Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rechnung des Bundesrechnungshofesfür das Haushaltsjahr 2010– Einzelplan 20 –
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) Beschlussempfehlung und Bericht desAusschusses für Verkehr, Bau und Stadt-entwicklung– zu dem Antrag der Abgeordneten
ordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten PatrickDöring, Werner Simmling, OliverLuksic, weiterer Abgeordneter und derFraktion der FDP: Sicherheit im Ei-senbahnverkehr verbessern – Stre-ckennetz mit Sicherungssystemenausstatten– zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe
geordneter und der Fraktion der SPDsowie der Abgeordneten Dr. Anton
Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Konse-quenzen aus dem Zugunglück vonHordorf ziehen– zu dem Antrag der AbgeordnetenSabine Leidig, Dr. Dietmar Bartsch,Herbert Behrens, weiterer Abgeordne-ter und der Fraktion DIE LINKE: Um-gehend die Konsequenzen aus demUnglück von Hordorf ziehen
Verbindung mitusatztagesordnungspunkt 4:ntrag der Bundesregierung: Ausnahme vonem Verbot der Zugehörigkeit zu einemufsichtsrat für Mitglieder der Bundesre-ierungrucksache 17/6670) . . . . . . . . . . . . . . . . . .14631 D14632 B14632 C14633 BIVMetadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Einzelplan 30Bundesministerium für Bildung undForschungDr. Annette Schavan, BundesministerinBMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dagmar Ziegler . . . . . . . . . . . . . . . . . .Heinz-Peter Haustein . . . . . . . . . . . . . .Dr. Petra Sitte . . . . . . . . . . . . .Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Albert Rupprecht (CDU/CSU) . . . .Klaus Hagemann . . . . . . . . . . . . . . . . .Georg Schirmbeck . . . . . . . .Klaus Hagemann . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Martin Neumann (FDP) . . . . . .Dr. Rosemarie Hein . . . . . . . . .
Anette Hübinger . . . . . . . . . . . .Swen Schulz (SPD) . . . . . . . . . . . .Patrick Meinhardt . . . . . . . . . . . . . . . .Eckhardt Rehberg . . . . . . . . . . .Dr. Ernst Dieter Rossmann . . . . . . . . .Einzelplan 10Bundesministerium für Ernährung,Landwirtschaft und VerbraucherschutzIlse Aigner, BundesministerinBMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Wilhelm Priesmeier . . . . . . . . . . . .Heinz-Peter Haustein . . . . . . . . . . . . . .Roland Claus . . . . . . . . . . . . . .
Franz-Josef Holzenkamp . . . . . .Rolf Schwanitz . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Edmund Peter Geisen . . . . . . . . . .Alexander Süßmair . . . . . . . . .
Mechthild Heil . . . . . . . . . . . . . .Elvira Drobinski-Weiß . . . . . . . . . . . . .Dr. Christel Happach-Kasan . . . . . . . .Georg Schirmbeck . . . . . . . . . . .Einzelplan 15Bundesministerium für GesundheitDaniel Bahr, BundesministerBMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .EDHEHDHESBLBADDDDDMSSDRFKECFAANBAL14633 B14635 C14637 A14638 B14639 C14640 C14642 C14643 A14643 A14644 B14645 B14646 C14648 A14649 B14650 D14652 B14653 D14655 B14657 B14659 A14660 A14661 B14662 D14664 C14666 A14667 A14668 B14669 A14670 B14671 D14672 D14674 Blke Ferner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .r. Rolf Koschorrek . . . . . . . . .arald Weinberg . . . . . . . . . . .
einz Lanfermann . . . . . . . . . . . . . . .r. Ilja Seifert . . . . . . . . . . . . .einz Lanfermann . . . . . . . . . . . . . . .wald Schurer . . . . . . . . . . . . . . . . . . .tephan Stracke . . . . . . . . . . . . .
othar Riebsamen . . . . . . . . . . .ärbel Bas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .lois Karl . . . . . . . . . . . . . . . . .Einzelplan 17Bundesministerium für Familie, Senio-ren, Frauen und Jugendr. Hermann Kues, Parl. StaatssekretärBMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Steffen Bockhahn . . . . . . . .r. Hermann Kues, Parl. StaatssekretärBMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .agmar Ziegler . . . . . . . . . . . . . . . . . .r. Ilja Seifert . . . . . . . . . . . . .r. Hermann Kues, Parl. StaatssekretärBMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .iriam Gruß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .teffen Bockhahn . . . . . . . . . .
orothee Bär . . . . . . . . . . . . . . .olf Schwanitz . . . . . . . . . . . . . . . . . .lorian Toncar . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
rwin Rüddel . . . . . . . . . . . . . .aren Marks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .lorian Bernschneider . . . . . . . . . . . . .ndreas Mattfeldt . . . . . . . . . . .Steffen Bockhahn . . . . . . . .ndreas Mattfeldt . . . . . . . . . . .ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .erichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .nlageiste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .14676 D14678 C14680 C14682 C14683 D14685 B14685 C14685 D14687 C14689 D14691 A14692 D14694 B14696 A14698 A14698 A14699 A14700 D14701 A14701 B14702 A14704 D14706 A14708 A14709 C14710 D14712 A14713 A14714 C14715 C14716 A14716 B14717 C14717 B14719 A
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14549
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124. SitzBerlin, Donnerstag, denBeginn: 9.0
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichhabe zu Beginn einige amtliche Mitteilungen zu machen.Zuerst geht es um Nachwahlen zu Gremien, und zwarzunächst zum Stiftungsrat der Stiftung zur Aufarbei-tung der SED-Diktatur. Die Fraktion der SPD schlägtals neues ordentliches Mitglied aus dem Kreis der Frak-tionen den Kollegen Siegmund Ehrmann vor. Neuesordentliches Mitglied aus dem Kreis der Personen, die inFragen der Aufarbeitung besonders engagiert sind, sollanstelle von Professor Hermann Weber der frühere Ab-geordnete Markus Meckel werden. Sind Sie mit diesenVorschlägen einverstanden? – Das ist offensichtlich derFall. Dann sind der Kollege Siegmund Ehrmann undHerr Markus Meckel hiermit in den Stiftungsrat gewählt.Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mitgeteilt,dass die Kollegin Dr. Valerie Wilms für den aus demDeutschen Bundestag ausgeschiedenen KollegenWinfried Hermann neues stellvertretendes Mitglied imEisenbahninfrastrukturbeirat werden soll. StimmenSie auch diesem Vorschlag zu? – Das ist der Fall. Dannist die Kollegin in den Eisenbahninfrastrukturbeirat ge-wählt.ZZRedetInterfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Ta-gesordnung um die erste Beratung des Gesetzentwurfszur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewähr-leistungen im Rahmen des europäischen Stabilisierungs-mechanismus zu erweitern, die jetzt gleich im Anschlussals Erstes aufgerufen werden soll.Außerdem ist vorgesehen, die verbundene Tages-ordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführtenPunkte zu erweitern:ZP 1 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Ge-setzes zur Änderung des Gesetzes zur Über-nahme von Gewährleistungen im Rnes europäischen Stabilisierungsmec– Drucksache 17/6916 –
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-rung von Vorschriften über Verkündung undBekanntmachungen– Drucksache 17/6610 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschussb) Beratung des Antrags der Abgeordneten JohannaVoß, Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion DIE LINKEldienste für Breitband-Internet-se jetztache 17/6912 –ahmen ei-hanismusUniversaanschlüs– Drucks
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14550 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Präsident Dr. Norbert Lammert
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Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Kultur und Medienc) Beratung des Antrags der Abgeordneten KaiGehring, Krista Sager, Ekin Deligöz, weitererAbgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDen Hochschulpakt weiterentwickeln: MehrStudienplätze, bessere Studienbedingungenund höhere Lehrqualität schaffen– Drucksache 17/6918 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendHaushaltsausschussd) Beratung des Antrags der Abgeordneten KristaSager, Memet Kilic, Ekin Deligöz, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNENAnerkennung ausländischer Abschlüsse tat-sächlich voranbringen– Drucksache 17/6919 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für GesundheitZP 4 Weitere abschließende Beratung ohne Aus-spracheErgänzung zu TOP 4Beratung des Antrags der BundesregierungAusnahme von dem Verbot der Zugehörigkeitzu einem Aufsichtsrat für Mitglieder der Bun-desregierung– Drucksache 17/6670 –Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so-weit erforderlich, abgewichen werden.Schließlich mache ich auf drei nachträgliche Aus-schussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktlisteaufmerksam:Der am 10. Juni 2011 überwiesene nachfolgende Ge-setzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Ernäh-
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neu-ordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfall-rechts– Drucksache 17/6052 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitInnenausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzs
Erste Beratung des von der Bundesregierung einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzungder Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung
– Drucksache 17/6263 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendHaushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GODer am 1. Juli 2011 überwiesene nachfolgende Ge-etzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Bildung,
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes-serung der Eingliederungschancen am Ar-beitsmarkt– Drucksache 17/6277 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOIch kann auch dazu Ihr offensichtliches Einverneh-en feststellen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Ta-esordnung eintreten, bitte ich Sie, sich von Ihren Plät-en zu erheben.
Der Deutsche Bundestag trauert um sein ehemaligesitglied Hans Apel, der vorgestern nach langer Krank-eit im Alter von 79 Jahren in seiner Heimatstadt Ham-urg verstorben ist.Hans Apel gehörte dem Deutschen Bundestag für sie-en Wahlperioden von 1965 bis 1990 an. In diesem Vier-ljahrhundert hat er unserem Land in höchsten Ämternedient.Hans Apel wurde am 25. Februar 1932 in Hamburg-armbek geboren. Nach dem Abitur 1951 absolvierte erine kaufmännische Lehre und studierte nach kurzer be-flicher Tätigkeit für einen Mineralölkonzern Wirt-chaftswissenschaften in Hamburg und promovierte iniesem Fachbereich.Schon während des Studiums war er 1955 der SPDeigetreten, deren Vorstand er später für beinahe zweiahrzehnte angehören sollte.Nachdem er einige Jahre für das Europäische Parla-ent gearbeitet hatte, gehörte er ihm als Mitglied von965 bis 1969 an. 1965 wurde er auch Mitglied des
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14551
Präsident Dr. Norbert Lammert
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Deutschen Bundestages, in den er – mit Ausnahme einerLegislaturperiode – stets direkt gewählt wurde.Nachdem er Vorsitzender des Verkehrsausschussesund dann stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bun-destagsfraktion gewesen war, wurde er 1972 zum Staats-sekretär im Auswärtigen Amt mit der Zuständigkeit fürEuropafragen ernannt.1974 wurde er im ersten Kabinett von BundeskanzlerHelmut Schmidt dessen Nachfolger im Amt als Bundes-minister der Finanzen.1978 übernahm Hans Apel, selbst Angehöriger dersogenannten weißen Jahrgänge, das Bundesministeriumder Verteidigung und erwarb sich schnell hohe Anerken-nung in seinem neuen Amt. Er bekleidete es bis zumEnde der sozialliberalen Koalition im Herbst 1982, alsoin der Zeit, die von der anhaltenden Debatte um dieNachrüstung und dem Erstarken der Friedensbewegunggekennzeichnet war.Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Bundestag imJahre 1990 widmete er sich vor allem der Finanzpolitik.Von ihm – konfrontiert mit den unbeabsichtigten Folgenselbst herbeigeführter politischer Entscheidungen –stammt der später vielzitierte Satz: „Ich glaub, mich trittein Pferd.“Nach dem Abschied aus der Politik, der jedoch keinAbschied von der Politik war, leistete er in verschiede-nen Funktionen vor allem in der Energiewirtschaft inden neuen Bundesländern einen Beitrag zum Aufbau Ostund der inneren Einheit unseres Landes. Hinzu kam einerege publizistische Tätigkeit, die einige vielbeachteteBücher erbrachte.Das gesamte öffentliche Wirken von Hans Apel – inder Politik, in der Wirtschaft, als Publizist – war geprägtvon seiner Orientierung an der protestantischen Ethikund seiner tiefen christlichen Glaubensüberzeugung.Seine Ehrlichkeit und Offenheit wurden geschätzt, gele-gentlich auch gefürchtet, wobei er auch die eigene Parteinicht ausnahm von seinem manchmal unbequemen Ur-teil.Hans Apel hat sich bleibende Verdienste um unserLand erworben: als leidenschaftlicher Parlamentarier, alsverantwortungsvoller Bundesminister und als ein Politi-ker, der maßgeblich an wichtigen Weichenstellungen inder Geschichte der Bundesrepublik mitgewirkt hat.Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewah-ren. Seiner Familie spreche ich im Namen des ganzenHauses unsere Anteilnahme aus.Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen von IhrenPlätzen erhoben. Ich danke Ihnen.Ich rufe nun die Zusatzpunkte 1 und 2 auf, die wir ge-rade auf die Tagesordnung gesetzt haben:ZP 1 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Ge-setzes zur Änderung des Gesetzes zur Über-nahme von Gewährleistungen im Rahmen ei-nes europäischen Stabilisierungsmechanismus– Drucksache 17/6916 –ZddBzHcTusteggmGaVZmadtikinzeuRFR
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14552 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
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sind, um diese vorübergehend geschaffene europäischeFinanzierungsanstalt in die Lage zu versetzen, den He-rausforderungen der wirtschaftlichen Entwicklung undder Entwicklung an den Finanzmärkten gerecht zu wer-den.Ich will bei dieser Gelegenheit ausdrücklich daraufhinweisen: Der EFSF-Rahmenvertrag, den wir im Maivergangenen Jahres sehr kurzfristig schaffen mussten, istein privatrechtlicher Vertrag.
Die Finanzierungsanstalt ist eine privatrechtliche Gesell-schaft nach luxemburgischem Recht. Deswegen, HerrKollege Trittin, ist es nach dem Grundgesetz gar nichtmöglich, diesen Vertrag der Ratifizierung zuzuführen.Nur völkerrechtliche Verträge können nach dem Grund-gesetz ratifiziert werden. Wir haben ihn allerdings mitdem Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen imRahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanis-mus entsprechend in die nationale Gesetzgebung umge-setzt. Das ist nicht in allen Ländern der Euro-Zonegleich geregelt. Wir haben das Stabilisierungsmechanis-musgesetz beschlossen, um eine gesetzliche Grundlagezu schaffen.Das ist kein völkerrechtlicher Vertrag; aber wir wol-len einen völkerrechtlichen Vertrag. Das wird der Ver-trag über den Europäischen Stabilisierungsmechanismussein, der – so ist es vorgesehen – 2013 in Kraft tretenund dann eine internationale Finanzinstitution schaffenwird. Dieser Vertrag bedarf der Ratifizierung. Ich sagedas, damit wir keinen Streit zu führen brauchen, der al-lenfalls zu Missverständnissen führen könnte.Wir mussten diesen Mechanismus schaffen, damit ausden Problemen eines Landes der Euro-Zone keine Ge-fahr für die Stabilität der Euro-Zone als Ganzes werdenkann. Denn wir mussten im vergangenen Jahr lernen– daraus haben wir die Konsequenzen gezogen –, welcheFolgen die Schwierigkeiten eines Landes haben können.Es geht um Griechenland, ein Land mit einer hohen Ver-schuldung, hohen Defiziten, hoher Staatsverschuldung,unzureichenden Wachstumszahlen und mangelnderWettbewerbsfähigkeit. All das stand durch den Druck,der durch die gemeinsame Währung entsteht, sehr vielstärker im Fokus der politischen Entwicklung. Damit ausden Problemen eines Landes mit einem Anteil von2 Prozent an der gesamten Wirtschaftsleistung der Euro-Zone wegen der Ansteckungseffekte auf den Märktenkeine Gefahr für die Stabilität der Euro-Zone insgesamtwerden kann, brauchen wir diesen Stabilisierungsmecha-nismus.Ich füge aber gleich hinzu: Es geht bei all diesen Hil-fen im Zusammenhang mit dem Rettungsschirm immerum Hilfe zur Selbsthilfe. Anders ist das gar nicht mög-lich. Wir haben in der Euro-Zone die Währung verge-meinschaftet, aber nicht die Wirtschafts- und Finanzpoli-tik. Deswegen können wir den Mitgliedsländern, die inSchwierigkeiten sind, helfen, Zeit zu gewinnen, ihreProbleme zu lösen; aber die Ursachen der Problememüssen die Mitgliedsländer selbst beseitigen. DaranfüedsHhDDaacreebwkSfüPsZaEduspzklaeTnbücravÜuTcdkskzHdDW
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14553
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land. Ich habe es im Rahmen einer früheren Debatte ge-sagt: Die Rückführung der Defizite bringt für die betrof-fene Bevölkerung schwere Belastungen mit sich.
Darüber sollte niemand mit Häme reden. Wer aber jahre-lang zu hohe Schulden macht, kommt um Anpassungs-maßnahmen nicht herum.Daher sage ich bei allem Respekt und bei aller Sym-pathie für das griechische Volk: Die Anpassungsmaß-nahmen können wir Griechenland nicht ersparen. Letz-ten Endes ist es Sache Griechenlands selbst, zuentscheiden, ob man dort bereit und in der Lage ist, dienotwendigen Maßnahmen durchzuführen, um die Defi-zite und die zu hohe Verschuldung zurückzuführen. Dasmuss Griechenland selbst entscheiden. Anspruch auf So-lidarität hat Griechenland, und Deutschland wird seineSolidarität zur Verteidigung der gemeinsamen Währungnicht verweigern. Darauf kann sich Griechenland verlas-sen. Es muss aber seinen eigenen Beitrag leisten, und esmuss am Ende selbst entscheiden. Daran führt kein Wegvorbei.
Die Änderungen des Rahmenvertrags über die euro-päische Finanzierungsanstalt sehen vor, dass wir sicher-stellen, dass die ursprünglich vereinbarte Summe anFinanzhilfen bis zu einer Obergrenze von 440 MilliardenEuro, für die entsprechende Anpassungsprogramme ver-einbart werden mussten und vereinbart worden sind, zurVerfügung gestellt werden kann. Diese Finanzierungs-anstalt arbeitet nach dem Prinzip, dass sie Finanzhilfenzur Verfügung stellt und die Mittel dazu auf den Finanz-märkten aufnimmt. Dafür verbürgen sich die Mitglieds-länder der Euro-Zone. Da für eine entsprechende Bewer-tung der Ratingagenturen nur die Verbürgung durch dieMitgliedsländer der Euro-Zone, die über die Höchst-bewertung durch das sogenannte Triple A verfügen,zählt und angerechnet wird, brauchen wir in dieserFinanzierungsanstalt eine Übersicherung.Daher ergibt sich die komplizierte Zahl. Um 440 Mil-liarden Euro darzustellen, brauchen wir eine Garantie-summe von rund 750 Milliarden Euro. Deutschlandmuss – seinem Anteil an der wirtschaftlichen Gesamt-leistung der Euro-Zone entsprechend – davon einenAnteil von rund 28 Prozent tragen. Das heißt, unsereGarantieleistungen belaufen sich nach der vorgeschlage-nen Änderung auf bis zu 211 Milliarden Euro, wobei dieZinsen – unserem Haushaltsrecht entsprechend – nichteingeschlossen sind. Wir machen es bei allen Gewähr-leistungen nach der Bundeshaushaltsordnung so, dassdie Zinsen nicht eingerechnet werden. Dies muss manim Auge haben. Daher sagen manche, es werden bis zu250 Milliarden Euro. Wir sollten aber durch unterschied-liche Zahlen keinen Grund für neue Verunsicherungenschaffen. Das festgelegte Garantievolumen beläuft sichauf 211 Milliarden Euro. Dazu kommen – unseremHaushaltsrecht entsprechend – Zinsen in einer entspre-chenden Größenordnung.RFgVsAmsgmgddsbenwkharuMzmwlugvÄaelidAmtiribecmZimkdcLvVAhwzggg
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14554 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
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begrenzten Umfang am Primärmarkt. Das ist keine gene-relle Ermächtigung, dass die Finanzierungsanstalt dieHaushalte von Mitgliedern der Euro-Zone finanzierenkann. Genau dies ist ausgeschlossen. Nur unter derVoraussetzung der Gewährung einer Finanzhilfe kann inAusnahmefällen auch auf dem Primärmarkt operiertwerden.Wir müssen die derzeitigen Schwierigkeiten auf derGrundlage geltender Verträge – eine andere Grundlagehaben wir nicht – bewältigen. Das ist das, was wir leis-ten können. Angesichts der Debatte über die Beteiligungder Privatgläubiger will ich darauf hinweisen – das mussman wissen –, was Privatgläubigerbeteiligung auf derGrundlage geltender Verträge bedeutet – das betrifft ins-besondere die geltenden Verträge bezüglich der imMarkt befindlichen Anleihen –: Wenn man einenDefault, also einen Konkurs mit der Auslösung allerKreditversicherungsverträge vermeiden will, kann dieBeteiligung nur im Wege der Vereinbarung erfolgen.Deswegen haben wir bei dem Entwurf eines zweitenGriechenland-Programms den mühsamen Weg gehenmüssen, der in der Öffentlichkeit nicht einfach darzustel-len und zu erläutern ist. Das liegt in der Natur der Sache.Deswegen nutze ich die Gelegenheit, das zu erläutern.Wir haben den Weg der Vereinbarung mit den Finanz-instituten gehen müssen, weil alles andere den getroffe-nen Vereinbarungen widersprochen hätte, und wir kön-nen in Europa nicht anfangen, uns an getroffene Verträgenicht mehr zu halten. Deswegen sieht der Vertrag zurSchaffung der internationalen Institution EuropäischerStabilisierungsmechanismus, ESM, vor, dass wir denStabilisierungsmechanismus ab 2013 ausdrücklich in dasRegelwerk aufnehmen und alle Anleihen, die ab 2013,also in der Zukunft, von Mitgliedstaaten der Euro-Zonebegeben werden, eine Klausel enthalten, die im Falleeiner nicht vorhandenen Schuldentragfähigkeit eineAnpassung vorsieht. In Zukunft werden wir also mehrMöglichkeiten haben. Gegenwärtig müssen wir aber mitden vorhandenen Instrumentarien zurechtkommen.Ich füge hinzu: Die Debatte über ein zweites Pro-gramm für Griechenland ist angesichts der Schwierig-keiten, Griechenland im Rahmen des jetzigen Pro-gramms die nächste Tranche auszuzahlen, sehr verfrüht.Deswegen glaube ich, dass wir uns zunächst einmaldarauf konzentrieren müssen: Erfüllt Griechenland über-haupt die entsprechenden Voraussetzungen, damit dienächste Tranche ausbezahlt werden kann? Es mag sein,dass daraus Konsequenzen gezogen werden müssen, undzwar auch für ein neues Griechenland-Programm.Wir leisten das, was wir auf der Grundlage der imAugenblick geltenden Verträge leisten können. Die Bun-deskanzlerin und der französische Staatspräsident habeneine Menge Vorschläge erarbeitet, wie wir die Hand-lungsfähigkeit innerhalb der Euro-Zone und die Mecha-nismen, nach denen wir in der Euro-Zone zu Entschei-dungen kommen, verbessern können. Das erfordertkeine Vertragsänderungen. Wir sollten vielleicht darübernachdenken, wie wir die Sanktionsmechanismen verän-dern können, damit bei Verstößen gegen eingegangeneVerpflichtungen Sanktionen schneller ausgesprochenwzau––pVdraVdtefükdagmmwdgSashsdfifrtegamdwdbkfü
Quasi automatisch.
Ja, gut: Quasi automatisch mit dem sogenannten Six-ack. – Das ist das, was auf der Grundlage geltendererträge möglich ist. In diesen Tagen zeichnet sich ab,ass wir ein Ergebnis finden werden.Ich möchte eine weitere Bemerkung hinzufügen: Ge-de die Schwierigkeit, auf Grundlage der geltendenerträge und der geltenden Rechtslage eine Beruhigunger Märkte herbeizuführen, zeigt, dass die Märkte erwar-n, dass wir eine Struktur für Europa schaffen, dass wirr die gemeinsame Währung bessere institutionelle Vor-ehrungen treffen. Das wird ein langer Weg sein. Iniese Richtung müssen wir gehen. Dafür müssen wirrbeiten; aber heute und morgen müssen wir unsereemeinsame Währung – das liegt in unserem gemeinsa-en Interesse und ist im Sinne unserer Verantwortung –it den Mitteln, die wir haben, verteidigen.Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzent-urf.
Das Wort erhält nun der Kollege Sigmar Gabriel für
ie SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehreehrter Herr Kollege Schäuble, wir alle wissen, dassie nicht nur ein konservativer, sondern vor allen Dingenuch ein leidenschaftlicher und überzeugter Europäerind. Ich erinnere mich noch gut an die Rede, mit der Sieier vor einigen Monaten das Festhalten am europäi-chen Projekt begründet haben. Vieles von dem, was Sieamals und heute hier erläutert haben, teilen wir. Wirnden das – das sage ich ausdrücklich – richtig. Ichage mich nur: Warum haben Sie als einer der überzeug-sten Europäer Ihrer Koalition zugelassen, dass dieesamte europäische und internationale Politik, vorllem die Finanzmärkte, von denen Sie jetzt sagen, wirüssten sie beruhigen, durch die deutsche Haltung beier Lösung der Krise so stark irritiert und verunsicherturden? Bei allem Respekt für Ihre Haltung: Was warenn das, was wir in den letzten 18 Monaten erlebt ha-en? Sie persönlich, Herr Schäuble, und Ihre Bundes-anzlerin haben vor einem Jahr behauptet, keinen Centr Griechenland geben zu wollen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14555
Sigmar Gabriel
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– Oh. – Am 30. Dezember 2009 ging es im Handelsblattlos. Ich zitiere Herrn Schäuble: „Es wäre falsch verstan-dene Solidarität, wenn wir den Griechen … unter dieArme greifen würden.“
Herr Brüderle sagte am 5. März: „Wir haben nicht dieAbsicht, einen Cent zu geben.“Herr Schäuble, wir haben Sie von Anfang an vor die-sem Euro-Populismus gewarnt. Aber auch im Jahr 2011wurden Sie nicht klüger. Erst haben Sie monatelang eineeuropäische Wirtschaftsregierung abgelehnt, um siedann in einer deutsch-französischen Initiative einzufor-dern. Natürlich hat Ihnen Ihr bayerischer Ministerpräsi-dent sofort widersprochen; vermutlich hat er Ihre Äuße-rungen gegen eine Wirtschaftsregierung vorher für ernstgemeint gehalten. Ihnen blieb dann nichts anderes mehrübrig, Frau Bundeskanzlerin, als das als einen Überset-zungsfehler darzustellen; ich vermute: bei der Überset-zung in die bayerische Mundart.Ich kann die Liste der Beispiele fast endlos fortsetzen:von der Ablehnung der Gläubigerbeteiligung, demSchuldenschnitt, der Finanztransaktionsteuer im Euro-Raum, die Sie, Herr Schäuble, heute selber fordern, biszum Kauf von Staatsanleihen der Krisenländer durchden Rettungsschirm. Es gab Tage, da musste man Ge-dächtnisverlust im Stundentakt haben, um die Wider-sprüche Ihrer Politik nicht zu bemerken. Herr KollegeSchäuble, jeder, der sich mit der Krise befasst, weiß,dass es schwer ist, den richtigen Weg zu finden. Jederweiß, dass es keine einfachen Lösungen gibt und dassmanches, was man gestern noch für undenkbar hielt,morgen bereits gemacht werden muss. Deshalb werfeich Ihnen den Wechsel mancher Positionen nicht wirk-lich vor – Sie mussten sich vorsichtig vortasten –, aberwas ich Ihnen vorwerfe, ist die Selbstgerechtigkeit, mitder Sie uns vorgestern und gestern hier im Haus Lehrenerteilen wollten.
Noch viel schlimmer ist: Sie haben mit Ihren kurz-sichtigen und dummen Parolen die Öffentlichkeit undIhre eigenen Abgeordneten immer erst richtig auf dieBäume getrieben
und wissen jetzt nicht, wie Sie sie wieder herunterbe-kommen sollen.
Sie haben dem Boulevard und den Stammtischen Ihrereigenen Fraktion Zucker gegeben, und deshalb müssenSie jetzt um Ihre eigene Mehrheit fürchten.
FdhdDRsjevgeFstuudlimRhNZT1Db–shgddrohbtrElimddG
rau Bundeskanzlerin, viele Ihrer Kollegen durch-chauen doch, dass Sie selbst längst die Vergemeinschaf-ng der Schulden von Griechenland, Portugal, Spaniennd Italien vorangetrieben haben. Wer haftet denn fürie Schuldtitel der Krisenstaaten in Höhe von 120 Mil-arden Euro, die die Europäische Zentralbank aufkaufenusste, weil Sie, Frau Merkel, diesen Aufkauf durch denettungsschirm noch im März dieses Jahres verhindertaben?
atürlich die Euro-Staaten, die an der Europäischenentralbank beteiligt sind, also auch Deutschland. In denresoren der Europäischen Zentralbank liegen die ersten20 Milliarden Euro an vergemeinschafteten Schulden.as sind die ersten Merkel-Bonds, die wir hier im Hauseekommen haben.
Ihre Kollegen lachen nicht, weil sie wissen, dass Siechon die ersten 120 Milliarden Euro vergemeinschaftetaben.Es war übrigens Deutschland, es war einer Ihrer Vor-änger, Frau Bundeskanzlerin, Helmut Kohl, und einerer Vorgänger von Herrn Schäuble, Herr Waigel, die beier Währungsunion darauf geachtet haben, dass die Eu-päische Zentralbank eine neutrale Rolle als Währungs-üterin genauso wie vorher die Bundesbank als Auftragekommen hat. Die Neutralität der Europäischen Zen-albank war einmal der sicherste Stabilitätsanker desuro. Und was machen Sie? Sie haben aus diesem Stabi-tätsanker, aus der EZB, eine europäische Bad Bank ge-acht,
ie sich inzwischen gegen die Gläubigerbeteiligung iner Finanzkrise wehren muss, weil sie sonst selber inefahr gerät. Sie haben sie zum Bestandteil der Krise
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14556 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Sigmar Gabriel
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statt zum Schützer der Währung in Europa gemacht,meine Damen und Herren.
Herr Schäuble, wir verstehen ja, dass Sie auf der Ba-sis der geltenden Verträge eine Gläubigerbeteiligung nurin Verhandlungen durchsetzen können. Aber das heißtnicht, dass man das, was die Banken einem vorlegen,auch gleich unterschreiben muss. Wissen Sie: Sie neh-men den Mund ja gern ziemlich voll,
wenn Sie SPD und Grüne für den damaligen Umgangmit den Stabilitätskriterien von Maastricht kritisieren.
– Ja, das wusste ich. Ich wollte Ihnen auch einmal einenGefallen tun
und das in meiner Rede erwähnen. Selbst wenn man un-terstellt, Sie hätten recht: Niemals zuvor hat jemand denwichtigsten Stabilitätsanker des Euro so sehr und nach-haltig beschädigt wie Sie und Ihre orientierungslose Re-gierung im Umgang mit der Europäischen Zentralbank.Dafür sind Sie zu Recht vom Bundespräsidenten heftigkritisiert worden.
Heute folgt nun der zweite Schritt zur Vergemein-schaftung von Schulden, diesmal Gott sei Dank nichtmehr über die EZB, sondern über den Rettungsschirm,die EFSF. Herr Schäuble, Frau Merkel, Sie haben nochvor wenigen Monaten erklärt, Sie seien gegen den An-kauf von Schuldtiteln auf den Sekundärmärkten durchden Euro-Rettungsschirm.
Heute schlagen Sie in dem vorgelegten Gesetzentwurfgenau diesen Ankauf von Schuldtiteln vor, weil Siewahrscheinlich gemerkt haben, dass Ihre fatale Haltungzur EZB die Währungsstabilität auf Dauer gefährdet.Heute schlagen Sie also das genaue Gegenteil von demvor, was Sie noch vor wenigen Monaten verteufelt ha-ben: den Ankauf von Schuldtiteln durch die EFSF.
Natürlich setzen Sie damit den Weg in die Vergemein-schaftung der Schulden in der Euro-Zone fort. Deutsch-land haftet im schlimmsten Fall mit mehr als 200 Mil-liarden Euro. Das ist die zweite Tranche der Merkel-Bonds, meine Damen und Herren. Das ist die Realität,vor der wir stehen.
Bei Ihnen und Ihrer Haltung wächst nichts mehr zusam-men, weil auch nichts zusammengehört. Der Unter-ssuteHKSbünslirunsnEGvbs„gwüdwEzDvzavgWhZESimMDb
enau das ist der politische Bruch mit allen Kanzlernor ihr. Angela Merkel ist die erste Kanzlerin der Repu-lik, der genau dieses Bewusstsein fehlt. Deshalbchrieb Helmut Kohl ihr ins Stammbuch – ich zitiere –:… keinen Standpunkt oder keine Idee …, wo man hin-ehört und wo man hin will.“ Meine Damen und Herren,enn der Kopf der Regierung nicht wirklich von Europaberzeugt ist, wie soll es dann der Rest sein? Kein Wun-er, dass bei Ihnen ständig alles zerstritten und zerredetird.
in Hühnerhaufen ist im Vergleich zu Ihrer Truppe eineiemlich geordnete Formation. Wer heute von außerhalbeutschlands auf Ihre Europapolitik schaut, der kannieles erkennen, aber keine klare Linie und kein Kon-ept.
Herr Schäuble, Sie hätten das, was Sie wissen unduch selber meinen, von Anfang an offen sagen müssen,or allen Dingen hätten Sie konsequent die Wahrheit sa-en müssen. Die Wahrheit ist: Sie sind längst auf demeg in die Vergemeinschaftung von Schulden. Dieeimliche Vergemeinschaftung von Schulden durch dieerstörung der Handlungsfähigkeit der EZB muss einnde haben. Deshalb ist die EFSF jetzt der richtigechritt. Die damit verbundenen Einflussmöglichkeiten Hinblick auf die Haushalte und Schulden der Euro-itgliedstaaten müssen aber dringend erweitert werden.abei müssen wir endlich die Geburtsfehler des Euroeheben. Wir brauchen mehr europäischen Einfluss auf
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Sigmar Gabriel
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die Stabilitäts-, Finanz-, Steuer- und Wirtschaftspolitikder einzelnen Mitgliedstaaten.
Was wir heute hier im Bundestag vorgelegt bekom-men, sind erste Schritte auf diesem richtigen Weg. Dasist in der Tat schwierig und wird vermutlich auch nichtausreichen; aber es sind eben die ersten richtigenSchritte dieser Regierung in der Euro-Krise. Deshalbwerden wir sie mitgehen.Neben Ihrem Zickzackkurs ist der wohl fundamen-talste europapolitische Fehler von CDU/CSU und FDPdie verkürzte Kosten-Nutzen-Rechnung der gesamtenEuro-Debatte, die Sie hier ständig angeführt haben.Deutschland wird von Ihnen ständig als Zahlmeister hin-gestellt, der für die Faulheit anderer immer zur Kasse ge-beten werden soll. Auch wir Sozialdemokraten wollendie Fehler – die Korruption und vor allen Dingen denBetrug unter der konservativen christdemokratischenRegierung in Griechenland, der Vorgängerregierung desheutigen Ministerpräsidenten – nicht rechtfertigen. Daswäre unverantwortlich. Auch wir sagen: Griechenlandkann nur europäische Hilfen erhalten, wenn es seine Zu-sagen einhält. Aber es sind eben nicht vor allem unver-antwortliche Regierungen gewesen, die Europa an denRand des Abgrunds geführt haben.
In Irland, in Spanien und Portugal sind es vor allen Din-gen unverantwortliche Banken und Spekulanten gewe-sen, die diese Euro-Länder in die katastrophale Ver-schuldung getrieben haben.
Nichts anderes ist auch bei uns der Fall. Es ist wirk-lich unfassbar, dass Ihre Kanzlerin gestern schon wiederso getan hat, als wären die Staatsschulden in den Euro-Mitgliedstaaten allein durch falsches Regierungshandelnentstanden, als litten alle unter zu hohen Staatsschulden,weil sie über ihre Verhältnisse gelebt hätten.
– Sie rufen auch noch „Ja“. – Die Wahrheit ist doch, dassdiese Staatsschulden ganz wesentlich durch den Verlust-sozialismus des Bankensektors entstanden sind.
– Interessant, dass die CDU das eigentlich unkommen-tiert hinnimmt, aber ausgerechnet die FDP unruhig wird,wenn man die Banken kritisiert.Sie verkleistern die Gründe für die Schuldenkrise,und man fragt sich: Warum? Weil Sie die Finanzmärkteimmer noch schonen wollen? In Wahrheit ist diesesdumme Modell der wirtschaftlichen und sozialen Staats-feindlichkeit, das Sie noch ständig verteidigen, dochlängst gescheitert. In Wahrheit hat das Modell weltweitgewonnen, das Sie in den 90er-Jahren so massiv be-knWdEntegddriD–DtiegtiRhDsDd1UwmvuEAdmwSnfa1mkDvtigazIhläti
nsere Schulden haben ganz wenig damit zu tun, dassir über unsere Verhältnisse gelebt hätten, aber ganz vielit Ihrer gescheiterten Ideologie freier Märkte und ganziel mit gebrochenen Wahlversprechen in Deutschland,nter anderem auch beim Umgang mit der deutscheninheit.
nstatt daraus etwas zu lernen und endlich aufzuhören,en Menschen unhaltbare Versprechungen zu machen,achen Sie – Sie haben nichts gelernt – im Gegenteil soeiter wie vorher. Jetzt versprechen Sie schon wiederteuergeschenke, die unbezahlbar sind. Während wiroch fast 30 Milliarden Euro neue Schulden machen,ntasieren Sie über Steuersenkungen von mehr als0 Milliarden Euro pro Jahr. Sie sind wirklich nichtehr ganz bei Trost, meine Damen und Herren. Andersann man das nicht bezeichnen.
ie Krise des Euro ist ganz wesentlich eine Krise dererwahrlosten Finanzmärkte. Es war eben ein konserva-ver und liberaler Irrglaube, diese Ideologie der Markt-läubigkeit und der Staatsfeindlichkeit, die Einstellung,lles das, was Finanzmärkte tun, ihren eigenen Regelnu überlassen, jahrelang vertreten zu haben. Wir sagennen: Diese Dominanz der Finanzmärkte sind wir nichtnger bereit zu dulden; denn sie ist ohne jede demokra-sche Legitimation. Sie berührt inzwischen auch die
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Demokratie selbst. Sie bedroht Europa nicht nur alsWirtschaftsstandort, sondern auch als Lebensort, Werte-gemeinschaft und funktionsfähige Demokratie.Weil Ihre Diagnose falsch ist und Sie immer nochglauben, die Menschen lebten über ihre Verhältnisse,statt zu schauen, welche Krisen in den Finanzmärktenentstehen, und diesen Verlustsozialismus zu beenden,haben Sie auch noch die falsche Therapie. Es reicht ebennicht aus, einzig und allein auf das Sparen zu setzen. Umjedem Missverständnis vorzubeugen: Natürlich gehörtSparen dazu. Vor allem die konjunkturunabhängigenStaatsausgaben in den Krisenstaaten müssen runter.
