Herr Kollege Fischer, darf ich Ihnen in aller Freundschaft etwas sagen?
- Ich wollte ja gerade die Wahrheit sagen; ich werde sie auch sagen. Sie werden mich nicht daran hindern.
Ich wollte Ihnen bei dieser Gelegenheit einmal etwas sagen und Sie um etwas bitten. Aus Gründen, die ich nicht weiter erläutern möchte, habe ich nicht eine so kräftige Stimme wie andere. Jetzt bin ich auch noch erkältet. Da geht es mir wie Herrn Scharping. Ich wünsche Ihnen gute Besserung und Sie mir auch. Vielen Dank.
Tun Sie mir den Gefallen, und machen Sie mir akustisch das Reden nicht so schwer. Aber lassen Sie die Hoffnung fallen, Sie würden mich, wenn Sie es mir schwermachen, daran hindern. Sie werden mich nicht daran hindern.
Jetzt will ich Ihnen sagen, was ich im Hinblick auf den 8. Mai in Ihrer Rede unverantwortlich fand. Herr Kollege Scharping, die Repräsentanten der fünf Verfassungsorgane des Bundes - der Herr Bundespräsident, der Bundeskanzler, die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, die Präsidentin des Bundestages und der Präsident des Bundesrates - haben im Januar am Rande des Neujahrsempfangs des Herrn Bundespräsidenten in Berlin miteinander gesprochen. Der Herr Bundespräsident hat mich danach zu einem Gespräch empfangen - weil ich zu spät gekommen war - und mir darüber berichtet. Sie haben den Staatsakt zum 8. Mai miteinander verabredet. Die Planung war anders als die jetzt vorgesehene Feier. Sie wissen, daß dann der Präsident der Französischen Republik, François Mitterrand, den Wunsch geäußert hat, am 8. Mai, 50 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, in Deutschland zu den Deutschen zu sprechen, was ich übrigens für ein großartiges Angebot halte und für das ich mich bedanke.
Sie wissen, daß sich daran - das liegt ja nahe - die Überlegung angeknüpft hat, ob nicht auch ein Vertreter Rußlands, ein Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika und der britische Premierminister zusammen mit dem Präsidenten der Französischen Republik am 8. Mai zu den Deutschen sprechen sollten.
Dann haben wieder die Repräsentanten der Verfassungsorgane des Bundes - der Herr Bundespräsident, der Herr Bundeskanzler, die Frau Bundestagspräsidentin und der Herr Bundesratspräsident, ich nehme an, auch die Frau Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts - verabredet - so bin ich und sind auch Sie, alle Fraktionsvorsitzenden, durch die Frau Bundestagspräsidentin unterrichtet -, daß man nicht mehr an der ursprünglichen Planung des Staatsakts festhalten wolle. Man hat sich angesichts des großartigen Angebots und der großartigen Chance für das entschieden, was nun für den 8. Mai in Berlin geplant ist.
Das deutsch-polnische Verhältnis ist wichtig. Ich gehöre zu denjenigen, die sagen: Die Entwicklung in Polen gehört für mich zum Wunderbarsten. Diese Entwicklung
- lassen Sie mich das doch einmal im Ernst sagen -, die den Deutschen die Einheit in Frieden und Freiheit im Jahre 1990 gebracht hat, hat für mich in Polen mit Solidarnosc 1980/81 begonnen. Das ist am Ende dieses Jahrhunderts etwas ungeheuer Großartiges.
Nun ist die Frage, wie man damit umgeht.
Dabei sind möglicherweise mancherlei Fehler gemacht worden.
- Klatschen Sie nicht so laut.
Ich bin nicht ganz sicher, ob der polnische Außenminister - der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels ist ein ganz großartiger Mann - ganz glücklich darüber ist, öffentlich eine Initiative ergriffen zu haben, die man nicht öffentlich macht und mit der man Dinge erschwert. Ich finde, man sollte darüber im Deutschen Bundestag nicht streitig reden.
Dr. Wolfgang Schäuble
- Entschuldigung. Ich sage das, weil Herr Scharping den Bundeskanzler in einer Weise persönlich diffamiert hat, die völlig unerträglich ist und die zurückgewiesen werden muß.
Und dann sage ich Ihnen auch das zweite. Es wird darüber debattiert, ob der 8. Mai zu Freude oder Trauer, zu Feier oder Gedenken Anlaß gibt. Herr Scharping, Sie sind ein wenig jünger als ich. Ich bin 1942 geboren; ich habe keine Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg. Aber wollen wir denen, die im Krieg waren, denen, die ihre Männer, Väter, Söhne im Krieg verloren haben, absprechen, daß sie um die Opfer, um die Toten, um die entsetzlichen Verluste des Zweiten Weltkrieges trauern?
- Entschuldigung, Sie, Herr Kollege Scharping, haben es für richtig gehalten, einen Kollegen meiner Fraktion, dem Ehrenvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alfred Dregger - Sie haben ihn nicht namentlich genannt, aber er ist gemeint - vorzuwerfen, daß er gesagt hat, für ihn und bei seinem Lebensweg sei die Erinnerung an den 8. Mai 1945 vor allem auch mit Trauer verbunden. Wer sind wir denn, daß wir diejenigen, die ihre Väter, Söhne, Brüder verloren haben, dafür kritisieren, daß sie darum trauern!
Deshalb finde ich, daß diese Art von Streit, die Sie hier zu entfachen versucht haben, schäbig, kleinlich und verantwortungslos ist.
Deswegen finde ich, daß wir uns einig sein sollten, daß wir in bezug auf diese 50 Jahre seit dem Zweiten Weltkrieg mit seinen entsetzlichen Verlusten, mit den entsetzlichen Verbrechen der nationalsozialistischen Zeit, mit der Vertreibung und all dem sagen sollten: Jetzt haben wir 50 Jahre Frieden und europäische Einigung, sogar die deutsche Einheit, und daher sollten wir uns jetzt gemeinsam darum bemühen, daß dieses großartige Werk des Friedens, der Einheit und der europäischen Einigung weiter fortgesetzt wird. Dafür wird die Union arbeiten.
Das ist auch ein Teil der Politik, die mit dem Haushalt 1995 durch die Koalition fortgesetzt wird. Deswegen stimmt die Fraktion der CDU/CSU dem Einzelplan 04 des Haushalts 1995 zu.