignissen, die schwierig sind, der Eindruck erweckt, als hätten ausgerechnet Sie das Patentrezept in der Tasche.
Dabei wissen Sie sehr genau, daß die Zeiten der nationalen Außenpolitik vorbei sind und daß es sich gerade bei den Konflikten, von denen ich eben sprach, um Konflikte handelt, auf die von außen nur sehr begrenzt eingewirkt werden kann und die niemand in Europa und auch anderswo alleine zu lösen vermag. Sie wissen genauso gut wie wir, daß es auf dieser Welt leider Konflikte gibt, die nicht zu lösen sind.
Weil wir das wissen, machen wir eine Politik, in der sich Bundesregierung und Koalition mit ihrer Außen- und Sicherheitspolitik aus guten Gründen im Konsens mit unseren Partnern und Freunden bewegen. Da wissen wir, daß wir gut aufgehoben sind. Da haben wir auch entgegen dem, was heute morgen gesagt wurde, etwas zu sagen.
Da bei uns in der Innenpolitik gerade außenpolitische Konflikte immer wieder aus nachvollziehbaren Gründen hochgezogen werden, möchte ich gerne einmal sagen, daß es sehr hilfreich sein kann, wenn man sich ansieht, wie im europäischen Ausland und anderswo außenpolitische Ereignisse aufgenommen werden und wie auf sie reagiert wird. Ich muß sagen: Es wird damit gelassener, ausgewogener, damit auch klüger und nicht immer mit dem innenpolitischen Touch im Vordergrund umgegangen.
- Ja, wenn wir uns einig sein könnten, daß uns Menschenrechte gemeinsam sehr wichtig sind - mir sind sie sehr wichtig -, dann würde ich dem gern hinzufügen, daß wir als Deutsche unwahrscheinlich aufpassen müssen, damit wir nicht langsam zu den Obermoralisierern dieser Welt werden und dann nicht mehr ganz ernst genommen werden.
In der Opposition ist es einfach, die Backen aufzublasen. Wenn man Verantwortung in der Regierung trägt, muß man sich schon gut überlegen, wie man mit der Regierung eines befreundeten und wichtigen Partners - ich weiß, wovon ich spreche - umgeht. Da zählt nicht das Feldgeschrei innenpolitischer Art und der öffentlich wirksame Einzelaspekt, sondern die Gesamtbetrachtung unserer Interessen und Wertvorstellungen.
Dem müssen wir uns verpflichtet fühlen. Das tue ich als Außenminister. Deshalb darf ich mich manchmal von dem, was an innenpolitischem Feldgeschrei passiert, nicht ablenken lassen.
Ich möchte der Opposition gern sagen: Vergessen Sie nicht, daß auch Sie außenpolitische Mitverantwortung tragen! Für mich ist ganz wichtig - ich bin jetzt seit drei Jahren Außenminister -, daß wir uns in den meisten wichtigen außen- und sicherheitspolitischen Fragen im Grunde einig sind. Das ist gut so. Gerade Außen- und Sicherheitspolitik muß sich weitestgehend, wenn es irgendwie geht, im Konsens abspielen.
Ich möchte Ihnen klar und deutlich sagen: Die gemeinsame Suche gerade mit Ihnen zusammen nach dem besten Lösungsweg bei den Krisenherden, die uns im Augenblick in der Welt so sehr belasten, biete ich Ihnen erneut an. Dabei sollten wir, wie ich es in den vergangenen drei Jahren versucht habe, bemüht
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
sein, ruhig und gelassen und nicht aufgeblasen einen gemeinsamen Weg zu finden, der für unser Land und die Menschen in diesem Land gut ist und nicht nur der innenpolitischen Profilierung dient.
Meine Damen und Herren, wir Deutsche haben aus unserer Geschichte eine Lehre gezogen: Als Mannschaftsspieler sind unsere Interessen am besten aufgehoben. Damit komme ich gleich zu dem Punkt, der uns nach wie vor am meisten in der Außenpolitik interessieren muß. Das ist die europäische Integration.
Seit dem 1. Januar dieses Jahres haben wir vom Nordkap bis Sizilien, von Lissabon bis Athen einen Wirtschaftsraum 370 Millionen gut ausgebildeter und zahlungskräftiger europäischer Bürger. Weitere 100 Millionen Menschen in den assoziierten Staaten Mittel- und Osteuropas sollen hinzukommen, vielleicht - ich füge hinzu: hoffentlich - schon um die Jahrhundertwende.
Allerdings steht die Europäische Union vor einem Scheideweg. Entweder gewinnt dieser Raum auch politisch Statur, oder wir laufen Gefahr, das bisher Erreichte wieder zu verspielen. Um diese Frage geht es im Grunde auf der Regierungskonferenz 1996, die für uns so außerordentlich wichtig ist, die wir mit unseren Partnern und Freunden intensiv vorbereiten.
Die Europäische Union muß sich so ausstatten, daß sie auch mit 20 oder mehr Mitgliedern handlungsfähig bleibt. Wir wollen ein Europa, das bürgernäher, demokratischer und entscheidungsfähiger ist.
Das heißt erstens mehr Bürgernähe. Wir haben bei Maastricht, glaube ich, einen Fehler gemacht, und zwar gemeinsam. Dort lief mehr oder weniger eine Technokratendebatte ab. Es ist uns nicht gelungen, die Menschen auf dem Weg nach Europa wirklich mitzunehmen, Europa wirklich in den Herzen und Köpfen der Menschen zu verankern. Diesmal müssen wir versuchen, es anders zu machen und die Bürger auf dem weiteren Integrationsweg nach Europa wirklich mitzunehmen.
Zweitens. Wer Arbeitsplätze von heute erhalten und die von morgen schaffen will, muß zwangsläufig europäisch denken. Kein anderes großes Wirtschafts- und Industrieland auf dieser Erde ist so einseitig von einer Region abhängig wie Deutschland von Europa; eine Tatsache, die schnell vergessen wird, wenn über Europamüdigkeit gesprochen und geklagt wird. In Europa liegen die Arbeitsplätze der Zukunft.
Drittens. Kein Wohlstand ohne Frieden.
Europa steht vor der Wahl: Entweder organisiert es seine Außen- und Sicherheitspolitik so, daß es in seinem Haus Ordnung schaffen und seine globalen Interessen wahren kann, oder es werden andere für Europa und über Europa hinweg Politik machen. Wir können, wenn es darauf ankommt, auch nicht immer
die USA um Hilfe bitten. Deshalb braucht die Union auch einen Verteidigungsarm. Dazu müssen Westeuropäische und Europäische Union zusammengeführt werden.
Was genauso wichtig ist: Wir brauchen Amerika, Amerika braucht uns, auch in Zukunft. Das transatlantische Verhältnis bleibt für uns von genauso zentraler Bedeutung wie Europa. Die Regierungskonferenz 1996 macht im übrigen die Zeit für eine Festigung unseres Handschlags über den Atlantik hinweg reif, und zwar nicht durch neue Deklarationen, sondern nüchterner durch noch engere Vernetzung, wo möglich und nötig.
Viertens. Wir wollen ein Europa der Bürger, d. h. vor allem ein Europa der inneren Sicherheit. Seit Sonntag besteht volle Freizügigkeit im Personenverkehr zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal und Spanien - ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einem modernen, offenen Europa ohne Schlagbäume und Grenzkontrollen im Innern.
Wir sollten uns darüber klar sein - das sage ich mit großem Nachdruck, aber auch mit der notwendigen Ruhe -, daß wir gerade auf dem Gebiet der Innen- und Rechtspolitik 20, 30 Jahre hinterherhinken, daß aber die Menschen in Europa gerade von uns Politikern erwarten, daß wir auf dem Gebiet der inneren Sicherheit und des Rechts Europa grenzüberschreitend schaffen. Deshalb müssen wir uns auf diesem Gebiet ganz besonders anstrengen; denn die Menschen werden nicht mehr mitspielen, wenn das neue Europa freie Fahrt für das organisierte Verbrechen heißen würde. Der Aufbau von Europol kann deshalb nur ein erster Schritt sein.
Fünftens schließlich: Der Brüsseler Tisch, der für sechs gebaut war, ist zu klein geworden. Er ist für 15 viel zu klein. Eine Union mit 20 und mehr Mitgliedstaaten muß sich also anders organisieren, sonst wird dieser Tanker - das sind wir als Europa inzwischen geworden - bewegungsunfähig. Deshalb führt kein Weg an qualifizierten Mehrheitsentscheidungen in klar definierbaren und definierten Einzel- und Teilbereichen vorbei.
Ich möchte auch deutlich und klar sagen: Der Theologenstreit über variable Geometrie, konzentrische Kreise oder Kerne führt im Grunde nicht weiter. Entscheidend ist die Offenheit der Entwicklung. Ob Schengen oder Währungsunion, nicht alle müssen zum gleichen Zeitpunkt oder im gleichen Tempo losmarschieren. Aber alle müssen für ein gemeinsames Ziel sein und auf dem Weg dorthin mitgehen können.
Ich möchte gerne alle dazu einladen mitzugehen, auch - ich sage es mit besonderem Nachdruck - und gerade unsere britischen Freunde. Heute abend wird die 45. Königswinterer Konferenz eröffnet. Europa braucht Großbritannien, und zwar dort, wo es nach den Worten von Premierminister Major seinen Platz
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
hat: im Herzen und nicht an der Peripherie. Ohne aktive britische Mitwirkung gibt es keine europäische Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die diesen Namen wirklich verdient.
Ich komme zu einem weniger erfreulichen Thema, den Krisenherden auf dieser Welt. Wir haben davon zu viele. Wir hatten alle gemeinsam geglaubt, daß diese Welt nach dem Wegfall der Ost-West-Auseinandersetzung friedlicher würde. Sie ist es leider nicht geworden. Der Waffenstillstand für Bosnien läuft in vier Wochen aus. Bereits jetzt wird leider wieder an zu vielen Orten gekämpft. Es muß alles unternommen werden, um ein Aufflammen der Kämpfe in ganz Bosnien zu verhindern. Darum bemühen wir uns wirklich intensiv in der Kontaktgruppe.
Dabei besteht Einigkeit: Erstens. Die bosnischen Serben müssen den Friedensplan als Grundlage von Verhandlungen akzeptieren. Zweitens. Die Abriegelung der serbisch-bosnischen Grenze muß wirksam sichergestellt werden. Drittens. Milosevic muß alle Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien in ihren internationalen Grenzen anerkennen. Das würde den Weg freimachen für ein Aussetzen der Sanktionen und einen Friedensgipfel. Das müssen wir anstreben, gerade in den nächsten vier Wochen.
Dabei ist eine Grundvoraussetzung, daß wir uns in der Kontaktgruppe nicht auseinanderdividieren lassen. Kein Mitglied ist im übrigen - ich sage das ganz bewußt auch mit Nachdruck von hier aus - allein in der Lage, wirklich entscheidenden Einfluß auf die drei Konfliktparteien zu nehmen.
Wichtig für die weitere Entwicklung war die Stärkung der bosniakisch-kroatischen Föderation. Das zwischen Präsident Zubak und Vizepräsident Ganic auf dem Petersberg vor kurzem getroffene Abkommen hat einen weiteren Meilenstein auf dem schwierigen Weg gebracht. Ich habe Präsident Izetbegovic hier in Bonn - der Bundeskanzler hat es getan, das Parlament hat es getan, die Fraktionen und der Bundespräsident haben es getan - zugesagt, daß die schwächste Seite in diesem schrecklichen Konflikt weiter auf deutsche Unterstützung bauen kann.
Aber unser Appell an die Konfliktparteien, alles zu tun, damit es zu einer Verlängerung des Waffenstillstands kommt, gilt auch - ich beziehe mich auf die Ereignisse der letzten Tage - für die Bosniaken, und zwar genauso wie für alle anderen.
Nach dem Einlenken der kroatischen Seite in der Frage des Verbleibs von 5 000 UNO-Blauhelmen geht es nun um die Einzelheiten des Mandats. Da sind wir jetzt als Mitglied im Sicherheitsrat aktiv beteiligt. Ich gehe davon aus, daß das in den nächsten Tagen kommen wird.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist nicht falsch, gerade heute darauf hinzuwirken, daß die UNO-Luftbrücke nach Sarajevo, Herr Kollege Rühe, heute ein Jubiläum hat. Sie besteht nämlich - so etwas wird wahnsinnig schnell vergessen - genau tausend Tage. In fast drei Jahren haben unsere Bundeswehrpiloten in mutigem Einsatz zusammen mit ihren französischen, britischen, amerikanischen und kanadischen Kollegen in über 12 000 Flügen insgesamt 136 Tonnen Lebensmittel und über 15 000 Tonnen medizinische Hilfsgüter in diese eingeschlossene Stadt eingeflogen.
Was das bedeutet, kann wirklich nur der ermessen, der in letzter Zeit in Sarajevo war. Ich war dort; ich weiß es. Ich kann nur sagen, daß das, was da täglich bzw. nächtlich - oft unter Lebensgefahr - geschieht, eine beeindruckende Leistung ist. Ich möchte gern bei dieser Gelegenheit einmal allen, die sich dort unwahrscheinlich einsetzen, aber vor allem unseren Soldaten sehr, sehr herzlich für diesen mutigen und wirkungsvollen Einsatz danken.
Ich habe auch allen Grund, Hans Koschnick zu danken; denn seine Arbeit in Mostar ist nicht leicht. Er hat sich damals bei Ihnen verabschiedet. Ich habe ihn dort eingeführt. Wir haben uns mehrfach in der Zwischenzeit gesehen. Er vollzieht dort eine sehr, sehr schwierige Aufgabe, und er erfüllt sie vorbildlich. Dank und Gruß von hier aus an Hans Koschnick.
Meine Damen und Herren, nach dem Wegfall des Ost-West-Konflikts müssen wir in Europa eine neue politische, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Architektur schaffen. Seit dem NATO-Gipfel vom 10. Januar 1994 ist die Ost-Erweiterung der NATO im Grundsatz beschlossene Sache. Über das Wann und das Wie muß jedoch mit Bedacht entschieden werden. Wir wollen keine neuen Frontstellungen. Wir wollen keine neuen Gräben in Europa.
Die NATO war ein Kind des Kalten Krieges. Aber sie ist längst zum Sicherheitspartner aller Europäer geworden, mit dem Nordatlantischen Kooperationsrat, mit der Partnerschaft für den Frieden. 25 mittel- und osteuropäische Staaten sehen dies genauso. Sie sind diese Partnerschaft wohlüberlegt und wohlabgewogen eingegangen.
In der vorletzten Woche haben die EU-Außenminister in Carcassonne versucht, Rußland mit dem Vorschlag einer besonderen Beziehung zwischen Rußland und der NATO eine Brücke zu bauen. Nach den deutschen Vorstellungen ist eine Art Charta denkbar, mit einem Konsultationsmechanismus, gegenseitigem Gewaltverzicht und Rüstungskontrollvereinbarungen auf breiter Basis. Rußland kommt nun einmal in dieser neu zu schaffenden europäischen Architektur, vor allen Dingen bei der neu zu schaffenden Sicherheitsarchitektur, ein wichtiger Platz zu. Das heißt aber nicht, daß es in irgendeiner Form Sonderrechte geltend machen kann, die dem widersprechen, was sich die Europäer seit 1989 in der OSZE gemeinsam geschaffen haben.
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
Um es noch einmal deutlich zu sagen: Ein Veto Rußlands gegen die Aufnahme mittel- und osteuropäischer Staaten in die NATO, gegen die Aufnahme dieser Länder in die Europäische Union oder später in die WEU kann es nicht geben.
Wir tun allerdings gut daran, die große, wichtige Dimension Rußland in unsere Gespräche einzubeziehen, und ich sage noch einmal: Wir tun gut daran, keine neuen Gräben zu schaffen. Als erster wichtiger Schritt ist es jetzt natürlich notwendig, daß Rußland auch akzeptiert, was in Sachen Partnerschaft für den Frieden zwischen der NATO und Rußland ausgehandelt worden ist. Leider wird dies bisher verweigert. Wenn wir zu einer solchen Charta in einer auf lange Zeit angelegten Partnerschaft kommen wollen, ist natürlich als zweiter Schritt auch wichtig, daß Rußland deutlich und klar sieht und auch weiß, daß wir zwar mit ihm über die Aufnahme der mittel- und osteuropäischen Staaten in die NATO reden, daß es diese Aufnahmen aber letztlich akzeptieren muß.
Vor kurzem hat es hier in der Tschetschenien-Debatte eine Rolle gespielt - ich sage es noch einmal -: Wir wollen eine dauerhafte und verläßliche Partnerschaft mit Rußland. Aber unsere Rußlandpolitik muß über den Tag hinaus denken, trotz oder gerade wegen Tschetschenien. Ich wiederhole nochmals: Für uns kann es keinen Zweifel geben: Was in Tschetschenien geschah und noch geschieht, ist schlimm. Wir dürfen bei den dort begangenen Verletzungen des Völkerrechts, der Menschenrechte und der OSZE-Prinzipien nicht - wie man dies nach einigen Wochen manchmal bereits den Fernsehnachrichten entnehmen kann - schon wieder zur Tagesordnung übergehen.
Nein, wir müssen die Russen schon weiter massiv drängen, diesen Konflikt möglichst sofort, und zwar friedlich, zu beenden.
Wir müssen Rußland mit den Mitteln, die wir haben, auch deutlich sagen: So geht es nicht. - Das haben wir, was das EU-Kooperationsabkommen anbelangt, getan. Die Troika war in Moskau und hat gesagt: Nein, das unterzeichnen wir jetzt nicht. Wir wollen erst einmal die weitere Entwicklung abwarten.
Die Zustimmung Präsident Jelzins zu einer Beobachtermission in Tschetschenien ist ein wichtiger Schritt. Es darf aber nicht dabei bleiben. Wir haben versucht, in den Troika-Gesprächen zu sagen, daß wir davon ausgehen, daß dies natürlich nicht eine reine Beobachtermission ist, sondern eine Mission, die beispielsweise hilft, Wahlen vorzubereiten, neue Strukturen aufzubauen und die Gesamtsituation dort in den Griff zu bekommen.
Unser Ziel muß es sein, die OSZE weiter zu stärken und vorbeugende Brandverhütungspolitik zu betreiben. Dazu ist die OSZE geeignet, und sie hat in der Vergangenheit bereits mehrfach bewiesen, daß sie das kann.
Meine Damen und Herren, das wichtige, aber oftmals sehr schwierige Verhältnis zu unserem NATO-und WEU-Assoziierungspartner Türkei wird gegenwärtig durch die Militäraktion im Nordirak schwer belastet. Bei den Gesprächen, die wir in der letzten Woche hatten, haben wir als Europäer für die 15 Mitgliedstaaten der EU und habe ich als deutscher Außenminister noch einmal deutlich gemacht, daß uns an einem partnerschaftlich-freundschaftlichen Verhältnis zur Türkei liegt, die uns seit Jahrzehnten freundschaftlich verbunden ist.
In bezug auf das Vorgehen der türkischen Armee im Nordirak haben wir gemeinsam kein Blatt vor den Mund genommen. Ich bitte noch einmal zu sehen und auch anzuerkennen, daß die Gespräche, die dort zu führen waren und die weiter zu führen sind, sich in einem Kontext bewegen müssen, der durch die 14 anderen europäischen Partner mitbestimmt wird. Ich bitte, ein wenig das zu beachten, was ich eingangs zu sagen versucht habe.
Das Völkerrecht, die Menschenrechte, die den Schutz unschuldiger Zivilisten vorsehen, dürfen nicht mißachtet werden, auch nicht im Kampf gegen eine terroristische PKK.
Diese Aktion im Nordirak, über die wir vorher nicht unterrichtet waren und die wir nicht verhindern konnten - manchmal wird der Eindruck erweckt, als ob wir das hätten verhindern können -, muß sofort beendet werden. Ich nehme dabei meinen alten und jetzigen neuen türkischen Amtskollegen beim Wort, wonach entgegen zuvor gemachten, besorgniserregenden Äußerungen nicht, wie er sagt, an ein längeres Verbleiben und an die Einrichtung einer Sicherheitszone im Nordirak gedacht ist. Ankara muß klar wissen, gerade von einem Freund und Partner: Jeder Tag, an dem die Militärpräsenz dort andauert, vergrößert den politischen Schaden für die Türkei, für die NATO, für uns alle, nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit der Zollunion. Wir haben so sehr gehofft, daß uns in bezug auf die Zollunion eine Ratifizierung im Europäischen Parlament gelingt. Jetzt sehe ich sie leider in weite Ferne gerückt.
Ich nehme die türkische Regierung ebenfalls bei ihrem Wort, daß sie im Kampf gegen die PKK keine von Deutschland gelieferten Waffen einsetzt. Ich bin jedem einzelnen Hinweis nachgegangen; ich kann nur immer wieder sagen: Es gibt bisher Verdachtsmomente, aber es gibt keinen eindeutigen Beweis. Als Außenminister kann ich nicht zu einem Partner sagen: Ich glaube deinen offiziellen Beteuerungen nicht. - Ich habe mehrfach die Ministerpräsidentin
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
und den Außenminister gefragt; ich habe die Generale fragen lassen, die den Einsatz dort führen.
- Lachen Sie nicht so hämisch! Ich würde gern einmal wissen, was Sie machen würden, wenn Sie Verantwortung tragen würden. Statt dessen geben Sie dem „General-Anzeiger" Interviews.
Ich kann nur sagen: Ich habe die Frage gestellt. Sie ist mir so beantwortet worden, wie ich sagte.
Ich jedenfalls habe bisher keine Beweise. Wenn sich Fachleute auf derartige Beweiswürdigungen festlegen, wie das jetzt geschehen ist, kann ich als Außenminister offiziell daran nicht zweifeln.
Gleichwohl haben wir gehandelt, wie die letzten Male auch. Die deutschen Zuschüsse für den Bau von zwei türkischen Fregatten bleiben vorerst gesperrt. Außerdem wird die Bundesregierung die noch anstehenden Restlieferungen aus der Materialhilfe vorläufig aussetzen. Im übrigen werden wir jedem Hinweis - ich sage es noch einmal - sorgfältig nachgehen.
Vielleicht haben Sie zwischen Ihren hämischen Bemerkungen zur Kenntnis genommen, wie die Türkei im Hinblick auf unsere NATO-Verpflichtungen gestern und heute reagiert hat. Es wäre für mich sehr wichtig, daß Sie das tun, weil dann das Gesamtbild und die Gesamtverantwortung etwas deutlicher werden. Ich wäre ferner sehr erfreut, wenn Sie an der Küste dieselben Auffassungen vertreten würden wie hier im Parlament und in der Presse, wenn es um die Frage geht, ob der Bau von Schiffen und anderen Rüstungsgütern gestoppt wird oder weitergehen soll. Da scheint mir eine komische Diskrepanz vorzuliegen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja bitte, Herr Kollege Voigt.
Herr Voigt, bitte.
Herr Bundesaußenminister, ich bin gegen die Fregattenlieferungen an die Türkei. Aber könnten Sie mir vielleicht erläutern, warum Sie die Hilfe für die Fregatten jetzt gestoppt haben, wenn Sie der türkischen Regierung vertrauen? Ich verstehe das nicht. Entweder Sie mißtrauen ihr, dann liefern Sie nicht, oder Sie vertrauen ihr, dann müßten Sie gemäß der Logik Ihrer Argumentation die Fregatten und anderes Material liefern. Können Sie mir das vielleicht erläutern?
Das will ich gern tun. Es gibt zwei Gesichtspunkte, die für unsere Entscheidung ausschlaggebend waren.
Erstens. Ich habe gerade gesagt: Es gab und gibt Verdachtsmomente. Es liegen keine Beweise vor. In einer vergleichbaren Situation haben wir in der Vergangenheit zweimal so gehandelt, wie wir das jetzt getan haben.
Zweitens. Ich habe Ihnen im Ausschuß dargelegt und tue das hier gern nochmals, daß ich, nachdem ich aus der Türkei zurückgekommen bin, berechtigten Anlaß hatte, daran zu zweifeln, ob das, was mir über die Dauer der Aktion gesagt worden ist, zutreffend sein wird.
Wir müssen darauf achten, daß, selbst wenn ein Selbsthilferecht im völkerrechtlichen Sinn für die Türkei angenommen werden könnte, ein längeres Verbleiben der türkischen Truppen im Nordirak nicht berechtigt ist. Da sind sich die 15 und inzwischen auch die Amerikaner einig; ich habe ein langes Gespräch mit dem amerikanischen Außenminister gehabt, der danach eine Presseerklärung in diesem Sinne abgegeben hat und nicht vorher.
Wir sind uns einig, daß wir die Möglichkeiten, die wir haben, ausnutzen müssen, um darauf zu drängen, daß sich die Türken möglichst schnell - ich sage noch einmal: möglichst morgen - aus dem Nordirak zurückziehen.
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Brecht?
Nein, jetzt würde ich gern meine Ausführungen weiterführen. Ich habe ja im Ausschuß ausführlich Rede und Antwort gestanden, und ich kann hier nur dasselbe wiederholen.
Sosehr wir die Sorge der Türkei um die Sicherheit ihres Landes und der Menschen verstehen, militärische Aktionen können die Konflikte nicht lösen, und ohne wirkliches politisches Bemühen um berechtigte kurdische Anliegen wird Ankara mit dieser Frage nicht fertig werden können. Das müssen unsere türkischen Freunde begreifen. Der Weg der Gewalt ist nicht der Weg nach Europa.
Ich füge allerdings hinzu: Wir dürfen der Türkei, die in einer unwahrscheinlich schwierigen Lage ist - mit fundamentalistischer Bedrohung, wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sie hat Menschenrechtsprobleme und Probleme mit der gesamten Kurdenfrage - nicht pausenlos nur vor das Schienbein treten, sondern müssen versuchen, ihr in einer solchen Situation zu helfen.
Der gute Wille, über die gigantischen Probleme hinwegzukommen, ist da; die Fähigkeit, es tatsächlich
zu schaffen, ist offensichtlich im Augenblick nicht
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
gegeben. Da muß man eine deutliche und klare Sprache sprechen, aber nicht aus innenpolitischen Gründen immer nur die Backen aufplustern, sondern mehr dazu tun, daß in der Praxis einem Land mit 60 Millionen Einwohnern geholfen wird, bei dem wir kein Interesse daran haben, daß es von Europa wegdriftet, sondern ein Interesse daran haben müssen, daß es bei Europa bleibt.
Ich muß das einmal deutlich sagen, weil mich Ihre Reaktion geärgert hat.
Was Sie in der Opposition da zum Teil fordern, hieße nichts anderes, als der Türkei gegenüber Freundschaft und Unterstützung aufzukündigen. Das wäre ganz sicher nicht der Weg zu einem stabilen und demokratischen türkischen Nachbarn.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Dietert?
Nein, ich möchte jetzt wirklich nicht.
Ich möchte im übrigen die Vertreter der SPD auffordern, so wie ich das getan habe, in Gesprächen mit Herrn Cetin, der ja jetzt der Vorsitzende der beiden zusammengeschlossenen sozialdemokratischen Parteien ist, in der Türkei das zu sagen, was sie hier sagen, hinzufahren und bei der Sozialistischen Internationale und bei ihren Partnern darauf hinzuwirken, daß das, was sie so gern hätten, in der Praxis geschieht, statt hier bloß herumzuposaunen und in der Praxis nichts zu machen.
Es geht um einen schwierigen Balanceakt. Ich sage es noch einmal: Wir dürfen nicht übersehen, in welcher Zerreißprobe sich die Türkei befindet. Wenn Sie Verantwortung tragen würden, müßten Sie sich anders verhalten.
Ich möchte gern noch etwas anfügen, was mir sehr wichtig zu sein scheint. In der Zeit des Ost-WestKonfliktes mußten wir zum Teil unwahrscheinlich viel Geduld mit Regierungen aufbringen, die mit Freiheit und Menschenrechten wenig im Sinn hatten.
- Ausgerechnet Sie! - Diese Politik hatte damals einen guten Grund und war letztlich auch erfolgreich; sie hat mit zum Wandel beigetragen. Heute behandeln wir die Staaten, die um Demokratie ringen, zum
Teil wesentlich strenger und schlechter - unter Hinweis auf unsere Wertmaßstäbe, zu denen sie sich im übrigen auch bekennen und die sie gern einhalten würden, wenn sie denn die Kraft hätten, es zu tun.
Das sollten wir uns sehr genau überlegen. Das mag theoretisch Sinn machen, wir müssen jedoch sehr aufpassen, daß dies im praktischen Ergebnis nicht zu einer Bestrafung ausgerechnet der Staaten führt, die ernsthaft zu uns hin wollen, aber eben noch mit großen eigenen Problemen zu kämpfen haben. Das kann letztlich, wenn ich es richtig sehe, nicht unser Ziel sein.
Sie müssen sich auch anhören, daß ich natürlich mehr als Sie bei meinen Auslandsreisen und gerade in der Türkei, und zwar immer als erstes, auf folgendes angesprochen werde: Lieber deutscher Außenminister, was haben Sie eigentlich zu über 95 Anschlägen auf türkische Einrichtungen in den letzten drei Wochen in Deutschland zu sagen?
- Ja, das haben wir ja gestern in der Debatte gesagt.
- Was haben Sie eigentlich zu den Ereignissen in Mölln und Solingen zu sagen, die Jahre zurückliegen? Sie als deutscher Außenminister, waren ja - Herr Lippelt, hören Sie genau zu - im letzten Jahr dabei, als die ermordeten Kinder und Erwachsenen in der Türkei zu Grabe getragen worden sind! - Ich habe als Außenminister eine Gesamtschau vorzunehmen. Ich kann Ihnen nur sagen: Solange wir nicht in der Lage sind, im eigenen Haus Ordnung zu halten - ich will das allerdings nicht vergleichen -, sollten wir - ich sage das noch einmal - mit aufgeblasenen Bakken nach draußen etwas vorsichtiger sein.
Meine Damen und Herren, seit dem 1. Januar dieses Jahres ist Deutschland zum drittenmal im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. So wie für uns die globale Vertretung unserer Wirtschaftsinteressen noch stärker in den Vordergrund rückt, so wird von einem Industriestaat unserer Größenordnung globale Mitverantwortung erwartet.
Ich habe gerade auf meiner Reise in die Golfstaaten, nach Ägypten und nach Ankara in der letzten Woche wieder gemerkt, über welch großes Freundschaftskapital wir gerade in der arabischen Welt verfügen. Viele dieser Staaten ringen mit vergleichbaren Problemen, nämlich mit dem Fundamentalismus. Algerien ist das allerbeste Beispiel, das der Europäischen Union die größten Sorgen bereitet. Da ist erneut guter Rat teuer. Es hat keinen Sinn, hier große Erklärungen abzugeben, sondern es wird draußen gefragt: Wie kann geholfen werden? Wie sind denn die Deutschen bereit zu helfen? Da wird dann alles ein wenig kleinlauter.
Wir müssen diese bedrängten Staaten in ihren Bemühungen um Modernisierung unterstützen. Vergessen Sie bitte nicht: 23 % der Weltbevölkerung hängen dem Islam an. Das sind 1,3 Milliarden Men-
Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
schen auf dieser Erde. Wir sind in einer riesigen Gefahr, daß wir die Religion des Islam gleichsetzen mit Terrorismus und Fundamentalismus. Ich kann nur sagen: Bitte keine neuen Feindbilder aufbauen.
Dasselbe gilt für Burundi. Der deutsche Außenminister und der deutsche Verteidigungsminister werden mehr als früher gefragt: Wenn ihr wohlfeile Ratschläge habt, seid ihr dann bereit, dort mit Soldaten hineinzugehen und zu helfen, die Situation in den Griff zu bekommen? Die Frage würde ich dann, wenn es ernst wird, an Sie richten.
Ich komme gleich noch auf dieses spezielle Problem.
Der Einsatz für die Menschenrechte - ich möchte das noch einmal sagen; ich habe es schon vorher angedeutet - bleibt der moralische Imperativ unserer Außenpolitik. Er wird auch nicht auf anderen Altären geopfert. Ich weise das zurück. Ich bin in der Außenpolitik überhaupt mehr für Einsichten als für Altäre, z. B. für die Einsicht, daß wir neben unseren Wertvorstellungen auch Interessen haben, daß aber diese Interessen nicht von den Wertvorstellungen getrennt werden dürfen bzw. zu trennen sind.
Meine Damen und Herren, ich komme auf das, was Herr Verheugen und Herr Voigt offensichtlich von mir als Antwort wollen, zu sprechen. Mir wird ja vorgeworfen, daß ich Militarisierung der deutschen Außenpolitik betreibe, Druck entwickele in Richtung auf ständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat - im übrigen als erstes gefordert von der SPD. Sie haben recht, Herr Verheugen, daß wir uns auf Grund der deutschen Vergangenheit, daß sich insbesondere die SPD auf Grund ihrer Vergangenheit nicht schämen muß, die Debatte über Bundeswehreinsätze zu führen. Das haben Sie mir mehrfach entgegengehalten. Da haben Sie recht. Andere Parteien haben das auch getan.
Aber: Sie in der SPD brauchten sich auch nicht zu schämen, wenn Sie sich bei so wichtigen Fragen wie der gesamten transatlantischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und den schwierigen Einsätzen bei friedenserhaltenden Maßnahmen in der Welt bald zu einer klaren Position durchringen würden, einer Position, die Deutschland, die NATO und die WEU nicht ins Abseits stellt. Noch sind Sie dazu nicht bereit.
Es wird immer alles mögliche erklärt und gefordert. Wenn es notwendig ist, sich in den Fragen praktisch zu bewegen, sind Sie leider Gottes sehr stark in der Vergangenheit verhaftet. Ich will keine Militarisierung oder „Germans to the front". Ich möchte nur gern, daß uns unsere Partner und Freunde nicht weiter scheel ansehen und uns vorhalten, daß wir zwar gern Vorteile für uns in Anspruch nehmen, aber uns mehr oder weniger davor drücken, Pflichten zu übernehmen. So auf jeden Fall meinen einige.
- Ich unterhalte mich nachher mit Ihnen, Herr Voigt.
Ich komme zum Schluß. Meine Damen und Herren, ein Nachbar, mit dem wir geschichtlich immer eng verbunden waren und der besonders unter den Untaten des Nationalsozialismus gelitten hat, sind die Tschechen. Ich bin für die Diskussion, die zum Thema Polen geführt worden ist, dankbar. Ich bin glücklich darüber, daß wir im Verhältnis zu Polen entscheidende Schritte vorangekommen sind. Ich wünsche mir sehr - ich habe das hier bei der Regierungserklärung gesagt -, daß das mit der Tschechischen Republik genauso geht. Ich habe in der Regierungserklärung gesagt: Wir schulden den Opfern des nationalsozialistischen Unrechts Gerechtigkeit und Genugtuung. Ich habe mich über die Reaktion - weil das ja nicht so sicher war - meines tschechischen Kollegen gefreut.
Wir rechnen Unrecht nicht auf. Ich bin zuversichtlich, daß wir hier im Geiste einer echten Versöhnung bald zu einer guten Lösung kommen werden.
Das ist nicht nur für Deutsche und Tschechen wichtig - ich sage das bewußt am Schluß -, das ist für ganz Europa von Bedeutung. Havel hat einmal gesagt: „Wenn Westeuropa nicht den Schlüssel zu Osteuropa findet, verliert es den Schlüssel zu sich selbst. " Wir Deutsche sollten uns in besonderer Weise dieser Wahrheit, wie ich meine, bewußt sein. Wir haben jedenfalls vor, als Regierung so und in diesem Sinne zu handeln.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Gerd Poppe .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesaußenminister, sicherlich sind wir uns in manchen außenpolitischen Fragen einig, aber es ist eine Verwischung der Unterschiede zwischen den Aufgaben von Regierung und Opposition, wenn Sie von uns hier fordern, als Opposition das zu erledigen, was Sie als Außenminister nicht schaffen.
Ich kann Sie sehr wohl beruhigen: Wir fahren und wir sind gefahren nach Bosnien, in die Türkei, nach Rußland, und wir versuchen dort, Politik zu machen, die diese Konflikte lösen hilft.
Gerd Poppe
Wir sind uns sicherlich auch einig, daß Einsparungen im Haushalt notwendig sind. Aber es ist eine Binsenweisheit, daß man auch an den falschen Stellen sparen kann. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, den Rüstungshaushalt ungeschoren lassen oder erstmalig seit 1989 gar anheben, andererseits bei der Entwicklungshilfe oder der humanitären Hilfe sparen, dann sparen Sie an der falschen Stelle.
Nachdem ich vorhin den Bundeskanzler gehört habe, der die Lage der Menschen in Asien und Afrika mit der von denen in Rostock und Dresden in einem Atemzug genannt hat, wundert mich nichts mehr, was den Entwicklungshaushalt angeht.
Meine Damen und Herren, das Ungleichgewicht im Haushalt beruht auf einer politischen Fehlorientierung, über die wir heute nicht zum erstenmal reden. Es sind vor allem zwei grundsätzliche Fehler, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, die wir Ihnen vorhalten.
Erstens. Sie akzeptieren nach wie vor die Ergebnisse sogenannter militärischer Lösungen. Sie nehmen sie hin, obwohl jeder angesichts der täglichen Schreckensbilder in aller Welt weiß, daß mit militärischer Gewalt Konflikte nicht zu lösen sind, sondern nur durch die Beseitigung ihrer Ursachen. Der hohe Stellenwert des Militärischen in Ihrer Außenpolitik ist die zwangsläufige Konsequenz aus der systematischen Weigerung, Armut und Unterentwicklung endlich angemessen zu bekämpfen.
Zweitens. Sie greifen immer noch in die politische Mottenkiste zur Bewahrung eines Status quo, von dem inzwischen jeder weiß, daß er nicht zu der erwünschten Stabilität führt. Das Hinnehmen einer abenteuerlichen Politik autoritärer Regierungen oder gar ihre Unterstützung führt nicht zu mehr, sondern zu weniger Sicherheit. Trotz entsprechender Erfahrungen mit den verblichenen kommunistischen Regimes, deren Lebensdauer Sie ja verlängert haben, und anderen Diktaturen wiederholen Sie mit erstaunlicher Konsequenz frühere Fehler.
Warum setzen Sie auch nach den türkischen und russischen Militäreinsätzen gegen das kurdische bzw. tschetschenische Volk immer noch auf Regierungen, die offenkundig nicht willens oder nicht in der Lage sind, die Menschenrechte zu wahren und demokratische Verhältnisse zu entwickeln? Warum sichern Sie ausgerechnet solchen Regierungen Ihre Unterstützung, ja Freundschaft zu, während Sie andererseits Irritationen gerade bei denjenigen schaffen - wie Polen und der Tschechischen Republik -, die auf dem Weg zur Demokratie sind?
Herr Schäuble hat vorhin einen Anlauf genommen und wollte uns erklären, worin denn die Fehler bestanden bezüglich der Rangelei um die Einladung an Polen. Er hat diesen Satz nicht beendet, aber er hat von Solidarnosc gesprochen und von der großen Rolle, die Solidarnosc gespielt hat, und wie sehr er sie schätzt. Nun frage ich: Wenn es auf der einen Seite die unbezweifelbaren Verdienste von Mitterrand gibt, auf der anderen Seite die unbezweifelbaren Verdienste des Vorsitzenden der Solidarnosc und heutigen polnischen Präsidenten - warum soll dann nicht eine andere Behandlung möglich sein, als sie geschehen ist?
Sie, meine Damen und Herren von der Regierung eines der reichsten Länder der Erde, unterschätzen chronisch die Folgen von sozialen Krisen im ärmeren und größeren Teil der Welt. Sie nehmen politische Krisen immer erst dann wahr, wenn sie zum offen ausgetragenen Konflikt führen. Wenn dann das von vielen Sachverständigen lange erwartete Ergebnis eintritt, sind Sie, Herr Außenminister, überrascht oder enttäuscht oder schockiert. Wäre es da, herr Kinkel, nicht angebracht, nach den vielen schönen Worten über die Menschenrechte diesen endlich den angemessenen Stellenwert zu verschaffen, anstatt im Zweifelsfall immer wieder dem unmittelbaren außenwirtschaftlichen Interesse den Vorrang zu geben?
Die mindestens unklare Haltung der Bundesregierung läßt sich mit vielen Beispielen belegen. Ich erwähne nur die Politik gegenüber China und gegenüber dem Iran. Ich würde sehr gerne noch zu dem reden, was Sie über Bosnien und über Tschetschenien gesagt haben, möchte mich aber jetzt auf den aktuellen Fall, der uns beschäftigt, den Umgang mit der türkischen Intervention im Nordirak, beschränken.
Niemand bestreitet, daß Terrorismus bekämpft werden muß. Aber es ist die verfehlte türkische Politik gegenüber dem kurdischen Volk, es sind die Aktionen der türkischen Militärs, die die PKK seit Jahren stärken, jede politische Lösung verhindern und die Demokratisierung blockieren.
Wenn Sie ungeachtet dessen die türkische Regierung bis heute gebetsmühlenartig als Garanten des laizistischen Staates und demokratischen Partner in Europa darstellen, so ist das keine angemessene und ausreichende Reaktion. Ebensowenig reichen ein Sperrvermerk für die Finanzhilfe oder die halbherzige Ankündigung einer vorläufigen Aussetzung noch ausstehender Militärhilfe. Die türkische Regierung kann beruhigt abwarten, bis die Schamfrist verstrichen ist. Das Verfahren ist bekannt: Denken Sie
Gerd Poppe
nur an die sogenannte Normalisierung der Beziehungen zu China, ohne daß die Menschenrechtssituation sich auch nur im mindesten geändert hätte.
Es genügt auch nicht, schockiert zu sein, Herr Kinkel, wenn ein NATO-Partner in einen Nachbarstaat einmarschiert und verkündet, sich dort für ein Jahr einzurichten.
Die Initiative zur Anwendung der OSZE-Mechanismen hätte schon viel früher ergriffen werden können und müssen. Es reicht nicht aus, einmal mit dem Fuß aufzustampfen
und dann nach wenigen Wochen wieder zur sogenannten Normalität, zur Tagesordnung überzugehen. Das gilt für Ihre Besuche in Moskau wie in Ankara.
Meine Damen und Herren, hierzulande ist fast nur vom Einsatz des türkischen Militärs gegenüber der PKK die Rede. Kaum erwähnt werden z. B. die Übergriffe der Polizei in Istanbul gegen die protestierenden Alawiten. Inzwischen besteht die reale Gefahr, daß extreme Islamisten auch in der Türkei die Oberhand gewinnen.
Es geht also nicht allein um die politische Lösung der sogenannten Kurdenfrage, d. h. den Beginn des Dialogs mit den Vertretern des kurdischen Volkes und den Abbau der kemalistischen Staatsdoktrin. Es geht um die demokratisch verfaßte Türkei schlechthin. Damit es sie geben kann, muß Druck auf die nationalistischen bzw. autoritären Kräfte ausgeübt werden. Zugleich müssen die demokratischen Kräfte gestärkt werden.
Dafür ist es natürlich unverzichtbar - darin stimmen wir mit Ihnen überein -, der Türkei eine deutliche europäische Perspektive zu eröffnen. Andererseits wäre eine Aufnahme in die Zollunion zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch das falsche Signal.
