Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist absolut verzeihlich. Es besteht, glaube ich, auch keine Gefahr, daß eine Verwechslung stattfindet.
Herr Kollege Voigt, ich will kurz auf Sie eingehen. Ich stimme in der Einschätzung von vielen Veränderungen seit 1989 mit Ihnen überein. In der Frage der deutschen Rüstungsexportpolitik bin ich völlig anderer Meinung als Sie.
Ich glaube, daß die Art und Weise, wie wir außenpolitisch und damit auch sicherheitspolitisch gefordert sind, wesentlich komplexer geworden ist, als dies vor 1989 war.
Wenn wir jetzt über den Einzelplan 14, den Verteidigungsetat, und damit über die Frage der Bundeswehr diskutieren, dann ist es sicherlich wichtig, zu wissen, daß die Bundeswehr in dieser Zeit der Veränderung erheblich belastet worden ist. Sie hat die vielen Veränderungen in Deutschland und Europa in sich selbst austragen müssen. Viele Soldaten haben dabei ihre Standorte verloren. Wir haben die Bundeswehr in den neuen Bundesländern neu aufbauen müssen und Soldaten der ehemaligen NVA, die für ganz andere Ziele gekämpft haben, auf der Basis des Grundgesetzes in die Bundeswehr integrieren können.
Der Bundeswehr ist in den letzten Jahren Erhebliches an finanziellen Mitteln entzogen worden: Im Jahr 1989 betrug der Anteil des Verteidigungsetats am Gesamtetat des Bundes etwa 18 %, und im Jahr 1995 beträgt er noch 9,9 %.
Das ist eine erhebliche Reduzierung der finanziellen Möglichkeiten der Bundeswehr. Wer jetzt noch von einer Militarisierung der deutschen Außenpolitik und von einer Fehlsteuerung finanzieller Mittel im Hinblick auf die Bundeswehr redet,
der ist an Ignoranz nicht mehr zu überbieten. Die Zahlen zeigen eindeutig, daß wir richtige Politik betreiben.
Aber ich möchte deutlich machen, daß man das mit anderen Entwicklungen in Zusammenhang setzen muß. Das Bundesverfassungsgericht - vorhin ist es hier in der außenpolitischen Debatte angesprochen worden - hat im Sommer letzten Jahres die Auslandseinsätze der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebietes im Sinne der CDU/CSU für zulässig erklärt. Damit ist die Diskussion darüber, ob der Auftrag der Bundeswehr klar ist, im Prinzip beendet. Der Auftrag ist klar.
Man kann jetzt unterschiedlicher Meinung sein. Wir sind der Meinung, daß Deutschland in der Mitte Europas als souveränes Land mit 80 Millionen Einwohnern und einer erheblichen Wirtschaftskraft sicherheitspolitisch mehr Verantwortung für die Welt übernehmen und auch bereit sein muß, das Instrument Bundeswehr dabei einzusetzen.
Dafür müssen wir die Bundeswehr konzeptionell ändern. Das ist mit den Konzeptionellen Leitlinien geschehen. Sie sichern einerseits die allgemeine Wehrpflicht, also die Einbindung der Bundeswehr als eines sehr sensiblen Organismus in unsere Gesellschaft. Darüber hinaus schafft die allgemeine Wehrpflicht eine soziale Kontrolle, eine bessere politische Kontrolle über die Streitkräfte. Mit der großen Mehrheit der Sozialdemokraten stimmen wir in dieser Position völlig überein, auch wenn es einzelne gibt, die das anders sehen.
Die Konzeptionellen Leitlinien ermöglichen die Ausdifferenzierung der Bundeswehr in Hauptverteidigungskräfte und Krisenreaktionskräfte.
- Herr Fischer, ich werde Sie enttäuschen. - Dies bedeutet einerseits die Möglichkeit, zur Landesverteidigung, zur Bündnisverteidigung und auch zur Wahrnehmung von Verantwortung in den Vereinten Nationen mit Krisenreaktionskräften bereit zu sein. Andererseits ist es die Möglichkeit, mit heute niedrigen Bereitschaftsgraden dazu fähig zu sein, daß eigene Land zu verteidigen, wenn sich die Lage in Europa
Paul Breuer
verändert. Krisenreaktionskräfte sind nicht das, was Sie erwarten und immer wieder behaupten. Das sind nicht Interventionsstreitkräfte für irgendwelche Plätze auf der Welt.
Das ist der Bündnisbeitrag, und zwar zuallererst zur Landesverteidigung der Bundesrepublik Deutschland. Es geht nicht um Interventionismus irgendwo auf der Welt.
