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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/31 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 31. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 30. März 1995 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 2321 A Erweiterung der Tagesordnung . . . 2439 D Tagesordnungspunkt II: Wahl des Wehrbeauftragten (Drucksache 13/1000) . . . . . . . . . . 2321 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995 (Haushaltsgesetz 1995) (Drucksachen 13/50, 13/414) Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 13/504, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 13/505, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 13/514, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Rudolf Scharping SPD 2322 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 2333 D Otto Schily SPD 2344 C Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2344 D Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . 2349 A Michael Glos CDU/CSU 2349 C Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . 2349 D Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2354 C Dr. Gregor Gysi PDS 2354 C I fans Klein (München) CDU/CSU . . 2357 D Jochen Feilcke CDU/CSU 2358 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 2360 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 2369 B Michael Glos CDU/CSU 2375 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 2379 D Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . 2384 B Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2386 D Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 2389 A Günter Verheugen SPD 2391 B Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . 2395 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . 2396 D Ulrich Irmer F.D.P 2397 D Günter Verheugen SPD . . . . . . 2398 B Eckart Kuhlwein SPD 2399 D Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA . 2401 D Eckart Kuhlwein SPD . . . . . . . . . 2401 D Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . 2403 A Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 2403 C Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 2406 B Paul Breuer CDU/CSU 2409 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2411 A Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . 2412 B Ulrich Heinrich F.D.P. 2412 D Jürgen Koppelin F.D.P 2413 B Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 2415 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2416 C Norbert Gansel SPD 2417 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 2418 C Dr. Emil Schnell SPD 2421 A Armin Laschet CDU/CSU . . . 2422 B, 2431 B Michael von Schmude CDU/CSU . . . 2424 C Wolfgang Schmitt (Langenfeld) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2425 D Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 2427 B Dr. R. Werner Schuster SPD . . . . 2428 C Karl Diller SPD 2429 B Eckart Kuhlwein SPD 2429 C Dr. Ingomar Hauchler SPD 2430 A Dr. Winfried Pinger CDU/CSU . . . 2430 D Dr. Willibald Jacob PDS 2431 C Eckart Kuhlwein SPD (Erklärung nach § 31 GO) 2439 A Namentliche Abstimmungen . . . 2433 C, 2436 C Ergebnisse . . . . . . . . . . . 2433 C, 2436 C Haushaltsgesetz 1995 (Drucksachen 13/528, 13/529, 13/966) . . . . . . . 2439 B Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1994 bis 1998 (Drucksachen 12/8001, 13/530) . . . . . . . . . . 2439 C Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Initiative zum Karabach-Konflikt (Drucksache 13/1029) 2439 D Vizepräsident Hans Klein 2441 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2441 C Tagesordnungspunkt VI a: Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Francke (Hamburg), Peter Kurt Würzbach und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Karsten D. Voigt (Frankfurt), Uta Zapf und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Dr. Olaf Feldmann und der Fraktion der F.D.P.: Unbefristete und unkonditionierte Verlängerung des Nichtverbreitungsvertrages zu dem Antrag der Abgeordneten Andrea Lederer, Heinrich Graf von Einsiedel und der weiteren Abgeordneten der PDS: Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Nichtverbreitung von Kernwaffen zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Beer, Ludger Volmer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Reform und Stärkung des Nichtweiterverbreitungsvertrages für Atomwaffen und das Mandat der Bundesregierung für die Verlängerungskonferenz in New York (Drucksachen 13/398, 13/429, 13/537, 13/838) Uta Zapf SPD 2440 B Klaus Francke (Hamburg) CDU/CSU . 2441 D Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2442 B Dr. Olaf Feldmann F.D.P 2443 A Andrea Lederer PDS 2443 C Helmut Schäfer, Staatsminister AA . . 2444 C Nächste Sitzung 2445 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2447* A 31. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 30. März 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 30. 03. 95 Blunck, Lilo SPD 30. 03. 95 Büttner (Ingolstadt), SPD 30. 03. 95 Hans Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 30. 03. 95 Hartmut Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Hartenstein, Liesel SPD 30. 03.95 Heym, Stefan PDS 30. 03. 95 Meißner, Herbert SPD 30. 03. 95 Scheel, Christine BÜNDNIS 30. 03. 95 90/DIE GRÜNEN Tippach, Steffen PDS 30. 03. 95 Vergin, Siegfried SPD 30. 03. 95
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    Rede von Graf Heinrich von Einsiedel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht hundert Jahre alt, ich bin jünger.

    (Birgit Homburger [F.D.P.]: Sehen aber so aus!)