Sie würde die Verfechter der gegenwärtigen Politik nur ermuntern. Es ist auch legitim, über eine Aussetzung der Mitgliedschaft im Europarat nachzudenken, wenn dessen Aufnahmekriterien glaubwürdig bleiben sollen.
Hilfe für die Türkei, d. h. für alle Menschen in der Türkei, unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit, bedeutet deshalb, das Angebot der europäischen Integration an Bedingungen zu knüpfen, die nicht aufgeweicht werden dürfen. Die Forderungen nach demokratischer Justiz und Verfassungsreform, nach
Aufhebung des Ausnahmezustands in Kurdistan und nach der Freilassung gewaltfreier politischer Gefangener müssen deutlich artikuliert und mit praktischer Unterstützung verbunden werden.
Es gibt für die Lösung der Probleme der Türkei sicher kein Patentrezept, keine einfache, holzschnittartige Lösung. Etwas anderes haben wir auch nie behauptet. Diese Aufgabe ähnelt einer Gratwanderung. Jedoch könnte Deutschland durchaus eine Schlüsselrolle einnehmen, natürlich unter der Voraussetzung, daß die innenpolitischen Fragen in Deutschland gelöst werden.
Das, was ich hier zur Türkei gesagt habe, sollte grundsätzlich für unsere Politik gelten. Ohne praktizierte Demokratie, ohne Garantie der Menschenrechte, ohne den besonderen Schutz der Minderheiten ist eine auf Interessenausgleich gerichtete Entwicklung nicht möglich. Auch wer den außenpolitischen und wirtschaftlichen Interessen die Priorität beimißt - um das für einen Außenminister und zugleich Vorsitzenden einer erklärten Wirtschaftspartei hinzuzufügen -, sollte die Vorzüge eines demokratischen Systems kennen, z. B. im Hinblick auf Risiken bei Auslandsinvestitionen.
Die Forderung, die genannten Kriterien zum Maßstab von Außenpolitik zu machen, sollte endlich Konsens in diesem Hause werden, unabhängig davon, wer die deutsche Außenpolitik gestaltet.
Gestern haben Sie, Herr Kinkel, im Ausschuß gefragt: Was würden Sie denn an meiner Stelle tun?
Weiter haben Sie gesagt: Sie würden sich schon auf den Moment freuen, wenn wir vor derartigen Problemen stehen.
Auch wir freuen uns darauf.
Aber vielleicht sollten Sie die Hoffnung nicht so schnell aufgeben.
Ich will Ihnen deshalb noch abschließend zwei kleine Ermutigungen mit auf den Weg geben: die eine für den Bundeskanzler, die andere für den Bundesaußenminister.
Der russische Oppositionspolitiker Jawlinskij hat mir neulich im Gespräch gesagt: Die deutsche Demokratie könne funktionieren, da sie fähig sei, sich selbst zu korrigieren. Der Kanzler habe Sergej Kowaljow nicht empfangen, was in Deutschland Unmut ausgelöst habe. Daraufhin habe er nun immerhin ihn, Jawlinskij, empfangen, wobei - in Klammern - die Frage sei, ob Jelzin überhaupt davon erfahre.
Zweites Beispiel, Herr Kinkel: Sie haben es selbst genannt. Den Versuch, mit den Petersberger Gesprächen die bosnische Föderation in Gang zu bringen, halte ich für eine begrüßenswerte deutsche Initia-
Gerd Poppe
tive, auch wenn zu befürchten ist, daß sie zu spät kam. Von den bosnischen Freunden gab es viel Lob für Herrn Steiner und für Sie. Sie sind also mitunter lernfähig, fähig, sich zu korrigieren, und Sie könnten diese Lernfähigkeit auch heute einmal beweisen, indem Sie unseren Anträgen zum Haushalt zustimmen.
Das Wort hat der Kollege Graf von Einsiedel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht hundert Jahre alt, ich bin jünger.
- Vielleicht sehe ich so aus, aber Gott sei Dank oder leider war ich alt genug, als Heranwachsender, wie so viele Hunderttausende, ja, Millionen meiner Altersgenossen ein Opfer jenes geistigen und politischen Klimas zu werden, in dem wir für den nächsten Waffengang eingestimmt und abgerichtet wurden und dessen herausragendster Repräsentant eben jener Ernst Jünger war, der gestern und überhaupt in den letzten 10, 15 Jahren wieder so sehr gefeiert und ausgezeichnet wird.
Ist das ein Zufall? Klimaveränderungen sind bekanntlich schwer nachzuweisen. Die Wiederentdekkung dieses Verherrlichers des Krieges ist für mich jedoch ein nicht zu übersehendes Indiz für die Veränderung des geistigen Klimas, in dem wir leben,
des Klimas, das Jünger noch vorgestern ein fellachoides-atheistisches Zeitalter nennt. Ihm fehlen die heroischen Stahlgewitter. Nicht nur ihm. So mancher ehemals linker - in Jüngers Augen fellachoider - Libertiner, der plötzlich entdecken mußte, daß die Propheten, an die er geglaubt hat, nur Gespenster waren, springt auf den neuen nationalen Transrapid und bindet den Helm fester - was der Herr Bundespräsident auch immer gegen das Trittbrettfahren haben mag.
Was hat das alles mit Außen- und Militärpolitik zu tun, mögen Sie fragen? Nun ja, wir feiern demnächst den 50. Jahrestag der Befreiung, einer Befreiung, die wir uns ziemlich viel haben kosten lassen. Allein in den neun Monaten nach dem 20. Juli 1944, als ein paar verantwortungsbewußte Leute vergeblich versucht hatten, Deutschland von Hitler zu befreien, sind 4,8 Millionen Deutsche ums Leben gekommen, 16 000 pro Tag, jeden Tag zehnmal so viel wie an jedem Tag der fünf Jahre Krieg bis dahin. Wer war alles mitschuldig durch Unterlassen, durch Weggukken? Ich bitte sehr um Entschuldigung, wenn ich in diesem Zusammenhang nur von den deutschen Toten rede, denn auf seiten unserer Befreier sind auch noch Millionen gefallen, und Hunderttausende wurden in dieser Zeit noch ermordet. Es war verdammt schwer, uns zu befreien.
Wir gedenken dieses Tages der Befreiung, einer Befreiung wider Willen. Aber die Versuchung ist groß - und ihr wird auch kräftig nachgegeben -, diesen 50. Jahrestag zu einer neuen Art von „Tag von Potsdam" umzufunktionieren, in einen Tag der nationalen Wiedergeburt.
Eine Übertreibung? Lesen Sie die Papiere des Generalinspekteurs der Bundeswehr über die neuen Herausforderungen:
Zum erstenmal seit 300 Jahren erleben wir die Gunst, nicht mehr Gegenstand externen Drucks zu sein.
So jubelt der General. Und weiter:
Zum erstenmal haben wir die Chance, politischer Akteur zu sein.
Man glaubt, nicht recht zu lesen. Zwei Weltkriege verloren, in denen sich eine Welt gegen die deutschen imperialistischen Expansionsgelüste verschworen hatte, gegen den Druck, den wir auf alle Nachbarn ausgelöst hatten, in denen wir zweimal bis Rostow und darüber hinaus marschiert sind, bis alles in Scherben fiel, und in denen wir einmal Paris fast und einmal ganz Frankreich erobert haben!
Im Geschichtsbewußtsein des Generals existiert das alles offenbar nicht. Im Gegenteil, er entwickelt globale militärische Verantwortung für Deutschland wie einst Wilhelm II. Man könnte meinen, er möchte auch gerne einmal die Uhren in Peking richtigstellen.
40 Jahre lang wurden im Kalten Krieg ungeheure Summen in militärische Sicherheit gegenüber dem Warschauer Pakt investiert. Stolz schlägt man sich auf die Schulter, die Sowjetunion totgerüstet zu haben, und gesteht damit ungewollt ein, daß die Bedrohung wohl doch nicht so einseitig war, wie man uns Jahrzehnte lang gerne glauben ließ. Nun ist der Warschauer Pakt verschwunden, die Sowjetunion aufgelöst, Rußland auf seinen Territorialbesitz von vor 300 Jahren zurückgeworfen, Deutschland umzingelt von Nachbarn, die Verbündete oder Freunde sind, obwohl man sie nicht immer so behandelt wie Freunde - Herr Scharping hat dazu schon einiges gesagt -, aber immerhin umzingelt von Freunden.
Man sollte meinen, wir könnten die Verteidigungsausgaben allmählich sozialverträglich zurückführen. Aber nein, wir sind ja wieder wer, nach General Naumann nun nicht mehr im Maschinenraum, sondern auf der Brücke des Dampfers UN, KSZE, NATO, EU usw. Ich kann bloß sagen: Hoffentlich ist es nicht die Titanic, die, Volldampf voraus, vermeintlich unsinkbar, auf die Eisberge zurast, die unsere Sicherheit tatsächlich bedrohen: die Klima- und Umweltkatastrophen, die drohenden nuklearen GAUS, die Überbevölkerung, die Kluft zwischen den Reichen, die im-
Heinrich Graf von Einsiedel
mer weniger und immer reicher werden, und den Armen, die immer mehr und immer ärmer werden, in Deutschland, in Europa, in Amerika und erst recht weltweit.
Ich weiß, in den Augen der Mehrheiten dieses Hauses ist das reine Panikmache. Wir leben ja in der besten aller Welten. Aber das hat Europa auch zu Beginn dieses Jahrhunderts geglaubt und stürzte doch ab in die Barbarei des Weltkrieges. Der antiquierte Satz: „Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor" hatte sich umgekehrt. Der Krieg wurde so lange vorbereitet, bis er zwangsläufig ausbrach.
Ich war zugegebenermaßen auf der Schule nicht besonders stark in Latein. Aber soviel meine ich mich doch noch zu erinnern: Der Krieg ist die Ultima ratio, das letzte Mittel. So lernten wir das damals. Bei General Naumann müssen wir umlernen: das äußerste, keineswegs das letzte Mittel. Was da der Unterschied ist, verschweigt er - wahrscheinlich der atomare Untergang.
Im Krisenbogen von Marokko bis zum Indischen Ozean könnten sehr rasch militärische Schritte erforderlich sein, sagt der General. Wörtlich:
Die den Einsatz von Streitkräften nahezu ausschließende und auf Reaktion als Verteidiger beschränkende Situation der nuklearen Konfrontation ist aufgehoben. Gefordert ist neue strategische Aktion bis hin zur Prävention.
Der alte Bismarck würde im Grabe rotieren, wenn er das läse.
Es gibt Kollegen und Kolleginnen sogar bei der SPD, die so etwas „militärisches Maulheldentum" nennen. So weit will ich gar nicht gehen. Aber die Alarmglocken müssen doch schrillen, wenn der oberste Repräsentant unserer Streitkräfte solche Töne anschlägt. Gut, er bestimmt Gott sei Dank noch nicht die Richtlinien in der Politik. Aber wenn er deswegen nicht sofort in die Wüste geschickt wird, dann kann er sich doch damit nicht allzuweit von den internen Richtlinien und Zukunftsperspektiven dieser Regierung entfernt haben.
Wer wollte es bestreiten: Das größere Deutschland hat auch eine größere Verantwortung. Aber werden wir dieser Verantwortung gerecht, wenn wir der viertgrößte Waffenexporteur sind, über eine der modernsten Armeen verfügen und dennoch Unsummen für die Entwicklung und Beschaffung neuer Waffensysteme auszugeben bereit sind? Unsummen, die an anderen Stellen weitaus sinnvoller eingesetzt werden könnten?
Würde es uns nicht viel besser anstehen, wenn wir die Vorreiter in der Entwicklungshilfe, im Umwelt-und Klimaschutz, bei weltweiten humanitären Aktionen wären? Ist statt einer Streitmacht von 50 000 Mann Krisenreaktionskräften nicht auch ein humanitäres Hilfskorps denkbar, wenn es auch nur 25 000 Mann wären?
- Kommen Sie mir doch nicht mit der SED!
Ich war nicht in der SED. Schon vor 46 Jahren habe ich die DDR und auch die SED kritisiert; ich brauche dem nichts mehr hinzuzufügen. Kommen Sie mir doch nicht mit dieser alten Leier. Sie können die PDS doch nicht mit der SED gleichsetzen. Gucken Sie doch einmal, wie alt diese Menschen sind!
- Also ich nicht.
Wir haben an zwei Verbündete, nämlich an Griechenland und die Türkei, für Milliarden DM Waffen und Militärausrüstung geliefert, an zwei Staaten, die schon militärische Zusammenstöße hatten und jedenfalls in einem großen Spannungsverhältnis zueinander stehen.
In meinen Augen ist die Türkei in viel höherem Maße ein Unrechtsstaat, als es die DDR gewesen ist. Herr Rühe sagte mir, ich sollte noch einmal darüber nachdenken. Nach seinen eigenen Worten aber erfüllt die Türkei nicht einmal die Voraussetzungen eines NATO-Beitrittskandidaten, schon deshalb, weil sie neue Konflikte in die Allianz trägt, indem sie sich unfähig erweist, die Minderheitenprobleme im eigenen Lande unter Beachtung der Menschenrechte zu lösen. Zudem fragt sich nach den Übergriffen gegen die Alawiten, ob sie noch ein Bollwerk gegen Fundamentalisten ist.
Dieser Staat ist im Innern weder eine Demokratie noch ein Rechtsstaat. Die Türkei ist ein Staat, der in ein anderes Land einfällt mit Begründungen, die verdammt jenen ähneln, mit denen Hitler-Deutschland Polen überfiel.
Unser Außenminister versichert uns, es lasse sich nicht nachweisen, daß die von uns gelieferten Waffen eingesetzt würden. Ja, will er das denn überhaupt?
Erst kurz vorher sind die Waffen geliefert worden. Da schon müssen Sie doch gewußt haben, was für ein Staat die Türkei ist und wie dort mit Kurden umgegangen wird.
Jetzt auf einmal sind Sie überrascht; Herr Poppe hat das dankenswerterweise klar gesagt.
Wenn die Waffen nicht gegen die Kurden im Irak eingesetzt werden, so werden sie doch in jedem Fall
Heinrich Graf von Einsiedel
an anderer Stelle eingesetzt. So leicht können Sie sich nicht aus der Verantwortung herauszuschwindeln.
Jetzt hat die Bundesrepublik die militärische Hilfe ein bißchen gestoppt. Der Deckel wird auf den Brunnen gelegt, doch das Kind liegt schon im Brunnen: Die Türken sind schon im Irak. Das ist Konfliktbereinigung made in Germany, made by Kinkel.
Die Außen- und Sicherheitspolitik dieser Regierung ist nicht konzeptionslos, wie Herr Scharping gesagt hat. Sie läßt einen klaren Trend zu militärisch abgesicherter Großmachtpolitik erkennen. Sie läßt erkennen, daß die herrschenden Kreise dieses Land nicht für saturiert halten, was Bismarck einmal vom Deutschen Reich angenommen hatte. Vielmehr streben sie wieder eine Weltmachtposition an, eine Neuordnung mindestens Europas unter deutscher Führung.
Diesen Kurs werden wir mit all unseren Kräften bekämpfen und anprangern; denn es ist, wie schon zweimal zuvor, ein Kurs in die Katastrophe.
Das Wort hat der Kollege Günter Verheugen .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kennzeichen einer soliden Außenpolitik sind Kontinuität und Berechenbarkeit. Lieber Herr Kinkel, davon sind Sie ziemlich weit entfernt. Das einzige, was an Ihnen berechenbar ist, sind Ihre Bundestagsreden. Die kennen wir schon seit drei Jahren.
Wenn Ihnen aber einmal etwas Neues einfällt, ist es nicht so gut.
Wenn gerade Sie anderen sagen, sie sollten nicht die Backen aufblasen, wirkt es schon etwas komisch; denn der Posaunenengel mit den dicken Backen auf der internationalen Bühne sind doch wohl Sie, nicht wir.
Meine Damen und Herren, wir leben in unruhigen Zeiten. Das Wort von der neuen Unübersichtlichkeit gilt ganz besonders für die internationale Politik. Der Epochenwechsel wirkt noch immer nach, mit neuen Erschütterungen. Das wird sich so schnell nicht ändern. Gerade dann aber, wenn internationale Entwicklungen schwer vorhersehbar sind, kommt es auf präzise Leitlinien und klare Maßstäbe an.
Die Regierung nimmt für sich in Anspruch, daß sie diese Maßstäbe hat: Frieden, Menschenrechte und Demokratie. Was aber tun Sie für den internationalen Frieden?
Die Regierung müßte mit allem Nachdruck die Vereinten Nationen stärken. Was Sie da aber machen - Sie antichambrieren um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat.
Und wenn die Vereinten Nationen etwas wollen, sagen Sie nein. Die Bitte des Generalsekretärs, ihm ständig verfügbare deutsche Bereitschaftskräfte für friedenserhaltende Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, haben Sie nicht erfüllen wollen.
Friedenssicherung verlangt heute in erster Linie, eine Politik der frühzeitigen Erkennung von Konflikten, der Konfliktvorbeugung, der Konfliktursachenbekämpfung und der friedlichen Streitbeilegung zu betreiben. Es geschieht aber nicht. Wie die Regierungen anderer reicher Industriestaaten auch trägt diese Regierung dazu bei, daß sich die große, globale Krise, deren Wurzel die ungerechte Verteilung des Wohlstandes in der Welt ist, immer weiter aufbaut.
Oder die Menschenrechte. Der Außenminister rühmt sich gerne seines Einsatzes für die Menschenrechte, und ich glaube ihm auch, daß er sich bei seinen hektischen Reisen um humanitäre Einzelfälle kümmert. Aber wie war es mit Tschetschenien? Wie lange hat die Bundesregierung gebraucht, bis sie endlich unter massivem öffentlichem Druck den russischen Krieg gegen die Tschetschenen als Menschenrechtsfrage erkannt hat?
Oder die Türkei. Es ist doch nicht erst seit der türkischen Invasion in dem Norden des Irak bekannt, daß die türkische Regierung der kurdischen Bevölkerung elementare Menschenrechte verweigert. Trotzdem hat diese Bundesregierung dieses Land immer weiter mit Rüstungsgütern versorgt.
Oder Demokratie. Die Festigung demokratischer Strukturen in der Welt ist ganz bestimmt das wirkungsvollste Instrument zur Sicherung des internationalen Friedens und zum Schutz der Menschenrechte, aber die Beiträge der Bundesregierung zur Demokratisierungshilfe, ablesbar in dem Haushalt, der heute hier vorliegt, sind lächerlich gering.
Es ist leider wahr, die derzeitige deutsche Außenpolitik wird ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht; sie ist allenfalls selbstgerecht. Mal tritt sie kraftmeierisch auf, mal leisetreterisch. Sie ist unsensibel gegenüber anderen Staaten und Völkern, selbst gegenüber unmittelbaren Nachbarn wie Polen und der Tschechischen Republik.
Erst nach der alarmierenden Rede des tschechischen Präsidenten und von der Opposition im Bundestag dazu gezwungen, hat der Außenminister eine Regierungserklärung zu den deutsch-tschechischen Beziehungen abgegeben.
Günter Verheugen
Sie blieb in einer entscheidenden Frage der Geste für tschechische Naziopfer engherzig, kalt und kleinkariert.
Zur Nichteinladung des polnischen Präsidenten zu den Feierlichkeiten am 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa ist hier schon viel gesagt worden, aber diese, wie ich finde, fatale Taktlosigkeit gehört in einen ganz bedenklichen Zusammenhang. Hier drückt sich nämlich erneut das gespaltene Verhältnis der deutschen Konservativen zum Kriegsende aus.
Wir alle erinnern uns ja noch an jene Peinlichkeit beim 40. Jahrestag, als der Bundeskanzler den damaligen US-Präsidenten genötigt hat, auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg an Gräbern der Waffen-SS vorbeizudefilieren. Die Folge war eine tiefe Störung der deutsch-amerikanischen Beziehungen.
Jetzt hat der Bundeskanzler wissen lassen, er werde in Moskau nicht an Gedenkveranstaltungen zur deutschen Niederlage, aber auch nicht an Siegesfeiern teilnehmen. Das wirft die Frage auf, was der 8. Mai für diese Regierung ist.
Ist die Kapitulation des Hitler-Regimes eine deutsche Niederlage oder die deutsche Befreiung gewesen? - Darauf hat der Ehrenvorsitzende der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion Alfred Dregger, unwidersprochen von seiner Partei und Fraktion, geantwortet. Ich zitiere ihn. Er nennt es „zynische Einseitigkeit unserer Nationalmasochisten", wenn man den 8. Mai als Tag der Befreiung von einem verbrecherischen System betrachtet, und für dieses System findet er auch eine Entschuldigung. Hitler, so meint Dregger,
wäre nicht an die Macht gekommen, wenn es die Demütigung und die Unsinnigkeiten von Versailles nicht gegeben hätte.
- Schuld waren also wieder einmal die anderen.
Solche Töne aus einer Regierungsfraktion werden von unseren Nachbarn sehr genau registriert. Zur Mehrung unseres Ansehens und zur Versöhnung zwischen Völkern tragen sie nichts bei, im Gegenteil.
Die Uneinsichtigkeit der Ewiggestrigen von der Art des Herrn Dregger schafft neue Ängste und neues Mißtrauen.
Wir hatten übrigens der Bundesregierung in der Debatte zur Regierungserklärung angeboten, mit den Fraktionen darüber zu reden, wie wir mit diesem schwierigen Gedenkjahr 1995 umgehen wollen. Das war im vergangenen Dezember. Das hat die Regierung in ihrer üblichen Selbstgefälligkeit überhört; jetzt ist der Scherbenhaufen da, und wir alle dürfen ihn zusammenkehren.
Meine Damen und Herren, der Bundespräsident hat unlängst eine bemerkenswerte Rede vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gehalten. Er hat dabei, bezogen auf die deutsche Außenpolitik, vom Ende des Trittbrettfahrens gesprochen. Ich fand diese Formulierung, gelinde gesagt, verunglückt, denn weder die Außenpolitik von Konrad Adenauer, noch die von Willy Brandt und Helmut Schmidt oder von Walter Scheel und Flans-Dietrich Genscher war Trittbrettfahren.
Sie war gestaltend, und ihre Ergebnisse wirken bis heute.
Aber in dem, was hinter der verunglückten Formulierung steckt, hat der Bundespräsident wohl recht. Es gibt für unser Land keinen warmen Platz hinter dem Ofen, die Konflikte in der Welt betreffen uns unmittelbar. Ich will zu drei exemplarischen Konflikten etwas sagen.
Die schwierigste und gefährlichste Lage zeigt sich im ehemaligen Jugoslawien. Dort droht offene, unmittelbare Kriegsgefahr. Wir sollten uns nichts vormachen, Herr Außenminister, die Bemühungen der Kontaktgruppe um eine politische Lösung sind praktisch gescheitert. Sie ist am Ende. Und da es wohl nur ganz wenige in diesem Hause gibt, die eine andere Möglichkeit sehen, als nach einer politischen Lösung zu suchen, kommt es jetzt darauf an, alles zu tun, um den neuen Ausbruch des Krieges zu verhindern. Da sehe ich drei Dinge, die nötig sind.
Erstens. Das Waffenembargo muß bestehen bleiben, und es muß vor allen Dingen eingehalten werden.
Ich würde gern einmal wissen, was für Kenntnisse die Bundesregierung über die nach Bosnien strömenden Waffen hat und was sie eigentlich tut, damit dieser ständig anschwellende Strom versiegt.
Zweitens. Die Rolle der Vereinten Nationen im ehemaligen Jugoslawien muß gestärkt werden. Die Diskussion über den Abzug von UNPROFOR war schädlich. Nützlicher wäre es gewesen, Präsenz und Stärke der UNO vor allen Dingen in Bosnien zu erhöhen.
Drittens. Es muß weiter geredet und verhandelt werden. Da stimme ich mit der Bundesregierung ganz überein. So mühselig und frustrierend dieser Weg auch ist, es gibt keinen anderen.
Aber schon jetzt läßt sich aus dem Chaos im ehemaligen Jugoslawien eines lernen: Es muß uns gelingen, die internationalen Systeme der Friedenssicherung so auszubauen, daß sie ihre Aufgabe wirklich erfüllen können.
Das gilt weltweit für die Vereinten Nationen und in Europa zusätzlich für die OSZE. Vorschläge dazu gibt es genug. Wir wünschen uns von unserer Regierung, von der Bundesregierung, daß sie eine Vorreiterrolle übernimmt, wenn es darum geht, wirkungsvolle Mechanismen zur Konfliktbewältigung zu entwickeln.
Günter Verheugen
Wer sich dieser Aufgabe nicht stellt, bleibt auch bei zukünftigen Krisen und Konflikten hilflos.
Eine Bemerkung zu einem anderen aktuellen Konflikt, dem türkischen Krieg gegen die PKK im Norden des Irak. Ob dabei nun deutsche Waffen und Munition im Norden des Irak eingesetzt werden oder nicht - wobei ich übrigens gerne wissen möchte, Herr Kinkel, ob das Embargo, das Sie jetzt ausgesprochen haben, auch die für Mai vorgesehene Munitionslieferung einbezieht -, ist nicht entscheidend. Tatsache ist, daß die deutsche Rüstungshilfe dazu beigetragen hat und beiträgt, daß die Türkei glaubt, das Kurdenproblem mit Gewalt lösen zu können.
Ich widerspreche der These, man müsse gegenüber der Türkei ein Auge zudrücken, damit das Land nicht von fundamentalistischen Kräften überwältigt wird, so wie man früher, angeblich wegen der strategischen Bedeutung der Türkei im Ost-West-Konflikt, nicht so genau hinsehen wollte.
Ich habe eine andere These: Je mehr Gewalt, desto mehr Terrorismus, je mehr Terrorismus, desto mehr Destabilisierung. Und eine instabile Türkei ist es, die durch den Fundamentalismus gefährdet ist, gefährdeter jedenfalls als eine Türkei, die ihre inneren Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen versucht.
Bei diesem Versuch der friedlichen Lösung sollten wir der Türkei auch großzügig helfen. Aber dazu, meine Damen und Herren, braucht man keine Fregatten oder Panzer, sondern Entwicklungsprojekte für die kurdischen Gebiete.
Ich erwarte von der Bundesregierung, daß sie unserem NATO-Partner Türkei unzweideutig klarmacht: Die NATO, zu der die Türkei gehört, und die Europäische Union, zu der sie eines Tages gehören möchte, sind Wertegemeinschaften, zu denen nur gehören kann, wer die Menschenrechte schützt und achtet.
Mit dem von der Bundesregierung jetzt vorgesehenen Aufschub von Rüstungslieferungen wird wenig erreicht. Das zeigt nur ein schlechtes Gewissen. Es gibt nur einen einzigen sauberen Weg: Schluß mit der Rüstungshilfe ohne Wenn und Aber!
Ich will noch einen dritten Konflikt ansprechen - auch Sie haben ihn erwähnt, Herr Kinkel -: Burundi. Dort kündigt sich dieselbe bedrohliche Entwicklung wie in Ruanda an. Genau davor ist seit Ausbruch des Mordens in Ruanda ständig gewarnt worden. Wenn eine Krise vorhersehbar war, dann diese!
Wenn das große Morden tatsächlich ausbricht, dann werden wieder alle erschüttert sein. Die grauenvollen Bilder werden uns aufwühlen. Große Hilfsaktionen werden anlaufen, die viel Geld kosten werden. Dann werden wir feststellen, daß weniger Geld, aber rechtzeitiges Handeln ungezählte Leben hätte retten können.
Ruanda und Burundi sind kleine Länder und weit weg. Aber wer von Menschenrechten redet, muß dort handeln, und zwar rechtzeitig, wo es um das elementarste Menschenrecht überhaupt geht: um das Recht auf Leben.
Ich jedenfalls mag die dröhnenden Phrasen von unserer gestiegenen Verantwortung in der Welt nicht mehr hören, solange da, wo man helfen könnte, einfach weggeschaut wird.
Wir sehen die Außenpolitik und die Entwicklungspolitik in einem großen und untrennbaren Zusammenhang. Deshalb möchte ich jetzt ein paar Bemerkungen zur Entwicklungspolitik machen, ausgelöst durch einen sehr interessanten Artikel in der uns nicht gerade nahestehenden „Welt" von vorgestern, in der eine beredte Klage aus dem Hause Spranger zu lesen war, wie wenig der Entwicklungshilfeminister in Wahrheit doch zu bestellen habe.
: Wo ist der
denn eigentlich?)
Dem können wir voll und ganz beipflichten.
Das Ergebnis ist auch bitter: Die Bundesregierung hat seit 1983 den Entwicklungshaushalt kontinuierlich heruntergefahren. Dieser Haushalt gehört mit zum Steinbruch einer verfehlten Finanzpolitik der Bundesregierung. Wie im nationalen, so gilt auch im internationalen Bereich ganz offenbar: Umverteilung von unten nach oben. Der Anteil der öffentlichen Entwicklungsleistungen ist von 0,48 % des Bruttosozialprodukts auf jetzt 0,3 % gesunken. Der Anteil des Einzelplanes 23 am Gesamthaushalt fiel von damals 2,2 % - ich spreche von 1983 - auf jetzt knapp 1,7 %.
Ich muß wirklich sagen: Diese Zahlen sprechen für sich; denn sie machen deutlich, daß die Bundesregierung der globalen Verantwortung, von der sie gerne
Günter Verheugen
redet und die uns gerade durch die großen Konferenzen der letzten Zeit immer stärker ins Bewußtsein gerufen wird, nicht gewachsen ist.
Wenn wir darin übereinstimmen, daß es um Konfliktvorbeugung und Konfliktursachenbekämpfung geht, dann müssen an erster Stelle Maßnahmen zur Bekämpfung des unkontrollierten Bevölkerungswachstums, der Verelendung und der Umweltzerstörung in der Welt stehen. Das sind die Quellen der Konflikte, mit denen wir uns hier immer wieder beschäftigen. Gehen Sie an die Ursachen heran! Treiben Sie die Weltpolitik voran! Sie werden unsere Unterstützung dabei haben.
Herr Minister Spranger spricht von der Armutsbekämpfung als oberstem Ziel. Aber der Haushalt für die ärmsten Länder, nämlich die schwarzafrikanischen, wird drastisch zurückgefahren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Entwicklungspolitik muß integraler Bestandteil internationaler Politik werden. Die Sicherheitsrisiken der Zukunft erfordern nicht in erster Linie militärische Maßnahmen, sondern eine vorbeugende Friedenspolitik. Das heißt, Entwicklungsprozesse unterstützen, Friedensprozesse so wie im Nahen Osten und im südlichen Afrika mit Entwicklungsprojekten flankieren. Das ist auch im eigenen wohlverstandenen Interesse.
In diesem Sinne ist Entwicklungspolitik eine Zukunftsaufgabe, die wir mindestens gleichrangig mit den Zukunftsaufgaben in der Innenpolitik sehen müssen.
Aber leider ist der Entwicklungshilfeminister seit Jahren ein permanenter Verlierer. Die Vorbereitung der letzten großen UN-Konferenzen mußte er anderen Ressorts überlassen: Töpfer bei der Umweltkonferenz in Rio, Herrn Kanther bei der Bevölkerungskonferenz in Kairo, Blüm beim Weltsozialgipfel in Kopenhagen, und in Berlin ist es Frau Merkel.
Maßvolle Anforderungen zur Erhöhung des Entwicklungshilfehaushaltes werden regelmäßig niedergebügelt. Der Minister wird entgegen seinen entwicklungspolitischen Vorstellungen zu Subventionen für die Großkonzerne gezwungen. In der internationalen Handels- und Schuldenpolitik hat er nichts zu sagen.
Ich komme zu dem Ergebnis, daß der Entwicklungsminister international die gleiche Rolle spielt wie national der Arbeits- und Sozialminister: Er kaschiert mit schönen Reden eine knochenharte Politik zugunsten der Besitzenden, da und dort garniert mit Almosen ohne wirklich strukturelle Bedeutung.
Da Herr Spranger das auch alles weiß, wundere ich mich, wie lange er das noch aushalten will.
Meine Damen und Herren, es ist notwendig, heute auch über unsere Bundeswehr zu reden. Diese Bundeswehr ist zur Zeit einem erneuten Wechselbad der Gefühle ausgesetzt: zum viertenmal innerhalb von vier Jahren die Ankündigung von Standortschließungen, von Auflösung und Verlegung von Truppenteilen und Dienststellen, erneut Unsicherheit über die persönliche Lebensplanung für alle Längerdiener, verbunden mit den bekannten Auswirkungen auf Lebenspartner und Kinder in Tausenden von Soldatenfamilien, dazu rasanter Schwund an Grundwehrdienstleistenden und rasanter Anstieg der Zahl der Antragsteller auf Kriegsdienstverweigerung.
Mit dieser erneuten Umorganisation innerhalb kürzester Zeit, von der selbst die Verursacher wissen, daß es nicht die letzte sein wird und daß sie so, wie vorgeschlagen, auch nicht Realität werden wird, mutet die Bundesregierung den Menschen in der Bundeswehr eine ganze Menge zu. Es ist ein Wunder, daß es innerhalb der Truppe trotz der vielerorts erkennbaren Frustration, Verbitterung und Resignation noch so ruhig ist.
Wir fordern die Bundesregierung und vor allem den verantwortlichen Verteidigungsminister auf, endlich für dauerhafte Strukturentscheidungen für die nächsten zehn Jahre zu sorgen und die Strukturentscheidungen sozialverträglich umzusetzen, damit die betroffenen Menschen endlich Planungssicherheit haben und wissen, wie es mit ihrem Leben weitergehen soll. Wir haben es hier doch mit Menschen und nicht mit Maschinen zu tun!
An unsere Soldaten und Soldatinnen gerichtet, möchte ich folgendes sagen: Wir schulden den Besatzungen der Lufttransportgeschwader Dank und Anerkennung, die an der seit Juli 1992 eingerichteten humanitären Luftbrücke nach Sarajevo beteiligt sind und die an den ab Februar 1993 durchgeführten Hilfsflügen nach Bosnien beteiligt waren. Dies ist eine Leistung, die heute schon gewürdigt worden ist und die auch von der Opposition, der SPD, ausdrücklich gewürdigt werden soll.
Dank und Anerkennung verdienen auch die deutschen Soldaten in den AWACS-Aufklärungsflugzeugen und die Besatzungen von Schiffen und Flugzeugen der Bundesmarine bei der Überwachung des Embargos der Vereinten Nationen gegen die kriegführenden Parteien im ehemaligen Jugoslawien. Sie tun dort unter Gefahr für ihr Leben Dienst für unser Land, für unser Bündnis und die internationale Staatengemeinschaft. Sie sollen deshalb wissen, daß wir ihren Dienst achten und anerkennen, den sie als Grundwehrdienstleistende, Zeit- oder Berufssoldaten für uns und in unserem Auftrag überall in der Bundeswehr leisten.
Günter Verheugen
- Da täuschen Sie sich. Wir haben sowohl dem AWACS-Einsatz als auch dem Adria-Einsatz zugestimmt. Ihr Gedächtnis ist kurz, Herr Weng; das hatten wir heute schon einmal.
Die politischen Auseinandersetzungen, die wir in Bonn und im gesamten Land um die Rechtmäßigkeit möglicher Einsatzoptionen und die Richtigkeit sicherheitspolitischer Konzeptionen mit unseren politischen Gegnern führen, ist nicht gegen die Soldaten der Bundeswehr gerichtet und wird auch nicht auf deren Rücken ausgetragen, meine Damen und Herren.
Damit das ganz klar ist: Was den Auftrag der Bundeswehr angeht, so bleibt die Landesverteidigung das Entscheidende. Auslandseinsätze, über die so viel gestritten wird, sind für die SPD nur im Rahmen von friedenserhaltenden Maßnahmen der UNO möglich. UNO-Einsätze gehen über das traditionelle Auftragsverständnis hinaus, und die SPD tritt für die deutsche Beteiligung an Blauhelm-Missionen ein. An Kriegseinsätzen außerhalb des NATO-Vertragsgebietes und außerhalb des Bündnisfalls auch im UNO-Auftrag soll sich die Bundeswehr nach unserer Überzeugung aber nicht beteiligen.
Solche Operationen hat es bisher überhaupt nur zweimal gegeben, und diese Kriege haben die Probleme nicht gelöst, die den jeweiligen Konflikt ausgelöst hatten. Wir sind der Meinung, daß Deutschland in den Vereinten Nationen eine hervorragende friedenspolitische Rolle auch dann spielen kann, wenn es sich wie bisher militärisch zurückhält.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß nach unserer Auffassung eine parlamentarische Befassung mit dem Auftrag der Bundeswehr zwingend notwendig ist. Der Auftrag der Bundeswehr, wie er vom Verteidigungsminister formuliert, vom Kabinett gebilligt und im Weißbuch 1994 veröffentlicht worden ist, ist bis heute nicht durch das Parlament debattiert, geschweige denn beschlossen worden.
Um einen möglichst breiten Konsens für die Einsätze der Bundeswehr zu erzielen, halten wir ein Bundeswehraufgabengesetz für erforderlich. Ich denke, daß sich diese Forderung auch aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ergibt, das von der Bundeswehr ausdrücklich als von einem Parlamentsheer gesprochen hat.
Meine Damen und Herren, wir sehen Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungspolitik in einem großen Zusammenhang. Es geht letztlich für uns und die Generationen nach uns um ein neues, erweitertes Verständnis von Sicherheit für Deutschland und Europa.
Die Politik der Bundesregierung ist von einer solchen Gesamtstrategie weit entfernt. Ihre Politik beschränkt sich auf Reaktion, wo präventiv gehandelt werden müßte, sie weicht aus, wo klare Standpunkte nötig wären, und sie verweigert sich, wo Leistungen und auch Opfer gefordert wären. Darum, meine Damen und Herren, können und wollen wir diese Politik nicht mittragen.
Das Wort hat der Kollege Christian Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines wurde wieder deutlich: Die SPD ist und bleibt eine außenpolitische Dame ohne Unterleib.
Herr Verheugen hat uns vorgeführt, daß die SPD hinter dem herläuft, was eigentlich für sie notwendig wäre, nämlich ein außenpolitisches Godesberg.
Sie bewegt sich in den Gedankenkategorien der vergangenen Zeit. Sie bewegt sich 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Kategorien, die längst überwunden sind. Zum Thema 8. Mai hat Wolfgang Schäuble das Notwendige gesagt, aber der Ministerpräsident des Saarlands
- Frau Fuchs, hören Sie zu - hat den interessanten Versuch unternommen, dem Bundeskanzler zu unterstellen, er habe die deutsch-französische Freundschaft zerstört. Nachdem er überlegt hat, was ihm denn vorgehalten werden könnte, hat er ihm das Zehn-Punkte-Programm vorgehalten, das 1989 im Bundestag vorgestellt worden ist.
Ich sage Ihnen: Das ist genau der Punkt, bei dem Sie nicht verstanden haben, bei dem Herr Lafontaine offensichtlich - ich weiß nicht, vielleicht ist noch ein Oberregierungsrat der saarländischen Landesregierung da, der es überbringen kann - nicht verstanden hat, daß Außenpolitik in gewissen, ganz entscheidenden Situationen Interessenpolitik ist.
Der Bundeskanzler hat in dieser Situation ganz entscheidend ein wesentliches deutsches Interesse wahrgenommen und vertreten, nämlich das Wiedervereinigungsinteresse. Einschließlich Herrn Lafontaine täten Sie gut daran, ihm heute noch dafür Dank zu zollen.
Das außenpolitisch fehlende Godesberg hat Herr Verheugen sehr elegant übergangen. Ich muß Wolfgang Weng beipflichten: Es ist natürlich nicht so, daß die SPD von vornherein den AWACS-Einsätzen zugestimmt hat. Ich kann mich noch gut an eine Debatte entsinnen, in der der Abgeordnete Verheugen mit heftig tönenden Worten gesprochen hat und auf
Christian Schmidt
meine Zwischenfrage - es ist sicherlich aus dem Protokoll ersichtlich, ich liefere das auch gerne nach -, ob er einen AWACS-Einsatz als einen Kampfeinsatz ansähe - das ist eine Frage, die auf Ja oder Nein gestellt ist -, mit Ja geantwortet hat.
Die Konsequenz war die Klage in Karlsruhe. Man hat versucht, still und heimlich vor der Öffentlichkeit und an wesentlichen Teilen des ideologischen Flügels der SPD vorbei etwas beizudrehen. Das ist ein ganz anderer Sachverhalt und zeigt allenfalls, daß noch nicht alles in der SPD verloren ist, sondern daß man Hoffnung haben kann, bis zum Jahre 2001 noch einen gewissen Wandel zu erleben.
Deswegen klingt der Dank an die Soldatinnen und Soldaten, dem ich mich gerne anschließe und nicht zur Diskussion stellen will, doch ein wenig schal. Es klingt auch schal, daß das Wort NATO in der vorhergehenden Rede praktisch nicht gefallen ist.
Wer meint, Vereinte Nationen und OSZE allein seien in der Lage, den Frieden in der Welt durch präventive Diplomatie zu sichern, der wird sich getäuscht fühlen. Die Verhältnisse sind nicht so. Sie erwarten von uns, daß wir darauf reagieren.
Die Antwort darauf ist nicht ein Bundeswehraufgabengesetz, sondern die Antwort darauf ist die Erkenntnis, daß die NATO auch in der Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs der entscheidende Stabilitätsanker bleibt und daß wir alles daran setzen müssen, im transatlantischen Verhältnis eine starke amerikanische Präsenz in Europa zu behalten. Deswegen ist der Verteidigungshaushalt, der nun auf einem Plafond angelangt ist, unter den man nicht mehr wird gehen können, ohne die Glaubwürdigkeit der Stabilität und der Verteidigungsfähigkeit zu gefährden, in seiner Höhe völlig gerechtfertigt.
Wir haben gerade zu diesem Haushalt einen interessanten Kürzungsantrag der SPD vorliegen. Es wird den Kollegen Verteidigungspolitikern sicherlich noch eine Lust sein, anschließend über diesen Antrag zu reden. Man sollte ihn Punkt für Punkt diskutieren, weil deutlich wird, mit welch gespaltener Zunge gesprochen wird.
Ein Punkt noch zum 8. Mai. Die Belehrungen, die an die Adresse des Ehrenvorsitzenden der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Herrn Dregger, gerichtet worden sind, gehen daneben und sind beleidigend.
- Wenn Sie das Protokoll nachlesen, verehrte Frau Kollegin, werden Sie das feststellen. - Kollege Verheugen hat gesagt, Herr Dregger habe etwas entschuldigt. Er hat einen historischen Zusammenhang, der anerkanntermaßen nicht aus der Luft gegriffen ist, und Entwicklungen dargestellt. Das muß erlaubt sein. Wir sollten verhindern, daß Politiker versuchen, andere mit, wie es Verheugen getan hat, Halbwahrheiten und Unterstellungen in ein Eck zu stellen, in dem sie nicht sind und in das sie auch nicht hineingehören.
