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    Plenarprotokoll 13/31 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 31. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 30. März 1995 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 2321 A Erweiterung der Tagesordnung . . . 2439 D Tagesordnungspunkt II: Wahl des Wehrbeauftragten (Drucksache 13/1000) . . . . . . . . . . 2321 A Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995 (Haushaltsgesetz 1995) (Drucksachen 13/50, 13/414) Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 13/504, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 13/505, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 13/514, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Rudolf Scharping SPD 2322 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 2333 D Otto Schily SPD 2344 C Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2344 D Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . 2349 A Michael Glos CDU/CSU 2349 C Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . 2349 D Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2354 C Dr. Gregor Gysi PDS 2354 C I fans Klein (München) CDU/CSU . . 2357 D Jochen Feilcke CDU/CSU 2358 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 2360 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 2369 B Michael Glos CDU/CSU 2375 B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 2379 D Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . 2384 B Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2386 D Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 2389 A Günter Verheugen SPD 2391 B Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . 2395 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . 2396 D Ulrich Irmer F.D.P 2397 D Günter Verheugen SPD . . . . . . 2398 B Eckart Kuhlwein SPD 2399 D Dr. Werner Hoyer, Staatsminister AA . 2401 D Eckart Kuhlwein SPD . . . . . . . . . 2401 D Jürgen Augustinowitz CDU/CSU . 2403 A Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 2403 C Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . 2406 B Paul Breuer CDU/CSU 2409 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2411 A Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . 2412 B Ulrich Heinrich F.D.P. 2412 D Jürgen Koppelin F.D.P 2413 B Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 2415 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2416 C Norbert Gansel SPD 2417 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 2418 C Dr. Emil Schnell SPD 2421 A Armin Laschet CDU/CSU . . . 2422 B, 2431 B Michael von Schmude CDU/CSU . . . 2424 C Wolfgang Schmitt (Langenfeld) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2425 D Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 2427 B Dr. R. Werner Schuster SPD . . . . 2428 C Karl Diller SPD 2429 B Eckart Kuhlwein SPD 2429 C Dr. Ingomar Hauchler SPD 2430 A Dr. Winfried Pinger CDU/CSU . . . 2430 D Dr. Willibald Jacob PDS 2431 C Eckart Kuhlwein SPD (Erklärung nach § 31 GO) 2439 A Namentliche Abstimmungen . . . 2433 C, 2436 C Ergebnisse . . . . . . . . . . . 2433 C, 2436 C Haushaltsgesetz 1995 (Drucksachen 13/528, 13/529, 13/966) . . . . . . . 2439 B Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1994 bis 1998 (Drucksachen 12/8001, 13/530) . . . . . . . . . . 2439 C Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P.: Initiative zum Karabach-Konflikt (Drucksache 13/1029) 2439 D Vizepräsident Hans Klein 2441 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2441 C Tagesordnungspunkt VI a: Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Francke (Hamburg), Peter Kurt Würzbach und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Karsten D. Voigt (Frankfurt), Uta Zapf und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Dr. Olaf Feldmann und der Fraktion der F.D.P.: Unbefristete und unkonditionierte Verlängerung des Nichtverbreitungsvertrages zu dem Antrag der Abgeordneten Andrea Lederer, Heinrich Graf von Einsiedel und der weiteren Abgeordneten der PDS: Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur Nichtverbreitung von Kernwaffen zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Beer, Ludger Volmer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Reform und Stärkung des Nichtweiterverbreitungsvertrages für Atomwaffen und das Mandat der Bundesregierung für die Verlängerungskonferenz in New York (Drucksachen 13/398, 13/429, 13/537, 13/838) Uta Zapf SPD 2440 B Klaus Francke (Hamburg) CDU/CSU . 2441 D Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2442 B Dr. Olaf Feldmann F.D.P 2443 A Andrea Lederer PDS 2443 C Helmut Schäfer, Staatsminister AA . . 2444 C Nächste Sitzung 2445 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2447* A 31. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 30. März 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 30. 03. 95 Blunck, Lilo SPD 30. 03. 95 Büttner (Ingolstadt), SPD 30. 03. 95 Hans Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 30. 03. 95 Hartmut Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Hartenstein, Liesel SPD 30. 03.95 Heym, Stefan PDS 30. 03. 95 Meißner, Herbert SPD 30. 03. 95 Scheel, Christine BÜNDNIS 30. 03. 95 90/DIE GRÜNEN Tippach, Steffen PDS 30. 03. 95 Vergin, Siegfried SPD 30. 03. 95
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    Rede von Günter Verheugen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kennzeichen einer soliden Außenpolitik sind Kontinuität und Berechenbarkeit. Lieber Herr Kinkel, davon sind Sie ziemlich weit entfernt. Das einzige, was an Ihnen berechenbar ist, sind Ihre Bundestagsreden. Die kennen wir schon seit drei Jahren.