Aber ich weiß auch noch, wie uns hier von HerrnWesterwelle und anderen Irland als leuchtendes Beispieleines deregulierten Niedriglohn- und Niedrigsteuerlan-des vorgestellt wurde.
Das heißt, neben dem Sparen muss man als ZweitesIhre Ideologie des Niedrigsteuerlandes beenden. Manmuss dafür sorgen, dass in diesen Ländern die Steuernerhoben werden, die nötig sind, um den Staatshaushaltzu finanzieren. Wir können doch nicht in Deutschlandden Menschen Steuern abverlangen und anderswo in ei-nen Steuerdumpingwettbewerb eintreten. Das muss dochendlich beendet werden. Dazu gab es von Ihnen keineinziges Wort.
Ludwig Erhard mit seinen Sparappellen – Sie habenja mit Ihrem Blick zurück auf die erste Große Koalitionweit in die Vergangenheit geschaut, Frau Bundeskanzle-rin; ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie darüber nichtallzu viel wissen –
und seiner Aufforderung, Maß zu halten – für ihn warSparen die einzige Antwort auf die erste Krise –, ist ra-sant gescheitert. Danach kamen unter anderem Schmidtund Schiller und haben erklärt: Preisstabilität ist wichtig,aber wir müssen genauso in Wachstum und Beschäfti-gung investieren. Ich sage Ihnen, was wir brauchen: We-niger Erhard und Merkel, mehr Schmidt und Schiller inEuropa! Das ist die richtige Entwicklung für Deutsch-land.
– Haben Sie etwas zu sagen, Herr Kauder?
– Herr Kauder, Sie scheinen nicht einmal zu wissen, dassdas Gesetz, das damals in der Großen Koalition gegendhDdDle–ZreiswEwtikinz–ggbgGrahdmZihPzEdEdpntedds
ass bei Ihnen offensichtlich der Zustand erreicht ist,ass Sie inzwischen selber nicht mehr wissen, was ineutschland Recht und Gesetz ist, das wundert mich al-rdings.
Anscheinend doch, sonst würden Sie nicht so seltsamewischenrufe machen. Schade, dass die nicht jeder hö-n kann.Damit Sie wissen, worum es geht, Herr Kauder: Dast nicht nur Philosophie. Es geht um Folgendes: Wieachsen die Menschen auf, die morgen und übermorgenuropa sein werden? Als wir alle groß geworden sind,ar Europa ein Zeichen der Hoffnung und der Perspek-ve für junge Menschen. Das hat sich ins Gegenteil ver-ehrt: 45 Prozent Arbeitslosigkeit in Spanien, 40 Prozent Griechenland, 22 Prozent in Frankreich und 20 Pro-ent in England.
Wissen Sie, warum bei uns die Arbeitslosigkeit niedri-er ist? Weil wir das getan haben, was Ihre Kanzlerinestern als Ursache aller Krisen angesehen hat: Wir ha-en in der Krise investiert, Konjunkturprogramme auf-elegt und uns in der Krise verschuldet. Das ist derrund, warum wir aus der Krise besser als andere he-usgekommen sind.
Jetzt, wo die Krise vorbei ist, wollen wir die Schuldenerunterführen und keine Steuergeschenke machen. Stattumme Vorschläge über Goldreserven und anderes zuachen, mit denen Frau von der Leyen in der letzteneit aufgefallen ist, sollte die deutsche Arbeitsministerinre Kollegen einmal einladen und darüber reden, einrogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit in Europa auf-ulegen. Das sind nämlich die Menschen, die morgenuropa tragen sollen. Aber nichts davon bringen Sie aufen Weg.
Stellen Sie das dumme Gerede vom „Zahlmeisteruropas“ ein. In Wahrheit sind wir die politischen undie wirtschaftlichen Gewinner Europas und des Euros –olitisch, weil es die deutsche Einheit ohne Europa garicht gäbe und weil nichts, was wir jetzt erleben, souer sein kann, wie es ohne die deutsche Einheit gewor-en wäre. Der Zugewinn an Freiheit und Sicherheit undie wirtschaftliche Prosperität können durch nichts er-etzt werden.
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Sigmar Gabriel
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– Nein, ich habe Ihnen vorgeworfen, dass Sie damals dieMenschen über die Kosten der Wiedervereinigung be-schwindelt haben. Das habe ich Ihnen vorgeworfen,nicht die Kosten selber.
Sie haben doch gesagt: Dafür brauchen wir keine Steuer-erhöhung, das zahlen wir alles so. – 1,2 Billionen EuroStaatsverschuldung sind daraus geworden.Wir sind auch die wirtschaftlichen Gewinner, weil wireine Exportnation sind. Statt das als Bundesregierungvon Anfang an zu sagen und für die Mithilfe in Europadurch Deutschland zu werben, haben Sie die Leute erstmit Stammtischparolen – die Griechen sollen ihre Inselnverkaufen, und ich weiß nicht, was noch alles – auf dieBäume gebracht.Die Sozialdemokraten haben als Antwort auf – –
Herr Gabriel, möchten Sie noch eine Zwischenfrage
des Kollegen Altmaier beantworten?
Gerne.
Bitte schön.
Herr Kollege Gabriel, Sie haben vorhin gesagt: Wir
brauchen mehr Schmidt und Schiller. – Ist Ihnen erstens
bekannt, dass der damalige Finanz- und Wirtschafts-
minister Karl Schiller 1972 aus der SPD ausgetreten und
als Minister zurückgetreten ist, weil er mit der Verschul-
dens- und Inflationspolitik seiner eigenen Partei nichts
zu tun haben wollte?
Ist Ihnen zweitens bekannt, dass sein Nachfolger damals
Helmut Schmidt war, der bereit war, diese Politik mit
dem Spruch „Lieber 5 Prozent Inflation als 5 Prozent Ar-
beitslosigkeit“ fortzusetzen, und dass am Ende der
Amtszeit dieses Ministers 5 Prozent Arbeitslosigkeit und
5 Prozent Inflation zu verzeichnen waren?
Erstens. Mir ist bekannt, dass Karl Schiller späterwieder in die SPD eingetreten ist. Ich glaube, heute istPeer Steinbrück Vorsitzender einer Gesellschaft, die dasZiel hat, sein Erbe und seine Vernunft im Bereich derWirtschaftspolitik in Deutschland wachzuhalten.
–hbAWzutugWSAWvDWgimDA–S–ispfohpdwd–b2nmtugeti
Zweitens. Es ändert nichts daran, Herr Kollegeltmaier, dass der Grundgedanke des Stabilitäts- undachstumsgesetzes, sich eben nicht nur um ein Themau kümmern, also nicht nur um Preisstabilität, sondernm die Balance von Preisstabilität, Wirtschaftswachs-m, hohem Beschäftigungsniveau und Außenhandels-leichgewicht, die richtige Antwort auf die nationaleirtschaftskrise war. Und das war die Antwort vonchmidt und Schiller. Das wäre auch jetzt die richtigentwort in Europa.
ir brauchen das berühmte magische Viereck dieserier Ziele als gemeinsame Wirtschaftspolitik in Europa.arum geht es.
Ihr Sparappell führt doch, wenn er nicht durchachstum und durch die Schaffung von Beschäfti-ungschancen ergänzt wird, nur dazu, dass die Staatenmer mehr in die Krise hineingeraten und dass wir ineutschland damit nicht herauskommen. – Das war dientwort zum Thema Schmidt und Schiller.
Vorsicht, halt; Sie wollten doch noch etwas zu Helmutchmidt wissen.
Ich kann Ihnen das nicht ersparen. – Helmut Schmidtt derjenige, der mit Valéry Giscard d’Estaing die euro-äische Einheit vorangetrieben hat. Helmut Kohl hat dasrtgesetzt und zu großem Erfolg gebracht. Wir wäreneute alle froh, wenn wir in Europa politische Führungs-ersönlichkeiten vom Schlage Schmidt, Giscard’Estaing oder auch Helmut Kohl hätten. Leider müssenir uns aber mit Frau Merkel und Herrn Sarkozy zufrie-engeben. Das ist das, was wir zurzeit erleben.
Vielleicht stellen Sie noch eine Zwischenfrage.Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten ha-en als Antwort auf die Entwicklung der Finanzmärkte009 einen Paradigmenwechsel gefordert. Wenn wiricht ernst machen mit der Regulierung der Finanz-ärkte und mit der Verschränkung von Risiko und Haf-ng auf den globalen Finanzmärkten, also der Beteili-ung der Gläubiger an den Kosten der Krise, dann drohtin Kompetenzverlust des Politischen und der Demokra-e insgesamt.
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Sigmar Gabriel
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Wir dürfen eben nicht zulassen, dass solche Propa-gandaparolen in die Welt gesetzt werden, als seien dieProbleme gelöst, wenn die Menschen nicht mehr überihre Verhältnisse lebten. Ich habe gestern einen Brief ei-nes im Bewachungsgewerbe Tätigen bekommen, der4,01 Euro pro Stunde verdient. Er hat Ihre Sprüche, erwürde über seine Verhältnisse leben, genau verfolgt. Ermuss 300 Stunden im Monat arbeiten, um auf 1 000 Eurobrutto zu kommen. Das sind die Leute in Deutschland, de-nen Sie sagen, sie lebten über ihre Verhältnisse.
Deshalb geht es darum, diejenigen zur Verantwortungzu ziehen, die tatsächlich an der Krise schuld sind. Wirmüssen dabei Europa neu begründen und unseren Bürge-rinnen und Bürgern erklären, dass wir in Zukunft in derWelt eben nicht mehr als Einzelstaaten Gehör finden. ObKlimapolitik, Migrationsfragen, Außen- und Sicher-heitspolitik oder Wirtschaftspolitik – nur als Europäerwerden wir an Einfluss gewinnen.Die Alternative dazu ist noch schmerzlicher. An wensoll ein hochverschuldeter Mitgliedstaat eigentlich seineKompetenzen abgeben? An eine gemeinsame EU, diedemokratisch legitimiert ist? Oder an anonyme Finanz-märkte, die inzwischen gegen alles wetten, was schnel-len Gewinn verspricht?Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, die sichzu einer Schuldenkrise ausgeweitet hat, ist auch dasSymptom unserer gescheiterten Gesellschaftspolitik derletzten Jahrzehnte. In der Folge waren die Rechnungenfür das Streben nach unbegrenztem Wirtschaftswachs-tum auf Pump und die Gier nach maximalen Renditenund maßlosen Profiten geschrieben.Die notwendige Schaffung verbesserter internationa-ler Mechanismen muss in Europa beginnen. Wir wollen,dass wirtschaftlicher Erfolg und sozialer Zusammenhaltwieder zusammenfinden. Darum, Frau Bundeskanzlerin,geht es, nicht nur um Rettungsschirme.Es geht nicht darum, den Menschen ständig zu sagen,sie sollten weniger verbrauchen.
Es geht vielmehr darum, dass wir dafür Sorge tragen,dass die tatsächlichen Ursachen der Krise endlich bewäl-tigt werden. Sie haben seit der Großen Koalition und denVerabredungen beim G-20-Gipfel in Pittsburgh fastnichts auf den Weg gebracht. Sie haben alles liegen ge-lassen.Sie sind mit der Finanzkrise so umgegangen wie man-che mit dem Elbhochwasser. Immer, wenn das Wasserim Keller steht, dann heißt es: Nie wieder in Über-schwemmungsgebieten bauen. Wenn das Wasser weg ist,wird weitergemacht wie bisher. – Sie haben das alles inEuropa und international zugelassen. Wir wollen dafürSorge tragen, dass in Europa endlich wieder in Wachs-tum und Beschäftigung investiert wird, damit wir aus derSchuldenkrise herauskommen.dnSEMdteafüdwtuddlenewIhhBhsnshtitidSn
Nächster Redner ist der Kollege Rainer Brüderle für
ie FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-ge Gabriel, wir diskutieren ein sehr ernstes Thema,ämlich wie wir Europa neu gestalten: Europa ja, aberin Stück anders als bisher.Man kann das auf zwei Wegen machen. Man kann dasie Sie in parteipolitischer Polemik tun. Dabei kann ichnen mindestens so lange, wie Sie es getan haben, vor-alten, was bei Ihnen alles schiefgelaufen ist, mit dickenacken rauf oder runter.
Man kann sich dem Thema aber auch ernsthaft nä-ern. Es geht darum, wie wir das Vertrauen der Men-chen für eine europäische Zukunft gewinnen.Wir haben andere Bedingungen in Europa. Europa isticht mit den Vereinigten Staaten von Amerika gleichzu-etzen. Es ist kein Melting Pot. Europa ist Vielfalt. Wiraben eine Wirtschafts- und Währungsunion, keine poli-sche Union. Wir müssen Regeln haben, damit es funk-oniert. Gegen diese Regeln darf nicht verstoßen wer-en, sonst kann es nicht funktionieren. Was Herrchäuble heute vorgelegt hat, bedeutet die Gründung ei-er neuen Stabilitätskultur.
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Rainer Brüderle
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Es hat auch keinen Sinn, einen billigen Weg zu gehen.Die Euro-Bonds haben Sie gar nicht mehr erwähnt,nachdem Ihnen das Verfassungsgericht klar ins Stamm-buch geschrieben hat: So geht es nicht, weil das eine ge-samtschuldnerische Haftung für alle europäischenStaatsschulden bedeutet.
Diese Wundertüte will selbst Ihre SPD-Basis nicht.Erklären Sie Ihren Arbeitnehmern doch einmal, welcheHaftung wir mit einer solchen Wundertüte von Euro-Bonds eingehen würden!
Es geht vielmehr darum, dass wir die Strukturen an-passen. Man hat damals einen Stabilitäts- und Wachs-tumspakt gemacht. Denn die deutsche Mitgift für die eu-ropäische Zukunft ist die Idee der Geldwertstabilität.Jede deutsche Familie kann vom Großvater und Urgroß-vater berichten, die in Deutschland zweimal ihr Geldverloren haben. Wir hatten zweimal einen Währungs-schnitt. Deshalb war es für uns ganz entscheidend, dieUnabhängigkeit der Notenbank und die Verpflichtungauf Geldwertstabilität in den Prozess einzubringen, undzwar aus zwei Gründen. Erstens kann eine Marktwirt-schaft nur dann funktionieren, wenn die sie steuerndenSignale, nämlich die Preise, die Knappheitsrelation rich-tig widerspiegeln. Bei einer inflationären Entwicklungspiegeln sie die Knappheitsrelation nicht richtig wider.Der zweite Grund ist die soziale Dimension. Die größtesoziale Schweinerei ist Inflation.
Es sind die kleinen Leute, die ein Sparbuch und einGirokonto haben, die der Inflation nicht ausweichenkönnen. Deshalb war der Hinweis des KollegenAltmaier richtig. Es ist eine Illusion, zu meinen, dassman, wenn man eine lockere Geldpolitik betreibt, Euro-Bonds einführt und die Stabilitätsregeln bricht, etwaserreicht. Man erzielt vielleicht einen kurzfristigenEffekt, aber langfristig sind es die kleinen Leute und dieSchwachen, die dafür die Zeche zahlen. Das ist dasResultat, wenn man Grundsätze nicht durchhält. Dasaber, nämlich Grundsätze durchhalten, ist es, was wirerreichen müssen.Die soziale Marktwirtschaft ist bei uns Realität. Wirmüssen sie wieder nach Prinzipien ausrichten, und wirmüssen Grundsätze durchhalten
und diese hier in Europa einpflanzen, damit Europa eineErfolgsstory wird. Was ist denn im Bankensektor pas-siert? Es war doch die WestLB, die unter Ihrer Kontrollein Nordrhein-Westfalen ist, die das Geld verbrannt hat.Die staatseigenen Landesbanken in Deutschland habenbisher 130 Milliarden Euro verbrannt. Das war Steuer-zahlergeld, für das die Steuerzahler hart arbeiten muss-teLrefedLSggßeseregufümDdwwusbimwfüWSimMWnSosL
Die Bundeskanzlerin hatte mit ihren Ausführungencht. Ihre Polemik wegen ihres anderen Lebenswegs isthl am Platz. Wir sollten stolz darauf sein, dass jemand,er einen anderen Lebensweg hatte, der einen Teil seinesebens in der DDR gelebt hat, an der Spitze unserestaates steht; denn das ist ein Symbol dafür, dass wiremeinsam unseren Weg gehen. Sie aber greifen zu billi-er Polemik und sagen: Sie waren ja bei der ersten Gro-en Koalition nicht dabei. – Was Sie hier machen, istiner parlamentarischen Debatte unwürdig. Das giltelbst für Sie, Herr Gabriel.
Was sie gemeint hat, ist richtig. Es handelt sich umin generelles Problem. Man hat sich zu sehr von denalwirtschaftlichen Strukturen entfernt. Sie hingegenlauben, immer neue Konjunkturprogramme aufzulegennd Geld zu drucken, würde zu Wirtschaftswachstumhren. Nein, am Schluss muss man effizient sein, manuss Ressourcen anders kombinieren.
er Wiederaufstieg in Deutschland war nicht alleinurch konjunkturelle Maßnahmen bedingt, sondern erar dem Fleiß und Einsatz der Menschen geschuldet, erar möglich aufgrund der mittelständischen Strukturennd des Ideenreichtums der Menschen. Deshalb ist derchnelle Wiederaufstieg Deutschlands erfolgt.
Sie sind dem Münchhausen-Theorem verpflichtet, dasesagt, möglichst viele Staatsausgaben zu tätigen undmer weitere Konjunkturprogramme aufzulegen. Alsir die Konjunkturprogramme schrittweise zurückge-hrt haben, wurde dies kritisiert. Ich kenne diese Kritik.enn sich die Situation verbessert, dann muss man dieondermaßnahmen zurückführen. Sie hingegen denkenmer noch in der Tonnenideologie. Das ist verkehrt.an muss in realwirtschaftlichen Strukturen denken.irtschaftspolitik gleicht der Uhrmacherarbeit, sie hatichts mit dem globalen Hin- und Herschieben vontaatsausgaben zu tun.
Man kann über viele Ihrer Ausführungen über Irlandder andere Staaten reden. Irland hat, was die Realwirt-chaft betrifft, einen guten Weg eingeschlagen. Dieösung kann doch nicht sein, dass der Deutsche Bundes-
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Rainer Brüderle
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tag oder gar die deutsche Sozialdemokratie die politischeFührung in Irland übernimmt. Es sind übrigens IhreGenossen in Spanien, die gerade eine Jugendarbeits-losigkeit in Höhe von 40 Prozent produziert haben. DieLösung kann vielmehr nur sein, dass wir unter Wahrungder Souveränität von Irland und mit allem Respektgemeinsam Regeln vereinbaren, die Irland auf den Pfadder Tugend führen. Es geht eben nicht, dass man miteiner finalen Bankenbesteuerung von 10 Prozent denWettbewerb in Europa verzerrt. Wenn diese Regierungnicht hart gehandelt und sich Zeit genommen hätte, dannhätten wir jetzt nicht eine Entwicklung in Europa hin zueiner Stabilitätskultur. Jetzt wird die Schuldenbremse inSpanien und in Italien in der Verfassung verankert. AuchFrankreich geht in diese Richtung. Prinzipien setzen sichdurch, wenn man beharrlich ist. Nicht das Heischen nachschnellem Beifall und das schnelle Nachgeben sind dieLösung, sondern Prinzipientreue in elementaren Fragender Politik.
Ein bisschen mehr Rückgrat und weniger Eiermann!Herr Steinmeier hat es gestern gezeigt: Er ist von denEuro-Bonds quasi abgerückt, weil das Verfassungs-gericht Ihnen eine schallende Ohrfeige für den Grund-gedanken „Die anderen sollen es auch machen“ erteilthat.
Ein Sirtaki-Siggi-Konzept, nach dem man schnell ein-mal locker etwas bewegt, ist keine Lösung. Sie lenkenvon Ihrer Fehlsteuerung durch Euro-Bonds ab. Sie len-ken davon ab, dass Sie als große deutsche Partei bei derersten Hilfsmaßnahme für Griechenland nicht in derLage waren, eine Entscheidung zu treffen. Sie habenkraftvoll gesagt: Enthaltung.
Sie haben sich weggeduckt. Sie haben weder Ja nochNein gesagt, weil Sie in den entscheidenden Fragenkeine Grundsatztreue haben.
Es wäre gut, wenn Sie sich in den Wettbewerb derIdeen – nicht der Polemik – engagiert einbringen wür-den,
wie wir es schaffen, Europa voranzubringen.
Europa ist unsere Zukunft. Deutschland darf sich niewieder singularisieren. Der Euro ist elementar für dieeuropäische Entwicklung. Es geht darum, wie wir diesmnsddhdgTWAskDWfamEcwmsdvMjudsVIrmcWeladavSuh
as kennt jeder Sportler, das kennt jeder Fußballspieler:enn man die Spielregeln nicht einhält, wird man not-lls vom Platz gestellt. Wenn Griechenland nicht mit-acht, kann nicht die Konsequenz sein, dass ganzuropa keine Zukunftsperspektive entwickelt. Die Grie-hen müssen sich entscheiden. Sie sind eingeladen – sieurden damals unter falschen Bedingungen aufgenom-en –, mitzumachen. Es liegt jetzt an Griechenland, obie den Weg mitgehen oder ob sie – Stichwort: Europaer zwei oder drei Geschwindigkeiten, à deux, à troisitesses – einen anderen Weg in Europa wählen.Wir können uns nicht die Zukunftsentwicklung – dieenschen wollen eine Perspektive; ich verweise auf diengen Leute in Spanien, in Italien und anderswo, die aufie Straße gehen und protestieren – kaputtmachen las-en, weil ein Teil Europas nicht bereit ist, geschlosseneerträge einzuhalten.
gendwann ist die Stunde der Wahrheit: Entweder sieachen mit, wie es vereinbart worden ist, oder sie ma-hen nicht mit.
ir können uns den ganzen Weg nach Europa nicht voninem Mitglied, das die Regeln nicht einhält, verbauenssen. Es geht darum, die Grundsatztreue einzuhalten,amit Europa einen guten Weg nimmt.
Sie vollführen kurzfristig Eiertänze, mit denen Sieblenken von der Unfähigkeit in Nordrhein-Westfalen,on Ihrer Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen. Habenie Mut! Stehen Sie zu Grundsätzen! Das zahlt sich ausnd nicht das Herumeiern, wie Sie es heute vorgeführtaben.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14563
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Klaus Ernst ist der nächste Redner für die Fraktion
Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Brüderle, ich habe den Eindruck, Ihnenwird gerade dazu gratuliert, dass Sie Ihre eigenen Leuteauf Linie bringen.
Offensichtlich sind die Widersprüche in Ihrer eigenenRegierungsfraktion mindestens so groß wie die, diegegenwärtig in der Bevölkerung vorhanden sind. Ichsage Ihnen eines: Wenn Ihnen die Bürger draußen zuhö-ren, wie Sie hier in regelmäßiger Wiederkehr vertreten,dass Hunderte von Milliarden Euro für Bankenrettungenbeschlossen werden, dann halten sie sich inzwischen beijedem Ihrer Worte die Geldbörse zu; denn sie wissen,dass sie letztendlich für das zu zahlen haben, was Siehier vertreten, Herr Brüderle. Das ist die Wahrheit.
Wir sagen Nein zu dem, was Sie hier vorlegen. Ichwill Ihnen sagen, warum.Erstens. Sie retten mit diesem Gesetz weder den Euronoch die Europäer. Einzig und allein die Banken, dieVersicherungskonzerne, die Hedgefonds und die Finanz-investoren werden gerettet, und das einmal mehr, nichtzum ersten Mal.Zweitens. Wir sagen Nein zu diesem Gesetz, weil Sienichts gegen die Ursachen der Wirtschaftskrise unter-nehmen. Die Ursachen liegen nämlich bei den Zocker-buden. Die Ursachen liegen in diesem Bankensystem.Die Ursachen liegen in nicht regulierten Finanzmärkten.Da hat diese Regierung nichts getan, um auch nur einewirkliche Maßnahme zu beschließen. Dafür sind Siemitverantwortlich, Herr Brüderle.
Drittens. Wir sagen Nein, weil dies eine beispielloseSelbstentmachtung des Parlaments ist. Die Mehrheit die-ses Hauses streitet wochenlang um 5 Euro mehr für dieMenschen mit Arbeitlosengeld-II-Bezug; das gingwochenlang, monatelang und sogar bis zum Vermitt-lungsausschuss. Wenn es hier um 90 Milliarden zurErweiterung des Rettungsschirms geht, stellt die Regie-rung sogar die Frage, in welcher Weise das Parlamentüberhaupt beteiligt werden muss. Meine Damen undHerren, das versteht draußen bei den Bürgern diesesLandes kein Mensch mehr, und das zu Recht.
Viertens. Wir sagen Nein, weil sich Ihre Strategie derEuro-Rettung auf einen einfachen Nenner bringen lässt,und der heißt: Milliarden für die Banken, für die Ver-sicherungen, für die Hedgefonds, auf der anderen SeiteSozialkürzungen bei den Menschen nicht nur in der Bun-ddGw2vussdisLBswtuddtu2ABSdBehbKnKbdvWZ2lihimgSBsegsSg
Wenn es darum geht, wie Ihre Rezepte wirken, so istriechenland das beste Beispiel: 4,5 Prozent Minus-achstum 2010, weitere 5 Prozent Minuswachstum011. Wissen Sie, was das bedeutet? Sie kommen miror wie ein Arzt, der einem Patienten Medikamente gibtnd der, wenn der Patient das nächste Mal kommt undchon hereinkriecht, weil er gar nicht mehr stehen kann,agt: Wir erhöhen die Dosis. – Wie lange wollen Sieenn die Dosis erhöhen? Bis Europa gänzlich gescheitertt? Das ist Ihr Konzept, das Sie anderen Leuten, anderenändern aufdrängen wollen.
Wir sitzen heute hier als Anwälte der Bürger. Dieürger haben Angst um ihr Geld, und diese Angst habenie zu Recht. Drei Jahre nach der Lehman-Pleite stehenir vor der nächsten Bankenkrise. Immer neue Ret-ngsschirme werden aufgespannt. Seit dem Ausbrucher Finanzkrise sind die gesamtstaatlichen Schuldenurch Stützungsmaßnahmen zugunsten der Finanzinsti-tionen bei uns in der Bundesrepublik in den Jahren008, 2009 und 2010 um 315 Milliarden Euro gestiegen.llein auf die Bad Banks entfallen nach Aussagen derundesregierung 190 Milliarden Euro. Das waren, wieie wissen, bis vor kurzem noch Privatbanken, die Sieann verstaatlichen mussten. So viel dazu, Herrrüderle, da Sie sich gerade so über die Landesbankenrregt haben. Sie haben die falschen Konzepte, und Sieaben vor allem durch Zaudern geglänzt. Sie verstärkenei den Bürgern den Eindruck, dass diese Regierung derrise nicht gewachsen ist, und dieser Eindruck täuschticht.Lassen Sie mich zu den wirklichen Ursachen derrise kommen. Wer diese Krise nur als Schuldenkriseezeichnet, hat sie nicht verstanden.Was die erste Ursache betrifft – wir haben geradearüber gesprochen; auch mein Kollege Gabriel –: Wieerhält es sich denn eigentlich mit dem Stabilitäts- undachstumsgesetz?
ahlen lügen nicht. Wir haben in den zehn Jahren von000 bis 2010 Handelsbilanzüberschüsse von 1 552 Mil-arden Euro erzielt. Das ist der Saldo. Das heißt, wiraben in dieser Größenordnung mehr verkauft, als wirportiert haben. In dem Stabilitätsgesetz, über das wirerade gesprochen haben, geht es unter anderem um dietabilität des Preisniveaus. Es geht um einen hoheneschäftigungsstand und um – ich zitiere – „außenwirt-chaftliches Gleichgewicht“. Erklären Sie mir dochinmal – Frau Merkel ist ja nicht mehr da –, wie Sie ei-entlich diese 1 552 Milliarden Euro Außenhandelsüber-chuss mit diesem Gesetz in Einklang bringen wollen.ie haben die staatliche Politik auf eine einseitige Stei-erung der Exporte ausgerichtet und haben nicht berück-
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Klaus Ernst
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sichtigt, dass Sie damit alle anderen Länder an die Wanddrücken. Sie haben im Ergebnis dieser Politik erreicht,dass sich die anderen Länder verschulden müssen; denneines ist doch klar: Wer ständig mehr verkauft, als erkauft, muss nach dem Gesetz der Logik davon ausgehen,dass den Käufern irgendwann das Geld ausgeht und da-mit auch die wirtschaftliche Puste. Bei den anderen Län-dern hat unser Exportüberschuss zu einem Berg vonSchulden geführt. In einem vereinten Europa – das müs-sen Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben – gilt dereinfache Satz: Unsere Überschüsse sind die Schuldender anderen. Deshalb müssen wir es politisch so gestal-ten, dass unsere Überschüsse durch mehr Importe redu-ziert werden. Das geht nur durch höhere Löhne, höhereRenten und nicht durch Ihr Lohndumping.
Zweitens. Ihr Lohndumping führte letztendlich dazu,dass es in der Bundesrepublik Deutschland seit dem Jahr2000 ein Reallohnminus von 4 Prozent gibt. Auf der an-deren Seite sind die Exporte und die Gewinne der großenKonzerne gestiegen. Deshalb erinnere ich Sie an eineweitere einfache Formel, die im Finanzkapitalismus gilt:Der den Arbeitnehmern vorenthaltene Lohn ist dasSpielgeld der Spekulanten. Mit Ihrer Lohndumpingpoli-tik in dieser Republik haben Sie die Krise erst ermög-licht, weil Sie dadurch die Kapitalakkumulation an denFinanzmärkten hervorgerufen haben.
Zum Dritten: Sie haben nichts getan, um die Entfesse-lung der Finanzmärkte einzudämmen. Ich zitiere aus derFinancial Times von gestern. Dort heißt es:Die Bilanzsumme des britischen Bankensektors,
die ein Vielfaches des BIPs ausmacht, dient nur zuzehn Prozent der Kreditvergabe an die Industrie.Die Deutsche Bank begnügte sich 2010 mit 4,1 Pro-zent ihrer Bilanzsumme, um sie an Handel, Ge-werbe und gewerbliche Immobilienfinanzierungauszureichen …Was heißt das? Das heißt, dass die Banken ihrer eigentli-chen Aufgabe nicht gerecht werden, nämlich die Real-wirtschaft mit Krediten zu versorgen. Jetzt frage ich Sie:Was haben Sie eigentlich gemacht, um das wieder insLot zu bringen?
Was haben Sie gemacht? Nichts haben Sie gemacht. Siesind weiter auf dem Trip, die Banken zu stützen, obwohldiese die Verursacher der Krise sind.Das vierte Problem, das mit zu erwähnen ist, ist, dassdie Staaten, die vorher die Banken gerettet und die Fi-nanzmärkte stabilisiert haben, sich nun selbst an den Fi-nanzmärkten zu hohen Zinsen verschulden müssen. Andiesem Punkt erkennen Sie eines nicht: Wir müssen dieFinanzierung der Staaten von der Spekulation und vonden Finanzmärkten loslösen.
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azu sind Sie nicht bereit. Deshalb wird sich das, wasir hier beschließen, zu einem Fass ohne Boden entwi-keln.
Wir brauchen zweitens eine gerechte Besteuerungon Einkommen und Vermögen. Die öffentlichen Haus-alte müssen saniert werden.
och alle hier vertretenen Parteien außer uns haben mitazu beigetragen, dass die Steuersätze in der Bundesre-ublik Deutschland drastisch nach unten gefahren wur-en. Die Spitzensteuersätze sind gesenkt worden, auchon Rot-Grün. Jetzt will die SPD sie wieder erhöhen;as finde ich toll. Eine Vermögensbesteuerung fehlt nachie vor. Mit solchen Mitteln könnte man Staatshaushalteanieren.Drittens. Wir brauchen eine rechtliche Neuordnunges Bankenwesens. Ohne diese wird es nicht gehen.echtliche Neuordnung des Bankenwesens heißt: Dieroßen privaten Banken müssen unter gesellschaftlicheontrolle; ansonsten geben wir in diesem Bereich dasemokratieprinzip auf,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14565
Klaus Ernst
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weil wir immer das machen müssen, was die Bankenwollen. Das ist nicht im Sinne der Bürger unseres Lan-des.Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Nun erhält der Kollege Jürgen Trittin das Wort für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Ernst, Sie haben gemeinsam mit Herrn Brüderle belegt:
Es gibt eine unheilige Allianz zwischen einer Partei, die
sich selber „links“ nennt, und den Kräften innerhalb der
Koalition, die aus falsch verstandenem D-Mark-Chauvi-
nismus eine europäische Lösung dieser Euro-Krise ver-
hindern. Sonst könnten Sie nicht zu diesem Abstim-
mungsverhalten kommen.
Jene D-Mark-Chauvinisten in Ihren Reihen, die ge-
klagt haben, haben gestern vor dem Bundesverfassungs-
gericht eine krachende Niederlage erfahren.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, es sei
richtig, dass der Deutsche Bundestag versucht, die Krise
nicht durch Rückzug aus dem Euro oder durch Raus-
schmiss, sondern durch eine Stärkung europäischer Insti-
tutionen zu lösen. Das ist die Botschaft aus Karlsruhe,
und das ist die Botschaft, die die drei antieuropäischen
Parteien im Deutschen Bundestag, die Linke, die FDP
und die CSU, nicht hören wollen. Das ist die Wahrheit.
Lieber Herr Brüderle, ich würde mir wünschen, dass
Sie, wenn Sie schon gegen Banken wettern, über alle
Banken sprechen. Sie hätten natürlich auch erwähnen
können, dass die WestLB – jetzt unter dem Schutz des
Bankenrettungsfonds, also von uns aus Steuermitteln ge-
rettet – als Bad Bank vier Jahre in der Verantwortung un-
ter anderem eines gewissen Herrn Pinkwart gewesen ist.
Ich weiß nicht, ob Sie sich an den noch erinnern.
– Fünf Jahre; Entschuldigung, Axel, ich nehme das zu-
rück. – Sie hätten auch über die Sachsen LB sprechen
können.
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egen die mittlerweile die Staatsanwaltschaften wegen
er Zockereien mit Herrn Haider auf dem Balkan ermit-
ln. Wir können gerne über staatliche Banken sprechen.
ber ich glaube, wir müssen gelegentlich über alle Ban-
en sprechen. Wir müssen auch darüber sprechen, dass
as Verhalten zum Beispiel der Deutschen Bank und von
ehman Brothers und die Versuche, in Regulierungsoa-
en wie Irland Geschäfte zu machen, die man woanders
icht machen kann, genauso Ursachen dieser Krise sind,
ie das kriminelle Verhalten der konservativen Regie-
ng in Griechenland es gewesen ist.
a hätte ich von Ihnen Klarheit und Prinzipientreue er-
artet.
Sie haben gesagt, man müsse zu den Prinzipien ste-
en. Ein zentrales Prinzip sei die Unabhängigkeit der
uropäischen Zentralbank. Meine Damen und Herren,
er hat denn die Europäische Zentralbank genötigt,
r Schulden anderer Staaten aufzukommen und Anlei-
en aufzukaufen?
er hat denn dafür gesorgt, dass die EZB heute 120 Mil-
arden Euro Staatsanleihen von Krisenstaaten in ihren
üchern hält? Es war diese Regierung mit dieser Bun-
eskanzlerin. Niemand anderes trägt dafür die Verant-
ortung.
h will Ihnen auch sagen, warum das Ihre Verantwor-
ng ist: weil Sie sich noch im März, als über die EFSF
erhandelt worden ist, geweigert haben, das zu beschlie-
en, was Sie heute beschließen wollen, nämlich die
öglichkeit, am Sekundärmarkt Anleihen aufzukaufen.
amit haben Sie die Unabhängigkeit der Europäischen
entralbank auf schäbige Weise beschränkt. Deshalb
önnen Sie hier nicht von Prinzipientreue reden.
Da meldet sich gleich der Mario Barth der FDP zu ei-
er Zwischenfrage. Bitte schön.
In Anwendung der Geschäftsordnung mache ich voneiner Möglichkeit Gebrauch, –
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Entschuldigung!
– dem Wunsch nach einer Zwischenfrage mit Geneh-
migung des Redners stattzugeben. – Bitte schön, Herr
Kollege Fricke.
Dass Sie von Chauvinismus wirklich viel Ahnung ha-
ben, haben Sie gerade bewiesen.
Herr Trittin, ich darf Sie einmal fragen: Stimmt es,
dass die Grünen im Jahre 2009 einen Antrag gestellt ha-
ben, in dem wörtlich steht:
Der Deutsche Bundestag … fordert
– nach dem Willen der Grünen –
die Europäische Zentralbank auf, verstärkt über den
Aufkauf von Wertpapieren an der Stabilisierung der
Finanzmärkte und der Sicherung der Kreditversor-
gung mitzuwirken …
Stimmt es also, dass Sie selber – ich glaube, Sie waren
damals in einer nicht unwichtigen Position – als Grüne
genau diese Forderung erhoben haben und, anders als
diese Koalition – auch wenn uns das, was die Europäi-
sche Zentralbank gemacht hat, an vielen Stellen nicht
gepasst hat –, die Unabhängigkeit eben nicht akzeptie-
ren?
Lieber Herr Kollege Fricke, Sie haben richtig zitiert.
Wenn Sie mich an dieser Stelle zu Ende anhören, dannwerden Sie feststellen, dass ich ausdrücklich nicht dieEuropäische Zentralbank kritisiere.
Ich finde richtig, dass die Europäische Zentralbank diesgemacht hat
in einer Situation, in der von dieser Bundesregierung ge-nau die Institution blockiert worden ist,
die das besser kann, was Sie jetzt selber zugeben, weilSie diese Kompetenz, die heute leider von der EZBwahrgenommen werden muss, nun an den EuropäischenStabilitätsmechanismus bzw. die EFSF übertragen.