Noch eines zum 8. Mai und zu Polen. Die Bundesregierung hat einen deutsch-polnischen Freundschaftsvertrag geschlossen, der in einer für Europa guten Art und Weise die Fragen des Minderheitenschutzes und des Zusammenarbeitens behandelt. Er hat sich bewährt. Daß beispielsweise Ungarn und die Slowakei vielleicht auf der Grundlage solcher Vorlagen wie der des deutsch-polnischen Vertrages zu einem Ausgleichsvertrag gekommen sind, läßt sich nur begrüßen und zeigt, daß wir eine Vorreiterrolle gespielt haben. Übrigens wird die CSU-Landesgruppe in ihrer Gesamtheit im Juli nach Polen reisen und damit die deutsch-polnischen Beziehungen und ihre Wertigkeit unterstreichen. Wir reden nicht nur, wir handeln auch.
Zum Thema Türkei. Der schale Beigeschmack, der die Kritik der SPD von Anfang an durchzieht, ergibt sich auch dann, wenn man sich die Zahlen über die Verteidigungshilfe, allgemeine Rüstungshilfe, Materialhilfe 1 und 2 unter Bundeskanzler Helmut Schmidt geben läßt. Es sind Milliardenbeträge. Ich möchte in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß die jetzt zu Ende geführte Militär- und Materialhilfe ihren Ausgangspunkt in der Zeit der sozialliberalen Koalition 1975 hatte. Die Beträge sind bekannt. Sie reichen an 4 Milliarden DM heran. Nichtsdestoweniger muß der Türkei deutlich gemacht werden, daß sie sich selbst destabilisiert, wenn sie meint, den Konflikt mit der PKK auf militärische Art und Weise lösen zu können.
Ich habe von Interessen gesprochen. Am Beispiel der Türkei muß für uns allerdings eines deutlich werden: Außenpolitik ist auch Interessenpolitik.
Wir Deutsche haben ein genuines Interesse daran, daß Europa und die angrenzenden Regionen stabil bleiben. Ich möchte nicht, daß die regionale Hegemonialmacht in dieser Region etwa der Iran wäre. Ich möchte, daß die NATO als Stabilitätsanker auch dort präsent bleibt. Das heißt, daß man trotz aller Kritik die grundsätzlichen Fragen der Strategie und der Interessen nicht vergißt. Auf diesem Gebiet haben Sie ein großes Pensum aufzuarbeiten. Ich wünsche dabei viel Erfolg.
Das Wort hat Kollegin Antje Hermenau .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen Sparen und Konsolidieren habe ich nichts einzuwenden, wenn es an der richtigen Stelle geschieht. Das, glaube ich, war bei den Haushaltsberatungen zum Auswärtigen Amt nicht ganz der Fall.
Antje Hermenau
Dem Kapitel „Allgemeine Bewilligungen", welches die humanitäre Hilfe einschließt, wurde der Löwenanteil der Einsparungen aufgedrückt. Das wiegt um so schwerer, als von den 951 Millionen DM sowieso schon zwei Drittel als Pflichtbeiträge an internationale Organisationen festgelegt sind.
Angesichts weltweiter Bürgerkriege, ethnischer Konflikte und von Territorial- und Machtkämpfen aller Art halten wir es jedoch im Gegensatz zur Koalition für dringend geboten, genau bei diesen Ausgabengruppen im Etat des Auswärtigen Amtes keine Einsparungen vorzunehmen, sondern da zu erhöhen.
Ein entsprechender Änderungsantrag liegt dem Haus vor, nämlich die Manövriermasse für friedenschaffende humanitäre außenpolitische Aktivitäten zu erhöhen und bei solchen Posten wie der unsinnigen Finanzierungshilfe für Kriegsgerätschaften zugunsten des NATO-Mitglieds Türkei kompromißlos zu streichen.
Der Antrag zu den heute schon viel zitierten Meko-Fregatten wurde von uns bezüglich des unberechenbaren und zum Teil eben auch völkerrechtswidrigen Verhaltens der Türkei gegenüber der kurdischen Zivilbevölkerung heute noch einmal nachdrücklich gestellt. Kriegsschiffe wie diese Fregatten können zwar nicht direkt gegen die kurdische Bevölkerung eingesetzt werden, aber der Antrag stellt eines klar: Keine Lieferungen von Waffen an andere Länder, erst recht nicht, wenn sie sich völkerrechtlich nicht eindeutig verhalten.
Gestellt haben wir ihn aber auch im Blick auf die Gefahr, daß die Türkei den NATO-Partner Griechenland in der Ägäis bedrohen könnte. Ich bin gespannt, nachher zu hören, was die CDU/CSU-Fraktion zu dem Thema zu sagen hat. Wir würden mit dem Geld lieber friedenserhaltende Maßnahmen der UNO unterstützen. Mit jeweils 50 Millionen DM im Jahr für die nächsten drei Jahre stünden wir international hervorragend da.
Die Koalition ist uns bei unserem Antrag, der die völlige Streichung der zugesagten Finanzierungshilfen zum Bau von zwei Meko-Fregatten in Höhe von 150 Millionen DM für die nächsten drei Jahre beinhaltet, mittlerweile entgegengekommen und möchte qualifiziert sperren. Das heißt, daß der Haushaltsausschuß dann, wenn die Türkei keine Kurden mehr umbringt, diese Meko-Fregatten genehmigt. Oder wie verhält sich das?
Ich bin gespannt darauf, welche Formulierungen das Auswärtige Amt hinsichtlich der Bedingungen für die Aufhebung der Sperre finden wird. Vielleicht folgende: Nur wenn sich die Türkei nicht länger als zwei Jahre im Nord-Irak aufhält und nicht mehr als 20 kurdische Dörfer zerstört und in kein weiteres
Land einmarschiert, könnten wir vielleicht die Finanzierungshilfe gewährleisten!
Ich werde mir als Mitglied des Haushaltsausschusses sehr wohl anhören, was Sie vorzubringen haben, um diese qualifizierte Sperre aufzuheben.
Ich möchte eines sagen: Es geht nicht vordringlich darum - um auf Ihren Vorwurf des Zynismus einzugehen -, den Türken zu sagen, wie sie sich zu benehmen haben. Das wäre zu Recht, Herr Kinkel, Kulturimperialismus. Es geht aber sehr wohl darum, meine Damen und Herren, ob Europa in der Lage ist, sein Profil in dieser Begegnung der Kulturkreise zu schärfen, damit deutlich wird, was es bedeutet, dazuzugehören.
Wenn es die Europäer nicht schaffen, ihre eigenen christlich-abendländischen Kulturvorgaben einzuhalten, wie wollen Sie dann erreichen, daß die Zusammenarbeit in Europa so kultiviert wird, daß jeder die Regeln einhält? Sie, Herr Riedl von der CSU, sprechen öffentlich von „parlamentarischem Firlefanz". Es kann ja sein, daß Sie die Mühen demokratischen Verhaltens in der CSU leid geworden sind. Aber daß Sie die Würde des Parlaments verletzten, weil es eine solche Frage ernst nimmt, lasse ich Ihnen heute hier nicht durchgehen.
Wenn Ihre Koalition eine Werften-ABM haben will, dann soll sie es auch so nennen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Ulrich Irmer .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Außenpolitik der Bundesregierung ist gut.
Ich sage das deshalb, weil sie natürlich noch besser sein könnte,
aber sie ist deshalb nicht besser, weil sie von der Opposition nicht zu besseren außenpolitischen Leistungen angetrieben wird.
Es besteht ja immer eine Wechselwirkung zwischen dem, was eine Regierung leisten kann, und der Aufgabe, die eine Opposition zu erfüllen hat. Mir ist bei der ganzen Debatte heute folgendes aufgefallen - das fing bei Herrn Scharping an und setzte sich fort bis zu den Einlassungen von Herrn Verheugen -:
Ulrich Irmer
Es wird ein Bild gemalt, schwarz in schwarz, von der Situation hier im Lande, aber zugleich auch von dem, was deutsche Außenpolitik angeblich im Ausland anrichtet oder was sie nicht bewirken kann. Wenn es aber zu der Frage kommt: Machen Sie uns doch einmal Vorschläge; wir sind gerne bereit, das aufzugreifen und uns zumindest damit auseinanderzusetzen, dann ist Leere im Saal, und man hört nichts mehr.
Meine Damen und Herren, da stellt sich Herr Verheugen hin und kritisiert ganz heftig, daß die Bundesregierung die Bitte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen abgelehnt hat, ein ständiges deutsches Militärkontingent für Ad-hoc-Einsätze den Vereinten Nationen allfällig zur Verfügung zu stellen.
Das ist dieselbe SPD, die bis heute hin- und hereiert, wenn es um die Frage geht, ob sich deutsche Soldaten überhaupt an UN-Einsätzen beteiligen sollen.
Wissen Sie, der Bundespräsident hat vor einigen Wochen drüben im Wasserwerk von Trittbrettfahrern gesprochen. Lieber Herr Verheugen, da hat er doch nicht Adenauer gemeint, und da hat er doch auch nicht Willy Brandt und nicht Hans-Dietrich Genscher gemeint, sondern da hat er die SPD gemeint, die bis heute - -
- Selbstverständlich! Es ging doch um die Frage, ob die Deutschen nur Nutznießer sein sollen, da ihnen von der Staatengemeinschaft ständig geholfen worden ist, oder ob sie jetzt bereit sein müssen, eigene Verantwortung nicht nur verbal zu übernehmen, sondern auch durch das, was sie tun.
Herr Kollege Irmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Verheugen?
Herr Präsident, mit Vergnügen.
Erstens. Herr Kollege Irmer, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Forderung nach einer UNO-Bereitschaftstruppe, die die Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung stellen soll, Bestandteil des SPD-Programms ist?
Zweitens. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich selber hier im Bundestag die Bundesregierung aufgefordert habe, durch Entsendung von Blauhelmen in Krisengebiete die UNO dort zu unterstützen, wo die Bundesrepublik selber nicht tätig werden kann?
Und drittens. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich der erste war, der gesagt hat, es müßten präventiv UNO-Truppen in Burundi stationiert werden, damit dort kein Morden ausbricht? Würden Sie das zur Kenntnis nehmen, und würden Sie bestätigen, daß das so ist?
Herr Verheugen, das waren dankenswerterweise drei Fragen. Zur ersten Frage. Natürlich bin ich bereit, zur Kenntnis zu nehmen, und ich habe auch schon einmal gehört, daß dies Bestandteil des SPD-Programmes ist. Wenn Sie aber damit insinuieren wollen, die Forderung sei vernünftig, so kann ich dem nicht beipflichten; denn die Tatsache, daß etwas im SPD-Programm steht, spricht eher dagegen, daß es sich um eine vernünftige Forderung handeln könnte.
- Lassen Sie mir doch auch mal ein bißchen Polemik! Davon haben wir heute genug gehört!
Was die zweite und dritte Frage betrifft, so weiß ich, Herr Verheugen, daß Sie sich durchaus dafür aussprechen, unter dem Blauhelm auch deutsche Soldaten an UNO-Missionen zu beteiligen. Nur, das, was Sie vorher dazu ausgeführt haben, war wieder in sich völlig widersprüchlich. Sie haben gesagt: Kampfeinsätze nicht. Wo, bitte sehr, wollen Sie denn die Grenze ziehen?
Sie, Herr Verheugen, haben doch selbst gesagt, Sie seien nicht dafür, daß sich deutsche Soldaten beteiligen, wenn es je - was keiner hofft - dazu kommen sollte, daß der Abzug von UNPROFOR aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Kroatien und Bosnien, militärisch abgesichert werden müßte. Ich habe aus Ihrer Partei jede Menge Stimmen gehört, die das abgelehnt und gesagt haben, dies führe möglicherweise zu Kämpfen.
- Herr Verheugen, ich bemühe mich noch, Ihre Fragen zu beantworten.
Verzeihung, Herr Kollege Irmer. - Herr Verheugen, da muß ich aber eingreifen. Wenn Sie gefragt haben, hat der Redner das Recht zu antworten, und so lange müssen Sie stehenbleiben. Es tut mir leid.
- Nein. Er hat erklärt, er sei nicht fertig. Die Regeln wollen wir doch einhalten.
Herr Verheugen, wenn Sie mir drei Fragen gestellt haben, dann darf ich Ihnen doch wohl sechs Antworten geben.
Herr Verheugen, ich habe Ihnen doch gesagt: Ich weiß, daß Sie dies für Burundi angeregt haben. Ich halte das auch für vernünftig. Gerade im Falle Burundis gebe ich Ihnen recht, daß es hätte möglich sein müssen, zu erkennen, was da passiert, und vorzubeugen, weil wir ein knappes Jahr vorher den Parallelfall Ruanda gehabt haben. Nur finde ich es abenteuerlich, wenn Sie jetzt der Bundesregierung die Schuld dafür zuschieben, daß die Sache in Burundi eben nicht funktioniert hat. Wir hätten doch nicht allein die Bundeswehr dorthin in Marsch setzen können, um für Ordnung zu sorgen.
Jetzt ist die Frage beantwortet.
Danke schön, Herr Präsident.
Herr Verheugen, Sie haben weiter gesagt, Sie seien für die AWACS-Einsätze und für den Einsatz der deutschen Beobachterschiffe in der Adria gewesen.
- Ja, Sie haben zugestimmt. Aber ich frage Sie einmal: Was ist denn von Ihnen im Zusammenhang mit der Frage der Bundeswehreinsätze im Laufe der Zeit geboten worden und wird nach wie vor geboten?
Ich sage ja nur, daß es nicht genügt, von Ihrer Seite die Bundesregierung für alles mögliche verantwortlich zu machen, was umgekehrt vorausgesetzt hätte, daß die Bundesregierung ganz anders aufgetreten wäre, und zwar in einer Weise, die Sie immer kritisieren. Wenn man Ihre Kritik an der Außenpolitik der Bundesregierung hört, dann kommt man zu dem Schluß, daß Sie von der Bundesregierung erwarten, daß sie eine Weltmachtpolitik betreiben soll. Denn Sie schieben der Bundesregierung alles in die Schuhe, das Blutvergießen in Tschetschenien, die Tatsache, daß die Kontaktgruppe nicht den Erfolg gehabt hat, den man ihr wünschen möchte. Sie sagen: Die Kontaktgruppe ist am Ende. Wer ist schuld? Die Bundesregierung. -
Nein, meine Damen und Herren, so geht es nicht.
Sie haben am Anfang etwas Richtiges gesagt, und zwar, Außenpolitik müsse insbesondere durch zwei Elemente gekennzeichnet sein, nämlich Kontinuität und Berechenbarkeit. Genau darum bemüht sich die Koalition. Kontinuität ist insoweit gegeben, als wir in der Tradition der Politik stehen, die zur Überwindung des Ost-West-Konfliktes und auch der deutschen Teilung geführt hat, indem Deutschland damals gesagt hat und heute sagt: Wir handeln nicht allein. Wir sind auf der Welt nicht isoliert. Wir betten uns ein in die internationalen Organisationen, denen wir angehören, die wir stärken müssen. Dann können wir unseren Beitrag zur Friedensschlichtung, Konfliktverhütung, Friedenserhaltung und, wenn es nicht anders geht, zur Friedensherstellung leisten, das aber eben nicht von Deutschland allein, sondern von allen zusammen.
Der nächste Punkt bezieht sich auf die Überwindung des Ost-West-Konfliktes. Die Aufgabe ist nicht abgeschlossen. Die Westeinbindung der alten Bundesrepublik herbeizuführen und nach 1969 die neue Ostpolitik einzuleiten waren wesentliche Elemente der Außenpolitik nach dem Kriege.. Jetzt kommt es als drittes und genauso wesentliches Element darauf an, die heute noch bestehende Spaltung Europas zu überwinden, indem wir den mittel- und osteuropäischen Reformdemokratien den Weg in unsere Institutionen eröffnen.
Auch hier höre ich von Ihnen leider Widersprüchliches. Ich habe den Verdacht - ich äußere ihn hier einmal -, daß von der SPD jetzt das Projekt NATO-Erweiterung deshalb so ausschließlich betrieben wird, weil Sie dem Projekt EU-Erweiterung nichts mehr abgewinnen können. In der Tat, das wird teuer und wird uns Opfer kosten. Die NATO-Erweiterung dagegen ist fast zum Nulltarif zu haben.
Ich fordere Sie auf, mit uns daran mitzuwirken, die Erweiterung unserer Organisationen, sowohl NATO als auch die Europäische Union, um die Reformstaaten parallel, mit gleichem Engagement und gleicher Verve zu betreiben.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Eckart Kuhlwein .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Berichterstatter zum Einzelplan 05 darf ich vielleicht in dieser Debatte auch ein bißchen über Zahlen sprechen. Ich stelle bei den Beratungen zu diesem Einzelplan fest: Der Bundesaußenminister ist ganz schön gerupft worden. Der Einzelplan 05 gehört zu den wenigen Einzelplänen mit negativem Wachstum. Die Koalition tat in den Haushaltsberatungen noch einiges mehr, um ihn an dieser oder jener Stelle als Sparbüchse zu nutzen. Nun wissen wir alle, daß Zahlenspiele im Zusammenhang mit Einzelplänen relativ sein können. Aber der Eindruck ist dennoch nicht verfehlt, daß es dem Bundesaußenminister - da muß man sich ja diplomatisch ausdrücken - offenbar an Durchschlagskraft und Stehvermögen fehlt, im Kontext des Kabinetts genauso wie in den vielen Reaktionen der letzten Wochen nach außen.
Eckart Kuhlwein
Das hat wahrscheinlich mit der Schwäche der Partei zu tun, die er vertritt. Über diese Schwäche kann auch der Pyrrhussieg nicht hinwegtäuschen, den die F.D.P. im koalitionsinternen Kampf gegen die Energiesteuer errungen hat. Wir werden uns im Herbst dieses Jahres mit großem Interesse ansehen, welche Sparbeiträge Herr Kinkel, Herr Rexrodt und Frau Leutheusser-Schnarrenberger aus ihren Ressorts zur Finanzierung des Milliarden-Kohlelochs im Bundeshaushalt aufzubringen haben. Denn die Rache von Herrn Waigel an denen, die er „Klugscheißer" - Adelige oder nicht - genannt hat, scheint mir gewiß zu sein.
Der Bundesaußenminister hat im Haushaltsausschuß die mit der Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen gewachsene Dienstleistungsfunktion des Auswärtigen Amtes betont und darauf hingewiesen, daß große Teile des Botschaftspersonals bereits als „Wirtschaftsberater" tätig seien. Nun kann man in der „Wirtschaftswoche" lesen:
Unser Schicksal - nach dem Ende des Kalten Krieges werden Diplomaten in aller Welt zu Handlungsreisenden für die heimische Wirtschaft.
Gleichzeitig kann man da auch nachlesen, daß sie das nicht so gerne machen und auch nicht so richtig können.
Meine Damen und Herren, ich habe nichts gegen einen solchen erweiterten Ansatz außenpolitischen Tuns; ich habe nur den begründeten Verdacht, daß über der Exportförderung zum Nutzen des Wirtschaftsstandorts Deutschland übersehen werden könnte, daß in Zukunft ökologische Probleme das Verhältnis der Staaten zueinander wesentlich starker bestimmen werden als klassische Diplomatie und Handelsbeziehungen. Der Heilbuttkonflikt z. B. zwischen zwei NATO-Partnern, zwischen Kanada und der Europäischen Union, ist mit Wirtschaftsberatung ebensowenig zu lösen wie mit militärischem Sicherheitsdenken, und die drohende Klimakatastrophe erforderte in den Botschaften eher Ökologie-Attachés als Anlageberater.
Wer hat den Bundesaußenminister eigentlich neulich bei seinem jüngsten Besuch in den Golfstaaten daran gehindert, im Vorfeld des Berliner Klimagipfels den einen oder anderen unserer international bedeutenden Klimaforscher mitzunehmen, um in der OPEC, gut begründet, für ein wirksames Klimaprotokoll zu werben, damit die Veranstaltung in Berlin, zu der immerhin wir eingeladen haben, vielleicht doch noch ein Erfolg werden könnte? Er hat nicht auf der Rechnung gehabt, daß es auch seine Aufgabe wäre, sich in diesen Fragen international zu engagieren.
Es ist richtig, wir sollten mehr Verantwortung in der Welt wahrnehmen, wie das seit dem Zusammenbruch des Ostblocks für Deutschland immer wieder eingefordert wird aber das heißt mehr als die Vertretung nationaler ökonomischer Interessen, und das heißt auch nicht die permanente Suche nach neuen Aufgaben für die Bundeswehr, meine Damen und Herren.
Verantwortung muß das Auswärtige Amt als Außenvertretung der Bundesrepublik Deutschland in der Welt vor allem für Umwelt, Entwicklung und Menschenrechte wahrnehmen.
Wie ungleich noch immer die Gewichte der Außenpolitik verteilt sind, macht der von Anfang an verkorkste UNO-Einsatz in Somalia deutlich. Für die UN-Friedenstruppen müssen wir in diesem Haushalt noch einmal 56 Millionen Dollar aufbringen. Die Kosten für den Einsatz des deutschen Unterstützungsverbandes belaufen sich auf 310 Millionen DM. Davon hatte die UNO uns bis Ende Februar gerade 60 Millionen DM erstattet. Am Ende wird das Ganze ein teures Manöver im Wüstensand gewesen sein, das uns wenig neue Erkenntnisse und Somalia keine Hilfe gebracht hat.
Gleichzeitig werden für humanitäre Hilfsmaßnahmen im Ausland außerhalb der Entwicklungshilfe in allen übrigen Ländern der Welt ganze 76,5 Millionen DM im Haushalt zur Verfügung stehen. Und ich weiß mich mit den Vertretern vieler Hilfsorganisationen einig: Ziviler Friedensdienst ist sehr viel preiswerter und effektiver als mißglückte Beschäftigungstherapie für Soldaten, die sich langweilen, aber gar nicht wissen können, wie man wo Brunnen baut oder Schulen dauerhaft einrichtet. Ich bin der Meinung, jeder sollte das tun, was er besonders gut kann. Dann werden die finanziellen Mittel auch ökonomischer eingesetzt, als das bei solchen Einsätzen geschehen ist.
Ich würde mir auch wünschen, daß diese Bundesregierung beim Einsammeln und Unschädlichmachen des Rüstungsschrotts aus dem Kalten Krieg genauso eifrig vorginge wie beim Ausstattungsprogramm für die neuen Krisenreaktionskräfte. Ein löblicher Haushaltstitel für die Abrüstungshilfe bei ehemals sowjetischen Massenvernichtungswaffen sah 15 Millionen DM vor; die Koalition hat dann noch einmal 2 Millionen DM gestrichen. Wir sind für diesen Ansatz in der alten Höhe gewesen, wenden uns allerdings dagegen - das spielte auch auf dem Berliner Klimagipfel heute eine Rolle -, daß die Plutoniumaufarbeitung, die in Deutschland nicht mehr gewollt wird, auf diese Weise nach Rußland exportiert wird.
Wir wissen, daß die USA 1,2 Milliarden Dollar für die Abrüstungshilfe bei Massenvernichtungswaffen zur Verfügung gestellt haben, daß Großbritannien 70 Millionen DM zahlen und sich Frankreich mit 40 Millionen DM im Jahr beteiligen will. Ich frage den Außenminister, ob die 13 Millionen DM der „Schwerpunkt" sind, den er noch im Dezember 1993 in seiner Zehn-Punkte-Initiative versprochen hat, ob das die Wahrnehmung internationaler Verantwortung ist, wenn wir wissen, daß noch immer 30 000
Eckart Kuhlwein
nukleare Sprengköpfe in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion lagern, daß der internationale Plutoniumschmuggel blüht und daß die Gefahr droht, daß weitere Staaten zum Atomwaffenrisiko werden.
Am deutlichsten wird das Ungleichgewicht zwischen zivilen und militärischen Instrumenten der Außenpolitik an den heute schon erwähnten Meko-Fregatten. Während sich das Auswärtige Amt erfolgreich bemüht hat, 5 Millionen DM Hilfe für Mostar - friedliche Hilfe, Polizeibeamte, Herr Kollege Riedl - in einen anderen Haushalt zu verweisen, ist das bei diesem Titel nicht gelungen, obwohl sich die Berichterstatter mit dem Auswärtigen Amt einig waren, daß dieser Ansatz im Haushalt des Auswärtigen Amtes eher riskant zu sein scheint. Sie haben sich bemüht, ihn woanders unterzubringen. Wir haben sehr früh gesagt: Wir wollen ihn gar nicht haben.
Der Außenminister ist darauf sitzengeblieben. Er wird sich deswegen zurechnen lassen müssen, welche politischen Konflikte daraus entstehen. Es ist versucht worden, das als Werfthilfe umzudeklarieren. Da stand im ersten Haushaltsentwurf sehr sibyllinisch: Unterstützung eines NATO-Partners bei der Durchführung eines Marineprojekts. Erst die Berichterstatter haben in den zusätzlichen Erläuterungen erfahren, daß es um zwei Meko-Fregatten geht, die die Türkei bekommen soll, weil der Bundeskanzler sie der türkischen Ministerpräsidentin versprochen hat.
Das mit der Werfthilfe war nicht durchzuhalten, weil Werfthilfe nach dem EU-Vertrag in Brüssel angemeldet werden müßte. Das ist aber nicht geschehen und ist auch bis heute nicht geschehen, Herr Hoyer. Ich weiß nicht, wo Herr Kinkel ist; schade, daß er nicht mehr da ist.
- Der Auswärtige Ausschuß müßte eigentlich heute hier mitversammelt sein, wenn wir dessen Haushalt beraten.
Herr Hoyer, so geht es jedenfalls nicht. Sie hätten inzwischen klären können wir haben Sie in der Fragestunde darauf hingewiesen -, wieso diese Werfthilfe in Brüssel nicht angemeldet ist. Brüssel hätte sie wahrscheinlich auch nicht genehmigt.
Meine Damen und Herren, weil das mit der Werfthilfe nicht hinhaut, ist und bleibt die Meko-Subvention Rüstungshilfe.
Dabei hatte doch die Bundesregierung schon 1992 entschieden, sämtliche Rüstungshilfen auch an die Türkei einzustellen. Diese Entscheidung der Bundesregierung damals hat - darüber ist ja heute schon mehrfach geredet worden - in den letzten Monaten zusätzliche Begründungen erhalten. Der Bundesaußenminister hat sich davon in der vergangenen Woche überzeugen können.
- Ich weiß nicht, wo er ist. Mir wurde eben zugerufen, er sei im Auswärtigen Ausschuß. Aber ich kann mir schlecht vorstellen, daß der Auswärtige Ausschuß tagt, während wir hier den Haushalt desselben beraten. Wo ist Herr Kinkel?
- Im Bundesratsausschuß, aha.
Gut, aber es gehört eigentlich zum guten Stil des Hauses, daß den Geschäftsführern der Fraktionen Bescheid gesagt wird, daß der zuständige Minister aus wichtigem Grund entschuldigt ist und nicht da sein kann, damit ich als Redner nicht irritiert sein muß: Ich rede mit Herrn Kinkel, und er ist gar nicht da.
Herr Kollege Kuhlwein, würden Sie dem Herrn Staatsminister Hoyer Gelegenheit geben, eine Antwort auf diese Frage zu erteilen?
Aber nur von seiner Abgeordnetenbank aus. Nur von seiner Abgeordnetenbank aus kann er das in Form einer Frage an mich formulieren. Er kann auch eine Kurzintervention machen. Wir haben doch hier keine Fragestunde, Herr Präsident!
Entschuldigung, Herr Kollege! Sie haben gefragt, wo der Außenminister ist. Also kann der ihn vertretende Staatsminister von der Regierungsbank aus die Antwort geben. - Wenn Sie geneigt sind, bitte.
Einverstanden!
Herzlichen Dank, Herr Präsident. Ich hätte auch nicht die Absicht gehabt, als Abgeordneter diese Frage zu beantworten. Ich möchte aber gern als Staatsminister darauf hinweisen, daß vereinbarungsgemäß Außenminister Kinkel auf Wunsch des Bundesrates
vor dem Auswärtigen Ausschuß des Bundesrates jetzt ab 17 Uhr zu sprechen hat und daß er bis 17 Uhr der Debatte hier ohne Unterbrechung beigewohnt hat.
Ich habe das sehr wohl registriert. Dennoch bleibe ich dabei, daß solche Entschuldigungen den Geschäftsführern der Fraktionen mitgeteilt werden müßten. Das ist guter Brauch in diesem Hause.
Eckart Kuhlwein
- Ist das mitgeteilt worden?
- Dann nehme ich alles zurück!
Im übrigen, Herr Staatsminister Hoyer, wollte ich Ihre Bemerkung deshalb nicht zulassen, weil ich dachte, Sie wollen uns jetzt endlich darüber aufklären, warum die Werfthilfe nicht in Brüssel angemeldet worden ist, was Sie uns neulich in der Fragestunde versprochen hatten.
Meine Damen und Herren, die türkische Regierung hat in jüngster Zeit mehrfach offene Kriegsdrohungen gegenüber dem NATO-Partner Griechenland ausgesprochen. Das läßt sich, wie der Einmarsch im Irak zeigt, auch nicht mehr verharmlosend als Rhetorik bezeichnen, wie das Herr Hoyer in der Fragestunde vom 16. Februar versucht hat. Hier muß der Bundestag heute ein deutliches Zeichen setzen.
Wir protestieren gegen die Menschenrechtsverletzungen und die Verletzungen des Völkerrechts durch die Türkei. Und wir streichen heute den für die Meko-Fregatten vorgesehenen Zuschuß. Die von Ihnen vorgesehene Sperre reicht nicht aus. Da hat der Kollege Lamers völlig recht: Das ist eine „Als-obReaktion". Wir tun so, als täten wir etwas. Da stelle ich natürlich auch die Frage an Sie: An welche Konditionen soll denn diese Sperre gebunden sein? Wollen Sie entsperren, wenn die Türkei die Truppen aus dem Irak wieder abzieht oder wenn die Menschenrechte wiederhergestellt sind oder einfach so, damit Sie hier ein bißchen etwas vorspielen können, weil wir Sie in die Enge getrieben haben? Aber dann wird klammheimlich versucht, über den Haushaltsausschuß den Haushaltstitel zu entsperren.
Meine Damen und Herren, wir wollen ein für allemal damit Schluß machen, daß wir uns weltweit an der Aufrüstung beteiligen und gleichzeitig Krisenreaktionskräfte aufbauen, damit wir das Zeug durch unsere Jungs wieder einsammeln, wenn die Völker den bestimmungsgemäßen Gebrauch davon machen.
Meine Fraktion hat einen entsprechenden Antrag vorgelegt, zu dem ich namentliche Abstimmung beantrage. Das ist die Drucksache 13/973. Ich möchte diesen Antrag insbesondere den Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P. ans Herz legen. Es war immerhin Burkhard Hirsch, der Anfang März nach einer Reise in die Türkei die Einstellung der Militärhilfe forderte und empfohlen hat, statt dessen Menschenrechtsorganisationen zu unterstützen. Er hätte dieser Forderung hier auch einen entsprechenden Antrag folgen lassen können, wenn er in der Logik seiner Argumentation geblieben wäre. Aber helfen Sie von der F.D.P. doch Ihrem Bundesaußenminister, damit er die für die Vertretung deutscher Interessen im Ausland notwendige Glaubwürdigkeit zurückgewinnt.
Meine Fraktion bedauert die Kürzungen bei der auswärtigen Kulturpolitik. Wer vom Standort Deutschland redet, muß auch etwas für den internationalen Austausch von Studenten und Wissenschaftlern tun. Das sind Investitionen in gute politische und wirtschaftliche Beziehungen der Zukunft. Wer das Ansehen Deutschlands in der Welt verbessern möchte, muß auch die kulturellen Beziehungen ausreichend pflegen. Wir haben dafür hervorragende Mittler-Organisationen. Es wird darauf ankommen, ihnen den materiellen und ideellen Freiraum zu geben, den sie brauchen, wenn alle Chancen für die Entwicklung und Pflege kultureller Beziehungen in einer mit der Auflösung der Blöcke freier und offener gewordenen Welt genutzt werden sollen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich am Ende meines Beitrages noch eine Frage an die Bundesregierung richten. Der Bundeskanzler hat sich im vergangenen August in einem Rundfunkgespräch für die Schaffung eines zivilen deutschen Hilfskorps für internationale humanitäre Einsätze ausgesprochen. Das ist damals im Wahlkampf ein bißchen hin- und herdiskutiert worden. Wir haben das damals begrüßt, und unser Kollege Hans Wallow konnte zu Recht darauf hinweisen, daß meine Fraktion für ein solches „Umwelt- und Katastrophenhilfswerk" bereits einen Antrag erarbeitet hatte, den Sie in diesem Flohen Flause abgelehnt haben. Wir wurden von der Bundesregierung auf die Zeit nach der Bundestagswahl vertröstet.
Ich habe dann erst einmal den Haushaltsplan durchforstet, ob sich da irgendwo ein Signal findet, daß es irgendwann so etwas geben werde. Meine Nachfrage im Auswärtigen Amt, ob irgendwo im Bereich der Bundesregierung an der Idee des Bundeskanzlers gearbeitet werde, ergab Fehlanzeige. Ich bedaure das ausdrücklich. Ich bedaure, daß der Bundeskanzler einmal mehr dabei ertappt wurde, großen Ankündigungen keine Taten folgen zu lassen.
Ich bedaure das aber vor allem deshalb, weil Deutschland 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hätte zeigen können, daß wir unsere Lektion aus der Geschichte gelernt haben und alle Möglichkeiten ausschöpfen, mit friedlichen Mitteln humanitäre Hilfe zu leisten und die sozialen und ökologischen Ursachen von Konflikten zu bekämpfen.
Ich würde mich freuen, wenn die Koalition nach der Ankündigung des Bundeskanzlers vom vergangenen August unseren nächsten Vorstoß in diese Richtung nicht wieder einfach ablehnte.
Zum Schluß möchte ich auf einen kleinen Lichtblick im Einzelplan 05 hinweisen.
Herr Kollege, gestatten Sie bitte eine Zwischenfrage?
Ja, wenn ich dann noch eine Minute reden darf.
Sie haben noch 59 Sekunden.
Gut. - Bitte.
Herr Kollege, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß alle humanitären Organisationen, die im Gesprächskreis „Humanitäre Hilfe" beim Auswärtigen Amt organisiert sind, einstimmig davon abgeraten haben, ein solches ziviles Hilfskorps einzurichten? Das Rote Kreuz und alle anderen haben dazu geraten, eine solche Struktur nicht einzurichten.
Mir ist bekannt, daß es diese sehr kritische Diskussion gibt. Ich wundere mich, daß der Bundeskanzler sie offenbar nicht kannte, als er seinen Vorschlag gemacht hat.
Wir werden unseren Vorschlag wieder einbringen, zur Diskussion stellen und darüber beraten, wie die deutsche zivile humanitäre Hilfe in Zukunft optimiert werden kann.
Ich wollte noch auf einen kleinen Lichtblick im Einzelplan 05 hinweisen: Es ist gemeinsam gelungen, für die Unterstützung friedenserhaltender Maßnahmen der UNO oder anderer internationaler Organisationen durch das Auswärtige Amt 10 Millionen DM zu veranschlagen. Es geht bei diesem Titel darum, bei kleineren Beteiligungsmaßnahmen zügig handeln zu können; es geht, versteht sich, nicht um Militäreinsätze. Der Auswärtige Ausschuß hat sich auf der Grundlage eines SPD-Antrags damit beschäftigt und das einmütig empfohlen. Der Bundesaußenminister hat dafür ganz ausdrücklich die Zustimmung der SPD.
Meine Damen und Herren, dem Ritual entsprechend möchte auch ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes für ihre Bereitschaft bedanken,
auch schwierige Fragen offen zu beantworten und mich in die geheime Diplomatie einzuführen. Wenn der Außenminister im Haushaltsausschuß weitere Federn lassen mußte, lag es - das wissen die Damen und Herren des Auswärtigen Amtes - bei diesem Einzelplan nicht an der Opposition.
Sie werden sich dennoch nicht wundern, daß wir auch diesen Einzelplan ablehnen, weil wir die Außenpolitik dieser Bundesregierung alles in allem für mangelhaft halten.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Dr. Erich Riedl, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin wie der Kollege Kuhlwein Berichterstatter für den Einzelplan 05 im Haushaltsausschuß. Herr Kollege Kuhlwein, „gerupft" haben wir den Bundesaußenminister nicht.
Es war auch nicht so, daß der Bundesaußenminister bewiesen hätte, daß er keine Durchschlagskraft hat. Vielmehr sind wir unserer Pflicht im Haushaltsausschuß nachgekommen, Kapitel für Kapitel und Titel für Titel sorgsam zu überprüfen. Alle Kürzungsvorschläge, die wir gemacht haben, sind mit den sehr tüchtigen Beamten im Auswärtigen Amt, mit den Staatssekretären und dem Minister besprochen worden.
Lieber Kollege Kuhlwein, wir waren uns in der Berichterstattergruppe - das gilt auch für die Frau Kollegin Hermenau - im Hinblick auf die Etatisierung der Verpflichtungsermächtigungen für die MekoFregatten eigentlich weitgehend einig.
Liebe Frau Hermenau, ich hoffe, Sie können sich noch erinnern, was wir gemacht haben. Wir haben die Verpflichtungsermächtigungen ausgewiesen und haben dann auf Antrag der Kollegin Albowitz de facto eine qualifizierte Sperre gesetzt: Bevor die Bundesregierung diese Verpflichtungsermächtigungen ausbezahlt, muß sie dem Haushaltsausschuß berichten. Das ist de facto eine Verpflichtungsermächtigung mit qualifizierter Sperre.
Sie haben mich ausnahmsweise richtig zitiert. Ich habe Ihren Antrag und auch den Antrag von Freunden aus der Koalition, jetzt eine formelle qualifizierte Sperre auszusprechen, für parlamentarischen Firlefanz gehalten, weil wir im Haushaltsausschuß diese qualifizierte Sperre für die Verpflichtungsermächtigungen - es wäre Ihre Berichtspflicht gewesen, darauf hinzuweisen - de facto ausgesprochen haben. Den Firlefanz nach außen mache ich nicht mit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Haushalt des Auswärtigen Amtes ist, wenn Sie ihn interministeriell und mit den Haushalten des Einzelplans 05 in den vergangenen Jahren vergleichen - unser Kollege Rose, der frühere Berichterstatter, hat mir das ausdrücklich bestätigt -, ein Sparhaushalt. Herr Kollege Kuhlwein, der Bundesaußenminister ist auch F.D.P.-Vorsitzender und damit Unterzeichner der Koalitionsvereinbarung, in der die Sparziele, auch die Einsparungen im personellen Bereich, verankert sind. Er kann sich doch als Bundesaußenminister nicht anders verhalten als als Vorsitzender der F.D.P. und Unterzeichner der Koalitionsvereinbarung.
Dr. Erich Riedl
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesaußenminister hat sich nicht nur an diese Koalitionsvereinbarung gehalten, sondern auch die Haushaltskürzungen, die wir vorgeschlagen haben, in großer Verantwortung mitgetragen.
Der auswärtige Dienst ist kein aufgeblähter Dienst. Der auswärtige Dienst - ich will es einmal in der Sprache des bayerischen Ministerpräsidenten sagen - ist ein schlanker Dienst, ein leistungsfähiger Dienst und ein straff organisierter Dienst. Die Devise - und das kann ich als Nicht-Schlanker gut nachvollziehen - für die nächsten Jahre muß lauten: Schlank ja, aber nicht abmagern. Wir werden sehr darauf achten, daß die Leistungsfähigkeit des auswärtigen Dienstes von Deutschland in den kommenden Jahren voll erhalten bleibt.
Ich weiß, daß Sie es so nicht gemeint haben, aber für mich ist es kein Ritual, sondern eine Freude aus innerer Überzeugung, Herr Staatssekretär, daß ich mich bei Ihren sehr tüchtigen Beamten herzlich bedanken darf. Ich habe auch schon Berichterstattungen für andere Häuser gemacht. Ich muß sagen, die Offenheit, mit der uns als Berichterstattern begegnet worden ist, hätte ich den Diplomaten von Hause aus gar nicht zugetraut. Ich bedanke mich sehr, sehr herzlich. Es war eine Freude. Wenn ein so relativ undiplomatischer Mensch wie ich mit Ihnen zufrieden ist, ist das auch ein Ergebnis dieser Haushaltsberatungen.
Meine Damen und Herren, die Zusammensetzung dieses Haushalts zeigt, wenn man ihn einmal genau analysiert, sehr deutlich die Problematik und die Konsequenzen von Haushaltskürzungen auf. Diesen Haushalt können Sie relativ leicht analysieren. 40 % entfallen auf die Betriebskosten, davon wieder drei Viertel für Personalkosten. 33 % - Herr Kollege Kuhlwein, daß Sie damit nicht zufrieden sind, verwundert mich - gehen in die auswärtige Kulturpolitik, 20 % sind Pflichtbeiträge, 6 % gehen in sonstige politische Ausgaben: humanitäre Hilfe, Abrüstungshilfe und Ausstattungshilfe, und 1 % - das will ich der Ordnung halber sagen - sind etatisiert für das Deutsche Archäologische Institut.
Nach mehreren Jahren äußerster Sparsamkeit halte ich in meiner Verantwortung als Berichterstatter weitere Eingriffe in die 40 % Betriebskosten für nicht mehr möglich, weil dadurch ans Eingemachte gegangen würde, was die Leistungsfähigkeit des auswärtigen Dienstes sehr beeinträchtigen könnte.
Meine Damen und Herren, wir müssen natürlich auch sehen, daß nach der Wiedervereinigung Deutschlands die Aufgaben draußen in der Welt, vor allem bei den internationalen Organisationen, beachtlich zugenommen haben und daß die Aufgaben des auswärtigen Dienstes für die Wirtschaftsförderung und - man weiß es ja - für die Betreuung der zunehmenden Zahl von Millionen Deutschen, die sich rund um das Jahr im Ausland befinden, einen enormen Arbeitsaufwand erfordern.
Ich will einmal die Statistik anführen. Es ist ganz interessant: Deutschland wird heute in 150 Staaten der Welt bzw. internationalen Organisationen mit insgesamt 239 Vertretungen repräsentiert. Diese Repräsentation findet mit einem Personal von 5 960 Bediensteten statt, die - bei insgesamt 8 857 Bediensteten - im Ausland tätig sind. Dazu kommen noch über 2 200 inländische und ausländische Ortskräfte. Das ist ein beachtliches Unternehmen, das mit höchster Effizienz geführt werden muß und auch geführt wird.
- Herr Fischer, ich bin mir nicht ganz sicher, aber es sind mindestens so viele wie Hessen dabei. Wenn Sie mit dieser Antwort zufrieden sind, dann können Sie dem Haushalt auch vielleicht zustimmen.
Vielleicht geht der Herr Fischer einmal in den auswärtigen Dienst. Bei der Metamorphose der F.D.P., Entschuldigung, der GRÜNEN weiß man ja nie.
- Der Freudsche Versprecher geht in die Annalen ein. Das weiß ich. Lieber Herr Fischer, bei Ihrer Metamorphose weiß man nicht, zu was Sie es noch alles bringen. Dabei habe ich gar nichts gegen die F.D.P. Ich bitte, mich wirklich bei Sigmund Freud zu entschuldigen.