    - Vielleicht sehe ich so aus, aber Gott sei Dank oder leider war ich alt genug, als Heranwachsender, wie so viele Hunderttausende, ja, Millionen meiner Altersgenossen ein Opfer jenes geistigen und politischen Klimas zu werden, in dem wir für den nächsten Waffengang eingestimmt und abgerichtet wurden und dessen herausragendster Repräsentant eben jener Ernst Jünger war, der gestern und überhaupt in den letzten 10, 15 Jahren wieder so sehr gefeiert und ausgezeichnet wird.
    Ist das ein Zufall? Klimaveränderungen sind bekanntlich schwer nachzuweisen. Die Wiederentdekkung dieses Verherrlichers des Krieges ist für mich jedoch ein nicht zu übersehendes Indiz für die Veränderung des geistigen Klimas, in dem wir leben,

    (Beifall des Abg. Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    des Klimas, das Jünger noch vorgestern ein fellachoides-atheistisches Zeitalter nennt. Ihm fehlen die heroischen Stahlgewitter. Nicht nur ihm. So mancher ehemals linker - in Jüngers Augen fellachoider - Libertiner, der plötzlich entdecken mußte, daß die Propheten, an die er geglaubt hat, nur Gespenster waren, springt auf den neuen nationalen Transrapid und bindet den Helm fester - was der Herr Bundespräsident auch immer gegen das Trittbrettfahren haben mag.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Was hat das alles mit Außen- und Militärpolitik zu tun, mögen Sie fragen? Nun ja, wir feiern demnächst den 50. Jahrestag der Befreiung, einer Befreiung, die wir uns ziemlich viel haben kosten lassen. Allein in den neun Monaten nach dem 20. Juli 1944, als ein paar verantwortungsbewußte Leute vergeblich versucht hatten, Deutschland von Hitler zu befreien, sind 4,8 Millionen Deutsche ums Leben gekommen, 16 000 pro Tag, jeden Tag zehnmal so viel wie an jedem Tag der fünf Jahre Krieg bis dahin. Wer war alles mitschuldig durch Unterlassen, durch Weggukken? Ich bitte sehr um Entschuldigung, wenn ich in diesem Zusammenhang nur von den deutschen Toten rede, denn auf seiten unserer Befreier sind auch noch Millionen gefallen, und Hunderttausende wurden in dieser Zeit noch ermordet. Es war verdammt schwer, uns zu befreien.
    Wir gedenken dieses Tages der Befreiung, einer Befreiung wider Willen. Aber die Versuchung ist groß - und ihr wird auch kräftig nachgegeben -, diesen 50. Jahrestag zu einer neuen Art von „Tag von Potsdam" umzufunktionieren, in einen Tag der nationalen Wiedergeburt.
    Eine Übertreibung? Lesen Sie die Papiere des Generalinspekteurs der Bundeswehr über die neuen Herausforderungen:
    Zum erstenmal seit 300 Jahren erleben wir die Gunst, nicht mehr Gegenstand externen Drucks zu sein.
    So jubelt der General. Und weiter:
    Zum erstenmal haben wir die Chance, politischer Akteur zu sein.
    Man glaubt, nicht recht zu lesen. Zwei Weltkriege verloren, in denen sich eine Welt gegen die deutschen imperialistischen Expansionsgelüste verschworen hatte, gegen den Druck, den wir auf alle Nachbarn ausgelöst hatten, in denen wir zweimal bis Rostow und darüber hinaus marschiert sind, bis alles in Scherben fiel, und in denen wir einmal Paris fast und einmal ganz Frankreich erobert haben!
    Im Geschichtsbewußtsein des Generals existiert das alles offenbar nicht. Im Gegenteil, er entwickelt globale militärische Verantwortung für Deutschland wie einst Wilhelm II. Man könnte meinen, er möchte auch gerne einmal die Uhren in Peking richtigstellen.
    40 Jahre lang wurden im Kalten Krieg ungeheure Summen in militärische Sicherheit gegenüber dem Warschauer Pakt investiert. Stolz schlägt man sich auf die Schulter, die Sowjetunion totgerüstet zu haben, und gesteht damit ungewollt ein, daß die Bedrohung wohl doch nicht so einseitig war, wie man uns Jahrzehnte lang gerne glauben ließ. Nun ist der Warschauer Pakt verschwunden, die Sowjetunion aufgelöst, Rußland auf seinen Territorialbesitz von vor 300 Jahren zurückgeworfen, Deutschland umzingelt von Nachbarn, die Verbündete oder Freunde sind, obwohl man sie nicht immer so behandelt wie Freunde - Herr Scharping hat dazu schon einiges gesagt -, aber immerhin umzingelt von Freunden.
    Man sollte meinen, wir könnten die Verteidigungsausgaben allmählich sozialverträglich zurückführen. Aber nein, wir sind ja wieder wer, nach General Naumann nun nicht mehr im Maschinenraum, sondern auf der Brücke des Dampfers UN, KSZE, NATO, EU usw. Ich kann bloß sagen: Hoffentlich ist es nicht die Titanic, die, Volldampf voraus, vermeintlich unsinkbar, auf die Eisberge zurast, die unsere Sicherheit tatsächlich bedrohen: die Klima- und Umweltkatastrophen, die drohenden nuklearen GAUS, die Überbevölkerung, die Kluft zwischen den Reichen, die im-