Meine Damen und Herren, der Verteidigungsetat des Jahres 1995 ist an sich ein Etat der Trendwende. Ich habe eben schon deutlich gemacht, daß es 1989 noch 18 % des Bundeshaushalts waren und heute nur noch 9,9 % sind; in diesem Kontext muß man die finanziellen Erwartungen für die nächsten Jahre sehen. Jetzt soll der Bundeswehretat nicht weiter in den Keller gehen, sondern die Bundeswehr soll finanzielle Kontinuität für die nächsten Jahre bekommen. Das wird in diesem Jahr mit dem Haushalt 1995 deutlich, und das schafft auch Klarheit für die Soldaten und zivilen Bediensteten in der Bundeswehr.
Wir waren uns im Verteidigungsausschuß mit den Kollegen der SPD bei allen Unterschieden ziemlich einig: 47,9 Milliarden DM, Herr Kollege Kolbow, ist die Größe, unter die wir nicht mehr fallen dürfen.
Es wäre so schön gewesen, dort eine gemeinsame Einschätzung zu haben, wenn in der SPD nicht - es ist interessant, Frau Matthäus-Maier, Sie sitzen gerade neben dem Kollege Kolbow - eine sehr denkwürdige Fraktionssitzung stattgefunden hätte.
In dieser denkwürdigen Fraktionssitzung ist es wohl so gewesen, daß die Verteidigungs- und Haushaltspolitiker, insbesondere von Ihnen, Frau MatthäusMaier, gnadenlos über den Tisch gezogen worden sind.
Die SPD will im Verteidigungsetat, bei dem alle Experten der Meinung gewesen sind: Das ist es nun, und das läßt uns für die Zukunft Planungssicherheit gewährleisten!, jetzt wieder mit der Säge herangehen und 670 Millionen DM herausholen. Das bedeutet, daß die Motivation der Soldaten der Bundeswehr und die Motivation der zivilen Bediensteten, wenn Sie die Mehrheit hätten, was Gott sei Dank nicht der Fall ist, absolut in den Keller fallen würde.
- Schauen Sie sich doch Ihren Antrag an!
- Doch, es ist sehr interessant, es lohnt wohl.
Sie machen am Anfang zwei Vorschläge, die Titel um 1 Million DM bzw. 69 Millionen DM zu erhöhen. Das ist beim Wehrsold für die Grundwehrdienstleistenden und beim Wehrsold für Wehrübende. Es ist klar, warum. Sie entledigen sich der Aufgabe so, daß Ihnen der Bundeswehrverband nicht ganz in den Rücken fallen kann. Die Kritik wird nicht ganz so groß.
Dann kommt die große Kreissäge, und zwar einmal quer durch alle Beschaffungstitel. Dann kommen die SPD-Kollegen aus dem Verteidigungsausschuß und fragen den Verteidigungsminister danach, ob er es verantworten könne, wenn das eintreten würde, was Karsten Voigt soeben gesagt hat: gut ausgebildete und ausgerüstete Soldaten zur Hilfe nach Ex-Jugoslawien zu schicken. Das wird von Ihren Kollegen gefragt. Dazu kommen die Streichungsanträge, die dieses unmöglich machen. Das paßt nicht zusammen.
Unter Punkt 10 steht:
Im Einzelplan 14 werden alle Personaltitel, Beamtenbezüge sowie Vergütungen der Angestellten und Arbeiter proportional um insgesamt 400 Millionen DM gekürzt.
Ich habe die Reden Ihrer Sozialpolitiker gehört, die von „sozialer Kälte" gesprochen haben, und jetzt frage ich Sie: Wie viele Gesichter hat die SPD? In der Sicherheitspolitik mindestens zwei, aber auch in der Sozialpolitik mindestens zwei.
Sie sind nicht glaubwürdig, und es wird deutlich, daß die alte Platte, die Frau Matthäus-Maier in den letzten Jahren immer wieder abgespielt hat - Sparbüchse, Steinbruch Bundeswehr zur Finanzierung von allem möglichen -, nicht mehr läuft. Dieser Antrag ist ein Offenbarungseid.
Ich sage Ihnen noch etwas mehr. Es ist sehr interessant, daß kein einziger Verteidigungspolitiker der SPD heute in der Debatte überhaupt redet.
- Verheugen ist der neue Verteidigungspolitiker? - Es ist hochinteressant, wie Sie Ihre Kollegen im Verteidigungsausschuß, die die Fachleute sind, im Regen stehen lassen, über den Tisch ziehen und letztlich all das, was wir versucht haben, im Konsens zu erarbeiten, völlig desavouieren. Es ist nicht in Ordnung, und es zeigt im Prinzip, daß die Orientierungslosigkeit der SPD in der Außen- und Sicherheitspoli-
Paul Breuer
tik genauso maßlos ist wie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Vielen Dank.