Den zweitgrößten Posten nach den Betriebskosten stellt mit 1,17 Milliarden DM, Herr Kuhlwein, der Kulturhaushalt dar. Ein Drittel des Haushaltes des Auswärtigen Amtes wird für die auswärtige Kulturpolitik ausgegeben. Wenn Sie den Haushalt genau gelesen haben - ich weiß, Sie haben ihn gelesen -, werden Sie feststellen, daß der Ansatz in 1995 für die Kulturpolitik um 3,1 % - das sind rund 35 Millionen DM -, über den Ist-Ausgaben des Jahres 1995 liegt. Da von Einschränkungen in der Kulturförderung zu sprechen, Herr Kuhlwein, ist tatsächlich falsch.
Ich möchte in diesem Zusammenhang, weil wir auch für die Sprachförderungsprogramme mehr getan haben, an die Bundesregierung ganz deutlich den Wunsch zum Ausdruck bringen, sie möge die nachdrücklichen Bemühungen fortsetzen, die Gleichbehandlung der deutschen Sprache, mit Englisch und Französisch in den Organen der Europäischen Union auch in der Praxis durchzusetzen.
Dr. Erich Riedl
Herr Staatssekretär, eine Benachteiligung der deutschen Sprache in der Europäischen Union darf es nicht geben. Deshalb sollten auch die seit vielen Jahren vom Goethe-Institut veranstalteten besonderen Sprachkurse für Bedienstete von Kommission und Rat fortgesetzt werden.
Ich komme jetzt zu den Pflichtbeiträgen von 20 %. Man kann in der Kürze der Zeit leider Gottes immer nur kurz in die Bereiche hineinleuchten.
Herr Kollege Riedl, darf ich Sie für einen Augenblick unterbrechen? - Ihre Anrede „Herr Staatssekretär" hat nicht die nötige Aufmerksamkeit erweckt, weil die Herren natürlich den Titel „Staatsminister" tragen. Das ist das Signalwort.
Bitte fahren Sie fort.
Ich bitte diese unglaubliche Herabsetzung zu entschuldigen.
- Das war kein Freudscher Versprecher. Sie erwischen mich nicht immer, Herr Fischer. Ab und zu mag das der Fall sein; aber in diesem Fall war es wirklich eine freundliche Bemerkung zur F.D.P.
Bei den Pflichtbeiträgen von 20 % - das sind immerhin über 700 Millionen DM - sind keine Kürzungen möglich gewesen. Im Gegenteil, hier fallen im Laufe des Jahres erfahrungsgemäß zusätzliche Beiträge an, die wir sogar im Haushaltsausschuß und im Parlament überplanmäßig behandeln müssen.
Aber ich möchte einmal eine interessante Zahl nennen, die in der Zusammenstellung gar nicht so leicht zu erreichen war: Wenn Sie alle Beiträge, die Deutschland an alle Sonderorganisationen der Vereinten Nationen leisten muß, und zwar über 22 Einzelpläne dieses Haushalts - 20 Ministerien, dazu Bundestag und Bundesrat - hinweg, dann kommen Sie auf die erstaunliche Summe von etwas mehr als 6,9 Milliarden DM. Dann davon zu sprechen, Deutschland würde seinen internationalen Verpflichtungen nicht nachkommen, wie es heute mehrmals von der Opposition getan worden ist, halte ich, gelinde gesagt, für eine Unverschämtheit.
Wir gehören zu den leistungsfähigsten und qualifiziertesten Beitragszahlern auf der ganzen Welt, bei den Vereinten Nationen angefangen bis hin zu den internationalen Organisationen.
Herr Kuhlwein, wir sollten uns auch nicht schämen, daß wir diese Leistungen erbringen.
Ich will und kann jetzt aus zeitlichen Gründen über die Abrüstungshilfe und über die Ausstattungshilfe keine näheren Ausführungen machen. Aber ich möchte doch einmal sagen, daß wir die Mittel zur Unterstützung friedenserhaltender Maßnahmen genauso erhöht haben wie die verfügbaren Mittel für die humanitäre Hilfe, die wir von 64 Millionen DM auf 76 Millionen DM erhöht haben.
Ich darf zum Abschluß meines Berichtes ganz kurz noch auf zwei Themen zu sprechen kommen, die ich für besonders wichtig halte. Ein zunehmend wichtiger Aufgabenbereich sind Maßnahmen zur Lösung des Minenproblems in den Bürgerkriegsgebieten der Dritten Welt. Monatlich werden in zahlreichen Ländern dieser Welt - in Kambodscha, in Mosambik, in Afghanistan, in Angola, in Somalia - Hunderte und Tausende Menschen von Minen getötet oder verstümmelt, selbst wenn die Bürgerkriegsauseinandersetzungen dort beendet sind. Die Zahl der in 20 Ländern liegenden Minen wird heute unbestritten auf über 100 Millionen Stück geschätzt.
Ich habe eine sehr zuverlässige Zahl: Internationale Experten schätzen die Kosten für die Räumung dieser Minen - erschrecken Sie nicht; aber es ist schrecklich - auf 100 Milliarden US-Dollar. Das heißt, wenn Sie alle Minen beseitigen wollen, beträgt der Stückpreis für die Vernichtung dieser Minen 1 000 US-Dollar; die Herstellungskosten sind vielleicht einige 20 oder 30 DM, wenn es hochkommt. Was ist das für eine fürchterliche Welt?
Wir als Bundesrepublik Deutschland haben auch in diesem Haushalt Beträge etatisiert, um unseren Beitrag zu leisten, diesen armen Ländern oder, besser gesagt, den armen Menschen in diesen Ländern bei der Beseitigung der Minen zu helfen.
Ein letzter Gedanke: Vor dem Hintergrund der schrecklichen Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges haben Deutschland und Rußland in den letzten Jahren mit dem festen Willen zur Versöhnung Verträge und Abkommen geschlossen, um ein neues Kapitel ihrer Beziehungen als Partner in einem demokratischen Europa zu beginnen. Beide Staaten haben dabei die Rückführung von Kulturgütern entsprechend dem allgemeinen Völkerrecht vertraglich vereinbart. Dies geschah in der gemeinsamen Absicht, zu verhindern, daß aus historischen Altlasten neue Hypotheken für die deutsch-russische Zukunft entstehen.
Wenn russische Politiker und Parlamentarier jetzt in der Öffentlichkeit einen Standpunkt einnehmen, der die bilateralen Abkommen und die hierauf gestützten gemeinsamen Vereinbarungen ignoriert und zur Disposition stellt, so muß dies in Deutschland zu Zweifeln an der russischen Vertragstreue führen.
Herr Kollege Riedl, Sie sind schon ein gutes Stück über Ihre Redezeit.
Ich möchte nur noch zwei Sätze sagen, Herr Vorsitzender.
Deshalb möchte ich die klare Linie des Bundeskanzlers und des Außenministers zu einer positiven Lösung bei der Rückführung von Kulturgütern unterstützen und hoffen, daß Deutschland und Rußland bei den von den Ministern Kinkel und Sidorow für Ende Juni vereinbarten Verhandlungen der Gemischten Regierungskommission konkrete und weiterführende Ergebnisse erzielen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Arbeit des Auswärtigen Amtes auch im Parlament, im Haushaltsausschuß und im Auswärtigen Ausschuß in dieser Richtung unterstützen werden, damit die segensreichen humanitären Hilfsmaßnahmen international weitergeführt werden können.
Aus diesem Grunde möchte ich die Opposition bitten, sich noch einmal zu überlegen, ob sie mit ihrer Ablehnung -
Herr Kollege Riedl, Sie bitten die Opposition nichts mehr.
- des Einzelplans 05 einen glaubwürdigen Beitrag im Sinne dessen leisten, was ich hier vorgetragen habe.
Vielen Dank.
Herr Kollege Karsten Voigt, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn einige Bemerkungen zu zwei vorhergehenden Rednern machen.
Zunächst zum Kollegen Schmidt von der CSU: Ich liebe Bilder in Debatten, weil sie etwas klarmachen können, was man in langen Reden nicht immer so deutlich vermittelt bekommt; die Bilder müssen jedoch stimmen. Wenn Sie den SPD-Mitgliedern dieses Hauses vorwerfen, daß wir unsere Außenpolitik wie eine Dame ohne Unterleib betrieben - ich lasse einmal den sexistischen Aspekt dieser Bemerkung weg -, dann stimmt immerhin noch, daß der Kopf in der Außenpolitik wichtiger ist als der Bauch.
Insofern ist dies kein Vorwurf, sondern eher ein Lob.
Eine weitere Bemerkung, eine sachliche Richtigstellung, zu dem Kollegen Irmer: In der SPD ist nicht umstritten, daß wir uns bei einem von uns, von Ihnen und von allen in diesem Hause nicht gewünschten Abzug aus Bosnien militärisch beteiligen.
Es gibt einen Streit hinsichtlich des Tornados. Darüber kann man legitimerweise streiten. Ich persönlich halte das jedoch mehr für eine technische Frage.
Herr Irmer, Sie dürfen aber nicht umgekehrt so tun, als entschiede sich an dieser Frage das Verhältnis der SPD zum Bündnis oder das Verhältnis Deutschlands zum Bündnis. Das ist eine dieser sich wechselseitig hochschaukelnden Diskussionen, bei denen Einzelheiten des Problems zu einer moralischen oder grundsatzpolitischen Frage hochstilisiert werden.
- Ich glaube, Sie sollten besser aufpassen. Dann wäre das für Sie nicht erklärungsbedürftig gewesen.
- Es wäre genuß- und lehrreich für Sie, wenn Sie die SPD-Verlautbarungen stets verfolgen würden.
Nun zu dem Verlauf der Debatte selber: Parallel zu unserer Debatte heute findet in Berlin die Weltklimakonferenz statt, in einer Stadt, von der der Zweite Weltkrieg ausging, die im Mai 1945 besetzt werden mußte - ich betone: mußte -, damit Deutschland und Berlin befreit werden konnten, und die, wie keine andere Stadt, 50 Jahre lang vom Ost-West-Konflikt geprägt worden ist.
Durch die Weltklimakonferenz steht in dieser Stadt, die vom Ost-West-Konflikt geprägt worden war, heute ein Thema im Vordergrund, das für die Probleme der Außenpolitik in der Zukunft typisch sein sollte und typisch sein wird. Das will ich nur als Beispiel dafür nehmen, daß in Zukunft Prioritäten der Außenpolitik, an die wir uns 50 Jahre lang gewöhnt haben, nicht mehr die gleichen Prioritäten sein können und sein werden.
So sehr ich schätze, daß Bundesumweltministerin Merkel auf dieser Konferenz war, so halte ich es auch für erforderlich, daß sich in Zukunft klassische Außenpolitiker dieses Bundestages und auch der Bundesaußenminister selber um solche neuen Fragestellungen kümmern, und zwar auch in dem Sinne, daß wir eine Erfahrung aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg aufgreifen.
Karsten D. Voigt
Damals hat der Westen als Antwort auf die Bedrohung, die ökonomisch, in bezug auf die Ideologie und in bezug auf die Sicherheit von Osteuropa empfunden wurde, Institutionen gebildet, die diesen Problemen gerecht wurden: den Europarat, die NATO und die Europäische Union, damals noch EWG. Er hat auch weltweite Institutionen gebildet, um weltweit stabilisierend zu wirken, wie den Weltwährungsfonds, die Weltbank oder die OECD.
Unsere heutige Aufgabe ist, adäquat zu den neuen Problemen - Umwelt, Energie, Weltbevölkerung - nicht nur Konventionen im Rahmen der UNO zu unterzeichnen, sondern Institutionen zu bilden, Normen zu bilden und möglicherweise auch Regeln, die man durchsetzen kann, zu prägen und zu vereinbaren, eben um den neuen Problemen Rechnung zu tragen.
Wir müssen lernen, daß mit dem Fall der Mauer eine tiefgreifende außen- und sicherheitspolitische Wende eingetreten ist. Wenn Leute in der Außenpolitik in irgendeinem Argument zu mir sagen, sie hätten das bereits vor zehn Jahren gesagt, weiß ich in 90 % der Fälle schon, daß ihre Antwort falsch ist. Denn wer das gleiche wie vor zehn Jahren sagt, hat die Veränderungen, die inzwischen in der Welt und besonders im Umfeld von Deutschland passiert sind, nicht verarbeitet.
Natürlich müssen die europäische Einigung, das transatlantische Bündnis und das Prinzip der multilateralen Einbettung auch weiterhin zu den berechenbaren Konstanten deutscher Außenpolitik gehören. Aber ansonsten haben sich die Probleme und Problemlösungen in zahlreichen Punkten grundlegend verändert.
Ich will Beispiele nennen. Wir fürchten nicht mehr den Angriff mit nuklearen, chemischen oder konventionellen Waffen, sondern unsere Furcht besteht primär vor der weltweiten Proliferation dieser Waffensysteme. Wir fürchten nicht mehr die sowjetische Aufrüstung, ich wenigstens nicht mehr, sondern, daß die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die ökonomisch und sozial so schwach sind, die Probleme der Abrüstung nicht bewältigen können.
In diesem Zusammenhang ist es nicht nur schlimm, daß die Rüstungshilfe an die südlichen NATO-Partner - übrigens nicht nur die Türkei, sondern auch an Griechenland, Spanien und Portugal - nach 1990 weiter gegeben worden ist, weil sie in der Türkei im Bürgerkrieg eingesetzt werden könnte, sondern das ist eine falsche Prioritätenbildung. Wir hätten Rußland, der Ukraine und Belorus bei der Abrüstung helfen müssen, statt diese NATO-Partner weiter bei der Aufrüstung zu unterstützen.
Wir brauchen heute nicht mehr die Unterdrückung des Selbstbestimmungsrechts unserer unmittelbaren östlichen Nachbarn durch die Sowjetunion und den Warschauer Pakt zu fürchten, sondern wir müssen uns vielmehr vor einer Renationalisierung ihrer Sicherheitspolitik fürchten. Das ist übrigens einer der entscheidenden Gründe dafür, warum wir für die Osterweiterung der NATO und der Europäischen Union sind.
Wir brauchen heute nicht mehr die scharfen Grenzkontrollen zu beklagen oder die mangelnde Reisefreiheit, sondern wir fürchten uns ganz anders als am Beginn des KSZE-Prozesses vor der großen Zahl von illegalen Einreisen, vor Flüchtlingsströmen und grenzüberschreitender Kriminalität.
Wir müssen uns in Osteuropa heute glücklicherweise weniger davor fürchten, daß die Inhaber öffentlicher Gewalt den einzelnen Bürger unterdrükken, sondern wir müssen uns darum kümmern, weil es ihr und unser Problem ist, daß die Gewaltausübung durch kriminelle mafiose Strukturen zum erneuten Ruf nach dem autoritären Staat führen könnte, weil der Staat in bezug auf die kriminellen Strukturen zu schwach geworden ist und selber von privaten Gewaltstrukturen penetriert worden ist, nämlich von der Mafia.
Diese neuen Probleme in der Außenpolitik können nicht mit alten Antworten gelöst werden. Am wichtigsten ist es, zu verhindern, daß das Verbot der Weiterverbreitung von nuklearen, chemischen und auch konventionellen Waffen blockiert wird. Die Verhinderung der Weiterverbreitung nuklearer und chemischer Waffen ist eine Frage von Verträgen, weil wir selber glücklicherweise keine chemischen und nuklearen Waffen besitzen.
Dort sollten wir die Amerikaner und die Russen dazu drängen, den Vertrag über die Abschaffung chemischer Waffen endlich zu unterzeichnen. Bei den nuklearen Waffen können wir legitimerweise die Großmächte, die Nuklearwaffen haben, dazu drängen, sie schrittweise zu reduzieren, keine Nukleartests mehr durchzuführen. Wir haben das moralische Recht dazu, weil wir selber keine eigenen Waffen dieser Art haben.
Beim Punkt der Rüstungsexporte ist es nicht eine Frage des Appells an andere. Dort ist es eine Frage an uns selber. Bei den Rüstungsexporten sind wir zu einem der Vorreiter, ein negatives Vorbild geworden.
- Nein, es ist wahr. Es ist Unsinn, daß solche Politik betrieben wird. Es ist nicht Unsinn, wenn ich sage, daß diese Politik betrieben wird.
Wenn unser wichtigster Bündnispartner, die USA, in diesem Punkt der bei weitem stärkste Vorreiter von Rüstungsexporten ist, kann es keine Bündnissolidarität mit diesen USA geben, sondern hier muß ihnen unsere scharfe Kritik gelten.
- Ja.
Karsten D. Voigt
Ich glaube, daß die Osterweiterung der NATO, die von allen Rednern der SPD bisher unterstützt worden ist, ein wichtiges Instrument gegen die Renationalisierung von Sicherheitspolitik ist. Das könnte übrigens auch den Russen nutzen, selbst wenn die meisten Russen es heute so nicht sehen.
Wir haben ein Interesse an nicht nervösen Nachbarn. Die Russen haben auch ein Interesse an nicht nervösen Nachbarn. Die kleineren Staaten zwischen Rußland und Deutschland sind nervös, wenn Russen und Deutsche zusammenarbeiten. Ich bin aber - auch als Vorsitzender der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe - an einer noch engeren Zusammenarbeit mit Rußland interessiert.
Eine Form, in der die Polen keine Angst mehr vor den Russen haben, in der sie die deutsche Politik beeinflussen können, in der wir mit den Russen kooperieren können, ohne daß Polen und andere Nachbarn Angst bekommen, ist die Integration dieser Staaten in die Europäische Union und die NATO.
Daß die Russen das überwiegend aus den traditionellen Konzepten des Kräftegleichgewichts sehen, zeigt, daß sie die Wende, die 1989 begonnen hat, noch nicht verstanden haben. Aber ich glaube, daß es unsere Aufgabe ist, nicht an diesem Konzept etwas zu verändern, sondern es ihnen gegenüber genauso ehrlich zu erläutern wie gegenüber den Polen.
Ich bin für die vorbeugende Konfliktlösung und Verhinderung von Bürgerkriegen. Der Kollege Verheugen hat hierzu in bezug auf Ruanda/Burundi schon vieles gesagt. Aber warum geschieht dieses vorbeugende Konfliktmanagement so selten und so ungenügend? Eine Ausnahme bildet van der Stoel, der Nationalitätenkommissar in der OSZE. Aber sonst geschieht es selten, weil es, wie das Beispiel von van der Stoel zeigt, nicht spektakulär ist. Weil es nicht spektakulär ist, wird es häufig zuwenig finanziert.
Es geschieht auch deshalb zuwenig, weil viele Staaten sich verweigern, bei einer vorbeugenden Konfliktlösung zu kooperieren, wenn diese Konflikte, wie heute meistens üblich, innerhalb von Staaten stattfinden.
Bei einer frühzeitigen Konfliktlösung innerhalb von Jugoslawien hätten Konflikte verhindert werden können. Aber Jugoslawien war damals gegen eine Einmischung in seine inneren Angelegenheiten. Konflikte hätten auch in Tschetschenien verhindert werden können, aber die Russen waren damals gegen eine vorbeugende Präsenz der OSZE.
Konflikte könnten auch in den von Kurden besiedelten Gebieten verhindert oder verringert werden, aber gerade die Türken empfinden die Präsenz von Ausländern, ausländischen Beobachtern und internationalen Delegationen, nicht als Hilfe - was sie sein sollte und sein könnte -, sondern primär als Einmischung.
Deshalb ist eine unserer wichtigen Aufgaben, damit Vorbeugung funktionieren kann, das Bewußtsein und das Konzept der klassischen Souveränität der Staaten schrittweise dadurch zu modernisieren, daß Fragen der Menschenrechte nicht mehr als Einmischung gelten, sondern daß das als ein Element gilt, mit dem man Staaten helfen muß und an dem man sich frühzeitig vorbeugend beteiligen kann.
Es gibt auch Probleme, weil wir nicht überall in der Welt mit gleichen Normen konfrontiert werden. Das klassische Konzept der Abrüstung zwischen Ost und West hat funktioniert, weil beide Seiten gleichermaßen an Kriegsverhinderung interessiert waren und ähnliche Vorstellungen vom Wert des Lebens und des Überlebens hatten.
Dies ist im ehemaligen Jugoslawien nicht gegeben. Wenn wir unsere Lernprozesse und Lernerfahrungen aus der Phase des Kalten Krieges und der Entspannungspolitik auf diesen Konflikt übertragen, aber dort Politiker bereit sind, Leben kalkuliert aufs Spiel zu setzen, wenn sie dort Menschenleben zynisch behandeln, dann stellt sich doch die Frage, ob dort Kategorien der Abschreckung überhaupt noch funktionieren. Dies führt zu schwerwiegenden Problemen.
Ich sage nur, daß klassische Mechanismen nicht mehr funktionieren. Das kann bedeuten, daß man früher mit der Abschreckung hätte beginnen müssen, z. B. bei Vukovar oder Dubrovnik. Das sagen heute viele, die damals dagegen waren.
Das kann bedeuten, daß man die Sache laufen läßt. Ich halte es für eine durchaus legitime Position, daß man eigene Interessen, das Risiko der eigenen Soldaten so hoch einschätzt, daß man das laufen läßt. Das ist eine durchaus legitime Position. Man sollte sie nur nicht noch als moralisch überhöht darstellen.
Es ist eine legitime Position, daß ich das Leben der eigenen Soldaten nicht riskiere. Aber man sollte das nicht als moralisch darstellen.
Oder man kann wie die Beck-Oberdorf von den GRÜNEN und manche in der SPD und in der CDU sagen: Man muß militärisch intervenieren. Moralisch kann man dieser Meinung sein, aber die Konsequenzen könnte, glaube ich, niemand verantworten.
So kompliziert, wie es viele dieser Fragen sind, wo klassische Mechanismen nicht funktionieren, werden in Zukunft generell die außenpolitischen Fragen für die deutsche Außenpolitik sein.
- Natürlich.
Deshalb warne ich davor und kritisiere alle, die voreilig und frühzeitig jetzt erstens die alten Antworten geben -
Herr Kollege, keine Enumerationen mehr; Sie sind schon ein Stück über die Zeit.
- und zweitens auf komplizierte Sachverhalte vereinfachende Antworten geben. Denn Fundamentalismus gibt es nicht nur in der islamischen Welt, sondern auch in der christlichen Welt - und auch im Deutschen Bundestag.
Ich will jetzt nicht in einen Dialog mit dem Kollegen Vogt eintreten. Aber es gibt einen beträchtlichen Unterschied zwischen Ordnung und Fundamentalismus.
Ich erteile das Wort der Kollegin Angelika Beer.
- O pardon, mein Fehler. Zuerst kommt der Kollege Breuer. -
Also, dies ist ein Ausfluß der Tatsache, daß die Rednerliste wenige Minuten vor Beginn der Debatte von den parlamentarischen Geschäftsführern hier erst noch zurechtgebastelt werden muß. Da kommt es schon einmal vor, daß die Reihenfolge ein bißchen durcheinandergerät.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist absolut verzeihlich. Es besteht, glaube ich, auch keine Gefahr, daß eine Verwechslung stattfindet.
Herr Kollege Voigt, ich will kurz auf Sie eingehen. Ich stimme in der Einschätzung von vielen Veränderungen seit 1989 mit Ihnen überein. In der Frage der deutschen Rüstungsexportpolitik bin ich völlig anderer Meinung als Sie.
Ich glaube, daß die Art und Weise, wie wir außenpolitisch und damit auch sicherheitspolitisch gefordert sind, wesentlich komplexer geworden ist, als dies vor 1989 war.
Wenn wir jetzt über den Einzelplan 14, den Verteidigungsetat, und damit über die Frage der Bundeswehr diskutieren, dann ist es sicherlich wichtig, zu wissen, daß die Bundeswehr in dieser Zeit der Veränderung erheblich belastet worden ist. Sie hat die vielen Veränderungen in Deutschland und Europa in sich selbst austragen müssen. Viele Soldaten haben dabei ihre Standorte verloren. Wir haben die Bundeswehr in den neuen Bundesländern neu aufbauen müssen und Soldaten der ehemaligen NVA, die für ganz andere Ziele gekämpft haben, auf der Basis des Grundgesetzes in die Bundeswehr integrieren können.
Der Bundeswehr ist in den letzten Jahren Erhebliches an finanziellen Mitteln entzogen worden: Im Jahr 1989 betrug der Anteil des Verteidigungsetats am Gesamtetat des Bundes etwa 18 %, und im Jahr 1995 beträgt er noch 9,9 %.
Das ist eine erhebliche Reduzierung der finanziellen Möglichkeiten der Bundeswehr. Wer jetzt noch von einer Militarisierung der deutschen Außenpolitik und von einer Fehlsteuerung finanzieller Mittel im Hinblick auf die Bundeswehr redet,
der ist an Ignoranz nicht mehr zu überbieten. Die Zahlen zeigen eindeutig, daß wir richtige Politik betreiben.
Aber ich möchte deutlich machen, daß man das mit anderen Entwicklungen in Zusammenhang setzen muß. Das Bundesverfassungsgericht - vorhin ist es hier in der außenpolitischen Debatte angesprochen worden - hat im Sommer letzten Jahres die Auslandseinsätze der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebietes im Sinne der CDU/CSU für zulässig erklärt. Damit ist die Diskussion darüber, ob der Auftrag der Bundeswehr klar ist, im Prinzip beendet. Der Auftrag ist klar.
Man kann jetzt unterschiedlicher Meinung sein. Wir sind der Meinung, daß Deutschland in der Mitte Europas als souveränes Land mit 80 Millionen Einwohnern und einer erheblichen Wirtschaftskraft sicherheitspolitisch mehr Verantwortung für die Welt übernehmen und auch bereit sein muß, das Instrument Bundeswehr dabei einzusetzen.
Dafür müssen wir die Bundeswehr konzeptionell ändern. Das ist mit den Konzeptionellen Leitlinien geschehen. Sie sichern einerseits die allgemeine Wehrpflicht, also die Einbindung der Bundeswehr als eines sehr sensiblen Organismus in unsere Gesellschaft. Darüber hinaus schafft die allgemeine Wehrpflicht eine soziale Kontrolle, eine bessere politische Kontrolle über die Streitkräfte. Mit der großen Mehrheit der Sozialdemokraten stimmen wir in dieser Position völlig überein, auch wenn es einzelne gibt, die das anders sehen.
Die Konzeptionellen Leitlinien ermöglichen die Ausdifferenzierung der Bundeswehr in Hauptverteidigungskräfte und Krisenreaktionskräfte.
- Herr Fischer, ich werde Sie enttäuschen. - Dies bedeutet einerseits die Möglichkeit, zur Landesverteidigung, zur Bündnisverteidigung und auch zur Wahrnehmung von Verantwortung in den Vereinten Nationen mit Krisenreaktionskräften bereit zu sein. Andererseits ist es die Möglichkeit, mit heute niedrigen Bereitschaftsgraden dazu fähig zu sein, daß eigene Land zu verteidigen, wenn sich die Lage in Europa
Paul Breuer
verändert. Krisenreaktionskräfte sind nicht das, was Sie erwarten und immer wieder behaupten. Das sind nicht Interventionsstreitkräfte für irgendwelche Plätze auf der Welt.
Das ist der Bündnisbeitrag, und zwar zuallererst zur Landesverteidigung der Bundesrepublik Deutschland. Es geht nicht um Interventionismus irgendwo auf der Welt.
Meine Damen und Herren, der Verteidigungsetat des Jahres 1995 ist an sich ein Etat der Trendwende. Ich habe eben schon deutlich gemacht, daß es 1989 noch 18 % des Bundeshaushalts waren und heute nur noch 9,9 % sind; in diesem Kontext muß man die finanziellen Erwartungen für die nächsten Jahre sehen. Jetzt soll der Bundeswehretat nicht weiter in den Keller gehen, sondern die Bundeswehr soll finanzielle Kontinuität für die nächsten Jahre bekommen. Das wird in diesem Jahr mit dem Haushalt 1995 deutlich, und das schafft auch Klarheit für die Soldaten und zivilen Bediensteten in der Bundeswehr.
Wir waren uns im Verteidigungsausschuß mit den Kollegen der SPD bei allen Unterschieden ziemlich einig: 47,9 Milliarden DM, Herr Kollege Kolbow, ist die Größe, unter die wir nicht mehr fallen dürfen.
Es wäre so schön gewesen, dort eine gemeinsame Einschätzung zu haben, wenn in der SPD nicht - es ist interessant, Frau Matthäus-Maier, Sie sitzen gerade neben dem Kollege Kolbow - eine sehr denkwürdige Fraktionssitzung stattgefunden hätte.
In dieser denkwürdigen Fraktionssitzung ist es wohl so gewesen, daß die Verteidigungs- und Haushaltspolitiker, insbesondere von Ihnen, Frau MatthäusMaier, gnadenlos über den Tisch gezogen worden sind.
Die SPD will im Verteidigungsetat, bei dem alle Experten der Meinung gewesen sind: Das ist es nun, und das läßt uns für die Zukunft Planungssicherheit gewährleisten!, jetzt wieder mit der Säge herangehen und 670 Millionen DM herausholen. Das bedeutet, daß die Motivation der Soldaten der Bundeswehr und die Motivation der zivilen Bediensteten, wenn Sie die Mehrheit hätten, was Gott sei Dank nicht der Fall ist, absolut in den Keller fallen würde.
- Schauen Sie sich doch Ihren Antrag an!
- Doch, es ist sehr interessant, es lohnt wohl.
Sie machen am Anfang zwei Vorschläge, die Titel um 1 Million DM bzw. 69 Millionen DM zu erhöhen. Das ist beim Wehrsold für die Grundwehrdienstleistenden und beim Wehrsold für Wehrübende. Es ist klar, warum. Sie entledigen sich der Aufgabe so, daß Ihnen der Bundeswehrverband nicht ganz in den Rücken fallen kann. Die Kritik wird nicht ganz so groß.
Dann kommt die große Kreissäge, und zwar einmal quer durch alle Beschaffungstitel. Dann kommen die SPD-Kollegen aus dem Verteidigungsausschuß und fragen den Verteidigungsminister danach, ob er es verantworten könne, wenn das eintreten würde, was Karsten Voigt soeben gesagt hat: gut ausgebildete und ausgerüstete Soldaten zur Hilfe nach Ex-Jugoslawien zu schicken. Das wird von Ihren Kollegen gefragt. Dazu kommen die Streichungsanträge, die dieses unmöglich machen. Das paßt nicht zusammen.
Unter Punkt 10 steht:
Im Einzelplan 14 werden alle Personaltitel, Beamtenbezüge sowie Vergütungen der Angestellten und Arbeiter proportional um insgesamt 400 Millionen DM gekürzt.
Ich habe die Reden Ihrer Sozialpolitiker gehört, die von „sozialer Kälte" gesprochen haben, und jetzt frage ich Sie: Wie viele Gesichter hat die SPD? In der Sicherheitspolitik mindestens zwei, aber auch in der Sozialpolitik mindestens zwei.
Sie sind nicht glaubwürdig, und es wird deutlich, daß die alte Platte, die Frau Matthäus-Maier in den letzten Jahren immer wieder abgespielt hat - Sparbüchse, Steinbruch Bundeswehr zur Finanzierung von allem möglichen -, nicht mehr läuft. Dieser Antrag ist ein Offenbarungseid.
Ich sage Ihnen noch etwas mehr. Es ist sehr interessant, daß kein einziger Verteidigungspolitiker der SPD heute in der Debatte überhaupt redet.
- Verheugen ist der neue Verteidigungspolitiker? - Es ist hochinteressant, wie Sie Ihre Kollegen im Verteidigungsausschuß, die die Fachleute sind, im Regen stehen lassen, über den Tisch ziehen und letztlich all das, was wir versucht haben, im Konsens zu erarbeiten, völlig desavouieren. Es ist nicht in Ordnung, und es zeigt im Prinzip, daß die Orientierungslosigkeit der SPD in der Außen- und Sicherheitspoli-
Paul Breuer
tik genauso maßlos ist wie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Vielen Dank.
Frau Kollegin Beer, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Herr Wehrbeauftragter!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach einer Studie der US-amerikanischen Agentur für Abrüstung und Rüstungskontrolle sind die Militärausgaben weltweit um 30 % gesunken. Was passiert in Deutschland? Fünf Jahre nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, des Kalten Kriegs, erhöht die Bundesregierung zum erstenmal wieder ihren Militäretat. Die im Einzelplan 14 veranschlagten Ausgaben für Rüstung und Militär steigen zum erstenmal wieder an. Nach einem verfügbaren Soll von 47,2 Milliarden DM im Haushaltsjahr 1994 sollen es in diesem Jahr wieder 47,9 Milliarden DM sein.
Dieser Ansatz für eine Bundeswehr mit ca. 350 000 Mann entspricht dem Ansatz in einer Bundesrepublik mit einer Bundeswehr von etwa 495 000 Mann, wie es im Jahr 1984 der Fall war. Damit enttäuscht die Bundesregierung jegliche Hoffnung auf eine Demilitarisierung, auf eine Zivilisierung der Politik
und auf die Umlagerung der Mittel für zivile Produkte und für Konversionsprojekte.
Der Bundesfinanzminister spricht von Sparen, Sparen, Sparen. Kindergartenplätze können Sie nicht finanzieren.
Statt dessen schmeißen Sie Milliarden für eine Interventionsarmee hinaus.
In diesem Umsteuerungshaushalt wird unter Federführung von Bundesverteidigungsminister Rühe die endgültige Festschreibung der Bundeswehr als Interventionsarmee vorgenommen. Für die High-TechRüstung wird teures Material beschafft. Da ist es nur logisch, daß im Personalbereich Einsparungen getätigt werden.
Der vorläufig letzte Schritt der Umsetzung des Karlsruher Urteils vom letzten Jahr ist das von Ihnen, Herr Rühe, vor kurzem vorgelegte Ressortkonzept. Das Aufschreien der Kommunen und der Länder gegen die geplanten Streichungen von Standorten - die wir durchaus begrüßen, die aber nicht ausreichend sind - soll davon ablenken, daß mit dem neuen Ressortzuschnitt eine Kaderung der Armee stattfindet, daß wir eine Armee in der Armee bekommen, und zwar, wie sie verharmlosend heißen, Krisenreaktionskräfte, die in einem militärischen Ernstfall durch ein Führungszentrum, das erstmals in der Geschichte der Bundeswehr gegründet worden ist, und durch sogenannte Special Forces, die in dem Zuschnitt, den wir als Parlamentarier bisher kennen, durchaus mit den Green Barrets der Amerikaner zu vergleichen sind, angeführt werden. Das ist die sogenannte Sicherheitspolitik, die mit Sicherheit nichts mehr zu tun hat.
Konkret drückt sich die Tendenz der Militarisierung in der Erhöhung der Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Erprobung um 3,8 % auf 2,8 Milliarden DM aus. Die Ausdehnung des Verteidigungsbegriffs auf weltweite Militäreinsätze bringt es mit sich, daß die Krisenreaktionseinheiten zu einer Armee in der Armee werden. Ob Ihnen dies gefällt oder nicht, ob Sie dies abstreiten oder nicht, die übrigen Teile der Armee werden, weil wir an den Außengrenzen Deutschlands keiner Gefahr mehr ausgesetzt sind, es nichts mehr zu verteidigen gibt und wir nicht mehr unter Bedrohung stehen, vernachlässigt, und die gekaderte Krisenreaktionsarmee von 53 000 Mann wird weltweit eingesetzt.
Zum Forschungsetat: Wir wissen wohl, daß die einzelnen Projekte zielgerichtet entwickelt werden, um die Voraussetzungen für das eben Gesagte zu schaffen. Wir wissen aber auch, daß der dicke Brocken erst noch kommt. Wir können uns schon heute ausrechnen, wie in Kürze entweder über einen Nachtragshaushalt oder im nächsten Etat, den Herr Rühe vorlegt, Milliarden auch für die Produktion der jetzt erforschten Waffen bereitgestellt werden müssen.
Dieser Interventionshaushalt spiegelt ein neues Verständnis von Sicherheit wider, das mit Sicherheits- und Friedenspolitik nichts mehr zu tun hat, sondern nur noch an der funktionalen Stabilität von Wirtschaftsabläufen interessiert ist. Diese Stabilität wird nicht von einem Feind bedroht, sondern ist permanent diffusen Risiken ausgesetzt. Wenn Rohstoffwege, Produktionsstätten oder Rohstoffpreise bedroht sind, dann sind dies Risiken, aus denen später Krisen werden, und wir werden dann nicht anfangen, die Krisen mit friedlichen Mitteln zu bekämpfen, sondern werden intervenieren, wenn aus den Krisen Kriege werden.
Menschenrechte: Das Wort „Menschenrechte" wird instrumentalisiert und zu einem ideologischen Begriff zur Durchsetzung der Interessen der Reichen und der Wohlhabenden pervertiert. Dann treten wir auf den Plan.
Sie, Herr Volker Rühe, versuchen gerade, die weltweiten Einsätze gesellschaftsfähig und akzeptierbar zu machen, indem Sie von Hilfe und Verantwortung sprechen. Ihr Vordenker, General Naumann, hat in den verschiedenen Richtlinien niedergelegt, was damit gemeint ist und was höchste Priorität hat, nämlich die klassischen Kampfeinsätze im Rahmen von NATO und WEU. Die UNO haben Sie in Ihrem ganzen Konzept vergessen.
Angelika Beer
Das Wort „Verantwortung" in Ihrem Mund ist eine Verrohung von Sprache. Wenn man Verantwortung nur noch militärisch definiert, dann ist das die Vergewaltigung eines Wortes,
das nach 50 Jahren gerade in Deutschland nicht für diese Militarisierung und die Legitimierung von Kampfeinsätzen mißbraucht werden sollte.
Wir haben dieser sogenannten humanitären Außenpolitik entgegenzusetzen, daß wir bei den Rüstungsexporten an führender Stelle liegen. Dieses Geschäft mit dem Tod macht nicht einmal - auch in diesem Haushalt nicht - vor jenen Waffen halt, die auf grausamste Weise, Herr Kollege Riedl, nicht in 20 Ländern, sondern in 62 Ländern dieser Welt Zivilisten grausam zerstückeln und töten. Ich rede von Landminen und einem Exportmoratorium, das großspurig für Anti-Personen-Minen verkündet wurde, und zwar aus dem einzigen Grunde, um zu verschleiern, daß in diesem Haushalt 350 Millionen DM für neue taktische Minensysteme ausgegeben werden, die später im Rahmen der Krisenreaktionen zum Einsatz kommen und die ebenso töten werden wie auch die alten.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Nolting?
Herr Kollege Nolting, bitte.
Frau Kollegin Beer, ist es richtig, daß Sie im Zuge der Haushaltsplanberatungen beantragt haben, daß u. a. auch kein Minenräumgerät mehr durch die Bundeswehr angeschafft wird?
Herr Kollege Nolting, ich hätte mir gewünscht, daß Sie den Antrag, den wir in dieser Debatte zur Abstimmung stellen, zumindest einmal gelesen haben.
Ich möchte Ihre Frage gerne beantworten: In der Ausschußsitzung ist über die Überprüfung der Einsatzfähigkeit des „Keiler" für den Kollegen Koschnick in Mostar, um dort zivile Wege zu öffnen, berichtet worden. Das diesbezügliche Gutachten besagt, daß der „Keiler" nicht für zivile Räumungen zu gebrauchen ist, sondern eine militärische Funktion ausübt, um Schneisen für Truppen zu schlagen. Er ist für den Einsatz in Mostar nicht zu empfehlen. Wenn
Sie dies wissen, dann haben Sie die Begründung, warum wir diese Mittel für ein High-Tech-Gerät, das sich nicht für die zivile Räumung eignet, nicht bewilligen wollen.
Wir haben beantragt, daß Ihre Position ernstgenommen wird, indem der internationale Fonds der Vereinten Nationen für die Räumung von Minen durch die Bereitstellung von Mitteln aus dem Bundeshaushalt gefördert wird.
Das ist abgelehnt worden. Sie haben in diesen Haushaltsberatungen verweigert, den Fonds der Vereinten Nationen zu unterstützen. Das spricht dafür, daß Sie tatsächlich auch das weltweite Problem der Minen instrumentalisieren,
um Ihre Militärs mit High-Tech auszurüsten, daß Sie sich aber einen Dreck um die Opfer vor allen Dingen in der Dritten Welt kümmern.
- Doch, wir haben diesen Antrag gestellt, und ich hoffe, daß er Unterstützung findet.
Ich möchte noch einen Satz zur Türkei sagen. Trotz humanitärer „Weitsicht" und „restriktiver" Rüstungsexportpraxis zeigt sich gerade hier, daß einem militärischen NATO-Partner, Herr Rühe, Waffen in den Hals gestopft werden, obwohl man weiß, um welches Spannungsgebiet es dort im Mittleren Osten geht, obwohl man weiß, daß dieser NATO-Partner Völkerrecht bricht. Diese Empörung bezüglich der Interventionen in den Nordirak hinein kommt zögerlich. Ich hoffe, sie wird von Ihnen hier noch überzeugend dargelegt.
Die NATO kann kein Interesse daran haben, daß ein NATO-Partner in fremdes Staatsgebiet hinein interveniert. Aber der eigentliche Skandal ist doch, daß Sie die ganze Zeit negieren und nicht zur Kenntnis nehmen, daß dieser NATO-Partner Militär einsetzt. Es ist mir letztlich egal, ob deutsche oder andere Waffen eingesetzt werden. Fakt ist, daß Waffen eingesetzt werden, um das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes zu brechen, um das kurdische Volk zu knebeln und zu verfolgen.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Heinrich?
Ja.
Frau Kollegin Beer, ist Ihnen entgangen, daß der Herr Bundesaußenminister in aller Schärfe die Intervention des NATO-Partners Türkei im Irak verurteilt hat?
Herr Kollege, ich habe Außenminister Kinkel äußerst aufmerksam zugehört. Ich muß feststellen, daß er Krokodilstränen weint, weil er sich von seinem Freund Demirel belogen fühlt, und daß er nichts Generelles gegen die Intervention gesagt hat, sondern erst aufgeschrieen hat, als klar war, daß die Türkei im Nordirak nicht nur Bomben abwirft und dann wieder abzieht, sondern daß sie bis zu einem Jahr dort bleiben wird, bis sich dort kein Mensch mehr aufhält und das Gebiet zum Niemandsland geworden ist.
Daß er erst so spät protestiert hat, läßt an dem Verständnis von Herrn Kinkel, betreffend das Völkerrecht, zweifeln. Ich hoffe, daß er zu der Einsicht kommt, daß die Absicht der Türkei, unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung Bomben auf Zivilisten abzuwerfen, genau die gleiche Empörung hervorrufen muß wie die Lüge von Herrn Demirel. Dann kann ich ihm allerdings völlig zustimmen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir wollen die Rüstungsprojekte um das strategische Interventionskonzept von Herrn Rühe - schauen Sie nicht so böse; Sie stehen ja dahinter und werden es gleich erläutern -, um den Euro-Fighter, in den Milliarden hineingesteckt werden, ohne daß wir ihn brauchen, und viele andere militärische Anschaffungen gestrichen haben. Wir weichen nicht davon ab, daß wir die Armee abbauen und statt dessen zivile Strukturen aufbauen wollen. Hierfür gibt es hinreichend Beispiele, so die zivilen Friedensdienste oder das österreichische Studienzentrum für Friedens- und Konfliktlösung in Stadtschlaining, das Konzepte für peacekeeping ohne Militär entwickelt hat, die nicht instrumentalisiert werden, um eine Interventionspolitik abzudecken. Wir fordern die Stärkung von zivilen, von internationalen Organisationen, die - wie auch die OSZE - im Moment einen lächerlichen Betrag, im Vergleich zur zukünftigen Bundeswehr, erhalten!