    Heinrich Graf von Einsiedel
    mer weniger und immer reicher werden, und den Armen, die immer mehr und immer ärmer werden, in Deutschland, in Europa, in Amerika und erst recht weltweit.
    Ich weiß, in den Augen der Mehrheiten dieses Hauses ist das reine Panikmache. Wir leben ja in der besten aller Welten. Aber das hat Europa auch zu Beginn dieses Jahrhunderts geglaubt und stürzte doch ab in die Barbarei des Weltkrieges. Der antiquierte Satz: „Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor" hatte sich umgekehrt. Der Krieg wurde so lange vorbereitet, bis er zwangsläufig ausbrach.
    Ich war zugegebenermaßen auf der Schule nicht besonders stark in Latein. Aber soviel meine ich mich doch noch zu erinnern: Der Krieg ist die Ultima ratio, das letzte Mittel. So lernten wir das damals. Bei General Naumann müssen wir umlernen: das äußerste, keineswegs das letzte Mittel. Was da der Unterschied ist, verschweigt er - wahrscheinlich der atomare Untergang.
    Im Krisenbogen von Marokko bis zum Indischen Ozean könnten sehr rasch militärische Schritte erforderlich sein, sagt der General. Wörtlich:
    Die den Einsatz von Streitkräften nahezu ausschließende und auf Reaktion als Verteidiger beschränkende Situation der nuklearen Konfrontation ist aufgehoben. Gefordert ist neue strategische Aktion bis hin zur Prävention.
    Der alte Bismarck würde im Grabe rotieren, wenn er das läse.
    Es gibt Kollegen und Kolleginnen sogar bei der SPD, die so etwas „militärisches Maulheldentum" nennen. So weit will ich gar nicht gehen. Aber die Alarmglocken müssen doch schrillen, wenn der oberste Repräsentant unserer Streitkräfte solche Töne anschlägt. Gut, er bestimmt Gott sei Dank noch nicht die Richtlinien in der Politik. Aber wenn er deswegen nicht sofort in die Wüste geschickt wird, dann kann er sich doch damit nicht allzuweit von den internen Richtlinien und Zukunftsperspektiven dieser Regierung entfernt haben.
    Wer wollte es bestreiten: Das größere Deutschland hat auch eine größere Verantwortung. Aber werden wir dieser Verantwortung gerecht, wenn wir der viertgrößte Waffenexporteur sind, über eine der modernsten Armeen verfügen und dennoch Unsummen für die Entwicklung und Beschaffung neuer Waffensysteme auszugeben bereit sind? Unsummen, die an anderen Stellen weitaus sinnvoller eingesetzt werden könnten?
    Würde es uns nicht viel besser anstehen, wenn wir die Vorreiter in der Entwicklungshilfe, im Umwelt-und Klimaschutz, bei weltweiten humanitären Aktionen wären? Ist statt einer Streitmacht von 50 000 Mann Krisenreaktionskräften nicht auch ein humanitäres Hilfskorps denkbar, wenn es auch nur 25 000 Mann wären?

    (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Wie das die SED gemacht hat?)

    - Kommen Sie mir doch nicht mit der SED!

    (Beifall bei der PDS sowie des Abg. Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Ich war nicht in der SED. Schon vor 46 Jahren habe ich die DDR und auch die SED kritisiert; ich brauche dem nichts mehr hinzuzufügen. Kommen Sie mir doch nicht mit dieser alten Leier. Sie können die PDS doch nicht mit der SED gleichsetzen. Gucken Sie doch einmal, wie alt diese Menschen sind!

    (Beifall bei der PDS Eduard Oswald [CDU/CSU]: Einige sind im Geiste sehr alt geblieben!)

    - Also ich nicht.
    Wir haben an zwei Verbündete, nämlich an Griechenland und die Türkei, für Milliarden DM Waffen und Militärausrüstung geliefert, an zwei Staaten, die schon militärische Zusammenstöße hatten und jedenfalls in einem großen Spannungsverhältnis zueinander stehen.
    In meinen Augen ist die Türkei in viel höherem Maße ein Unrechtsstaat, als es die DDR gewesen ist. Herr Rühe sagte mir, ich sollte noch einmal darüber nachdenken. Nach seinen eigenen Worten aber erfüllt die Türkei nicht einmal die Voraussetzungen eines NATO-Beitrittskandidaten, schon deshalb, weil sie neue Konflikte in die Allianz trägt, indem sie sich unfähig erweist, die Minderheitenprobleme im eigenen Lande unter Beachtung der Menschenrechte zu lösen. Zudem fragt sich nach den Übergriffen gegen die Alawiten, ob sie noch ein Bollwerk gegen Fundamentalisten ist.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Dieser Staat ist im Innern weder eine Demokratie noch ein Rechtsstaat. Die Türkei ist ein Staat, der in ein anderes Land einfällt mit Begründungen, die verdammt jenen ähneln, mit denen Hitler-Deutschland Polen überfiel.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Unser Außenminister versichert uns, es lasse sich nicht nachweisen, daß die von uns gelieferten Waffen eingesetzt würden. Ja, will er das denn überhaupt?

    (Bundesminister Dr. Klaus Kinkel: Ja, er will es!)