    (Beifall der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD])

    Wenn Ihnen aber einmal etwas Neues einfällt, ist es nicht so gut.
    Wenn gerade Sie anderen sagen, sie sollten nicht die Backen aufblasen, wirkt es schon etwas komisch; denn der Posaunenengel mit den dicken Backen auf der internationalen Bühne sind doch wohl Sie, nicht wir.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir leben in unruhigen Zeiten. Das Wort von der neuen Unübersichtlichkeit gilt ganz besonders für die internationale Politik. Der Epochenwechsel wirkt noch immer nach, mit neuen Erschütterungen. Das wird sich so schnell nicht ändern. Gerade dann aber, wenn internationale Entwicklungen schwer vorhersehbar sind, kommt es auf präzise Leitlinien und klare Maßstäbe an.
    Die Regierung nimmt für sich in Anspruch, daß sie diese Maßstäbe hat: Frieden, Menschenrechte und Demokratie. Was aber tun Sie für den internationalen Frieden?
    Die Regierung müßte mit allem Nachdruck die Vereinten Nationen stärken. Was Sie da aber machen - Sie antichambrieren um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat.

    (Beifall bei der SPD)

    Und wenn die Vereinten Nationen etwas wollen, sagen Sie nein. Die Bitte des Generalsekretärs, ihm ständig verfügbare deutsche Bereitschaftskräfte für friedenserhaltende Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, haben Sie nicht erfüllen wollen.
    Friedenssicherung verlangt heute in erster Linie, eine Politik der frühzeitigen Erkennung von Konflikten, der Konfliktvorbeugung, der Konfliktursachenbekämpfung und der friedlichen Streitbeilegung zu betreiben. Es geschieht aber nicht. Wie die Regierungen anderer reicher Industriestaaten auch trägt diese Regierung dazu bei, daß sich die große, globale Krise, deren Wurzel die ungerechte Verteilung des Wohlstandes in der Welt ist, immer weiter aufbaut.
    Oder die Menschenrechte. Der Außenminister rühmt sich gerne seines Einsatzes für die Menschenrechte, und ich glaube ihm auch, daß er sich bei seinen hektischen Reisen um humanitäre Einzelfälle kümmert. Aber wie war es mit Tschetschenien? Wie lange hat die Bundesregierung gebraucht, bis sie endlich unter massivem öffentlichem Druck den russischen Krieg gegen die Tschetschenen als Menschenrechtsfrage erkannt hat?

    (Beifall bei der SPD)

    Oder die Türkei. Es ist doch nicht erst seit der türkischen Invasion in dem Norden des Irak bekannt, daß die türkische Regierung der kurdischen Bevölkerung elementare Menschenrechte verweigert. Trotzdem hat diese Bundesregierung dieses Land immer weiter mit Rüstungsgütern versorgt.
    Oder Demokratie. Die Festigung demokratischer Strukturen in der Welt ist ganz bestimmt das wirkungsvollste Instrument zur Sicherung des internationalen Friedens und zum Schutz der Menschenrechte, aber die Beiträge der Bundesregierung zur Demokratisierungshilfe, ablesbar in dem Haushalt, der heute hier vorliegt, sind lächerlich gering.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS])

    Es ist leider wahr, die derzeitige deutsche Außenpolitik wird ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht; sie ist allenfalls selbstgerecht. Mal tritt sie kraftmeierisch auf, mal leisetreterisch. Sie ist unsensibel gegenüber anderen Staaten und Völkern, selbst gegenüber unmittelbaren Nachbarn wie Polen und der Tschechischen Republik.
    Erst nach der alarmierenden Rede des tschechischen Präsidenten und von der Opposition im Bundestag dazu gezwungen, hat der Außenminister eine Regierungserklärung zu den deutsch-tschechischen Beziehungen abgegeben.

    (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und sie war dann auch entsprechend!)