Bleiben Sie ruhig stehen. – Sie haben sich an diesertelle auch an einem anderen Punkt vergaloppiert. Sieaben gesagt, es gebe keine Vergemeinschaftung vonchulden. Es gibt sie. Mit genau dem Hinweis auf denufkauf dieser Staatsanleihen gibt es eine Vergemein-chaftung von Schulden. Sie wettern gegen Euro-Bonds;ie haben sie längst in diesem Lande eingeführt.
ören Sie auf, zu erzählen, das Bundesverfassungsge-cht habe sie verboten. Ganz im Gegenteil, das Bundes-erfassungsgericht hat selbstverständlich nichts dagegenesagt, dass die Europäische Union mithilfe von Euro-onds die Spekulationen gegen Ungarn oder Lettland er-lgreich beendet hat.
arüber schweigen Sie ja lieber, weil Sie es nicht zurenntnis nehmen wollen. Das zeigt die ganze europa-olitische und währungspolitische Geisterfahrt dieseroalition.
Herr Schäuble, ich will mit Ihnen nicht darüber intreit geraten, ob privatrechtliche Verträge, die faktischoheitliche Aufgaben erfüllen – und darum handelt esich bei EFSF –,
ach Übereinstimmung aller Kommentatoren einem völ-errechtlichen Vertrag gleichkommen und deshalb deratifizierung bedürfen. Sie haben ja tätige Reue geleis-t,
dem Sie heute gesagt haben: Wir machen es über eineertragsänderung, und ab 2013 machen wir es richtig. –sofern nehme ich schon zur Kenntnis, dass Sie in die-er Frage still und heimlich unsere Position übernommenaben.
Ich will aber an dieser Stelle eine sehr ernste Fragetellen: Dürfen wir eigentlich solche hoheitlichen Aufga-en in Form von privatrechtlichen Verträgen regeln?ürfen wir eigentlich europäische Institutionen wie dieZB, wie die Europäische Kommission tätig werden las-en auf der Basis einer Zweckgesellschaft nach Luxem-urger Recht? Daran habe ich sehr klare Zweifel – nichteil das juristisch fragwürdig ist, sondern vor allen Din-en, weil das politisch und gesellschaftlich die falscheotschaft ist.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14567
Jürgen Trittin
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Wenn solch entscheidende Aufgaben übernommen undauf europäische Institutionen übertragen werden, danndarf das nicht in privater Rechtsform geschehen. Dannmuss das als hoheitlicher Akt und unter der Aufsicht desBundestages und gegebenenfalls auch – gerade wenn esauf Europa übertragen wird – unter der Aufsicht des Eu-ropäischen Parlaments geschehen. Deswegen war derWeg in die Zweckgesellschaft der falsche Weg. Ich freuemich, dass Sie ihn am Ende korrigieren werden.
Heute streiten wir darüber, dass der Bundestag ausrei-chende und hinreichende Kontrollfunktionen hat, so-lange es diese Institution nicht gibt. Ich glaube, dass wirda zu einem Miteinander kommen werden.
Ich sage Ihnen – das scheint offensichtlich Unruhe imRegierungslager ausgelöst zu haben –, weil es sympto-matisch ist, lieber Herr Westerwelle: Weil Sie die rich-tige Lösung aufgrund von Uneinigkeit in den eigenenReihen immer blockiert haben, laufen Sie in solche halb-seidenen Zweckgesellschaften.
Dann wundern Sie sich auch noch über Europamüdig-keit.Sie gehen diesen Weg leider weiter. Jetzt stellen Sieden Stabilisierungsmechanismus auf eine vertraglicheGrundlage. Der nächste Schritt wäre vernünftigerweise,zu einer europäischen Wirtschaftsregierung zu kommen,weil die Ursache eben nicht allein Überschuldung ist,sondern weil die Ursache in Regulierungsdumping,Steuerdumping und all den realwirtschaftlichen Proble-men in Europa liegt.Frau Bundeskanzlerin, was ist aber Ihr Weg zur Wirt-schaftsregierung? Sie stellen sich eine Wirtschaftsregie-rung so vor, dass Herr Van Rompuy entsprechend demMinimalkonsens zwischen Ihnen und dem französischenStaatspräsidenten agiert. Das ist keine Wirtschaftsregie-rung; das ist nichts anderes als die Fortsetzung derLuxemburger Zweckgesellschaft mit anderen Mitteln.Ich sage Ihnen: Das, was wir heute neben den Verän-derungen beim Stabilisierungsfonds brauchen, ist einevertragliche Regelung, die besagt: Wir wollen eineKoordination in der Steuerpolitik, in der Wirtschaftspoli-tik und bei den Sozialstandards. Diese Koordinierungsetzt eine Vertragsänderung voraus. Es ist das Gebot derStunde, einen Impuls zu setzen, um dieses Europa aufeine neue Stufe der Vergemeinschaftung zu führen.Dafür fehlt Ihnen in dieser Koalition schon lange dieKraft.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-en und Kollegen! Ich will versuchen, eine etwas andereonlage zu finden; denn es geht mir darum, dass wir unsicht gegenseitig irgendetwas an den Kopf schmeißen,ondern die Debatte so führen, dass die Menschen imande verstehen können, worum es heute geht, worums uns geht.
Wir behandeln heute in erster Lesung eine sehr wich-ge und ernste Angelegenheit. Es geht im Kern um dierage: Was müssen wir tun, was können wir tun, umafür zu sorgen, dass unsere gemeinsame Währung wei-rhin stabil bleibt? Mit dem zu beratenden Gesetzent-urf zur Änderung des Euro-Stabilisierungsmechanis-usgesetzes – ich gebe zu: das ist ein komplizierterusdruck –, einem Regelwerk zur Übernahme vonewährleistungen im Rahmen der europäischen Hilfs-aßnahmen, setzen wir die Beschlüsse des Gipfels vom1. Juli 2011 in nationales Recht um.Am 10. Mai 2010 wurde in einer ausgesprochenchwierigen Situation für die Euro-Zone und unter gro-em Zeitdruck zunächst die Europäische Finanz-Stabili-ts-Fazilität, kurz EFSF, vom EU-Gipfel als vorläufigerettungsschirm ins Leben gerufen. Am 21. Juli diesesahres haben die Staats- und Regierungschefs der Euro-änder die Erweiterung des Garantierahmens und zusätz-che Instrumente vereinbart, um flexibler reagieren zuönnen und damit drohenden Ansteckungsgefahren fürndere Länder der Euro-Zone wirkungsvoller begegnenu können.Der EFSF-Rettungsschirm soll künftig auch Staatsan-ihen aufkaufen können. Wenn solche Käufe notwendigerden sollten, dann sollen sie von der EFSF, nicht wieisher notgedrungen von der EZB, durchgeführt werden.erartige Käufe dürfen allerdings auch künftig nur unterehr strengen Voraussetzungen stattfinden, zum Beispielenn Gefahren für die Finanzstabilität festgestellt wer-en. Ein Freibrief für umfassende Ankäufe ist abzuleh-en. Anleihenkäufe auf dem sogenannten Sekundär-arkt sind im Ausnahmefall künftig ebenfalls möglich.Euro-Länder können sich, um die Finanzmärkte zutabilisieren, eine Kreditlinie von der EFSF zusichernssen, die sie natürlich nicht nutzen müssen. Gerät einuro-Mitgliedstaat am Finanzmarkt unter Druck, darfie EFSF mit einem Vorsorgekredit helfen, noch bevors zum echten Hilfsfall kommt.Mit der Möglichkeit der Rekapitalisierung von Kre-itinstituten wird ein weiteres wichtiges Instrumenteschaffen.
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14568 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Bartholomäus Kalb
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Das Volumen der EFSF wird europaweit auf 780 Mil-liarden Euro aufgestockt, um effektiv über 440 Milliar-den Euro verfügen zu können. Das ist dem Umstand ge-schuldet, dass eine erhebliche Übersicherungerforderlich ist, um nach den Vorgaben der Finanzmärkteeine AAA-Bewertung für die Anleihen bekommen zukönnen.Einem Hilfe suchenden Land wird allerdings nurdann geholfen, wenn es Auflagen erfüllt und bereit ist,sich einem ehrgeizigen Reformprogramm zu unterzie-hen. Aufgrund der hohen Summen und aufgrund der Tat-sache, dass die Verfügung über deutsche Steuergelderallein beim Parlament liegt, legen wir ganz im Sinne desBundesverfassungsgerichts größten Wert auf eine inten-sive und umfassende Parlamentsbeteiligung. Mit demvorliegenden Entschließungsantrag gehen wir sogar überdie Forderungen und Anregungen des Bundesverfas-sungsgerichts hinaus.
Wir haben uns bewusst entschieden, zur Sicherungder Finanzstabilität der Euro-Zone Hilfen an Euro-Mit-gliedsländer zu gewähren. Die Hilfen stellen keinenBlankoscheck dar. Sie sind, wie bereits gesagt, an strikteAuflagen gebunden, die den betroffenen Ländern ganzerhebliche Anstrengungen abverlangen. Aber auch Soli-darität hat ihre Grenzen. Die Hilfen sind Hilfen zurSelbsthilfe, wie es der Finanzminister bereits vorhin zumAusdruck gebracht hat.Die Notwendigkeit zur Ertüchtigung der EFSF ergibtsich daraus, dass sich die Folgen zu hoher Staatsdefizitein einigen Ländern der Euro-Zone in den vergangenenWochen auf den Finanzmärkten erneut zugespitzt haben.Auslöser der krisenhaften Zuspitzung waren Zweifel ander Entschlossenheit einzelner europäischer Staaten,eine strikt auf Rückführung der Neuverschuldungbedachte Finanzpolitik zu betreiben.Deutschland zieht im Haushalt Konsequenzen aus derSchuldenkrise. Die aktuelle Schuldenkrise hat ihre Ur-sachen ganz klar in den zu hohen Haushaltsdefiziten undin einer zu hohen Gesamtverschuldung einiger Euro-Länder. Die christlich-liberale Koalition hat frühzeitigdie Weichen gestellt und setzt den Kurs der erfolgrei-chen Haushaltskonsolidierung unverändert und konse-quent fort. Wesentliche Ziele sind die Einhaltung derverfassungsrechtlichen Schuldenbremse und der konse-quente Abbau der Neuverschuldung.Insbesondere dank des Aufschwungs und des im ver-gangenen Jahr umgesetzten Zukunftspaketes wird dieNeuverschuldung nach den Plänen der Bundesregierungim Jahr 2012 mit rund 27 Milliarden Euro weit geringerals bisher angenommen ausfallen können. Unser Ziel istund bleibt ein ausgeglichener Bundeshaushalt. UnserZiel ist und bleibt die Reduzierung der Neuverschuldungund die Einhaltung der Schuldenbremse. Es ist heuteschon mehrfach gesagt worden: Viele Länder folgen unsGott sei Dank jetzt auf diesem Weg.
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ir haben deshalb alles zu tun, um die Stabilität unsereremeinsamen Währung sicherzustellen. Das ist unsereerantwortung, die wir zu tragen haben.Ich gebe zu und sage ganz ausdrücklich: Nach meinerberzeugung hat uns der Euro sehr stark geholfen, dieettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu steigern. Wirind ein absolut exportorientiertes Land. Damit hat dieseährung dazu beigetragen, dass wir wirtschaftlich gutastehen, dass der Wohlstand gesichert werden kann,ass unsere sozialen Sicherungssysteme gut sind undass die Menschen und die Arbeitsplätze sicher sind.uch wenn wir bisher Zweifel daran gehabt hätten, sorauchen wir bloß Richtung Schweiz zu schauen und zuerfolgen, zu welchen Maßnahmen sich die Schweizeranlasst sieht, nämlich den Schweizer Franken an denuro zu binden, weil sie sonst auf den globalen Märkten Bezug auf ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeiticht mehr mithalten könnte.Ich sage ganz offen: Es ist eine unserer wichtigstenufgaben, langfristig für die Stabilität des Euro einzu-eten und ihn zu sichern. Bei allen kritischen Diskussio-en, die wir untereinander führen und die die Menschen Lande mit uns führen, und allen Besorgnissen, dieerständlicherweise vorhanden sind: Die Menschen innserem Land erwarten, dass wir alles tun, um unsereemeinsame Währung zu sichern.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Axel Schäfer für die
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirprechen heute über den EFSF-Rahmenvertrag undamit über die künftige Architektur, aber auch über dierchitekten innerhalb der EU. Ich war gestern bei derrteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts inarlsruhe. Drei Aspekte sind in diesem Zusammenhang
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14569
Axel Schäfer
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für uns entscheidend. Erstens. Das Bundesverfassungs-gericht hat den Weg zur weiteren europäischen Integra-tion geöffnet und uns damit verpflichtet, ihn zu gehen.Zweitens. Das Bundesverfassungsgericht hat sich nichtan die Stelle des Bundestages gesetzt und gesagt: Wirwissen alles besser. Vielmehr ist es unsere Aufgabe, zuüberlegen, wie wir unsere Rolle bei Finanzfragen inhalt-lich auszufüllen haben. Drittens. Es hat wieder einmaldie Rechte des Deutschen Bundestages gestärkt.
Deshalb ist es falsch von der Bundesregierung – HerrMinister Schäuble, bei allem Respekt –, dass ein privat-rechtlicher Vertrag, in dem Staaten vereinbaren, staat-liche Aufgaben wahrzunehmen, nicht dem Bundestagzur Ratifizierung vorgelegt wird. Ich bin mir sicher, esgibt eine große Mehrheit in allen Fraktionen, die diesepolitische wie rechtliche Auffassung teilen. Nur manchetrauen sich nicht, das zu sagen. Wir, die SPD, trauen uns,weil wir es für richtig halten, und auch, weil wir diegroße Mehrheit der Verfassungsrechtler auf unserer Seitehaben.
Sprechen wir endlich offen über die Architektur derEuropäischen Union. Wir dürfen nichts mehr verschwur-beln, auch weil es um Demokratie geht. Eine Stärkungder gemeinsamen europäischen Handlungsfähigkeitfunktioniert nur integrativ und nicht nur intergouverne-mental, wie das jetzt meist der Fall ist. Es gibt keinePseudokonstruktion einer Wirtschaftsregierung à la HerrVan Rompuy, die zweimal im Jahr tagt. Es gibt eine realexistierende europäische Regierung, die wir dazu ertüch-tigen, demokratisch stärken und mit Mitteln ausstattenmüssen: Das ist die Europäische Kommission. Das istbisher die Mehrheitsmeinung im Bundestag gewesen.Leider halten die Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP sich nicht mehr an diese gemeinsameGrundlage. Es ist eben kein europäischer Weg, der inter-gouvernemental gegangen wird.
Es ist falsch, zu glauben, wir brauchen für alles Ver-tragsänderungen. Wir brauchen eine Kommission, diemutig ist, all das, was von Jacques Delors begonnenwurde, fortzuführen. Wir hatten in der SPD-Fraktion ge-rade die Möglichkeit, sehr intensiv mit ihm zu diskutie-ren. Es geht um die Möglichkeiten, wirtschaftlicheKoordinierung in Gesetzesform zu gießen und damit vielmehr an Vorgaben zu machen als das, was bisher aufdem Tisch liegt. Wenn wir diese Form der Ertüchtigungder Europäischen Kommission wählen, stärken wir aufder einen Seite natürlich die Handlungsfähigkeit und dieHandlungsmöglichkeit des Europäischen Parlaments,und auf der anderen Seite beziehen wir den DeutschenBundestag in allen Fragen voll ein. Das ist doch offen-sichtlich der Wille der Kolleginnen und Kollegen auf derrechten Seite des Hauses. Sie müssen das aber auch inihren praktischen Entscheidungen umsetzen.dnkwwKbdteseFhswDvrezOmwetisbtietrögateSoozcHZvNRRIttedsgKaegsE
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14570 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
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Für die FDP-Fraktion erhält jetzt der Kollege Otto
Fricke das Wort.
Geschätzter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da-men und Herren! Ganz grundsätzlich ist die Frage zustellen, die sich jeder Bürger stellt: Warum haben wir ei-gentlich Schulden? Das ist doch das Kernproblem, überdas wir heute reden. Dieses Problem müssen wir lösen.Wir haben nicht wegen irgendwelcher BankenkrisenSchulden.
– Doch? Haben Sie sich eigentlich einmal überlegt, wa-rum wir schon vor der Bankenkrise, also zum Ende derrot-grünen Regierungszeit eine Verschuldung von über60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hatten, warum wiram Ende der Regierungszeit von Rot-Grün schon weitüber 1 000 Milliarden Euro Schulden hatten? Doch nichtwegen der Bankenkrise. Der Grund dafür ist, dass diePolitik immer wieder denselben Fehler gemacht hat.Man hat gesagt: Für unsere Politik brauchen wir mehrGeld.
Herr Ernst, Sie sagen immer, dass wir uns von denMärkten unabhängig machen müssen und Euro-Bondsbrauchen – das ist ja schön; auch SPD und Grüne wollenEuro-Bonds –, aber ich muss Sie schon fragen: Wer solldiese Bonds nach Ihrer Meinung kaufen? Diese Euro-Bonds kauft doch der Markt. Dann haben wir wieder dasProblem, dass der Markt darauf vertrauen muss, dass wirdas Geld zurückzahlen. Oder er vertraut uns eben nicht.Wer ist denn der Markt? Der Markt ist auch Arbeitneh-mer. Der Markt ist auch ein Pensionsfonds. Der Markt istauch die Altersvorsorge von ganz vielen Arbeitnehmern.Der Markt ist auch jeder Riester-Rentner, der sein Gelddort angelegt hat. Auf dem Markt haben auch Universi-täten ihr Geld angelegt. All diese müssen die Sicherheithaben, dass jemand, der sich verschuldet hat, das Geldzurückzahlt. Daran glaubt man nun nicht mehr.Jetzt kommt der nach meiner Meinung für Europaentscheidende Punkt, bei dem sich Links von Bürgerlichdeutlich unterscheidet. Für uns heißt Europa: Als starkesLand, als größter Zahler Europas haben wir die Ver-antwortung, für unseren Teil zu haften und für unserenTeil etwas zu tun. Das ist das – dies will ausdrücklich sa-gen –, was diese Koalition will: eine Haftung für denAnteil, der der Stärke entspricht.Was wollen Sie? Herr Gabriel, jetzt kommen wir ein-mal zu Ihren wunderschönen Arten von Euro-Bonds. Siewollen etwas anderes.
– Nein, Sie haben nicht zugehört; Sie haben nach hintengeguckt.HEaASrovSgDmWtiMgfüWasKbEzfeGz
err Gabriel, Sie wollen, dass wir – anders als bei derFSF – nicht auf unseren Anteil begrenzt haften. Nichtsnderes tun wir; die Haftung war schon immer auf dennteil begrenzt.
ie wollen eine Gesamthaftung Deutschlands für alle eu-päischen Staatsschulden. Genau das schwebt Ihnenor.
ie wollen nichts anderes als einen Länderfinanzaus-leich auf Kosten von Deutschland.
as ist Ihr Wunsch; das bestätigen Sie. Sie haben das ge-einsam mit Herrn Steinmeier, gemeinsam mit Ihremeltökonomen Herrn Steinbrück immer wieder bestä-gt.
an kann es immer wieder finden, zuletzt auch im Spie-el. Sie wollen eine gemeinsame Haftung Deutschlandsr alle Schulden.
ir wollen eine anteilige Haftung entsprechend der Ver-ntwortung. Das ist der Kern und der wesentliche Unter-chied zwischen Rot-Rot-Grün und der bürgerlichenoalition.
Bei der Lösung müssen wir auf eines achten – und ichin dem Bundesverfassungsgericht für seine gestrigentscheidung dankbar –: Die Hauptaufgabe, die wir be-üglich Europa haben, ist doch, Europa wieder in die Öf-ntlichkeit und in die Parlamente zu bringen. – Herrabriel, hören Sie mir bitte zu; ich habe Ihnen doch auchugehört. Das wäre fair und nett.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14571
Otto Fricke
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– Ja, klar, man kann den Rücken zuwenden. Jeder hatseine Art von Höflichkeit. – Ich will auf eines hinaus.Die Bürger fragen sich – das merken wir in all unserenGesprächen –: Wer entscheidet eigentlich über meinGeld? Wo passiert das? Irgendwo in Brüssel in einemHinterzimmer, irgendwo in einem Ministerium? Die Par-lamentsbeteiligung, Art. 38 des Grundgesetzes und dieVerfassungsgerichtsentscheidung – wenn wir wollen,können wir sogar 320 Jahre auf Locke zurückgehen –sorgen dafür, dass die Diskussion über die Frage, wieviel Geld wir wem wofür geben, in die Parlamentekommt. Das ist die wesentliche Grundlage, die Voraus-setzung für eine Vertiefung Europas.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Ulrich Maurer für die
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Wenn die Lage nicht so extrem ernst wäre und dieFolgen nicht so katastrophal, dann wäre es schon fastamüsant, zu sehen, wie Sie sich hier gegenseitig die Ver-antwortung zuschieben für eine Suppe, die Sie gemein-sam angerührt haben. Die Krise, in der wir uns befinden,hat zwei zentrale Ursachen: zum einen die völlige Dere-gulierung der Finanzmärkte und die Unterwerfung derPolitik unter die Finanzmärkte und zum anderen dieSchaffung riesiger volkswirtschaftlicher Ungleichge-wichte, vor allem auch durch die BundesrepublikDeutschland. Sie alle waren sich einig, dass eine richtigeStrategie sei, in Deutschland die Löhne zu senken, dieRenten und die Sozialleistungen zu kürzen, um sich aufder Basis des Euro einen Wettbewerbsvorteil für diedeutsche Exportindustrie zu verschaffen. Bei dieser Stra-tegie waren Sie sich alle einig.
Wenn ich den Kollegen Gabriel heute das Schicksaleines Wachmanns beklagen höre,
dann fällt mir ein, wer die Gesetze zur Einführung derZeitarbeit, der Sklavenarbeit, der Leiharbeit in Deutsch-land gemacht hat. Ein bisschen Selbstkritik und ein biss-chen Demut wären in dieser Situation angemessen.
Kollege Trittin, wer hat eigentlich die Finanzmarkt-förderungsgesetze gemacht? Schauen Sie einmal nach.Wer hat dafür gesorgt, dass die Hedgefonds in Deutsch-land zugelassen wurden, dass die Derivate zugelassenwurden? Wer ist hier im Deutschen Bundestag herumge-rannt – auch unter Ihrem Applaus – und hat geschrien:„Wir müssen Frankfurt zu einem Finanzplatz wie Lon-dhegdnnFUntuFredcwznWTbmdBSdFhPWdsSkreodsFSmbFloeAs
ir haben vorgeschlagen, dafür zu sorgen, dass in derat eine europäische Bank Staatsanleihen zeichnen undegeben muss, anstatt dies den sogenannten Finanz-ärkten zu überlassen. Sie sagten, Sie glauben nicht,ass das geht.Ich will Ihnen ein Beispiel liefern, ein revolutionäreseispiel aus der Schweiz aus den letzten Tagen. Diechweizerische Nationalbank hat erklärt: Die Preisfin-ung beim Schweizer Franken durch die internationaleninanzmärkte wird von uns nicht mehr akzeptiert. – Dannat sie einen eigenen Preis festgesetzt und gesagt: Diesenreis werden wir mit allen Mitteln verteidigen. – Ohunder: Die internationalen Finanzmärkte haben deniktierten Preis in den ersten Tagen akzeptiert. Das müs-en Sie zur Kenntnis nehmen. Das war ein revolutionärerchritt.
Warum fahren Sie damit fort, Rettungsschirme zuonstruieren, von denen Sie wissen, dass sie nicht aus-ichen werden, um die Spekulationen gegen italienischeder spanische Staatsanleihen zu beenden? So werdenie Spekulationen fortgesetzt. Warum unterwerfen Sieich auch damit wieder dem Diktat der sogenannteninanzmärkte, anstatt Konsequenzen zu ziehen? Stellenie sich einmal vor, wir hätten in Deutschland nichtehr das System der Kommunaldarlehen, sondern Duis-urg und Dortmund müssten sich an den internationaleninanzmärkten verschulden. Was glauben Sie, was das wäre? Genau so gehen Sie jetzt mit der Situation aufuropäischer Ebene um. Die Griechen bedecken Sie mituflagen. Die Italiener und die Spanier machen jetztchreckliche Dinge, die ihre Länder in die Depression
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14572 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Ulrich Maurer
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treiben werden. Warum ziehen Sie nicht die Lehren ausder deutschen Geschichte? Die deutsche Reichsregie-rung hat sich auf genau die gleiche Art und Weise in dieKrise hineingespart, wie Sie es jetzt verordnen, nämlichzulasten der Masseneinkommen. Das hat uns Faschis-mus und Krieg beschert. Wir sind sehr erregt – das willich Ihnen sagen –, weil Sie sich bei dem, was Sie da ma-chen, im Hinblick auf die Zukunft Europas insgesamtverantwortungslos verhalten.
Wenn die Politik nicht grundlegend geändert wird,wenn Deutschland nicht aufhört, den Euro als Plattformzu benutzen, um dann auf der Basis von Lohnsenkungenund Konkurrenzvorteilen die anderen Länder an dieWand zu konkurrieren – das war schon unter Schröderund Fischer so –, wenn die Kaufkraft in Deutschlandnicht gestärkt wird, wenn Deutschland nicht auch alsBinnenmarkt stark wird und wenn Sie weiter abschrei-ben, was Ihnen der internationale Bankenverband dik-tiert – Gregor Gysi hat es gestern nachgewiesen –, dannsetzen Sie die Krise fort, von Rettungsschirm zu Ret-tungsschirm, von Milliardenverlust zu Milliardenverlust.Sie haben es bis heute nicht begriffen: Nicht Rettungs-schirme werden Europa retten, sondern eine grundle-gende Veränderung der Politik.
Das Wort erhält jetzt der Kollege Manuel Sarrazin für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die De-batte hatte teilweise Züge eines historischen Seminars,Institut für Zeitgeschichte, speziell 70er-Jahre.
Ich möchte in Richtung der Koalition sagen: Prinzi-pientreue ist ein großes Wort. Herr Fricke, da Sie vonSchulden und Schuldenstaaten geredet haben, muss ichIhnen sagen: Gerade das Beispiel Irland, das Sie gepre-digt haben, hat es doch gezeigt: Vor der Krise lag dieStaatsverschuldung in Irland bei unter 30 Prozent, jetztbefindet sich das Land unter dem Rettungsschirm. Dasist neoliberale Politik, die Sie zum Vorbild nehmen. Dasgehört zur Wahrheit dazu.
Zur Wahrheit und zur Prinzipientreue gehört genauso,dass Sie seit Monaten etwas von quasiautomatischenSanktionen erzählen. Aber genau in diesen Tagen habenSie das – die Stärkung des Stabilitätspakts – bei den Ver-handlungen im Rat gekippt. Quasiautomatische Sanktio-nen wird es nicht geben, weil Ihr Finanzminister das inBtrdGmdHwsliisSSvUMzsvDPUdApdleSAriwue–dhVAb§Dkdd
Wenn wir über diesen Rettungsschirm diskutieren,ann reden wir auch darüber, dass viele Menschen dasefühl haben, dass Politik nicht mehr entscheidet. Sieachen durch Ihre zögerliche Salamitaktik eben nichteutlich, dass die Änderungen, die jetzt kommen, dieandlungsfähigkeit der Politik steigern. Dieser Schirmird nicht die endgültige Lösung sein. Es ist nicht sozu-agen das Manna, das vom Himmel fällt, aber es ermög-cht der Politik, mehr einzugreifen als vorher. Deswegent die neue EFSF besser als die alte.
Wessen Erfolg ist das? Seien Sie doch mal ehrlich!ie haben eineinhalb Jahre lang immer wieder Schritt fürchritt versucht, jede dieser neuen Möglichkeiten zuerhindern. Sie haben hinausgezögert und gezaudert.nd jetzt stellen Sie sich hier hin, vertreten genau dieseöglichkeiten und reden von Prinzipientreue. Ihr Zick-ackkurs ist der Grund, warum die Menschen nicht ver-tehen, weshalb es jetzt richtig ist, diesen Schirm so zuerändern. Das kann man Ihnen zu Recht vorwerfen.
iese Doppelzüngigkeit und kurzsichtige Note ist dasroblem der deutschen Europapolitik. Die Europäischenion ringt um ihre Zukunft, aber Sie ringen immer nurarum, die nächste kleine Nachgabe deutlich zu machen.nstatt die Zukunft Europas zu beschreiben, die euro-äischen Institutionen – das Europäische Parlament undie Kommission – zu stärken und für eine demokratischgitimierte Wirtschaftsregierung zu kämpfen, befassenie sich immer noch mit Zwischenrufern, die von Euro-ustritt und Nord-Euro sprechen.Andere finde ich interessanter. Das Verfassungsge-cht hat in seinem Urteil gestern aus meiner Sicht eineneisen Weg im Hinblick auf einen starken Bundestagnd einen handlungsfähigen Rettungsschirm gewiesen,inen Weg, für den wir Grüne immer plädiert haben.
Vielleicht sollten Sie sich vergegenwärtigen, was wiramals im Haushaltsausschuss eingefordert haben. Wiraben damals gesagt, dass wir genau das wollen, was daserfassungsgericht mit seiner verfassungskonformenuslegung vorgegeben hat. Wir sollten uns also dies-ezüglich nicht nur bemühen. Damals haben wir wie in10 EUZBBG ein zwingendes Einvernehmen gefordert.aran werden Sie sich doch noch erinnern können. Wironnten uns bei Ihnen bzw. beim Ministerium nichturchsetzen. Das ist die historische Wahrheit, wenn Sieenn schon auf Prinzipientreue setzen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14573
Manuel Sarrazin
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Das Bundesverfassungsgericht hat weniger die Gren-zen des Grundgesetzes als die europäischer Verträge auf-gezeigt und deutlich gemacht: Wir müssen über die Ver-träge nachdenken, wenn wir die Krise handlungsstarkund europäisch lösen wollen. – Das Gericht hat den ge-genwärtigen Charakter der Verträge betont und machtuns klar, dass vielleicht Vertragsänderungen – übrigensein weiteres Extabu Ihrer Koalition – notwendig seinwerden. Dabei verhindert es keineswegs die Einführungvon Euro-Bonds, sondern denkt im Gegensatz zu Ihnenvoraus und setzt Mindeststandards für solche Ideen.Dabei geht es um die Fortentwicklung der europäischenVerträge und um das Budgetrecht dieses Hauses. Esschafft etwas, das Sie nicht nutzen. Das Verfassungs-gericht gibt Spielraum für eine proeuropäische Linie inder deutschen Europapolitik, die selbstbewusst ist undwieder zum Motor für die europäische Integration alsLösung der Krise werden kann. Ein Schritt dabei ist dieneue EFFS. Diesen Schritt wollen wir als starkes Parla-ment gemeinsam mit Ihnen gehen.Da Sie in diesem Zusammenhang von Parlaments-rechten reden, möchte ich darauf hinweisen, dass diegrüne Bundestagsfraktion gerade Klage gegen die Infor-mationspolitik der Regierung gegenüber dem Bundestagvor Gericht eingereicht hat. Ich erwarte von Ihnen, dassSie klar sagen – so ist die einvernehmliche Haltung desDeutschen Bundestages –, dass es sich bei diesen Fragenum Angelegenheiten der Europäischen Union handelt,bei denen die Informationsrechte des Bundestags ent-sprechend zu berücksichtigen sind.
Ich sage Ihnen: Noch ist Zeit, in dieser Frage einzu-lenken. Dazu sollten Sie Ihre Regierung bringen, anstatthier immer nur große Reden zu schwingen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Norbert Barthle von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Kollege Sarrazin, in einem Punkt gebe ichIhnen völlig recht: Wenn man die Debatten verfolgt, ins-besondere die Argumente der Opposition, kann manheute den Eindruck gewinnen, dass es sich um Vergan-genheitsbewältigung handelt, wenn es darum geht, wiewir die Verschuldungskrise innerhalb Europas bekämp-fen wollen. Es hilft uns doch nicht weiter, wenn wirdarüber räsonieren, ob nun die Regierung Karamanlisoder die Regierung Papandreou an der riesigen Verschul-dung Griechenlands Schuld hat. Es hilft uns auch nichtweiter, wenn wir den Blick zurücklenken, Herr Gabriel,um herauszufinden, wer für den hohen Schuldenstand inDeutschland Verantwortung trägt. Das waren nämlichwir alle, alle Parteien, die in diesem Haus vertreten sind.Ausnahme sind die Linken.
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Natürlich auch den Porschefahrer; das ist logisch. – Esuss darum gehen, alle Kräfte darauf zu verwenden,nsere Währung erstens stabil zu halten und zweitensukunftsfest zu machen und damit auch den gesamtenuropäischen Wirtschaftsraum entsprechend aufzustel-n.Das hat inzwischen auch die gesamte deutsche Wirt-chaft erkannt. Ich bin froh, dass dies vor wenigen Tagenie führenden Vertreter, Hans Heinrich Driftmann alsräsident des Deutschen Industrie- und Handelskammer-ges und Otto Kentzler als Präsident des Zentralver-ands des Deutschen Handwerks, in einem Namensbei-ag in der Welt deutlich zum Ausdruck gebracht haben.h darf mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitieren:Die deutsche Wirtschaft bekennt sich in dieserschwierigen Phase zum Euro – und unterstützt dieVerantwortlichen dabei, die Währungsunion unddie EU insgesamt für künftige Krisen zu wappnen.Allein aus demografischen Gründen muss Deutsch-land auf Europa setzen, und international werdenwir uns gegenüber größeren, aufstrebenden Staatennur als aktionsfähiges Europa Einfluss sichern.Auch die Handwerker haben erkannt, dass die Aktion,uropa zukunftsfest zu machen, allen hilft, auch denenschen, die in Handwerksbetrieben und in kleinender mittleren Unternehmen beschäftigt sind. Das hilftnserer Bevölkerung insgesamt. Deshalb müssen wirns mit der Frage auseinandersetzen, wie wir dies insge-amt gestalten.Dabei ist die Ertüchtigung der EFSF nur ein Schritton vielen Schritten. Aber auch die Ertüchtigung derFSF ist in diesem Gesamtzusammenhang zu sehen. Eseht um die Stärkung des Regelungsgefüges innerhalb
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14574 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Norbert Barthle
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der Europäischen Union. Dabei geht es nicht nur darum,mit möglichst viel Geld Europa zu sichern. Das ist nichtnur eine Frage des Geldes. Es geht auch darum, Europainsgesamt gut aufzustellen und es fester gegenüberAngriffen von außen zu machen. Wir stärken deshalbden Stabilitätspakt, schließen einen Euro-Plus-Pakt undführen die europäische Integration fort. Eines ist klar:Aus aufgrund akuter Entwicklungen heraus entstande-nen temporären Rettungsmaßnahmen müssen dauerhafteKrisenpräventionsmaßnahmen entstehen. Es muss inZukunft um präventive Maßnahmen gehen. Darauf stel-len wir uns ein, und danach richten wir uns.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch ein Wort zu denbereits besprochenen Euro-Bonds sagen. Liebe Kollegenvon Rot und Grün, das Bundesverfassungsgerichtsurteilist eindeutig: Unter den gegebenen Bedingungen sindEuro-Bonds verfassungswidrig. Deshalb ist es erstaun-lich, wie sich SPD und Grüne jetzt mühsam von diesenEuro-Bonds absetzen,
während sie zuvor tage-, wochen- und monatelang dieBundesregierung aufgefordert haben, sofort Euro-Bondseinzuführen. Das konnte jeder nachlesen. Dabei hat abersicherlich auch das Urteil von Standard & Poor’s eineRolle gespielt, nach dem Euro-Bonds genauso bewertetwürden wie Griechenland-Anleihen, also als Ramsch-papiere eingestuft. Das ist ein eindeutiges Urteil.Meine Damen und Herren, die SPD – erlauben Siemir diesen Schlenker – lag aber bei den großen politi-schen Entscheidungen eigentlich schon immer daneben.
Das begann mit dem NATO-Doppelbeschluss. Das warbei der deutschen Wiedervereinigung so. Bei der Krisen-bewältigung in Europa ist es gerade wieder so.
Ich bin positiv überzeugt, dass wir uns mit dem, waswir derzeit in Spanien, in Italien und in Frankreich erle-ben, aber auch ganz konkret dort, wo Hilfsmaßnahmenund Rettungsschirme wirken, nämlich in Portugal undIrland, auf dem richtigen Weg befinden. Die Signale ausdiesen Ländern zeigen: Das Konzept, ein stabiles Europazu gestalten und die Verschuldung der Staaten zurückzu-führen, wird erkannt und ernsthaft umgesetzt.Mit dem Gesetz regeln wir jetzt die nationale Umset-zung. Damit wollen wir unseren nationalen Beitrag leis-ten und entsprechend Vorsorge treffen. Ich bin froh, dasses uns gelungen ist, eine Beteiligung des DeutschenBundestages vorzusehen, die noch über das hinausgeht,was das Bundesverfassungsgericht uns vorgegeben hat.Ich will mich an dieser Stelle ganz bewusst bei der FDPund selbstverständlich auch bei der CSU für die gute undkonstruktive Zusammenarbeit bedanken. Wir haben imHtrpObetifeBeingBEWzagdwsKLdinZZtiaeEBgejesSdDd
enn was wir heute hier gehört haben, war der Versuches geordneten Rückzugs aus den Euro-Bonds.
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Marco Buschmann
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Die Krönung war dann noch der Versuch von HerrnTrittin, der nur austeilen und nicht einstecken kann– zumindest ist er gar nicht da und bereit, sich dem zustellen –, uns über demokratische Grundsätze und das,was das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, zubelehren. Das schlägt dem Fass den Boden aus.
Uns braucht niemand darüber zu belehren, dass ein zen-trales Element von Demokratie und Rechtsstaatlichkeitder Parlamentsvorbehalt ist. Dabei geht es auch nicht umPfründe der Abgeordneten; das ist völlig klar. Es gehtvielmehr darum, dass die gewählten Repräsentanten derBürger das Zepter für politische Prioritäten in der Handbehalten.
Wenn man ihnen dieses Zepter entreißt, dann entreißtman dem Volk ein Stück seiner Selbstbestimmung. Da-rüber braucht uns niemand zu belehren. Daher werdenwir als Koalition aus Union und FDP – das haben wirIhnen auch schwarz auf weiß aufgeschrieben – in dasStabilitätsmechanismusgesetz die schärfste Form einesParlamentsvorbehaltes schreiben, den das deutscheStaatsrecht kennt. Die Vertreter Deutschlands in denGremien der EFSF müssen bei allen haushaltsrelevantenEntscheidungen mit Nein stimmen, es sei denn, es liegtvorher die ausdrückliche Zustimmung des DeutschenBundestages vor. Ein Quasi-Ja durch Enthaltung oderFernbleiben bei der Abstimmung ist nicht möglich.Durch diesen Mechanismus gelangt das VetorechtDeutschlands in diesen Gremien, das aus dem Einstim-migkeitsprinzip folgt, aus den Händen der Regierung indie Hände des Parlaments. Einen stärkeren Kontroll-mechanismus werden Sie im gesamten deutschen Rechtnicht finden. Die Koalition setzt hier Maßstäbe.
