Nein, ich möchte jetzt nicht mehr unterbrochen werden.
Das gleiche gilt auch für die Energiepolitik. Ich habe im Wahlprogramm der nordrhein-westfälischen GRÜNEN nachgelesen. Das ist ein umfangreiches Werk und etwas mühsam zu lesen. Dort äußert man sich gegen die Kernenergie, das kennen wir. Man äußert sich natürlich auch gegen die fossilen Energieträger - Steinkohle, Braunkohle, Erdöl und Erdgas -, man wendet sich gegen die Windenergie im Norden, weil das die Umwelt verschandelt. Was bleibt denn noch übrig?
Wenn Sie Ihre Politik umsetzen wollen, dann müssen wir uns in Zukunft sehr warm anziehen, weil es keine Heizung mehr gibt.
Ich habe einen noch interessanteren Vorschlag gefunden. Ich erwähne das jetzt nur, weil ich dabei bin und es so schön ist. Man will ein Sabbatjahr für die Lehrer in Nordrhein-Westfalen zur Selbstreflektion einführen.
- Herr Verheugen, ich weiß, daß Sie gute Erinnerungen an unsere Parteigeschichte haben. Das ist mir klar.
Da ich das nicht kenne, kann ich nur sagen: Ich halte es für groben Unfug, auf die Lehrer konzentriert ein Sabbatjahr zur Selbstreflektion einzuführen. Aber das wird sicherlich dazu beitragen, daß in Zukunft die Zusammensetzung Ihrer Fraktion mit Lehrern noch homogener sein wird und Sie als Lehrerpartei identifiziert werden können.
Wir wollen das Vergleichsmietensystem für den Wohnungsbau in den neuen Bundesländern einführen. Nun gibt es eine Debatte darüber, ob es richtig sei, auch für Neu- und Wiedervermietung eine Kappung einzuführen. Wer ein Vergleichsmietensystem haben will, der muß einen Marktpreis haben. Wenn Sie gleichzeitig mit der Einführung dieses Vergleichsmietensystems verhindern, daß ein solcher Marktpreis überhaupt erst entstehen kann, dann wird der Markt als Ausgleichsmechanismus dafür, daß der Wohnungsmarkt funktioniert, ausscheiden. Dann haben wir staatliche Wohnungswirtschaft. Staatliche Wohnungswirtschaft ist in ihren Ergebnissen so, wie die Wohnungswirtschaft in der DDR war. Etwas Besseres werden Sie nicht bekommen. Sie werden erleben, wenn sie so etwas machen, daß die Baukonjunktur im Osten in kürzester Zeit dramatisch zusammenbricht. Dann haben Sie das Gegenteil von dem erreicht, was Sie eigentlich wollen. Es wundert mich nicht, daß der Ministerpräsident des Landes Sachsen, Herr Professor Biedenkopf, ebenfalls der Meinung ist, daß die Einführung einer solchen Kappungsgrenze völlig verfehlt wäre und das Gegenteil dessen erreichen würde, was man damit eigentlich gemeint und gewollt hat.
Es hilft auch hier wieder nichts, das Gutgemeinte zu verkünden, wenn man die Folgen nicht beachtet. Deswegen kann ich nur empfehlen, diesem Vorschlag von Biedenkopf und von uns zu folgen, und erinnere den Ökonomieprofessor Töpfer daran - er kommt aus einer guten Schule, der Universität des Saarlandes; er hat unter Herrn Stützel und Herrn Siewert gelernt -, sich an die ökonomischen Zusammenhänge zu halten und eine solche Politik auch dann zu betreiben.
Wir wollen einen schlanken Staat. Tucholsky hat noch gesagt:
Deutsches Schicksal, vor dem Schaltern zu stehen, deutsches Ideal, hinter dem Schalter zu sitzen.