    Günter Verheugen
    Sie blieb in einer entscheidenden Frage der Geste für tschechische Naziopfer engherzig, kalt und kleinkariert.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Zur Nichteinladung des polnischen Präsidenten zu den Feierlichkeiten am 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa ist hier schon viel gesagt worden, aber diese, wie ich finde, fatale Taktlosigkeit gehört in einen ganz bedenklichen Zusammenhang. Hier drückt sich nämlich erneut das gespaltene Verhältnis der deutschen Konservativen zum Kriegsende aus.
    Wir alle erinnern uns ja noch an jene Peinlichkeit beim 40. Jahrestag, als der Bundeskanzler den damaligen US-Präsidenten genötigt hat, auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg an Gräbern der Waffen-SS vorbeizudefilieren. Die Folge war eine tiefe Störung der deutsch-amerikanischen Beziehungen.
    Jetzt hat der Bundeskanzler wissen lassen, er werde in Moskau nicht an Gedenkveranstaltungen zur deutschen Niederlage, aber auch nicht an Siegesfeiern teilnehmen. Das wirft die Frage auf, was der 8. Mai für diese Regierung ist.
    Ist die Kapitulation des Hitler-Regimes eine deutsche Niederlage oder die deutsche Befreiung gewesen? - Darauf hat der Ehrenvorsitzende der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion Alfred Dregger, unwidersprochen von seiner Partei und Fraktion, geantwortet. Ich zitiere ihn. Er nennt es „zynische Einseitigkeit unserer Nationalmasochisten", wenn man den 8. Mai als Tag der Befreiung von einem verbrecherischen System betrachtet, und für dieses System findet er auch eine Entschuldigung. Hitler, so meint Dregger,
    wäre nicht an die Macht gekommen, wenn es die Demütigung und die Unsinnigkeiten von Versailles nicht gegeben hätte.
    - Schuld waren also wieder einmal die anderen.
    Solche Töne aus einer Regierungsfraktion werden von unseren Nachbarn sehr genau registriert. Zur Mehrung unseres Ansehens und zur Versöhnung zwischen Völkern tragen sie nichts bei, im Gegenteil.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Die Uneinsichtigkeit der Ewiggestrigen von der Art des Herrn Dregger schafft neue Ängste und neues Mißtrauen.
    Wir hatten übrigens der Bundesregierung in der Debatte zur Regierungserklärung angeboten, mit den Fraktionen darüber zu reden, wie wir mit diesem schwierigen Gedenkjahr 1995 umgehen wollen. Das war im vergangenen Dezember. Das hat die Regierung in ihrer üblichen Selbstgefälligkeit überhört; jetzt ist der Scherbenhaufen da, und wir alle dürfen ihn zusammenkehren.
    Meine Damen und Herren, der Bundespräsident hat unlängst eine bemerkenswerte Rede vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gehalten. Er hat dabei, bezogen auf die deutsche Außenpolitik, vom Ende des Trittbrettfahrens gesprochen. Ich fand diese Formulierung, gelinde gesagt, verunglückt, denn weder die Außenpolitik von Konrad Adenauer, noch die von Willy Brandt und Helmut Schmidt oder von Walter Scheel und Flans-Dietrich Genscher war Trittbrettfahren.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie war gestaltend, und ihre Ergebnisse wirken bis heute.
    Aber in dem, was hinter der verunglückten Formulierung steckt, hat der Bundespräsident wohl recht. Es gibt für unser Land keinen warmen Platz hinter dem Ofen, die Konflikte in der Welt betreffen uns unmittelbar. Ich will zu drei exemplarischen Konflikten etwas sagen.
    Die schwierigste und gefährlichste Lage zeigt sich im ehemaligen Jugoslawien. Dort droht offene, unmittelbare Kriegsgefahr. Wir sollten uns nichts vormachen, Herr Außenminister, die Bemühungen der Kontaktgruppe um eine politische Lösung sind praktisch gescheitert. Sie ist am Ende. Und da es wohl nur ganz wenige in diesem Hause gibt, die eine andere Möglichkeit sehen, als nach einer politischen Lösung zu suchen, kommt es jetzt darauf an, alles zu tun, um den neuen Ausbruch des Krieges zu verhindern. Da sehe ich drei Dinge, die nötig sind.
    Erstens. Das Waffenembargo muß bestehen bleiben, und es muß vor allen Dingen eingehalten werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich würde gern einmal wissen, was für Kenntnisse die Bundesregierung über die nach Bosnien strömenden Waffen hat und was sie eigentlich tut, damit dieser ständig anschwellende Strom versiegt.
    Zweitens. Die Rolle der Vereinten Nationen im ehemaligen Jugoslawien muß gestärkt werden. Die Diskussion über den Abzug von UNPROFOR war schädlich. Nützlicher wäre es gewesen, Präsenz und Stärke der UNO vor allen Dingen in Bosnien zu erhöhen.
    Drittens. Es muß weiter geredet und verhandelt werden. Da stimme ich mit der Bundesregierung ganz überein. So mühselig und frustrierend dieser Weg auch ist, es gibt keinen anderen.
    Aber schon jetzt läßt sich aus dem Chaos im ehemaligen Jugoslawien eines lernen: Es muß uns gelingen, die internationalen Systeme der Friedenssicherung so auszubauen, daß sie ihre Aufgabe wirklich erfüllen können.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Das gilt weltweit für die Vereinten Nationen und in Europa zusätzlich für die OSZE. Vorschläge dazu gibt es genug. Wir wünschen uns von unserer Regierung, von der Bundesregierung, daß sie eine Vorreiterrolle übernimmt, wenn es darum geht, wirkungsvolle Mechanismen zur Konfliktbewältigung zu entwickeln.

