Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines wurde wieder deutlich: Die SPD ist und bleibt eine außenpolitische Dame ohne Unterleib.
Herr Verheugen hat uns vorgeführt, daß die SPD hinter dem herläuft, was eigentlich für sie notwendig wäre, nämlich ein außenpolitisches Godesberg.
Sie bewegt sich in den Gedankenkategorien der vergangenen Zeit. Sie bewegt sich 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Kategorien, die längst überwunden sind. Zum Thema 8. Mai hat Wolfgang Schäuble das Notwendige gesagt, aber der Ministerpräsident des Saarlands
- Frau Fuchs, hören Sie zu - hat den interessanten Versuch unternommen, dem Bundeskanzler zu unterstellen, er habe die deutsch-französische Freundschaft zerstört. Nachdem er überlegt hat, was ihm denn vorgehalten werden könnte, hat er ihm das Zehn-Punkte-Programm vorgehalten, das 1989 im Bundestag vorgestellt worden ist.
Ich sage Ihnen: Das ist genau der Punkt, bei dem Sie nicht verstanden haben, bei dem Herr Lafontaine offensichtlich - ich weiß nicht, vielleicht ist noch ein Oberregierungsrat der saarländischen Landesregierung da, der es überbringen kann - nicht verstanden hat, daß Außenpolitik in gewissen, ganz entscheidenden Situationen Interessenpolitik ist.
Der Bundeskanzler hat in dieser Situation ganz entscheidend ein wesentliches deutsches Interesse wahrgenommen und vertreten, nämlich das Wiedervereinigungsinteresse. Einschließlich Herrn Lafontaine täten Sie gut daran, ihm heute noch dafür Dank zu zollen.
Das außenpolitisch fehlende Godesberg hat Herr Verheugen sehr elegant übergangen. Ich muß Wolfgang Weng beipflichten: Es ist natürlich nicht so, daß die SPD von vornherein den AWACS-Einsätzen zugestimmt hat. Ich kann mich noch gut an eine Debatte entsinnen, in der der Abgeordnete Verheugen mit heftig tönenden Worten gesprochen hat und auf
Christian Schmidt
meine Zwischenfrage - es ist sicherlich aus dem Protokoll ersichtlich, ich liefere das auch gerne nach -, ob er einen AWACS-Einsatz als einen Kampfeinsatz ansähe - das ist eine Frage, die auf Ja oder Nein gestellt ist -, mit Ja geantwortet hat.
Die Konsequenz war die Klage in Karlsruhe. Man hat versucht, still und heimlich vor der Öffentlichkeit und an wesentlichen Teilen des ideologischen Flügels der SPD vorbei etwas beizudrehen. Das ist ein ganz anderer Sachverhalt und zeigt allenfalls, daß noch nicht alles in der SPD verloren ist, sondern daß man Hoffnung haben kann, bis zum Jahre 2001 noch einen gewissen Wandel zu erleben.
Deswegen klingt der Dank an die Soldatinnen und Soldaten, dem ich mich gerne anschließe und nicht zur Diskussion stellen will, doch ein wenig schal. Es klingt auch schal, daß das Wort NATO in der vorhergehenden Rede praktisch nicht gefallen ist.
Wer meint, Vereinte Nationen und OSZE allein seien in der Lage, den Frieden in der Welt durch präventive Diplomatie zu sichern, der wird sich getäuscht fühlen. Die Verhältnisse sind nicht so. Sie erwarten von uns, daß wir darauf reagieren.
Die Antwort darauf ist nicht ein Bundeswehraufgabengesetz, sondern die Antwort darauf ist die Erkenntnis, daß die NATO auch in der Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs der entscheidende Stabilitätsanker bleibt und daß wir alles daran setzen müssen, im transatlantischen Verhältnis eine starke amerikanische Präsenz in Europa zu behalten. Deswegen ist der Verteidigungshaushalt, der nun auf einem Plafond angelangt ist, unter den man nicht mehr wird gehen können, ohne die Glaubwürdigkeit der Stabilität und der Verteidigungsfähigkeit zu gefährden, in seiner Höhe völlig gerechtfertigt.