Mit diesem Verfahren haben wir vor der Entschei-dung des Bundesverfassungsgerichts – denn wir habenschon vorher gehandelt – gezeigt, dass wir sehr genauwissen, was unsere Verfassung von uns verlangt, unddass wir ihren Inhalt verteidigen werden.
Wir als selbstbewusste Parlamentarier stellen eben keineBlankoschecks aus. Ob man es Euro-Bonds oder Blan-koschecks nennt, wir werden sie nicht ausstellen, wederunserer Regierung noch einer anderen europäischen Re-gierung. Unser Kontrollmechanismus verwandelt diedeutschen Vertreter in den Gremien der EFSF von Erfül-lungsgehilfen der Regierung in einen starken Arm desParlaments.
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r Vorschlag wäre vom Bundesverfassungsgericht ver-orfen worden. Das Bundesverfassungsgericht hat ge-agt: Der Bundestag muss vorher zustimmen. Es haticht gesagt: Er soll.
Herr Kollege Buschmann, der Kollege Sarrazin
ürde gerne eine Zwischenfrage stellen. Erlauben Sie
as?
Selbstverständlich.
Bitte.
Verehrter Herr Kollege, da Sie höchstrichterliche
echtsprechung anscheinend ja prophezeien können,
age ich Sie: Sind Sie sich dessen bewusst, dass das
undesverfassungsgericht in seinem gestrigen Urteil in
er verfassungskonformen Auslegung ausdrücklich auch
1 Abs. 4 Satz 3 des StabMechG erhalten hat, der eine
hnliche Regelung vorsieht? Verstehen Sie, dass wir uns
eswegen durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil
ollumfänglich bestätigt sehen?
Nein, das kann ich nicht verstehen. Sie haben dasundesverfassungsgerichtsurteil nicht verstanden.
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Marco Buschmann
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Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt: § 1 Abs. 4StabMechG bedarf der verfassungskonformen Ausle-gung. Es hat den Wortlaut anders ausgelegt, nämlichnicht im Sinne eines Bemühens. Das hat Herr Voßkuhleausdrücklich gesagt, und das wüssten Sie, wenn Sie esverfolgt hätten. Es reicht eben nicht das Bemühen umEinvernehmen.
– Ich kann doch nichts dafür, wenn er nicht versteht, wasdas Bundesverfassungsgericht erklärt.Sie haben die Botschaft gestern nicht verstanden.
Sie wollen mit Nebelkerzen davon ablenken, dass IhreMaßstäbe gestern grandios gescheitert wären, wenn sieim Bundesgesetzblatt gestanden hätten.Im Übrigen sind auch die Blankoschecks namensEuro-Bonds vom Tisch.
Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich gesagt:Ein Mechanismus, der automatisch den Steuerzahler be-lastet, ohne dass das deutsche Parlament davor ist, istmit der Verfassung nicht in Einklang zu bringen. Genaudas haben aber Cem Özdemir, Jürgen Trittin und SigmarGabriel in den letzten Wochen propagiert. Diese Vor-schläge sind vom Tisch. Wenn verfassungskonforme De-mokraten zu entscheiden haben, dann kommen sie auchnicht wieder auf den Tisch. Das ist eine gute Sache fürden deutschen Steuerzahler und das deutsche Parlament.Herzlichen Dank.
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
nun der Kollege Peter Altmaier von der CDU/CSU-
Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Mir liegt am Ende der Debatte daran, die Ge-
meinsamkeiten, die deutlich geworden sind, hervorzuhe-
ben. Wenn ich das, was Sie heute Morgen gesagt haben
und was wir in den letzten Tagen in den Zeitungen lesen
konnten, richtig bewerte, dann komme ich zu dem
Schluss, dass wir in 14 Tagen diesen Gesetzentwurf mit
einer breiten parlamentarischen Mehrheit von CDU/
CSU, FDP, SPD und Grünen verabschieden werden. Wir
kehren damit zu der langen und bewährten Tradition zu-
rück, dass grundlegende europapolitische Entscheidun-
gen von allen verantwortlichen Kräften dieses Hauses
gemeinsam getragen werden.
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iertens. Glauben Sie, dass durch immer neue Maßnah-
en in Milliardenhöhe, die wir hier beschließen, die Zu-
timmung der Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepu-
lik Deutschland zu diesem Europa erhöht wird?
Bevor Sie, Herr Altmaier, antworten, will ich darauf
inweisen, dass von Fragenketten nichts in der Ge-
chäftsordnung steht, sondern nur von einer Frage.
Herr Kollege Ernst, ich habe gesagt, dass sich dieinkspartei treu bleibt. Das gilt auch für Ihre Zwischen-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14577
Peter Altmaier
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frage. Das, was Sie als neoliberal und als Lohndumpingkritisiert haben, und alle sozial- und wirtschaftspoliti-schen Reformen der letzten zehn Jahre, von der Agenda2010 bis zu dem, was die Koalition von CDU/CSU undFDP in den letzten beiden Jahren getan hat, ist nichts an-deres als die Voraussetzung dafür gewesen, dass wirheute in Deutschland ein Wachstum haben, dass wirheute in Deutschland Lohnsteigerungen haben und dasswir heute in Deutschland eine gute Situation in den so-zialen Sicherungssystemen haben, was den Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmern zugute kommt. Wir ma-chen unsere Politik in Europa, weil wir wollen, dassdieses erfolgreiche Wirtschaftsmodell nicht auf Deutsch-land begrenzt bleibt, sondern dass es sich auf alle Staa-ten der Europäischen Union ausdehnt und dazu führt,dass die Wirtschaft wächst und die Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer durch einen erhöhten Lebensstandarddavon profitieren. Das haben Sie nicht verstanden, unddas werden Sie auch in Zukunft nicht verstehen.
Die Frage des Vertrauens in die gemeinsame europäi-sche Währung beantworten jeden Tag die Devisen-märkte. Der Euro ist eine stabile Währung. Er hat in denletzten zehn Jahren an Wert gewonnen. Die Menscheninvestieren weltweit in den Euro. Es gibt niemanden, derden Euro schlechtredet, wenn ich von Ihnen einmal ab-sehe.Als ich vorhin von der breiten Mehrheit gesprochenhabe, habe ich den Kollegen Oppermann gesucht. Erversucht, das umzudrehen, und sagt: Wir stimmen zu.Aber hat denn die Koalition eine Mehrheit? – Wir habenjetzt zwei Jahre Erfahrung mit Abstimmungen. UnsereKoalition hatte nach jeder wichtigen Abstimmung in die-sem Hohen Hause eine Mehrheit, die größer war als derVorsprung ihrer Mandate aufgrund der Zusammenset-zung des Deutschen Bundestages. Ich schlage vor: Küm-mern Sie sich um Ihre Mehrheiten. Wir kümmern unsum unsere Mehrheiten. Am Ende werden wir mit derVerabschiedung des Gesetzentwurfs ein gemeinsamesund starkes Signal für unsere europäischen Partner undfür die Märkte senden.
Ich will ein Wort zu den berühmten Euro-Bonds sa-gen. Wir sind doch nicht diejenigen gewesen, die dies zueiner ideologischen Frage gemacht haben. Der Bundes-finanzminister hat darüber ganz nüchtern diskutiert, under hat begründet, warum wir glauben, dass sie auf abseh-bare Zeit nicht das richtige Instrument seien. Dann ha-ben SPD und Grüne plötzlich und ohne Vorankündigungso getan, als hätten sie ein Allheilmittel zur Lösung allerProbleme in Europa. Das war leider Gottes nicht zielfüh-rend.Wenn Sie mir nicht glauben, Herr Kollege Poß, dannglauben Sie vielleicht dem Finanzminister von Nord-rhein-Westfalen Walter-Borjans.
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Es geht nicht, dass man Freibriefe verteilt, nachdem Motto: Man bedient sich dieser Bonds, und dieGarantie dafür müssen andere tragen, weil mansonst das gute Rating nicht bekommt. Da machtman es sich zu einfach.
errn Borjans’ Haushalt ist vom Verfassungsgerichtshofordrhein-Westfalen schon einmal für verfassungswid-g erklärt worden. Offenbar hat das gewirkt. Hören Sieuf Ihren eigenen Finanzminister, und finden Sie zu ei-er vernünftigen, sachlichen Diskussion in dieser Frageurück.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollegearrazin hat auf einen Punkt hingewiesen, der in der öf-ntlichen Kommunikation schwierig ist. Er hat gesagt:ie sagen heute dies, und dann ändern Sie Ihre Meinung. –as ist bei Ihnen noch nie vorgekommen; ich weiß das.er Punkt ist natürlich, dass wir in dieser ganzentaatsschuldenkrise, die einige Länder in Europa erfasstat, zwei zum Teil gegensätzliche Ziele gleichzeitig ver-lgen müssen: Es geht zum einen darum, dass man Soli-arität mit denen übt, die in Schwierigkeiten sind, undnen hilft, aus diesen Schwierigkeiten herauszukom-en. Dass wir dazu bereit sind, haben wir in den letztenwölf Monaten wiederholt bewiesen. Zum anderen gehts darum, dass wir auch dafür sorgen, dass aus den Feh-rn gelernt wird und dass in Europa eine Stabilitätskul-r verankert wird, in der vermieden wird, dass wir inwei, drei oder vier Jahren in genau derselben Situationind.So, wie ich eben gesagt habe, Sie sollten auf Herrnorjans hören, sage ich: Schauen Sie nach Italien. In Ita-en war es so, dass man im August, als die Krise plötz-ch überhandzunehmen schien, endlich bereit war, sichuf ein Sparprogramm zu einigen. Anschließend hat sichie Europäische Zentralbank an den Märkten betätigtnd interveniert. Das Ergebnis war, dass die politischerantwortlichen in Italien als Erstes wesentliche Teileieses Sparprogramms gekippt haben.Lieber Herr Kollege Schneider, was glauben Sieenn, wie viele Regierungen in Europa noch die Chanceätten, Sparprogramme durch ihre Parlamente zu brin-en oder Schuldenbremsen in den nationalen Verfassun-en zu verankern, wenn wir zum jetzigen Zeitpunkturo-Bonds einführen würden?
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14578 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Peter Altmaier
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Das ist der Punkt: dass Sie Ihren eigenen Zielen entge-genarbeiten, wenn Sie solche Vorschläge zum falschenZeitpunkt machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube,dass wir eines Tages feststellen werden, dass wir mit derVerabschiedung der EFSF und mit seiner Ertüchtigungin diesem Jahr den nächsten großen Schritt in der euro-päischen Integration gegangen sind. Es ist richtig, dassdie Politik in den letzten Monaten oftmals gezwungenwar, in kurzen Abständen zu intervenieren, und dassviele den Eindruck hatten: Wir werden zum Teil zwarnicht getrieben, aber jedenfalls dazu angehalten, denEntwicklungen an den Märkten ein Stück weit hinterher-zulaufen. Das ist problematisch. Wir müssen das Primatder Politik wiederherstellen. Wir müssen dafür sorgen,dass nicht die Märkte, sondern die Politik die Rahmen-bedingungen vorgibt.
Ich sage Ihnen, dass es auch vor diesem Hintergrundrichtig ist, jetzt den nächsten qualitativen Schritt in dereuropäischen Integration zu gehen.
Niemand kennt das Endziel der europäischen Integra-tion. Niemand weiß, wie viele Schritte man zu welchenZeiten gehen muss. Aber in der gegenwärtigen Situation– nach der Bankenkrise, vor dem Hintergrund der Staats-schuldenkrise – ist das Gebot der Stunde, das zu leisten,was beim Abschluss des Vertrages von Maastricht nochnicht möglich war, nämlich die Währungsunion durcheine Stabilitätsunion und durch eine vernünftige wirt-schaftliche Steuerung in Europa zu komplettieren. Siesind herzlich eingeladen, sich daran zu beteiligen undbei der Diskussion darüber, was notwendig ist, mitzu-machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist vonvielen in dieser Debatte versucht worden, antieuropäi-sche Ressentiments neu zu beleben. Es ist von vielenauch die Behauptung aufgestellt worden, es sei nichtmöglich, eine gemeinsame Währung wie den Euro im21. Jahrhundert dauerhaft zu verteidigen. Ich kann nursagen: Diejenigen, die den Euro eingeführt haben – essitzen viele in diesem Hohen Haus, die damals dabeiwaren, zum Teil mit Bauchschmerzen –, die damals denMut dazu hatten, haben etwas geschafft, was es weltweitin dieser Form bis heute sonst nicht gibt. Der Euro istnicht nur eine gemeinsame Währung. Er ist nicht nur einErgebnis der europäischen Integration, sondern er istinzwischen auch weltweit das Symbol für das europäi-sche Sozialmodell.Wenn wir darüber reden, wie wir uns die weltwirt-schaftliche Entwicklung in einer globalisierten Welt vor-sawwEsabisddgSsnempsuHdlu2s
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen aufen Drucksachen 17/6916 und 17/6945 an die in der Ta-esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.ind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dannind die Überweisungen so beschlossen.Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesord-ungspunkt 1 – fort:a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2012
– Drucksache 17/6600 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschussb) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-regierungFinanzplan des Bundes 2011 bis 2015– Drucksache 17/6601 –Überweisungsvorschlag:HaushaltsausschussAm Dienstag haben wir für die heutige Ausspracheine Redezeit von neuneinhalb Stunden beschlossen.Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums für Wirtschaft und Technologie, Einzel-lan 09.Als erster Redner hat das Wort der Bundeswirt-chaftsminister Dr. Philipp Rösler.
Dr. Philipp Rösler, Bundesminister für Wirtschaftnd Technologie:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren Abgeordnete! Wir alle kennen die guten Zahlener deutschen Wirtschaft. Trotz einer leichten Abküh-ng im zweiten Quartal erwarten wir für das Jahr 2011,6 Prozent Wachstum. Wir haben eine grandiose Be-chäftigungssituation. Es gibt mehr als 41 Millionen Er-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14579
Bundesminister Dr. Philipp Rösler
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werbstätige; davon sind über 28 Millionen sozialver-sicherungspflichtig Beschäftigte. Im letzten Jahr wurden700 000 neue Jobs geschaffen. Davon waren mehr alsdie Hälfte Vollzeitjobs. Wir haben die niedrigste Arbeits-losigkeit seit 1992. Die Zahl der Arbeitslosen liegt beiunter 3 Millionen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, angesichtssolcher Zahlen
ist Verunsicherung und ist erst recht Angst vor Rezessionvollkommen unangebracht. Wir haben eine starke Wirt-schaft, und wir erwarten auch weiterhin robustes Wachs-tum in Deutschland.
Deswegen war es ein bisschen merkwürdig, wie sichgestern gerade die Sozialdemokraten noch einmal selbstbeweihräuchert haben ob der guten Taten damals in derGroßen Koalition. Abgesehen davon, dass das jetzt jaeher schon verwelkte Siegerkränze sind, muss man einesdeutlich machen:
Tatsächlich haben wir das Wachstum doch vor allem denUnternehmerinnen und Unternehmern, ihren Beschäftig-ten und ihren Produkten und Dienstleistungen inDeutschland zu verdanken, also denjenigen Menschen inunserem Lande, die gerade in den Krisenzeiten 2008 und2009 fleißig gewesen sind. Das sind Menschen, denenwir uns in besonderer Weise verpflichtet fühlen.
des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD])Das bedeutet, Herr Kollege Heil, dass wir alles dafürtun müssen, um das Wachstum, das wir momentan nochhaben, auch weiter zu verstetigen, und die richtigen poli-tischen Entscheidungen treffen müssen.Dazu müssen wir zuallererst die größte Wachstums-bremse in Deutschland lösen, und das ist in der Tat derFachkräftemangel. Wir wollen schwächere Jugendlichemehr fördern als bisher, damit sie Ausbildungsfähigkeitund -reife erhalten. Wir wollen eine bessere Vereinbar-keit von Familie und Beruf. Wir sollten auch diejenigennicht vergessen, die älter sind, aber noch im Arbeits-leben stehen. Ich habe kein Verständnis für große Unter-nehmen, die sich auf der einen Seite über Fachkräfte-mangel beklagen, aber auf der anderen Seite Menschenüber 55 entlassen.
Das ist ein Verlust für die Unternehmen und auch einvolkswirtschaftlicher Fehler. Wenn wir Fachkräftesiche-rung betreiben, müssen wir sie in allen Generationenbetreiben. Das kann helfen, das Wachstum gerade in die-ser Zeit in besonderer Weise zu verstetigen.teZmWndm–4EuerusF–oJadeteEkndksdWruatileAMDd
ir müssen Schluss machen mit bürokratischen Hemm-issen. Die Vorrangprüfung muss weiter reduziert wer-en. Wir müssen auch, was die sofortige Niederlassungs-öglichkeit hier anbelangt, die Einkommensschwelle Sie alle kennen die Diskussion – von 66 000 Euro auf0 000 Euro senken.
s geht aber um weit mehr als nur um reine Kennzahlennd Einkommensdaten. Wir brauchen in Deutschlandine Willkommenskultur; denn die Frage der Zuwande-ng ist auch, aber nicht nur eine ökonomische Frage,ondern weit darüber hinaus auch eine gesellschaftlicherage, der wir uns gemeinsam annehmen müssen.
Das ist eine der wenigen Gemeinsamkeiten, die wirffensichtlich derzeit haben.
etzt komme ich aber zu weiteren Unterschieden.Wer Wachstum verstetigen will, muss natürlich auchn Entlastung denken. Es waren doch die Menschen inen Unternehmen, die in schwierigen Jahren Leistungrbracht haben. Sie müssen auch etwas von dem Geleis-ten spüren. Deswegen ist es richtig, untere und mittlereinkommen steuerlich zu entlasten und gleichzeitig diealte Progression zu reduzieren. Das ist übrigens nichtur eine Frage der Entlastung, sondern auch eine Frageer Steuergerechtigkeit.Darüber hinaus haben wir vereinbart, die Lohnzusatz-osten in Deutschland zu senken; denn in Deutschlandind bekanntermaßen nicht die Löhne zu hoch, sondernie Lohnzusatzkosten.
ir wollen in Deutschland als christlich-liberale Regie-ngskoalition nicht nur Wachstum, sondern gleichzeitiguch Beschäftigung. Entlastung ist dazu genau der rich-ge Weg.
Natürlich geht es neben der Entlastung im finanziel-n Bereich auch um die Entlastung von bürokratischenufgaben. Bürokratie ist doch so etwas wie eine Artehltau, der sich im Moment über die Unternehmen ineutschland legt. Deswegen ist es beispielsweise richtig,ass wir endlich mit dem bürokratischen Monstrum
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14580 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Bundesminister Dr. Philipp Rösler
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ELENA Schluss gemacht haben. Das stellte gerade eineBelastung für die kleinen und mittelständischen Unter-nehmen dar. Hier kann man sehr schnell sehen, dass manselbstverständlich, ohne viel Geld in die Hand zu neh-men, Wachstum verstetigen und gerade Mittelstand,Handel und Handwerk in Deutschland unterstützenkann.
Entlastung ist für die SPD allerdings ein Fremdwort.Ich habe mir einmal das Konzept angesehen, das Siegerade vorgelegt haben. Sie wollen nicht Entlastung,sondern Belastung: bis zum Jahr 2016 zusätzliche Steu-ererhöhungen in einem Umfang von 37 Milliarden Euro.Das ist Geld, das andere Menschen in Deutschland ersteinmal verdienen müssen. Wenn Sie das Geld dannwenigstens zur Haushaltskonsolidierung einsetzen woll-ten, dann könnte man darüber ja noch diskutieren, aberSie planen gleichzeitig im Bund Mehrausgaben in Höhevon 85 Milliarden Euro. Das zeigt einmal mehr, IhreEinnahmen- und Ausgabenrechnung wird am Ende nichtfunktionieren. Das beweist die Binsenweisheit, die jederin Deutschland kennt: Sozialdemokraten können ebeneinfach nicht mit Geld umgehen.
Da, wo Sie regieren, geht es immer nur in RichtungSchuldenstaat.
Dass es auch anders gehen kann, sehen Sie am Einzel-plan 09, nämlich am Haushalt des Bundesministeriumsfür Wirtschaft und Technologie. Wir schaffen es,150 Millionen Euro in die Hand zu nehmen für For-schung und Technologie, aber nicht, indem wir die Ein-nahmen erhöhen, sondern indem wir sparen und kürzen.Dazu sind wir bereit. Die Ausgaben werden um 110 Mil-lionen Euro gekürzt, indem Subventionen zurückgefah-ren werden.
Nur so, meine Damen und Herren, kann es gelingen,nachhaltige Haushalte aufzustellen.
Wir werden mit dem dadurch freiwerdenden Geld neueMärkte fördern, etwa in den Bereichen digitale Welt,Nanotechnologie und auch Energieeffizienz. Ich sageIhnen: Gerade bei diesen Förderprojekten stehen sich dieGrünen selbst im Wege; denn wenn es jemanden gibt,der fortschrittsfeindlich und kulturpessimistisch ist, dannsind es doch Sie, meine sehr verehrten Damen und Her-ren von den Grünen.
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Was sollen wir Herrn Papandreou sagen, wenn er am7. September zu uns nach Deutschland kommt, wennir ihn bitten, eine Schuldenbremse in die Verfassungufzunehmen? Oder was wollen wir Herrn Berlusconider den Kollegen in Spanien sagen? Die werden sagen:ir würden das gerne machen. Aber was ist mit eureninisterpräsidenten in Rheinland-Pfalz, in Baden-ürttemberg, in Nordrhein-Westfalen? Da, wo Rot-rün regiert, gibt es neue Schulden. Da, wo Grün-Rotgiert, gibt es neue Schulden.
Nordrhein-Westfalen, wo im Grunde Rot-Rot-Grüngiert, wird sogar gegen die Verfassung verstoßen. Wieollen wir von anderen glaubwürdig die Aufnahme einerchuldenbremse in die Verfassung fordern, wenn Sieicht in der Lage sind, sich daran vernünftig zu halten?
Stabilität erreichen wir nicht mit Ihrem Weg in einchulden-Europa. Stabilität erreichen wir nur, indem wiruropaweit klare Stabilitätskriterien vereinbaren:
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14581
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Volker Kauder [CDU/CSU]: Das sagen geradeSie, Herr Heil!)Aufnahme der Schuldenbremse in die Verfassungen undWettbewerbsfähigkeitstest. Wer diese Tests als Staatnicht besteht, muss sich harten Sanktionsmaßnahmenunterwerfen, damit er wieder auf den Pfad der Stabilitätzurückgebracht werden kann.Ich sage ausdrücklich: Es wäre zu kurz gegriffen,wenn man glaubt, man könne dies durch eine gemein-same Wirtschafts- und Finanzregierung erreichen, dieman mal eben so ins Leben ruft.
Bevor es eine gemeinsame Regierung gibt, müssen Siezunächst einmal die Frage klären, in welche Richtungdiese Regierung regieren soll.
Dazu braucht sie diese klaren Kriterien. Sie wollen einSchulden-Europa,
wir wollen eine Stabilitätsunion. Das ist der Unterschiedzwischen linker Regierung und christlich-liberalerKoalition.
Unsere Aufgabe in unruhiger werdenden Zeiten ist es,Wachstum zu verstetigen, für Fachkräftesicherung zusorgen,
Ressourcen zu sichern. Wir müssen die Menschen undUnternehmen in Deutschland entlasten und so Wachs-tumskräfte freisetzen. Wir müssen Märkte absichern,neue Märkte finden und unsere Unternehmen von büro-kratischen Lasten befreien, damit sie die Chance haben,die neuen Märkte zu nutzen.
Dazu braucht man eine stabile Währung und den Mut,sich auf den Weg zur Stabilisierung zu machen. Überallda, wo Sie regieren, meine sehr verehrten Damen undHerren, wachsen die Schulden und die Arbeitslosigkeit.Da, wo wir regieren,
wachsen die Unternehmen und die Beschäftigung. Dasist das Ziel erfolgreicher Wirtschaftspolitik.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die SPD hat jetzt das Wort der Kollege Hubertus
Heil.
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ondern in den Fällen, in denen Sie etwas liefern, liefernie tatsächlich nichts, was Deutschland gebrauchenann. Ihre Rede war dafür ein treffender Beweis.
Wenn alles so toll und rosig ist, wie Sie das hiereschreiben, müssen Sie sich einmal eines fragen:arum bekommen Sie dann nach und nach bei Land-gswahlen einen auf den Deckel?
ie Menschen sehen das offensichtlich anders.Das hat einen ganz realen Hintergrund. Die Menschenpüren, dass Sie von der Substanz einer wirtschaftlichenntwicklung zehren, die ohne Frage in den letzten Jah-n positiv war und die auch in diesem Jahr noch positivt. Hierfür können viele etwas – da haben Sie vollkom-en recht –: anständige Unternehmer, die in der Kriseicht ihre Leute auf die Straße gesetzt haben, kluge Ge-erkschaften, die mitgeholfen haben und die Sie früheroch geschmäht haben, aber auch die Reformpolitik derPD-geführten Bundesregierung und das Krisenmanage-ent der Großen Koalition.Sie leben von der Substanz. Damals ist alles gegen dieDP auf den Weg gebracht worden, und jetzt versuchenie, sich neben die schönen Zahlen zu stellen. Das wer-en Ihnen die Menschen nicht durchgehen lassen, Herrösler.
Jetzt, wo an der einen oder anderen Stelle dunkleolken aufziehen, wäre es eigentlich Ihre Aufgabe alsundesminister für Wirtschaft und Technologie, in denentralen ökonomischen Debatten Vorschläge zu ma-hen, was zu tun ist, wie man die Kraft des Auf-chwungs nutzen kann, um sich auch für schlechtereeiten zu wappnen, und wie man den Strukturwandel, inem Deutschland steckt, tatsächlich bewältigt.Was aber liefern Sie? Nichts. In den zentralen ökono-ischen Debatten dieser Zeit ist der Bundesministerhilipp Rösler ein Totalausfall.
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14582 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Hubertus Heil
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So war es bei der Diskussion über die Euro-Rettung, woSie nicht nur von den Märkten getrieben waren, sondernvor allem von den innerparteilichen Skeptikern – ichsage nur: Herr Schäffler und andere –, die in unverant-wortlicher Weise – an dieser Stelle hätte ich ein klaresWort des Bundeswirtschaftsministers und FDP-Vorsit-zenden erwartet – einem wirtschaftspolitischen Nationa-lismus das Wort reden und die den Euro nicht wollen.Denen in den eigenen Reihen müssen Sie Einhalt gebie-ten, Herr Rösler. Das ist Ihre Aufgabe und Ihre Verant-wortung. Sie schweigen zu diesem Thema beredt. Offen-sichtlich haben Sie die Lage in Ihrer Partei nicht mehrim Griff, und das schon nach wenigen Wochen.
Wenn wir dann erleben müssen, dass Sie Pappkame-raden aufbauen, um die eigenen Reihen wieder zuschließen, und sagen: „Keine Vergemeinschaftung derHaftung in Europa“, dass wir gleichzeitig aber heuteMorgen über einen Gesetzentwurf diskutieren, der not-wendig sein wird und der genau diesen Weg geht – wirmussten durch das Nichthandeln Ihrer Koalition und dasFehlen von Führung durch Frau Merkel in Europa erle-ben, dass Sie die EZB geradezu in den Aufkauf vonStaatsanleihen getrieben haben –, dann kann ich nur sa-gen: Sie machen der deutschen Öffentlichkeit etwas vor.Das mag helfen, das Gesetz, das jetzt notwendig ist, inIhren Koalitionsreihen über die Rampe zu bringen; ichwill aber gar nicht wissen, was das für notwendige Vor-haben in der Zukunft bedeutet. Sie haben gerade gesagt,was bei Europa nicht geht, nämlich einen Weg in Rich-tung Vergemeinschaftung, in Richtung einer Wirtschafts-regierung zu gehen. Ihre Bundeskanzlerin sagt dasGegenteil, Herr Rösler. Sie müssen sich irgendwann ent-scheiden; denn wir alle wissen, dass die Währungsuniondauerhaft nur dann erfolgreich weiter funktionieren kann,wenn wir auf dem Weg der europäischen Integration nachvorne gehen.Die Unterstellung, dass Sozialdemokraten unkondi-tioniert die Schulden anderer Länder für Deutschlandübernehmen wollten, brauchen Sie als Pappkameradenfür die eigenen Reihen. Mit der Realität hat das nichts zutun. Für uns ist ganz klar: Wer Hilfen in Anspruchnimmt, der muss sich auch in Europa harten Konsolidie-rungsregeln unterwerfen. Wir haben nie etwas anderesgesagt.
Aber vielleicht brauchen Sie das, um die eigenen Trup-pen zu erheitern. In der deutschen Öffentlichkeit wirdIhnen das nicht helfen.
Ich will Ihnen noch etwas sagen, Herr Rösler: Es gabeinige ganz interessante Überschriften, die – neben derFrage nach der Krise – etwas mit dem strukturellen Wan-del unserer Wirtschaft zu tun haben. Ohne Frage: DieWirtschaft in Deutschland ist gut aufgestellt, weil wir – imGegensatz zu anderen Volkswirtschaften in Europa – zumBsdVesswhDgRdaWedFtemtrJSngbssvsstrtuesesWpEs
Das gibt dann kurzfristig unglaubliche Wachstumsra-n; langfristig aber ist die Blase geplatzt, und Europauss jetzt die Suppe dieser wirtschaftsradikalen, indus-iefeindlichen Politik auslöffeln, für die in den letztenahren die FDP im Geiste gestanden hat.
Deshalb sage ich Ihnen: Es war gut, dass die damalsPD-geführte rot-grüne Bundesregierung dieser Modeicht nachgegeben hat. Auch wir wissen, dass wir einuter Finanzplatz sein müssen, gar keine Frage. Aber wirrauchen eben auch industrielle Wertschöpfung in die-em Land, und davon haben wir uns nicht verabschiedet.Wenn wir jetzt in die Zukunft schauen, sehen wir viertrukturelle Wandlungsprozesse, die unsere Wirtschafterändern werden:Erstens haben wir aufgrund technischen und wissen-chaftlichen Fortschritts weiterhin den Trend zu einertärker wissensbasierten Wirtschaft, auch in der indus-iellen Produktion. Da wachsen industrielle Dienstleis-ngen und Produktionsstärke zusammen. Dabei kommts eben nicht zu einer Zerstörung der industriellen Basis,ondern zu einem Einbau des Neuen in die bestehenden,rfolgreichen Strukturen.Zum Zweiten erleben wir, dass wir in einer immertärker vernetzten, internationalisierten Wirtschaft leben.ir, die deutsche Volkswirtschaft, profitieren als Ex-ortvizeweltmeister von dieser Entwicklung, auch imuro-Raum.Drittens findet bei uns ein demografischer Wandeltatt, der den Arbeitsmarkt dramatisch verändern wird.
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Hubertus Heil
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Viertens gibt es eine Diskussion um endliche undknappe Ressourcen.Dieser strukturelle Wandel wird weiter stattfinden; erwird an Dynamik zunehmen. Aber wenn wir die Chan-cen, die für Deutschland in diesem Wandel stecken, nut-zen wollen, dann geht es nicht, dass man nur zuschaut,die Risiken, die mit einem solchen Wandel verbundensind, einfach ausblendet und nicht in der Lage ist, einezukunftsfähige Struktur- und Industriepolitik zu betrei-ben. Herr Rösler, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört;das Wort „Industriepolitik“ kam in Ihrer gesamten Redeüberhaupt nicht vor. Sie haben keinen Plan, wie Sie denStrukturwandel gestalten wollen. Das wäre aber zumNutzen Deutschlands notwendig. Sie sind ein Totalaus-fall im Strukturwandel dieser Republik.
Ich habe gerade etwas vom Fachkräftemangel undvon der Fachkräftesicherung gehört. Das sind schöneÜberschriften. Aber wie sieht die Realität aus? Wenn Sieweiter so handeln, wie Sie jetzt handeln, dann wird sichin Deutschland ein Trend verstärken, den man nur alsTrend zu einem tief gespaltenen Arbeitsmarkt bezeich-nen kann: Auf der einen Seite werden immer mehr Un-ternehmen händeringend nach Fachkräften suchen; ineinzelnen Branchen und Regionen ist das schon heuteder Fall. Auf der anderen Seite haben wir Menschen indauerhafter Arbeitslosigkeit – es gibt einen verfestigtenSockel der Langzeitarbeitslosigkeit – abgehängt.Herr Rösler, da nützen auch die warmen Worte nichts,die Sie gerade gewählt haben nach dem Motto „Wir wol-len jungen Leuten, die ein bisschen Probleme haben,eine Chance geben“. Gleichzeitig kürzen Sie die Mittelfür die Qualifizierung dieser Jugendlichen dramatisch.Gehen Sie einmal in unser Heimatland Niedersachsen:Ihre Kürzungspolitik – was Sie da mit Frau von derLeyen anrichten – könnte dazu führen, dass über 100 Ju-gendwerkstätten dichtmachen müssen. Dann müssen wirArbeitslosigkeit finanzieren und können die jungenMenschen nicht in Arbeit bringen. Herr Rösler, Sie spal-ten den Arbeitsmarkt; das ist Ihre Politik.
– Herr Kauder, Sie haben doch keine Ahnung von Nie-dersachsen.
Aber von Zwischenrufen haben Sie Ahnung. Das habenwir heute schon erlebt; das muss man nicht ernst neh-men.Herr Rösler, Sie haben sich mit der Haushaltspolitikauseinandergesetzt und wieder die alte Guido-Westerwelle-Platte „Steuern runter macht Deutschlandmunter“ aufgelegt. Keine Frage: Entlastungen sind wün-schenswert. Aber die spannenden Fragen sind doch: Wasist machbar? Ist die Politik in der Lage, Prioritäten zusdOsw2cindFgGFrumKDHrewhbinhHinbuMbdwvinmcsbTssimDtafekw
enn wir wissen genau wie Sie, dass die öffentlicheand mehr Geld beispielsweise in die Bildung investie-n muss. Es kann nicht sein, dass Sie den Menscheneismachen wollen, man könne gleichzeitig die Haus-alte von Kommunen, Ländern und Bund in Ordnungringen, Steuergeschenke machen und gleichzeitig mehr Bildung investieren. Das wird nicht aufgehen. Des-alb haben wir eine Prioritätenliste:Erstens. Wir müssen die Schulden senken und denaushalt in Ordnung bringen.Zweitens. Wir müssen gleichzeitig mehr in Bildungvestieren,
eispielsweise weil Jahr für Jahr 65 000 junge Menschennsere Schulen ohne Abschluss verlassen. Diese jungenenschen haben doch gar keine Chance auf dem Ar-eitsmarkt. Das ist der Nachwuchs für Hartz IV, deniese Gesellschaft produziert. Deshalb sagen wir: Ja, wirerden eine Zeit lang ein Stück mehr Solidarität auchon Spitzenverdienern brauchen, damit junge Menschen diesem Land eine Chance auf gute Bildung bekom-en. Das wollen Sie nicht; das ist der Unterschied.
Herr Rösler, wir werden miteinander darüber zu spre-hen haben, dass die Wirtschaft, der wirtschaftliche Fort-chritt in diesem Land, verlässliche Rahmenbedingungenraucht. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur einhema ansprechen, bei dem die gesamte deutsche Wirt-chaft über den Zickzackkurs entsetzt ist, den Sie – nichto sehr Sie persönlich, denn Sie sind noch nicht so lange Amt – da gefahren haben: In der energiepolitischenebatte war der Bundesminister für Wirtschaft ein To-lausfall. Die Entscheidungen wurden woanders getrof-n. Sie redeten irgendetwas von Kaltreserven von Atom-raftwerken. Wir wissen jetzt: Die Bundesnetzagenturird nicht darauf zurückkommen müssen.
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Hubertus Heil
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Es ist einfach so, dass der Fehler früher – im Herbstletzten Jahres – von Ihrem Vorgänger Brüderle und vonFrau Merkel und Herrn Röttgen gemacht wurde. Sie ha-ben einen Energiekonsens, der in diesem Land für Pla-nungs- und Investitionssicherheit gesorgt hat, zugunstenvon wenigen Konzernen mutwillig aufgerissen. Dies hatdazu geführt, dass Rechtsunsicherheiten entstanden unddass Stadtwerke milliardenschwere Investitionen auf dielange Bank geschoben haben. Denn verlängerte Rest-laufzeiten von alten Atommeilern sind eine feine Sachefür die großen Energiekonzerne. Sie verfestigen derenMarktmacht, weil die Investitionen schon abgeschriebensind – die Folge sind hohe Gewinne – und Investitionensich nicht lohnen.Dann kam Fukushima, und Sie haben an dieser Stelleeine 180-Grad-Wende gemacht. Mit Gerhard Schrödergesprochen: Ich finde es schön, dass Sie sich an unserePolitik angepasst haben, denn als evangelischer Christweiß ich: Im Himmel ist mehr Freude über einen Sünder,der umkehrt, als über hundert Gerechte.
Ich sage Ihnen aber auch: Nach dem Schweinsgalopp,in dem Sie in diesem Sommer die Gesetze durchgezogenhaben, bleiben, ökonomisch gesehen, massive hand-werkliche Fehler. Wir müssen nacharbeiten, damitDeutschland die Chancen der Energiewende nutzenkann. Wir werden eine saubere, sichere und auch bezahl-bare Energieversorgung in diesem Land nur bekommen,wenn verlässliche Rahmenbedingungen da sind. Wennich mir aber zum Beispiel Ihre Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und Ihr Netzausbaubeschleunigungs-gesetz angucke – das ist schon vom Namen her geschei-tert, denn es wird nicht zum notwendigen Ausbau vonEnergienetzen führen –, dann kann ich nur sagen: WasSie treiben, ist keine Energiewirtschaftspolitik, sondernes ist energiepolitischer Dilettantismus, den Sie hier anden Tag gelegt haben. Auch das schadet diesem Land.Herr Rösler, zum Schluss: Sie mögen persönlich einnetter Mensch sein, aber ich kann Ihnen nur eines sagen:Sie kümmern sich in diesen Zeiten als FDP-Vorsitzendervor allen Dingen um die Krise der FDP. Wenn ich dieKommentare von Herrn Kubicki und von anderen lese,dann tun Sie dies nicht mit besonders großem Erfolg.Das ist kein Schaden für dieses Land; das ist ein Pro-blem Ihrer Partei, das Sie selbst lösen müssen.