    Erst kurz vorher sind die Waffen geliefert worden. Da schon müssen Sie doch gewußt haben, was für ein Staat die Türkei ist und wie dort mit Kurden umgegangen wird.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Jetzt auf einmal sind Sie überrascht; Herr Poppe hat das dankenswerterweise klar gesagt.
    Wenn die Waffen nicht gegen die Kurden im Irak eingesetzt werden, so werden sie doch in jedem Fall

    Heinrich Graf von Einsiedel
    an anderer Stelle eingesetzt. So leicht können Sie sich nicht aus der Verantwortung herauszuschwindeln.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Jetzt hat die Bundesrepublik die militärische Hilfe ein bißchen gestoppt. Der Deckel wird auf den Brunnen gelegt, doch das Kind liegt schon im Brunnen: Die Türken sind schon im Irak. Das ist Konfliktbereinigung made in Germany, made by Kinkel.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Die Außen- und Sicherheitspolitik dieser Regierung ist nicht konzeptionslos, wie Herr Scharping gesagt hat. Sie läßt einen klaren Trend zu militärisch abgesicherter Großmachtpolitik erkennen. Sie läßt erkennen, daß die herrschenden Kreise dieses Land nicht für saturiert halten, was Bismarck einmal vom Deutschen Reich angenommen hatte. Vielmehr streben sie wieder eine Weltmachtposition an, eine Neuordnung mindestens Europas unter deutscher Führung.
    Diesen Kurs werden wir mit all unseren Kräften bekämpfen und anprangern; denn es ist, wie schon zweimal zuvor, ein Kurs in die Katastrophe.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Kollege Günter Verheugen (SPD).

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    Rede von Günter Verheugen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kennzeichen einer soliden Außenpolitik sind Kontinuität und Berechenbarkeit. Lieber Herr Kinkel, davon sind Sie ziemlich weit entfernt. Das einzige, was an Ihnen berechenbar ist, sind Ihre Bundestagsreden. Die kennen wir schon seit drei Jahren.

    (Beifall der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD])

    Wenn Ihnen aber einmal etwas Neues einfällt, ist es nicht so gut.
    Wenn gerade Sie anderen sagen, sie sollten nicht die Backen aufblasen, wirkt es schon etwas komisch; denn der Posaunenengel mit den dicken Backen auf der internationalen Bühne sind doch wohl Sie, nicht wir.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir leben in unruhigen Zeiten. Das Wort von der neuen Unübersichtlichkeit gilt ganz besonders für die internationale Politik. Der Epochenwechsel wirkt noch immer nach, mit neuen Erschütterungen. Das wird sich so schnell nicht ändern. Gerade dann aber, wenn internationale Entwicklungen schwer vorhersehbar sind, kommt es auf präzise Leitlinien und klare Maßstäbe an.
    Die Regierung nimmt für sich in Anspruch, daß sie diese Maßstäbe hat: Frieden, Menschenrechte und Demokratie. Was aber tun Sie für den internationalen Frieden?
    Die Regierung müßte mit allem Nachdruck die Vereinten Nationen stärken. Was Sie da aber machen - Sie antichambrieren um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat.

    (Beifall bei der SPD)

    Und wenn die Vereinten Nationen etwas wollen, sagen Sie nein. Die Bitte des Generalsekretärs, ihm ständig verfügbare deutsche Bereitschaftskräfte für friedenserhaltende Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, haben Sie nicht erfüllen wollen.
    Friedenssicherung verlangt heute in erster Linie, eine Politik der frühzeitigen Erkennung von Konflikten, der Konfliktvorbeugung, der Konfliktursachenbekämpfung und der friedlichen Streitbeilegung zu betreiben. Es geschieht aber nicht. Wie die Regierungen anderer reicher Industriestaaten auch trägt diese Regierung dazu bei, daß sich die große, globale Krise, deren Wurzel die ungerechte Verteilung des Wohlstandes in der Welt ist, immer weiter aufbaut.
    Oder die Menschenrechte. Der Außenminister rühmt sich gerne seines Einsatzes für die Menschenrechte, und ich glaube ihm auch, daß er sich bei seinen hektischen Reisen um humanitäre Einzelfälle kümmert. Aber wie war es mit Tschetschenien? Wie lange hat die Bundesregierung gebraucht, bis sie endlich unter massivem öffentlichem Druck den russischen Krieg gegen die Tschetschenen als Menschenrechtsfrage erkannt hat?

    (Beifall bei der SPD)

    Oder die Türkei. Es ist doch nicht erst seit der türkischen Invasion in dem Norden des Irak bekannt, daß die türkische Regierung der kurdischen Bevölkerung elementare Menschenrechte verweigert. Trotzdem hat diese Bundesregierung dieses Land immer weiter mit Rüstungsgütern versorgt.
    Oder Demokratie. Die Festigung demokratischer Strukturen in der Welt ist ganz bestimmt das wirkungsvollste Instrument zur Sicherung des internationalen Friedens und zum Schutz der Menschenrechte, aber die Beiträge der Bundesregierung zur Demokratisierungshilfe, ablesbar in dem Haushalt, der heute hier vorliegt, sind lächerlich gering.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS])

    Es ist leider wahr, die derzeitige deutsche Außenpolitik wird ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht; sie ist allenfalls selbstgerecht. Mal tritt sie kraftmeierisch auf, mal leisetreterisch. Sie ist unsensibel gegenüber anderen Staaten und Völkern, selbst gegenüber unmittelbaren Nachbarn wie Polen und der Tschechischen Republik.
    Erst nach der alarmierenden Rede des tschechischen Präsidenten und von der Opposition im Bundestag dazu gezwungen, hat der Außenminister eine Regierungserklärung zu den deutsch-tschechischen Beziehungen abgegeben.