Wir haben gerade zu diesem Haushalt einen interessanten Kürzungsantrag der SPD vorliegen. Es wird den Kollegen Verteidigungspolitikern sicherlich noch eine Lust sein, anschließend über diesen Antrag zu reden. Man sollte ihn Punkt für Punkt diskutieren, weil deutlich wird, mit welch gespaltener Zunge gesprochen wird.
Ein Punkt noch zum 8. Mai. Die Belehrungen, die an die Adresse des Ehrenvorsitzenden der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Herrn Dregger, gerichtet worden sind, gehen daneben und sind beleidigend.
- Wenn Sie das Protokoll nachlesen, verehrte Frau Kollegin, werden Sie das feststellen. - Kollege Verheugen hat gesagt, Herr Dregger habe etwas entschuldigt. Er hat einen historischen Zusammenhang, der anerkanntermaßen nicht aus der Luft gegriffen ist, und Entwicklungen dargestellt. Das muß erlaubt sein. Wir sollten verhindern, daß Politiker versuchen, andere mit, wie es Verheugen getan hat, Halbwahrheiten und Unterstellungen in ein Eck zu stellen, in dem sie nicht sind und in das sie auch nicht hineingehören.
Noch eines zum 8. Mai und zu Polen. Die Bundesregierung hat einen deutsch-polnischen Freundschaftsvertrag geschlossen, der in einer für Europa guten Art und Weise die Fragen des Minderheitenschutzes und des Zusammenarbeitens behandelt. Er hat sich bewährt. Daß beispielsweise Ungarn und die Slowakei vielleicht auf der Grundlage solcher Vorlagen wie der des deutsch-polnischen Vertrages zu einem Ausgleichsvertrag gekommen sind, läßt sich nur begrüßen und zeigt, daß wir eine Vorreiterrolle gespielt haben. Übrigens wird die CSU-Landesgruppe in ihrer Gesamtheit im Juli nach Polen reisen und damit die deutsch-polnischen Beziehungen und ihre Wertigkeit unterstreichen. Wir reden nicht nur, wir handeln auch.
Zum Thema Türkei. Der schale Beigeschmack, der die Kritik der SPD von Anfang an durchzieht, ergibt sich auch dann, wenn man sich die Zahlen über die Verteidigungshilfe, allgemeine Rüstungshilfe, Materialhilfe 1 und 2 unter Bundeskanzler Helmut Schmidt geben läßt. Es sind Milliardenbeträge. Ich möchte in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß die jetzt zu Ende geführte Militär- und Materialhilfe ihren Ausgangspunkt in der Zeit der sozialliberalen Koalition 1975 hatte. Die Beträge sind bekannt. Sie reichen an 4 Milliarden DM heran. Nichtsdestoweniger muß der Türkei deutlich gemacht werden, daß sie sich selbst destabilisiert, wenn sie meint, den Konflikt mit der PKK auf militärische Art und Weise lösen zu können.
Ich habe von Interessen gesprochen. Am Beispiel der Türkei muß für uns allerdings eines deutlich werden: Außenpolitik ist auch Interessenpolitik.
Wir Deutsche haben ein genuines Interesse daran, daß Europa und die angrenzenden Regionen stabil bleiben. Ich möchte nicht, daß die regionale Hegemonialmacht in dieser Region etwa der Iran wäre. Ich möchte, daß die NATO als Stabilitätsanker auch dort präsent bleibt. Das heißt, daß man trotz aller Kritik die grundsätzlichen Fragen der Strategie und der Interessen nicht vergißt. Auf diesem Gebiet haben Sie ein großes Pensum aufzuarbeiten. Ich wünsche dabei viel Erfolg.