Herr Kollege Heil.
Das Problem für dieses Land ist, dass Sie als FDP-
Vorsitzender so viel Zeit investieren, um sich um die
Krise in der FDP zu kümmern, dass Sie offensichtlich
keine Kraft haben, um sich die Krise im Euro-Raum vor-
zunehmen. Das ist ein Problem für dieses Land.
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as sollten Sie nicht verschweigen. Ich halte es für un-ir, wenn Sie hier so argumentieren. Das ist Ihrer auchicht würdig; Sie sollten das wissen.
h finde das nicht fair. Wir sollten im Deutschen Bun-estag nicht einfach darüber hinweggehen, wenn Sie sa-en, wir würden die Kommunen ausbluten. Sie wissenenau, dass das nicht stimmt. Das sollte nicht so stehenleiben. Deutschland geht es nämlich unter der christ-ch-liberalen Koalition gut,
nd zwar richtig gut.
Es ist lange her, dass sich unser Land wirtschafts- undeschäftigungspolitisch in einer solch ausgezeichnetenerfassung befunden hat wie jetzt.
s gibt in Deutschland mehr Jobs als jemals zuvor. Über1 Millionen Menschen sind erwerbstätig, und wir habeneniger als 3 Millionen Arbeitslose. Ich kann es nur im-er wiederholen: Als Gerhard Schröder aufgehört hat,ab es unter Rot-Grün 5 Millionen Arbeitslose. Gerhardchröder hatte damals versprochen, die Arbeitslosigkeitu halbieren. Was hat er gemacht? Er hat sie verdoppelt.
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Dr. Michael Fuchs
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Angela Merkel hat das Versprechen von GerhardSchröder eingelöst. Wir sind auf dem Weg, die Zahl derArbeitslosen zu halbieren, die Gerhard Schröder hinter-lassen hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir noch indiesem Jahr die Reduzierung der Zahl der Arbeitslosenauf 2,5 Millionen erreichen werden. Das ist ein exzellen-ter Erfolg.
Herr Heil, Sie sprachen eben das Thema Jugend-arbeitslosigkeit an. Da stellen sich mir die Nackenhaareauf. Die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland ist sogering wie nie zuvor.
Es gibt bereits viele Regionen in Deutschland, in denenUnternehmen händeringend Auszubildende suchen undsie nicht finden. In allen anderen europäischen Ländernliegt die Jugendarbeitslosigkeit weit höher. In Spanienist sie mit 45 Prozent am dramatischsten.Wir müssen überlegen, ob wir nicht europapolitischeSolidarität leisten. Ich halte es durchaus für denkbar,unsererseits dafür zu sorgen, dass junge Menschen inSpanien Deutsch lernen. Ich sage an den Außenministergerichtet: Das wäre eine gute Aufgabe für die Goethe-Institute. Es ist zwar wichtig, dass man sich mit Kultur-politik beschäftigt, aber es täte not, an Goethe-Institutenin Europa Deutschunterricht anzubieten. Man könnte diejungen Menschen aus anderen europäischen Ländern inDeutschland ausbilden und ihnen damit eine Perspektivebieten.
Meiner Meinung nach ist das sowohl eine sehr guteChance für Deutschland als auch im Sinne der europäi-schen Solidarität, die ich unterstütze.Obwohl die Konjunktur im zweiten Quartal einenkleinen Gang zurückgeschaltet hat, ist die Nachfragenach Arbeitskräften ungebrochen. Die Unternehmensuchen nach wie vor Auszubildende. Ich habe mich beider Arbeitsagentur in meinem Wahlkreis erkundigt. Wirhaben dort im Moment eine Arbeitslosenquote von3,9 Prozent, so niedrig wie nie zuvor. In diesem Jahrbewarben sich 1 733 junge Menschen um einen Ausbil-dungsplatz. Demgegenüber stand ein Angebot von2 271 Stellen. Das zeigt, welchen Überhang an Stellenwir mittlerweile in Teilen Deutschlands haben. Das sinddie Folgen der guten Politik der christlich-liberalenKoalition, und darauf sind wir stolz.
Wir sollten auch überlegen, welche Wege es gibt, denFachkräftemangel zu überwinden. Deutschland muss einoffenes Land sein. Wir müssen unsere Chance nutzen,aber wir sollten sie zuallererst im europäischen Raumnutzen. In 25 Ländern herrscht Freizügigkeit. Wir habenalso gute Chancen, die Arbeitskräfte zu bekommen, diewir auf dem Arbeitsmarkt brauchen.DdwdzEndaDEnAWplere3gbfaavBedZreneVAmmdiswbInscbm
Zum ersten Mal seit langer Zeit haben wir wiederennenswerte, vernünftige Lohnerhöhungen, die netto inen Taschen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmernkommen. Das war während Rot-Grün nicht der Fall.ie Inflation führte dazu, dass den Arbeitnehmern amnde des Tages von den damaligen Lohnerhöhungenichts übrig blieb.
uch das zeigt, dass unsere Regierung auf einem guteneg ist.Dennoch bin ich der Meinung, dass wir jetzt sehr auf-assen müssen. Wir haben zwar enorme Wachstumszah-n zu verzeichnen. Nach minus 4,7 Prozent – für eineife Volkswirtschaft eine gewaltige Zahl – direkt auf,6 Prozent Wachstum umzuschalten – in diesem Jahreht es Richtung 3 Prozent Wachstum –, das ist schonemerkenswert. Wir haben die Krise von 2008/2009 decto überwunden, aber wir müssen aufpassen, dass dasuch so weitergeht; denn Deutschland profitiert nicht nuron seiner internationalen Wettbewerbsfähigkeit in allenereichen, sondern auch – das hat es unter Rot-Grünbenfalls nicht gegeben – von einem robusten Konsumer Haushalte.
wei Drittel des deutschen Bruttoinlandsproduktes basie-n auf dem Konsum in Deutschland in einer Größenord-ung, wie wir sie schon lange nicht mehr hatten. Ichmpfehle Diskussionen mit dem HDE und ähnlichenerbänden. Die werden Ihnen das bestätigen, Herr Heil.uch das hat es unter Ihrer Regierung nie gegeben.Das heißt aber nicht, dass wir uns jetzt in die Hänge-atte legen und ausruhen dürfen. Im Gegenteil: Wirüssen einiges in die Wege leiten. Das fängt damit an,ass wir die deutsche Wirtschaft im Außenhandel – dortt sie stark – unterstützen müssen. Da ist der Bundes-irtschaftsminister gefordert; denn im Außenhandelrauchen wir eine weitere Öffnung der Weltmärkte.
sbesondere unsere mittelständisch geprägte Wirt-chaft bzw. die mittelständischen Unternehmen brau-hen liberale Handelsmärkte. Darum müssen wir unsemühen. Bilaterale und regionale Freihandelsabkom-en sind für die Mittelständler ein Problem,
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14586 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Dr. Michael Fuchs
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weil sie keine großen Rechtsabteilungen haben, die sichum die Einfuhr- bzw. Exportbedingungen der einzelnenLänder kümmern können.Es ist schade, dass es uns nicht gelungen ist, hinsicht-lich der Doha-Runde Fortschritte zu erzielen. Ich binnach wie vor der Meinung, dass Fortschritte auf diesemGebiet dringend notwendig sind. Den Abschluss derDoha-Runde sollten wir alle anstreben. Herr Bundes-wirtschaftsminister, ich halte es für notwendig, dass dieBundesregierung in Brüssel entsprechende Initiativenergreift;
denn die Freihandelsabkommen, die zurzeit überallgeschlossen werden, sind für die deutsche Wirtschaftgefährlich.
Diese Freihandelsabkommen führen dazu, dass ein Bila-teralismus entsteht, der für deutsche Unternehmenschwer zu handhaben ist. Die Bundesrepublik Deutsch-land kann ein Freihandelsabkommen gar nicht mehrselbst abschließen. Das muss in Brüssel abgeschlossenwerden, aber das geht viel zu langsam.
Über ein Freihandelsabkommen mit den sechs Mit-gliedstaaten des Golfkooperationsrates – das sindBahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und dieVereinigten Arabischen Emirate – wird seit 15 Jahrenverhandelt. Lange Zeit waren auch Sie von der Opposi-tion an den Verhandlungen beteiligt. Das Abkommen istimmer noch nicht fertig. Das kann eigentlich nicht sein.Die Amerikaner haben mit diesen Staaten innerhalb vonzwei Jahren ein Freihandelsabkommen hinbekommen.Das schadet unserer Wirtschaft erheblich. Deswegen for-dere ich Sie auf, dieses Freihandelsabkommen schleu-nigst abzuschließen – da muss man gegebenenfalls aucheinmal mit Pascal Lamy in Genf reden –, wenn wir dasmit dem multilateralen Doha-Abkommen nicht besserhinbekommen.Wir brauchen auch bezahlbare Rohstoffe. Wir brau-chen bezahlbare Energie. Ich fordere insbesondere Sie,die Grünen, und die anderen Solarfetischisten auf – HerrKelber ist gerade nicht anwesend –, sich mit den Solar-firmen in Verbindung zu setzen. Schließlich sitzen Sie inden Aufsichtsräten, Beiräten und anderen Gremien die-ser Firmen. Am Wochenende las ich in den Zeitungen,dass die Solarwirtschaft im Vergleich mit anderen Berei-chen der deutschen Industrie eine lausige Bezahlung bie-tet. Ich empfinde es als ziemliche Unverschämtheit,wenn in der Solarwirtschaft, ein Wirtschaftszweig, dermit mehr als 6 Milliarden Euro pro Jahr subventioniertwird, so schlechte Arbeitsbedingungen herrschen.
Da sind Sie gefordert; denn Sie sitzen ja in den ganzenGremien. Herr Kuhn, weisen Sie bitte einmal darauf hin,desSgAgDisbnkmAsbaaaMmEzhwnamdluSsgsm2zDv4n
Wir brauchen vernünftige Gaspreise. Es bereitet mirorgen, dass wir schon jetzt stark von Russengas abhän-ig sind: 38 Prozent beziehen wir aus Russland. Diebhängigkeit wird weiter zunehmen, wenn es uns nichtelingt, neue Märkte zu erschließen. Wir brauchen ineutschland einen LNG-, einen Flüssiggasterminal. Est schade, dass Eon Ruhrgas sich jetzt in Amsterdameteiligt und nicht mehr in Wilhelmshaven. Meiner Mei-ung nach ist das eine Notwendigkeit; denn dadurchönnten die Russen in eine Wettbewerbssituation kom-en. Die gegenwärtige Situation bereitet mir Sorgen.ufgrund der Tatsache, dass die Kernkraftwerke abge-chaltet werden, müssen wir zusätzliche Gaskraftwerkeauen. Dadurch werden wir noch stärker von Gazprombhängig. Das mag zwar Herrn Schröder freuen, michber nicht.Es ist auch wichtig, dass wir den Rohstoffzugang innderen Bereichen stärker in den Fokus nehmen, Herrinister. Die Situation bei den Seltenen Erden bereitetir Sorgen. China erhebt jetzt Exportzölle auf Seltenerden. Das schadet der deutschen Wirtschaft in einigenentralen Bereichen ganz erheblich. Die Preise sind zuoch und die Chinesen dadurch noch einen Tick wettbe-erbsfähiger. Dieses Problem sollten wir in den Fokusehmen. Wir sollten mit den Ländern, die Seltene Erdenbbauen, beispielsweise Kasachstan, Rohstoffabkom-en schließen, damit wir an die Quellen kommen, dieie deutsche Wirtschaft dringend benötigt.
Zum Schluss möchte ich noch etwas zur Umvertei-ngsmentalität der Opposition sagen. Wenn ich mir Ihreteuererhöhungsvorschläge anschaue, wird mir schlichtchlecht. Haben Sie eigentlich immer noch nicht wahr-enommen, dass 10 Prozent der deutschen Steuerzahlerchon heute 52,7 Prozent des Einkommensteueraufkom-ens aufbringen?
5 Prozent der deutschen Steuerzahler bringen 75 Pro-ent des Einkommensteueraufkommens auf.
as zeigt doch, dass wir eine gewaltige Umverteilungon oben nach unten haben.
0 Prozent der deutschen Steuerzahler zahlen überhauptichts.
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Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Die zahlen So-zialversicherungsbeiträge!)Wenn wir jetzt noch etwas draufsatteln, dann ist dasnur demotivierend. Dann gibt es ja auch noch den Halb-teilungsgrundsatz, den das Bundesverfassungsgerichtfestgelegt hat. Den haben Sie anscheinend vollkommenvergessen. Ein Spitzensteuersatz von 49 Prozent plusVermögensteuer – diese Mehreinnahmen wollen Sieüber Ihre Kanäle umverteilen –
würde nur den Leistungswillen verringern. Bei vielenmittelständischen Unternehmen ist es so, dass zur Ein-kommensteuer weitere Unternehmensteuern hinzukom-men. Diese Belastungen wollen wir ihnen nicht mehrzumuten.
Einen allerletzten Satz möchte ich zu den Grünensagen; ich möchte sie nicht vergessen. Ich habe ein biss-chen nachgelesen. In Ihrem Fraktionsbeschluss vom1. September 2011 steht, dass wir eine zwangsläufigeEntwicklung zu einer Dienstleistungsgesellschaft haben.Sie schreiben:Denn das traditionelle Industriemodell mit seinemgigantischen Energie- und Rohstoffhunger, seinenimmensen Emissionen und einer Ausrichtung aufdie Massenfertigung standardisierter Produkte istnicht zukunftsfähig.Das ist nicht meine Vorstellung. Für mich ist Deutsch-land ein Industrieland, und das muss es bleiben. DieCDU/CSU wird zusammen mit den Liberalen die Wei-chen stellen, dass wir ein Industrieland bleiben, undzwar in der vollen Breite.
Für die Linken hat jetzt das Wort der Kollege Roland
Claus.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen undKollegen! Herr Bundesminister Rösler, es bleibt IhrGeheimnis, woher Sie die Selbstgefälligkeit nehmen, mitder Sie hier gerade geredet haben.
Nach den FDP-Wahlergebnissen in Sachsen-Anhalt undin Mecklenburg-Vorpommern und vor den Wahlen inBerlin kann ich mir nicht erklären, wie Sie hier auftretenund sagen können: Wir haben alles richtig gemacht. Dableibt mir nur im Sinne von Bert Brecht der Vorschlag:WwmsaAsmbfaadvMhdInleGhgwdbseJDhHZisbBbmfesCv
Wir hören von der Bundesregierung seit zwei Tagen,an wolle Kurs halten. Das hört sich zunächst nichtchlecht an, aber Kurs halten kann bekanntlich nur, weruch einen Kurs hat.
uch Geisterfahrer – das darf ich Ihnen sagen – haltenich streng an die Devise: Kurs halten.
Worüber reden wir beim Etat des Bundeswirtschafts-inisteriums? Faktisch reden wir über einen verfüg-aren Anteil am Bundeshaushalt von 1 Prozent. Er um-sst 6 Milliarden Euro – das sind zunächst 2 Prozent –,ber davon müssen wir ja 3 Milliarden Euro abziehen,ie nicht verfügbar sind, weil sie für die Steinkohlesub-entionierung und für die Subventionierung staatsnaheronopolisten im Bereich Luft- und Raumfahrt vorgese-en sind. Ich sage zur Klarstellung, damit niemandenkt, hier seien großen Wirtschaftslenker am Werke:dustrie- und Mittelstandspolitik wird mit diesem Etatider nicht gemacht. Das würde die Linke gern ändern.
Nun höre ich oft den Einwand, man würde gern mehreld in die Hand nehmen, aber der Sozialetat sei ja sooch. Das stimmt. Aber wahr ist, dass wir diesen riesi-en sozialen Reparaturbetrieb nur deshalb brauchen,eil Sie eine Wirtschafts- und Sozialpolitik machen, dieie Gesellschaft spaltet, die einen Niedriglohnsektor eta-liert hat und zu solchen Zuständen führt, dass Men-chen zum Amt gehen und aufstocken müssen. Das istin Versagen Ihrer Wirtschaftspolitik.
Minister Rösler hat hier erklärt, 50 Prozent der neuenobs seien Vollzeitjobs. Das hat er als Erfolg verkündet.ie befristeten sind in diesen 50 Prozent enthalten. Daseißt doch andersherum, Herr Minister, dass über dieälfte aller neu geschaffenen Jobs in den Bereicheneitarbeit, Leiharbeit und befristete Verträge zu findent. Das Allerschlimmste und am wenigsten Hinnehm-are ist, dass junge Menschen heutzutage bei ihremerufseinstieg in aller Regel nur befristete Verträgeekommen. Das müssten Sie ändern. Dieses Problemüssten Sie angehen, statt hier 50 Prozent als Erfolg zuiern.
Zur Klarstellung: Die Linke steht für eine Wirt-chaftspolitik, die Mittelstand und Existenzgründernhancen eröffnet und nicht verbaut, die Arbeit schafft,on der Beschäftigte sorgenfrei leben können.
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14588 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Roland Claus
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Die Linke will eine Wirtschaftspolitik, die gleicherma-ßen zu mehr wirtschaftlicher Stabilität und sozialerGerechtigkeit beiträgt.
Herr Bundesminister Rösler wollte mit aller Machtsein neues Amt antreten. Sie wollten liefern. Man hättevermuten können, dass es jetzt losgeht. Mit diesem Etatliefern Sie nicht. Mit diesem Etat bringen Sie hier nurMurks ein.Ich will das an einigen Beispielen verdeutlichen. Sieversprechen eine Neuausrichtung und Straffung des För-derangebotes – so Ihr Text. Sie wollen eine umfassendeÜberprüfung und Bündelung der Förderprogramme. Ichbetreue den Wirtschaftsetat im Haushaltsausschuss seitnunmehr fünf Jahren. Ich habe diesen Spruch jedes Jahrmehrfach gehört: von Minister Glos, von Minister zuGuttenberg, von Minister Brüderle, nunmehr von Minis-ter Rösler. Passiert ist nie etwas. Sie alle haben verspro-chen, den Förderdschungel zu lichten, das Förderange-bot besser zu bündeln und für einen Service aus einerHand zu sorgen. Passiert ist nie etwas. Ich will nur aneine Episode erinnern: Als mir gesagt wurde: „Das er-folgt jetzt alles wunderbar aus einer Hand“, habe ich ge-dacht: Wo es eine Hand gibt, muss es auch einen Kopfund ein Telefon geben. Dann habe ich gefragt: KönnenSie mir die Telefonnummer geben? Es hat zehn Monategedauert,
bis aus dem Bundeswirtschaftsministerium eine Antwortkam. Jetzt haben Sie die Chance, das zu toppen.
Ich will ein Wort zur Wirtschaft in Ostdeutschland sa-gen. Es gibt die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserungder regionalen Wirtschaftsstruktur“, die zu einem sehrbeachtlichen Teil für die Wirtschaft in den neuen Bun-desländern zum Einsatz kommt. Hier nehmen Sie erneuteine empfindliche Kürzung vor. So erreichen wir keineAngleichung der Wirtschafts- und Lebensverhältnisse.Ich will Sie auch daran erinnern, dass nicht eine einzigeFirmenzentrale ihren Standort im Osten hat und dass wirdort einen enorm geringen Anteil von Industriefor-schung, dafür vorwiegend verlängerte Werkbänke ha-ben.Eigentlich geht es schon heute eher darum, auch dieneuen Potenziale im Osten als Chance zu begreifen, dieErfahrungsvorsprünge bei Transformationsprozessen zunutzen und auch die damit verbundenen Schwierigkeitenanzugehen. Hier ist über die Solarbranche geredet wor-den. Ich verfolge die Entwicklung in diesem Bereich mitgroßem Interesse. Ich habe feststellen können: Solangedie Rendite gut war, waren die Private-Equity-Fonds mitgroßen Geldsummen im Geschäft. Als es schwierigwbtusPFtedDekläsgmJIhdEsdDsSdnKIcsn
Herr Minister, Sie haben den Fachkräftemangel ange-prochen. Man hätte denken können: Jetzt packt er einroblem an. In Ihren Etat eingestellt haben Sie für dieörderung von Aufgaben zur Bekämpfung des Fachkräf-mangels gerade einmal 9 Millionen Euro. Wenn ichiesen Betrag umrechne, komme ich zu dem Ergebnis:as entspricht 70 bis 75 Vollzeitstellen. Ich sage Ihnenines: Sie dürfen die Leute nicht verdummen. Die Leuteönnen selber rechnen. Dieses Programm ist einfach nurcherlich, Herr Minister.
Nach meiner Überzeugung geht vernünftiges Wirt-chaften erst, wenn Industrie, Handwerk, Dienstleistun-en, Tourismus und Gewerbe die Übermacht der Finanz-ärkte, Banken und Ratingagenturen überwinden. Einegliches hat seine Zeit. Die Börse hatte ihre gute Zeit.re schlechte muss nicht ewig dauern. Auch das Kasino,as wir immer als anonym beklagen, ist Menschenwerk.s wurde von Menschen geschaffen und kann von Men-chen geschlossen werden.
Kurs halten ist falsch, wenn man merkt, dass man aufem falschen Kurs ist.
ieser Kurs kann geändert werden. Wir haben mit die-em Etat die Chance dazu. Das bedeutet aber in der Tat:ie müssen auf dem Holzweg, auf dem Sie sich befin-en, umkehren.
Das Wort hat jetzt der Kollege Fritz Kuhn für Bünd-
is 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Sehr geehrter Parteivorsitzender Rösler!
h sage bewusst „Parteivorsitzender“, weil Sie als Wirt-chaftsminister in den letzten vier Monaten nichts Nen-enswertes geliefert haben.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14589
Fritz Kuhn
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Das hat einen einfachen Grund, den man als Handels-kaufmann gleich versteht: Wer liefern will, muss etwasauf Lager haben.
Ich will jetzt deutlich machen, dass das bei Ihnen in denletzten vier Monaten nicht der Fall gewesen ist.
In der ganzen Euro-Diskussion, in der es um dieFrage geht, wie wir zu stabilen Verhältnissen im Euro-Raum kommen können und welche Auswirkungen dasauf die Banken haben kann, habe ich von Ihnen nur ver-nommen, dass Sie sich systematisch und prinzipiell– egal, um welchen Vorschlag es sich handelt – gegenvernünftige, neue Regelungen in Europa wenden undalle Vorschläge abwehren.
Sie sind die Dagegen-Partei im europäischen Kontext.Jedenfalls wäre es Ihre Aufgabe als Wirtschaftsminister,deutlich zu machen, was Sie tun wollen, damit solcheKrisen eingedämmt werden und – vor allem – damitkünftige Krisen nicht wieder aufgrund der Mechanis-men, die wir heute haben, entstehen können.
Sie haben in der Energiepolitik und in der Ener-giewende null Komma null geliefert. Wir steigen aus derAtomwirtschaft aus, aber Sie im Wirtschaftsministeriumändern nichts, was die Fragen der alternativen Energien,der Energiewende und der Energieeffizienz angeht.
Der neue Haushaltsentwurf sieht für den Bereich derEnergieeffizienz im Energie- und Klimafonds 89 Millio-nen Euro vor. Dieses Jahr werden wahrscheinlich ledig-lich 1,6 Millionen Euro abfließen, weil Sie gar nicht inder Lage sind, eine Konzeption des Energiesparens undder Energieeffizienz zu entwickeln. Dazu sage ich Ihnenklar: Sie müssen da liefern, sonst schaffen wir denAtomausstieg nicht – jedenfalls nicht, ohne dem Klimazusätzlich zu schaden.
Herr Fuchs, wir verstehen Industriepolitik so, dasswir auf dem Energiesektor mit höchster Effizienz vorge-hen. Dafür brauchen wir einen Wirtschaftsminister, dersich für diese Effizienzrevolution einsetzt.
Übrigens sagen wir: Die Energieeffizienz in Deutsch-land muss mit jährlich 3 Milliarden Euro gesteigert wer-den. Das hat übrigens auch eine soziale Komponente.Mehr Energie einzusparen bzw. die Energieeffizienz zusteigern, muss nicht nur für diejenigen möglich sein, dieeeriLhsntossbredghmgndkduhaddSSGfenWlifeFsndaFndsamdNhw
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14590 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Fritz Kuhn
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Ich komme nun zu einem sehr wichtigen Punkt. Esgab einmal Zeiten, da war das Wirtschaftsministeriumsozusagen die Grundsatzabteilung für die soziale Markt-wirtschaft in Deutschland. Man war stolz darauf, ausdem Wirtschaftsministerium heraus ordnungspolitischklar und präzise zu formulieren und weiterzudenken.Bisher aber haben Sie daran überhaupt nicht gedacht.Das Entflechtungsgesetz – es hat ja damit zu tun, obWettbewerb in unseren Märkten, auch im Energiebereichund bei den Banken, überhaupt möglich ist –
haben Sie auf Bonsai-Level zusammengestrichen. Je-denfalls haben Sie sich nicht um die entscheidende Fragegekümmert, ob es wirklich Entflechtung im Sinne vonmehr Wettbewerb gibt. Darüber haben Sie zwei Jahrelang in irgendwelchen Versammlungen fröhlich geredet,gemacht aber haben Sie nichts.Damit es klar ist: Wir beteiligen uns gerne an demStreit in Bezug auf die Frage, wer es ordnungspolitischam Genauesten nimmt. Aber dann können Sie sich dasganze Zeug, das Ihnen irgendwelche mittelmäßigen Be-rater aufgeschrieben haben nach dem Muster, die Grü-nen seien Kulturpessimisten, in die Haare schmieren.Machen Sie eine klare Ordnungspolitik und beantwortenSie die großen Fragen, die heute zur sozialen Marktwirt-schaft gestellt werden.
Die erste Frage ist: Haben wir noch eine sozialeMarktwirtschaft? Meine Antwort ist klipp und klar:Nein, wir haben sie nicht mehr. Wir müssen wieder einesoziale Marktwirtschaft werden. Davon sind wir weitentfernt. Es ist Aufgabe eines ordnungspolitisch bewuss-ten Ministers, dass er dafür kämpft, sie wiederherzustel-len.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Sie schwafeln andau-ernd von einer Steuersenkung für Beschäftigte, weil dasmehr Leistung ermöglichen würde. Zu glauben, dass dieheutige Workforce, die arbeitenden Menschen, wenigerleistet, weil die Steuern zu hoch sind, ist doch weltfrem-der Quatsch. Die Leute arbeiten fleißig und redlich. Wirbrauchen keine Steuersenkungen. Die Mittel, die wir ha-ben, brauchen wir für Innovation, für Effizienzsteige-rung und für mehr soziale Gerechtigkeit.
Dazu ein ganz einfaches Beispiel: Machen Sie eineordentliche Energiepolitik in Form von Energieeinspa-rung. Sorgen wir statt einer Steuersenkung für eine Sen-kung der Energiekosten für alle Bürgerinnen und Bürgerin unserem Land, sodass die Menschen weniger fürEnergie zahlen. Es hätte auch positive Auswirkungenauf die Inflation, wenn wir das schaffen würden. EineSenkung der Kosten für den Energieverbrauch wäre einesinnvolle Entlastung der Bevölkerung, insbesondere derGeringverdiener. An dieser Stelle können wir etwas tun.ArüusdmticKwdVgnsgghsbSIhdSUaaKCKbnbPIcSSs
Das Wort hat der Kollege Dr. Georg Nüßlein von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Lieberollege Claus, Ihre wirtschaftspolitische Kompetenz ha-en Sie in der DDR unter Beweis gestellt. Wir alle ken-en das Ergebnis und wundern uns, wie Sie die Stirn ha-en können, heute so aufzutrumpfen.
Was den Kollegen Kuhn angeht, so irritiert mich Ihreauschalkritik an der Energiepolitik dieser Regierung.h würde Ihnen empfehlen, nach Atdorf in denchwarzwald zu fahren, wo die Grünen momentantunk gegen das größte in Planung befindliche Pump-peicherkraftwerk machen. Sie meinen, es passe nicht in
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14591
Dr. Georg Nüßlein
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die Landschaft, es sei ein Unding und man dürfe es nichtbauen. Wenn das Ihre Art und Weise ist, eine konse-quente Energiepolitik zu betreiben, nämlich hier in derTheorie allgemeine Weisheiten zu verkünden und in derPraxis gegen alles zu sein, dann sollte einen das dazu be-wegen, weniger große Töne zu spucken.Ich glaube, dass die europäische Schuldenkrise nichtnur diese Haushaltsdebatte dominiert, sondern auch inden nächsten Monaten unsere Wirtschaftspolitik domi-nieren wird.Um hier ein paar Dinge geradezurücken, möchte ichkurz zurückblenden. Am 29. Juni 2000 gab Hans Eicheleine Regierungserklärung ab. Damals feierte er geradezuüberschwänglich die von Rot-Grün unterstützte Auf-nahme Griechenlands in die Euro-Zone. Trotzdemdrückte ihn anscheinend schuldbewusst eine gewisseVorahnung. Ich zitiere:Wer dazugehört, muss sich auch zukünftig so ver-halten, wie er sich verhalten hat, um dazugehörenzu können.Das war eine ziemlich gestelzt formulierte Anforderungan die Griechen.Dr. Gerd Müller von der CSU konterte damals glas-klar:Herr Eichel, die Aufnahme Griechenlands in denEurokreis war ein schwerer Fehler.Müller spricht explizit von manipulierten Zahlen.Nun kann man behaupten, die Griechen hätten beimBeitritt betrogen. Lässt man das Revue passieren, wasdamals diskutiert wurde, muss man aber feststellen, dassihnen offenkundig schon damals niemand geglaubt hat.Mundus vult decipi: Nicht die Welt, aber die Gegen-seite wollte betrogen sein – auch und gerade die dama-lige rot-grüne Bundesregierung. Das ist die Realität,meine Damen und Herren.Auch wenn Sie es in den Debatten diese Woche schonx-mal gehört haben, sage ich es noch einmal: DieMaastricht-Kriterien haben Schröder und Eichel 2003aufgeweicht, weil ihnen Schulden machen zu könnenwichtiger war als die Euro-Stabilität. Das war Sünden-fall Nummer zwei.Deshalb ärgert mich die Haltet-den-Dieb-Debatte, diewir an dieser Stelle führen. Sie tragen hier Verantwor-tung, und ich sage Ihnen ganz offen, auch wenn ich un-schuldig bin: Ich schäme mich für eine solche deutschePolitik, für diesen gigantischen Wortbruch gegenüberden Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Deutsche Markim Vertrauen auf den Waigel’schen Stabilitätspakt herge-geben haben, den Sie – Sie! – gebrochen haben.
Was wir heute erleben, was unseren Aufschwung– ich sage das ganz explizit – gefährden kann, ist derFluch Ihrer bösen Tat. Sie und die Medien hängen unsbei der Gelegenheit gleich einmal das Etikett „schlech-teste Bundesregierung“ um, weil wir uns in der Tatschwertun, obwohl wir sehr darum ringen, den Scher-bsggwsuSaSuwbBsmledsmgsdasmavdDsZKriemnWdmtä–vbddsthn
Das eine muss dem anderen nicht widersprechen. Wirerfolgen durchaus eine Linie in diesem Punkt.Als Wirtschaftspolitiker steht für mich fest, dass wirei all dem, was wir in den nächsten Wochen entschei-en müssen, darauf achten müssen, die Disziplinierungurch die Kapitalmärkte nicht komplett außer Kraft zuetzen. Einen Alkoholiker kann man nicht mit Alkoholerapieren. Das heißt, ein Land, das nicht spart, darficht durch vollständige Haftungsübernahmen und da-
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Dr. Georg Nüßlein
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raus resultierend niedrige Zinsen zum Schuldenmachenanimiert werden. Deshalb lehnen wir Ihre Euro-Bondsab.Das heißt außerdem: Ein Investor, der hohe Renditenbekommt, darf nicht am Ende das extra verzinste Risikoan den Steuerzahler delegieren können. Hier müssen wirmeines Erachtens noch Ideen entwickeln und auch man-che Bankerdrohung hinterfragen: Cui bono? Wem nutztdas?Es muss jedenfalls unser Ziel sein, das im Maastricht-Vertrag vereinbarte Verbot der Schuldenübernahme fürandere Staaten nicht dauerhaft zu schwächen. Das warauch ein wohlüberlegtes Prinzip, dessen Festlegungsinnvoll war. Deshalb kann man es nicht einfach vomTisch wischen.Ein ausgeglichener Haushalt, wie ihn die CSU inBayern realisiert hat, ist wirtschafts- und finanzpolitischunabdingbar, und auch die Schuldenbremse ist in diesemLand etwas sehr Wichtiges. Sie ist eine entscheidendepolitische Leistung aller Kolleginnen und Kollegen, diesie mitgetragen haben.Die viel zitierten Märkte – das ist, glaube ich, dasSpannende daran – trauen uns die Stabilitätsorientierungzu. Die Verzinsung für deutsche Staatsanleihen ist ex-trem niedrig, die wirtschaftliche Lage trotz aller Bedro-hungen noch immer gut. Beschäftigung und Wettbe-werbsfähigkeit sind auf einem außerordentlich hohenNiveau.Das Glas ist jedenfalls mehr als halb voll. So solltenwir das aus meiner Sicht sehen. Wir Deutschen müssen,glaube ich, aus dem Dauerpessimismus herauskommen.Wir sollten auch aufhören, in Extremen zu denken.Ich nenne ein Beispiel: Kaum hat man eine Krise hin-ter sich gelassen und die Zahl der Arbeitslosen einiger-maßen abgebaut, schon soll der Fachkräftemangel, derangeblich entsteht, nur über Zuwanderung von außer-halb der EU zu lösen sein, und das bei einem EU-weitenArbeitsmarkt. Die CSU jedenfalls setzt auf Qualifizie-rung statt auf neue Multikultiexperimente.
– Das sage ich auch in Richtung FDP.Ein anderes Beispiel: Kaum ist man sich einig, dassInnovationen unabdingbar sind, wird der hohe Anteilvon 1,37 Milliarden Euro für die Luft- und Raumfahrtam Haushalt des BMWi kritisiert. Aus bayerischer Er-fahrung kann ich Ihnen sagen, dass nur wenige Innova-tionsthemen unsere Entwicklung so getrieben haben. Einwenig mehr Fortschritts- und Technologiezuversichtwürde dieses großartige Land noch mehr voranbringen.Lassen Sie uns daran arbeiten. Ich glaube, es lohntsich.Vielen herzlichen Dank.
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Sie?
Wie gehen Sie mit den Ergebnissen um? Ihre Ergeb-isse haben wir gerade gesehen. Herr Lindner, ich würdeicht so hochmütig auftreten. Wir werden in 14 Tagenier freudige Debatten über Ihr Wahlergebnis haben.erzlichen Dank.
Die Große Koalition hat in der Krise Handlungsfähig-eit bewiesen. Sie hat die Bankenrettung vorangetrieben,amit die Mittelständler sichere Kredite bekommen, sieat die Konjunkturpakete geschnürt, damit Aufträge er-ilt werden konnten, und sie hat eine Arbeitsmarktpoli-k gestaltet, die auf Arbeitsplatzsicherung und auf Ar-eitsplatzerhalt gesetzt hat. Sie profitieren jetzt davon,ass Deutschland so gut aus der Krise gekommen ist.ber Sie, Herr Minister Rösler, und die FDP haben da-it gar nichts zu tun.
as will ich hier eindeutig feststellen. Es scheint, als wä-n Sie gleich auf zwei Augen blind: Damals wollten Sieicht sehen, was aus der Krise herausführt, und heute
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Klaus Brandner
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wollen Sie nicht sehen, welche Faktoren für eine dro-hende zweite Krise sprechen.
Alle außer Ihnen haben die Zahlen auf dem Tisch.Das deutsche Wachstum kam im zweiten Quartal desJahres mit 0,1 Prozent fast zum Erliegen. Die Wirtschaftin den 17 Euro-Ländern stagniert. In den USA und in Ja-pan sieht es insgesamt auch nicht besser aus. Auch dieGfK-Konjunkturerwartungen der deutschen Konsumen-ten brachen im August ein und erreichten den niedrigs-ten Stand seit Juni 2010. Die Konjunkturerwartungendes Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung fie-len im August auf den tiefsten Stand seit Dezember2008. Der DAX – wir alle wissen es – ist seit Ende Julium 30 Prozent gesunken.Wenn Sie, sehr geehrter Herr Rösler, schon nicht aufmich und meine Interpretation hören wollen, so hörenSie wenigstens auf warnende Expertenstimmen, zumBeispiel die des Weltbankpräsidenten Zoellick, der sagt:Für die globale Wirtschaft besteht das Risiko, in diesemHerbst in eine neue Gefahrenzone zu rutschen. KfW-Chef Schröder sagt: Die Lage ist viel dramatischer als2008. IWF-Chefin Lagarde sagt: Es droht der Rückfallin die Rezession. Es müssen Maßnahmen ergriffen wer-den, um eine drohende Abwärtsspirale abzuwenden. –Sie aber tun so, als sei alles in Butter. Sie tun so, als seiall das nur Oppositionsgeschwätz.
Als Haushälter jedenfalls kann ich diese Zahlen undPrognosen nicht einfach ignorieren. Man muss als Haus-hälter und – nach meinem Verständnis – auch als Minis-ter wachsam sein und Vorsorge treffen. Deshalb erwarteich mehr von Ihnen, sehr geehrter Herr Minister. Siemüssen jetzt endlich liefern.
Immerhin – das will ich hier klar sagen – waren Sienicht ganz untätig. Sie haben dem Haushalt des Wirt-schaftsministeriums ein neues Gewand gegeben, Sie ha-ben den Haushaltsplan übersichtlicher gestaltet und kla-rer strukturiert. Er ist transparenter als vorher. Aber eineVerpackung allein bringt noch nichts; auf den Inhaltkommt es an. Da aber ist – das haben die Vorrednerschon deutlich gemacht – von Umdenken nichts zu se-hen. Wenn Sie sich trotz schwankender Weltwirtschaftallein auf die Exportwirtschaft verlassen, dann muss ichsagen: Das ist ein Standbein zu wenig. Das reicht nichtaus. Obwohl die Nachfrage aus dem Ausland schon fastkomplett zusammengebrochen ist, wird der Binnenmarktnach wie vor von Ihnen total vernachlässigt.Dabei hat der Bundeswirtschaftsminister so vieleStellschrauben. Zum Beispiel könnte man einen allge-meinen gesetzlichen Mindestlohn verabschieden.