    (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und sie war dann auch entsprechend!)


    Günter Verheugen
    Sie blieb in einer entscheidenden Frage der Geste für tschechische Naziopfer engherzig, kalt und kleinkariert.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Zur Nichteinladung des polnischen Präsidenten zu den Feierlichkeiten am 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa ist hier schon viel gesagt worden, aber diese, wie ich finde, fatale Taktlosigkeit gehört in einen ganz bedenklichen Zusammenhang. Hier drückt sich nämlich erneut das gespaltene Verhältnis der deutschen Konservativen zum Kriegsende aus.
    Wir alle erinnern uns ja noch an jene Peinlichkeit beim 40. Jahrestag, als der Bundeskanzler den damaligen US-Präsidenten genötigt hat, auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg an Gräbern der Waffen-SS vorbeizudefilieren. Die Folge war eine tiefe Störung der deutsch-amerikanischen Beziehungen.
    Jetzt hat der Bundeskanzler wissen lassen, er werde in Moskau nicht an Gedenkveranstaltungen zur deutschen Niederlage, aber auch nicht an Siegesfeiern teilnehmen. Das wirft die Frage auf, was der 8. Mai für diese Regierung ist.
    Ist die Kapitulation des Hitler-Regimes eine deutsche Niederlage oder die deutsche Befreiung gewesen? - Darauf hat der Ehrenvorsitzende der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion Alfred Dregger, unwidersprochen von seiner Partei und Fraktion, geantwortet. Ich zitiere ihn. Er nennt es „zynische Einseitigkeit unserer Nationalmasochisten", wenn man den 8. Mai als Tag der Befreiung von einem verbrecherischen System betrachtet, und für dieses System findet er auch eine Entschuldigung. Hitler, so meint Dregger,
    wäre nicht an die Macht gekommen, wenn es die Demütigung und die Unsinnigkeiten von Versailles nicht gegeben hätte.
    - Schuld waren also wieder einmal die anderen.
    Solche Töne aus einer Regierungsfraktion werden von unseren Nachbarn sehr genau registriert. Zur Mehrung unseres Ansehens und zur Versöhnung zwischen Völkern tragen sie nichts bei, im Gegenteil.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Die Uneinsichtigkeit der Ewiggestrigen von der Art des Herrn Dregger schafft neue Ängste und neues Mißtrauen.
    Wir hatten übrigens der Bundesregierung in der Debatte zur Regierungserklärung angeboten, mit den Fraktionen darüber zu reden, wie wir mit diesem schwierigen Gedenkjahr 1995 umgehen wollen. Das war im vergangenen Dezember. Das hat die Regierung in ihrer üblichen Selbstgefälligkeit überhört; jetzt ist der Scherbenhaufen da, und wir alle dürfen ihn zusammenkehren.
    Meine Damen und Herren, der Bundespräsident hat unlängst eine bemerkenswerte Rede vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gehalten. Er hat dabei, bezogen auf die deutsche Außenpolitik, vom Ende des Trittbrettfahrens gesprochen. Ich fand diese Formulierung, gelinde gesagt, verunglückt, denn weder die Außenpolitik von Konrad Adenauer, noch die von Willy Brandt und Helmut Schmidt oder von Walter Scheel und Flans-Dietrich Genscher war Trittbrettfahren.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie war gestaltend, und ihre Ergebnisse wirken bis heute.
    Aber in dem, was hinter der verunglückten Formulierung steckt, hat der Bundespräsident wohl recht. Es gibt für unser Land keinen warmen Platz hinter dem Ofen, die Konflikte in der Welt betreffen uns unmittelbar. Ich will zu drei exemplarischen Konflikten etwas sagen.
    Die schwierigste und gefährlichste Lage zeigt sich im ehemaligen Jugoslawien. Dort droht offene, unmittelbare Kriegsgefahr. Wir sollten uns nichts vormachen, Herr Außenminister, die Bemühungen der Kontaktgruppe um eine politische Lösung sind praktisch gescheitert. Sie ist am Ende. Und da es wohl nur ganz wenige in diesem Hause gibt, die eine andere Möglichkeit sehen, als nach einer politischen Lösung zu suchen, kommt es jetzt darauf an, alles zu tun, um den neuen Ausbruch des Krieges zu verhindern. Da sehe ich drei Dinge, die nötig sind.
    Erstens. Das Waffenembargo muß bestehen bleiben, und es muß vor allen Dingen eingehalten werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich würde gern einmal wissen, was für Kenntnisse die Bundesregierung über die nach Bosnien strömenden Waffen hat und was sie eigentlich tut, damit dieser ständig anschwellende Strom versiegt.
    Zweitens. Die Rolle der Vereinten Nationen im ehemaligen Jugoslawien muß gestärkt werden. Die Diskussion über den Abzug von UNPROFOR war schädlich. Nützlicher wäre es gewesen, Präsenz und Stärke der UNO vor allen Dingen in Bosnien zu erhöhen.
    Drittens. Es muß weiter geredet und verhandelt werden. Da stimme ich mit der Bundesregierung ganz überein. So mühselig und frustrierend dieser Weg auch ist, es gibt keinen anderen.
    Aber schon jetzt läßt sich aus dem Chaos im ehemaligen Jugoslawien eines lernen: Es muß uns gelingen, die internationalen Systeme der Friedenssicherung so auszubauen, daß sie ihre Aufgabe wirklich erfüllen können.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Das gilt weltweit für die Vereinten Nationen und in Europa zusätzlich für die OSZE. Vorschläge dazu gibt es genug. Wir wünschen uns von unserer Regierung, von der Bundesregierung, daß sie eine Vorreiterrolle übernimmt, wenn es darum geht, wirkungsvolle Mechanismen zur Konfliktbewältigung zu entwickeln.

