Rede von
Eckart
Kuhlwein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Berichterstatter zum Einzelplan 05 darf ich vielleicht in dieser Debatte auch ein bißchen über Zahlen sprechen. Ich stelle bei den Beratungen zu diesem Einzelplan fest: Der Bundesaußenminister ist ganz schön gerupft worden. Der Einzelplan 05 gehört zu den wenigen Einzelplänen mit negativem Wachstum. Die Koalition tat in den Haushaltsberatungen noch einiges mehr, um ihn an dieser oder jener Stelle als Sparbüchse zu nutzen. Nun wissen wir alle, daß Zahlenspiele im Zusammenhang mit Einzelplänen relativ sein können. Aber der Eindruck ist dennoch nicht verfehlt, daß es dem Bundesaußenminister - da muß man sich ja diplomatisch ausdrücken - offenbar an Durchschlagskraft und Stehvermögen fehlt, im Kontext des Kabinetts genauso wie in den vielen Reaktionen der letzten Wochen nach außen.
Eckart Kuhlwein
Das hat wahrscheinlich mit der Schwäche der Partei zu tun, die er vertritt. Über diese Schwäche kann auch der Pyrrhussieg nicht hinwegtäuschen, den die F.D.P. im koalitionsinternen Kampf gegen die Energiesteuer errungen hat. Wir werden uns im Herbst dieses Jahres mit großem Interesse ansehen, welche Sparbeiträge Herr Kinkel, Herr Rexrodt und Frau Leutheusser-Schnarrenberger aus ihren Ressorts zur Finanzierung des Milliarden-Kohlelochs im Bundeshaushalt aufzubringen haben. Denn die Rache von Herrn Waigel an denen, die er „Klugscheißer" - Adelige oder nicht - genannt hat, scheint mir gewiß zu sein.
Der Bundesaußenminister hat im Haushaltsausschuß die mit der Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen gewachsene Dienstleistungsfunktion des Auswärtigen Amtes betont und darauf hingewiesen, daß große Teile des Botschaftspersonals bereits als „Wirtschaftsberater" tätig seien. Nun kann man in der „Wirtschaftswoche" lesen:
Unser Schicksal - nach dem Ende des Kalten Krieges werden Diplomaten in aller Welt zu Handlungsreisenden für die heimische Wirtschaft.
Gleichzeitig kann man da auch nachlesen, daß sie das nicht so gerne machen und auch nicht so richtig können.
Meine Damen und Herren, ich habe nichts gegen einen solchen erweiterten Ansatz außenpolitischen Tuns; ich habe nur den begründeten Verdacht, daß über der Exportförderung zum Nutzen des Wirtschaftsstandorts Deutschland übersehen werden könnte, daß in Zukunft ökologische Probleme das Verhältnis der Staaten zueinander wesentlich starker bestimmen werden als klassische Diplomatie und Handelsbeziehungen. Der Heilbuttkonflikt z. B. zwischen zwei NATO-Partnern, zwischen Kanada und der Europäischen Union, ist mit Wirtschaftsberatung ebensowenig zu lösen wie mit militärischem Sicherheitsdenken, und die drohende Klimakatastrophe erforderte in den Botschaften eher Ökologie-Attachés als Anlageberater.
Wer hat den Bundesaußenminister eigentlich neulich bei seinem jüngsten Besuch in den Golfstaaten daran gehindert, im Vorfeld des Berliner Klimagipfels den einen oder anderen unserer international bedeutenden Klimaforscher mitzunehmen, um in der OPEC, gut begründet, für ein wirksames Klimaprotokoll zu werben, damit die Veranstaltung in Berlin, zu der immerhin wir eingeladen haben, vielleicht doch noch ein Erfolg werden könnte? Er hat nicht auf der Rechnung gehabt, daß es auch seine Aufgabe wäre, sich in diesen Fragen international zu engagieren.
Es ist richtig, wir sollten mehr Verantwortung in der Welt wahrnehmen, wie das seit dem Zusammenbruch des Ostblocks für Deutschland immer wieder eingefordert wird aber das heißt mehr als die Vertretung nationaler ökonomischer Interessen, und das heißt auch nicht die permanente Suche nach neuen Aufgaben für die Bundeswehr, meine Damen und Herren.
Verantwortung muß das Auswärtige Amt als Außenvertretung der Bundesrepublik Deutschland in der Welt vor allem für Umwelt, Entwicklung und Menschenrechte wahrnehmen.
Wie ungleich noch immer die Gewichte der Außenpolitik verteilt sind, macht der von Anfang an verkorkste UNO-Einsatz in Somalia deutlich. Für die UN-Friedenstruppen müssen wir in diesem Haushalt noch einmal 56 Millionen Dollar aufbringen. Die Kosten für den Einsatz des deutschen Unterstützungsverbandes belaufen sich auf 310 Millionen DM. Davon hatte die UNO uns bis Ende Februar gerade 60 Millionen DM erstattet. Am Ende wird das Ganze ein teures Manöver im Wüstensand gewesen sein, das uns wenig neue Erkenntnisse und Somalia keine Hilfe gebracht hat.
Gleichzeitig werden für humanitäre Hilfsmaßnahmen im Ausland außerhalb der Entwicklungshilfe in allen übrigen Ländern der Welt ganze 76,5 Millionen DM im Haushalt zur Verfügung stehen. Und ich weiß mich mit den Vertretern vieler Hilfsorganisationen einig: Ziviler Friedensdienst ist sehr viel preiswerter und effektiver als mißglückte Beschäftigungstherapie für Soldaten, die sich langweilen, aber gar nicht wissen können, wie man wo Brunnen baut oder Schulen dauerhaft einrichtet. Ich bin der Meinung, jeder sollte das tun, was er besonders gut kann. Dann werden die finanziellen Mittel auch ökonomischer eingesetzt, als das bei solchen Einsätzen geschehen ist.