    Günter Verheugen
    Wer sich dieser Aufgabe nicht stellt, bleibt auch bei zukünftigen Krisen und Konflikten hilflos.

    (Beifall bei der SPD)

    Eine Bemerkung zu einem anderen aktuellen Konflikt, dem türkischen Krieg gegen die PKK im Norden des Irak. Ob dabei nun deutsche Waffen und Munition im Norden des Irak eingesetzt werden oder nicht - wobei ich übrigens gerne wissen möchte, Herr Kinkel, ob das Embargo, das Sie jetzt ausgesprochen haben, auch die für Mai vorgesehene Munitionslieferung einbezieht -, ist nicht entscheidend. Tatsache ist, daß die deutsche Rüstungshilfe dazu beigetragen hat und beiträgt, daß die Türkei glaubt, das Kurdenproblem mit Gewalt lösen zu können.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich widerspreche der These, man müsse gegenüber der Türkei ein Auge zudrücken, damit das Land nicht von fundamentalistischen Kräften überwältigt wird, so wie man früher, angeblich wegen der strategischen Bedeutung der Türkei im Ost-West-Konflikt, nicht so genau hinsehen wollte.
    Ich habe eine andere These: Je mehr Gewalt, desto mehr Terrorismus, je mehr Terrorismus, desto mehr Destabilisierung. Und eine instabile Türkei ist es, die durch den Fundamentalismus gefährdet ist, gefährdeter jedenfalls als eine Türkei, die ihre inneren Konflikte mit friedlichen Mitteln zu lösen versucht.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Bei diesem Versuch der friedlichen Lösung sollten wir der Türkei auch großzügig helfen. Aber dazu, meine Damen und Herren, braucht man keine Fregatten oder Panzer, sondern Entwicklungsprojekte für die kurdischen Gebiete.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Ich erwarte von der Bundesregierung, daß sie unserem NATO-Partner Türkei unzweideutig klarmacht: Die NATO, zu der die Türkei gehört, und die Europäische Union, zu der sie eines Tages gehören möchte, sind Wertegemeinschaften, zu denen nur gehören kann, wer die Menschenrechte schützt und achtet.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Mit dem von der Bundesregierung jetzt vorgesehenen Aufschub von Rüstungslieferungen wird wenig erreicht. Das zeigt nur ein schlechtes Gewissen. Es gibt nur einen einzigen sauberen Weg: Schluß mit der Rüstungshilfe ohne Wenn und Aber!

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Ich will noch einen dritten Konflikt ansprechen - auch Sie haben ihn erwähnt, Herr Kinkel -: Burundi. Dort kündigt sich dieselbe bedrohliche Entwicklung wie in Ruanda an. Genau davor ist seit Ausbruch des Mordens in Ruanda ständig gewarnt worden. Wenn eine Krise vorhersehbar war, dann diese!

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wenn das große Morden tatsächlich ausbricht, dann werden wieder alle erschüttert sein. Die grauenvollen Bilder werden uns aufwühlen. Große Hilfsaktionen werden anlaufen, die viel Geld kosten werden. Dann werden wir feststellen, daß weniger Geld, aber rechtzeitiges Handeln ungezählte Leben hätte retten können.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Bundesminister Dr. Klaus Kinkel: Was schlagen Sie denn vor?)

    Ruanda und Burundi sind kleine Länder und weit weg. Aber wer von Menschenrechten redet, muß dort handeln, und zwar rechtzeitig, wo es um das elementarste Menschenrecht überhaupt geht: um das Recht auf Leben.
    Ich jedenfalls mag die dröhnenden Phrasen von unserer gestiegenen Verantwortung in der Welt nicht mehr hören, solange da, wo man helfen könnte, einfach weggeschaut wird.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Bundesminister Dr. Klaus Kinkel: Bitte sagen, wie!)