    Günter Verheugen
    Wer sich dieser Aufgabe nicht stellt, bleibt auch bei zukünftigen Krisen und Konflikten hilflos.

    (Beifall bei der SPD)

    Eine Bemerkung zu einem anderen aktuellen Konflikt, dem türkischen Krieg gegen die PKK im Norden des Irak. Ob dabei nun deutsche Waffen und Munition im Norden des Irak eingesetzt werden oder nicht - wobei ich übrigens gerne wissen möchte, Herr Kinkel, ob das Embargo, das Sie jetzt ausgesprochen haben, auch die für Mai vorgesehene Munitionslieferung einbezieht -, ist nicht entscheidend. Tatsache ist, daß die deutsche Rüstungshilfe dazu beigetragen hat und beiträgt, daß die Türkei glaubt, das Kurdenproblem mit Gewalt lösen zu können.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich widerspreche der These, man müsse gegenüber der Türkei ein Auge zudrücken, damit das Land nicht von fundamentalistischen Kräften überwältigt wird, so wie man früher, angeblich wegen der strategischen Bedeutung der Türkei im Ost-West-Konflikt, nicht so genau hinsehen wollte.
    Ich habe eine andere These: Je mehr Gewalt, desto mehr Terrorismus, je mehr Terrorismus, desto mehr Destabilisierung. Und eine instabile Türkei ist es, die durch den Fundamentalismus gefährdet ist, gefährdeter jedenfalls als eine Türkei, die ihre inneren Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen versucht.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Bei diesem Versuch der friedlichen Lösung sollten wir der Türkei auch großzügig helfen. Aber dazu, meine Damen und Herren, braucht man keine Fregatten oder Panzer, sondern Entwicklungsprojekte für die kurdischen Gebiete.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Ich erwarte von der Bundesregierung, daß sie unserem NATO-Partner Türkei unzweideutig klarmacht: Die NATO, zu der die Türkei gehört, und die Europäische Union, zu der sie eines Tages gehören möchte, sind Wertegemeinschaften, zu denen nur gehören kann, wer die Menschenrechte schützt und achtet.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Mit dem von der Bundesregierung jetzt vorgesehenen Aufschub von Rüstungslieferungen wird wenig erreicht. Das zeigt nur ein schlechtes Gewissen. Es gibt nur einen einzigen sauberen Weg: Schluß mit der Rüstungshilfe ohne Wenn und Aber!

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ich will noch einen dritten Konflikt ansprechen - auch Sie haben ihn erwähnt, Herr Kinkel -: Burundi. Dort kündigt sich dieselbe bedrohliche Entwicklung wie in Ruanda an. Genau davor ist seit Ausbruch des Mordens in Ruanda ständig gewarnt worden. Wenn eine Krise vorhersehbar war, dann diese!

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wenn das große Morden tatsächlich ausbricht, dann werden wieder alle erschüttert sein. Die grauenvollen Bilder werden uns aufwühlen. Große Hilfsaktionen werden anlaufen, die viel Geld kosten werden. Dann werden wir feststellen, daß weniger Geld, aber rechtzeitiges Handeln ungezählte Leben hätte retten können.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Bundesminister Dr. Klaus Kinkel: Was schlagen Sie denn vor?)

    Ruanda und Burundi sind kleine Länder und weit weg. Aber wer von Menschenrechten redet, muß dort handeln, und zwar rechtzeitig, wo es um das elementarste Menschenrecht überhaupt geht: um das Recht auf Leben.
    Ich jedenfalls mag die dröhnenden Phrasen von unserer gestiegenen Verantwortung in der Welt nicht mehr hören, solange da, wo man helfen könnte, einfach weggeschaut wird.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Bundesminister Dr. Klaus Kinkel: Bitte sagen, wie!)