Wir sind darüber Gott sei Dank hinweg. Aber wir sind noch nicht bei dem schlanken Staat, den wir brauchen. Deswegen müssen wir gerade in diesem Bereich enorme Anstrengungen unternehmen, denn es gilt natürlich, große Widerstände zu überwinden. Bei Bundespost und Bundesbahn haben wir die entscheidenden Schritte schon getan. Es geht aber darum, die Verwaltung insgesamt Leistungskriterien zu unterwerfen, schlanker, effizienter zu machen, weniger Hierarchieebenen einzuführen und dadurch nützlicher für den Bürger zu gestalten. Daran werden wir uns auch in dieser Legislaturperiode machen.
Schließlich ein Wort zum Umbau des Sozialstaates. Wer sieht, daß der Sozialstaat, so wie er heute gestaltet ist, zu erheblichen Verwerfungen und zu ungeheuren mißbräuchlichen Ausnutzungen führt, daß er einfach nicht mehr bezahlbar ist, der muß die unpopuläre Aufgabe, den Sozialstaat umzubauen, auf sich nehmen. Ich unterstütze Minister Seehofer ausdrücklich in seinem Vorhaben - das haben wir in der Koalition auch festgelegt -, die Sozialhilfe zu reformieren. Sie ist dringend reformbedürftig,
denn wir brauchen dringend gleiche Standards, gleiche Kriterien sowohl in der Sozialgesetzgebung wie auch in der Steuergesetzgebung. Wir brauchen einen gleichen Einkommensbegriff. Wenn wir nicht gleiche Standards haben, dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich die verschiedenen Systeme aneinander vorbeientwickeln und sich die Menschen ganz anders verhalten, als sie eigentlich sollen. Wir müs-
Dr. Hermann Otto Solms
sen dafür sorgen, daß das Abstandsgebot durchgesetzt wird, damit der Anreiz zur Arbeit wieder zur Wirkung kommt.
Schließlich noch einige Bemerkungen zum ökologischen Umbau unseres Staates, zur Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie. Das geht eben in erster Linie nicht nur durch Gebote und Verbote und staatliche Interventionen, vielmehr erreichen wir die höchste Effizienz in der Umweltpolitik, indem wir die Menschen selbst anreizen, sich umweltpolitisch zu verhalten. Das geht in erster Linie nur mit marktwirtschaftlichen Instrumenten. Ich will nur einige aufzählen: Kompensationslösungen, Steuerlösungen - ich habe über die CO2/-Energiesteuer gesprochen -, handelbare Umweltnutzungslizenzen und Zertifikatslösungen, freiwillige Vereinbarungen wie jetzt mit der Automobilindustrie, die Gewährung von steuerlichen Anreizen, das Einräumen von Benutzervorteilen, umweltrelevante Verbraucherinformationen und insbesondere der technische Fortschritt. In der Umweltpolitik müssen wir in allererster Linie auf den technischen Fortschritt setzen.
Wer diesen bremst - und das auch noch im Namen der Ökologie-, der versündigt sich an einer gesunden Umweltpolitik. Deswegen müssen wir ihn darauf hinweisen, daß eine solche Politik von uns nicht mitgetragen werden kann.
Meine Damen und Herren, wird werden dem Haushalt des Bundeskanzleramts zustimmen.
Wir werden eine konsequente Politik betreiben - wie Max Weber sagt, mit Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß - und zwar im Sinne unserer Bürger. Wir werden auch unpopuläre Maßnahmen ergreifen, wenn wir davon überzeugt sind, daß sie notwendig sind.
Die Opposition hat nun die Wahl: Wird sie diesen Prozeß konstruktiv begleiten, oder will sie ihn über ihre Mehrheit im Bundesrat blockieren und behindern? Der Wähler wird sehr genau empfinden, was er dann davon zu halten hat. Das ist dann auch Ihre Verantwortung, aus der Sie sich nicht herausstehlen können. Wir werden jedenfalls dann darauf hinweisen, in welcher Weise Sie sich verhalten haben. Das wird dann die Grundlage für die späteren Wahlentscheidungen sein.
Vielen Dank.