Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Verteidigungsetat zeigt in der Tat eine Trendwende. Der Abwärtstrend ist gestoppt, und ich glaube, nach den großen Einsparungsleistungen der Soldaten und der Streitkräfte ist das eine gute und richtige Entscheidung, ein wichtiger Etat für die Soldaten und für die Bundeswehr.
Entscheidend ist, daß wir das versprochene sichere finanzielle Fundament für die nächsten Jahre haben, auf dem die Bundeswehrplanung durchgeführt werden kann.
Kollege Breuer hat schon deutlich gemacht, daß es um fast eine Halbierung des Bundeswehretats, gemessen am Gesamtetat in den letzten fünf Jahren, geht. Ich will es in absoluten Zahlen sagen, um deutlich zu machen, welche gewaltige Friedensdividende es in Deutschland durch den Abbau der politischen Spannungen zwischen Ost und West und auch durch die deutsche Wiedervereinigung gegeben hat.
Wir hatten 1989/90 einen Bundeswehretat West von ungefähr 55 Milliarden DM, und wir haben fünf Jahre später für die gesamtdeutschen Streitkräfte einen Etat von rund 48 Milliarden DM. Wenn die Konfrontation weitergegangen wäre, hätten wir einen Bundeswehretat West von deutlich über 60 Milliarden DM gehabt. Sie müssen die Ausgaben für die Nationale Volksarmee natürlich auch als militärische Lasten für das deutsche Volk berechnen. Das kann ich im Augenblick gar nicht quantifizieren. Um welche gewaltige Leistung es geht und wie sehr wir auch von dem politischen Fortschritt in Europa profitieren, wird an der Tatsache deutlich, daß wir heute mit 47,9 Milliarden DM die Streitkräfte in ganz Deutschland finanzieren. Hier zeigt sich eine gewaltige Friedensdividende.
Aber diese Mittel sind auch notwendig; denn obwohl sich die strategische Lage Deutschlands verbessert hat, gibt es neue Konflikte und neue Herausforderungen.
Die Sozialdemokraten haben eine schwierige Diskussion in ihrer Fraktion. Ich habe schon zu Oppositionszeiten der CDU/CSU-Fraktion angehört, und ich erinnere mich daran, daß wir Ende der 70er Jahre nach einer schwierigen Debatte einmal dem Verteidigungsetat zugestimmt haben, um ein Signal an die Soldaten zu geben. Deswegen sage ich: Ihre Verteidigungspolitiker und auch die Haushaltspolitiker haben in der Fraktion einen ehrenwerten Kampf gekämpft; sie sind unterlegen, und es ist unverantwortlich, bei diesem knappen Etat den Soldaten noch einmal Einsparungen von über 600 Millionen DM zuzumuten.
Wenn ich das mit der Debatte über das Bundeswehrreformkonzept vergleiche, darf ich sagen, daß ich sehr dankbar dafür bin, daß die Debatte sehr sachlich geworden ist.
Auf eine Woche kommt es im übrigen bei den Stellungnahmen zum Ressortkonzept nicht an. Mir kommt es darauf an, daß die Soldaten Ende Mai/Anfang Juni Klarheit haben. Sie müssen wissen, wo es langgeht. Aber wenn es Schwierigkeiten in der Stellungnahme gibt, kommt es wirklich nicht auf eine Woche an. Insgesamt war das also eine sachliche Debatte.
Aber was nicht angeht, ist, daß die Sozialdemokraten hier im Bundestag weitere Kürzungsanträge stellen und draußen im Lande gegen jede einzelne Schließung mobilisieren. Das paßt nicht zusammen.
Sie wollten ja auch eine Bundeswehr von 300 000 Mann. Das hätte das Doppelte und Dreifache an Schließungen von Standorten bedeutet. Ich möchte auch noch erwähnen, daß mich die ersten Stellungnahmen der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein - inzwischen ist sie sachlicher geworden - fast vom Stuhl gehauen haben. Sie hat wirklich um jeden Standort gekämpft, und das auch als Sprecherin einer Partei, die 1989 einen Parteitag durchgeführt hat, auf dem sie beschlossen hat,
Bundesminister Volker Rühe
daß ihre Vision ein Deutschland ohne Streitkräfte sei. Aber fast alle Standorte in Schleswig-Holstein sollen erhalten bleiben. Ich glaube, wir brauchen eine klare Linie und Glaubwürdigkeit.
- Lesen Sie einmal nach. Das ist die Vision.
Ich muß, was die Bundeswehrreform und die Krisenreaktionskräfte angeht, liebe Frau Beer - es wird ja noch immer viel Unsinn geredet, von wegen Interventionsarmee und ähnlicher Blödsinn -, auch sagen: Die erste und vornehmste Aufgabe der Krisenreaktionskräfte - sie sind die präsentesten Teile der deutschen Streitkräfte; es müssen nicht mehr alle auf dem Sprung stehen - ist es, die Landesverteidigung sicherzustellen. Die zweite Aufgabe ist die Bündnisverteidigung. Erstmals werden wir in der Lage sein, die Solidarität, die wir über Jahrzehnte genossen haben, zurückzugeben.
Dazu kommen die Aufgaben etwa im Auftrage der Vereinten Nationen.
Ich kann es den GRÜNEN nicht ersparen, auch hier im Bundestag einmal deutlich zu machen, wie schizophren ihre Position und wie notwendig es ist, Klarheit zu schaffen. Im Ausschuß hat Frau Kollegin Beer sehr bewegend und auch innerlich bewegt von einem Besuch in Sarajevo, von der verzweifelten Lage der Menschen dort, berichtet. Ihre innere Bewegung war sehr glaubwürdig. Sie hat deutlich gemacht, wie wichtig die Soldaten für die Bevölkerung sind, daß sie eigentlich die einzige Hoffnung sind und daß es davon mehr geben müßte.
Als ich gefragt habe: „Sollen das Bundeswehrsoldaten sein?", war im Grunde genommen die indirekte Antwort: Das nicht, aber Franzosen könnten es schon sein.
Ich warte auf den Antrag der GRÜNEN, daß der Deutsche Bundestag beschließen möge, daß die französischen Soldaten in Sarajevo verstärkt werden sollen. Diese Antwort zeigt, wie unglaubwürdig eine solche Politik ist.