    Wir sehen die Außenpolitik und die Entwicklungspolitik in einem großen und untrennbaren Zusammenhang. Deshalb möchte ich jetzt ein paar Bemerkungen zur Entwicklungspolitik machen, ausgelöst durch einen sehr interessanten Artikel in der uns nicht gerade nahestehenden „Welt" von vorgestern, in der eine beredte Klage aus dem Hause Spranger zu lesen war, wie wenig der Entwicklungshilfeminister in Wahrheit doch zu bestellen habe.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD): Wo ist der

    denn eigentlich?)
    Dem können wir voll und ganz beipflichten.
    Das Ergebnis ist auch bitter: Die Bundesregierung hat seit 1983 den Entwicklungshaushalt kontinuierlich heruntergefahren. Dieser Haushalt gehört mit zum Steinbruch einer verfehlten Finanzpolitik der Bundesregierung. Wie im nationalen, so gilt auch im internationalen Bereich ganz offenbar: Umverteilung von unten nach oben. Der Anteil der öffentlichen Entwicklungsleistungen ist von 0,48 % des Bruttosozialprodukts auf jetzt 0,3 % gesunken. Der Anteil des Einzelplanes 23 am Gesamthaushalt fiel von damals 2,2 % - ich spreche von 1983 - auf jetzt knapp 1,7 %.
    Ich muß wirklich sagen: Diese Zahlen sprechen für sich; denn sie machen deutlich, daß die Bundesregierung der globalen Verantwortung, von der sie gerne

    Günter Verheugen
    redet und die uns gerade durch die großen Konferenzen der letzten Zeit immer stärker ins Bewußtsein gerufen wird, nicht gewachsen ist.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Wenn wir darin übereinstimmen, daß es um Konfliktvorbeugung und Konfliktursachenbekämpfung geht, dann müssen an erster Stelle Maßnahmen zur Bekämpfung des unkontrollierten Bevölkerungswachstums, der Verelendung und der Umweltzerstörung in der Welt stehen. Das sind die Quellen der Konflikte, mit denen wir uns hier immer wieder beschäftigen. Gehen Sie an die Ursachen heran! Treiben Sie die Weltpolitik voran! Sie werden unsere Unterstützung dabei haben.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manfred Müller [Berlin] [PDS])

    Herr Minister Spranger spricht von der Armutsbekämpfung als oberstem Ziel. Aber der Haushalt für die ärmsten Länder, nämlich die schwarzafrikanischen, wird drastisch zurückgefahren.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, Entwicklungspolitik muß integraler Bestandteil internationaler Politik werden. Die Sicherheitsrisiken der Zukunft erfordern nicht in erster Linie militärische Maßnahmen, sondern eine vorbeugende Friedenspolitik. Das heißt, Entwicklungsprozesse unterstützen, Friedensprozesse so wie im Nahen Osten und im südlichen Afrika mit Entwicklungsprojekten flankieren. Das ist auch im eigenen wohlverstandenen Interesse.
    In diesem Sinne ist Entwicklungspolitik eine Zukunftsaufgabe, die wir mindestens gleichrangig mit den Zukunftsaufgaben in der Innenpolitik sehen müssen.
    Aber leider ist der Entwicklungshilfeminister seit Jahren ein permanenter Verlierer. Die Vorbereitung der letzten großen UN-Konferenzen mußte er anderen Ressorts überlassen: Töpfer bei der Umweltkonferenz in Rio, Herrn Kanther bei der Bevölkerungskonferenz in Kairo, Blüm beim Weltsozialgipfel in Kopenhagen, und in Berlin ist es Frau Merkel.
    Maßvolle Anforderungen zur Erhöhung des Entwicklungshilfehaushaltes werden regelmäßig niedergebügelt. Der Minister wird entgegen seinen entwicklungspolitischen Vorstellungen zu Subventionen für die Großkonzerne gezwungen. In der internationalen Handels- und Schuldenpolitik hat er nichts zu sagen.
    Ich komme zu dem Ergebnis, daß der Entwicklungsminister international die gleiche Rolle spielt wie national der Arbeits- und Sozialminister: Er kaschiert mit schönen Reden eine knochenharte Politik zugunsten der Besitzenden, da und dort garniert mit Almosen ohne wirklich strukturelle Bedeutung.