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14594 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
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hier kürzen Sie entscheidend. Wir fordern Sie auf, in die-ser Angelegenheit umzukehren und dafür zu sorgen,dass gerade diese Felder von Ihnen weiter bedient wer-den.
Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege
Brandner.
Herr Minister, stabil steht man nur auf beiden Beinen.
Deshalb: Fördern Sie die Export- und Binnenwirtschaft.
Füllen Sie Ihren Haushalt mit mehr Inhalten und Kon-
zepten. Gerade Sie als Wirtschaftsminister und Vize-
kanzler kann ich nur auffordern: Liefern Sie endlich, da-
mit die deutsche Wirtschaft wieder auf zwei gesunden
Beinen stehen kann.
Herzlichen Dank.
Für die FDP hat jetzt das Wort der Kollege Florian
Toncar.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
stelle mir in dieser Debatte nur einmal einen Moment
lang vor, was ein Besucher auf der Besuchertribüne, der
nicht aus Deutschland kommt, sondern der hier zu Gast
ist, denken mag, wenn er diese Debatte zur Wirtschafts-
politik und zur Wirtschaftslage in Deutschland hört. Ich
glaube, er wäre über das Bild, das hier gezeichnet wird,
überrascht; denn dieses Bild ist verzerrt, und die großen
Erfolge, die wir – zum Teil gemeinsam – erzielt haben,
werden völlig vernachlässigt. Wir sollten deutlich ma-
chen, dass wir vieles erreicht haben, und kein so tristes
Bild der Lage in Deutschland malen.
Die Wirtschaftslage unterliegt sicherlich großen He-
rausforderungen, Kollege Brandner. In der Regel spielen
dabei externe Herausforderungen eine Rolle, also solche,
die wir als nationaler Gesetzgeber nicht allein beeinflus-
sen können. Ich wiederhole: Es ist viel erreicht worden.
Das ist nicht nur ein Erfolg der Konjunkturprogramme,
die vor mittlerweile zweieinhalb Jahren aufgelegt wor-
den sind. Durch sie ist manches Richtige auf den Weg
gebracht worden, beispielsweise die Neuregelung der
Kurzarbeit. Man muss es aber differenzierter sehen: Vie-
les der Konjunkturprogramme, für die Sie 80 Milliarden
Euro Schulden gemacht haben, hat Preissteigerungen
nach sich gezogen. Letzten Endes ist vieles erst jetzt be-
zahlt worden.
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Die Haushaltskonsolidierung schreitet im Rekord-
mpo voran. Wir sind, ausgehend von 86 Milliarden
uro, wie es Ihr Vorschlag 2010 vorsah, mittlerweile bei
inem Haushaltsentwurf, der, vorsichtig gerechnet, mit
7 Milliarden Euro Neuverschuldung auskommt. Das ist
ine Reduzierung von über 70 Prozent in lediglich zwei
ahren. Wir haben als Koalition den festen Vorsatz, dass
ir im Bund das Ende der Neuverschuldung erreichen,
och bevor die Schuldenbremse im Grundgesetz das von
ns verlangt, also noch vor 2016; denn wir wollen sta-
ile Staatsfinanzen. Auf dem Weg sind wir schon weit
orangekommen.
Wenn ich das mit dem vergleiche, was dort passiert,
o Sie regieren, dann kann ich nur sagen, das ist eine
omplett andere Richtung.
a kann man, glaube ich, auch sehr deutlich sehen, wie
ie Alternativen in Deutschland aussehen.
Sie haben in Nordrhein-Westfalen einen verfassungs-
idrigen Haushalt vorgelegt. Aber noch interessanter
nde ich das, was in Baden-Württemberg passiert. Dort
at der Staat dieses Jahr unerwartet 1,1 Milliarden Euro
usätzliche Steuereinnahmen bekommen, und die Regie-
ng hat entschieden, davon über 800 Millionen Euro zu-
ätzlich auszugeben. Die Regierung in Baden-Württem-
erg könnte dieses Jahr ohne die Aufnahme neuer
chulden auskommen. Aber der Ministerpräsident, ein
rüner Ministerpräsident, sagt: Das schaffen wir erst
020. Ich glaube, deutlicher als mit dem Vergleich zwi-
chen dem, was in den Ländern geschieht, in denen Sie re-
ieren, und dem, was wir hier im Bund machen, kann man
icht aufzeigen, dass wir ganz unterschiedliche Vorstel-
ngen von guter Wirtschaftspolitik haben.
Herr Kollege Toncar, möchten Sie eine Zwischen-age des Kollegen Heil zulassen?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14595
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Nein.
Keine Zwischenfrage.
Gerne später, wenn dann noch Zeit ist. Aber ichmöchte das jetzt im Zusammenhang vortragen.Ich möchte auf das eingehen, was jetzt vor uns liegt.Wir müssen den Haushalt konsolidieren, und wir schaf-fen das, ohne dass das Wirtschaftswachstum kostet. Wirschaffen das deshalb, weil wir auch im Haushalt desWirtschaftsministeriums die richtigen Schwerpunkte set-zen. Wir als Koalition geben trotz Sparkurs und trotz Re-duzierung der Verschuldung in vier Jahren 12 MilliardenEuro extra für Bildung und Forschung aus. Vorgesehensind dieses Jahr allein 330 Millionen Euro zusätzlich fürZukunftstechnologien im Bereich des Wirtschaftsminis-teriums. Wir schichten Subventionen um. Es werdenSubventionen abgebaut. Ineffiziente Förderprogrammewerden deutlich reduziert, und stattdessen wird in dieTechnologien der Zukunft investiert.Natürlich tun wir auch etwas für die Binnennach-frage. Es ist ja gerade der Vorsatz der Koalition, da-durch, dass kleinere und mittlere Einkommen entlastetwerden und dass wir auch bei den Lohnzusatzkosten zueiner Absenkung kommen, die Kaufkraft zu stärken. Da-bei geht es um die Einkommensgruppen, die ihr Geld inder Regel auch ausgeben. So fördert man Binnennach-frage und nicht mit irgendwelchen eher fragwürdigen ar-beitsmarktpolitischen Maßnahmen.
Ich will natürlich auch etwas zum Thema stabilerEuro sagen; denn das ist das große wirtschaftspolitischeThema dieser Zeit. Zum einen finde ich es bemerkens-wert, wer da wieder glaubt, diese Koalition belehren zukönnen. Das sind mit Herrn Steinmeier, Herrn Trittinund vielen anderen die Leute, die verantwortlich dafürsind, dass Griechenland in die Euro-Zone aufgenommenwurde,
die verantwortlich dafür sind, dass der Stabilitätspaktfaktisch ausgehebelt worden ist, und die zu ihrer Regie-rungszeit Verantwortung dafür getragen haben, dass dieStatistiker aus Europa nicht nachrechnen dürfen, ob Mit-gliedstaaten wirklich so viele Schulden machen, wie sieangeben, oder ob es nicht deutlich mehr sind. Von diesenLeuten lassen wir uns heute nicht sagen, wie man denEuro zu stabilisieren hat. Sie sollen einmal an ihre ei-gene Verantwortung denken.
Ich habe in dieser Debatte gehört, der Bundeswirt-schaftsminister wäre hier bei der Euro-Diskussion inletzter Zeit nicht dabei gewesen. Ich kann nur sagen:Wer das behauptet, der muss einen verlängerten Som-mdDshgtesfrmgreBSimsbscneDwresknOnemWd
Wir haben erreicht, dass es erstmals Gläubigerbeteili-ung gibt. Wenn wir das gemacht hätten, was Sie woll-n, wenn wir also frühzeitig Geld ins Schaufenster ge-tellt hätten,
ühzeitig Zusagen gemacht hätten, dann hätte doch nie-and gesagt: Nun lasst uns doch die Gläubigerbeteili-ung einführen. – Es war richtig, dass diese Bundes-gierung dafür gekämpft hat, dass Gläubiger auch eineneitrag leisten müssen, und zwar bevor wir weitereteuergelder in Aussicht stellen.
Wir haben darüber hinaus mittlerweile erreicht, dassmer mehr europäische Staaten sich zu Schuldenbrem-en bekennen. Das sind Ergebnisse, die vor einem hal-en Jahr noch völlig undenkbar gewesen wären. Es lohntich eben durchaus, nicht sofort Zugeständnisse zu ma-hen, nicht sofort zu sagen, es gibt Geld, sondern zu-ächst einmal ganz konkrete belastbare Gegenleistungeninzufordern.
er Kurs dieser Bundesregierung in der Euro-Politikar, wie ich glaube, richtig und dient der Stabilität unse-r Währungsunion.
Im Übrigen möchte ich auch sagen: Der Bundeswirt-chaftsminister hat sich überlegt, wie man es erreichenann, dass mehr deutsche und auch europäische Unter-ehmen in Griechenland investieren.
hne diesen Aspekt wird man das Problem am Endeicht an der Wurzel packen können. Ich glaube, er wariner der Ersten in Europa, die das Thema überhaupt ein-al von dieser Seite angepackt haben.
ir müssen natürlich diesen Weg weitergehen. Auch beien Griechen müssen noch einige Voraussetzungen er-
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14596 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Florian Toncar
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füllt werden, beispielsweise in den Bereichen Bürokratieund Rechtssicherheit. Es ist aber unverzichtbar, dass wirunsere und die europäische Wirtschaft dazu bringen, sichauch in Griechenland zu engagieren.
Deshalb war das eine richtige Initiative.
Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, auf denauch der Kollege Kuhn eingegangen ist, nämlich dasThema Energieeffizienz. Ich glaube in der Tat, Energie-effizienz ist eine Voraussetzung dafür, dass wir weitervorankommen und die Energiewende funktionierenkann. Ich möchte aber auch daran erinnern, Herr KollegeKuhn, dass zurzeit ein Gesetzentwurf im Bundesrat liegt,
der das Thema Energieeffizienz zum Inhalt hat. In die-sem Gesetzentwurf geht es darum, die energetische Ge-bäudesanierung steuerlich zu fördern. Ich möchte Sieeinfach fragen, ob es eigentlich im Sinne der Wähler inBaden-Württemberg gewesen ist, dass Ihre Landesregie-rung hierzu gesagt hat: Wir machen da nicht mit.
Ich persönlich bin der Meinung, dass die Energiewendeeine gesamtstaatliche Aufgabe ist und alle Ebenen be-trifft. Daher müssen sich selbstverständlich auch dieLänder anteilsmäßig finanziell engagieren. Deswegenempfinde ich die Verzögerung, die da jetzt entstandenist, als völlig unnötig, als kontraproduktiv, und sie ist si-cher auch nicht im Sinne der Wähler in Baden-Württem-berg.
Kommen Sie zum Schluss.
Herr Präsident, ich möchte noch eine letzte Bemer-
kung machen, da ich neu die Hauptberichterstattung für
diesen Einzelplan übernommen habe und auch mehrere
Kollegen neu dabei sind. Ich möchte betonen, dass wir
gemeinsam mit dem Ministerium gute Beratungen hin-
bekommen können und wir die Ideen, die noch da sind,
sicherlich so in den Haushalt einarbeiten können, dass
der Haushalt dadurch noch besser wird. Ich hoffe, dass
das kollegial ablaufen wird; eigentlich bin ich sogar
überzeugt, dass es klappt.
Ich wünsche uns allen gute, konstruktive Haushalts-
beratungen.
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die Realität vollkommen blauäugig ist. Denn der bereitsauslaufende Aufschwung war ein Aufschwung, der beider breiten Masse der Bevölkerung nie angekommen ist.Die Unternehmensgewinne sind in den letzten zehn Jah-ren, so auch zuletzt, massiv angestiegen; seit 2000 warenes, preisbereinigt, 35 Prozent. Bei den abhängig Be-schäftigten haben wir – die Zahl ist schon häufig genanntworden – eine Reallohneinbuße von 4,5 Prozent zu ver-zeichnen. Das heißt, die Unternehmen haben in den letz-ten zehn Jahren ihre Gewinne um mehr als ein Drittelsteigern können, und die abhängig Beschäftigten müssenheute mit weniger auskommen, und das in einem reichenLand, in dem mit immer höherer Produktivität gearbeitetwird. Das bringt die Ungerechtigkeit auf den Punkt; esist ein Skandal.
– Hören Sie zu, ich erkläre Ihnen ja noch etwas!Ein besonderer Skandal ist darüber hinaus, dass dieLohnkürzungen bei den 40 Prozent der Beschäftigten indiesem Lande, die ohnehin am wenigsten verdienen, inden letzten zehn Jahren am massivsten waren. Sie habenLohnkürzungen in Höhe von 10, 20 und zum Teil mehrProzent aufoktroyiert bekommen. Es ist wirklich ein rie-siger Skandal, wenn diejenigen, denen es am schlechtes-ten geht, am stärksten zur Kasse gebeten werden.
Die Lohnquote, also der Anteil der Löhne am Volks-einkommen, in unserem Land ist beständig gesunken.Anders ausgedrückt, damit das einmal ganz deutlichwird: Wäre der Anteil der Beschäftigten am Volksein-kommen seit 2000 gleich groß geblieben, dann hättendie abhängig Beschäftigten in Deutschland in diesenzehn Jahren 1 000 Milliarden Euro, also 1 Billion Euro,mehr bekommen müssen. Das ist in Euro ausgedrücktder Preis, der hinter dem Lohndumping der letzten zehnJahre steckt. Es ist ein Skandal, dass die Beschäftigten soschamlos enteignet worden sind; denn das ist es, was inunserem Land passiert ist.Für diese Politik war natürlich nicht nur die jetzigeRegierung verantwortlich, sondern das waren alle Regie-rungen der vergangenen zehn Jahre. Diese Politik wurdevon SPD und Grünen eingeleitet mit der Agenda 2010mit Befristung, Leiharbeit und den Hartz-IV-Gesetzen,und sie wurde immer von dem Applaus von CDU/CSUund FDP begleitet und weiter fortgesetzt – bis heute.Diejenigen, die unter dieser Politik leiden, müssen wis-sen, dass diese vier Fraktionen dafür verantwortlich sind.Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass dieMenschen kein Geld in die Geschäfte tragen und dasssich deshalb der Konsum so schlecht entwickelt.
Grund ist nicht ein vermeintlicher Käuferstreik. DieRede vom Käuferstreik ist mehr als zynisch. Sagen Siedoqrero0mtadLluiswgcgWgzs4sdmfetrzBDfambteageuMdwEBres
Das zweite große Problem ist aber, dass das Auslands-eschäft schon längst wegbricht. Das ist natürlich keinunder angesichts der Tatsache, dass diese Regierungerade angetreten ist, in Europa ein massives Sozialkür-ungsprogramm aufzulegen. Auf Initiative Deutschlandsind EU-weit Kürzungsprogramme in einem Umfang von00 Milliarden Euro aufgelegt worden. Da mit der Um-etzung bereits begonnen worden ist, ist es kein Wunder,ass sozusagen die Kunden der deutschen Wirtschaft im-er weniger Geld haben, um in Deutschland einzukau-n.Die deutsche Regierung hat dadurch selbst einen Bei-ag dazu geleistet, dem Export – einer wichtigen Stüt-e – die Füße wegzuhauen, gleichzeitig aber nicht dieinnennachfrage so zu stärken, wie es notwendig wäre.enn nach wie vor gelten in Deutschland Gesetze, die esst verunmöglichen, gegen Lohndumping anzukom-en.Diese Tendenzen müssten umgekehrt werden. Wirräuchten im Grunde eine Rückabwicklung der gesam-n Agenda 2010: Befristungen müssten weg, die Leih-rbeit müsste weg, gewerkschaftliche Rechte müsstenestärkt werden und zu guter Letzt – ich betone es nochinmal, weil es eine Sofortmaßnahme ist, die schnellmzusetzen wäre –: die Einführung eines gesetzlichenindestlohns von 10 Euro. Mit 10 Euro würde nicht nuren Menschen in diesem Lande geholfen; die 10 Euroären auch ein Beitrag für Europa insgesamt. Das würdeuropa voranbringen.Danke schön.
Das Wort hat nun Tobias Lindner für die Fraktion
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-n! Ich bin ein neuer Abgeordneter; Sie, Herr Rösler,ind ein neuer Minister. Ich muss Ihnen in meiner ju-
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Dr. Tobias Lindner
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gendlichen Naivität gestehen: Ich hätte von Ihnen einenHaushaltsentwurf mit neuen Schwerpunkten erwartet.
Sie schreiben selbst in den Erläuterungen zum Etat:„Der Wirtschaftsetat präsentiert sich in einem neuen Ge-wand“. Ja, das ist richtig, der Wirtschaftsplan wurde neustrukturiert. Sie haben vier neue Oberkapitel gebildet.Und was haben Sie dann getan? Sie haben die bisherigenFörderprogramme einfach nur in diese vier neuen Ober-kapitel einsortiert.
Ist das die neue Strategie Ihres Ministeriums? Es ist keinGewand, das wir hier vor uns haben, sondern ein Um-hang. Und wenn man diesen Umhang lüftet, dann findetman dahinter nur die alten Klamotten von gestern undvorgestern.
Die Regierung hat die Notwendigkeit einer Klima-wende inzwischen akzeptiert. In Ihrem Ressort, HerrRösler, liegt die Zuständigkeit für die Haupt-CO2-Emit-tenten. Gerade dann aber, wenn es diese Regierung mitder Klimawende ernst meint, braucht die deutsche Wirt-schaft neue Impulse, um auf dem internationalen Marktund auch in Deutschland zukunftsfähig zu bleiben.Wir brauchen neue Technologien rund um den Klima-schutz. 12 Prozent aller Emissionen werden von Industrieund verarbeitendem Gewerbe verursacht. Dabei werdenzwei Drittel des Stroms durch ineffektive Pumpen, An-triebe und Anlagen verschleudert. Die Potenziale fürEnergieeffizienz und Energieeinsparung sind also enorm.Dafür aber braucht es erstens Beratung, zweitens neueTechnologien und drittens auch neue Verfahren. Hierkönnten Sie Anreize schaffen. Schaut man aber in denWirtschaftsplan, stellt man fest, dass Sie in diesem Be-reich nichts getan haben. Ist das Ihre neue Effizienz?
Wir brauchen Effizienz nicht nur im Energiebereich.Auch angesichts knapper werdender Rohstoffe und stei-gender Welthandelspreise ist der Blick auf einen scho-nenden und effizienten Einsatz in diesem Bereich drin-gend notwendig. Aber offen gestanden: Sie scheinen aufdiesem Auge ganz blind zu sein, wie ein Blick in denEtat zeigt – nicht einmal Ihre eigene Rohstoffstrategiesetzen Sie im Etatentwurf irgendwie um.Es gilt, Schlüsseltechnologien voranzubringen. Esgeht um Recycling und Stoffkreisläufe; es geht aberauch um den Einsatz alternativer Rohstoffe. Hierzubraucht man Grundlagenforschung, Förderung von Pi-lotanlagen und natürlich auch neue Finanzierungsinstru-mente; hierzu absolute Fehlanzeige im Wirtschafts-ministerium.
Anstatt Innovationen voranzubringen und in die Zu-kunft zu blicken, fördern Sie die Beteiligung deutscherURzgPvzmHSATwdFreMBHBtrdds2insbsuuKwsd
Wenn wir beim Thema „Gute Nacht“ sind, will ichum Schluss auf ein weiteres Kapitel in Ihrem Etat ein-ehen. Leider trägt es den Titel eines Kinderbuchs:eterchens Mondfahrt. In die Luft- und Raumfahrt in-estieren Sie 1,3 Milliarden Euro. Das sind rund 20 Pro-ent des gesamten Etats; das sind 200 Millionen Euroehr als im Vorjahr; und das in Zeiten knapper Kassen.
err Rösler, ich weiß nicht, warum Sie gerade diesenchwerpunkt setzen.
ber wenn dies, Herr Minister, Ihre Brot-und-Butter-hemen sind, wenn Sie sprichwörtlich hinter den Mondollen, dann kann ich Ihnen nur empfehlen: Steigen Sieoch gleich mit ein in die Raumrakete.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-
raktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-n! Wir diskutieren heute über den Haushalt, heuteorgen auch über den Euro. Insofern ist es sinnvoll, dieedeutung des Euro für unsere Wirtschaft und denaushalt herauszustellen. Der Euro hat herausragendeedeutung für Deutschland. Gerade auch in diesem Jahr,otz der Krise in Europa, würden wir ohne den Euroeutlich schlechter dastehen, als wir es tun.Der Euro ist stabiler, als es die D-Mark je war: Seiter Einführung des Euro lag die Inflation im Durch-chnitt bei 1,6 Prozent; zur Zeit der D-Mark waren es,6 Prozent. Das sind die Fakten; ich nenne sie all denen Deutschland, die das durchaus infrage stellen.Fakt ist weiterhin, dass die EZB in Zeiten eines Auf-chwungs in Deutschland, wie wir ihn in diesem Jahr ha-en, ihren Zinssatz natürlich nicht nur an Deutschland,ondern an ganz Europa orientiert. Deshalb können sichnsere Unternehmen – vom Handwerker bis zum Groß-nternehmen – in diesem Jahr, also im Aufschwung, mitrediten zu so guten und günstigen Zinsen versorgen,ie sie es in den letzten Jahrzehnten im Aufschwungonst nie konnten. Dies gilt auch für jeden Häuslebauer,er günstigere Zinsen erhält, als er sonst erhalten würde.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14599
Dr. Joachim Pfeiffer
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Es gilt auch für den Staat, egal ob Gemeinde oder Bund;denn wir müssen für unsere Schulden – auch wir sindnicht frei von Schuld, geschweige denn von Schulden –weniger Zinsen zahlen, als wir es sonst tun müssten.Der Euro bringt unserer Volkswirtschaft darüber hi-naus beispielsweise rund 10 Milliarden Euro wenigerAbsicherungskosten im Export. Gerade dieser Tage hatdie KfW festgestellt: Allein in den letzten zwei Jahrenhat der Euro uns in Deutschland 50 bis 60 MilliardenEuro zusätzlichen Wohlstandsgewinn gebracht; das wärenicht der Fall, wenn wir nicht den Euro, sondern nochdie D-Mark hätten. Damit entfiel im letzten Jahr – auchdas wurde ausgerechnet – ein Wirtschaftswachstum von1 bis 1,25 Prozent auf den Euro; das ist ein Drittel desgesamten Wirtschaftswachstums, das wir im letzten Jahrin Deutschland hatten.So weit, so gut. Dennoch ist natürlich nicht alles wun-derbar; wir können nicht sagen: „Weiter so!“ Der Euroist, was die Stabilität und die Inflation anbelangt, eineErfolgsgeschichte. Heute stellt niemand in Europa mehrdie Bedeutung einer geringen Inflation infrage. Das warvor 20 oder 30 Jahren anders. Es ist heute Morgen ange-sprochen worden, dass es deutsche Kanzler gab, die ge-sagt haben: „Lieber 5 Prozent Inflation als 5 Prozent Ar-beitslosigkeit.“ Im Ergebnis hatten sie dann beides. DieKultur einer geringen Inflation, die in Deutschland ent-wickelt wurde, ist heute in Europa akzeptiert.Nun müssen wir bei der Verschuldung zu einer ähnli-chen Entwicklung kommen; da hege ich Hoffnung. Mankann entweder sagen, dass das Glas halb voll oder halbleer ist. Ich bin Optimist und sage: Das Glas ist halb voll.Ich hoffe, dass die jetzige schwierige Situation, die wirin Europa haben, in den Volkswirtschaften, in der Politikund bei den Bürgern zu der Einsicht führt, dass es nichtmehr geht, dauerhaft über seine Verhältnisse zu leben.Vielmehr sind das Konsolidieren der Haushalte, das Spa-ren, und die gleichzeitige Bereitstellung wettbewerbsfä-higer Produkte und Dienstleistungen der richtige Weg.
Wenn dies gelingt, dann kann in fünf oder zehn Jah-ren in der Tat nicht nur Deutschland, sondern ganz Eu-ropa besser dastehen, als dies heute der Fall ist. GanzEuropa kann dann so dastehen, wie Deutschland es heutetut. Wir sind besser aus der Krise herausgekommen, alswir in die Krise hineingegangen sind. Das war immerunser Motto, das hat gestern auch die Frau Bundeskanz-lerin angesprochen. Europa hat dann die Chance, insge-samt besser aus der Krise herauszukommen.Dass dies nicht vom Himmel fällt, wie es hier zumTeil nach dem Motto dargestellt worden ist, das sei einSelbstläufer und selbstverständlich, sieht man, wennman in die anderen europäischen Länder blickt. GehenSie doch einmal nach Portugal, nach Spanien oder auchnach Großbritannien, nach Italien oder nach Estland.Dort wurden in den letzten zwei Jahren zum Beispiel dieGehälter im öffentlichen Dienst um 10 bis 30 Prozentgekürzt. Wir leben in Deutschland auf einer Insel derGlückseligen; dies ist aber kein Zufall, sondern das Er-gjedssddPüh2EwmWPHWdHgde1gsdd8dledliWbmsknnloEnk
Das Ergebnis dieser klugen Politik führt heute dazu,ass man unserer Politik nicht deshalb folgt, weil wirchöne blaue Augen haben und weil uns in Europa alleo gern haben, sondern weil man sieht, dass die Politik,ie wir in Deutschland gemacht haben, die einzige ist,ie in die richtige Richtung führt. Deswegen wird dieseolitik in den anderen europäischen Ländern zunehmendbernommen.
Damit sind wir beim Haushalt. Herr Heil, letztes Jahraben auch Sie uns noch dafür kritisiert, dass wir für010 bis 2014 ein Sparpaket in Höhe von 80 Milliardenuro geschnürt haben. Sie haben gesagt: Die Konjunkturürde abgewürgt, man müsste das Gegenteil machen,an müsste Konjunkturprogramme auflegen, um dieirtschaft entsprechend anzuregen, man würde das zarteflänzchen des Aufschwungs gleich wieder ersticken.Das war die Kritik, die hier letztes Jahr an unseremaushalt vorgebracht wurde. Was ist das Ergebnis? –ir hatten im letzten Jahr den größten Aufschwung seiter Wiedervereinigung. Gleichzeitig haben wir dieaushaltskonsolidierung wieder auf den richtigen Wegebracht. Hier ist immer noch viel zu tun, aber wir wer-en das schaffen. Die Entwicklung ist weitaus besser alsrwartet. In Europa liegen wir mit unserem Defizit von,5 Prozent an der Spitze. Vielleicht wird es sogar etwaseringer sein.Wir werden es in diesem Jahr als einzige Volkswirt-chaft innerhalb Europas wahrscheinlich sogar schaffen,ass der Anteil der Verschuldung am Bruttoinlandspro-ukt zurückgeht, und zwar von 84 Prozent in Richtung0 Prozent. Das heißt, wir sind bereits in diesem Jahrorthin unterwegs, wohin wir in Europa insgesamt wol-n.Meine Damen und Herren, das ist kein Zufall, son-ern das ist das Ergebnis einer klugen Politik der Konso-dierung auf der einen Seite und einer Politik derachstums- und Wettbewerbsorientierung auf dem Ar-eitsmarkt, auf dem Finanzmarkt und auf dem Güter-arkt auf der anderen Seite.
Der Kollege Heil hat vorhin den Arbeitsmarkt ange-prochen und beklagt, was in diesem Bereich alles ge-ürzt würde. Tatsache ist, dass wir heute über 41 Millio-en Menschen in Arbeit haben. Das sind so viele wieoch nie. Wir haben weniger als 3 Millionen Arbeits-se, und wir haben die Jugendarbeitslosigkeit halbiert.
s ist daher doch klar, dass wir nicht mehr alle Institutio-en und Instrumente brauchen, um diese Arbeitslosig-eit zu verwalten und zu betreuen. Selbstverständlich
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Dr. Joachim Pfeiffer
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muss auch dort gekürzt werden. Im Übrigen wollen wir,dass dieser Bereich flexibler wird. Wir wollen den Ar-beitslosen, den Arbeitswilligen und den Arbeitsuchen-den unterstützen, indem die Bundesagentur vor Ort ge-stärkt wird und sie ihre Mittel und Instrumente flexiblereinsetzen kann.
Wir wollen nicht das, was Sie wollen, nämlich jedenTräger und jede Institution erhalten, die bisher durchausan der Verwaltung der Arbeitslosigkeit verdient haben.Das ist Klientelpolitik, die wir nicht mitmachen werden.
Wir werden vielmehr die Instrumentarien am Arbeits-markt entsprechend entrümpeln.
Wir werden auch im Bereich des Finanzmarkts wei-terarbeiten. Einiges wurde erreicht. Es wird so getan, alswäre nichts passiert. Die Regulierung an den Finanz-märkten haben wir in Angriff genommen. Es gab deut-sche Alleingänge, die kritisiert wurden, zum Beispiel dasVerbot
ungedeckter Leerverkäufe und anderes mehr. Es gibt inEuropa und auf der Welt noch viel zu tun, aber wir habenunsere Hausaufgaben gemacht.
Was wir auf nationaler Ebene tun konnten, haben wir ge-tan.
Zum Thema Gütermarkt. Es nützt nichts, zu sagen:Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir müssen weiter ak-tiv werden, und wir sind aktiv. Die Änderung des Tele-kommunikationsgesetzes, die vom Bundeswirtschafts-minister vorgeschlagen wurde und dessen Umsetzungsich in der Diskussion befindet, sorgt dafür, dassDeutschland im Bereich Breitbandausbau weiter an derSpitze bleibt und wir diese wichtige Infrastruktur inDeutschland so etablieren, dass weiteres Wachstummöglich ist.
Auch in anderen Sektoren, beispielsweise bei der Postund im Eisenbahnbereich, werden wir wettbewerbsori-entierte Regulierungen einführen.
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erade diese Sektoren sind wichtig für die Zukunft.chauen Sie sich doch einmal an, wo das Wachstum aufternationaler Ebene stattfindet. Wo haben wir dieechnologien? Nehmen wir unsere Luft- und Raum-hrtindustrie. Was wären wir denn heute ohne Airbusder EADS?
o würden wir stehen? Diese Bereiche sind mit Steuer-eldern aufgebaut worden. Deshalb werden wir auch Lö-ungen finden,
ie den Erfolg im europäischen Verbund dauerhaft si-hern und zukunftsträchtige Entwicklungen ermögli-hen.
Wir werden Lösungen für die EADS finden, aber nichtuf dem offenen Markt. Wir werden die Technologie inuropa entsprechend sichern.
Es geht nicht um Subventionen.
Wir werden Schwerpunkte in den Wachstumsberei-hen Mittelstand, Energie und Nachhaltigkeit, Chancener Globalisierung, Innovationen, Technologie, neueobilität und Nanotechnologie setzen. Wir wollen imereich Technologie nach vorne kommen. Wir werdenen Mittelstand entsprechend nach vorne bringen. Dannönnen wir das Wachstum, das wir haben, stabilisierennd für die Zukunft fortschreiben und damit die Ver-chuldung weiter reduzieren. Deutschland ist auf demchtigen Weg, ein Vorbild für Europa zu werden. Es gilt,ntsprechend Kurs zu halten und Vollgas zu geben. Eineruropäischen Lösung für Konsolidierung und Wachstumteht nichts mehr im Wege, wenn wir in Deutschland deningeschlagenen Weg konsequent umsetzen.In diesem Sinne: Vielen Dank.
Das Wort hat nun Garrelt Duin für die SPD-Fraktion.
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Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
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Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr MinisterRösler, ich hatte beim Amtswechsel von Herrn Brüderlezu Ihnen, das gebe ich zu, die leise Hoffnung, dass wireinen Wirtschaftsminister für die BundesrepublikDeutschland bekämen, der das ganze Amt stärker ausfül-len würde, der mit ein bisschen mehr Elan an die Sacheherangehen würde, der nicht immer nur reagiert, dernicht nur immer hinterherhechelt und der nicht dasNichtstun im Nachhinein zur Strategie erklärt.
Es ist leider so – das kann man feststellen, auch am heu-tigen Tag –: Der Einzige, der wirklich Spaß an diesemWechsel hat, ist Brüderle. Er lebt wieder ein bisschen aufund muss nicht die fertigen Texte vorlesen, sondern kannhier, wie zu alten Oppositionszeiten, versuchen, ein biss-chen auf die Sahne zu hauen.
Sehr geehrter Herr Minister, wir sind wirklich ent-täuscht, dass Sie die Realitäten – das haben Ihre Redewie auch der gesamte Haushaltsplan heute zum Aus-druck gebracht – nicht erkennen.
Sie feiern eine Party, die schon zu Ende ist. Sie guckennach hinten. Sie gucken in die Vergangenheit. Sie erzäh-len etwas von Zahlen, die in der Vergangenheit liegen.Die aktuellen Zahlen haben Sie mit keinem Wort er-wähnt. Heute ist überall nachzulesen: Im Juli hatte diedeutsche Wirtschaft bei den Aufträgen für den Export ei-nen Einbruch von minus 7,4 Prozent zu verzeichnen.Das ist der stärkste Rückgang seit zweieinhalb Jahren.Im DB-Research-Bericht, der Ihnen allen zugegangenist, steht als Überschrift – Herr Pfeiffer, Sie haben daseben so wörtlich hervorgehoben –: „Deutschland: Nichtlänger die Insel der Glückseligen“. Wir stehen am Be-ginn einer sehr kritischen Zeit.
Als Bundeswirtschaftsminister muss man das Haus rüs-ten, man muss sich präparieren für die kritische Zeit undnicht die Party von gestern feiern.
Man muss mehrere Dinge tun und das Problem auch aufnationaler Ebene angehen. Der Kollege Brandner hatvorhin schon gesagt, dass man besser auf zwei gesundenBeinen steht.Was ist mit der Binnennachfrage? Wir brauchen eineStärkung des Binnenkonsums und mehr Binneninvesti-tionen, das heißt mehr Investitionen in Deutschland.ZdADu5frNSsdmhliguddasDdeJpTvsvwJHtewDMrungsRnbwaA
Das Investitionsklima in Deutschland könnte man inehr viel stärkerem Maße anheizen, als diese Koalitionas tut. Das wäre unter anderem mit einem Instrumentöglich, das – das möchte ich Ihnen an dieser Stelle vor-alten – in Ihrem Koalitionsvertrag steht, mit der steuer-chen Forschungsförderung. Investitionsentscheidun-en international aufgestellter Unternehmen hängennter anderem von steuerlichen Bedingungen ab. Sie re-en immer allgemein über Steuersenkungen. Werden Sieoch einmal konkret und legen Sie, wie es in Ihrem Ko-litionsvertrag festgelegt wurde, einen Vorschlag zurteuerlichen Forschungsförderung in Deutschland vor.ie Unternehmen und die Gesellschaft warten darauf,ass ein solches Instrument eingeführt wird. Handeln Siendlich.
Sie haben über Fachkräfte gesprochen. Vor einemahr hat Ihr Vorgänger ein Positions- bzw. Strategiepa-ier zur Beseitigung des Fachkräftemangels auf denisch des Hauses gelegt. In diesem Papier standen ganziele Punkte, die man alle umsetzen wollte. Passiert isteit einem Jahr nichts. Lieber Herr Rösler, als Sie hieron einer Willkommenskultur gesprochen haben, habenir geklatscht. Da stehen wir an Ihrer Seite und sagen:a, das müssen wir in Deutschland erreichen. Das, waserr Nüßlein hier, keine Viertelstunde später, stellvertre-nd für die CSU und große Teile der CDU gesagt hat,ar aber das Gegenteil von Willkommenskultur ineutschland.
it solchen Reden verhindern Sie, dass die Zuwande-ng stattfindet, die wir so dringend benötigen,
eben all den Maßnahmen zur Qualifizierung von Jun-en und Älteren, insbesondere mit Blick auf die Be-chäftigungsquote von Frauen in Deutschland.Neben den nationalen Herausforderungen gibt es eineeihe von Dingen, die Sie, Herr Minister, auf der inter-ationalen und insbesondere auf der europäischen Ebeneewerkstelligen können, wenn Sie dort endlich aktiverden. Davon ist in den ersten Monaten Ihrer Amtszeitber genauso wie bei Ihrem Vorgänger nichts zu spüren.m Dienstagabend waren wir gemeinsam auf einer Ver-
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Garrelt Duin
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anstaltung, bei der der deutsche EU-Kommissar, HerrOettinger, gesprochen hat. Er hat sehr klug gesprochen;das will ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen.
Er hat zum Beispiel über die Energiepolitik gesprochen.Unter anderem hat er gesagt, dass für die Industrie, aberauch für das Handwerk, Herr Hinsken, und für alle Bür-gerinnen und Bürger das Thema Energiepreise von ent-scheidender Bedeutung ist. Darum müssen wir uns küm-mern. Wo ist Ihre Initiative, um die Energiepreise inDeutschland verträglich zu halten? Was Sie machen, istAugenwischerei und hat Bild-Zeitungs-Niveau. Sie schi-cken zum Beispiel das Kartellamt zu den Tankstellen.Damit lösen Sie das Problem zu hoher Energiepreise inDeutschland doch nicht. Wir brauchen eine breit ange-legte Effizienzstrategie. Aus Ihrem Haus und von derBundesregierung kommt aber nichts dazu. Fehlanzeige!
Es ist dringend erforderlich, dass die Industriepolitikauf europäischer Ebene koordiniert wird. Wir beobach-ten mit großer Sorge, dass die europäische Gesetzge-bung, die massiven Einfluss auf die Betriebe in Deutsch-land hat, zunehmend von Staaten in der EuropäischenUnion gestaltet wird, die längst deindustrialisiert sind.