    Wir sehen die Außenpolitik und die Entwicklungspolitik in einem großen und untrennbaren Zusammenhang. Deshalb möchte ich jetzt ein paar Bemerkungen zur Entwicklungspolitik machen, ausgelöst durch einen sehr interessanten Artikel in der uns nicht gerade nahestehenden „Welt" von vorgestern, in der eine beredte Klage aus dem Hause Spranger zu lesen war, wie wenig der Entwicklungshilfeminister in Wahrheit doch zu bestellen habe.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD): Wo ist der

    denn eigentlich?)
    Dem können wir voll und ganz beipflichten.
    Das Ergebnis ist auch bitter: Die Bundesregierung hat seit 1983 den Entwicklungshaushalt kontinuierlich heruntergefahren. Dieser Haushalt gehört mit zum Steinbruch einer verfehlten Finanzpolitik der Bundesregierung. Wie im nationalen, so gilt auch im internationalen Bereich ganz offenbar: Umverteilung von unten nach oben. Der Anteil der öffentlichen Entwicklungsleistungen ist von 0,48 % des Bruttosozialprodukts auf jetzt 0,3 % gesunken. Der Anteil des Einzelplanes 23 am Gesamthaushalt fiel von damals 2,2 % - ich spreche von 1983 - auf jetzt knapp 1,7 %.
    Ich muß wirklich sagen: Diese Zahlen sprechen für sich; denn sie machen deutlich, daß die Bundesregierung der globalen Verantwortung, von der sie gerne

    Günter Verheugen
    redet und die uns gerade durch die großen Konferenzen der letzten Zeit immer stärker ins Bewußtsein gerufen wird, nicht gewachsen ist.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Wenn wir darin übereinstimmen, daß es um Konfliktvorbeugung und Konfliktursachenbekämpfung geht, dann müssen an erster Stelle Maßnahmen zur Bekämpfung des unkontrollierten Bevölkerungswachstums, der Verelendung und der Umweltzerstörung in der Welt stehen. Das sind die Quellen der Konflikte, mit denen wir uns hier immer wieder beschäftigen. Gehen Sie an die Ursachen heran! Treiben Sie die Weltpolitik voran! Sie werden unsere Unterstützung dabei haben.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manfred Müller [Berlin] [PDS])

    Herr Minister Spranger spricht von der Armutsbekämpfung als oberstem Ziel. Aber der Haushalt für die ärmsten Länder, nämlich die schwarzafrikanischen, wird drastisch zurückgefahren.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, Entwicklungspolitik muß integraler Bestandteil internationaler Politik werden. Die Sicherheitsrisiken der Zukunft erfordern nicht in erster Linie militärische Maßnahmen, sondern eine vorbeugende Friedenspolitik. Das heißt, Entwicklungsprozesse unterstützen, Friedensprozesse so wie im Nahen Osten und im südlichen Afrika mit Entwicklungsprojekten flankieren. Das ist auch im eigenen wohlverstandenen Interesse.
    In diesem Sinne ist Entwicklungspolitik eine Zukunftsaufgabe, die wir mindestens gleichrangig mit den Zukunftsaufgaben in der Innenpolitik sehen müssen.
    Aber leider ist der Entwicklungshilfeminister seit Jahren ein permanenter Verlierer. Die Vorbereitung der letzten großen UN-Konferenzen mußte er anderen Ressorts überlassen: Töpfer bei der Umweltkonferenz in Rio, Herrn Kanther bei der Bevölkerungskonferenz in Kairo, Blüm beim Weltsozialgipfel in Kopenhagen, und in Berlin ist es Frau Merkel.
    Maßvolle Anforderungen zur Erhöhung des Entwicklungshilfehaushaltes werden regelmäßig niedergebügelt. Der Minister wird entgegen seinen entwicklungspolitischen Vorstellungen zu Subventionen für die Großkonzerne gezwungen. In der internationalen Handels- und Schuldenpolitik hat er nichts zu sagen.
    Ich komme zu dem Ergebnis, daß der Entwicklungsminister international die gleiche Rolle spielt wie national der Arbeits- und Sozialminister: Er kaschiert mit schönen Reden eine knochenharte Politik zugunsten der Besitzenden, da und dort garniert mit Almosen ohne wirklich strukturelle Bedeutung.

    (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Da Herr Spranger das auch alles weiß, wundere ich mich, wie lange er das noch aushalten will.
    Meine Damen und Herren, es ist notwendig, heute auch über unsere Bundeswehr zu reden. Diese Bundeswehr ist zur Zeit einem erneuten Wechselbad der Gefühle ausgesetzt: zum viertenmal innerhalb von vier Jahren die Ankündigung von Standortschließungen, von Auflösung und Verlegung von Truppenteilen und Dienststellen, erneut Unsicherheit über die persönliche Lebensplanung für alle Längerdiener, verbunden mit den bekannten Auswirkungen auf Lebenspartner und Kinder in Tausenden von Soldatenfamilien, dazu rasanter Schwund an Grundwehrdienstleistenden und rasanter Anstieg der Zahl der Antragsteller auf Kriegsdienstverweigerung.
    Mit dieser erneuten Umorganisation innerhalb kürzester Zeit, von der selbst die Verursacher wissen, daß es nicht die letzte sein wird und daß sie so, wie vorgeschlagen, auch nicht Realität werden wird, mutet die Bundesregierung den Menschen in der Bundeswehr eine ganze Menge zu. Es ist ein Wunder, daß es innerhalb der Truppe trotz der vielerorts erkennbaren Frustration, Verbitterung und Resignation noch so ruhig ist.
    Wir fordern die Bundesregierung und vor allem den verantwortlichen Verteidigungsminister auf, endlich für dauerhafte Strukturentscheidungen für die nächsten zehn Jahre zu sorgen und die Strukturentscheidungen sozialverträglich umzusetzen, damit die betroffenen Menschen endlich Planungssicherheit haben und wissen, wie es mit ihrem Leben weitergehen soll. Wir haben es hier doch mit Menschen und nicht mit Maschinen zu tun!