    (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Da Herr Spranger das auch alles weiß, wundere ich mich, wie lange er das noch aushalten will.
    Meine Damen und Herren, es ist notwendig, heute auch über unsere Bundeswehr zu reden. Diese Bundeswehr ist zur Zeit einem erneuten Wechselbad der Gefühle ausgesetzt: zum viertenmal innerhalb von vier Jahren die Ankündigung von Standortschließungen, von Auflösung und Verlegung von Truppenteilen und Dienststellen, erneut Unsicherheit über die persönliche Lebensplanung für alle Längerdiener, verbunden mit den bekannten Auswirkungen auf Lebenspartner und Kinder in Tausenden von Soldatenfamilien, dazu rasanter Schwund an Grundwehrdienstleistenden und rasanter Anstieg der Zahl der Antragsteller auf Kriegsdienstverweigerung.
    Mit dieser erneuten Umorganisation innerhalb kürzester Zeit, von der selbst die Verursacher wissen, daß es nicht die letzte sein wird und daß sie so, wie vorgeschlagen, auch nicht Realität werden wird, mutet die Bundesregierung den Menschen in der Bundeswehr eine ganze Menge zu. Es ist ein Wunder, daß es innerhalb der Truppe trotz der vielerorts erkennbaren Frustration, Verbitterung und Resignation noch so ruhig ist.
    Wir fordern die Bundesregierung und vor allem den verantwortlichen Verteidigungsminister auf, endlich für dauerhafte Strukturentscheidungen für die nächsten zehn Jahre zu sorgen und die Strukturentscheidungen sozialverträglich umzusetzen, damit die betroffenen Menschen endlich Planungssicherheit haben und wissen, wie es mit ihrem Leben weitergehen soll. Wir haben es hier doch mit Menschen und nicht mit Maschinen zu tun!

    (Beifall bei der SPD)

    An unsere Soldaten und Soldatinnen gerichtet, möchte ich folgendes sagen: Wir schulden den Besatzungen der Lufttransportgeschwader Dank und Anerkennung, die an der seit Juli 1992 eingerichteten humanitären Luftbrücke nach Sarajevo beteiligt sind und die an den ab Februar 1993 durchgeführten Hilfsflügen nach Bosnien beteiligt waren. Dies ist eine Leistung, die heute schon gewürdigt worden ist und die auch von der Opposition, der SPD, ausdrücklich gewürdigt werden soll.

    (Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Dank und Anerkennung verdienen auch die deutschen Soldaten in den AWACS-Aufklärungsflugzeugen und die Besatzungen von Schiffen und Flugzeugen der Bundesmarine bei der Überwachung des Embargos der Vereinten Nationen gegen die kriegführenden Parteien im ehemaligen Jugoslawien. Sie tun dort unter Gefahr für ihr Leben Dienst für unser Land, für unser Bündnis und die internationale Staatengemeinschaft. Sie sollen deshalb wissen, daß wir ihren Dienst achten und anerkennen, den sie als Grundwehrdienstleistende, Zeit- oder Berufssoldaten für uns und in unserem Auftrag überall in der Bundeswehr leisten.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Waren Sie nicht gegen den Einsatz?)


    Günter Verheugen
    - Da täuschen Sie sich. Wir haben sowohl dem AWACS-Einsatz als auch dem Adria-Einsatz zugestimmt. Ihr Gedächtnis ist kurz, Herr Weng; das hatten wir heute schon einmal.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wer Bundesvorsitzender werden will, muß das behalten!)

    Die politischen Auseinandersetzungen, die wir in Bonn und im gesamten Land um die Rechtmäßigkeit möglicher Einsatzoptionen und die Richtigkeit sicherheitspolitischer Konzeptionen mit unseren politischen Gegnern führen, ist nicht gegen die Soldaten der Bundeswehr gerichtet und wird auch nicht auf deren Rücken ausgetragen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Damit das ganz klar ist: Was den Auftrag der Bundeswehr angeht, so bleibt die Landesverteidigung das Entscheidende. Auslandseinsätze, über die so viel gestritten wird, sind für die SPD nur im Rahmen von friedenserhaltenden Maßnahmen der UNO möglich. UNO-Einsätze gehen über das traditionelle Auftragsverständnis hinaus, und die SPD tritt für die deutsche Beteiligung an Blauhelm-Missionen ein. An Kriegseinsätzen außerhalb des NATO-Vertragsgebietes und außerhalb des Bündnisfalls auch im UNO-Auftrag soll sich die Bundeswehr nach unserer Überzeugung aber nicht beteiligen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Solche Operationen hat es bisher überhaupt nur zweimal gegeben, und diese Kriege haben die Probleme nicht gelöst, die den jeweiligen Konflikt ausgelöst hatten. Wir sind der Meinung, daß Deutschland in den Vereinten Nationen eine hervorragende friedenspolitische Rolle auch dann spielen kann, wenn es sich wie bisher militärisch zurückhält.
    In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß nach unserer Auffassung eine parlamentarische Befassung mit dem Auftrag der Bundeswehr zwingend notwendig ist. Der Auftrag der Bundeswehr, wie er vom Verteidigungsminister formuliert, vom Kabinett gebilligt und im Weißbuch 1994 veröffentlicht worden ist, ist bis heute nicht durch das Parlament debattiert, geschweige denn beschlossen worden.
    Um einen möglichst breiten Konsens für die Einsätze der Bundeswehr zu erzielen, halten wir ein Bundeswehraufgabengesetz für erforderlich. Ich denke, daß sich diese Forderung auch aus den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ergibt, das von der Bundeswehr ausdrücklich als von einem Parlamentsheer gesprochen hat.
    Meine Damen und Herren, wir sehen Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungspolitik in einem großen Zusammenhang. Es geht letztlich für uns und die Generationen nach uns um ein neues, erweitertes Verständnis von Sicherheit für Deutschland und Europa.
    Die Politik der Bundesregierung ist von einer solchen Gesamtstrategie weit entfernt. Ihre Politik beschränkt sich auf Reaktion, wo präventiv gehandelt werden müßte, sie weicht aus, wo klare Standpunkte nötig wären, und sie verweigert sich, wo Leistungen und auch Opfer gefordert wären. Darum, meine Damen und Herren, können und wollen wir diese Politik nicht mittragen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Kollege Christian Schmidt (CDU/CSU).