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie bereit sind, diese Instrumente zu stärken und die Mittel zu verlagern - nicht hin zur Intervention -, dann könnten auch Sie, Herr Rühe, zu Recht das Wort von der Sicherheitspolitik in den Mund nehmen.
Das Wort hat der Herr Kollege Jürgen Koppelin.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, nach der Rede der Kollegin Beer wird es Zeit, daß wir uns wieder mit dem Haushalt des Verteidigungsministers beschäftigen.
Im Sommer 1994 hat die Koalition Eckdaten zur künftigen Struktur der Bundeswehr und zur Weiterentwicklung des Verteidigungshaushaltes festgelegt. Diese Eckdaten finden erfreulicherweise im Bundeshaushalt 1995 Berücksichtigung.
Dieser Haushalt schafft die Grundlage zur Herstellung der Einsatzbereitschaft der Krisenreaktionskräfte und leitet die notwendigen Maßnahmen zur Modernisierung der Hauptverteidigungskräfte ein. Der investive Anteil wurde dabei - das ist erfreulich - durch die parlamentarische Beratung auf 22,4 % angehoben. Das ist ein wichtiger Beitrag, um die Bundeswehr zu modernisieren und sie leistungsfähiger zu gestalten. Unser Ziel ist es, zukünftig einen investiven Anteil von vielleicht 30 % zu erreichen.
Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden, wenn die Rationalisierungsmaßnahmen im Betrieb der Bundeswehr weiterhin vorangebracht werden. Ich bin davon überzeugt, dies wird gemacht.
Bei dieser Gelegenheit habe ich eine Bitte an die Frau Staatssekretärin im Finanzministerium. Die Rationalisierungserfolge müssen dem Verteidigungshaushalt auf jeden Fall erhalten bleiben. Das halten wir für wichtig.
Trotz der Erhöhung der Mittel für die investiven Maßnahmen haben wir die notwendigen Verbesserungen für die Soldaten nicht aus dem Blick verloren. So konnten endlich für die Grundwehrdienstleistenden die finanziellen Voraussetzungen zur Zahlung des doppelten Verpflegungsgeldes an dienstfreien Tagen ab 1. Oktober 1995 geschaffen werden. Das war überfällig, auch wenn damit eine Aufstockung um 22,5 Millionen DM notwendig wurde.
Auch Planstellenverbesserungen konnten erreicht werden. Ich nenne hier die Beförderungsmöglichkeiten für fast 1 400 Stabsfeldwebel bis Ende 1996 und zusätzliche Beförderungsmöglichkeiten für Offiziere des militärfachlichen Dienstes. Ich bin erfreut darüber, daß wir das gemeinsam mit den Sozialdemokraten beschlossen haben. Da gab es also Konsens.
Weiterhin bestehen bleibt die Forderung der Koalitionsparteien an die Bundesregierung, zur Vermeidung persönlicher Härten die aus der Bundeswehr ausgeschiedenen Unteroffiziere der ehemaligen NVA im Rahmen von Aushilfsverträgen für mindestens 18 Monate nach Ablauf der Zahlung von Übergangsbezügen weiterzubeschäftigen. Die F.D.P. empfiehlt dem Verteidigungsminister darüber hinaus die Einbeziehung auch von Offizieren und Soldaten, die bereits Übergangsbezüge erhalten haben, in diese Regelung.
Meine Damen und Herren, ich habe schon darauf hingewiesen: Wir wollen den investiven Anteil im Haushalt des Verteidigungsministers weiter anheben, denn wir brauchen eine moderne Bundeswehr. Dieser politische Wille wird die F.D.P. jedoch nicht
Jürgen Koppelin
davon abbringen, jede einzelne Beschaffungsmaßnahme, die uns vor allem in den nächsten Jahren langfristig finanziell bindet, kritisch unter die Lupe zu nehmen.
Ich will es hier nicht bei allgemeinen Bemerkungen belassen, sondern zwei Beispiele nennen, und zwar zum einen die Beschaffung des Unterstützungshubschraubers UHU, dessen Preis - jedenfalls im Augenblick - für zu hoch halten, und zum anderen die Beschaffung der AMRAMM-Raketen. Darüber werden wir noch zu sprechen haben.
Die Bundestagswahl im letzten Jahr hat uns ja erfreulicherweise eine rot-grüne Koalition und damit der Bundeswehr eine ungewisse Zukunft erspart.
Man stelle sich vor, die GRÜNEN hätten, natürlich in der Koalition mit der SPD, das verwirklichen können, was sie im Verteidigungsausschuß beantragt haben. Die Bundeswehr wäre kaum wiederzuerkennen gewesen. Ich nenne hier aus Zeitgründen nur einige Beispiele. Ich denke, man muß die Anträge einmal öffentlich nennen, die die GRÜNEN im Verteidigungsausschuß gestellt haben.
Die Mittel für die Nachwuchswerbung sollten gestrichen werden; die Mittel für Truppenübungen sollten gestrichen werden; die Mittel für die Bekleidung sollten gestrichen werden;
die Mittel für das Fernmeldematerial sollten gestrichen werden; die Mittel für die Beschaffung von Fahrzeugen sollten gestrichen werden. Sehr interessant ist auch: Die gesamten Mittel für den Ankauf von Betriebsstoffen für die Bundeswehr sollten gestrichen werden;
die Mittel für die Beschaffung von Munition sollten gestrichen werden, und die Mittel für die Reparatur von Fahrzeugen sollten gestrichen werden.
Wer wie die GRÜNEN solche Anträge im Verteidigungsausschuß stellt, der will das Ende der Verteidigungsfähigkeit unseres Landes herbeiführen. Ich bin dem Kollegen Metzger und seinen beiden Mitstreiterinnen im Haushaltsausschuß außerordentlich dankbar, daß sie diese Anträge nicht alle übernommen haben. Ich hatte das Gefühl, Kollege Metzger, daß es Ihnen eigentlich peinlich war, die Anträge zu stellen, die Sie dort aus Pflicht stellen mußten. Dabei hatten Sie meine Sympathie. Die Kollegin Beer hat wahrscheinlich gar nicht mitbekommen, daß Sie diese Anträge nicht gestellt haben. Es war jedenfalls erfreulich, daß das nicht geschah.
- Herr Kollege Fischer, das richtet sich nicht an Sie allein, es geht vielmehr um die GRÜNEN insgesamt.
Die Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten müssen natürlich auch eine kleine Kostprobe bekommen. Kollege Breuer hat schon darauf hingewiesen, daß die Sozialdemokraten heute nicht zu diesem Thema sprechen. Ich habe dafür Verständnis.
Das, was sich bei den Sozialdemokraten abspielt, ist ja nicht neu. Sie, Herr Präsident, erlauben, daß ich die dänische Zeitung „Flensborg Avis" zitiere. Das ist eine sehr interessante Zeitung, die im Grenzland gern gelesen wird. Ihr hat der Kollege und Verteidigungsexperte der SPD Opel ein Interview gegeben, und zwar kurz vor der Bundestagswahl. Dieses eine Zitat des Kollegen Opel möchte ich Ihnen nicht vorenthalten; es spricht für die Verteidigungspolitik der Sozialdemokraten. Es heißt dort im letzten Absatz in „Flensborg Avis":
„Im Moment möchte ich mir nicht wünschen, unter einem SPD-Verteidigungsminister Parlamentarischer Staatssekretär zu werden. "
Er hat sich dann noch zu Herrn Klose, der ja Schatten-Verteidigungsminister war, geäußert. Ich will es mir ersparen, das zu zitieren. Herr Opel war der Meinung, es dürfe eigentlich nur ein General Verteidigungsminister sein. Ich kann es verstehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die weitere Reduzierung der Bundeswehr auf 340 000 Mann verlangt von allen Verantwortlichen ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen in die menschlichen, sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen. Der Abbau des Personals, verbunden mit der Neustrukturierung der Bundeswehr, die Auflösung von Verbänden mit eigener Tradition und menschlichen Verwurzelungen in den Kommunen - dies alles verlangt von den Soldaten und ihren Familien in vielen Fällen erhebliche Opfer.
In dieser Situation, so meinen wir, ist die Politik insgesamt in ihrer Verantwortung für die Soldaten und für die zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr in besonderer Weise gefordert.
Herr Minister, erlauben Sie mir als schleswig-holsteinischem Abgeordneten eine Bemerkung - Schleswig-Holstein ist ja besonders betroffen -: Ich wäre Ihnen dankbar, wenn es möglich wäre, die Frist für Stellungnahmen, die am 1. Mai abläuft, mindestens um 14 Tage oder drei Wochen zu verlängern.
Jürgen Koppelin
Die Kommunen schaffen es einfach nicht, ihre Stellungnahmen abzugeben. Ich bitte dafür um Verständnis. Ich denke, das trifft ebenfalls für Niedersachsen zu.
Der Abbau des Personals und die damit verbundenen Maßnahmen müssen ohne Einbußen bei der Fähigkeit der Streitkräfte zur Auftragserfüllung durchgeführt werden. Ebenso müssen sozialverträgliche Lösungen gefunden werden. Die Reduzierung der Streitkräfte muß auch als Chance genutzt werden, um für die Bundeswehr die erforderliche Führer- und Ausbilderdichte zu schaffen.
Die Wehrdienstdauer von neun Monaten verlangt eine konzentrierte und effektive Ausbildung und eine bessere Ausnutzung der zur Ausbildung tatsächlich zur Verfügung stehenden Zeit.
Denken Sie an die Zeit, Herr Kollege.
Herr Präsident, ich komme dann zum Schluß. - Deutsche Streitkräfte sind auch in Zukunft unentbehrlich zum Schutz von Frieden, Recht und Freiheit. Sie sind unentbehrlich für unsere Bündnisfähigkeit und für unsere Verantwortung in der internationalen Gemeinschaft. Unsere Soldaten verdienen unsere Anerkennung.
Die F.D.P. stimmt dem Haushalt zu.
Ich erteile das Wort dem Bundesminister der Verteidigung, Volker Rühe.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Verteidigungsetat zeigt in der Tat eine Trendwende. Der Abwärtstrend ist gestoppt, und ich glaube, nach den großen Einsparungsleistungen der Soldaten und der Streitkräfte ist das eine gute und richtige Entscheidung, ein wichtiger Etat für die Soldaten und für die Bundeswehr.
Entscheidend ist, daß wir das versprochene sichere finanzielle Fundament für die nächsten Jahre haben, auf dem die Bundeswehrplanung durchgeführt werden kann.
Kollege Breuer hat schon deutlich gemacht, daß es um fast eine Halbierung des Bundeswehretats, gemessen am Gesamtetat in den letzten fünf Jahren, geht. Ich will es in absoluten Zahlen sagen, um deutlich zu machen, welche gewaltige Friedensdividende es in Deutschland durch den Abbau der politischen Spannungen zwischen Ost und West und auch durch die deutsche Wiedervereinigung gegeben hat.
Wir hatten 1989/90 einen Bundeswehretat West von ungefähr 55 Milliarden DM, und wir haben fünf Jahre später für die gesamtdeutschen Streitkräfte einen Etat von rund 48 Milliarden DM. Wenn die Konfrontation weitergegangen wäre, hätten wir einen Bundeswehretat West von deutlich über 60 Milliarden DM gehabt. Sie müssen die Ausgaben für die Nationale Volksarmee natürlich auch als militärische Lasten für das deutsche Volk berechnen. Das kann ich im Augenblick gar nicht quantifizieren. Um welche gewaltige Leistung es geht und wie sehr wir auch von dem politischen Fortschritt in Europa profitieren, wird an der Tatsache deutlich, daß wir heute mit 47,9 Milliarden DM die Streitkräfte in ganz Deutschland finanzieren. Hier zeigt sich eine gewaltige Friedensdividende.
Aber diese Mittel sind auch notwendig; denn obwohl sich die strategische Lage Deutschlands verbessert hat, gibt es neue Konflikte und neue Herausforderungen.
Die Sozialdemokraten haben eine schwierige Diskussion in ihrer Fraktion. Ich habe schon zu Oppositionszeiten der CDU/CSU-Fraktion angehört, und ich erinnere mich daran, daß wir Ende der 70er Jahre nach einer schwierigen Debatte einmal dem Verteidigungsetat zugestimmt haben, um ein Signal an die Soldaten zu geben. Deswegen sage ich: Ihre Verteidigungspolitiker und auch die Haushaltspolitiker haben in der Fraktion einen ehrenwerten Kampf gekämpft; sie sind unterlegen, und es ist unverantwortlich, bei diesem knappen Etat den Soldaten noch einmal Einsparungen von über 600 Millionen DM zuzumuten.
Wenn ich das mit der Debatte über das Bundeswehrreformkonzept vergleiche, darf ich sagen, daß ich sehr dankbar dafür bin, daß die Debatte sehr sachlich geworden ist.
Auf eine Woche kommt es im übrigen bei den Stellungnahmen zum Ressortkonzept nicht an. Mir kommt es darauf an, daß die Soldaten Ende Mai/Anfang Juni Klarheit haben. Sie müssen wissen, wo es langgeht. Aber wenn es Schwierigkeiten in der Stellungnahme gibt, kommt es wirklich nicht auf eine Woche an. Insgesamt war das also eine sachliche Debatte.
Aber was nicht angeht, ist, daß die Sozialdemokraten hier im Bundestag weitere Kürzungsanträge stellen und draußen im Lande gegen jede einzelne Schließung mobilisieren. Das paßt nicht zusammen.
Sie wollten ja auch eine Bundeswehr von 300 000 Mann. Das hätte das Doppelte und Dreifache an Schließungen von Standorten bedeutet. Ich möchte auch noch erwähnen, daß mich die ersten Stellungnahmen der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein - inzwischen ist sie sachlicher geworden - fast vom Stuhl gehauen haben. Sie hat wirklich um jeden Standort gekämpft, und das auch als Sprecherin einer Partei, die 1989 einen Parteitag durchgeführt hat, auf dem sie beschlossen hat,
Bundesminister Volker Rühe
daß ihre Vision ein Deutschland ohne Streitkräfte sei. Aber fast alle Standorte in Schleswig-Holstein sollen erhalten bleiben. Ich glaube, wir brauchen eine klare Linie und Glaubwürdigkeit.
- Lesen Sie einmal nach. Das ist die Vision.
Ich muß, was die Bundeswehrreform und die Krisenreaktionskräfte angeht, liebe Frau Beer - es wird ja noch immer viel Unsinn geredet, von wegen Interventionsarmee und ähnlicher Blödsinn -, auch sagen: Die erste und vornehmste Aufgabe der Krisenreaktionskräfte - sie sind die präsentesten Teile der deutschen Streitkräfte; es müssen nicht mehr alle auf dem Sprung stehen - ist es, die Landesverteidigung sicherzustellen. Die zweite Aufgabe ist die Bündnisverteidigung. Erstmals werden wir in der Lage sein, die Solidarität, die wir über Jahrzehnte genossen haben, zurückzugeben.
Dazu kommen die Aufgaben etwa im Auftrage der Vereinten Nationen.
Ich kann es den GRÜNEN nicht ersparen, auch hier im Bundestag einmal deutlich zu machen, wie schizophren ihre Position und wie notwendig es ist, Klarheit zu schaffen. Im Ausschuß hat Frau Kollegin Beer sehr bewegend und auch innerlich bewegt von einem Besuch in Sarajevo, von der verzweifelten Lage der Menschen dort, berichtet. Ihre innere Bewegung war sehr glaubwürdig. Sie hat deutlich gemacht, wie wichtig die Soldaten für die Bevölkerung sind, daß sie eigentlich die einzige Hoffnung sind und daß es davon mehr geben müßte.
Als ich gefragt habe: „Sollen das Bundeswehrsoldaten sein?", war im Grunde genommen die indirekte Antwort: Das nicht, aber Franzosen könnten es schon sein.
Ich warte auf den Antrag der GRÜNEN, daß der Deutsche Bundestag beschließen möge, daß die französischen Soldaten in Sarajevo verstärkt werden sollen. Diese Antwort zeigt, wie unglaubwürdig eine solche Politik ist.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Beer?
Folgendes gehört noch dazu; dann kann sie das gleich mit einbeziehen.
Zu den Green Barrets - übrigens Special Forces bei den Engländern genannt -: Es gibt jetzt eine Spezialtruppe der Bundeswehr, die uns in die Lage versetzt, deutsche Staatsbürger zu retten, wenn sie in Lebensgefahr sind, so daß wir aus der unwürdigen und uneuropäischen Situation herauskommen, daß das immer die Belgier und die Franzosen für uns machen müssen. Was ist daran falsch? Es ist dringend notwendig, daß wir hier europäische Solidarität üben.
Jetzt haben Sie die Gelegenheit, eine Zwischenfrage zu stellen.
Herr Kollege Rühe, könnten Sie mir zustimmen und Ihre Aussage von eben insofern berichtigen, daß ich gesagt habe, daß ich im Gegensatz zu einigen SPD-Politikern, die den Einsatz auch der deutschen Bundeswehr in Jugoslawien positiv überdenken, der Überzeugung bin, daß gerade Deutsche dort nichts zu suchen haben, weil ein Einsatz automatisch eine Provokation für die Serben und ein Vorwand für die serbische Großmachtspolitik wäre, weiter zu intervenieren oder noch heftiger anzugreifen als zuvor? Stimmen Sie mir ferner zu, daß wir im Ausschuß die Position vorgetragen haben, daß wir wollen, daß Deutschland gerade auf Grund der historischen Ereignisse nicht beteiligt ist?
Das kann ich Ihnen gerne bestätigen. Wir sind ja selbst sehr zurückhaltend. Nur, es geht nicht an, daß Sie sagen: „Es müssen mehr Soldaten dorthin gehen", und wenn es um deutsche Soldaten geht, dann sind es immer „schlechte" Soldaten. Soldaten helfen, Frieden zu erhalten, und schützen heute die Bevölkerung. Das schlägt sich eben in Ihren Anträgen überhaupt nicht nieder. Das ist Ihre schizophrene Position.
Jetzt möchte ich noch etwas zu dem Thema Rüstungsexport sagen, weil man sich ein bißchen darum herumgedrückt hat und ich das hier sachlich gerne aufklären möchte. Herr Kollege Scharping hat das heute als einzigen Punkt im Zusammenhang mit der Bundeswehr angesprochen.
Es geht um einen Bericht des SIPRI-Instituts in Stockholm, das schon 1993 behauptet hat, Deutschland habe Platz 3 in der Statistik der Rüstungsexporte. Jetzt wird behauptet, wir lägen auf Platz 4. Tatsache ist: Die tatsächlichen Zahlen für den Rüstungsexport im Jahre 1994 werden durch das Statistische Bundesamt erst im August dieses Jahres herausgegeben. Das heißt, dieses Institut verfügt über keinerlei originäre Zahlen. Es greift auf Sekundärquellen zurück,
auf eine falsche Bewertung von Material in Geld, das nämlich im Rahmen von Materialhilfe kostenlos abgegeben wird.
Ich will das einmal verdeutlichen: Bei den Tausenden von Systemen, die wir in einer besonderen historischen Situation von der DDR geerbt und die wir z. B. an Finnland, an Schweden, aber auch an andere
Bundesminister Volker Rühe
abgegeben haben, wird fast der Neuwert eingegesetzt, und das Ganze läuft unter der Überschrift Rüstungsexport. Auf diese Weise kommt das Institut zu den völlig abenteuerlichen Zahlen.
Wissen Sie, wo wir an erster Stelle stehen? - Beim Ausgeben von Geld, was die Vernichtung von Waffen und Munition angeht. Ich möchte den Kollegen, die den Verteidigungsetat nicht so genau kennen, sagen, daß wir in den letzten Jahren bis zu 500 Millionen DM pro Jahr ausgegeben haben, um Waffen und Munition zu zerstören, die wir von der NVA übernommen haben. Platz eins auf der Welt in der Zerstörung von Waffen und Munition!
Was den Rüstungsexport angeht, bitte ich, die Zahlen an den Kollegen Scharping weiterzugeben. Ich gebe Ihnen die Zahlen für das Jahr 1993. Da gab es deutsche Rüstungsexporte im Gesamtwert von 2,57 Milliarden DM, das sind 0,4 % des Gesamtexports.
82,6 % des Gesamtwertes sind an NATO-Länder geliefert worden; das hat Herr Scharping vorhin „genehmigt". 3,5 % der Exporte entfielen auf der NATO gleichgestellte Länder: Australien, Japan, Neuseeland, Österreich, Schweden, Schweiz - auch von ihm „genehmigt".
- Vorhin hat er gesagt, er sei dafür, daß wir an NATO-Länder liefern.
- An Australien dürfen wir nicht liefern?
- Na gut, das können Sie dann noch einmal klarstellen.
13,9 % gingen an übrige Länder. Das waren ganze 358 Millionen DM, wovon 252 Millionen DM auf die Ausfuhr von Schiffen entfielen, allein 235 Millionen DM Export nach Südkorea, besonders gefordert auch von entsprechenden Kollegen aus der SPD-Fraktion,
aus den Wahlkreisen, die mit Werften zu tun haben.
Ich weiß nicht, ob Sie in dem Fall beteiligt waren, Herr Kollege Gansel.
Herr Bundesminister, der Kollege Gansel würde gern eine Zwischenfrage stellen.
Bitte, ja.
Herr Kollege Rühe, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die SPD eine Änderung des Grundgesetzes vorgeschlagen hat,
die Rüstungsexporte auf Staaten beschränkt, mit denen wir verbündet sind, also NATO und WEU, und daß die Staaten, die Sie als der NATO gleichgestellte Staaten bezeichnet haben - Staaten in Südostasien z. B. -, bekanntermaßen keine Staaten sind, mit denen wir verbündet sind, und daß es dafür von uns auch kein grünes Licht gibt?
- Nein, das sind Staaten, mit denen wir nicht verbündet sind. Also, das ist doch eine der lächerlichen Erfindungen von Herrn Genscher, zu sagen: Waffenexporte nur in die NATO - und in die der NATO gleichgestellten Länder. - Das sind dann Malaysia, Japan, Neuseeland und Australien. Das ist doch absurd. Das liegt wohl alles im Nordatlantik, wie Sie mit Ihren großartigen geographischen Kenntnissen wissen.
Und zweitens, Herr Bundesminister: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die SPD-Bundestagsfraktion, zum Teil mit Anträgen hier im Plenum, Waffenexporte und Kriegsschiffexporte in Staaten außerhalb der NATO expressis verbis abgelehnt hat? Zum Beispiel nach Israel - da gibt es wieder einen entsprechenden Antrag -, z. B. auch nach Südkorea. Und weil Sie das wissen: Können Sie es sich nicht schenken, mit der unterschwelligen Unterstellung zu arbeiten, wir würden hier im Bundestag etwas anderes vertreten als in unserem Wahlprogramm? Können Sie es sich nicht wirklich schenken, mit solchen billigen Unterstellungen zu arbeiten, die ehrabschneiderisch sind?
Herr Kollege Gansel, ich muß feststellen, daß Länder wie Australien, Japan, Neuseeland, Österreich, Schweden, Schweiz seit langem auch schon von SPD-geführten Regierungen als der NATO gleichberechtigt behandelt wurden. Wir haben volles Vertrauen zu diesen Ländern, zu diesen Demokratien.
Aber was nicht angeht: daß Sie hier im einzelnen den Verlust von Arbeitsplätzen beklagen, auch die Firmen und die Betriebsräte besuchen und im übrigen auf Grund eines sehr fragwürdigen Gutachtens von SIPRI sagen, Deutschland sei Weltmeister oder an dritter Stelle im Rüstungsexport. Ich biete Ihnen an, daß sich die Fachleute der Fraktionen einmal zusammensetzen, daß wir uns gemeinsam an die Fakten machen, was dieses Institut angeht, so daß es endlich aufhört, daß wir uns hier im Hause in einer Weise verdächtigen, die angesichts der Tatsachen völlig unangemessen ist.
Bundesminister Volker Rühe
Ich möchte jetzt fortfahren: Unser Handeln ist nicht mehr nur national. Wenn wir eine integrierte Verteidigung wollen, brauchen wir innerhalb der europäischen Verteidigung abgestimmte Systeme. Wir können nicht mehr autark handeln und brauchen deswegen letztlich eine innerhalb der Europäischen Union abgestimmte Rüstungsexportpolitik.
Sonst können wir die Aufgaben der Zukunft nicht lösen.
Ich bin der festen Überzeugung, daß die Waffensysteme der Zukunft nicht mehr national, sondern nur noch gemeinsam in Europa beschafft werden können. Wer multinationale Streitkräftestrukturen in Europa haben will - das wollen wir, wir wollen keine Renationalisierung der Politik -, muß dieser Ansicht sein. Im übrigen: Wir sind stolz darauf, daß wir jetzt im Sommer ein deutsch-niederländisches Korps gründen, mit deutschen Soldaten, die in den Niederlanden stationiert sind, und niederländischen Soldaten, die in Deutschland stationiert sind. Alle niederländischen Einheiten dieses Korps werden von Deutschland aus geführt. Wir sind stolz auf das Eurokorps, wir sind stolz auf die enge Zusammenarbeit mit den Polen als neuen Freunden, wir sind stolz auf die bewährte Zusammenarbeit mit den anderen Partnern, etwa den Dänen.
Wer nicht mehr in alten Rüstungskategorien und Rüstungskapazitäten denkt, der muß einen gemeinsamen europäischen Weg suchen.
Das gilt für die Herstellung der Rüstung - sie ist national nicht mehr möglich -, aber auch für die gemeinsamen Rüstungsexportrichtlinien.
Meine Damen und Herren, als letztes darf ich noch kurz sagen: Die Bundeswehr unterstützt mit einer Fülle von praktischen Hilfen - das ist heute im Laufe des Tages gewürdigt worden - die Armeen unserer östlichen Nachbarn auf ihrem Weg in die westlichen Bündnisstrukturen. Ich finde es großartig, daß heute eine polnische Division in Stettin eine enge Patenschaft mit einer deutschen Division in Neubrandenburg hat,
daß auf beiden Seiten der Grenze Vertrauen aufgebaut worden ist. Hier stehen Soldaten - das muß man Ihnen, Frau Beer, einmal in aller Deutlichkeit sagen - an vorderster Front in einer Sache, bei der es nicht um Interventionen geht, sondern darum, den Frieden für die Zukunft zu sichern.
50 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges ist dies von einer besonderen Symbolkraft und Tragweite. Die Zusammenarbeit der Soldaten ist längst zu einem Brückenpfeiler der Verständigung zwischen den Völkern in West- und Osteuropa geworden. Das ist die realistische Beschreibung dessen, was die
Bundeswehr heute leistet. In einem völlig neuen Europa sind die Streitkräfte, sind die Soldaten diejenigen, die die neuen Chancen am intensivsten nutzen.
Vielen Dank.
Herr Kollege Dietrich Austermann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind bei der Debatte über den Verteidigungsetat. Der befaßt sich mit den Soldaten in Deutschland.
Deswegen ist es, so glaube ich, gestattet, zu Beginn meiner kurzen Worte sehr herzlich den Soldaten zu danken, die heute stellvertretend für 370 000 Soldaten, für alle, die Dienst in der Bundeswehr leisten, oben auf der Tribüne sitzen, nämlich den Heeresfliegern aus meinem Wahlkreis.
Sie haben natürlich einen Anspruch darauf, zu wissen, wie das Parlament insgesamt über Verteidigungsfragen denkt und welche Position wir dazu einnehmen.
Wir sind durchaus der Auffassung - ich sage das insbesondere in Richtung des Kollegen Voigt, der soeben noch hier war -, daß Verteidigung eine moralisch-ethische Bedeutung hat. Herr Voigt hat das vorhin bestritten. Auch Herr Gansel tritt beim Thema Abrüstung immer mit dem Anspruch auf, er sei derjenige, der genau wisse, was moralisch richtig ist und was nicht. Ich sage ganz klar: Für uns ist die Sicherheit des Staates, der Schutz der Bürger nach innen und nach außen, die wichtigste Aufgabe überhaupt. Sie rangiert vor vielen anderen, auch vor der Sozialhilfe.
Ich sage das deshalb, weil die Sicherung von 40 Jahren Frieden eine moralisch-ethische Aufgabe ist, die nicht allein im nationalen Bereich gelöst werden kann. Die Bundeswehr war auch nie eine nationale Armee, sie war immer eingewoben in die internationale Verteidigungsgemeinschaft, in das westliche Bündnis. Unsere Überzeugung ist: Je besser eine demokratische Armee ist, um so sicherer ist der Frieden.
Sie, Herr Gansel, haben den Zuruf gemacht: „Wo haben Sie eigentlich gedient?" - Ich bin in Berlin aufgewachsen. Damals gab es eine freiwillige Polizeireserve.
Dietrich Austermann
- Ich finde das nicht lustig. Sie können viele andere Kollegen aus den neuen Bundesländern fragen; die antworten Ihnen da mit der gleichen Überzeugung. Ich habe den Eindruck, bei Ihnen hat der Wehrdienst nicht die notwendigen Spuren hinterlassen. Sie wissen anscheinend heute noch nicht, was wir der Bundeswehr schulden, was wir der Verteidigung des Landes schulden, welche Aufgaben wie wahrgenommen werden müssen.
Herr Kollege Austermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage!
Nein. - Meine Damen und Herren, ich kann mir natürlich vorstellen, daß der Kollege Gansel gern das tun möchte, was seine Fraktion unterlassen hat, nämlich einen Beitrag der SPD zum Verteidigungsetat liefern. Es hat sich kein einziger Redner angemeldet, um zu dem 47,9-Milliarden-DM-Etat zu sprechen. Kein einziger von Ihnen hat sich gemeldet, um zu diesem großen, wichtigen Etat einen Diskussionsbeitrag zu leisten. Dann werde ich gerade Ihnen gestatten, sich hier durch Fragen zu Wort zu melden.
Gesamtpolitische Veränderungen und haushaltspolitische Globaleingriffe in den Jahren 1993 und 1994 haben zu gewaltigen Einsparungen geführt, die natürlich Auswirkungen auf die Menschen hatten: auf die Soldaten, auf die zivilen Beschäftigten. Ich glaube, daß wir mit der Zielzahl 340 000 Soldaten - davon 50 000 Soldaten als Krisenreaktionskräfte - heute einen Zustand erreicht haben, bei dem wir der Armee sagen müssen: Ihr habt auf absehbare Zeit Planungssicherheit. - Es kann nicht so sein, daß beispielsweise im Etat 1996 - gewissermaßen steinkohlebedingt - eine weitere globale Kürzungsrunde stattfindet, die für den Verteidigungsetat eine Reduzierung um 2 Milliarden DM bedeuten würde. Wenn man sich vor Augen führt, daß allein die Wehrpflichtigen 800 Millionen DM kosten, weiß man, was dann auf die Armee zukäme.
Meine Damen und Herren, der Verteidigungsminister hat vor kurzem sein Ressortkonzept vorgestellt, mit dem er das Ziel verfolgt, eine ausgewogene Präsenz der Wehrpflichtarmee, für die wir sind, in der ganzen Bundesrepublik sicherzustellen. Für die neuen Bundesländer ist das gelungen. Die Bundeswehr ist eine Armee der Einheit. Ich glaube aber, daß noch einige Fragen zu diesem Ressortkonzept gestellt werden müssen. Das, was hier vorgelegt worden ist, scheint mir in der Dimension, bezogen auf den Norden der Bundesrepublik - und dies sage ich nicht, weil ich aus Schleswig-Holstein, aus dem Norden der Bundesrepublik komme -, ungleichgewichtig zu sein. Ich glaube, daß im Norden und Nordwesten deutlich nachgebessert werden muß.
Wir werden die notwendigen Gespräche noch führen. Wenn sie Sinn machen sollen, Herr Minister, dann müssen natürlich Korrekturen möglich sein.
Herr Kollege Austermann, darf ich Sie einen Augenblick unterbrechen. - Wir haben wieder eine ganze Reihe von Kollegen, die mit dem Rücken zuhören.
Bitte fahren Sie fort.
Ich habe gesagt, daß das Konzept der Reduzierung im Entwurf brauchbar ist, daß aber eine Korrektur erfolgen muß. Ich sage für uns auch ganz deutlich, daß wir eine sozial verträgliche Verringerung der Zahl der Soldaten und der Zivilbeschäftigten ohne zeitlichen Druck wollen.
Das, was jetzt vorgesehen ist, ist eine gewaltige Beeinträchtigung vieler Familien, vieler Menschen in der Armee. Dies muß sozial verträglich gemacht werden. Es gibt dafür die gesetzlichen Grundlagen, um das zu tun. Aber ich sage auch ganz deutlich: Es kann nicht sein, daß die Bundeswehr - wie das bei vielen ist, insbesondere bei der SPD - ausschließlich unter dem Gesichtspunkt betrachtet wird, hier gehe es um eine gewaltige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, und der Verteidigungsauftrag dabei untergeht. Wir brauchen hier klare Positionen.
Ich lasse mich nicht darauf ein, daß wir jetzt aus den Landtagen hören: Nun müßte es aber Gemeinsamkeit der Demokraten in dieser wichtigen Frage geben. Ich hätte die Gemeinsamkeit der Demokraten auch gerne bei den Positionen, über die die SPD im Landtag alleine entscheidet: z. B. bei der Frage des dreigliedrigen Schulsystems, z. B. bei der Frage der Nutzung der Kernenergie - ich habe zwei Kernkraftwerke in meinem Wahlkreis -, und bei vielen anderen Fragen. Auch hätte ich gerne die Gemeinsamkeit der Demokraten, wenn es um ein vernünftiges Steuersystem im Bundesrat geht.
Solange in diesen Fragen nicht ein Mindestmaß an Gemeinsamkeit da ist, entscheiden wir und stehen wir auch zu den entsprechenden Konsequenzen.
Ich sage noch einmal: Wer sich jahrelang, jahrzehntelang an Ostermärschen beteiligt hat, an Protesten gegen Tiefflug, gegen Munitionserprobung, gegen Übungsplätze, gegen Rüstung, gegen den NATO-Doppelbeschluß, gegen Patenschaften mit Bundeswehrkasernen, gegen öffentliche Gelöbnisse und gegen Ausstellungen der Bundeswehr, kann
Dietrich Austermann
sich heute nicht als Anwalt der Soldaten der Bundeswehr aufspielen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein. - Herr Gansel, das ist der kümmerliche Versuch, den Eindruck zu vermitteln, daß die SPD etwas mit Verteidigungspolitik am Hut hat.
Ich kann Ihnen jetzt einmal vorhalten, Herr Kollege, welche Erklärungen Ihr verteidigungspolitischer Sprecher, Herr Opel, zum Thema Bundeswehr pausenlos abgibt, auch z. B. zum Thema Wehrpflicht. Auch andere kann ich in diesem Zusammenhang zitieren.
Frau Simonis:
Wir haben alle die Verringerung der Bundeswehr gewollt.
Das war allerdings vor der Vorlage des Ressortkonzepts.
Manfred Opel, der General für alle Waffengattungen:
Ich lehne eine Integration Gesamtdeutschlands in die NATO - auch übergangsweise - ab.
Manfred Opel weiter:
Eine Bundeswehr von wesentlich weniger als 300 000 Soldaten mit einem Anteil von etwa 50 000 Soldaten als Krisenreaktionskräfte würde den sicherheitspolitischen Erfordernissen vollauf genügen ... Doch ob man sich im Frieden den „Luxus" der Wehrpflicht unverändert leisten kann, ist mehr als fraglich.
Das war am 15. März 1994. Manfred Opel im März 1994:
Ausreichend und angemessen wäre eine Freiwilligen-Armee von etwa 200 000 Soldaten.
- Die können Sie im ganzen Bundesgebiet verteilen; Sie haben dann jede Waffengattung der SPD. Das einzige, wozu die zu gebrauchen sind: zu Flügelkämpfen innerhalb der eigenen Fraktion.
Dann gibt es andere, die erklären - auch in Schleswig-Holstein -:
Falsch wäre übrigens der Leitgedanke, Kiel und Schleswig-Holstein seien ohne die Marine nicht vorstellbar.
Das hat ein SPD-Landtagsabgeordneter gesagt. Eine Abgeordnete schließt sich an:
Dabei ist Truppenabbau gewiß grundsätzlich zu begrüßen.
Frau Sonntag-Wolgast erklärte, sie werde nie an einem öffentlichen Gelöbnis teilnehmen.
Diese Leute ziehen jetzt wahrscheinlich - und deswegen sind sie nicht da - durch die Wahlkreise und erzählen den Menschen vor Ort, was wir Schlimmes mit der Bundeswehr vorhaben.
Ich glaube, daß es notwendig ist, dies allen deutlich zu machen.
Als Haushaltspolitiker möchte ich aber auch unterstützen, was der Kollege Koppelin zu den Entscheidungen gesagt hat, die wir zugunsten der Soldaten getroffen haben: Wir wollen die Attraktivität des Grundwehrdienstes steigern, das Verpflegungsgeld erhöhen. Es soll ein Mobilitätszuschlag eingeführt und die Verkürzung der Beförderungsintervalle durchgeführt werden. Wir haben Entscheidungen getroffen, die die Möglichkeiten der Beförderung zum Stabsfeldwebel bis Ende 1996 verbessern. Zusätzliche Beförderungsmöglichkeiten für Offiziere des militärfachlichen Dienstes
- das sage ich gerne, Herr Kollege Kastning - haben wir einstimmig beschlossen. Bei dieser Frage gibt es merkwürdigerweise immer Einmütigkeit, bei der Frage der Rüstung natürlich nicht. Ich meine: Wenn man ja sagt zu einer Armee, dann muß man selbstverständlich auch ja sagen zur Rüstung, d. h. zur Wehrtechnik. Das bedeutet, daß man notwendigerweise die nationalen Kapazitäten vorhält, um die Soldaten bestens auszustatten. Alles andere wäre unverantwortlich.
Es ist völlig richtig, was der Kollege Kossendey gesagt hat: Die SPD benimmt sich in Sachen Bundeswehr wie ein Heiratsschwindler: Man möchte wohl die Mitgift haben, leugnet aber das freundschaftliche Gefühl für die Braut. Mit eigenen Worten möchte ich sagen: Sie benehmen sich wie die Erbschleicher: 40 Jahre haben Sie sich nicht um die Verwandten gekümmert. Jetzt, wo Sie den Eindruck haben, ein Standort fängt an zu wackeln, melden Sie Erbansprüche an und messen Soldaten in wirtschaftlichen Kategorien, aber nicht am Verteidigungsauftrag. Das ist die falsche Position!
Ich möchte zum Schluß kommen.
Bitte nur noch einen Satz!
Jawohl. - Wir sind der Meinung: Mit den Vorschlägen, die der Ver-
Dietrich Austermann
teidigungsminister im Haushalt vorgelegt hat, mit der Korrektur zugunsten von mehr Investition sowie von mehr Forschung und Entwicklung, mit der neuen Struktur, der neuen Leitlinie, den neuen internationalen Aufgaben aus nationaler Verantwortung, dem neuen Standortkonzept, der besseren Ausrüstung und finanziellen Stabilität können sich die Mitarbeiter der Bundeswehr, auch die zivilen Beschäftigten, auf eine Armee der Zukunft freuen. Wir werden sie dabei auch in Zukunft unterstützen.
Herzlichen Dank.
Herr Kollege Dr. Emil Schnell, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren jetzt über den Einzelplan 23. Ich finde es angemessen, Herr Finanzminister, daß Sie bei der Beratung dieses Etats anwesend sind. Unangemessen finde ich, wie Sie seinen Plafond ausgestattet haben; das werde ich noch näher erläutern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Entwicklungspolitik hat nach der Wende, nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes, nach dem Fall der Mauer, eine neue Bedeutung bekommen. Wir sind froh darüber, daß wir uns jetzt um die GUS-Staaten kümmern können und die Möglichkeit haben, in den mittelosteuropäischen Ländern, in den neuen unabhängigen Staaten helfen zu können. Das hat leider auch die Konsequenz, daß wir in den Entwicklungsländern, in denen wir bisher aktiv waren, nicht mehr das leisten können, was wir einmal geleistet haben und weiterhin gerne leisten möchten. Wir Sozialdemokraten fordern deshalb eine deutliche Stärkung der Anstrengungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und der internationalen Hilfe. Die Konzentration der Mittel, die internationale Koordinierung und neue Kooperationsmodelle sind dringlich vonnöten.
Die internationalen Herausforderungen sind: Dämpfung und Verhinderung eines weltweiten Kampfes der Religionen; die Umkehrung des Prozesses einer Degeneration der Sozialen Marktwirtschaft zum „Raubtierkapitalismus", wie Helmut Schmidt dies kürzlich treffend nannte; der konsequente Kampf gegen den Protektionismus - dazu sage ich Ihnen: GATT war sicherlich wichtig; doch für die ärmsten der armen Länder hat GATT bisher nichts gebracht -;
die Erhaltung der Umwelt und schließlich die Eindämmung des rasanten Bevölkerungswachstums. Das alles sind Querschnittsaufgaben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der Entwicklungspolitik.
Wir könnten sie als Aufgaben eines neuen Zukunftsministeriums für globale Entwicklungs- und Strukturfragen definieren. Ich denke, dieses Schlagwort ist an dieser Stelle sinnvoll.
Die tatsächliche Entwicklung des BMZ-Etats 1995 sieht nicht gut aus. Der Regierungsentwurf belief sich ursprünglich auf 8,26 Milliarden DM. Durch die Haushaltsberatungen wurde dieser Betrag um 150 Millionen DM abgesenkt. Ich möchte erläutern, wie das zustande kam: Die Festlegung des Ziels der Koalition, 1 % einzusparen, erfolgte im Prinzip fernab jeder Schwerpunktsetzung. Für mich selbst war dies nicht nachvollziehbar und auch nicht akzeptabel. Man kann nicht einfach eine Einsparung in Höhe von 1 vorsehen und ohne Sinn und Verstand kürzen, egal, wo. Der Koalition hat in der Tat die Kraft gefehlt, Schwerpunkte zu setzen und zu sagen, in welchen Einzelplänen gekürzt werden soll. Das jedoch hätte ich erwartet.
Eine weitere Kürzung um 1 % kam durch die Wechselkursanpassung zustande, so daß letztendlich rund 8,1 Milliarden DM übrigblieben. Das ursprüngliche Volumen des Einzelplans 23 wurde also deutlich reduziert.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf einige Artikel in einer nicht unbekannten und nicht ganz kleinen Zeitung hinweisen. Dort steht folgendes: „Entwicklungshilfe stößt an die Schmerzgrenze". Ich sage: Auch uns schmerzt, wie die Entwicklungshilfe bedient wurde. An anderer Stelle heißt es: „Der Staatssekretär beklagt Spardruck". Da geben wir ihm völlig recht. Wir stehen unter Spardruck, und die Schmerzgrenze ist erreicht.