Angesichts dieses Umstands müssen wir und zuvorderstder Bundeswirtschaftsminister auf europäischer Ebeneauftreten. Dem müssen wir entgegenwirken. Dafürbraucht man aber Mumm und Kraft. Das wäre wichtigfür die Automobil-, die chemische und die Grundstoffin-dustrie, für die Maschinenbau-, aber natürlich auch fürdie Luft- und Raumfahrtindustrie.Weil das Thema Luft- und Raumfahrt heute schonvon mehreren Rednern angesprochen worden ist, willich Ihnen Folgendes sagen: Durch die öffentliche Dis-kussion über EADS, durch das öffentliche Überlegen,wer die Anteile übernehmen könnte, ist das Ganze imGrunde genommen schon zum Scheitern verurteilt.Dann schreiben Sie in Ihrer Stellungnahme zum Thema„Übernahme der Anteile durch die KfW“ – das ist einSynonym für all das, was in dieser Wahlperiode aus demWirtschaftsministerium kommt –, es gebe keine konkre-ten Planungen oder Festlegungen. Dies ist nicht nurschlecht für das, was bei EADS gerade passiert, sondernzieht sich durch alles durch.Wir fragen in jeder Ausschusssitzung und in jeder Ob-leutebesprechung, wann es eine Arbeitsplanung aus demBundeswirtschaftsministerium gibt. Jedes Mal werden wirvertröstet. Es kommt nichts, weil nichts in Arbeit ist, weilnichts in Planung ist, weil dieses Wirtschaftsministeriumtatenlos ist. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind da-ran nicht schuld; sie würden gerne etwas tun, aber bekom-men von der Spitze keine Ansage.Wo ist zum Beispiel Ihr Beitrag für eine der größtenAufgabenstellungen in unserer Republik, die lautet: Wiekönnen wir im Konsens im Bereich der Telekommunika-tion, des Verkehrs und natürlich – dies ist uns allen nachdEvdjeFinbzezntiWuFulawsnskdzKvmIs
inden Sie eine vernünftige Einigung. Dann können wir diesem Punkt gemeinsam vorankommen.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie sind mit den Aufga-en betraut, die FDP zu retten und dieses Land krisenfestu machen. Konzentrieren Sie sich darauf – Sie schaffens eh nicht, die FDP zu retten –, dieses Land krisenfestu machen. Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, dieicht – so wie Sie – orientierungslos, planlos, konzep-onslos und tatenlos ist.
ir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die in Deutschlandnd auf europäischer Ebene wieder ein Gesicht hat.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Ernst Hinsken für die CDU/CSU-
raktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnennd Kollegen! Viele Deutsche, die den Urlaub im Aus-nd verbracht haben, erinnern sich, dass Sie dort gefragtorden sind: Wie haben Sie das in Deutschland nur ge-chafft, dass Sie so blendend dastehen, dass Sie eine soiedrige Arbeitslosigkeit haben, dass bei Ihnen die Wirt-chaft trotz der Finanzkrise und trotz der Wirtschafts-rise so hervorragend läuft? – Wir werden überall benei-et, und bei uns versucht man, das Ganze so schlecht-ureden wie irgendwie möglich.Ich möchte auf noch etwas hinweisen und einenronzeugen dafür zitieren, wie es bei uns läuft, wie wiron anderen betrachtet werden. Der französische Pre-ierminister Fillon sagt:Die industrielle Wettbewerbsfähigkeit Deutsch-lands ist ein Glück für Europa. Meine Regierunghat sich zum Ziel gesetzt, unsere Industrie genausowettbewerbsfähig zu machen wie die deutsche.
t das nicht toll?
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Ernst Hinsken
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Sollten wir darüber nicht glücklich sein? Die Franzosensind nicht klüger als wir Deutsche, aber sie sind anschei-nend ein bisschen ehrlicher als Sie auf der linken Seitedieses Hauses.Das, was Sie heute hier geboten haben, spottet jederBeschreibung.
Das waren zum Teil – Herr Kollege Heil, das bin ich vonIhnen nicht gewöhnt – Hasstiraden ohnegleichen.
Ich habe das Gefühl, Sie könnten zusammen eine neuePartei mit dem Namen „ASR“ gründen. Was heißt das?Alles schlechtreden. Mehr können Sie nicht. Das habenSie heute ausgiebig gezeigt.
Wir sind auf das Geschaffene stolz. Wir haben einenBeitrag dazu geleistet, dass Deutschland so gut dasteht.Wir haben die Rahmenbedingungen geschaffen.
Der Fleiß der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer und vor allen Dingen die Kreativität der Unter-nehmer haben die Grundlage dafür geschaffen, dass wirso hervorragend dastehen.Es ist bereits mehrmals – auch von Ihnen, Herr Minis-ter Dr. Rösler – auf die Arbeitslosigkeit verwiesen wor-den.
Die Arbeitslosenquote in der EU beträgt 9,1 Prozent, inder Bundesrepublik Deutschland 7 Prozent. Die Jugend-arbeitslosigkeit ist in den USA doppelt so hoch, inFrankreich zweieinhalbmal so hoch, in Italien dreimal sohoch und in Spanien sage und schreibe fünfmal so hochwie in Deutschland. Wir sollten bereit sein, das anzuer-kennen und zu würdigen. Reden wir nicht alles schlecht!Seien wir stolz darauf, was wir alles zusammen mit un-seren Mitbürgern geschafft und geleistet haben!
Besonders freut mich, dass vor allen Dingen die Mit-telständler, die eine tragende Säule unserer Gesellschaftsind, die Lage positiv beurteilen. Niemand von ihnenrechnet im kommenden Jahr mit einer Rezession. Eswurde natürlich auch in der Vergangenheit viel Positivesgeleistet. Ich wäre nicht ehrlich genug, wenn ich bestrei-ten würde, dass gerade in der letzten Wahlperiode vonder Großen Koalition richtige Weichenstellungen vorge-nommen worden sind,
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uch das muss in diesem Zusammenhang erwähnt wer-en.Verehrte Kolleginnen und Kollegen, was sind über-aupt die wichtigsten Ressourcen, die wir in der Bundes-publik Deutschland haben? Bodenschätze haben wiricht. Aber wir haben sehr viel Wissen in den Köpfen.ir brauchen dringend eine hervorragende Bildung.eines Erachtens ist auch anzuerkennen, dass die deut-che Wirtschaft – das ist vielfach unbekannt – pro Jahr0 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, um die Bildungu fördern. Der Bund stellt dafür in diesem Jahr 12 Mil-arden Euro zusätzlich bereit. Ich möchte die Millionen-eträge, die hinzukommen, nicht erwähnen, weil diesen zeitlichen Rahmen sprengen würde.Noch etwas: Das duale System in der Bundesrepublikeutschland ist – das sollte von allen Seiten anerkannterden – unser Erfolgsrezept schlechthin. Wo gibt es dasenn noch? Überall auf der Welt wird es kopiert. Dasuale Berufsausbildungssystem ist das am besten geeig-ete Konzept, um erfolgreich Fachkräfte auszubildennd so künftig im Wettbewerb bestehen zu können.
Ich darf bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen: Sie,err Minister Dr. Rösler, und Ihr Vorgänger, Herrrüderle, haben mit uns im Koalitionsvertrag das Zielrmuliert, einen Bürokratieabbau vorzunehmen. Wasaben wir getan?
ir haben uns vorgenommen, die Bürokratie um 25 Pro-ent zu reduzieren. Eine Senkung um 22,6 Prozent habenir bereits erreicht.
Ich sage das. Ich kann Ihnen auch genau sagen, umas es sich dabei handelt. Wenn Sie mir eine Zwischen-age stellen – dann bekomme ich nämlich eine Rede-eitverlängerung –,
in ich gerne bereit, Herr Heil, darauf einzugehen.
ber das tun Sie ja nicht.
Herr Minister Dr. Rösler, ich meine, wir brauchen ei-en großen Wurf. Ein großer Wurf beim Bürokratieab-au wäre für mich zum Beispiel, die Voraussetzungen
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Ernst Hinsken
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dafür zu schaffen, dass die Aufbewahrungsfristen, unteranderem im Hinblick auf Steuererklärungen oder bei Be-legen im sozialen Bereich, in Zukunft von zehn auf fünfoder zumindest sieben Jahre verkürzt werden können.
Das würde eine Entlastung von 3 bis 5 Milliarden Eurobringen. Vor allen Dingen würden wir die Voraussetzun-gen dafür schaffen, dass Bürokratie abgebaut werdenkann.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, nochganz kurz wenige Worte zum Thema Energie. Energie istein bedeutender Wettbewerbsfaktor. Hier gilt es, denUmstieg richtig und klug zu managen. Ich habe bei Ih-nen, Herr Minister Dr. Rösler, keine Bange, dass Sie ihnrichtig angehen und die notwendigen Maßnahmen er-greifen. Ich erwähne wiederum Frankreich: In Frank-reich ist Strom um fast die Hälfte billiger als bei uns.
Das ist ein Wettbewerbsnachteil ohnegleichen.
Die letzte Bemerkung. Insbesondere in ländlichen Be-reichen der Bundesrepublik Deutschland haben wirgroße Sorgen. Der demografische Wandel bringt mitsich, dass mehr und mehr Landflucht zu verzeichnen ist.Wir müssen alles tun, um der Landflucht entgegenzuwir-ken. Ich bitte Sie, Herr Minister, sich dafür einzusetzen,dass für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung derregionalen Wirtschaftsstruktur“ weiterhin Mittel zurVerfügung gestellt werden, die wir dafür dringend brau-chen.
Sie hat sich bewährt. Allein in den letzten zehn Jahrenwurden im Rahmen der GRW 150 000 neue Arbeits-plätze geschaffen.
In den letzten 20 Jahren wurde dafür in der Bundesrepu-blik Deutschland ein Betrag von 50 Milliarden Euro zurVerfügung gestellt. Dies hat sich positiv niedergeschla-gen.
Wenn es in diese Richtung ginge, wäre es der Sachedienlich.Das Allerletzte. Wir müssen alle zusammen – vonganz links bis zu uns herüber –dsVgdmDcDIcsZFKdvdggwdimdtumwsfeDsses
arum besorgt sein, dass wir bei der europäischen Kohä-ionspolitik nicht den Kürzeren ziehen, dass wir bei dererteilung der Mittel mit dabei sind, dass bei der Neuab-renzung die richtigen Maßnahmen ergriffen werden,ass die strukturschwachen Gebiete – um es so zu for-ulieren – nicht vor die Hunde gehen und dass vor alleningen das Leben auf dem Lande auch in strukturschwa-hen Gebieten weiterhin interessant bleibt.
afür sorgt diese Regierung. Sie wurde dafür gewählt.h bin der festen Überzeugung, dass das auch so umge-etzt wird, weil wir es dringend brauchen und weil es derukunft unserer Bundesrepublik Deutschland dient.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat Michael Luther von der CDU/CSU-
raktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Wir nähern uns jetzt dem Ende der Haushalts-ebatte. Das ist der Zeitpunkt, an dem die Regierungs-orlage und das, was als Haushalt erarbeitet worden ist,en Haushältern überantwortet werden.Ich bin mit großer Aufmerksamkeit dieser Debatteefolgt. Es sind, denke ich, ein paar gute Anregungenemacht worden, die wir berücksichtigen werden undollen, aber es sind auch viele Dinge gesagt worden, fürie ich wenig Verständnis habe. Darauf werde ich noch Einzelnen eingehen.Ich glaube, dass wir – das kann ich Ihnen versprechen –as, was hier gesagt worden ist, in den Haushaltsbera-ngen aufnehmen und unter der Maßgabe einer sparsa-en Haushaltsführung abwägen werden. Dann werdenir versuchen, es entsprechend zu berücksichtigen.Bevor ich jedoch etwas zu dem Einzelplan selbstage, sollten wir vielleicht einen Moment innehalten undststellen, dass wir auf die momentane Situation ineutschland stolz sein können. Der deutschen Wirt-chaft geht es gut. Wir haben ein ziemlich hohes Wirt-chaftswachstum, eine niedrige Arbeitslosenquote undine hohe Beschäftigungsquote, auch was Vollzeitbe-chäftigung und die sozialversicherungspflichtigen Ar-
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Dr. Michael Luther
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beitsverhältnisse anbelangt. Sie ist höher als die, die wirin den letzten 20 Jahren hatten.Ein Problem der Wirtschaft – ein paar Dinge dazusind genannt worden – ist der Fachkräftemangel. Wennman Leuten im europäischen Ausland sagt, was unsereProbleme hier in Deutschland sind, dann schütteln sienur den Kopf. Letztendlich handelt es sich bei vielemvon dem, was angesprochen wurde, um Luxusprobleme.
Deshalb will ich an dieser Stelle kurz innehalten und sa-gen: Das ist auch gut so.Wir haben auch festzustellen: Politik hat Einfluss aufdie Lage eines Landes. Und die gute Lage des Landes istauch Resultat einer guten Regierung unter AngelaMerkel als Bundeskanzlerin.
Es ist aber auch richtig, dass wir nicht ausruhen dürfen.Wir leben nach wie vor in schwierigen Zeiten. DieSchuldenkrise vieler Länder – angefangen bei Amerikabis hin zu einigen europäischen Staaten – belastet dieZukunftsaussichten und die Märkte gewaltig. Trotzdemglaube ich: Der Euro ist die richtige Antwort auf die He-rausforderungen einer globalen Welt.Wir haben allerdings festzustellen, dass ein Teil unse-rer heutigen Probleme darin besteht, dass bei der Einfüh-rung des Euro nicht ausreichend geregelt wurde, dasssich die Staaten letztendlich an Stabilitätskriterien zuhalten haben. Aber ich füge hinzu: In jeder Krise liegtauch eine Chance. Wir sollten die Chance nutzen undjetzt in Europa die richtigen Zeichen setzen.An dieser Stelle will ich auch ganz klar sagen: Das,was die Bundeskanzlerin, der Finanzminister und auchder Wirtschaftsminister in den letzten Wochen und Mo-naten geleistet haben und noch leisten müssen, sind rich-tige Schritte in die richtige Richtung. Ich glaube, wirwerden gut aus der Krise herauskommen.
Was kann nun das Bundeswirtschaftsministerium tun,um die Lage im Land weiter zu stabilisieren? Ich denke,die Lage in Europa mit der Staatsschuldenkrise und inAmerika zeigt eines: Schulden sind Gift – ganz beson-ders dann, wenn sie aus dem Ruder laufen. Deswegen istdas Gebot der Stunde: sparsame Haushalte. Wir werdenin den Haushaltsberatungen prüfen, wo weniger möglichist. Das ist auch im Sinne unserer deutschen Wirtschaftund aller Deutschen.Deutschland lebt nicht von Dienstleistungen. UnserLand ist deshalb so stark, weil wir eine starke indus-trielle Basis haben. Diese gilt es zu stärken. Deswegenmuss man sich fragen: Was braucht die Industrie? EinPunkt – das ist auch schon von anderen erwähnt worden –ist das Thema Fachkräfte.EdtedesliudludkmbpzubHbgaDliEnbrezedineEdmreicddüs„aw
s wird ein deutliches Signal auch im Haushalt des Bun-eswirtschaftsministers gesetzt, etwas für die Fachkräf-gewinnung, Fachkräftesicherung und berufliche Bil-ung zu tun. Das braucht unsere Wirtschaft, und das istin richtiges Signal.Ein zweiter Punkt. Wichtige Wurzeln unserer Wirt-chaft sind der industrielle Mittelstand und das hochqua-fizierte Handwerk. Beide sind darauf angewiesen, neuend innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Füras, was die große Industrie in ihren Forschungsabtei-ngen erledigt, braucht der Mittelstand Unterstützung,amit die Ideen der Mittelständler umgesetzt werdenönnen. Diese Unterstützung kann nur in Kooperationit Hochschulen und Forschungsinstituten erfolgen. Dasewährte Instrument dafür ist das Zentrale Innovations-rogramm Mittelstand, dessen Mittel 2012 um 29 Pro-ent gesteigert werden sollen. Das ist ein richtiges Signalnd eine Antwort auf die Frage der Zeit.
Das Thema Luft- und Raumfahrt ist hier auch kritischetrachtet worden. Ich will dazu ein Stichwort nennen:ochtechnologie. Wer in der Welt spitze sein will,raucht Spitzentechnologie. Entscheidende Entwicklun-en im Bereich der Hochtechnologie werden nun einmaluch in der Luft- und Raumfahrt auf den Weg gebracht.eswegen halte ich es für richtig, dass hierfür ein erheb-ches Budget bereitgestellt wird, um diesen Weg – dierfahrungen, die wir damit in den letzten Jahren gewon-en haben, sind gut – weiterzuverfolgen.Energieforschung ist ein weiteres Stichwort. Mit demeschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie und unse-m Energiekonzept hin zu erneuerbaren Energien undu mehr Energieeffizienz und Sparsamkeit haben wirine entscheidende Weichenstellung vorgenommen. Mitem Umbau unserer Energieversorgung werden wir eineternationale Vorreiterrolle einnehmen. Aber dies istine große Herausforderung.Klimaschutz. Die Stichworte Elektromobilität undnergieforschung benennen hier wichtige Zukunftsfel-er. Auch hier setzt der Haushalt des Bundeswirtschafts-inisteriums einen Schwerpunkt.Lassen Sie mich noch einen letzten Gedanken ausfüh-n, und zwar auch in eigener Sache. Vor 20 Jahren warh Berichterstatter für das Thema Wismut. Damals istie Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut inie Verantwortung der Bundesrepublik Deutschlandbergeben worden. Es wird nachher im Bundeswirt-chaftsministerium eine Veranstaltung mit dem Titel20 Jahre Wismut GmbH“ geben. Auf die Sanierungs-rbeiten, die dabei geleistet worden sind, können wirirklich stolz sein.
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14606 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Dr. Michael Luther
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Worüber ich mich besonders freue, ist, dass es wahr-scheinlich heute gelingen wird, einen Vertrag zu unter-zeichnen, auf dessen Grundlage die Rekultivierung, dieWismut-Sanierung, bis über das Jahr 2022 hinaus fortge-setzt wird. Ich denke, dann ist dieses Thema abgearbei-tet. Dafür bin ich sehr dankbar und will das an dieserStelle auch zum Ausdruck bringen.Ich komme zum Schluss. Ich danke dem Minister unddem Haus für die gute Vorarbeit. Der Haushalt liegt jetztin den Händen des Parlamentes. Wir werden mit ihmsorgsam umgehen. Ich wünsche uns allen gemeinsameine gute Beratung.Danke schön.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegennicht vor.Wir kommen damit zum Geschäftsbereich desBundesministeriums für Arbeit und Soziales, Einzel-plan 11. Das Wort hat Bundesministerin Ursula von derLeyen.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin fürArbeit und Soziales:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichmöchte den Einzelplan des Ministeriums für Arbeit undSoziales einbringen.Schauen wir uns einmal die Daten auf dem Arbeits-markt an: Die Zahl der Erwerbstätigen beträgt 41 Millio-nen. Seit der Wiedervereinigung ist sie noch nie so hochgewesen. Darunter sind allein 28 Millionen sozialversi-cherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Wir ha-ben in der Krise mit 6 Millionen Arbeitslosen gerechnet.Heute haben wir stattdessen unter 3 Millionen Arbeits-lose. Bei den Langzeitarbeitslosen haben wir den nied-rigsten Stand seit Einführung von Harz IV. Die Jugend-arbeitslosigkeit liegt deutlich unter 10 Prozent. Das istdie Hälfte der Quote, die wir im europäischen Durch-schnitt zu verzeichnen haben.Meine Damen und Herren, die von Angela Merkel ge-führte Regierung ist am Arbeitsmarkt die erfolgreichstedeutsche Regierung der letzten 20 Jahre.
Deshalb ist der Haushalt des Bundesministeriums fürArbeit und Soziales auch ein Haushalt, aus dem der Er-folg spricht.Wir haben in der Krise für das Jahr 2012 noch mit145 Milliarden Euro für diesen Haushalt geplant. Tat-sächlich können wir heute mit knapp 127 MilliardenEuro für das nächste Jahr planen. Das macht 18 Milliar-den Euro an Ersparnis – schlicht und einfach, weil mehrMenschen in Arbeit sind.Mehr Menschen in Arbeit – das bedeutet nicht nurweniger Ausgaben für das Arbeitslosengeld, sondernadvbsbdredEtirealeridtiaeugkabADngdhpFKARsJahnGwHzteSbm
Dass sich diese neue Schwerpunktsetzung auf passge-aue Lösungen lohnt, zeigt die Weichenstellung des ver-angenen Jahres. Der Bundestag hat Mittel für eine För-eroffensive für Alleinerziehende bereitgestellt. Wiraben jetzt ein Jahr Zeit gehabt, die neuen Instrumenteassgenau zu nutzen, und können sagen, dass dieserauen – in 95 Prozent der Fälle sind es Frauen – mit denindern die Netzwerke der Unterstützung brauchen, umrbeit zu finden und annehmen zu können.Die Ergebnisse können sich sehen lassen; denn derückgang der Arbeitslosigkeit bei den langzeitarbeitslo-en Alleinerziehenden – einer Gruppe, bei der sich überahre keinerlei Bewegung zeigte – ist inzwischen höherls der Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit über-aupt. Das zeigt, dass die Einführung dieser passge-auen Instrumente und dieser individuellen, auf dieruppen hin ausgerichteten Betreuung die richtige Ant-ort gewesen ist.
Inzwischen haben wir nämlich festgestellt, dass diealtung, es habe keinen Zweck, diese Frauen in Arbeitu vermitteln, weil sie sich um Kinder kümmern müss-n, nicht mehr richtig ist, sondern dass umgekehrt einchuh daraus wird: Gerade weil die Frauen Kinder ha-en, brauchen sie die Hilfe durch Kinderbetreuung, fa-ilienfreundliche Arbeitsplätze und Netzwerke im All-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14607
Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen
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tag, damit sie ihr eigenes Einkommen verdienen sowiefür ihre Rente sorgen können und damit auch für sichund die Kinder Zukunft und Perspektive finden.
Der nächste Schwerpunkt, der mir wichtig ist, ist Wei-terbildung und Qualifizierung. 2005 haben wir bei5 Millionen Arbeitslosen 2 Milliarden Euro in Weiterbil-dung investiert. Heute, bei weniger als 3 Millionen Ar-beitslosen, haben wir die Mittel auf 3 Milliarden Eurogesteigert. Das heißt: Wir investieren ganz gezielt inWeiterbildung, weil das auch die Grundlage dafür ist,dass wir in der Zukunft ausreichend Fachkräfte haben.
Besonders wichtig ist mir der Schwerpunkt bei denjungen Menschen. Wir investieren dafür 3,2 MilliardenEuro in den Bereichen SGB II und SGB III aus Steuer-und Beitragsmitteln. Im laufenden Jahr wird es nochmehr sein als im vergangenen Jahr. Das ist klug inves-tiertes Geld. Davon profitieren 500 000 junge Menschenim Übergang von der Schule in Ausbildung und Lehreund dann hoffentlich auch in den Beruf. Viele der Ju-gendlichen haben multiple Schwierigkeiten. Häufig fehltder Schulabschluss; es gibt soziale Schwierigkeiten undProbleme, die Lehre durchzuhalten.Dieses Engagement wird die Bundesregierung mit derReform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente weiterverstärken und verstetigen.
– Weil Sie gerade so munter dazwischenrufen, Herr Heil:Sie haben vorhin die niedersächsischen Jugendwerkstät-ten angesprochen. Sie liegen mir sehr am Herzen, weilich sie als niedersächsische Sozialministerin mit allerKraft unterstützt habe. Das gilt auch heute noch. Es gehtaber nicht an, dass das Geschäftsmodell dafür genutztwird, um junge Menschen in 1-Euro-Jobs zu bringen.Junge Menschen haben in 1-Euro-Jobs nichts zu suchen.
Sie brauchen Aktivierung und Qualifizierung.Ich kann aus dem Gutachten des Instituts für Arbeits-markt- und Berufsforschung zitieren, das übrigens imAuftrag des Hamburger Senats erstellt wurde. Darinheißt es:Ein langzeitarbeitsloser 1-Euro-Jobber hat gerin-gere Chancen auf einen regulären Job als ein Lang-zeitarbeitsloser, der überhaupt keine Förderung be-kommt.
Das heißt, wir müssen fragen: Was bewirken eigentlichdie 1-Euro-Jobs?Bei den Jugendlichen sind mir Qualifizierung und Ak-tivierung wichtig. Deshalb müssen wir die Arbeit der Ju-gendwerkstätten auf solide und nachhaltige GrundlagensznDKAszIhdKadwAdszSimrumssAvnmdAHgDd
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Heil?
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
rbeit und Soziales:
Ja.
Bitte schön.
Frau Ministerin, wenn uns beiden die Jugendwerk-tätten in unserer niedersächsischen Heimat so am Her-en liegen, dann bitte ich Sie, zu dem, was zumindest inrem Entwurf vorgesehen ist – ich hoffe, dass sich beier Instrumentenreform noch Änderungen ergeben –, zurenntnis zu nehmen, was durch die Anhörung, vielleichtuch durch Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter undurch Rückmeldungen aus Niedersachsen deutlichurde: Unabhängig davon, dass Sie das Volumen für dierbeitsmarktförderung massiv herunterfahren – da beißtie Maus keinen Faden ab; das können Sie noch so sehrchönreden –, werden rein rechtlich bestimmte Kofinan-ierungen künftig nicht mehr möglich sein, sodass dietrukturen zusammenbrechen.Ich habe noch eine Frage an Sie. Sie beziehen sichmer wieder auf das Institut für Arbeitsmarkt- und Be-fsforschung der Bundesagentur für Arbeit. Können Sieir erklären, warum die Mittel für den Gründungszu-chuss, der von diesem Institut als hoch erfolgreiches In-trument bewertet wird, damit Menschen sich aus derrbeitslosigkeit heraus selbstständig machen können,on Ihnen so dramatisch zurückgeführt werden? Bei Ih-en passen Reden und Handeln mal wieder nicht zusam-en, Frau von der Leyen, auch wenn Sie schöne Girlan-en herumwinden.Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin fürrbeit und Soziales:Erstens zu der Frage der Jugendwerkstätten, Herreil. Jugendliche gehören nicht in 1-Euro-Jobs. Ichlaube, darin sind wir uns einig.
as ist bisher die Finanzierungsgrundlage gewesen, undas war nicht richtig.
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Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen
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Jugendliche brauchen vielmehr Qualifizierung und Akti-vierung.
Genau darauf stellen wir um.Deshalb werden am morgigen Tag das Bundesarbeits-ministerium, das niedersächsische Sozialministerium,die Jobcenter und die Träger zusammentreffen, um diesepassgenaue neue Finanzierung für die gute Arbeit der Ju-gendwerkstätten sicherzustellen.Deshalb bitte ich Sie, nicht länger so zu tun, als wäredas der Zusammenbruch der Jugendwerkstätten,
nur weil wir die Bezahlung für die Arbeit der Jugend-werkstätten von der Mogelpackung 1-Euro-Jobs auf einenachhaltige, solide Finanzierungsgrundlage stellen.
Zweitens zum Gründungszuschuss. Wir haben offen-sichtlich beide das Gutachten gelesen, aber Sie habenden zweiten Teil nicht zitiert, nämlich dass es bei 70 Pro-zent derer, die den Gründungszuschuss in Anspruch ge-nommen haben, um Mitnahmeeffekte geht.
Das hat auch das IAB so bezeichnet. Daraus spricht dieErkenntnis: Wenn sich jemand selbstständig machenwill, dann muss er erstens ein solides und tragfähigesKonzept haben – das setzen wir voraus – und sich zwei-tens auch relativ früh, also in einer absehbaren Zeit, da-für entscheiden, statt erst in der Langzeitarbeitslosigkeit– oder bevor diese eintritt – eine Notgründung zu ma-chen. Den Effekt dieser Notgründungen sehen wir daran,dass 120 000 Selbstständige zusätzlich Aufstocker sind.Das kann doch nicht das Ziel einer Gründung sein, unddas in einer Zeit, in der es offene sozialversicherungs-pflichtige Arbeitsplätze gibt, die die Menschen besetzenkönnen.
Deshalb: Weg von den alten Rezepten aus der Zeit derMassenarbeitslosigkeit. Damals waren sie richtig, aberheute sind sie nicht mehr adäquat. Wir müssen weg vonder künstlichen Beschäftigung.Die 1-Euro-Jobs sind richtig für Menschen, die der-zeit, wo der Arbeitsmarkt aufnahmefähig wie einSchwamm ist, überhaupt keine Chance haben. Aber eingroßer Teil der Langzeitarbeitslosen bekommt jetzt eineneue Chance. Das sieht man auch daran, dass wir zwardie Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik gekürzt ha-ben, die Langzeitarbeitslosigkeit aber nicht gestiegen ist.Im Gegenteil, sie ist gesunken. Das zeigt, dass die Men-schen auf dem ersten Arbeitsmarkt Arbeit gefunden ha-ben.KATdsAdmdgloaluusDAujüjesoküdwDbg69FwAhgvTRmb6
Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage desollegen Seifert von den Linken?Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin fürrbeit und Soziales:Nein, ich komme jetzt zum zweiten Teil, nämlich zumhema Rente, sonst kommt dieses Thema gar nicht mehrran.Mir ist wichtig, zu sagen, dass die Menschen bei die-er Arbeitsmarktlage nicht nur mehr Chancen haben, inrbeit zu kommen, sondern dass auch mehr Beiträge inie Sozialversicherung gezahlt werden. Damit haben wirehr Möglichkeiten, eine demografiefeste Vorsorge füras Alter zu schaffen. Wir haben ein stabiles, ein demo-rafiefestes Rentensystem, für das wir international ge-bt werden. Die OECD sagt, dass die Leitplanken, dieufgestellt worden sind – Berechenbarkeit der Entwick-ng des Beitragssatzes, Entwicklung des Rentenniveausnd private Vorsorge als zweites Standbein –, vorbildlichind.Ich möchte die beiden Grundprinzipien herausstellen.as erste Grundprinzip ist, dass die Rente aufgrund vonrbeitseinkommen und privater Vorsorge möglich ist,nd das zweite Grundprinzip ist, dass die Beiträge diengere Generation nicht überfordern. Wenn die Linketzt jedem eine Durchschnittsrente zahlen will, dannchert sie alle über einen Kamm. Dann ist es ganz egal,b sich ein Geringverdiener ein ganzes Leben langrummgelegt und hart gearbeitet hat oder ob jemandberhaupt nicht gearbeitet hat. Das unterhöhlt die Fun-amente unseres Rentensystems und ist ungerecht. Dasollen wir nicht.
ie Rente muss der Lohn für die eigene Lebensleistungleiben.Wir haben im Augenblick die Situation, dass dieroße Mehrheit der Älteren, also derjenigen über5 Jahre, eine eigene Rente hat. Es handelt sich um7,5 Prozent. Wir wissen aber auch, dass in Zukunftamilienstrukturen und Erwerbsbiografien vielfältigererden. Es gibt Zeiten der Ganztagsarbeit, der Teilzeit,rbeit mit geringem Einkommen, unsichere Arbeitsver-ältnisse usw. Wir müssen dafür sorgen, dass in Zukunfterade Menschen mit geringem Einkommen oder miterschiedenen Aufgaben – Kindererziehung, Pflege,eilzeitjobs – wissen, dass auch sie sich eine eigeneente verdienen können; denn eine Gesellschaft im de-ografischen Wandel lebt davon, dass die Menschen ar-eiten, Kinder erziehen und Ältere pflegen.
Mir geht es vor allem um Frauen, die in den 50er-,0er- und 70er-Jahren geboren wurden und die ihre Kin-
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Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen
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der in den letzten Jahren großgezogen haben. Diese ha-ben keine Kindergartenplätze gehabt, ganz zu schweigenvon einem Krippenplatz. Das Wort „Ganztagsschule“ istein Fremdwort gewesen. Die Unternehmen hatten mitdem Thema „Vereinbarung von Familie und Beruf“ nochnichts am Hut. Wenn die Frauen gearbeitet haben, habensie Jobs mit geringen Einkommen gehabt. Seit zehn Jah-ren wissen sie, dass sie privat vorsorgen müssen. Dasheißt, sie müssen riestern, wenn es irgendwie geht. Diesefragen sich zu Recht, ob sie eine eigene Rente habenwerden, wenn sie all das geleistet haben, oder ob sie inder Grundsicherung landen werden. Das Gleiche gilt fürden Geringverdiener, der 35 Jahre lang gearbeitet hat,aber nur wenig Einkommen erzielt hat. Er fragt sich:Habe ich zum Schluss eine eigene Rente? Lohnt es sichüberhaupt, zu riestern, wenn die Riester-Rente auf dieGrundsicherung angerechnet wird?An diese Schwachstelle müssen wir heran. Wir möch-ten deshalb im Rentendialog der nächsten Monate vor-schlagen, eine Zuschussrente einzuführen. 850 Euro sol-len diejenigen erhalten, die ein Leben lang etwasgeleistet und die für das Alter vorgesorgt haben. Arbeit,Kindererziehung, Pflege und – seitdem es in den letztenJahren möglich ist – private Vorsorge, das heißt riestern,hochgefördert vom Staat, sind dafür die Kriterien. DieBotschaft muss sein: Arbeit lohnt sich, und private Vor-sorge zahlt sich, wenn man ein Leben lang arbeitet, aus.
Es gibt rund 20 000 Personen, auf die das zutrifft.Man muss allerdings auch wissen, dass im Augenblickrund 18 000 jährlich in die Grundsicherung fallen. Daszeigt andererseits, dass von 800 000 Menschen einesJahrgangs, der in Rente geht, die ganz große Mehrheitihre eigene Rente bezieht. Das ist gut. Wir müssen aberauch vorbeugen, damit das so bleibt. Deshalb ist mirwichtig, dass wir hier die richtigen Schwerpunkte setzen.Wir wollen auch die Zurechnungszeiten bei der Rentewegen Erwerbsminderung weiter absichern. Wir wollenmehr Freiraum für Hinzuverdienste geben. So wichtig esauch ist, die voraussichtliche Rentenhöhe immer wiederzu überprüfen: Wir können mit der Rente selber niemalseinen vollen Ausgleich für die Veränderungen im Er-werbsleben in den 30 bis 40 Jahren vor Renteneintrittschaffen. Eine nachhaltige Rentenpolitik beginnt nichterst im Rentensystem,
sondern sie reicht von Krippenplätzen – Gott sei Dankgibt es ab 2013 einen Rechtsanspruch auf Krippenplätze –über Ganztagsschulen, Tagesambulanzen für Demenz-kranke, Vätermonate bis hin zu Pflegezeiten und fairenLöhnen. All das ist das Fundament für eine nachhaltigeRentenpolitik.
Ich komme zum Schluss. Wir haben heute Morgen indiesem Haus über die Schuldenspirale europäischer Län-der gesprochen.DriSsUsgsJUtosgmwNwvwNtidDAeAslesvdasoMsNih
eutschland geht es gerade gut. Ich sage: Jetzt ist diechtige Zeit für die richtigen Anreize.Vielen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat Kollege
eifert.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Sie
ind unter anderem diejenige, die in Deutschland für die
msetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu-
tändig ist. Diese Konvention ist seit zweieinhalb Jahren
eltendes Recht in Deutschland. Sie haben dafür in die-
er Haushaltsdebatte kein Wort gefunden. In den letzten
ahren war in Ihrem Haushalt für die Umsetzung der
N-Behindertenrechtskonvention – außer für die Moni-
ring-Stelle, die verpflichtend war – kein Euro einge-
tellt. Jetzt sehe ich leider wieder nicht, dass Mittel ein-
estellt sind. Falls ich etwas übersehen habe, klären Sie
ich bitte auf.
Die Begründung dafür, dass kein Geld eingestellt ist,
ar in der Vergangenheit immer, Sie müssten erst den
ationalen Aktionsplan aufstellen, damit Sie wissen,
ofür Sie das Geld ausgeben sollen. Jetzt liegt etwas
or, was „Nationaler Aktionsplan“ heißt, und Sie stellen
ieder nichts ein, mit der Begründung: Jetzt liegt der
ationale Aktionsplan ja vor; wir brauchen aber prak-
sch nichts zu tun. Sagen Sie mir bitte, wann, wo und
urch wen wird diese Menschenrechtskonvention in
eutschland endlich richtig umgesetzt?
Frau Ministerin.Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin fürrbeit und Soziales:Herr Kollege Seifert, der Nationale Aktionsplan isttatisiert im Haushaltsplan des Bundesministeriums fürrbeit und Soziales. Der Nationale Aktionsplan zeichnetich dadurch aus, dass die Bundesregierung selber fest-gt, was sie dazu beitragen will, eine inklusive Gesell-chaft weiterzuentwickeln. Das heißt, es soll in vielenerschiedenen Bereichen selbstverständlich werden,ass sich Menschen mit Behinderungen anderen nichtnpassen müssen. Es soll eine Selbstverständlichkeitein, dass Menschen mit Behinderungen und Menschenhne Behinderungen, Menschen mit Handicaps undenschen ohne Handicaps gemeinsam teilhaben und zu-ammenleben.Unsere Aufgabe ist die Erstellung und Umsetzung desationalen Aktionsplans. In diesem Sommer haben wirn vorgelegt. Wir machen uns jetzt auf den Weg, ihn in
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Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen
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den nächsten Jahren umzusetzen. In 240 Punkten sinddetailliert die Selbstverpflichtungen unserer Ressorts be-schrieben. Wir sind übrigens eines der ersten Länder, diedie UN-Behindertenrechtskonvention so umgesetzt ha-ben, dass daraus ein Nationaler Aktionsplan hervorge-gangen ist.
Im Augenblick hat eines der Bundesländer, Rheinland-Pfalz, einen eigenen Aktionsplan entwickelt. AndereBundesländer werden folgen. Das Gleiche gilt für Kom-munen, Unternehmen, Vereine und Verbände.Im Arbeitsministerium ist nur die Etatisierung der Ar-beit des vor kurzem erstellten Nationalen Aktionsplansvorgenommen worden. Alle anderen Ressorts sind mitverschiedenen Aktivitäten an diesem Aktionsplan betei-ligt. Um Ihre Frage jetzt aus dem Stegreif zu beantwor-ten, müsste ich aus allen Ressorts alle entsprechendenMittel zusammensuchen und aufaddieren. Das würdeeine stolze Summe ergeben.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Anette Kramme für die SPD-Frak-
tion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!Liebe Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin,schön, dass Sie da sind. Wir waren uns nicht ganz sicher,ob Sie kommen würden. Sie schweben ja neuerdings inden hohen Sphären der Finanzpolitik.
Da waren wir uns nicht so sicher, ob Sie sich für dasKlein-Klein der Rente und der Arbeitsmarktpolitik tat-sächlich noch interessieren.