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    Rede von Christian Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines wurde wieder deutlich: Die SPD ist und bleibt eine außenpolitische Dame ohne Unterleib.

    (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den Vergleich können Sie langsam weglassen! Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: In welcher Zeit leben Sie denn?)

    Herr Verheugen hat uns vorgeführt, daß die SPD hinter dem herläuft, was eigentlich für sie notwendig wäre, nämlich ein außenpolitisches Godesberg.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie bewegt sich in den Gedankenkategorien der vergangenen Zeit. Sie bewegt sich 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Kategorien, die längst überwunden sind. Zum Thema 8. Mai hat Wolfgang Schäuble das Notwendige gesagt, aber der Ministerpräsident des Saarlands

    (Zuruf der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD])

    - Frau Fuchs, hören Sie zu - hat den interessanten Versuch unternommen, dem Bundeskanzler zu unterstellen, er habe die deutsch-französische Freundschaft zerstört. Nachdem er überlegt hat, was ihm denn vorgehalten werden könnte, hat er ihm das Zehn-Punkte-Programm vorgehalten, das 1989 im Bundestag vorgestellt worden ist.
    Ich sage Ihnen: Das ist genau der Punkt, bei dem Sie nicht verstanden haben, bei dem Herr Lafontaine offensichtlich - ich weiß nicht, vielleicht ist noch ein Oberregierungsrat der saarländischen Landesregierung da, der es überbringen kann - nicht verstanden hat, daß Außenpolitik in gewissen, ganz entscheidenden Situationen Interessenpolitik ist.
    Der Bundeskanzler hat in dieser Situation ganz entscheidend ein wesentliches deutsches Interesse wahrgenommen und vertreten, nämlich das Wiedervereinigungsinteresse. Einschließlich Herrn Lafontaine täten Sie gut daran, ihm heute noch dafür Dank zu zollen.
    Das außenpolitisch fehlende Godesberg hat Herr Verheugen sehr elegant übergangen. Ich muß Wolfgang Weng beipflichten: Es ist natürlich nicht so, daß die SPD von vornherein den AWACS-Einsätzen zugestimmt hat. Ich kann mich noch gut an eine Debatte entsinnen, in der der Abgeordnete Verheugen mit heftig tönenden Worten gesprochen hat und auf

    Christian Schmidt (Fürth)