Ich würde mir auch wünschen, daß diese Bundesregierung beim Einsammeln und Unschädlichmachen des Rüstungsschrotts aus dem Kalten Krieg genauso eifrig vorginge wie beim Ausstattungsprogramm für die neuen Krisenreaktionskräfte. Ein löblicher Haushaltstitel für die Abrüstungshilfe bei ehemals sowjetischen Massenvernichtungswaffen sah 15 Millionen DM vor; die Koalition hat dann noch einmal 2 Millionen DM gestrichen. Wir sind für diesen Ansatz in der alten Höhe gewesen, wenden uns allerdings dagegen - das spielte auch auf dem Berliner Klimagipfel heute eine Rolle -, daß die Plutoniumaufarbeitung, die in Deutschland nicht mehr gewollt wird, auf diese Weise nach Rußland exportiert wird.
Wir wissen, daß die USA 1,2 Milliarden Dollar für die Abrüstungshilfe bei Massenvernichtungswaffen zur Verfügung gestellt haben, daß Großbritannien 70 Millionen DM zahlen und sich Frankreich mit 40 Millionen DM im Jahr beteiligen will. Ich frage den Außenminister, ob die 13 Millionen DM der „Schwerpunkt" sind, den er noch im Dezember 1993 in seiner Zehn-Punkte-Initiative versprochen hat, ob das die Wahrnehmung internationaler Verantwortung ist, wenn wir wissen, daß noch immer 30 000
Eckart Kuhlwein
nukleare Sprengköpfe in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion lagern, daß der internationale Plutoniumschmuggel blüht und daß die Gefahr droht, daß weitere Staaten zum Atomwaffenrisiko werden.
Am deutlichsten wird das Ungleichgewicht zwischen zivilen und militärischen Instrumenten der Außenpolitik an den heute schon erwähnten Meko-Fregatten. Während sich das Auswärtige Amt erfolgreich bemüht hat, 5 Millionen DM Hilfe für Mostar - friedliche Hilfe, Polizeibeamte, Herr Kollege Riedl - in einen anderen Haushalt zu verweisen, ist das bei diesem Titel nicht gelungen, obwohl sich die Berichterstatter mit dem Auswärtigen Amt einig waren, daß dieser Ansatz im Haushalt des Auswärtigen Amtes eher riskant zu sein scheint. Sie haben sich bemüht, ihn woanders unterzubringen. Wir haben sehr früh gesagt: Wir wollen ihn gar nicht haben.
Der Außenminister ist darauf sitzengeblieben. Er wird sich deswegen zurechnen lassen müssen, welche politischen Konflikte daraus entstehen. Es ist versucht worden, das als Werfthilfe umzudeklarieren. Da stand im ersten Haushaltsentwurf sehr sibyllinisch: Unterstützung eines NATO-Partners bei der Durchführung eines Marineprojekts. Erst die Berichterstatter haben in den zusätzlichen Erläuterungen erfahren, daß es um zwei Meko-Fregatten geht, die die Türkei bekommen soll, weil der Bundeskanzler sie der türkischen Ministerpräsidentin versprochen hat.
Das mit der Werfthilfe war nicht durchzuhalten, weil Werfthilfe nach dem EU-Vertrag in Brüssel angemeldet werden müßte. Das ist aber nicht geschehen und ist auch bis heute nicht geschehen, Herr Hoyer. Ich weiß nicht, wo Herr Kinkel ist; schade, daß er nicht mehr da ist.
- Der Auswärtige Ausschuß müßte eigentlich heute hier mitversammelt sein, wenn wir dessen Haushalt beraten.
Herr Hoyer, so geht es jedenfalls nicht. Sie hätten inzwischen klären können wir haben Sie in der Fragestunde darauf hingewiesen -, wieso diese Werfthilfe in Brüssel nicht angemeldet ist. Brüssel hätte sie wahrscheinlich auch nicht genehmigt.
Meine Damen und Herren, weil das mit der Werfthilfe nicht hinhaut, ist und bleibt die Meko-Subvention Rüstungshilfe.
Dabei hatte doch die Bundesregierung schon 1992 entschieden, sämtliche Rüstungshilfen auch an die Türkei einzustellen. Diese Entscheidung der Bundesregierung damals hat - darüber ist ja heute schon mehrfach geredet worden - in den letzten Monaten zusätzliche Begründungen erhalten. Der Bundesaußenminister hat sich davon in der vergangenen Woche überzeugen können.
- Ich weiß nicht, wo er ist. Mir wurde eben zugerufen, er sei im Auswärtigen Ausschuß. Aber ich kann mir schlecht vorstellen, daß der Auswärtige Ausschuß tagt, während wir hier den Haushalt desselben beraten. Wo ist Herr Kinkel?
- Im Bundesratsausschuß, aha.
Gut, aber es gehört eigentlich zum guten Stil des Hauses, daß den Geschäftsführern der Fraktionen Bescheid gesagt wird, daß der zuständige Minister aus wichtigem Grund entschuldigt ist und nicht da sein kann, damit ich als Redner nicht irritiert sein muß: Ich rede mit Herrn Kinkel, und er ist gar nicht da.