    (Beifall bei der SPD)

    An unsere Soldaten und Soldatinnen gerichtet, möchte ich folgendes sagen: Wir schulden den Besatzungen der Lufttransportgeschwader Dank und Anerkennung, die an der seit Juli 1992 eingerichteten humanitären Luftbrücke nach Sarajevo beteiligt sind und die an den ab Februar 1993 durchgeführten Hilfsflügen nach Bosnien beteiligt waren. Dies ist eine Leistung, die heute schon gewürdigt worden ist und die auch von der Opposition, der SPD, ausdrücklich gewürdigt werden soll.

    (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Dank und Anerkennung verdienen auch die deutschen Soldaten in den AWACS-Aufklärungsflugzeugen und die Besatzungen von Schiffen und Flugzeugen der Bundesmarine bei der Überwachung des Embargos der Vereinten Nationen gegen die kriegführenden Parteien im ehemaligen Jugoslawien. Sie tun dort unter Gefahr für ihr Leben Dienst für unser Land, für unser Bündnis und die internationale Staatengemeinschaft. Sie sollen deshalb wissen, daß wir ihren Dienst achten und anerkennen, den sie als Grundwehrdienstleistende, Zeit- oder Berufssoldaten für uns und in unserem Auftrag überall in der Bundeswehr leisten.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Waren Sie nicht gegen den Einsatz?)


    Günter Verheugen
    - Da täuschen Sie sich. Wir haben sowohl dem AWACS-Einsatz als auch dem Adria-Einsatz zugestimmt. Ihr Gedächtnis ist kurz, Herr Weng; das hatten wir heute schon einmal.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wer Bundesvorsitzender werden will, muß das behalten!)

    Die politischen Auseinandersetzungen, die wir in Bonn und im gesamten Land um die Rechtmäßigkeit möglicher Einsatzoptionen und die Richtigkeit sicherheitspolitischer Konzeptionen mit unseren politischen Gegnern führen, ist nicht gegen die Soldaten der Bundeswehr gerichtet und wird auch nicht auf deren Rücken ausgetragen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Damit das ganz klar ist: Was den Auftrag der Bundeswehr angeht, so bleibt die Landesverteidigung das Entscheidende. Auslandseinsätze, über die so viel gestritten wird, sind für die SPD nur im Rahmen von friedenserhaltenden Maßnahmen der UNO möglich. UNO-Einsätze gehen über das traditionelle Auftragsverständnis hinaus, und die SPD tritt für die deutsche Beteiligung an Blauhelm-Missionen ein. An Kriegseinsätzen außerhalb des NATO-Vertragsgebietes und außerhalb des Bündnisfalls auch im UNO-Auftrag soll sich die Bundeswehr nach unserer Überzeugung aber nicht beteiligen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Solche Operationen hat es bisher überhaupt nur zweimal gegeben, und diese Kriege haben die Probleme nicht gelöst, die den jeweiligen Konflikt ausgelöst hatten. Wir sind der Meinung, daß Deutschland in den Vereinten Nationen eine hervorragende friedenspolitische Rolle auch dann spielen kann, wenn es sich wie bisher militärisch zurückhält.
    In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß nach unserer Auffassung eine parlamentarische Befassung mit dem Auftrag der Bundeswehr zwingend notwendig ist. Der Auftrag der Bundeswehr, wie er vom Verteidigungsminister formuliert, vom Kabinett gebilligt und im Weißbuch 1994 veröffentlicht worden ist, ist bis heute nicht durch das Parlament debattiert, geschweige denn beschlossen worden.
    Um einen möglichst breiten Konsens für die Einsätze der Bundeswehr zu erzielen, halten wir ein Bundeswehraufgabengesetz für erforderlich. Ich denke, daß sich diese Forderung auch aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ergibt, das von der Bundeswehr ausdrücklich als von einem Parlamentsheer gesprochen hat.
    Meine Damen und Herren, wir sehen Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungspolitik in einem großen Zusammenhang. Es geht letztlich für uns und die Generationen nach uns um ein neues, erweitertes Verständnis von Sicherheit für Deutschland und Europa.
    Die Politik der Bundesregierung ist von einer solchen Gesamtstrategie weit entfernt. Ihre Politik beschränkt sich auf Reaktion, wo präventiv gehandelt werden müßte, sie weicht aus, wo klare Standpunkte nötig wären, und sie verweigert sich, wo Leistungen und auch Opfer gefordert wären. Darum, meine Damen und Herren, können und wollen wir diese Politik nicht mittragen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)