    meine Zwischenfrage - es ist sicherlich aus dem Protokoll ersichtlich, ich liefere das auch gerne nach -, ob er einen AWACS-Einsatz als einen Kampfeinsatz ansähe - das ist eine Frage, die auf Ja oder Nein gestellt ist -, mit Ja geantwortet hat.
    Die Konsequenz war die Klage in Karlsruhe. Man hat versucht, still und heimlich vor der Öffentlichkeit und an wesentlichen Teilen des ideologischen Flügels der SPD vorbei etwas beizudrehen. Das ist ein ganz anderer Sachverhalt und zeigt allenfalls, daß noch nicht alles in der SPD verloren ist, sondern daß man Hoffnung haben kann, bis zum Jahre 2001 noch einen gewissen Wandel zu erleben.
    Deswegen klingt der Dank an die Soldatinnen und Soldaten, dem ich mich gerne anschließe und nicht zur Diskussion stellen will, doch ein wenig schal. Es klingt auch schal, daß das Wort NATO in der vorhergehenden Rede praktisch nicht gefallen ist.
    Wer meint, Vereinte Nationen und OSZE allein seien in der Lage, den Frieden in der Welt durch präventive Diplomatie zu sichern, der wird sich getäuscht fühlen. Die Verhältnisse sind nicht so. Sie erwarten von uns, daß wir darauf reagieren.
    Die Antwort darauf ist nicht ein Bundeswehraufgabengesetz, sondern die Antwort darauf ist die Erkenntnis, daß die NATO auch in der Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs der entscheidende Stabilitätsanker bleibt und daß wir alles daran setzen müssen, im transatlantischen Verhältnis eine starke amerikanische Präsenz in Europa zu behalten. Deswegen ist der Verteidigungshaushalt, der nun auf einem Plafond angelangt ist, unter den man nicht mehr wird gehen können, ohne die Glaubwürdigkeit der Stabilität und der Verteidigungsfähigkeit zu gefährden, in seiner Höhe völlig gerechtfertigt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben gerade zu diesem Haushalt einen interessanten Kürzungsantrag der SPD vorliegen. Es wird den Kollegen Verteidigungspolitikern sicherlich noch eine Lust sein, anschließend über diesen Antrag zu reden. Man sollte ihn Punkt für Punkt diskutieren, weil deutlich wird, mit welch gespaltener Zunge gesprochen wird.
    Ein Punkt noch zum 8. Mai. Die Belehrungen, die an die Adresse des Ehrenvorsitzenden der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Herrn Dregger, gerichtet worden sind, gehen daneben und sind beleidigend.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wieso?)

    - Wenn Sie das Protokoll nachlesen, verehrte Frau Kollegin, werden Sie das feststellen. - Kollege Verheugen hat gesagt, Herr Dregger habe etwas entschuldigt. Er hat einen historischen Zusammenhang, der anerkanntermaßen nicht aus der Luft gegriffen ist, und Entwicklungen dargestellt. Das muß erlaubt sein. Wir sollten verhindern, daß Politiker versuchen, andere mit, wie es Verheugen getan hat, Halbwahrheiten und Unterstellungen in ein Eck zu stellen, in dem sie nicht sind und in das sie auch nicht hineingehören.
    Noch eines zum 8. Mai und zu Polen. Die Bundesregierung hat einen deutsch-polnischen Freundschaftsvertrag geschlossen, der in einer für Europa guten Art und Weise die Fragen des Minderheitenschutzes und des Zusammenarbeitens behandelt. Er hat sich bewährt. Daß beispielsweise Ungarn und die Slowakei vielleicht auf der Grundlage solcher Vorlagen wie der des deutsch-polnischen Vertrages zu einem Ausgleichsvertrag gekommen sind, läßt sich nur begrüßen und zeigt, daß wir eine Vorreiterrolle gespielt haben. Übrigens wird die CSU-Landesgruppe in ihrer Gesamtheit im Juli nach Polen reisen und damit die deutsch-polnischen Beziehungen und ihre Wertigkeit unterstreichen. Wir reden nicht nur, wir handeln auch.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Zum Thema Türkei. Der schale Beigeschmack, der die Kritik der SPD von Anfang an durchzieht, ergibt sich auch dann, wenn man sich die Zahlen über die Verteidigungshilfe, allgemeine Rüstungshilfe, Materialhilfe 1 und 2 unter Bundeskanzler Helmut Schmidt geben läßt. Es sind Milliardenbeträge. Ich möchte in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß die jetzt zu Ende geführte Militär- und Materialhilfe ihren Ausgangspunkt in der Zeit der sozialliberalen Koalition 1975 hatte. Die Beträge sind bekannt. Sie reichen an 4 Milliarden DM heran. Nichtsdestoweniger muß der Türkei deutlich gemacht werden, daß sie sich selbst destabilisiert, wenn sie meint, den Konflikt mit der PKK auf militärische Art und Weise lösen zu können.
    Ich habe von Interessen gesprochen. Am Beispiel der Türkei muß für uns allerdings eines deutlich werden: Außenpolitik ist auch Interessenpolitik.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir Deutsche haben ein genuines Interesse daran, daß Europa und die angrenzenden Regionen stabil bleiben. Ich möchte nicht, daß die regionale Hegemonialmacht in dieser Region etwa der Iran wäre. Ich möchte, daß die NATO als Stabilitätsanker auch dort präsent bleibt. Das heißt, daß man trotz aller Kritik die grundsätzlichen Fragen der Strategie und der Interessen nicht vergißt. Auf diesem Gebiet haben Sie ein großes Pensum aufzuarbeiten. Ich wünsche dabei viel Erfolg.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)