Der Kollege Hedrich von der CDU sagt folgendes: Wie soll deutsche Entwicklungspolitik glaubwürdig bleiben, wenn Bundeskanzler Helmut Kohl auf dem Weltsozialgipfel in Kopenhagen das legendäre 0,7 %-Ziel der Hilfeleistungen hochhält, tatsächlich aber deren Anteil am deutschen Bruttosozialprodukt ständig sinkt? - Da können wir ihm nur zustimmen.
Es ist nicht gottgewollt, daß dieser Etat so niedrig ist. Das war vielmehr Ziel und Wille der Bundesregierung, letztendlich auch des Kanzlers und des Finanzministers, die nicht ermöglicht haben, daß sich Minister Spranger in irgendeiner Weise durchsetzen konnte. Er war letztlich in ihrem Würgegriff. Es ist bedauerlich, daß die Koalition nicht den Willen gezeigt hat, den Entwicklungsetat etwas aufzustocken.
Eine weitere Schlagzeile lautet: „Für Zukunftsicherung schlecht gewappnet - Spranger beklagt Stellenwert der Entwicklungspolitik". Es ist schon etwas Besonderes, wenn ein Minister beklagt, daß seine eigene Arbeit keinen Erfolg gehabt hat. Er kritisiert sich hier selber, in dem er darauf hinweist, daß Entwicklungspolitik keinen Stellenwert mehr hat. Ich kann mich erinnern: Heute früh hat der Kanzler meinem Fraktionsvorsitzenden eine Personalentscheidung vorgeschlagen. Also, wenn ich als Chef hören
Dr. Emil Schnell
würde, daß meine Mitarbeiter nichts bringen, dann wüßte ich, was ich mit denen zu tun hätte. Insofern wäre das vielleicht eine Empfehlung zurück an den Bundeskanzler.
Die tatsächliche Entwicklung des Haushalts sieht folgendermaßen aus: Seit 1990 ist der Anteil des BMZ-Haushaltes am Gesamthaushalt von 2,5 % auf 1,7 % gesunken.
Die Inflationsrate der Jahre 1990 bis 1995 beträgt zusammen etwa 20 %, meine Damen und Herren. Den so entstandenen Geldwertverlust müssen Sie ebenfalls in Ansatz bringen. Das heißt: Was übrigbleibt, ist in der Tat äußerst wenig. Es ist der absolute Tiefstand in der Ära Kohl.
- Da brauchen wir keinen Applaus. Es ist traurig genug, daß das BMZ momentan als politikunfähiges Gerippe dasteht. Da kann man in der Tat darüber nachdenken, ob man diesen „Laden" nicht auflöst und seine Abteilungen dem Auswärtigen Amt, dem Wirtschaftsministerium, Minister Blüm oder Ministerin Merkel oder auch dem Landwirtschaftsminister zuordnet. Ich werde Ihnen gleich noch erläutern, was an politischer Handlungsmasse für diese wichtige Aufgabe, die wir weltweit haben, übrigbleibt.
Herr Kollege Schnell, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Armin Laschet?
Ja, gerne.
Herr Kollege, glauben Sie, daß es den Stellenwert der Entwicklungshilfe gesteigert hätte, wenn man dem Vorschlag Ihres Kanzlerkandidaten gefolgt wäre, das Entwicklungsministerium aufzulösen und in das Auswärtige Amt einzugliedern?
Davon habe ich sehr wohl etwas gehört. Im übrigen haben Sie den Gedanken der Auflösung des BMZ nicht als abwegig angesehen, als überlegt wurde, ob man es nicht einem Zukunftsministerium zuordnen solle. Das, was Sie zur Zeit machen, hat mit Zukunftsministerium nichts zu tun. Ich denke schon, daß man ein Zukunftsministerium auch anders schneiden kann.
Das ist eine Aufgabe, der man sich stellen sollte.
Ich möchte noch ein Wort zum sogenannten 0,7 %Ziel sagen. Die Bundesregierung bewegt sich zur Zeit bei 0,3 % und ist dabei, weiter abzubauen. Sie geht in Richtung USA, nämlich nur 0,15 % des Bruttosozialproduktes für die Entwicklungshilfe einzusetzen. Ich bin der Meinung, daß z. B. Dänemark oder Norwegen Vorbildwirkung haben. Ich wäre sehr froh gewesen, wenn wir in diesem Jahr wenigstens die ODA-Quote von 0,35 % erreicht hätten. Eigentlich - das wissen Sie auch - müßten wir einen Betrag von ca. 20 Milliarden DM aufbringen und diesen jährlich um die Inflation bereinigen. Dann hätten wir die Größenordnung, die vom Bundeskanzler immer wieder hochgehalten wird.
Die Verpflichtungsermächtigungen im BMZ-Etat spielen, wie Sie wissen, eine ganz besondere Rolle. Es ist dringend erforderlich, das Gleichgewicht zwischen den Baransätzen und den Verpflichtungsermächtigungen wiederherzustellen.
Der Weltgipfel für soziale Entwicklung ist gerade beendet, meine Damen und Herren. Das soziale Klima auf der Welt ist dabei zu kippen. 20 % der Weltbevölkerung verfügen über 83 % des Welteinkommens. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer: nicht nur von Nord nach Süd, sondern genauso auch von West nach Ost. Die Daten zur Weltlage sind erschreckend. Ich möchte wegen der Kürze der Zeit gar nicht näher darauf eingehen.
Fakt ist, daß sich 193 Länder am Armutsgipfel beteiligt haben in der Hoffnung, einen internationalen Sozialvertrag zur Bekämpfung von Hunger, Krankheit, Ungerechtigkeit, Arbeitslosigkeit und Verschuldung zu erreichen. Letztendlich kam als Ergebnis die deprimierende Botschaft: Wer will, kann helfen, z. B. die 20/20-Regelung anwenden. Ich bin der Meinung, das kostet uns eine Menge Glaubwürdigkeit.
Die UN-Klimakonferenz läuft zur Zeit in Berlin; das wissen Sie. Niemand kann genau sagen, wohin es geht.
- Nein, nein. Das ist nicht so. Ich finde, es ist schon ein starkes Stück, wenn Frau Merkel jetzt darum kämpft, daß man eine Tagesordnung zustande bringt. Sie hat im Prinzip im Vorfeld ihre Hausaufgaben nicht gemacht.
Wenn es jetzt darum geht zu erreichen, daß irgendwann einmal weiterverhandelt oder nachverhandelt wird, ist das ein genauso deprimierendes Ergebnis. Ich finde es seltsam, daß Sie da nur lachen. Das ist nicht in Ordnung.
Ich bin der Meinung, daß Klimaschutz und soziale Entwicklung natürlich eine Herausforderung für die Entwicklungszusammenarbeit sind. Das wäre ein Grund mehr, in diesem Politikbereich etwas zu tun und im Haushalt entsprechend etwas draufzulegen.
Dr. Emil Schnell
Ich will auch Frau Merkel nicht bremsen; aber es macht eben wenig Sinn - um das noch einmal zu demonstrieren -, wenn Blüm auf dem Sozialgipfel für ein paar Tage sozusagen Weltsozialminister spielt und Frau Merkel dann diese seltsamen Dinge macht. Der Kanzler verkündet wider besseres Wissen immer noch 0,7 %, und Herr Spranger kratzt dann schließlich im letzten Schreibtischfach die Millionen zusammen, damit Herr Kinkel und Herr Hoyer z. B. den Vietnamesen die Rücknahme ihrer Bürger überzeugend näherbringen können, obwohl sie völkerrechtlich dazu verpflichtet wären.
Meine Damen und Herren, die Entwicklungspolitik ist innerhalb der Bundesregierung nicht ordentlich koordiniert. Das Ganze macht einen ziemlich chaotischen Eindruck.
Die Diskussion um den 8. Europäischen Entwicklungsfonds ist entbrannt. Das hat sicherlich jeder mitbekommen, der sich dafür interessiert. Es gab eine Menge Verwirrung, es gab Diskussionen in Europa und letztlich auch in allen Fraktionen.
Ich möchte für mich und auch für meine Gruppe im Haushaltsausschuß ganz klar sagen, daß wir es von uns weisen, wenn man das kritische Hinterfragen und die Kontrolle der Steuergelder als Europafeindlichkeit anprangert. Ich bin der Meinung, daß genau das Gegenteil der Fall ist. Wir finden Akzeptanz und Transparenz für die europäische Entwicklungszusammenarbeit nur, wenn wir klarmachen können, daß die Gelder zielgenau, prüfbar und damit zweckentsprechend eingesetzt werden. Und das kann man von den EEF-Geldern nicht unbedingt sagen.
Natürlich freuen sich die Nehmerländer über EU-Mittel, die weniger streng verteilt werden - das ist völlig klar -, mehr als über die bilaterale Zusammenarbeit mit Deutschland. Das muß aber, denke ich, nicht gut sein. Eine seriöse Halbzeitbilanz des Lomé-IV-Abkommens - das Sie sicherlich auch kennen -, die uns ja vorliegt, zeigt in ihren Ergebnissen, daß wir hellwach sein und dieser ganzen Sache hochsensibel und eher kritisch gegenüberstehen müssen, damit nicht letztendlich nur Töpfe gefüllt werden, ohne daß man eine Chance hat, sie wirklich zu kontrollieren. Die Tatsache, daß das am Parlament und genauso am Europaparlament vorbeigeht, ist wirklich nicht hinzunehmen.
Deshalb gibt es seit mehreren Jahren den einvernehmlichen Beschluß des Haushaltsausschusses - das ist nicht neu -, daß der 8. Europäische Entwicklungsfonds hinsichtlich seiner Mittelausstattung nicht über dem 7. Europäischen Entwicklungsfonds liegen soll, d. h. bei 2,84 Milliarden ECU. Meine sehr verehrten Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ich weiß nicht, warum Sie sich darüber aufregen. Der gemeinsame Entschließungsantrag auf
Drucksache. 13/208 zu den deutschen Leistungen an die Europäische Union, den Sie ja mittragen, gibt uns einen zusätzlichen Rückhalt. Ich denke, das ist zu begrüßen.
Lassen Sie mich noch etwas zu unseren Stiftungen sagen.
Herr Kollege, darf ich Sie noch einmal unterbrechen.
Es stehen so viele Kolleginnen und Kollegen herum. Normalerweise ist das Aufstehen immer ein Zeichen dafür, daß jemand eine Zwischenfrage stellen möchte. Das macht das Plenum ein bißchen unübersichtlich.
- Es sind noch freie Plätze da, meine Damen! Bitte fahren Sie fort.
Ich bin dankbar für jede Zwischenfrage, das ist nicht das Problem.
Die Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen haben bisher ganz zweifelsfrei Hervorragendes in der Welt geleistet.
Ich denke, wir sollten das hier honorieren und danke schön sagen; denn das Ansehen Deutschlands in der Welt hat damit etwas zu tun. Wir finden immer wieder bestätigt, wenn wir in der Welt unterwegs sind, daß dort eine ganze Menge getan wird; es ist notwendig, sich das anzuschauen.
2 500 Nichtregierungsorganisationen, die viele hunderttausend Menschen an diese Aufgabe binden und dort ziemlich engagiert arbeiten - das ist schon eine tolle Sache.
Aber damit das so bleiben kann, muß natürlich die Ausstattung angemessen sein. Zum Beispiel hat das Sondersparopfer 1993/1994 für die Stiftungen einen Abbau von ca. 180 Stellen bedeutet. Ich möchte klar zum Ausdruck bringen, daß bei weiteren so drastischen Einschnitten die Zerschlagung von bewährten Strukturen bevorsteht.
Jetzt ist eine weitere Stiftung, die der GRÜNEN, erwachsen geworden; das ist gut so. Das Schlechte daran ist, daß damit zum zweitenmal erhebliche Kürzungen für die etablierten Stiftungen einhergehen. Das bedeutet zum einen das Streben nach höherer Effizienz - das man ja nicht beklagen kann; das ist völlig in Ordnung -, zum anderen kann das aber auch eine erhebliche Einschränkung des Aktionsradius, der Quantität und Qualität der Projekte bedeuten.
Dr. Emil Schnell
An einem Beispiel will ich zeigen, wo das Unsinnige dieser Kürzungen liegt. Die Mittel für die Stiftungen mit ihren einschlägigen Erfahrungen bei der konkreten Projektbetreuung in der GUS und in den mittelosteuropäischen Ländern wurden zurückgefahren. 1996 soll dafür nur noch die Hälfte im Vergleich zu 1994 zur Verfügung stehen. Das sind 6,5 Millionen DM für diese Projekte bei 300 Millionen DM, die der Herr Staatssekretär a. D. Kittel im Wirtschaftsministerium für diese Zwecke koordinieren soll.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich, daß das, was im Kittel-Bericht - wie er so schön genannt wird - über den Einsatz, über die Effizienz dieser 300 Millionen DM zu lesen ist, jedenfalls für mich nicht überzeugend ist. Mir reicht das nicht aus. Es wäre besser gewesen, wenn man Teile dieses Geldes in die bewährten Instrumente, die das BMZ hat - die GTZ, die KfW, unsere Stiftungen, Private und die Nichtregierungsorganisationen -, gesteckt hätte, weil man bei denen weiß, daß das Geld auch wirklich da ankommt, wo man es hinhaben will.
Im Prinzip ist das, was dort passiert, eine Art Gießkannenberatung des Wirtschaftsministeriums im Osten. Der Einzelplan 23 wird sozusagen in Richtung Osten entmachtet. Das kann nach meiner Ansicht nicht die richtige Entwicklungsrichtung sein. Wir brauchen die Konzentration, die Effizienz durch den Einsatz der eben genannten bewährten Instrumente.
In der Zeit, in der unentwegt beraten wird - wobei uns noch nicht einmal deutlich gemacht wird, was in welchen einzelnen Feldern beraten wird -, platzen die Erdölleitungen und die Erdgasleitungen en gros, und die Mafia dort gewinnt zunehmend an Einfluß. Das kann es nicht sein; das befriedigt mich nicht. Insofern frage ich mich, wann die Beratungsleistungen in dieser Größenordnung irgendwann einmal in konkrete Hilfe an den notwendigsten und dringlichsten Stellen umschlagen.
Meine Damen und Herren, es gibt einige Anträge zu diesem Etat. Die Sozialdemokraten haben zur zweiten Lesung auf der Drucksache 13/974 Anträge gestellt, die ich kurz darstellen möchte. Es geht in diesen Anträgen darum, daß wir für wichtige Zukunftsbereiche der Entwicklungszusammenarbeit Signale setzen wollen. Das sind die drei Bereiche Förderung des Umweltschutzes, die Stärkung der inneren Potentiale der Entwicklungsländer, damit sie in der Lage sind, sich wirklich selbst zu helfen, und schließlich die entwicklungspolitische Soforthilfe.
Ich bitte Sie recht herzlich, dem zuzustimmen. Das wäre ein erster Schritt in die Richtung, die zumindest wir Sozialdemokraten wollen,
und zwar hin zu einer deutlichen Stärkung der Verantwortung, die wir in der Welt eigentlich wahrzunehmen hätten. Was wir in unseren Anträgen formuliert haben, ist in unseren Augen das, was wir unter „mehr Verantwortung in der Welt" verstehen. In diesem Bereich sollte man sicherlich zulegen.
Ich möchte meinen Mitberichterstattern recht herzlich für die faire Zusammenarbeit danken. Ich möchte auch dem Haus für die sehr zügige Zuleitung von Unterlagen danken, die wir erbeten hatten. Ich bitte den Minister, den entsprechenden Kolleginnen und Kollegen im Hause weiterzugeben, daß wir damit sehr zufrieden waren. Ich möchte meinen Mitberichterstattern aber auch mit auf den Weg geben, daß vereinbart war, im 96er Haushalt die schwerwiegenden Probleme, die im Personalbereich anstehen, so ernsthaft zu bearbeiten, daß dort nichts weiter wegbricht.
Den Einzelplan 23 müssen wir ablehnen, weil er letztendlich nur noch ein Gerüst darstellt. Wir wollen demgegenüber ein vernünftiges Konzept verwirklichen und in diesem Politikbereich weltweit mehr Verantwortung wahrnehmen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Michael von Schmude.
Michael von Schmude: : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sozialgipfel von Kopenhagen hat sich mit der Überwindung der wirklichen Armut in dieser Welt beschäftigt. Herr Scharping ist auf diese Problematik heute überhaupt nicht eingegangen. Er hat statt dessen seine Verelendungstheorien hier ausgebreitet und erfolglos versucht, uns zu suggerieren, in Deutschland gebe es eine Massenarmut. Wenn dem so wäre, dann brauchten wir hier, lieber Emil Schnell, über den Einzelplan 23 - Entwicklungshilfe - gar nicht zu diskutieren. Den könnten wir streichen; denn dann wären wir selbst ein Entwicklungsland und müßten Geld bekommen. So war das Szenario, das heute dargestellt wurde.
Es ging ja noch weiter: Alle wirtschaftlichen Daten, alle Fakten, die es uns überhaupt ermöglichen, Entwicklungshilfe zu leisten, wurden hier nicht nur in Frage, sondern auf den Kopf gestellt. Angesichts dieser Aufzählung angeblicher Ungereimtheiten hätte die Bundesbank heute eigentlich die Abwertung der D-Mark und nicht eine Senkung des Diskontsatzes beschließen müssen.
Während des einwöchigen Sozialgipfels sind 585 000 Kinder in totaler Armut geboren worden. Diese Zahl zeigt deutlich, daß der Schwerpunkt unserer Entwicklungshilfe, die Armutsbekämpfung, richtig ist. Fast 20 % unserer Entwicklungshilfe entfallen auf diesen Bereich, und damit kommen wir der Zielvorstellung von Kopenhagen auch entgegen.
Nun kann man natürlich immer sagen, die Mittel reichten nicht, wir brauchten mehr Geld. Es ist auch leicht zu fordern, Milliarden in diesen oder jenen Haushalt zusätzlich einzustellen. Nur, die Deckung
Michael von Schmude
muß auch irgendwo herkommen, und ich vermisse bei den Vorschlägen zur Aufstockung auch des Einzelplans 23 die notwendigen seriösen Deckungsvorschläge.
Wir alle haben ein Interesse daran, daß gerade auch dieser Haushalt so ausgestattet wird, daß effektive Hilfe möglich ist.
Wir alle wissen - das war auch bisher den Entwicklungspolitikern von Koalition und Opposition gemeinsam -, daß die Erwartungshaltung in der Dritten Welt außerordentlich groß ist und daß wir diese Erwartungen auch gar nicht erfüllen können. Selbst die ODA-Quote ist, für sich genommen, ein ehrgeiziges Ziel, das sich auch nicht von heute auf morgen erreichen läßt. Niemand soll glauben, daß es aus dem Stand heraus möglich ist, diese Summen, etwa 20 Milliarden DM, zu realisieren.
Ich sage ganz deutlich: Die ODA-Quote kann und darf nicht der alleinige Maßstab für unsere Entwicklungshilfe sein. Wir haben seit 1989 140 Milliarden DM an Zahlungen für die MOE- und GUS-Staaten geleistet. Diese wurden bei der Berechnung der ODA-Quote natürlich völlig ignoriert.
Außer Betracht bleibt auch, daß wir eine ganz erhebliche Aufwertung zu verzeichnen haben. Ich sage Ihnen, daß das, was im Innern gilt, daß nämlich eine harte Mark die beste Sozialpolitik ist, auch nach außen gilt. Eine harte Mark für die Entwicklungsländer ist besser als irgendeine weiche Währung. Damit können sie erheblich mehr anfangen. Insofern kommt hier durch die ODA-Quote allein nicht das zum Ausdruck, was wir in puncto Entwicklungshilfe leisten.
Ich glaube schon, daß neben der Armutsbekämpfung für uns auch der Aufbau und die Stabilisierung junger Demokratien in der Dritten Welt eine herausragende Aufgabe ist. Hier müssen wir unsere Entwicklungshilfe - Minister Spranger hat das in den letzten Jahren zielgerichtet betrieben - konzentrieren, um effizient und effektiv zu wirken.
Wir dürfen aber auch die Schwellenländer nicht vergessen. Das zweite Fenster ist eine hervorragende Möglichkeit, Ländern zu helfen, deren Bruttosozialprodukt und deren Lebensstandard nun größer werden, und aus denen - das muß doch unser Ziel sein - eines Tages auch Geberländer werden können und sollen, die den anderen, noch ärmeren Ländern helfen können.
Das ist das Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe. Ich meine, wir müssen diesen Weg konsequent gehen.
Zu dem, was unseren Beitrag zur multilateralen Hilfe anbelangt, ist soeben vom Kollegen Schnell ausgeführt worden, daß wir diesen sehr kritisch sehen müssen. Wir stimmen voll darin überein, daß das, was der Europäische Rechnungshof in puncto
Verschwendungssucht und Mißwirtschaft beim Europäischen Entwicklungsfonds festgestellt hat, von uns scharf bekämpft werden muß. Wir müssen deutlich machen, daß unsere Interessen andere sind und daß wir eine Rückführung der multilateralen Hilfe zur bilateralen Hilfe hin forcieren müssen. Das können wir überwachen, das können wir auch selber verantworten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erhoffe von den Verhandlungen, die jetzt zum 8. EEF laufen, daß es möglich sein wird, die deutschen Anteile an den Rückflüssen zu verstärken. Es kann und darf nicht angehen, daß wir die größten Zahler sind und am Ende zu denen gehören, die am wenigsten an Aufträgen zurückbekommen. Ich glaube, daß unsere Freunde in der Europäischen Union für unser berechtigtes Anliegen Verständnis haben.
Ich möchte zum Schluß Herrn Minister Spranger und seinen Mitarbeitern dafür sehr herzlich danken, daß die Entwicklungsarbeit, die Entwicklungshilfe so erfolgreich gelaufen ist. Ich wünsche mir, lieber Herr Spranger, daß wir für den Haushalt 1996 unter Umständen bessere Rahmenbedingungen haben, die uns auch mehr Spielraum geben.
Schönen Dank.
Herr Kollege Wolfgang Schmitt, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beginne mit einer kurzen Notiz aus der „Süddeutschen Zeitung" vom vergangenen Freitag. Dort heißt es:
Die Lage der 46 ärmsten Länder der Welt hat sich in den vergangenen zehn Jahren dramatisch verschlechtert. Hauptgrund dafür sei die abnehmende Förderung durch die Industriestaaten,
heißt es in einem Bericht der UNCTAD. Weitere Gründe seien Bürgerkriege, die Vertreibung großer Teile der Bevölkerung und der Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in den Ländern des Südens. Dies führe zu sinkender Landwirtschaftsproduktion, zu Hungersnöten und Seuchen.
Laut UNCTAD sind die ärmsten Länder, in denen 440 Millionen Menschen leben und die in der Mehrzahl auf dem afrikanischen Kontinent liegen, mit 170 Milliarden DM verschuldet. Eine Trendwende ist laut diesem UNCTAD-Bericht nicht in Sicht. Ich füge hinzu, daß laut einer kürzlich veröffentlichten Studie die Entwicklungshilfe der OECD-Staaten auf dem niedrigsten Stand seit zwei Jahrzehnten angelangt ist.
Geld ist nicht alles. Ich will auch nicht die politische Verantwortung der Eliten des Südens an der Misere der Entwicklungsländer leugnen. Aber der Einzelplan 23, um den es hier geht, folgt in seinem Ge-
Wolfgang Schmitt
Samtvolumen einem für die Entwicklungsländer verhängnisvollem Trend. In diesem Jahr wird der Anteil der deutschen Entwicklungshilfe am Bruttosozialprodukt auf den Tiefststand von 0,33 % sinken. Die Bundesregierung entfernt sich damit immer weiter von dem selbstgesetzten Ziel, den Entwicklungsetat schrittweise auf 0,7 % des Bruttosozialprodukts anzuheben.
Die Zeit der hehren Gipfelworte ist vorbei. Wir fordern die Regierung auf, Farbe zu bekennen. Entweder Sie sagen: Wir haben den Mund zu voll genommen, das 0,7 %-Ziel ist nicht erreichbar, wir werden uns weiter davon entfernen, oder - wofür ich selbst plädiere - Sie ändern endlich Ihre Politik. Durch das ständige Herunterbeten von Versprechungen, die dann doch nicht eingelöst werden, leistet die Bundesregierung gewollt oder ungewollt einen nicht unerheblichen Beitrag zur Politikverdrossenheit und gefährdet damit die internationale Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland.
Der Weltsozialgipfel in Kopenhagen hat die Schere zwischen verbalem Anspruch und harter Wirklichkeit gezeigt. Auf deutscher Seite war von stärkerer Armutsbekämpfung, Maßnahmen gegen Kinderarbeit, gezielter Frauenförderung und der Unterstützung der sogenannten 20/20-Initiative die Rede. Doch wie paßt dies alles mit diesem Haushaltsentwurf zusammen?
Lassen Sie der eigenen Ankündigungspolitik endlich Taten folgen, und sorgen Sie für eine deutliche Anhebung der Mittel in den nächsten Jahren! Das wäre eine Politik, die auf die größer gewordenen Entwicklungsprobleme reagiert und den Hoffnungen an eines der reichsten Länder auf eine Entwicklungszusammenarbeit wirklich entsprechen würde.
Wenn Bundesentwicklungsminister Spranger ankündigt, keine weiteren Einschnitte in seinem Haushalt mehr mitzutragen, so ist damit noch nichts gewonnen. Der ursprüngliche Ansatz des Einzelplanes 23 ist um noch einmal 150 Millionen DM gekürzt worden. Diese Tendenz wird sich in den nächsten Jahren möglicherweise fortsetzen. Der Kompromiß in der Kohlefinanzierung beispielsweise wird auch vom Einzelplan 23, so fürchten wir, seinen Tribut fordern.
Nun wird gesagt, Geld allein sei nicht alles, wir müßten effektiver, konzeptioneller und länderzentrierter arbeiten, die Entwicklungszusammenarbeit müsse als Querschnitts- und als Zukunftsaufgabe begriffen werden. Dem können wir nur zustimmen. Aber wenn die nötigen finanziellen Mittel für diesen Zweck vorenthalten werden, dann werden auch diese durchaus sinnvollen Ansätze bereits in ihrer Umsetzung vereitelt.
Ein Wort zur Debatte um die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit. Die Diskussion um den Europäischen Entwicklungsfonds hat gezeigt, daß eine Orientierung an einer starren 30-%-Grenze für multilaterale Entwicklungszusammenarbeit, wie sie vom Haushaltsausschuß beabsichtigt ist, nicht sinnvoll, sondern geradezu falsch ist. Mit dieser unflexiblen Haltung wird auf der europäischen Ebene unnötig Porzellan zerschlagen und werden die AKP-Staaten, darunter die ärmsten Staaten Afrikas, in besonderer Weise benachteiligt und vor den Kopf gestoßen.
Statt dessen fordern wir, den Europäischen Entwicklungsfonds in die Verantwortung des Europäischen Parlaments zu geben. Die parlamentarische Kontrolle ist nach unserer Auffassung die beste Gewähr dafür, daß die auch von uns erkannten Mißbräuche und Mißstände im Europäischen Entwicklungsfonds zurückgefahren werden können.
Nötig wäre allerdings eine Diskussion über die Praxis der multilateralen Entwicklungsagenturen. Wir haben es dort mit teilweise skandalösen Fehlentwicklungen zu tun. Die anstehenden Verhandlungen über den 8. Europäischen Entwicklungsfonds und die Wiederauffüllung der Weltbankmittel bieten der Bundesregierung eine gute Gelegenheit, weitere Finanzzusagen von qualitativen Veränderungen abhängig zu machen.
Es wäre schon viel gewonnen, wenn in diesem Hause der im letzten Jahr mit den Stimmen der Regierungskoalition beschlossene Antrag zur Weltbank seinen Niederschlag in der künftigen Praxis dieser Institution fände. Die vorschnelle Festlegung auf Kürzungen wird dagegen dazu führen, daß die deutschen Einflußmöglichkeiten schwinden. Eine Politik nach dem Motto „Wir zahlen weniger, wollen aber mehr zu sagen haben" ist verantwortungslos und blauäugig.
Wir sollten bei der kritischen Überprüfung der Entwicklungszusammenarbeit auch vor der eigenen Tür kehren. Ich erinnere daran, daß der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär im BMZ, Herr Repnik, noch Ende 1993 die Auffassung vertrat, aus der Perspektive von Rechnungsprüfern - so sagte er damals - sähen bei Anlegung gleicher Maßstäbe bilaterale Projekte nicht soviel besser aus als die Projekte der Europäer. Für uns kann das nur heißen, daß auch die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit einer gründlichen Überprüfung unterzogen werden sollte. Die Weltbank hat mit ihrem Wapenhans-Bericht gezeigt, wie ein erster Schritt zu einer solchen kritischen Bestandsaufnahme aussehen könnte.
Ein Blick auf die Länder, mit denen die Bundesregierung entwicklungspolitisch kooperiert, weist Staaten wie Indien, China, Indonesien und die Türkei als Hauptempfänger deutscher Gelder aus. Dabei stellt sich die Frage: Berücksichtigt die Bundesregierung hierbei die von ihr selbst aufgestellten Kriterien wie
Wolfgang Schmitt
die Achtung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, marktwirtschaftliche Orientierung und eine demokratische Beteiligung der Bevölkerung an den politischen Prozessen?
Untersucht man die Liste der Länder, die am stärksten gefördert werden, genau, dann gewinnt man den Eindruck, daß mit wachsender ökonomischer bzw. politischer Bedeutung eines Landes die Bedeutung der genannten Kriterien abnimmt. So finden bei der Türkei als strategisch wichtigem NATO-Partner - der, wie wir aktuell erleben, gravierend die Menschenrechte mißachtet - diese Bedingungen keine Anwendung. Reden und Handeln klaffen, wie so oft bei dieser Bundesregierung, auch in diesem Falle weit auseinander. Und das ist der eigentliche Skandal in der Entwicklungspolitik dieser Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, der Minister hat am vergangenen Freitag gesagt:
Eine angemessene Mittel- und Personalausstattung des BMZ wird zur Nagelprobe für die Fähigkeit Deutschlands, über den Tag und über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.
Wie wahr! Diesen Satz, Herr Minister, können wir Bündnisgrünen unterschreiben. Allerdings hat diese Regierung die von Ihnen angesprochene Nagelprobe nicht bestanden.
Ich erteile das Wort dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Carl-Dieter Spranger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die internationalen Beziehungen haben durch das Ende des kommunistischen Ostblocks einen tiefgreifenden Umbruch erfahren. Bundespräsident Herzog spricht in seiner Rede zum 40. Jahrestag der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik zu Recht von der „Zeitenwende" von 1989.
Doch die Risiken für weltweiten Frieden und Wohlstand sind eher größer geworden: Soziale, ökologische und kulturelle Ungleichgewichte bilden zusätzliche Sicherheitsrisiken, die den militärischen an Gefährlichkeit kaum nachstehen. Zu den neuen und auch neu bewußt gewordenen Risiken gehören Bevölkerungsexplosion, Klimaveränderung, Armutswanderungen, Drogenhandel, Fundamentalismen jeder Art, Zerfall staatlicher Ordnungen und eine generelle Zunahme der Gewaltbereitschaft.
Während neue Zentren wirtschaftlicher und politischer Macht insbesondere in Asien weiter an Dynamik gewinnen, sind Elend und Not in vielen Ländern Afrikas noch nicht überwunden. Diese globalen Entwicklungen und Veränderungen gehen alle an, auch wenn sie in scheinbar weit entfernten Regionen dieser Erde angesiedelt sind. Machen wir es uns klar: Werden die Probleme nicht vor Ort gelöst, dann kommen sie zu uns.
Das weltweite Bewußtsein für die Globalität der Risiken und die gegenseitige Abhängigkeit ist gestiegen. Dies zeigen die herausragenden Weltkonferenzen der letzten Jahre wie der Umweltgipfel in Rio, die Weltbevölkerungskonferenz in Kairo, der Weltsozialgipfel in Kopenhagen und jetzt die UN-Klimakonferenz in Berlin. Herr Kollege Dr. Schnell, gerade die beiden letzten Konferenzen zeigen ja, wie zukunftsweisend die deutsche Entwicklungspolitik ist und daß sie zu Recht mit großer internationaler Anerkennung versehen wird. Sie kann gerade im Bereich Umweltschutz und auch im Bereich Sozialpolitik durch ihre Schwerpunktsetzung belegen, daß sie vieles schon macht, was heute erst auf internationalen Konferenzen in Resolutionen beschlossen wird.
Es liegt in unserem eigenen Interesse, Möglichkeiten für die Überwindung der globalen Ungleichgewichte zu suchen, sie umzusetzen und uns damit aktiv am weltweiten wirtschaftlichen und politischen Strukturwandel zu beteiligen. Wir müssen die Länder unterstützen, die ihre notwendigen Beiträge nicht alleine aus eigener Kraft leisten können, sei es aus Mangel an finanziellen Mitteln, sei es aus Mangel an Kenntnissen, Fähigkeiten oder Erfahrungen. Gelingt die Stabilisierung der Länder des Ostens nicht, müssen auch wir mit Destabilisierung rechnen. Gelingt die Erhaltung der tropischen Regenwälder nicht, wird auch uns die Luft ausgehen. Verläßt das dynamische Wirtschaftswachstum Asiens sozial und ökologisch vertretbare Bahnen, wird der dortige Aufschwung an nicht bedachten Folgekosten und Folgeproblemen ersticken, oder diese werden auf andere abgewälzt. Diese Liste läßt sich beliebig fortsetzen.
Verzeihung, Herr Bundesminister. - Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen; die Drehstühle sind natürlich verführerisch. Aber der Sprecher steht hier und nicht hinten am Ausgang. Ich bitte, sich doch umzudrehen und dem Sprecher das Gesicht zuzuwenden. - Bitte fahren Sie fort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Deutsche Mitverantwortung für die Weltgemeinschaft wahrzunehmen ist deutsche Interessenpolitik. Auch und gerade Deutschland hat die Aufgabe, eine Politik zur vorausschauenden Bewältigung globaler struktureller Ungleichgewichte und Sicherheitsrisiken zu entwickeln und auch zu praktizieren. Entwicklungspolitik ist ein zentraler Bereich einer solchen Politik der globalen Zukunftssicherung. Sie ist im System der internationalen Beziehungen das nach außen wirksame Instrument für die Sicherung der Zukunft Deutschlands.
Bundesminister Carl-Dieter Spranger
In der vergangenen Legislaturperiode haben wir unter Verwendung neuester Erkenntnisse und Forschungsergebnisse eine moderne Konzeption für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Kraft gesetzt. Dafür haben wir weltweit Anerkennung erfahren.
Lieber Kollege Schnell, es wäre nett gewesen, wenn Sie das BMZ nicht als eine Art Skelett bezeichnet hätten. Das kränkt die Mitarbeiter, die unter erschwerten Bedingungen hervorragende Arbeit leisten.
Sie hätten es verdient, daß man ihnen auch einmal sagt, daß sie angesichts der Personallage und der Anforderungen, die das Parlament und der AWZ an sie stellen, exzellente Arbeit leisten.
Jetzt erwartet die Welt natürlich, daß wir unsere Konzeption weiterhin konsequent umsetzen. Das wollen und werden wir tun.
Eine Politik, die sich globalen Herausforderungen stellt und deutsche Interessen wirksam verfolgt, kostet Geld. Damit komme ich zum Haushalt 1995. Die finanziellen Anforderungen für die Entwicklungspolitik stehen wie die jedes anderen Politikbereiches im Spannungsfeld zur Haushaltskonsolidierung im eigenen Land. 1995 sind nunmehr für den Einzelplan 23 8,1 Milliarden DM vorgesehen. Herr Schnell, das ist nicht das Ergebnis der Chefgespräche zwischen BMZ und BMF. Insofern war Ihre Kritik gegenüber dem Finanzminister unangemessen. Der Ansatz liegt um 151 Millionen DM unter dem ursprünglichen Regierungsentwurf. Damit trägt die Entwicklungszusammenarbeit trotz erhöhter Anforderungen überdurchschnittlich zur Haushaltskonsolidierung bei. Vor der deutschen Einheit lag der Anteil des Entwicklungshaushalts am Gesamthaushalt bei 2,5 %; jetzt ist er auf 1,7 % gesunken. Dennoch liegt sein Beitrag zu den im parlamentarischen Beratungsverfahren vorgenommenen Einsparungen von insgesamt 6,7 Milliarden DM bei wiederum 2,3 %, also überproportional hoch.
Ich erkenne an, daß Grund dafür nicht eine generelle Kürzungsabsicht für die Entwicklungspolitik ist. Im Gegenteil, bei den parlamentarischen Beratungen im Haushalts- wie im Fachausschuß wurde die generelle parteiübergreifende volle Anerkennung des hohen Stellenwerts der Entwicklungszusammenarbeit deutlich. Die Motive für die Kürzungen lagen woanders.
Meine Damen und Herren, die Frage, wie es mit der deutschen Entwicklungspolitik weitergehen soll, ist auch eine finanzpolitische. Wir haben in den letzten Jahren bewiesen, daß wir trotz des notwendigen Abbaus der Erblasten des Sozialismus die Mittel für die Entwicklungspolitik in absoluten Zahlen nicht unter das vor der deutschen Einheit erreichte Niveau haben sinken lassen. Das war eine große Leistung, die auch in den Entwicklungsländern und in Deutschland von den Nichtregierungsorganisationen anerkannt wird. Für ihre Unterstützung hierfür möchte ich dem Bundeskanzler, dem Bundesfinanzminister, dem Haushaltsausschuß und den Koalitionsfraktionen danken.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr.
Herr Minister Spranger, Sie müssen die Rolle spielen, die Sie zur Zeit spielen. Dafür habe ich Verständnis. Da Sie selber beklagen, daß der finanzielle Umfang Ihres Haushalts derart reduziert ist, möchte ich zwei Fragen an Sie stellen.
Erstens. Wenn wir schon so wenig Geld haben, warum müssen wir dann ausgerechnet Ländern wie der Türkei 150 Millionen DM aus dem Entwicklungsetat zuweisen, obwohl das Ihren eigenen Kriterien widerspricht?
Zweitens. Könnten Sie sich vorstellen, daß die Akzeptanz für Ihre finanzpolitischen Forderungen bei Herrn Waigel steigen würde, wenn Sie Herrn Waigel einmal 14 Tage auf eine Reise nach Afrika mitnehmen würden, damit Herr Waigel sich vor Ort über die Problematik informieren kann?
Lieber Herr Kollege Schuster, ich spiele hier keine Rolle; ich trage sachlich Unbestrittenes vor.
Über die Türkei ist vielfach auch im zuständigen Ausschuß gesprochen worden.
Ich könnte mir vorstellen, daß, wenn der Finanzminister bei seiner Arbeitsbelastung die Möglichkeit hätte, sich einmal vor Ort umzusehen, er es gern tun würde. Im übrigen braucht er in dieser Beziehung nicht sehr viel Nachhilfeunterricht, weil er über die Situation in vielen Ländern der Erde einschließlich Afrikas sehr gut informiert ist.
Herr Schuster, Sie haben etwas zu früh interveniert, weil ich noch dazu Position beziehen will, wie ich die finanzielle Situation für die Zukunft einschätze.
Ich meine schon, daß wir jetzt, wo die wirtschaftlichen Leistungen pro Kopf im vereinten Deutschland wieder über die vor der deutschen Einheit im Westen erreichten Werte hinausgehen, die Mittel für
Bundesminister Carl-Dieter Spranger
die globale Zukunftssicherung auch wieder steigern und mittelfristig an die relativen Werte der 80er Jahre anknüpfen müssen.
Deswegen muß 1995 zu einem Wendepunkt werden. Ab 1996 muß auf Stagnation und Kürzung wieder Zuwachs folgen.
Wir sollten es uns nicht länger leisten, daß Notwendigkeiten und Erwartungen einerseits sowie die tatsächliche Ressourcenausstattung des BMZ andererseits immer weiter auseinanderklaffen.
Dies gilt insbesondere auch für den Personalbereich. Das BMZ war am einigungsbedingten Personalzuwachs nur unterdurchschnittlich beteiligt. Es wurde trotzdem zum Abbau der einigungsbedingten Personalüberhänge linear herangezogen. Geht man hier nicht in Zukunft differenzierter vor, wird das BMZ Ende 1996 erheblich mehr Stellen abgebaut haben, als es seinerzeit erhalten hatte. Das wäre nicht sachgerecht. Im Interesse der Aufgabe wollen und müssen wir dies verhindern.
Es ist auch heute wieder angesprochen worden, daß die Industriestaaten 0,7 % des Bruttosozialprodukts für die Entwicklungsarbeit ausgeben sollen. Auch hier meine ich: Wir können ein solches Ziel nicht immer wieder bekräftigen und uns gleichzeitig immer weiter davon entfernen. Das wiedervereinigte Deutschland hat vielmehr eine verstärkte Verantwortung in der Welt. Das wurde in Rio und in Kopenhagen deutlich gemacht. Jetzt ist Deutschland Gastgeber bei der Klimakonferenz in Berlin. Diese herausragende Rolle müssen wir auch zukünftig durch konkretes Handeln untermauern.
Die Bewältigung der globalen strukturpolitischen Zukunftsaufgaben kann nicht der Diskussion in kleinen Zirkeln und einzelnen Nichtregierungsorganisationen überlassen werden. Sie ist eine Gemeinschaftsaufgabe nicht nur der Regierung, sondern auch von Parteien, Kirchen, gesellschaftlichen Gruppen und Medien.
Herr Bundesminister, der Kollege Diller würde gern eine Frage stellen.
Bitte sehr.
Herr Minister, Ihr Haushalt wächst um 228 Millionen DM gegenüber dem Ist 1994. Ich frage Sie: Wenn Sie sich an dem Wirtschaftswachstum, das dem Haushalt für dieses Jahr zugrunde liegt, orientieren, um wieviel hundert Millionen DM müßte Ihr Etat wachsen, damit er in diesem Jahr den gleichen Anteil am Bruttosozialprodukt hält, wie er ihn im Vorjahr hatte?
Diese Frage werde ich Ihnen, wenn Sie einverstanden sind, schriftlich beantworten.
- Nein, nein, diese Rechnungen, die Sie hier anstellen, sind nicht zutreffend.
Herr Bundesminister, das Fragebedürfnis ist gewachsen. Der Kollege Diller möchte eine weitere Frage stellen.
Ich habe nur noch zwei Minuten und bitte um Nachsicht. Aber Kollege Kuhlwein hat sich gemeldet. Bitte sehr! Verteilen wir es ein bißchen.
Herr Minister, nachdem Sie sowohl in der vergangenen Woche als auch in der Rede eben sehr deutlich beklagt haben, daß Sie mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die Aufgaben nicht mehr ausreichend erfüllen können, frage ich Sie: Haben Sie eigentlich schon einmal an Rücktritt gedacht?
Lieber Herr Kuhlwein, Sie sind schon lange im Parlament. Ich hätte Ihnen intelligentere Fragen zugetraut. Das muß ich wirklich sagen.
Es gilt jetzt besonders für Sie, Herr Kollege Kuhlwein, wenn ich sage, daß wir das Bewußtsein für die neuen internationalen Herausforderungen nach den weltpolitischen Umbrüchen zu schärfen haben. Auch Sie sollten sich, glaube ich, stärker mit diesem Thema auseinandersetzen. Letztlich verschafft uns nur eine entsprechende Gewichtung der Entwicklungspolitik im Haushalt die notwendige Glaubwürdigkeit.
Die Sicherung der Zukunft seiner Bürger ist die Aufgabe unseres Staates. Die Entwicklungspolitik erfüllt diese Funktion, indem sie draußen vor Ort Sicherheitsrisiken aufgreift und die Probleme dort zu lösen versucht, wo sie entstehen. Entwicklungspolitik ist Deutschlands nach außen gerichtete Zukunftspolitik, sie ist globale Friedens- und Sicherheitspolitik. Hier sind verstärkte Anstrengungen notwendig. Helfen wir alle zusammen, um gemeinsam Kräfte hierfür zu mobilisieren.
Der Kollege Professor Dr. Ingomar Hauchler hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Äußerungen des Entwicklungsministers verlangen doch eine Antwort.
Herr Minister Spranger, im Grunde tun Sie mir leid in der Rolle, die Sie heute gespielt haben.
Sie sprechen mit dem Bundeskanzler über globale Risiken, deutsche Verantwortung, Destabilisierung der Welt, Bevölkerungsvermehrung, Armutsbekämpfung, Zukunftssicherung zentral durch, so sagen Sie, Entwicklungspolitik. Sie tun mir leid, wenn Sie diese Worte in den Mund nehmen und sich dann in den letzten Wochen und heute hier als der große Verlierer im Kabinett darstellen.
Die Zahlen sind ja genannt: Wir haben 2,5 % des Bundeshaushalts für Zukunftssicherung in einer Zeit mit weniger Weltbevölkerung, mit weniger Umweltproblemen, mit weniger Konflikten in der Welt ausgegeben. Heute sind es nur noch 1,7 %. In der Regierungszeit von Helmut Schmidt haben wir 0,48 des Bruttosozialprodukts dafür ausgegeben, heute sind es noch knapp 0,3 %, und dieser Anteil droht noch weiter zu fallen. Der Bundeskanzler betont auf den internationalen Konferenzen in Rio, jetzt wieder in Kopenhagen: Wir Deutsche kämpfen dafür, 0,7 % einzusetzen. Ja wann denn, Herr Bundeskanzler?
Wenn die Katastrophe da ist? Jetzt muß gehandelt werden und nicht irgendwann in der Zukunft.
Herr Bundesfinanzminister, 8,8 Milliarden DM standen in der mittelfristigen Finanzplanung noch vor zwei, drei Jahren. Jetzt lassen Sie gerade noch 8,1 Milliarden DM zu. Damals schon waren die Haushaltsrisiken bekannt. Wie kommt es also, daß Sie jetzt den Haushalt so herunterfahren? Herr Minister Spranger, beklagen Sie sich also nicht weinerlich irgendwo bei der Presse oder vor anderen Leuten! Kämpfen Sie endlich im Parlament für Ihre Aufgabe. Kämpfen Sie für die Zukunft!
Kämpfen Sie für Ihr Anliegen, für unser aller Anliegen! Das ist es doch, was wir verlangen. Sie sollen Zukunftsminister werden. Das werden Sie nicht mehr; das machen dann andere. Zukunftsminister sollten Sie sein. Sie sind statt dessen ein Propagandaminister dieser Bundesregierung geworden.
Sie sind deshalb Propagandaminister, weil Sie sich in der ganzen Welt rühmen: Die Deutschen setzen sich für die Menschenrechte, für Demokratie und für Armutsbekämpfung ein. Sie sagen: Da sind wir Deutsche die Vorreiter. Das sind Ihre Worte. Was sind aber die Tatsachen? Menschenrechte? Wer bekommt denn am meisten Entwicklungsgeld? Das sind China, Indonesien und die Türkei. Das sind die Länder, die die größten Probleme mit den Menschenrechten haben. Wie sieht es mit dem Rechtsstaat aus? Sie sagen: Das ist ein großes Problem, und die Entwicklungsländer sollen endlich einmal ihren Rechtsstaat in Ordnung bringen. Was ist Sache? Sie setzen sich nicht einmal dafür ein, daß wir endlich die internationale Korruption bekämpfen.
Sie auf der rechten Seite des Hauses leisten Beihilfe zur Bestechung, zur Zerrüttung des Rechtsstaates.
Sie leisten Beihilfe, und zwar dadurch, daß Sie es weiterhin zulassen, daß Gelder für Bestechungen von ausländischen Bediensteten und Politikern noch von der Steuer abgezogen werden können.
Das ist ein Riesenskandal. Tun Sie endlich einmal Ihre Pflicht! Sie haben sich in der OECD verpflichtet, endlich Schritte einzuleiten, um das in Ordnung zu bringen. So geht das nicht weiter.
Ich sage Ihnen, Herr Minister, ein Weiteres: Sie sind zum reinen Projektminister geworden. Sie dürfen ein paar Projekte in der Welt machen. Schlecht genug sind sie oft. Sie sollten aber ein Strukturminister sein; denn die Probleme der Dritten Welt lösen Sie nicht nur mit Transfer und deutschen Modellen, sondern hauptsächlich dadurch, daß Sie Einfluß nehmen auf gerechtere, fairere Weltwirtschaftsbeziehungen und auf eine internationale Finanzpolitik, bei der die Zinsen die armen Länder nicht erschlagen.
Das sind letzten Endes Ihre Aufgaben, nicht aber, immer nur mit der Projekttüte durch die Welt zu laufen.
Wo waren Sie denn beim Umweltgipfel, beim Sozialgipfel und bei der Weltbevölkerungskonferenz? Da haben Sie mit Abwesenheit geglänzt und haben Ihre Kollegen die Arbeit machen lassen.
Herr Professor Hauchler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Professor Pinger?
Selbstverständlich, Herr Kollege.
Herr Kollege Hauchler, wie vereinbaren Sie diese massive Polemik mit der Tatsache, daß der Entwicklungsminister Spranger die Akzente in der Entwicklungspolitik neu gesetzt hat, und zwar mit Ihrer Zustimmung auf die Schwerpunkte Armutsbekämpfung, Bildungsförderung und Umweltschutz, und daß er die Kriterien so beschrieben hat: Schutz der Menschenrechte, Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit und marktwirt-
Dr. Winfried Pinger
schaftliche Ordnung? Das sind alles Akzente und Kriterien, die auch Sie für gut halten. Das ist eine beachtliche Neuorientierung der Entwicklungspolitik.
Wir sind uns in der Zielsetzung doch vollkommen einig. Nur, man muß dann tun, was man verspricht. Wenn ich höre, daß in zwei Jahren für Afrika 700 Millionen DM weniger ausgegeben werden und dieses Geld in wohlhabendere Staaten fließt, dann, so muß ich sagen, ist von Armutsbekämpfung nicht viel zu sehen.
Über Menschenrechte und Rechtsstaat habe ich gesprochen. Vielleicht haben Sie da nicht zugehört.
Ich will ein Letztes sagen. Eine weitere Tendenz, die sich auf der Regierungsseite abzeichnet, ist die Renationalisierung der Entwicklungspolitik. Der Verteidigungsminister schwadronierte hier vor wenigen Minuten darüber: Mit Schritt und Tritt über die ChampsElysées, und in Holland demnächst gemeinsame Korps usw. Wunderbare Sache! Aber wo ist denn „Schritt und Tritt" mit anderen Ländern für Zukunftsaufgaben? Sie ziehen sich aus multilateralen Engagements Zug um Zug zurück! Ein Beispiel ist das LoméAbkommen, der Versuch, beim Lomé-Abkommen zu kürzen, also wieder für die ärmsten Staaten zu kürzen.
Ich denke also, die Bilanz ist mies, ist schlecht. Ich meine, wir müssen unserer deutschen Verantwortung wirklich besser gerecht werden und dürfen nicht nur darüber reden. Also, Herr Minister, seien Sie ein bißchen bescheidener. Kämpfen Sie endlich und mischen Sie sich ein, wo es nötig ist, um dieser Zukunftsverantwortung gerecht zu werden.
Die Redezeit ist fast abgelaufen. Bitte, Herr Laschet.
Herr Kollege Hauchler, Sie haben mit gewaltigen Worten die Bundesregierung beschimpft. Wie können Sie eigentlich das, was Sie jetzt gerade zum EEF hier vorgetragen haben, mit dem Redebeitrag des Kollegen Schnell vor wenigen Minuten in Einklang bringen, der exakt das Gegenteil von dem gesagt hat, was Sie uns hier gerade vortragen?
Da müssen Sie Herrn Kollegen Schnell wirklich mißverstanden haben.
Meine Damen und Herren, meine Zeit ist abgelaufen.
- Meine Zeit hier am Rednerpult ist abgelaufen.
Ich denke, hier ist deutlich geworden, was uns trennt. Ich bin sicher, daß es nötig ist, daß Sie von internationaler Verantwortung nicht nur reden, sondern daß Sie endlich handeln vor allem in der Entwicklungspolitik als einem wichtigen Instrument der Zukunftssicherung. Da bin ich mit Herrn Minister Spranger einig.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, es wäre für uns alle nicht schlecht, wenn wir den letzten Redner, der noch ganze acht Minuten Redezeit hat, in Ruhe anhören könnten, bevor wir zu den Abstimmungen kommen.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Willibald Jacob.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Worten unseres Bundeskanzlers heute morgen bin ich versucht zu sagen: Liebe Schwestern und Brüder!
Nach dieser friedfertigen Debatte hoffe ich, daß ich Sie durch einige neue Ideen noch etwas aufmuntern kann.
Die Debatte zum Haushaltsplan 1995 findet in einer Zeit statt, in der vielen Menschen bewußt wird, daß wir in globalen Zusammenhängen leben. Wir debattieren nach dem Weltsozialgipfel und während der Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen. Aber wir debattieren national, im großen und ganzen provinziell, eingeengt durch die eigenen Interessen. Wie ich gehört habe, sind die einzige Ausnahme die Soldaten, denn Sie bauen eine ökonomische Armee auf, die global operiert, parallel zu dem, was die Wirtschaft tut. Aber genau da beginnen die Probleme.
Herr Minister Blüm hat in Kopenhagen zwar von der „moralischen Weltmacht Menschlichkeit" gesprochen, von der wir, Europa und die Bundesrepublik, ein Teil seien. In Wahrheit aber zeigen wir ein unmoralisches Gesicht, dargestellt im Zahlenwerk eines Finanzplanes.
Der Einzelplan 23 - Entwicklungszusammenarbeit -, um den es hier geht, verdeckt und ignoriert die wahren Verhältnisse, die heute zwischen den Entwicklungsländern und der Bundesrepublik bestehen. Die demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten lehnen daher diesen Planteil ab.
Was hier verdeckt wird, ist die Tatsache, daß wir von den anderen leben. Das Instrument für diesen Kräfteentzug ist das gegenwärtige Kreditsystem und die entsprechenden finanziellen Planungen wie dieser Haushaltsplan.
Schon das Kreditsystem ist fragwürdig. Seine Handhabung aber ist kriminell. Mehr und mehr Menschen begreifen das. In Ostdeutschland können wir heute ein Lied davon singen: zuerst teilen und helfen, dann teilen und zahlen, und zwar mit Zins und Zinseszins. Am Ende ist nicht Solidarität das Ferment, das Menschen zusammenhält, sondern die ein-
Dr. Willibald Jacob
seitige Verpflichtung zur Rückzahlung und der angebliche Undank derer, die nicht für immer in ökonomischer Abhängigkeit leben wollen. Das ist ein Lied aus der christlichen Kolonialgeschichte. Ich sage das vor dem Hintergrund vieler kirchlicher Erklärungen, der Alternativen Deklaration von Kopenhagen, die ich für meine ostdeutsche Nichtregierungsorganisation unterschrieben habe.
Vor allem aber sage ich es vor dem Hintergrund einer jahrelangen und noch andauernden Mitarbeit bei der Dorfentwicklung in Indien. Heute diskutieren die Menschen bis in die letzten Dörfer des indischen Subkontinents die Folgen des sogenannten Schuldendienstes. Jeder Inder ist mit staatlichen Auslandsschulden in Höhe von 1 000 Rupien belastet. Die Menschen sind keinesfalls einverstanden, wenn westliche Kreditgeber sagen: Laßt uns die Schulden eintreiben, laßt sie uns umwandeln in Wertpapiere und damit spekulieren, laßt uns Grund und Boden, Immobilien in diesen Schuldnerländern erwerben.
Sie haben die Erfahrungen mit dem jahrhundertealten Zamindarsystem hinter sich, das für sie immer mit dem Verlust von Land und Unabhängigkeit endete. Der Grundbesitzer war zugleich Steuereinnehmer und ausbeutender Gläubiger, Repräsentant einer ökonomischen Totalität. Ganz ähnlich wirkt das heutige Finanz- und Kreditsystem, so daß sich mancher fragt: Kommt da nun ein Weltzamindarsystem, eine Art totalitärer Ökonomie?
Wir sollten deshalb in unserer Haushaltsdebatte das mithören, was einsichtige Ökonomen und Theologen, wie z. B. Ulrich Duchrow aus Heidelberg, heute wissen: Die Marktwirtschaft ist die Planwirtschaft der Reichen. Die planende Vernunft der Reichen steht auch in dem uns vorliegenden Haushaltsentwurf, gerade im Planteil 23. Denn er plant nicht den Schuldenerlaß, weder für die 30 ärmsten Länder noch für die anderen Entwicklungsländer. Er rechnet vielmehr damit, daß unsere eigene Entwicklung wie bisher von den Ärmsten mitfinanziert wird. Den 50 Millionen DM gegen die Kinderarbeit, die der Bundeskanzler versprochen hat, stehen Einnahmen des Nordwestens aus Schulden der Entwicklungsländer in Höhe von 163 Milliarden Dollar jährlich gegenüber.
Der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Konrad Raiser, hat in Kopenhagen vor einer weiteren Privatisierung von ökonomischen und sozialen Verantwortlichkeiten gewarnt. Die Regierungen, die versagt haben, treiben gleichzeitig den Prozeß der Privatisierung voran, um sich aus der Verantwortung zu stehlen.
Herr Kollege, darf ich Sie einen Moment unterbrechen? - Bis zur Abstimmung, meine Damen und Herren, sind es wirklich nur noch wenige Minuten. Ich bitte Sie doch herzlich um Aufmerksamkeit für den letzten Redner.
Dem sind eigentlich nur die Anträge der demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten hinzuzufügen, die ich hier ausdrücklich aufnehme: Wir lehnen die Umwandlung der Schulden der Entwicklungsländer in private Besitztümer ab. Gleichzeitig sind wir gegen die Einnahmen aus Umschuldungen, aus Tilgungen von Darlehen, aus Darlehenszinsen und -zinseszinsen, die allesamt von Entwicklungsländern zu erbringen wären. Diese Einnahmen sind unvernünftig und unchristlich. Sie zeigen, warum Sozialkriege, Hungeraufstände, Revolten wegen sozialer Demütigung ausbrechen. Sie zeigen unsere direkte Mitverantwortung für Ausbeutung, Krieg und Hunger. Sie zeigen unsere eigene Schuldverstrickung, nicht nur die Schulden der anderen.
Es wäre in diesem Zusammenhang gut, einmal wenigstens leise zu sagen: „Wir haben versagt" und nicht nur selbstsichere und selbstgerechte Reden zu halten, wie das die Herren Minister Waigel und Rexrodt stereotyp tun.
Es wäre einfach wohltuend, einmal Worte zu hören, wie: Wir verdienen und wir versagen. Wir verdienen am Waffenhandel und versagen. Wir verdienen an den Schulden der Ärmsten und versagen. Wir verdienen an den ungerechten Handelsbedingungen und versagen.
Wenn wir das einmal so sagen könnten, dann sähe der Haushaltsplan anders aus, wenigstens im Planteil 23; dann würden wir die Hilfe für die AKP-Staaten nicht kürzen. Dann würden wir den ärmsten Ländern die Schulden erlassen; dann würden wir aufhören, andere auszubeuten; dann würden wir tun, was wir versprochen haben.
Die Europäische Ökumenische Versammlung in Basel 1989 hat gesagt:
Wir haben versagt, weil wir nicht entschieden genug die politischen und wirtschaftlichen Systeme kritisiert haben, die Macht und Reichtum mißbrauchen, die die natürlichen Ressourcen der Welt nur zum eigenen Nutzen ausbeuten und Armut und Marginalisierung fortbestehen lassen.
Da wir nun selbst Teil dieses Systems sind, das wir kritisieren sollten, käme es auf Selbstkritik an. Aber genau das, meine Damen und Herren von der Regierungsseite, fehlt an Ihrem Reden und an Ihrem Tun. Es fehlt diese Selbstkritik.
Danke.
Herr Kollege Jacob, das ist der Unterschied beispielsweise zwischen der PDS und der F.D.P. Die F.D.P. pflegt den Kollegen anläßlich ihrer Jungfernreden einen Blumenstrauß zu überreichen. Die PDS hat den Präsidenten gebeten, Ihnen eine oder zwei Minuten zuzugeben.
Vizepräsident Hans Klein
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst über den Einzelplan 04, Bundeskanzler und Bundeskanzleramt.
Dazu liegt ein Änderungsantrag der Gruppe PDS auf Drucksache 13/989 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Änderungsantrag ist, wenn ich es richtig gesehen habe, bei einer Stimmenthaltung aus den Reihen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der PDS und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von den Koalitionsfraktionen und der SPD abgelehnt worden.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 04 in der Ausschußfassung. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. - Ich eröffne die Abstimmung. -
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, bitte ich, wieder Platz zu nehmen. Das Ergebnis dieser Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.*)
Wir kommen jetzt gleich zur nächsten namentlichen Abstimmung.
Wir fahren mit dem Einzelplan 05 fort und stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/973 ab. Die Fraktion der SPD verlangt namentliche Abstimmung. Ich eröffne die Abstimmung. -
Sind noch Kollegen im Raum, die ihre Stimme nicht abgegeben haben? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Auch dieses Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben. *)
Dann können wir über die restlichen Anträge zum Einzelplan 05 abstimmen.
- Ich bitte, Platz zu nehmen, damit wir weiter abstimmen können.
Wir stimmen jetzt über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/876 - Humanitäre Hilfsmaßnahmen im Ausland - ab. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der Gruppe PDS auf Drucksache 13/990. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Gruppe PDS auf Drucksache 13/991. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
* ) Seite 2433 C, 2436 C
Wir stimmen über den Änderungsantrag der Gruppe PDS auf Drucksache 13/993 ab. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich gebe jetzt zunächst das von den Schriftführern und Schriftführerinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995 - Haushaltsgesetz 1995 -, hier Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes, Drucksachen 13/504 und 13/527, bekannt. Abgegebene Stimmen: 655. Mit Ja haben gestimmt: 339, mit Nein haben gestimmt: 316. Enthaltungen: keine. Der Einzelplan 04 ist angenommen.
Endgültiges Ergebnis Werner Dörflinger
Hansjürgen Doss
Abgegebene Stimmen: 653; Dr. Alfred Dregger
davon: Maria Eichhorn
Wolfgang Engelmann
ja: 337 Rainer Eppelmann
nein: 316 Heinz Dieter Eßmann
Horst Eylmann
Anke Eymer
Ja Ilse Falk
Dr. Kurt Faltlhauser
Jochen Feilcke
CDU/CSU Dr. Karl H. Fell
Ulf Fink
Ulrich Adam Dirk Fischer
Peter Altmaier Leni Fischer
Anneliese Augustin Klaus Francke
Jürgen Augustinowitz Herbert Frankenhauser
Dietrich Austermann Dr. Gerhard Friedrich
Heinz-Günter Bargfrede Erich G. Fritz
Franz Peter Basten Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Wolf Bauer Michaela Geiger
Norbert Geis
Brigitte Baumeister Dr. Heiner Geißler
Neinrad Belle Michael Glos
Dr. Sabine Bergmann-Pohl Wilma Glücklich
Hans Dirk Bierling Dr. Reinhard Göhner
Dr. Joseph-Theodor Blank Peter Götz
Renate Blank Dr. Wolfgang Götzer
Dr. Heribert Blens Joachim Gres
Peter Bleser Kurt-Dieter Grill
Dr. Norbert Blüm Wolfgang Gröbl
Friedrich Bohl Hermann Gröhe
Dr. Maria Böhmer Claus-Peter Grotz
Jochen Borchert Manfred Grund
Wolfgang Börnsen Horst Günther (Duisburg)
Wolfgang Bosbach Carl-Detlev Freiherr von
Dr. Wolfgang Bötsch Hammerstein
Klaus Brähmig Gottfried Haschke
Rudolf Braun (Großhennersdorf)
Paul Breuer Gerda Hasselfeldt
Monika Brudlewsky Rainer Haungs
Georg Brunnhuber Otto Hauser
Klaus Bühler Hansgeorg Hauser
Dankward Buwitt
Manfred Carstens Klaus-Jürgen Hedrich
Peter H. Carstensen Manfred Heise
Dr. Renate Hellwig
Wolfgang Dehnel Ernst Hinsken
Hubert Deittert Peter Hintze
Gertrud Dempwolf Josef Hollerith
Albert Deß Dr. Karl-Heinz Hornhues
Renate Diemers Siegfried Hornung
Wilhelm Dietzel Heinz-Adolf Hörsken
Vizepräsident Hans Klein
Joachim Hörster Hans Michelbach Michael von Schmude Horst Friedrich
Hubert Hüppe Meinolf Michels Birgit Schnieber-Jastram Rainer Funke
Peter Jacoby Elmar Müller Dr. Andreas Schockenhoff Hans-Dietrich Genscher
Susanne Jaffke Dr. Gerd Müller Dr. Rupert Scholz Dr. Wolfgang Gerhardt
Georg Janovsky Engelbert Nelle Reinhard Freiherr Joachim Günther
Helmut Jawurek Bernd Neumann von Schorlemer Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Dionys Jobst Johannes Nitsch Dr. Erika Schuchardt Dr. Helmut Haussmann
Dr.-Ing. Rainer Jork Claudia Nolte Wolfgang Schulhoff Ulrich Heinrich
Michael Jung Dr. Rolf Olderog Dr. Dieter Schulte Walter Hirche
Ulrich Junghanns Friedhelm Ost Dr. Burkhard Hirsch
Dr. Egon Jüttner Eduard Oswald Gerhard Schulz Birgit Homburger
Dr. Harald Kahl Norbert Otto Frederik Schulze Dr. Werner Hoyer
Bartholomäus Kalb Dr. Gerhard Päselt Diethard Schütze Ulrich Irmer
Steffen Kampeter Dr. Peter Paziorek Clemens Schwalbe Dr. Klaus Kinkel
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Hans-Wilhelm Pesch Dr. Christian Schwarz- Detlef Kleinert
Manfred Kanther Ulrich Petzold Schilling Roland Kohn
Irmgard Karwatzki Anton Pfeifer Wilhelm-Josef Sebastian Dr. Heinrich L. Kolb
Volker Kauder Angelika Pfeiffer Horst Seehofer Jürgen Koppelin
Peter Keller Dr. Gero Pfennig Wilfried Seibel Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann
Eckart von Klaeden Dr. Friedbert Pflüger Heinz-Georg Seiffert Dr. Otto Graf Lambsdorff
Dr. Bernd Klaußner Beatrix Philipp Rudolf Seiters Heinz Lanfermann
Hans Klein Dr. Winfried Pinger Johannes Selle Sabine Leutheusser-
Ulrich Klinkert Ronald Pofalla Bernd Siebert Schnarrenberger
Dr. Helmut Kohl Dr. Hermann Pohler Jürgen Sikora Uwe Lühr
Hans-Ulrich Köhler Ruprecht Polenz Johannes Singhammer Jürgen W. Möllemann
Marlies Pretzlaff Bärbel Sothmann Günther Friedrich Nolting
Manfred Kolbe Dr. Albert Probst Margarete Späte Dr. Rainer Ortleb
Norbert Königshofen Dr. Bernd Protzner Carl-Dieter Spranger Lisa Peters
Eva-Maria Kors Dieter Pützhofen Wolfgang Steiger Dr. Günter Rexrodt
Hartmut Koschyk Thomas Rachel Erika Steinbach Dr. Klaus Röhl
Manfred Koslowski Hans Raidel Dr. Wolfgang Freiherr Helmut Schäfer
Thomas Kossendey Dr. Peter Ramsauer von Stetten Cornelia Schmalz-Jacobsen
Rudolf Kraus Rolf Rau Dr. Gerhard Stoltenberg Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Wolfgang Krause Helmut Rauber Andreas Storm Dr. Irmgard Schwaetzer
Andreas Krautscheid Peter Harald Rauen Max Straubinger Dr. Hermann Otto Solms
Arnulf Kriedner Otto Regenspurger Michael Stübgen Dr. Max Stadler
Heinz-Jürgen Kronberg Christa Reichard Egon Susset Carl-Ludwig Thiele
Dr.-Ing. Paul Krüger Klaus Dieter Reichardt Dr. Susanne Tiemann Dr. Dieter Thomae
Reiner Krziskewitz Dr. Klaus Töpfer Jürgen Türk
Dr. Hermann Kues Dr. Bertold Reinartz Gottfried Tröger Dr. Wolfgang Weng
Werner Kuhn Erika Reinhardt Dr. Klaus-Dieter Uelhoff
Dr. Karl A. Lamers Hans-Peter Repnik Gunnar Uldall
Roland Richter Wolfgang Vogt (Duren)
Karl Lamers Roland Richwien Dr. Horst Waffenschmidt Nein
Dr. Norbert Lammert Dr. Norbert Rieder Dr. Theodor Waigel
Helmut Lamp Dr. Erich Riedl Alois Graf von Waldburg-Zeil
Armin Laschet Klaus Riegert Dr. Jürgen Warnke SPD
Herbert Lattmann Dr. Heinz Riesenhuber Kersten Wetzel
Dr. Paul Laufs Hannelore Rönsch Hans-Otto Wilhelm Gerd Andres
Karl-Josef Laumann Gert Willner Robert Antretter
Werner Lensing Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Bernd Wilz Hermann Bachmaier
Peter Letzgus Dr. Klaus Rose Willy Wimmer Ernst Bahr
Editha Limbach Kurt J. Rossmanith Matthias Wissmann Doris Barnett
Walter Link Adolf Roth (Gießen) Simon Wittmann Klaus Barthel
Eduard Lintner Norbert Röttgen Ingrid Becker-Inglau
Dr. Klaus W. Lippold Dr. Christian Ruck Dagmar Wöhrl Wolfgang Behrendt
Volker Rühe Michael Wonneberger Hans Berger
Dr. Manfred Lischewski Dr. Jürgen Rüttgers Elke Wülfing Hans-Werner Bertl
Wolfgang Lohmann Roland Sauer Peter Kurt Würzbach Friedhelm Julius Beucher
Ortrun Schätzle Cornelia Yzer Rudolf Bindig
Julius Louven Dr. Wolfgang Schäuble Wolfgang Zeitlmann Lilo Blunck
Sigrun Löwisch Hartmut Schauerte Benno Zierer Dr. Ulrich Böhme
Heinrich Lummer Heinz Schemken Wolfgang Zöller Arne Börnsen
Dr. Michael Luther Karl-Heinz Scherhag Anni Brandt-Elsweier
Erich Maaß Gerhard Scheu Tilo Braune
Dr. Dietrich Mahlo Norbert Schindler F.D.P. Dr. Eberhard Brecht
Claire Marienfeld Dietmar Schlee Edelgard Bulmahn
Erwin Marschewski Ulrich Schmalz Ina Albowitz Ursula Burchardt
Günter Marten Bernd Schmidbauer Dr. Gisela Babel Hans Martin Bury
Dr. Martin Mayer Christian Schmidt Hildebrecht Braun Marion Caspers-Merk
Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Augsburg) Wolf-Michael Catenhusen
Rudolf Meinl Günther Bredehorn Peter Conradi
Dr. Michael Meister Andreas Schmidt Jörg van Essen Dr. Herta Däubler-Gmelin
Dr. Angela Merkel Hans-Otto Schmiedeberg Dr. Olaf Feldmann Christel Deichmann
Friedrich Merz Hans Peter Schmitz Gisela Frick Karl Diller
Rudolf Meyer (Baesweiler) Paul K. Friedhoff Dr. Marliese Dobberthien
Vizepräsident Hans Klein
Peter Dreßen Brigitte Lange Dr. Mathias Schubert Angelika Beer
Freimut Duve Detlev von Larcher Richard Schuhmann Matthias Berninger
Ludwig Eich Waltraud Lehn Annelie Buntenbach
Peter Enders Robert Leidinger Brigitte Schulte Amke Dietert-Scheuer
Gernot Erler Klaus Lennartz Reinhard Schultz Franziska Eichstädt-Bohlig
Petra Ernstberger Dr. Elke Leonhard Dr. Uschi Eid
Annette Faße Klaus Lohmann Volkmar Schultz (Köln) Andrea Fischer (Berlin)
Elke Ferner Christa Lörcher Ilse Schumann Joseph Fischer
Lothar Fischer Erika Lotz Dr. R. Werner Schuster Rita Grießhaber
Gabriele Fograscher Dr. Christine Lucyga Dietmar Schütz Gerald Häfner
Iris Follak Dieter Maaß Dr. Angelica Schwall-Düren Antje Hermenau
Norbert Formanski Winfried Mante Ernst Schwanhold Kristin Heyne
Dagmar Freitag Dorle Marx Rolf Schwanitz Ulrike Höfken-Deipenbrock
Anke Fuchs Ulrike Mascher Bodo Seidenthal Michaele Hustedt
Katrin Fuchs Christoph Matschie Lisa Seuster Dr. Manuel Kiper
Arne Fuhrmann Ingrid Matthäus-Maier Horst Sielaff Monika Knoche
Monika Ganseforth Heide Mattischeck Erika Simm Dr. Angelika Köster-Loßack
Norbert Gansel Markus Meckel Johannes Singer Steffi Lemke
Konrad Gilges Iris Gleicke Ulrike Mehl Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Vera Lengsfeld
Günter Gloser Angelika Mertens Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Wieland Sorge Dr. Helmut Lippelt
Dr. Jürgen Meyer
Dr. Peter Glotz Ursula Mogg Wolfgang Spanier Oswald Metzger
Günter Graf Siegmar Mosdorf Dr. Dietrich Sperling Kerstin Müller (Köln)
Angelika Graf Michael Müller (Düsseldorf) Jörg-Otto Spiller Winfried Nachtwei
Dieter Grasedieck Jutta Müller Antje-Marie Steen Gem Özdemir
Achim Großmann Christian Müller Ludwig Stiegler Gerd Poppe
Hans-Joachim Hacker Kurt Neumann Dr. Peter Struck Simone Probst
Klaus Hagemann Volker Neumann Joachim Tappe Dr. Jürgen Rochlitz
Manfred Hampel Gerhard Neumann Jörg Tauss Halo Saibold
Christel Hanewinckel Dr. Edith Niehuis Dr. Bodo Teichmann Irmingard Schewe-Gerigk
Alfred Hartenbach Dr. Rolf Niese Margitta Terborg Rezzo Schlauch
Klaus Hasenfratz Doris Odendahl Jella Teuchner Wolfgang Schmitt
Dr. Ingomar Hauchler Günter Oesinghaus Dr. Gerald Thalheim
Dieter Heistermann Leyla Onur Wolfgang Thierse Ursula Schönberger
Reinhold Hemker Manfred Opel Dietmar Thieser Waltraud Schoppe
Rolf Hempelmann Adolf Ostertag Franz Thönnes Werner Schulz
Dr. Barbara Hendricks Kurt Palis Uta Titze-Stecher Rainder Steenblock
Monika Heubaum Albrecht Papenroth Adelheid Tröscher Marina Steindor
Uwe Hiksch Dr. Willfried Penner Hans-Eberhard Urbaniak Christian Sterzing
Reinhold Hiller Dr. Martin Pfaff Günter Verheugen Manfred Such
Stephan Hilsberg Georg Pfannenstein Ute Vogt Dr. Antje Vollmer
Gerd Höfer Dr. Eckhart Pick Karsten D. Voigt Ludger Volmer
Jelena Hoffmann Joachim Poß Josef Vosen Helmut Wilhelm (Amberg)
Frank Hofmann Rudolf Purps Hans Georg Wagner Margareta Wolf-Mayer
Ingrid Holzhüter Hermann Rappe Hans Wallow
Eike Maria Anna Hovermann Dr. Konstanze Wegner
Lothar Ibrügger Karin Rehbock-Zureich Wolfgang Weiermann PDS
Wolfgang Ilte Margot von Renesse Reinhard Weis
Barbara Imhof Renate Rennebach Matthias Weisheit Wolfgang Bierstedt
Brunhilde Irber Otto Reschke Gert Weisskirchen Petra Bläss
Gabriele Iwersen Bernd Reuter Gunter Weißgerber Maritta Böttcher
Renate Jäger Dr. Edelbert Richter Jochen Welt Eva Bulling-Schröter
Jann-Peter Janssen Günter Rixe Hildegard Wester Heinrich Graf von Einsiedel
Ilse Janz Reinhold Robbe Lydia Westrich Dr. Ludwig Elm
Dr. Uwe Jens Gerhard Rübenkönig Inge Wettig-Danielmeier Dr. Dagmar Enkelmann
Volker Jung Dr. Hansjörg Schäfer Helmut Wieczorek (Duisburg) Dr. Ruth Fuchs
Sabine Kaspereit Gudrun Schaich-Walch Dr. Norbert Wieczorek Dr. Gregor Gysi
Susanne Kastner Dieter Schanz Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Uwe Jens Heuer
Ernst Kastning Rudolf Scharping Dieter Wiefelspütz
Hans-Peter Kemper Bernd Scheelen Berthold Wittich Dr. Barbara Höll
Klaus Kirschner Dr. Hermann Scheer Dr. Wolfgang Wodarg Dr. Willibald Jacob
Marianne Klappert Siegfried Scheffler Verena Wohlleben Ulla Jelpke
Siegrun Klemmer Horst Schild Hanna Wolf Gerhard Jüttemann
Hans-Ulrich Klose Otto Schily Heide Wright Dr. Heidi Knake-Werner
Dr. Hans-Hinrich Knaape Dieter Schloten Uta Zapf Rolf Köhne
Walter Kolbow Günter Schluckebier Dr. Christoph Zöpel Rolf Kutzmutz
Fritz Rudolf Körper Horst Schmidbauer Peter Zumkley Andrea Lederer
Nicolette Kressl Dr. Christa Luft
Volker Kröning Ursula Schmidt Heidemarie Lüth
Thomas Krüger Dagmar Schmidt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Günther Maleuda
Horst Kubatschka Wilhelm Schmidt Manfred Müller (Berlin)
Eckart Kuhlwein Regina Schmidt-Zadel Elisabeth Altmann Rosel Neuhäuser
Konrad Kunick Heinz Schmitt (Pommelsbrunn) Christina Schenk
Christine Kurzhals Dr. Emil Schnell Gila Altmann Klaus-Jürgen Warnick
Dr. Uwe Küster Walter Schöler Marieluise Beck Dr. Winfried Wolf
Werner Labsch Gisela Schröter Volker Beck Gerhard Zwerenz
Vizepräsident Hans Klein
Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen über den Einzelplan 14, Bundesministerium der Verteidigung. Dazu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der SPD und je ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS vor.
Zuerst stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/998 ab. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/999. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/881? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der PDS auf Drucksache 13/994? - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer stimmt für den Einzelplan 14 in der Ausschußfassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Einzelplan 14 ist angenommen.
Wir kommen zum Einzelplan 23, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Dazu liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD, ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und drei Änderungsanträge der Gruppe der PDS vor.
Wer stimmt für den Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 13/974? - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 13/ 884 ab. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu den Änderungsanträgen der Gruppe der PDS.
Drucksache 13/995. Wer stimmt dafür? - Dagegen?
- Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Drucksache 13/996. Dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Drucksache 13/997. Dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wer stimmt für den Einzelplan 23 in der Ausschußfassung? -
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 23 ist angenommen.
Inzwischen liegt das Protokoll über das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1995 vor, Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf Drucksache 13/973 . Abgegebene Stimmen: 659; mit Ja haben gestimmt: 322; mit Nein haben gestimmt: 337; Enthaltungen: keine. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis Konrad Gilges
Iris Gleicke
Abgegebene Stimmen: 656; Günter Gloser
davon: Dr. Peter Glotz
Günter Graf
ja: 320 Angelika Graf
nein: 336 Dieter Grasedieck
Achim Großmann
Karl-Hermann Haack
Ja
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
SPD Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Gerd Andres Alfred Hartenbach
Robert Antretter Klaus Hasenfratz
Hermann Bachmaier Dr. Ingomar Hauchler
Ernst Bahr Dieter Heistermann
Doris Barnett Reinhold Hemker
Klaus Barthel Rolf Hempelmann
Ingrid Becker-Inglau Dr. Barbara Hendricks
Wolfgang Behrendt Monika Heubaum
Hans Berger Uwe Hiksch
Hans-Werner Bertl Reinhold Hiller
Friedhelm Julius Beucher Stephan Hilsberg
Rudolf Bindig Gerd Höfer
Lilo Blunck Jelena Hoffmann
Dr. Ulrich Böhme Frank Hofmann (Volkach)
Arne Börnsen Ingrid Holzhüter
Anni Brandt-Elsweier Erwin Horn
Tilo Braune Eike Maria Anna Hovermann
Dr. Eberhard Brecht Lothar Ibrügger
Edelgard Bulmahn Wolfgang Ilte
Ursula Burchardt Barbara Imhof
Hans Martin Bury Brunhilde Irber
Marion Caspers-Merk Gabriele Iwersen
Wolf-Michael Catenhusen Renate Jäger
Peter Conradi Jann-Peter Janssen
Dr. Herta Däubler-Gmelin Ilse Janz
Christel Deichmann Dr. Uwe Jens
Karl Diller Volker Jung
Dr. Marliese Dobberthien Sabine Kaspereit
Peter Dreßen Susanne Kastner
Rudolf Dreßler Ernst Kastning
Freimut Duve Hans-Peter Kemper
Ludwig Eich Klaus Kirschner
Peter Enders Marianne Klappert
Gernot Erler Siegrun Klemmer
Petra Ernstberger Hans-Ulrich Klose
Annette Faße Dr. Hans-Hinrich Knaape
Elke Ferner Walter Kolbow
Lothar Fischer Fritz Rudolf Körper
Gabriele Fograscher Nicolette Kressl
Iris Follak Volker Kröning
Norbert Formanski Thomas Krüger
Dagmar Freitag Horst Kubatschka
Anke Fuchs Eckart Kuhlwein
Katrin Fuchs Konrad Kunick
Arne Fuhrmann Christine Kurzhals
Monika Ganseforth Dr. Uwe Küster
Norbert Gansel Werner Labsch
Vizepräsident Hans Klein
Brigitte Lange Gisela Schröter Volker Beck Nein
Detlev von Larcher Dr. Mathias Schubert Angelika Beer
Waltraud Lehn Richard Schuhmann Matthias Berninger
Robert Leidinger Annelie Buntenbach CDU/CSU
Klaus Lennartz Brigitte Schulte Amke Dietert-Scheuer
Dr. Elke Leonhard Reinhard Schultz Franziska Eichstädt-Bohlig Ulrich Adam
Klaus Lohmann (Everswinkel) Dr. Uschi Eid Peter Altmaier
Christa Lörcher Volkmar Schultz Andrea Fischer (Berlin) Anneliese Augustin
Erika Lotz Ilse Schumann Joseph Fischer Jürgen Augustinowitz
Dr. Christine Lucyga Dr. R. Werner Schuster Rita Grießhaber Dietrich Austermann
Dieter Maaß Dietmar Schütz (Oldenburg) Gerald Häfner Heinz-Günter Bargfrede
Winfried Mante Dr. Angelica Schwall-Düren Antje Hermenau Franz Peter Basten
Dorle Marx Ernst Schwanhold Kristin Heyne Dr. Wolf Bauer
Ulrike Mascher Rolf Schwanitz Ulrike Höfken-Deipenbrock Brigitte Baumeister
Christoph Matschie Bodo Seidenthal Michaele Hustedt Meinrad Belle
Ingrid Matthäus-Maier Lisa Seuster Dr. Manuel Kiper Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Heide Mattischeck Horst Sielaff Monika Knoche Hans-Dirk Bierling
Markus Meckel Erika Simm Dr. Angelika Köster-Loßack Dr. Joseph-Theodor Blank
Ulrike Mehl Johannes Singer Steffi Lemke Renate Blank
Angelika Mertens Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Vera Lengsfeld Dr. Heribert Blens
Dr. Jürgen Meyer Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast Dr. Helmut Lippelt Peter Bleser
Ursula Mogg Wieland Sorge Oswald Metzger Dr. Norbert Blüm
Siegmar Mosdorf Wolfgang Spanier Kerstin Müller Friedrich Bohl
Michael Müller Dr. Dietrich Sperling Winfried Nachtwei Dr. Maria Böhmer
Jutta Müller Jörg-Otto Spiller Cern Özdemir Jochen Borchert
Christian Müller Antje-Marie Steen Gerd Poppe Wolfgang Börnsen (Bönstrup;
Kurt Neumann Ludwig Stiegler Simone Probst Wolfgang Bosbach
Volker Neumann Dr. Peter Struck Dr. Jürgen Rochlitz Dr. Wolfgang Bötsch
Gerhard Neumann Joachim Tappe Halo Saibold Klaus Brähmig
Dr. Edith Niehuis Jörg Tauss Irmingard Schewe-Gerigk Rudolf Braun
Dr. Rolf Niese Dr. Bodo Teichmann Rezzo Schlauch Paul Breuer
Doris Odendahl Margitta Terborg Wolfgang Schmitt Monika Brudlewsky
Günter Oesinghaus Jella Teuchner Georg Brunnhuber
Leyla Onur Dr. Gerald Thalheim Ursula Schönberger Klaus Bühler
Manfred Opel Wolfgang Thierse Waltraud Schoppe Dankward Buwitt
Adolf Ostertag Dietmar Thieser Werner Schulz Manfred Carstens (Emstek)
Kurt Palis Franz Thönnes Rainder Steenblock Peter H. Carstensen
Albrecht Papenroth Uta Titze-Stecher Marina Steindor
Dr. Wilfried Penner Adelheid Tröscher Christian Sterzing Wolfgang Dehnel
Dr. Martin Pfaff Hans-Eberhard Urbaniak Manfred Such Hubert Deittert
Georg Pfannenstein Dr. Eckhart Pick Günter Verheugen Ute Vogt Dr. Antje Vollmer Gertrud Dempwolf Albert Deß
Joachim Poß Karsten D. Voigt Ludger Volmer Renate Diemers
Rudolf Purps Josef Vosen Helmut Wilhelm Wilhelm Dietzel
Hermann Rappe Hans Georg Wagner Margareta Wolf Mayer Werner Dörflinger
Hans Wallow Hansjörgen Doss
Karin Rehbock-Zureich Dr. Konstanze Wegner Dr. Alfred Dregger
Margot von Renesse Wolfgang Weiermann PDS Maria Eichhorn
Renate Rennebach Reinhard Weis Wolfgang Engelmann
Otto Reschke Matthias Weisheit Wolfgang Bierstedt Rainer Eppelmann
Bernd Reuter Gert Weisskirchen Petra Blass ss Heinz Dieter Eßmann
Dr. Edelbert Richter Gunter Weißgerber Maritta Böttcher Horst Eylmann
Günter Rixe Jochen Welt Eva Bulling-Schröter Anke Eymer
Reinhold Robbe Hildegard Wester Heinrich Graf von Einsiedel Ilse Falk
Gerhard Rübenkönig Lydia Westrich Dr. Ludwig Elm Dr. Kurt Faltlhauser
Dr. Hansjörg Schäfer Inge Wettig-Danielmeier Dr. Dagmar Enkelmann Jochen Feilcke
Gudrun Schaich-Walch Helmut Wieczorek Dr. Ruth Fuchs Dr. Karl H. Fell
Dieter Schanz Dr. Norbert Wieczorek Dr. Gregor Gysi Ulf Fink
Rudolf Scharping Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Uwe-Jens Heuer Dirk Fischer
Bernd Scheelen Dieter Wiefelspütz Dr. Barbara Höll Leni Fischer
Dr. Hermann Scheer Berthold Wittich Dr. Willibald Jacob Klaus Francke
Siegfried Scheffler Dr. Wolfgang Wodarg Ulla Jelpke Herbert Frankenhauser
Horst Schild Verena Wohlleben Gerhard Jüttemann Dr. Gerhard Friedrich
Otto Schily Hanna Wolf Dr. Heidi Knake-Werner Erich G. Fritz
Dieter Schloten Heide Wright Rolf Köhne Hans-Joachim Fuchtel
Günter Schluckebier Uta Zapf Rolf Kutzmutz Michaela Geiger
Horst Schmidbauer Dr. Christoph Zöpel Andrea Lederer Norbert Geis
Peter Zumkley Dr. Christa Luft Dr. Heiner Geißler
Ursula Schmidt Heidemarie Lüth Michael Glos
Dagmar Schmidt Dr. Günther Maleuda Wilma Glücklich
Wilhelm Schmidt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Manfred Müller (Berlin) Peter Götz
Regina Schmidt-Zadel Rosel Neuhäuser Dr. Wolfgang Götzer
Heinz Schmitt Elisabeth Altmann Christina Schenk Joachim Gres
Dr. Emil Schnell Klaus-Jürgen Warnick Kurt-Dieter Grill
Walter Schöler Gila Altmann Dr. Winfried Wolf Wolfgang Gröbl
Ottmar Schreiner Marieluise Beck Gerhard Zwerenz Hermann Gröhe
Vizepräsident Hans Klein
Claus-Peter Grotz Peter Letzgus Hannelore Rönsch Dr. Jürgen Warnke
Manfred Grund Editha Limbach Kersten Wetzel
Horst Günther Walter Link (Diepholz) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Hans-Otto Wilhelm (Mainz)
Carl-Detlev Freiherr von Eduard Lintner Dr. Klaus Rose Gert Willner
Hammerstein Dr. Klaus W. Lippold Kurt J. Rossmanith Bernd Wilz
Gottfried Haschke Adolf Roth (Gießen) Willy Wimmer (Neuss)
Dr. Manfred Lischewski Norbert Röttgen Matthias Wissmann
Gerda Hasselfeldt Wolfgang Lohmann Dr. Christian Ruck Simon Wittmann
Rainer Haungs Volker Rühe (Tännesberg)
Otto Hauser Julius Louven Dr. Jürgen Rüttgers Dagmar Wöhrl
Hansgeorg Hauser Sigrun Löwisch Roland Sauer Michael Wonneberger
Heinrich Lummer Ortrun Schätzle Elke Wülfing
Klaus-Jürgen Hedrich Dr. Michael Luther Dr. Wolfgang Schäuble Peter Kurt Würzbach
Manfred Heise Erich Maaß Hartmut Schauerte Cornelia Yzer
Dr. Renate Hellwig Dr. Dietrich Mahlo Heinz Schemken Wolfgang Zeitlmann
Ernst Hinsken Claire Marienfeld Karl-Heinz Scherhag Benno Zierer
Peter Hintze Erwin Marschewski Gerhard Scheu Wolfgang Zöller
Josef Hollerith Günter Marten Norbert Schindler
Dr. Karl-Heinz Hornhues Dr. Martin Mayer Dietmar Schlee
Siegfried Hornung Ulrich Schmalz
Heinz-Adolf Hörsken Rudolf Meinl Bernd Schmidbauer F.D.P.
Joachim Hörster Dr. Michael Meister Christian Schmidt
Hubert Hüppe Dr. Angela Merkel Dr.-Ing. Joachim Schmidt Ina Albowitz
Peter Jacoby Friedrich Merz Dr. Gisela Babel
Jaffke Rudolf Meyer Andreas Schmidt (Mülheim) Hildebrecht Braun
Georg Janovsky Hans Michelbach Hans-Otto Schmiedeberg
Hans Peter Schmitz
Helmut Jawurek Meinolf Michels Günther Bredehorn
Dr. Dionys Jobst Elmar Müller (Baesweiler) Jörg an Essen g
Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Gerd Müller Michael von Schmude Dr. Olaf Feldmann
Michael Jung En ebert Nelle g Birgit Schnieber-Jastram Gisela Frick
Ulrich Junghanns Bernd Neumann Dr. Andreas Schockenhoff Paul K. Friedhoff
Dr. Egon Jüttner g Johannes Nitsch Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr Horst Friedrich
Dr. Harald Kahl Claudia Nolte von Schorlemer Rainer Funke
Bartholomäus Kalb Dr. Rolf Olderog Dr. Erika Schuchardt Hans Dietrich Genscher
Steffen Kam eter Friedhelm Ost Wolfgang Schulhoff Dr. Wolfgang Gerhardt
p
Dr.-Ing. Dietmar Kansy Eduard Oswald Dr. Dieter Schulte Joachim Günther
Irmgard Karwatzki Norbert Otto (Schwäbisch Gmünd) Dr. Karlheinz Guttmacher
Volker Kauder Dr. Gerhard Päselt Gerhard Schulz Dr. Helmut Haussmann
Peter Keller Dr. Peter Paziorek Frederik Schulze Ulrich Heinrich
Eckart von Klaeden Hans Wilhelm Pesch Diethard Schütze Walter Hirche
Dr. Bernd Klaußner Ulrich Petzold Clemens Schwalbe Dr. Burkhard Hirsch
Hans Klein Anton Pfeifer Dr. Christian Schwarz- Birgit Homburger
Ulrich Klinkert Angelika Pfeiffer Schilling Dr. Werner Hoyer
Dr. Helmut Kohl Dr. Gero Pfennig Wilhelm-Josef Sebastian Ulrich Irmer
Hans-Ulrich Köhler Dr. Friedbert Pflüger Horst Seehofer Dr. Klaus Kinkel
Beatrix Philipp Wilfried Seibel Detlef Kleinert (Hannover)
Manfred Kolbe Dr. Winfried Pinger Heinz Georg Seiffert Roland Kohn
Norbert Königshofen Ronald Pofalla Rudolf Seiters Dr. Heinrich L. Kolb
Dr. Hermann Pohler
Eva-Maria Kors Ruprecht Polenz Johannes Selle Jürgen Koppelin
Hartmut Koschyk Marlies Pretzlaff Bernd Siebert Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann
Manfred Koslowski Dr. Albert Probst Jürgen Sikora Dr. Otto Graf Lambsdorff
Thomas Kossendey Dr. Bernd Protzner Johannes Singhammer Heinz Lanfermann
Rudolf Kraus Dieter Pützhofen Bärbel Sothmann Sabine Leutheusser-
Wolfgang Krause Thomas Rachel Margarete Späte Schnarrenberger
Andreas Krautscheid Hans Raidel Carl-Dieter Spranger Uwe Lühr
Arnulf Kriedner Dr. Peter Ramsauer Wolfgang Steiger Erika Steinbach Jürgen W. Möllemann
Heinz-Jürgen Kronberg Rolf Rau Dr. Wolfgang Freiherr Günther Friedrich Nolting
Dr.-Ing. Paul Krüger Helmut Rauber von Stetten Dr. Rainer Ortleb
Reiner Krziskewitz Peter Harald Rauen Dr. Gerhard Stoltenberg Lisa Peters
Dr. Hermann Kues Otto Regenspurger Andreas Storm Dr. Günter Rexrodt
Werner Kuhn Christa Reichard Max Straubinger Dr. Klaus Röhl
Dr. Karl A. Lamers Klaus Dieter Reichardt Michael Stübgen Helmut Schäfer
(Mannheim) Egon Susset Cornelia Schmalz-Jacobsen
Karl Lamers Dr. Bertold Reinartz Dr. Susanne Tiemann Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Norbert Lammert Erika Reinhardt Dr. Klaus Töpfer Dr. Irmgard Schwaetzer
Helmut Lamp Hans-Peter Repnik Gottfried Tröger Dr. Hermann Otto Sohns
Armin Laschet Roland Richter Dr. Klaus-Dieter Uelhoff Dr. Max Stadler
Herbert Lattmann Roland Richwien Gunnar Uldall Carl-Ludwig Thiele
Dr. Paul Laufs Dr. Norbert Rieder Wolfgang Vogt Dr. Dieter Thomae
Karl-Josef Laumann Dr. Erich Riedl Dr. Horst Waffenschmidt Jürgen Türk
Werner Lensing Klaus Riegert Dr. Theodor Waigel Dr. Wolfgang Weng
Christian Lenzer Dr. Heinz Riesenhuber Alois Graf von Waldburg-Zeil
Vizepräsident Hans Klein
Jetzt können wir die Abstimmungen zum Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt - fortsetzen.
Die Abstimmungen über die inhaltsgleichen Änderungsanträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS auf den Drucksachen 13/877 und 13/992 haben sich erübrigt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/922, Sperrung der Finanzhilfe zum Bau von Meko-Fregatten.
Dazu liegt eine Wortmeldung für eine Erklärung zur Abstimmung des Kollegen Kuhlwein vor. Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir mit der Streichung dieses Haushaltsansatzes für den Bau von Meko-Fregatten keinen Erfolg gehabt haben, ist es sicherlich besser, die Mittel werden gesperrt. Wir haben dann eine Chance, im Haushaltsausschuß die endgültige Streichung zu bewirken. Deswegen stimmen wir jetzt diesem Antrag auf Sperrung zu.
Aber glauben Sie bloß nicht, daß wir uns im Haushaltsausschuß irgendwann werden bewegen lassen, diese Mittel freizugeben.
Ich wiederhole: Wir stimmen jetzt über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/ 922 ab, zu dem soeben der Kollege Kuhlwein das Stimmverhalten seiner Fraktion angekündigt hat. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Änderungsantrag ist angenommen.
Wer stimmt für den Einzelplan 05 - Auswärtiges Amt - in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 05 ist angenommen.
Ich rufe auf:
Haushaltsgesetz 1995
- Drucksachen 13/528, 13/529, 13/966 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann Michael von Schmude
Dr. Wolfgang Weng Karl Diller
Oswald Metzger
Dazu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. und ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor.
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/906. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Änderungsantrag ist angenommen.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 13/ 907: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Änderungsantrag ist angenommen.
Wir stimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 13/967 ab. Wer stimmt dafür? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer stimmt für das Haushaltsgesetz 1995 einschließlich Gesamtplan in der Ausschußfassung mit den hier beschlossenen Änderungen? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Haushaltsgesetz 1995 ist damit in zweiter Beratung angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.30 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Der Finanzplan des Bundes 1994 bis 1998 - Drucksachen 12/8001, 13/530 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) Oswald Metzger
Karl Diller
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung. Wer stimmt für die Beschlußempfehlung auf Drucksache 13/530? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlußempfehlung ist angenommen.
Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesordnung zu erweitern:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.
Initiative zum Karabach-Konflikt - Drucksache 13/1029 -
Über den Antrag soll jetzt gleich ohne Aussprache abgestimmt werden. Sind Sie mit dieser Erweiterung der Tagesordnung einverstanden?
- Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist es so beschlossen.
Vizepräsident Hans Klein
Wir kommen damit zur Abstimmung über den interfraktionellen Antrag zu einer Initiative zum Karabach-Konflikt auf Drucksache 13/1029. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt VI. a auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses
- zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Francke , Peter Kurt Würzbach, Dr. Friedbert Pflüger und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Karsten D. Voigt (Frankfurt), Uta Zapf, Gernot Erler und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Dr. Olaf Feldmann, Roland Kohn, Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann und der Fraktion der F.D.P.
Unbefristete und unkonditionierte Verlängerung des Nichtverbreitungs-Vertrages
- zu dem Antrag der Abgeordneten Andrea Lederer, Heinrich Graf von Einsiedel, Dr. Willibald Jacob und der weiteren Abgeordneten der PDS
Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Nichtverbreitung von Kernwaffen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Beer, Ludger Volmer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Reform und Stärkung des Nichtweiterverbreitungsvertrages für Atomwaffen und das Mandat der Bundesregierung für die Verlängerungskonferenz in New York
- Drucksachen 13/398, 13/429, 13/537, 13/ 838 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Klaus Francke Gernot Erler
Ludger Volmer
Dr. Olaf Feldmann
Steffen Tippach
Interfraktionell ist für die Aussprache eine Fünfminutenrunde vereinbart worden. - Dagegen erhebt sich offensichtlich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Uta Zapf das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollten alle von uns nach Hause gehen, wie es jetzt ein Großteil der Verbliebenen macht. Da es aber offensichtlich den Bedarf gibt, zu diesem Punkt Stellung zu nehmen, werden, so denke ich, Vertreter aller Fraktionen dazu auch noch in der gebotenen Kürze sprechen.
Die Beschlußempfehlung ist einmütig zustande gekommen und wird überfraktionell getragen. Aber unsere Sorgen, die sich ja auch durch diese Initiative zur Unterstützung der Verlängerung des Nichtverbreitungsvertrages ausgedrückt haben, sind immer noch nicht beseitigt. Bis zum heutigen Tage ist nicht gesichert, daß die Verlängerung des Atomwaffensperrvertrages die erforderliche Minimalmehrheit von 50 % plus 1 bekommt.
Zwar hat es geringfügige Fortschritte in den Verhandlungen einzelner Gruppierung en gegeben. So haben - das ist ein erfreuliches Zeichen - Ägypten und die Arabische Liga ihre Bedingung fallengelassen, erst dann die Verlängerung zu unterschreiben, wenn Israel dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten ist, und sich entschlossen, sich der Position der Unabhängigen Staaten anzuschließen. Aber wir wissen noch nicht genau, wie im Endeffekt die Position der Unabhängigen Staaten sein wird, wenngleich einer der stärksten Verlängerungsgegner aus der Gruppe der Unabhängigen, nämlich Mexiko, mittlerweile positiver gestimmt zu sein scheint.
Meine Damen und Herren, was mich in der Tat betrübt und ein Stück weit entsetzt, ist die Leichtfertigkeit, mit der die USA im Moment den Atomwaffensperrvertrag gefährden, und zwar durch den Konflikt, den sie mit Rußland in bezug auf Iran vom Zaun gebrochen haben. Man kann eine Position zu dem, was im Iran möglicherweise vorgeht, haben, wie man will.
Daß es aber zu einem Streit darüber mit Rußland kommt, der darin gipfelt, daß erstens Herr Kaurov, der Vorsitzende der Informationsabteilung des russischen Atomministeriums, deutlich sagt, daß durch diese diskriminierende Haltung die Gefahr wächst, daß der Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben wird. Ich befürchte, das hat Austrahlung auf einige der Unabhängigen.
Zweitens war heute in der Presse zu lesen - das hat mich tief beunruhigt -, daß die USA einen bilateralen Vertrag mit Rußland kündigen, der sich auf die zivile Nutzung der Kernenergie bezieht und der vor allen Dingen die Bereiche Reaktorsicherheit und Sicherheit von Kernmaterialien umfaßt. Die USA drohen, diesen Vertrag nicht zu verlängern.
Ich denke, das alles dient nicht dazu, eine Atmosphäre zu schaffen, in der diejenigen, die sich noch nicht entschlossen haben, dem Vertrag beizutreten, motiviert werden, ihre Bedenken insbesondere in bezug auf die Frage der Diskriminierung beiseite zu schieben.
Man kann nur wiederholen, daß es ganz wichtig ist, daß es Fortschritte in den begleitenden Verträgen gibt, die wir nicht als Konditionen betrachten wollen, die aber jedoch ein wichtiges Element des Nichtverbreitungsregimes sind. Ich nenne den Teststoppvertrag. Dabei scheint es einige kleine Fortschritte gegeben zu haben, insbesondere den, daß die USA im Verhandlungsmandat die Klausel haben fallen lassen, die einen relativ leichten Rückzug aus diesem Atomteststoppvertrag nach zehn Jahren ermöglicht.
Uta Zapf
Das ist ein positives Zeichen, aber es sind in diesem Bereich trotzdem noch relativ viele Fragen offen. Bei dem Cut-off-Abkommen, das auch ein ganz wichtiger Bestandteil des Nichtverbreitungsregimes ist, bereitet es Sorgen, daß das Mandat noch nicht ausformuliert ist und daß es offensichtlich auch von den USA ein sehr eng begrenztes Mandat geben soll, das sich nur auf Waffenmaterial, das zur Herstellung von Waffen produziert wird, bezieht.
Sie unterstützen nicht den breiteren Ansatz, den wir Sozialdemokraten vertreten, daß alles waffenfähige Material unter das Cut-off-Verfahren fallen soll.
Wir werden auch - das kündige ich noch einmal an - im Bereich der Safeguards noch einmal Fortschritte einfordern. Dort ist seit 1993 nichts passiert. Die Bundesregierung wird noch einmal nachdrücklich aufzufordern sein, sich dort mehr zu bemühen.
Das Kernwaffenregister macht keine Fortschritte. Die Frage des No-first-Use, also des Nichtersteinsatzes, von Atomwaffen, -
Frau Kollegin.
- ich bin sofort fertig, Herr Präsident - das eigentlich von allen Atomwaffen besitzenden Staaten ausgesprochen werden mußte, wird zurückgewiesen. Ich denke, auch das ist ein wichtiger Punkt.
Ein letzter Punkt ist die Frage der Abrüstung.
Frau Kollegin, es gibt keinen letzten Punkt. Sie müssen einen letzten Satz sprechen.
Ich spreche einen letzten Satz. In der Frage der atomaren Abrüstung muß es weitere Fortschritte geben. START II ist zwar jetzt im Ratifizierungsverfahren, aber das kann noch eine Weile dauern. Auch wenn Präsident Clinton angekündigt hat, -
Bitte, Frau Kollegin, machen Sie Schluß.
- daß es weitere Schritte geben wird, will er nicht auf einen Restbestand verzichten. Wir haben uns immer dafür ausgesprochen, alle Atomwaffen abzuschaffen. Ich denke, das wäre das beste Nichtproliferationsregime.
Herzlichen Dank, Herr Präsident.
Es ist eine Fünf-Minuten-Runde und keine Sieben-Minuten-Runde vereinbart worden. Ich bitte doch alle, sich daran zu halten.
Herr Kollege Fischer, mir wird soeben ein Protokollauszug aus der Debatte vorgelegt, in der im Zusammenhang mit der Rede des Kollegen Professor Hauchler, die die Stimmung zugegebenermaßen ziemlich angeheizt hat - -
- Halten Sie sich zurück, Herr Parlamentarischer Geschäftsführer! Auch derartige Zwischenrufe als Kritik am Präsidenten sind unzulässig. Ich will gerade verhindern, einen Ordnungsruf zu erteilen. Da müssen Sie mir nicht so belehrend „Na, na! " zurufen.
Die Atmosphäre war aufgeheizt. Kollege Hauchler hat mit einer ziemlich scharfen Art und Weise dazu beigetragen, daß sich die Stimmung so entwickelt hat. In dieser Stimmung hat Kollege Fischer einen Zwischenruf gemacht, der normalerweise rügenswert wäre. Ich halte sehr wenig von Ordnungsrufen, aber ich halte sehr viel davon, Herr Kollege Fischer, dem betreffenden Kollegen die Gelegenheit zu bieten, das in irgendeiner vernünftigen Weise in Ordnung zu bringen. Darf ich Sie darum bitten?
Herr Präsident! Ich möchte mich ausdrücklich dafür bedanken.
Wie immer sollte man in einer solchen Situation keine zugespitzten ironischen Zwischenrufe machen. Selbstverständlich ist Theo Waigel kein „Bestechungsminister". Ich habe das, wenn es ernst gemeint wäre, in aller Form zurückzunehmen. Daß hierzulande Bestechnngsgelder von der Steuer abgesetzt werden können, ist in der Tat zu rügen. Ansonsten nehme ich das selbstverständlich zurück.
Vielen Dank. Ich finde, wir bekommen, Herr Kollege Catenhusen, solche Dinge auf diese Weise leichter ausgeräumt.
Als nächstem erteile ich dem Kollegen Klaus Francke das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen eine Verlängerung des Nichtverbreitungsvertrages. Ich kann überhaupt nicht verstehen, Frau Kollegin Zapf, was Sie vorgetragen haben. Tatsache ist, daß sich neben den USA niemand mehr als wir für die Verlängerung eingesetzt hat. Wenn Sie die Resolution des amerikanischen Senats vom 16. Januar lesen, dann stellen Sie fest, daß die Kritik, die Sie vorgetragen haben, aus meiner Sicht völlig zusammenfällt.
Überhaupt ist zu diesem Thema sowohl. in der Debatte am 16. Februar dieses Jahres als auch in den Beratungen des Auswärtigen Ausschusses alles Notwendige gesagt worden. Ich darf aber wiederholen:
Erstens. Der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen aus dem Jahre 1968 ist Eckpfeiler des internationalen Nichtverbreitungssystems. Zweitens. Der NVV ist der einzige internationale Vertrag im Bereich nuklearer Nichtverbreitung, der auf Universalität angelegt ist. Drittens. Indem der NVV die große
Klaus Francke
Mehrheit der Staaten dazu verpflichtet, auf Kernwaffen zu verzichten, wirkt er deren Verbreitung entgegen. Beides sind wesentliche Ziele deutscher Abrüstungspolitik.
Obwohl wir uns bewußt sind, daß es eine Reihe von ergänzenden Maßnahmen und notwendigen Verbesserungen des bestehenden Vertrages gibt, ist das Gebot der Stunde, diesen Vertrag jetzt unbefristet und unkonditioniert zu verlängern. Die bisherigen Bemühungen der Bundesregierung im Zusammenwirken mit einer großen Gruppe von Staaten, dieses Ziel auf der bevorstehenden Konferenz in New York zu erreichen, unterstützen wir, und wir erwarten, daß diese Bemühungen fortgesetzt werden.
Es wäre daher zu begrüßen, wenn auch die Fraktionen dieses Hauses durch ihre internationalen Verbindungen die Bemühungen der Bundesregierung nachhaltig unterstützen würden. In diesem Zusammenhang gilt es insbesondere, die Gespräche mit den bislang dem Vertrag fernstehenden Staaten wie Indien, Pakistan, Ägypten, Israel, Chile und Brasilien zu intensivieren.
Was die Frage ergänzender Vereinbarungen betrifft, so möchte ich auch hier stichwortartig die aus unserer Sicht wesentlichen Punkte noch einmal aufzählen: erstens Abschluß eines verifizierbaren und umfassenden Teststoppabkommens, zweitens Einrichtung eines Kernwaffenregisters bei den Vereinten Nationen, drittens Verhandlungen über das Produktionsverbot für waffengrädiges Spaltmaterial zu Waffenzwecken, sogenannte Cut-off, viertens Weiterentwicklung eines Sanktionsmechanismus bei Verletzung des NVV, fünftens alle Vertragsparteien des NVV zu weitergehenden Selbstverpflichtungen und Selbstbeschränkungen im Rahmen des Saveguard-Regimes zu drängen, sechstens die fünf Kernwaffenstaaten des Sicherheitsrates zur Stärkung der Sicherheitsgarantien gegenüber denjenigen Staaten zu bewegen, die ihre Verpflichtungen zum Nichterwerb und der Nichtverbreitung von Nuklearwaffen erfüllen, siebtens Überlegungen fortzusetzen, wie den Staaten geholfen werden kann, die Kernwaffen besitzen, aber nur begrenzt in der Lage sind, die Vernichtungen technisch und materiell allein zu bewältigen. Der bisherige Verlauf der vorbereitenden Verhandlungen zur eigentlichen Konferenz im April gestaltet sich positiv.
Es kommt jetzt darauf an, meine Damen und Herren, daß der Bundestag noch einmal öffentlich deutlich macht: Wir wollen entscheidende Schritte im Bereich der nuklearen Abrüstung - mehr als sie bisher schon gegangen worden sind.
Das Wort hat der Kollege Volmer .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn unsere Fraktion die Ausschußempfehlung heute ablehnt, dann heißt das nicht, daß wir den Vertrag - so er im
Ratifizierungsverfahren in einigen Monaten hier vorliegen sollte - ebenfalls ablehnen werden. Aber wir glauben, daß das, was heute beschlossen wird, die falsche Verhandlungslinie ist, und wir glauben auch, daß die eigentliche Gefahr der Verbreitung von Atomwaffen durch den vorgelegten Antrag von CDU/CSU, F.D.P. und SPD verharmlost wird.
Es wird in der Vorlage des Ausschusses nicht auf das Problem eingegangen, daß die Atomwaffenstaaten ihre Zusagen von 1975, nämlich rigoros abzurüsten, nicht eingehalten haben. Es wird auch nicht darauf hingearbeitet, diesen Prozeß so zu beschleunigen, daß die Nichtatomwaffenstaaten zu Recht annehmen können, daß es zu umfassenden atomaren Abrüstungsprozessen in der Zukunft kommt.
Es gibt ein zweites gravierendes Problem: Der Antrag suggeriert nämlich - ich mache das am Beispiel der Bundesrepublik deutlich -, daß ein Land, das heute keine Atomwaffen besitzt, in Zukunft auch keine besitzen kann, weil es diesen Nichtverbreitungsvertrag gibt. Der Nichtverbreitungsvertrag ist aber so lückenhaft, er ist im Grunde so dürftig, daß er nur aus Schleichwegen besteht. Ich wiederhole: Ich mache das am Beispiel Deutschlands klar.
Niemand unterstellt der Bundesregierung, daß sie den Besitz von Atomwaffen anstrebe, aber sie hat auch noch nie - auch die Vorgänger-Regierungen haben dies nie getan - die Verfügung von Atomwaffen, die Atomwaffenoption, definitiv ausgeschlossen: ganz im Gegenteil: Sie hat sowohl materiell als auch juristisch die Option immer aufrechterhalten.
Materiell drückt sich das etwa aus in dem Plutoniumlager in Hanau, wo 2 500 Tonnen atomwaffenfähiges Material lagern. Dieses haben zu dürfen hat sich die Bundesregierung zusichern lassen, als sie bereit war, den Vertrag befristet - damals befristet auf 25 Jahre - überhaupt mitzutragen. Sie hat sich auch zusichern lassen, daß sie Atomtechnologien - sogenannte zivile Technologien - entwickeln darf, die aber sogar die zivile Atomsprengung - nicht etwa die Energieerzeugung - beinhalteten. Was anders heißt das, als sich auf die Bombe vorzubereiten?
Das wurde - auf 25 Jahre - gemacht. Heute kann über eine unbefristete Verlängerung geredet werden, weil ein zweiter Mechanismus greift, wo man sich auch die Option offengehalten hat, und das ist die europäische Option.
Der deutsche Verzicht auf die Herstellung eigener Atomwaffen wurde immer im Zusammenhang mit dem WEU-Vertrag formuliert. Solange der WEU-Vertrag gelte, wolle die Bundesrepublik - jetzt Gesamtdeutschland - keine Atomwaffen haben. Der WEU-Vertrag läuft aber in drei Jahren aus. 1998 wird neu verhandelt. Damit ist das Feld völlig offen.
So, wie wir die Vorbereitung der Nachfolgekonferenz zur Verlängerung des WEU-Vertrages beobachten, zeichnet sich für uns ab, daß dort darauf hingearbeitet wird, daß im Rahmen eines gemeinsamen Stabs der WEU auch Deutschland an der eventuellen Mitverfügung über die britischen und englischen Atomwaffen beteiligt sein soll.
Ludger Volmer
Von daher ist die Bundesrepublik über diese Schleichwege trotz NPT immer noch in der atomaren Option. Solange die Bundesregierung nicht definitiv ein für allemal ausschließt, daß sie auf die atomare Option verzichtet, hat sie eine Glaubwürdigkeitslücke. Diese Glaubwürdigkeitslücke führt mit dazu, daß manche Staaten dem Nichtverbreitungsvertrag sehr skeptisch gegenüberstehen.
Wir bedauern dies. Wir glauben, daß die Atomstaaten oder die „Quasi-Atomstaaten", wie die Bundesrepublik z. B. von der Rand-Corporation genannt wird, ihrer Verpflichtung zu umfassender Abrüstung, zu einem endgültigen Verzicht auf atomare Optionen nachkommen sollten. Dafür, glauben wir, sollte die Bundesregierung eintreten. In der Ausschußvorlage sehen wir von solchen Zusicherungen nichts. Deshalb lehnen wir die ab.
Das Wort hat der Kollege Dr. Feldmann .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage der Nichtverbreitung von Kernwaffen ist eines der drängendsten Probleme der internationalen Politik. Darüber sind wir uns in diesem Hause parteiübergreifend einig. Aber, Herr Kollege Volmer, offensichtlich sind wir uns nicht darüber einig - sonst hätten wir die heutige Debatte nicht -, daß das Thema der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen viel zu wichtig ist, als daß es immer wieder durch Ad-hoc-Debatten zerredet werden sollte. PDS und GRÜNE schaden durch ihren Aktionismus der Sache.
Die nachösterliche Nichtverbreitungskonferenz in New York ist eine der wichtigsten Abrüstungskonferenzen der letzten Zeit. Hier sind - Herr Kollege, da darf ich mich an Sie als Vorredner wenden - keine Utopien, sondern realistische Ziele gefragt, die sich international politisch durchsetzen lassen.
Die F.D.P. will den Erfolg dieser Konferenz. Wir wollen diese Konferenz nicht überfrachten. Unser Ziel ist und bleibt daher eine unbefristete, unkonditionierte Verlängerung des Nichtverbreitungsvertrages. Auch wir können uns viele Verbesserungen vorstellen. Einige habe ich in der letzten Debatte genannt. Ich will das jetzt nicht wiederholen.
Meine Damen und Herren, der NVV und die dazugehörigen Kontrollregime sind noch lange nicht vollkommen. Der nukleare Abrüstungsprozeß, den Sie, Herr Kollege, wieder angemahnt haben, hat doch erst begonnen. Sie sind zu kurzatmig. Eine weltweit akzeptierte Nuklearordnung kann nur das Ergebnis einer klugen und vorausschauenden Zusammenarbeit der Staaten sein, die nuklearpolitisch besondere Verantwortung tragen. Auch wir haben Verantwortung zu tragen. Es gibt keine realistische Alternative zur international vereinbarten, garantierten und kontrollierten Politik der Nichtverbreitung von Atomwaffen. Fortschritte sind auf diesem schwierigen Gebiet nur durch behutsame, kleine und realistische Schritte zu erreichen. Indem Sie immer neue Forderungen erheben, tun Sie gerade so, als ob der NVV schon unter Dach und Fach und schon gesichert sei. Dem ist leider nicht so. Das wissen Sie doch genau. Sie laufen Gefahr und scheinen das sehenden Auges einzukalkulieren, daß Sie mit den vielen - ich gestehe Ihnen gerne zu - gutgemeinten Wünschen das Wesentliche, nämlich das Ziel der Verlängerung des Vertrages, gefährden. Hier kann, meine ich, weniger mehr sein.
Die F.D.P. will sich auf das Machbare konzentrieren und es durchsetzen und nicht nur vom Schönen träumen.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Andrea Lederer .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Feldmann, gerade weil es sich um eine immens wichtige Konferenz handelt, ist dies keine Ad-hoc-Debatte, und auch nicht etwa Aktionismus. Vielmehr handelt es sich um die zweite und dritte Lesung zu einer Beschlußempfehlung und zu Anträgen, die der Regierung bestimmte Dinge mit auf den Weg geben sollen. Deswegen haben wir es für sehr wichtig gehalten, daß hier nicht einfach abgenickt wird, sondern daß wir auch eine Debatte führen, um der Regierung mit auf den Weg zu geben, welche Auffassungen wir dazu haben. Das halte ich für richtig.
Zweifellos muß der Vertrag verlängert werden. Die Frage ist nur, wie, und die Frage ist, welche Anstrengungen unternommen werden, um ihn zu verbessern, um dafür zu sorgen, daß die Atomwaffenstaaten tatsächlich zu einer drastischen Abrüstung kommen.
Wir haben in unserem Antrag eine Befristung vorgeschlagen, nicht etwa, wie teilweise wohl im Ausschuß behauptet wurde, um eine Verlängerung zu verhindern, sondern um sicherzustellen, daß nach einer gewissen Zeit - immerhin 25 Jahre - erneut eine Überprüfungskonferenz stattfindet und die NichtAtomwaffenstaaten ein Mittel in der Hand haben, die Atomwaffenstaaten tatsächlich zur Abrüstung zu drängen.
Es kann nicht angehen, daß es beim Status quo bleibt. Es muß etwas dafür getan werden, daß die Lücken, die Schleichwege, die der Kollege Volmer bereits aufgezeigt hat, geschlossen werden. Dazu gehört, daß eine Konvention zur Abschaffung von Atomwaffen verabschiedet wird, die hoffentlich irgendwann einmal dazu führt, daß wir eine atomwaf-
Andrea Lederer
fenfreie Welt haben. Dazu gehört ein umfassendes Atomwaffen-Teststoppabkommen, und dazu gehört, daß nukleares Material aus nationaler Hoheit in internationale Obhut gelangt, damit tatsächlich kontrolliert werden kann, was damit geschieht, bis es vernichtet ist.
Wenn wir Ihnen nicht das unterstellen sollen, von dem der Kollege Volmer sagt, daß er Ihnen dies nicht unterstellt - nämlich daß die Bundesregierung langfristig einen Atomwaffenbesitz anstrebt -, gehört dazu auch, daß Sie sich endlich bereit erklären, die Erklärungen, die Sie hier immer zum Atomwaffenverzicht abgeben, im Grundgesetz zu verankern. Das verweigern Sie bislang. Solange Sie dieses verweigern, müssen wir leider davon ausgehen, daß unter Umständen die Unterstellungen durchaus begründet und berechtigt sind. Wir können Ihnen garantieren, daß wir darauf achten werden, welche weiteren Bemühungen Sie eventuell unternehmen, um irgendwelche Schleichwege zu gehen, ob es im europäischen Rahmen oder auf irgendeine andere Art und Weise geschieht.
Dazu gehört ebenfalls - damit komme ich zum Schluß -, daß Sie endlich Ihre Blockade bei der Beantwortung der Anfragen der WHO und der UN in bezug auf ein internationales Rechtsgutachten, das die Frage der Gesetzlichkeit des Einsatzes von Atomwaffen und der Androhung eines Atomwaffeneinsatzes beantworten soll und eine wichtige Verhandlungsgrundlage für diese Konferenz sein wird, aufgeben.
Sie haben es bislang abgelehnt, die Frage der WHO zu beantworten, weil Sie der Meinung sind, daß Atomwaffen nichts mit dem Thema Gesundheit zu tun haben. Ich erinnere nur noch einmal an Tschernobyl und an die möglichen Wirkungen von Atomwaffen. Sie haben sich bislang ebenfalls geweigert, die Frage der UN zu beantworten. Sie haben eine Frist bis Juni bekommen. Wir werden darauf achten, wie sich die Bundesregierung verhält. Wir werden mit den Mitteln, die uns die Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, darauf drängen, daß eine Antwort erfolgt, und zwar eine, die der Wahrheit entspricht.
Ich will nur noch einmal betonen, daß wir uns mit unserem Antrag in sehr guter Gesellschaft befinden. So fordern die Evangelische Studentengemeinde in Deutschland, IPPNW, Arbeitsgruppe NPT, Netzwerk Friedenskooperative die Bundesregierung auf - sie haben einen Brief an den Außenminister geschrieben -, dafür zu sorgen, daß nicht eine upkonditionierte und unbefristete Verlängerung des Vertrages erfolgt, sondern eine Verlängerung, die die Basis dafür ist, daß wir tatsächlich irgendwann das Ziel erreichen, daß diese Welt ohne Atomwaffen ist. Dazu gehören im Moment vor allem erste Schritte der Atomwaffen besitzenden Staaten. Das heißt, es muß tatsächlich eine drastische Abrüstung eingeleitet werden, und es müssen Verhandlungen über eine Konvention zur Abschaffung der Atomwaffen initiiert und vorangetrieben werden.
Wir lehnen diese Beschlußempfehlung ab. Ich danke.
Herr Staatsminister Schäfer, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In gut zwei Wochen wird in New York die Konferenz der Vertragsstaaten des nuklearen Nichtweiterverbreitungsvertrages eröffnet. Die Bundesregierung begrüßt deshalb die doch breite Übereinstimmung und Unterstützung ihrer Politik, die ja darauf abzielt, zu erreichen, daß dieser Vertrag bei dieser Konferenz unkonditioniert verlängert wird. Zusammen mit den Partnern der Europäischen Union haben wir seit Mitte letzten Jahres erhebliche Anstrengungen unternommen, um das Ziel der Verlängerung dieses nuklearen Nichtweiterverbreitungsvertrages zu fördern. Im Rahmen einer gemeinsamen Aktion der Partner zur Vorbereitung der Konferenz haben wir uns weltweit für dieses Ziel in vielen Einzelverhandlungen eingesetzt. Zuletzt waren der Beauftragte der Bundesregierung für Abrüstung und Rüstungskontrolle und sein Vertreter in einer Reihe von Staaten in Asien und Lateinamerika.
Als einer der politisch und wirtschaftlich wichtigsten Nichtkernwaffenstaaten verfügen wir über sehr gute Argumente, Herr Volmer.
Wenn es denn Argumente gibt, die uns gelegentlich ins Abseits des Zweifels stellen wollen, kommen sie ausschließlich von Ihnen und nicht aus dem Ausland, wie Sie uns hier glauben machen wollen. Von Ihnen kommen sie und werden möglicherweise vom Ausland übernommen.
Meine Damen und Herren, es bestand hier breite Übereinstimmung über die anhaltende Bedeutung des Nichtweiterverbreitungsvertrages als einer entscheidenden Grundlage zur Verhinderung der Verbreitung von Nuklearwaffen.
Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Volmer?
Nein, Herr Präsident. Bei einer Redezeit von
Staatsminister Helmut Schäfer
fünf Minuten ist es fast eine Zumutung, Zwischenfragen zu stellen und sie beantwortet bekommen zu wollen.
Ich muß wirklich sagen: Das ist nicht mehr Sinn der Veranstaltung.
Nein, es tut mir leid. Es ist in der Debatte eine Redezeit von fünf Minuten vorgesehen; ich halte das nicht für sinnvoll.
- Herr Kollege, Sie sind im Auswärtigen Ausschuß und in anderen Gremien. Sie können bei jeder Sitzung Fragen stellen und sich mit uns auseinandersetzen. Wir greifen das gern auf und beantworten das alles. Sie haben Fragestunden und anderes mehr.
Meine Damen und Herren, ich darf darauf zurückkommen, daß diese Konferenz in New York sehr wichtig ist, weil sie ja die entscheidende Grundlage zur Verhinderung der Verbreitung solcher Waffen, zur Fortsetzung des nuklearen Abrüstungsprozesses und zur internationalen Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie sein wird.
Es scheint, daß die gemeinsamen Bemühungen inzwischen Früchte tragen. Es ist ein deutlicher Trend in Richtung auf das Ziel der unbefristeten Verlängerung festzustellen; eine Mehrheit der Vertragsstaaten - das zeichnet sich ab - wird zustimmen. Wir werden trotzdem in den nächsten beiden Wochen unsere Bemühungen fortsetzen, Frau Kollegin Zapf, um noch zögernde Staaten zu gewinnen.
Meine Damen und Herren, es wird natürlich in der Zukunft eine ganz wichtige Aufgabe bleiben, die noch außenstehenden Staaten, die diesem Vertrag mit mehr oder weniger glaubwürdigen Begründungen nicht beitreten, zum Beitritt zu veranlassen. Ich meine, hier sollte unser Druck nicht nachlassen.
Alle diejenigen, denen, wie PDS und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, das bestehende Vertragssystem nicht weit genug geht, sollten zur Kenntnis nehmen, daß es angesichts der derzeitigen Gegebenheiten und auch der Mehrheitsverhältnisse - daran wird, fürchte ich, auch die Evangelische Frauengemeinde trotz ihrer guten Absicht kaum etwas ändern können; denn es wäre wohl doch schon ein größeres Unternehmen dieser Gemeinde, all diese Staaten in kürzester Zeit dazu zu überreden - wichtiger ist, daß wir diesen Vertrag als verläßliche Basis für die Weiterführung des nuklearen Abrüstungsprozesses, für die Durchsetzung eines weltweiten nuklearen Teststopps und für das Verbot der Produktion von Spaltmaterial für die Kernsprengkörper sichern.
Darin sind wir uns, glaube ich, in diesem Hause einig. Da ich in der Politik gelegentlich auch noch Optimismus habe, gehe ich davon aus, daß sich auch in den nächsten 25 Jahren international und weltweit deutliche Veränderungen ergeben werden und daß auch notwendige Veränderungen, über die man hier durchaus gemeinsam nachdenken kann, erreicht werden können. Aber im Moment geht es darum, daß wir diesen Vertrag über die Bühne bekommen, daß er nicht scheitert, daß er nicht nicht verlängert wird, denn das wäre mit Sicherheit sehr viel schlimmer, als jetzt nicht in kurzer Zeit die Verbesserungen zu erreichen, von denen wir hoffen, daß wir sie in den nächsten Jahrzehnten erreichen können.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über die Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P. zu einer unbefristeten und unkonditionierten Verlängerung des Nichtverbreitungsvertrages, Drucksache 13/838 Nr. 1. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/398 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit den Stimmen der F.D.P.-Fraktion, der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS angenommen.
Ich komme zur Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Gruppe der PDS zu einem Beitrag zur Nichtverbreitung von Kernwaffen, Drucksache 13/838 Nr. 2. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/429 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Die Beschlußempfehlung ist mit der gleichen Mehrheit angenommen.
- Ich habe das verkürzt. Sie wollen ja alle nach Hause.
Nun zur Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zur Reform und Stärkung des Nichtweiterverbreitungsvertrages für Atomwaffen, Drucksache 13/838 Nr. 3. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 13/537 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung ist mit gleicher Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 31. März 1995, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich danke Ihnen.