Frau Bundesministerin, Sie haben zum wiederholtenMale eine riesige Ausgabensenkung zu vertreten. Rich-tig ist, dass der Etat des Bundesministeriums für Arbeitund Soziales nach wie vor der größte Ausgabenbrockenim Gesamthaushalt ist. Er umfasst circa 126 MilliardenEuro. Aber man muss natürlich auch wissen, dass einGroßteil dieses Betrages als Zuschuss für die Rentenver-sicherung zur Verfügung steht.Wenn man sich das genauer anschaut, dann stellt manfest, dass die Arbeitsmarktpolitik immens betroffen ist.40 Milliarden Euro stehen für die Arbeitsmarktpolitikzur Verfügung. Davon wollen Sie 4,7 Milliarden Eurostreichen, also mehr als 10 Prozent. Nimmt man dannnAbtevaBeOgksVbLhzDbdNAVpdvtafüocdfemadpgdintimUTpwtePhc
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe das Ge-hl, dass wir über zwei verschiedene Dinge sprechen,bwohl der Gesetzentwurf, von dem wir reden, der glei-he ist, nämlich der zur Instrumentenreform. Sie sagen,a werde etwas Positives getan. Wir sehen nur: Die öf-ntlich geförderte Beschäftigung wird zunichtege-acht; das betrifft die Politik für Menschen in Langzeit-rbeitslosigkeit. Die Jobperspektive haben Sie bereits iner Vergangenheit durch eine andere Finanzierung ka-uttgemacht. Die ABM werden gestrichen. Arbeitsgele-enheiten sollen noch arbeitsmarktferner sein und wer-en damit mit Sicherheit nicht Menschen helfen, zurück den Beruf zu finden. Es fehlt eine Qualifizierungsini-ative zur Bekämpfung des Fachkräftemangels. Müsstean nicht Geld in die Hand nehmen, um konsequent ausngelernten Gelernte, aus Meistern Techniker und ausechnikern Universitätsabsolventen zu machen? Das ge-lante Anerkennungsgesetz löst den Zuständigkeitswirr-arr nicht auf und gibt keinerlei zusätzliche Möglichkei-n zur Nachqualifizierung. Darüber hinaus gibt es eineersonalreduktion bei der Bundesagentur für Arbeit, daseißt 10 000 bis 17 000 Stellen weniger. Man muss si-herlich darüber reden, dass es in manchen Bereichen
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Anette Kramme
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der BA weniger Bedarf gibt. Aber wir wissen ganz ge-nau, dass wir an anderen Stellen mehr Personal benöti-gen, nämlich da, wo es um die Vermittlung von Men-schen in Arbeit geht. Warum wird nicht die Chancegenutzt, um in diesem Bereich etwas zu machen? Dieentsprechenden Modellprojekte waren mehr als erfolg-reich.Frau Ministerin, Sie sollten es eigentlich wissen: För-dernde Arbeitsmarktpolitik ist das A und O. Wir müssendie Integration in Arbeit finanzieren statt Arbeitslosig-keit.Gegenüber dem Stern hatten Sie im Februar 2010 er-klärt:Die Angebote müssen Schlag auf Schlag kommen.Tempo, Tempo, Tempo. Heute meldest du dich ar-beitslos – und morgen hast du was zu tun.Das klingt dynamisch und zupackend. Aber mit IhremHaushalt graben Sie genau diesem Ziel das Wasser ab.„Tempo, Tempo, Tempo“ klappt nur, wenn Vermittler dasind, die etwas zu vermitteln haben, und wenn Geld daist, um Menschen zu qualifizieren und in den Arbeits-markt zu integrieren.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Claudia Winterstein für die FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Zu Beginn einige Bemerkungen zum „Regie-rungsdialog Rente“, der gestern begonnen hat. Ichdenke, man muss über die entsprechenden Vorschlägenoch ausführlich diskutieren und die Details klären. Dasbetrifft ja nicht den Haushalt 2012, sondern erst den desJahres 2013. Bei alldem muss man natürlich im Augehaben, dass Verbesserungen bei Sozialleistungen immerdas Problem mit sich bringen, dass sie Geld kosten. Ichdenke, da kommt noch einiges auf uns zu. Wir werdendiesen Punkt noch ausführlich diskutieren müssen. Da-bei darf der Blick auf das Machbare nicht verloren ge-hen.
Nun zum Haushalt 2012. Dem vorliegenden Entwurfdes Einzelplans 11 kann ich als Haushälterin ein gutesZeugnis ausstellen. Die Hausaufgaben sind gemacht.Hierfür ein Dank an die Ministerin.
Frau Kramme, ich habe das Gefühl, dass Sie uns die-sen Erfolg schlichtweg nicht gönnen.
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Der Etat weist insgesamt 4,7 Milliarden Euro wenigerusgaben aus als 2011. Dabei hat dieser Etat deutlicheehrbelastungen schultern müssen: 1,3 Milliarden Euroehr Bundesgeld für die Rentenversicherung, 1,5 Mil-arden Euro mehr Bundesbeteiligung an den Kosten dernterkunft, ein um 1,3 Milliarden Euro höherer Bundes-nteil bei der Grundsicherung im Alter. Die letzten bei-en Positionen entlasten übrigens die Kommunen. Esibt aber auch Entlastungen – das ist schon gesagt wor-en –: Die Bundesagentur für Arbeit braucht 2012 keinarlehen mehr. Sie kann stattdessen bereits mit derückzahlung beginnen. Auch die Aufwendungen für dasrbeitslosengeld II sinken. Beides ist natürlich der gutenage am Arbeitsmarkt zu verdanken.Auch bei der Umsetzung der Sparvorgaben gilt: Dieausaufgaben sind gemacht.Erstens. Nach den Sparvorgaben vom Sommer 2010ind 2012 bei den Arbeitsmarktaufwendungen im Be-ich SGB II 1,5 Milliarden Euro gegenüber dem dama-gen Finanzplan einzusparen. Auch diese Vorgabe wirdunktgenau erfüllt. Das Eingliederungsbudget beläuftich damit im Jahr 2012 auf 8,45 Milliarden Euro. Ange-ichts der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist dasuch gut zu leisten und sollte hier keineswegs Anlass zuassandrarufen geben; denn wir senken die Eingliede-ngskosten aufgrund der sinkenden Arbeitslosenzahlen,orüber wir uns sehr freuen sollten.
ei alldem wird natürlich der Betreuungsschlüssel nichtußer Acht gelassen. Diesen haben wir sehr wohl imlick.Zweitens. Wir werden 2012 auch für das Arbeitslo-engeld II deutlich weniger Geld ausgeben, als für 2011eranschlagt ist. Der Ansatz liegt mit 19,5 Milliardenuro um 900 Millionen Euro niedriger als der für dasahr 2011. Insgesamt plant der Bund im Jahr 2012 fürie Grundsicherung der Arbeitsuchenden Gesamtausga-en in Höhe von 33 Milliarden Euro. Den größten Teilavon, nämlich 25 Milliarden Euro, machen die Ansätzer Arbeitslosengeld II und für die Kosten der Unter-unft aus; das ist schon eine beachtliche Summe. Es istesonders wichtig, die Reform der arbeitsmarktpoliti-chen Instrumente voranzutreiben und diese passgenaund effizient zu machen, damit wir möglichst viele Men-chen in den ersten Arbeitsmarkt zurückbringen.
Auf die Einzelkritik der Opposition will ich hier nichteiter eingehen.
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Dr. Claudia Winterstein
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Ich will nur einen grundsätzlichen Unterschied deutlichmachen. Sie, meine Damen und Herren von der Opposi-tion, möchten natürlich möglichst viele Menschen in öf-fentlich geförderte Beschäftigung bringen.
Wir von der Koalition möchten allerdings viele Men-schen in den regulären Arbeitsmarkt bringen,
weil das von Dauer ist. Dazu haben wir gerade jetzt guteChancen; denn die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist her-vorragend, so gut wie seit zwanzig Jahren nicht mehr.
Man kann es gar nicht oft genug sagen – Sie müssenauch einmal die Fakten zur Kenntnis nehmen –: SeitApril haben wir weniger als 3 Millionen Arbeitslose.Kurzarbeit spielt kaum mehr eine Rolle.
Es gibt vor allem bei der sozialversicherungspflichtigenBeschäftigung einen massiven Zuwachs. Nehmen Siedas einmal zur Kenntnis! Auch die Erwerbstätigenzahlerreicht mit über 41 Millionen einen nie dagewesenenRekord. Das sind hervorragende Zahlen.
Auch die Chancen der Langzeitarbeitslosen am Arbeits-markt sind derzeit so gut wie lange nicht. Ihre Zahl sinktseit Monaten deutlich. Die jüngsten Zahlen zeigen einenRückgang um 6 Prozent im Vergleich zum letzten Jahr.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Mast?
Nein, ich möchte gerne fortfahren.
Ihre Klage, das seien alles Billigjobs und nur der Nie-
driglohnsektor würde boomen, ist schlichtweg Unsinn.
Schauen Sie sich die Zahlen einmal an: Die Zahl der Er-
werbstätigen ist gegenüber dem Vorjahr um 527 000 ge-
stiegen. Zugleich ist bei der Zahl der sozialversiche-
rungspflichtig Beschäftigten gegenüber dem Vorjahr ein
Zuwachs von 684 000 zu verzeichnen. Da kann doch
niemand ernsthaft behaupten, wir hätten nur bei den Bil-
ligjobs einen Boom.
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Frau von der Leyen, Sie haben sich heute wieder rhe-torisch für Alleinerziehende eingesetzt. Das ist ein An-liegen, bei dem ich vollkommen an Ihrer Seite bin. Aberzur ganzen Wahrheit gehört auch: Es war Schwarz-Gelb,die im Zuge des sogenannten Sparpaketes das Elterngeldfür Hartz-IV-Beziehende quasi gestrichen haben, indemes angerechnet wird. Von dieser Streichung sind auch47 000 Alleinerziehende betroffen. Nun weiß ich, dassdas nicht aus Ihrer Feder stammt; aber Sie haben es nichtverhindert. Da halten wir doch einmal fest, was schwarz-gelbe Familienpolitik heißt: Gerade bei den Ärmstenwird genommen. Ich finde, das ist der falsche Weg.
Es war schon viel vom Rentendialog die Rede. Tat-sächlich müssten wir gegen Altersarmut einiges unter-nehmen. Immerhin warnt die OECD: International ge-hört Deutschland zu den Schlusslichtern bei der Alters-sicherung von Geringverdienenden. Sie warnt zu Recht;denn leider droht Altersarmut für immer mehr Menschenzur Realität zu werden. Die Zahl der minijobbendenRentner ist in den letzten zehn Jahren um 60 Prozent ge-stiegen. Viele Rentner müssen noch arbeiten, weil dieRente einfach nicht reicht.
Wir wissen auch: Wer heute in Rente geht, bekommtim Schnitt eine deutlich niedrigere Rente als jemand, dervor zehn Jahren in Rente gegangen ist. Aber das ist dochnicht vom Himmel gefallen. Das ist doch keine Naturka-tastrophe, die über uns gekommen ist. Das ist das Ergeb-nis von ganz konkreten politischen Maßnahmen, und damuss ich leider sagen: Es ist auch das Ergebnis schwarz-gelb-rot-grüner Regierungspolitik. Sie haben das zu ver-antworten.
Was plant nun das Haus von der Leyen? Als Erstessollen die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Rentner ver-bessert werden. Das heißt: noch mehr mini- oder midi-jobbende Rentnerinnen und Rentner.
– Sie wollen die Rentner dazu verdonnern, durch Malo-chen im Alter die niedrige Rente aufzubessern.
Da muss ich sagen: Das mag mit 65 gehen, das mag auchnoch mit 70 gehen. Was machen wir aber mit der 90-jäh-rigen Rentnerin, die sich kaum noch auf den Beinen hal-ten kann und deren Rente trotzdem zu niedrig ist, um da-mit über die Runden zu kommen? Im Klartext: Siewollen, dass die Rentner mit Malochen im Alter IhreRentenkürzungen ausbaden müssen. Das ist für michnicht hinnehmbar.
Dann gibt es die schöne Zuschussrente. Eine von vie-n Bedingungen dafür ist, dass man 35 Jahre lang inine private oder in eine Betriebsrente eingezahlt hat.un wird es spannend. Inzwischen gibt es also quasiine Pflicht, sich über den Rentenfonds am globalen Fi-anzkasino zu beteiligen. Haben Sie denn gar nichts auser Finanzkrise gelernt? Eine Zuschussrente unter sol-hen Bedingungen ist vor allen Dingen eines: ein Treib-toff für die Versicherungskonzerne wie Allianz und Co.in Sicherheitsgurt gegen Altersarmut sieht wahrlich an-ers aus.
as wir als Linke dem entgegensetzen, ist eben nichtine Durchschnittsrente, wie Sie sie darstellen. Was esnserer Meinung nach tatsächlich braucht, ist eine soli-arische Mindestrente, die garantiert, dass kein Rentnernd keine Rentnerin im Alter unter die Armutsrisiko-uote fällt.
Frau Winterstein, Sie überlegen bei Sozialhaushaltenmer nur, wo man noch kürzen kann. Wir haben anderenforderungen an den Sozialhaushalt. Wir meinen, einozialhaushalt muss vor allen Dingen eine in Zahlen ge-ossene Teilhabegarantie für alle sein. Von einer solchenarantie für Teilhabe ist schwarz-gelbe Sozialpolitikahrlich weit entfernt.
as wird unter anderem daran deutlich, wie wenig Mit-l Sie für das Arbeitslosengeld II, besser bekannt alsartz IV, einplanen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Lindner?
Mit Vergnügen.
Was sagten Sie gerade? In Zahlen gegossene Teil-abe? Sie regieren jetzt in Berlin seit bald zehn Jahren.
Berlin gibt es eine Arbeitslosenquote von 13,5 Pro-ent, und zwar trotz Wirtschaftsbooms; das ist einmalig Deutschland. Im Schnitt ist diese Zahl in Deutschlanduf 7,7 Prozent zurückgegangen, in Berlin liegt sie bei3,5. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt deutschlandweitei 8,3 Prozent, in Berlin bei 23,5 Prozent.
ehn Jahre regieren Sie. Die Jugendarbeitslosigkeit isttwa dreimal so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Sie
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Dr. Martin Lindner
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verweigern in Berlin einer ganzen Generation die Teil-habe. Erklären Sie uns einmal, wie Ihr Reden hier undIhr praktisches Handeln vor Ort auch nur halbwegs inDeckung zu bringen sind.
Wenn Sie gleich antworten wollen, das läge an denschlechten finanziellen Konditionen in Berlin, sage ichIhnen noch ergänzend: Berlin gibt pro Kind 6 100 Eurojährlich aus. In Hessen oder Sachsen sind es etwa5 500 Euro. Sachsen liegt auf Platz eins im Bildungsmo-nitor, und Berlin liegt auf Platz 16 von 16 Ländern.Sie machen dort eine hundsmiserable Bildungspolitik,eine miserable Arbeits- und Wirtschaftspolitik, und jetztstellen Sie sich hierhin und erzählen uns, dass wir keinesoziale Politik machen, obwohl wir gerade dafür gesorgthaben, dass mittlerweile fast alle Menschen in Arbeit ge-kommen sind.
Herr Lindner, vielen Dank für diese Frage. Ich hättemich eher mit der Haushaltspolitik beschäftigt und siediszipliniert abgearbeitet. Ich bin Ihnen aber dankbar,dass Sie jetzt den Bereich „Wahlkampf in Berlin“ eröff-nen und mir Gelegenheit geben, außerhalb meiner Rede-zeit auf einige Erfolge der Politik der Berliner Landesre-gierung hinzuweisen.
Es ist tatsächlich Fakt, dass ein Großteil der Rahmen-bedingungen auf Bundesebene gesetzt wird. Im Übrigen:Die schlimme Haushaltslage in Berlin ist von den Regie-rungen vor Rot-Rot verursacht worden; das wissen Siegenau.
Wer hat denn damals die Bank in den Ruin getrieben?Reden wir aber über rot-rot-grüne Regierungspolitik.
Zu dieser Bilanz gehört, dass sich in Berlin ein rot-roterSenat für den Erhalt des Sozialtickets starkgemacht hat.Zur rot-roten Regierungspolitik in Berlin gehört auch,dass man Regeln zu Kosten der Unterkunft für die Ärms-ten durchgesetzt hat, die bundesweit beispielhaft waren.Leider haben Sie dagegen gekämpft und das Land BerlinüzmKsBisInmmics–Sdwte–jelipjedzareDmRk
Berlin ging es eben nicht nur um billige 1-Euro-Jobs;an hat Stellen im öffentlichen Beschäftigungssektorit sinnstiftenden Tätigkeiten geschaffen. Insofern kannh sagen: Von Berliner Beschäftigungspolitik könnteich so manches Bundesland eine Scheibe abschneiden.
Ich würde jetzt gerne weiter über den Haushalt reden.ie können gerne noch eine Zwischenfrage stellen undamit meine Redezeit verlängern. Aber dann müsstenir uns an die parlamentarischen Gepflogenheiten hal-n.
Über die Kinderstube des Herrn Lindner wollen wirtzt hier nicht reden.Kommen wir zurück zum Haushalt. Sie haben deut-ch weniger Mittel für das Arbeitslosengeld II einge-lant. Sie können das deswegen tun, weil Sie zuvor mitder Menge Tricks das Existenzminimum – wir habenie Pflicht, es zu garantieren – kleingerechnet haben. In-wischen gibt es ein Gutachten des DGB, das es schwarzuf weiß auf den Punkt bringt: Die schwarz-gelbe Be-chnung des Existenzminimums ist verfassungswidrig.as ist auch ein Ergebnis Ihrer Politik.
Vor dem Hintergrund dieses Gutachtens wende ichich jetzt an Grüne und SPD: Geben Sie sich doch einenuck und reichen Sie zusammen mit uns eine Normen-ontrollklage ein! Für eine solche Klage bräuchte es
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14615
Katja Kipping
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25 Prozent der Abgeordneten. Das schaffen wir Linkenleider noch nicht ganz alleine; aber zusammen könntenwir es schaffen. Wenn wir uns zu einer solchen Normen-kontrollklage durchringen, dann wird das Gericht sehrwohl entscheiden. Vor allen Dingen würden wir damitden Betroffenen den mühsamen Weg durch die Instan-zen ersparen. Nehmen Sie sich also ein Herz! Entschei-den Sie sich gegen die Komplizenschaft mit der CDUund für die Betroffenen!
Ja, wir Linken meinen – ich habe es selber nachgerech-net –: Sie haben das Existenzminimum mit Tricks klein-gerechnet. Wenn man es ordentlich berechnete, müsstees bei rund 500 Euro liegen. Wir werden dazu Ände-rungsanträge einbringen.Sie können jetzt nicht mit dem Einwand kommen, dassei nicht finanzierbar. Erstens ist das Existenzminimumein Grundrecht; das kann man nicht einfach nach Kas-senlage ausdealen. Zweitens: So knauserig Sie bei denÄrmsten sind, so fahrlässig großzügig sind Sie, wenn esum die Superreichen geht. Es muss Ihnen doch zu den-ken geben, dass sich die Vermögenden in diesem Landzusammenschließen, um für eine Vermögenabgabe zuplädieren. Die Millionäre drängeln sich quasi, stehenSchlange, um die öffentlichen Kassen zu füllen; aber Siesorgen mit Ihren ideologischen Scheuklappen dafür, dassdie Einzahlungsschalter geschlossen bleiben. Ich finde,so viel Großzügigkeit können wir uns tatsächlich nichtleisten.
Was uns wirklich etwas kostet, ist die schwarz-gelbeVerweigerungshaltung beim Mindestlohn. Sie kostet unsjedes Jahr Milliarden. Es gibt jetzt eine Prognos-Studie,die unter anderem zu dem Ergebnis kommt: Wenn wireinen Mindestlohn von 10 Euro hätten, dann würde dasden Sozial- und Steuerkassen zusammen rund 13 Mil-liarden Euro im Jahr einspielen.
Halten wir fest: Dieses Land kann sich die schwarz-gelbe Verweigerungshaltung beim Mindestlohn einfachnicht mehr leisten.
Das ist nur einer von vielen Gründen dafür, warum wiruns Schwarz-Gelb nicht weiter leisten können.Danke.
Lieber Kollege Lindner, ich möchte Sie daran erin-nern, dass man während der Beantwortung einer Frage,die man gestellt hat, stehen bleibt.
Wh–sFNtiwktevfüLgDEd–wAnsbrawdFnSsszüwmd
Das entscheidet nicht der Fragesteller, das ist generello. Sie kennen die Spielregeln.Das Wort hat nun Frau Kollegin Priska Hinz für dieraktion Bündnis 90/Die Grünen.Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-EN):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debat-eren hier über einen bemerkenswerten Haushalt. Wennir in andere Einzelpläne schauen, sehen wir, manönnte dort tatsächlich sinnvoll einsparen; sei es im Ver-idigungshaushalt, im Wirtschaftsetat oder beim Sub-entionsabbau. Es wird aber im Bereich des Einzelplansr Arbeit und Soziales gespart, also dort, wo es umangzeitarbeitslose und Benachteiligte geht. Da schla-en Sie wirklich in unverantwortlicher Weise zu.
a werden mit einem Federstrich erneut 900 Millionenuro beim Eingliederungstitel eingespart. Zugegeben,ie Zahl der Langzeitarbeitslosen geht zurück.
Ja, warten Sie ab. – Seit dem vergangenen Jahr habenir einen kleinen Rückgang von 6,1 Prozent.
ber Sie kürzen den Titel um ein Drittel. Das hat nochicht einmal eine haushalterische Logik, sondern dasind schlicht und einfach Scheuklappen, die Sie aufha-en. Sie wollen diesen Titel aus ideologischen Gründensieren.
Natürlich gibt es auf dem Arbeitsmarkt eine gute Ent-icklung, es gibt eine gute Konjunktur. Das betrifft aberie Langzeitarbeitslosigkeit nicht im gleichen Maße.rau Ministerin, deshalb wäre es wichtig, dass Sie nichtur hier am Pult von Qualifizierung reden, sondern dassie sich auch für ausreichende Mittel in Ihrem Etat ein-etzen, damit die Qualifizierung von Langzeitarbeitslo-en tatsächlich stattfinden kann, sodass diese Zugangum ersten Arbeitsmarkt finden können. Sonst findet dasberhaupt nicht statt.
Wirtschaftsminister Rösler hat erstaunlicherweise et-as Richtiges gesagt. Er sagte nämlich, der Fachkräfte-angel sei die zentrale wirtschaftspolitische Herausfor-erung. Daraus darf man aber doch keine Kürzungen
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Priska Hinz
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von Qualifizierungen ableiten. Die Bundesregierung dis-kutiert seit einem Jahr über ein Konzept gegen den Fach-kräftemangel, und die Ministerin, die mit ihrem Haus-haltsplan tatsächlich etwas dagegen tun könnte, nimmtihre Chancen nicht wahr, sondern lässt ihren Haushaltrasieren. Sie setzt sich nicht dafür ein, dass entspre-chende notwendige Umstrukturierungen im Gesamt-haushalt dazu führen, dass der Arbeitsetat geschont wird.Auch bei Ihrem Umgang mit der Bundesagentur fürArbeit stellt man fest, dass Sie aus der Finanz- und Wirt-schaftskrise nichts gelernt haben. Vor der Krise hatte dieBA Rücklagen in Höhe von 17 Milliarden Euro. Ausdiesen konnte man zum Beispiel das Kurzarbeitergeld fi-nanzieren. Was machen Sie jetzt? – Sie plündern denHaushalt der BA, damit Sie eines der Löcher im Bundes-haushalt schließen können, von denen es leider zu vielegibt.Aufgrund der Ergebnisse des Vermittlungsausschus-ses übernehmen Sie für die Grundsicherung im Alter dieFinanzierung. Aus diesem Grund müssen Sie jetzt Gel-der aus der BA nehmen. Das belastet die BA in dennächsten Jahren mit 12 Milliarden Euro. Stattdessensollte der Bund diese Mittel übernehmen und nicht über-legen, an welcher Stelle konjunkturelle Maßnahmendazu führen, dass eine Entschuldung stattfindet, sonderner sollte überlegen, welche strukturellen Maßnahmendazu führten. Sie reißen der BA auch an dieser Stelle dieBeine weg. Übrig bleibt eine Instrumentenreform, dienicht zielgenau auf Zielgruppen gerichtet ist, die not-wendigerweise eine Unterstützung brauchen. Sie setzenvielmehr den Rotstift an. Damit ist Ihre Instrumentenre-form schon vom Grundsatz her gescheitert.
Notwendig wäre eine Sozialministerin, die die1,5 Millionen jungen Menschen ins Visier nimmt, diesich ohne Berufsabschluss auf dem Arbeitsmarkt befin-den, und die die Instrumente auf sie ausrichtet. Notwen-dig wäre eine Sozialministerin, die sich für aktive Ar-beitsmarktpolitik, für die Qualifizierung von älterenMenschen, die aus der Erwerbstätigkeit herausgedrängtwerden, und für Langzeitarbeitslose, die einer besonde-ren Qualifizierung bedürfen, einsetzt. Dafür wäre eineInstrumentenreform sinnvoll. Sie aber streichen auch eineffektives Mittel wie den Gründerzuschuss weg. Dabeiist gerade dieser effektiv. Was Sie machen, ist ein reinerKahlschlag.
Die Ministerin ist gut in der Darstellung, aber wenigergut in der Umsetzung. Das haben wir beim Bildungspa-ket für Kinder gesehen. Wochenlang ist sie durch Talk-shows getingelt und hat erklärt, wie wichtig es ist, dassKinder in Sportverbänden Mitglied werden und an derKultur teilhaben können.
etureinisgnCKnNledbsHIhTufopuafüezmriwdABsuzdbmpddW
Das Wort hat nun Karl Schiewerling für die CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Dieser Haushalt wird nunach der Hälfte dieser Legislaturperiode diskutiert. Imovember wird er letztendlich verabschiedet. Frau Kol-gin Hinz, ich schätze, ich muss Ihnen leider sagen,ass Ihre letzte Bemerkung in Bezug auf die Bundesar-eitsministerin zwar spannend, aber falsch war. Sie müs-en sich einmal genau anschauen, was wir in der erstenälfte dieser Legislaturperiode erreicht haben. Ich willnen das in kurzen Sätzen darlegen – so weit zumhema Reden und nicht Handeln oder nur Schaulaufennd keine Erfolge erzielen –: Wir haben die Jobcenterre-rm und die Regelsätze organisiert und arbeitsmarkt-olitische Instrumente verabschiedet. Wir haben Freiheitnd Verantwortung darin verankert. Wir haben die Zeit-rbeit reguliert, den Mindestlohn in der Zeitarbeit einge-hrt und mehr Mindestlöhne nach dem Entsendegesetzingeführt als viele andere vorher. Ich denke, diese Halb-eitbilanz kann sich sehen lassen. Das haben wir ge-einsam geschafft. So weit zum Thema: eine Ministe-n, die nur redet, aber nichts hinbekommt.
Sicherheit geben, Perspektiven ermöglichen, Verant-ortung übernehmen – diese Zielsetzung haben wir iner Union und in der christlich-liberalen Koalition in derrbeitsmarkt- und Sozialpolitik und im sozialpolitischenereich in der Vergangenheit verwirklicht. Wir werdenie auch im kommenden Jahr verwirklichen. Wenn wirns den Haushalt des Geschäftsbereiches Arbeit und So-iales ansehen, dann stellen wir fest, dass es in der Tat inem einen oder anderen Bereich Kürzungen gibt. Dasleibt nicht aus; dazu werde ich gleich etwas sagen. Wirüssen aber zur Kenntnis nehmen, dass Arbeitsmarkt-olitik keine Arbeitsplätze schafft. Arbeitsplätze werdenurch gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen undurch stabile Strukturen in der Arbeitsmarktpolitik in derirtschaft geschaffen.
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Karl Schiewerling
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800 000 zusätzliche Arbeitsplätze, die in der letzten Zeitgeschaffen worden sind, sind beredter Ausdruck dafür.Wir sind zufrieden; das ist gut. Deswegen können wirbestimmte Gelder reduzieren und anders, effektiver so-wie effizienter einsetzen. Übrigens: Von den etwa800 000 bis 900 000 zusätzlichen sozialversicherungs-pflichtigen Beschäftigungsverhältnissen sind weit mehrals die Hälfte ohne irgendwelche arbeitsmarktpolitischenInstrumente geschaffen oder besetzt worden. Ich weisedarauf hin, dass auch diese Dinge letztendlich gut undsinnvoll funktionieren.
Rahmenbedingungen schaffen, damit zukunftsfähigeArbeitsplätze entstehen, ist unsere Aufgabe. Das gelingtaber nur, wenn wir Sicherheiten haben. Betriebe brau-chen für ihre Planung Sicherheit – das ist keine Frage –,aber auch die Arbeitnehmer brauchen Sicherheit. Arbeitmuss für die Arbeitnehmer planbar sein. Mit diesemHaushalt schaffen wir die dafür notwendigen Vorausset-zungen. Wir müssen diejenigen fördern, qualifizierenund gegebenenfalls reintegrieren, die keinen Arbeits-platz haben oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind.
Wir müssen alles daransetzen – das ist die Zielrichtung –,dass die Menschen in der Lage sind, eigenverantwortlichfür sich und ihre Familien zu sorgen. Letztendlich gehtes darum, dass Menschen auch im Alter Sicherheit ha-ben.
Frau Kollegin Kipping, wir sagen, dass Menschen,die eine Rente beziehen, die Möglichkeit haben sollen,etwas hinzuzuverdienen. Das Konzept, das Frau von derLeyen vorgestellt hat, besagt nicht, dass wir Menschenzwingen, zu arbeiten. Wir eröffnen vielmehr Möglich-keiten.
Diejenigen, die zusätzlich Geld verdienen, zahlen in dieSozialversicherung ein und zahlen Steuern. Ich halte dasfür eine gute und reizvolle Perspektive unter dem Ge-sichtspunkt der Eigenverantwortung. Deswegen unter-stützen wir dieses Konzept.
Wir stehen vor tiefgreifenden Problemen und sehrkomplexen Aufgaben. In diesem Zusammenhang istauch die Politik gefordert. Auch in einer Debatte wiedieser, in der es um den Haushalt geht, ist es wichtig,sich zu vergewissern, mit welchem geistigen Hinter-grund wir diese Aufgaben angehen und welches Men-schenbild wir dabei zugrunde legen. Wir sind verpflich-tet, die Grundlagen und Prinzipien der christlichenSuimuinnsAhaAnbkvsoalasIcbisIcdbzbIcWdeNGlere
Es geht auch um die Frage der Subsidiarität. Daseißt, wenn die Menschen ihren Lebensunterhalt nichtus eigener Kraft erwirtschaften können, haben sie einnrecht auf Unterstützung. Diese Unterstützung ist abericht auf Dauer angelegt. Sie ist vielmehr ein Sprung-rett. Mithilfe der Förderung soll man aus der Abhängig-eit vom Staat herauskommen und wieder in die Lageersetzt werden, sein Leben selbstbestimmt und eigen-tändig zu gestalten. Das ist unser Menschenbild. Daranrientieren wir uns, und daran richten wir unsere Politikus.
Drittens geht es um den Bereich der Solidarität. Wirssen diejenigen, die der Hilfe bedürfen, nicht im Regentehen.
h freue mich sehr, dass der Beauftragte für die Belangeehinderter Menschen, Hubert Hüppe, hier ist. – Nein, ert schon gegangen.
h sage es trotzdem: Letztendlich geht es auch darum,ass Menschen, die behindert sind, die keine Chance ha-en, jemals ohne fremde Hilfe zu leben, alle Unterstüt-ung bekommen, die sie brauchen, damit sie ein selbst-estimmtes Leben führen können.
h wünsche mir manchmal, es wäre noch mehr möglich.ir wollen die Augen aber nicht davor verschließen,ass wir unter dem Gesichtspunkt der Inklusion schoniniges erreicht haben. Ich erinnere zum Beispiel an denationalen Integrationsplan der Bundesregierung.
emeinsam bringen wir die Sache voran, damit wirtztendlich erfolgreich sind.
Wenn es um die von Ihnen oft angeführte soziale Ge-chtigkeit geht, will ich Ihnen sagen, dass diese soziale
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Karl Schiewerling
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Gerechtigkeit verschiedene Facetten hat. Im Kern gehtes um die Teilhabe und die Chancengerechtigkeit. Esgeht aber auch um die Leistungsgerechtigkeit.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Seifert?
Ja.
Bitte schön.
Lieber Herr Kollege Schiewerling, Sie haben sich ge-
rade mit viel Enthusiasmus für die Teilhabe behinderter
Menschen ausgesprochen, haben gesagt, was Sie sich al-
les wünschen. Können Sie mir bitte sagen, wie Sie ange-
sichts dessen vertreten können, dass in der Regelbedarfs-
stufe 3 erwachsene Menschen mit Behinderung, die bei
ihren Eltern oder anderen Angehörigen leben, Geld ab-
gezogen bekommen mit der Begründung, sie brauchten
zu Hause nicht so viel? Als hätten diese Menschen
20 Prozent weniger Kosten als andere! Es ist ein solcher
Skandal. Ihre Regierung sagt: Wir überprüfen das am
Sankt-Nimmerleins-Tag; denn wir können die Behinder-
ten nicht bevorzugen. Das gehört zur Begründung dazu.
Finden Sie nicht, dass das ein Skandal erster Ordnung
ist, den man sofort aus der Welt schaffen müsste?
Geschätzter Herr Kollege Seifert, ich weiß, dass über
diesen Punkt in der Vergangenheit heftig diskutiert
wurde und auch immer noch darüber diskutiert wird. Ich
will Ihnen allerdings sagen – ich bitte Sie herzlich, in
dieser Frage offen zu sein –, dass es in der Regelstufe 3
unterschiedliche Berechnungen gibt und dass die Le-
benssituation vieler Menschen, die behindert sind, so
aussieht, dass sie sehr wohl gemeinsam mit anderen in
einem Haushalt leben. Dies ist in die Berechnungen und
Grundlagen eingeflossen.
Einzelne Ansätze dürfen wir nicht isoliert betrachten.
Ich will Ihnen allerdings gerne zugestehen – ich
hoffe, dass Sie das akzeptieren –, dass es abgesehen von
einer Reihe von Detailfragen – ich gebe zu, dass man
über diese trefflich diskutieren kann – unterschiedliche
Gesichtspunkte gibt. Es gibt auf Bundes-, Länder- und
kommunaler Ebene in der Bundesrepublik Deutschland
viele Anstrengungen zur Inklusion und zur Integration
von Menschen mit Behinderungen; freie Träger und
viele Institutionen arbeiten mit großem Nachdruck und
mit großer Leidenschaft daran. Dazu gehören auch Leis-
tungen, die den behinderten Menschen insgesamt zu-
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Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage: der Kolle-
in Kipping?
Nein. – Ich will zum Punkt Hilfe zur Selbsthilfe kom-en. Die Mittel, die im Eingliederungstitel vorgesehenind, werden – absolut betrachtet – reduziert; das istchtig. Aber pro Langzeitarbeitslosem stehen mehr Mit-l zur Verfügung als noch vor Jahren.
aher kommt es jetzt darauf an, dass wir diese Mittel ef-zient einsetzen. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Hierommt es darauf an, dass es gute Maßnahmen gibt, dieir fördern und unterstützen. Daran wird es nicht schei-rn. Wir werden die Menschen, die Unterstützung benö-gen, wieder in Beschäftigung bringen. Wir werden unsoch in diesem Monat in diesem Parlament über die ar-eitsmarktpolitischen Instrumente zu unterhalten haben.ir werden den entsprechenden Gesetzentwurf hier inweiter und dritter Lesung im Detail beraten. Ich glaube,ass es notwendig ist, intensiv darauf einzugehen.Lassen Sie mich einen Satz zum Thema Rente sagen.er Rentendialog ist jetzt entstanden; dafür sind wir sehrankbar. Wir haben uns im Koalitionsvertrag mit Blickuf die Entwicklungen der Renten und der Altersein-ünfte vorgenommen, diese Dinge in dieser Legislatur-eriode möglichst schnell zu regeln. Es gibt ein paarrundprinzipien, die wir beachten werden. Sie lautenie folgt.Erstens. Rente ist Lohn für Lebensleistung. Wenn wiries nicht beibehalten, machen wir Rente zu einem So-ialhilfesystem. Das ist Rente aber nicht. Rente mussohn für Lebensleistung bleiben.
Zweitens. Rente muss aufgreifen, dass innerhalb ei-es Solidarsystems gewisse Ausgleiche möglich sind.etztendlich ist all das, was wir der Rentenversicherungls Leistungsträger zusätzlich aufbürden, mit Steuern derllgemeinheit zu finanzieren und kann nicht von deneitragszahlerinnen und Beitragszahlern gestemmt wer-en. Das ist ein wichtiger Teil unseres Solidarsystems.
Wir werden im Haushaltsjahr 2012 alles daransetzen,ie Voraussetzungen zu schaffen, dass Menschen, die ineschäftigung kommen wollen, wieder in Beschäftigung
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14619
Karl Schiewerling
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kommen. Wir werden die Brücken dafür weiter bauen.Wir werden für die Langzeitarbeitslosen, die es beson-ders schwer haben, die Treppe in den ersten Arbeits-markt zielführend weiter stabilisieren und ausbauen. Ichsage Ihnen: Wir wollen dies in der Verantwortung, diewir vor den Menschen haben, tun. Wir sind auf einemguten Weg. Diesen Weg werden wir zum Wohle derMenschen gemeinsam in dieser Koalition fortsetzen, undzwar in einem guten Schulterschluss mit all denjenigen,die wollen, dass wir auf diesem Weg weitergehen.Herzlichen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kolle-
gin Katja Kipping.
Herr Kollege Schiewerling, ich möchte noch einmal
auf die Regelbedarfsstufe 3 eingehen. Da das ein kom-
plizierter Begriff ist, zur Erläuterung: Bei der Neufest-
setzung der Hartz-IV-Regelsätze hat Ihre Regierung be-
schlossen, eine neue Stufe für erwachsene bedürftige
Behinderte einzuführen. Im Ergebnis werden erwachse-
nen Bedürftigen – vor allen Dingen betroffen sind Be-
hinderte – im Monat 73 Euro gestrichen. Sie haben den
Behinderten also richtig in die Tasche gegriffen und ih-
nen pro Monat 73 Euro weggenommen.
Es ging dabei nicht um objektive Berechnungen, son-
dern um eine ganz klare politische Entscheidung Ihrer-
seits. Diese Entscheidung war so umstritten und ist so
stark kritisiert worden, dass Sie im Vermittlungsaus-
schuss, als es um einen Kompromiss mit dem Bundesrat
ging, versprochen haben, zu prüfen, inwieweit man ver-
hindern kann, dass Behinderte so benachteiligt werden.
Inzwischen liegt mir eine Antwort des Bundesarbeitsmi-
nisteriums vor, in der es eindeutig heißt: Wir sehen dies-
bezüglich keinen Handlungsbedarf. Es bleibt alles so,
wie es ist. – Ich finde, das ist nicht hinnehmbar. Ich hätte
Sie vorhin gern gefragt, ob Sie die Auffassung der Bun-
desregierung teilen, dass tatsächlich diesbezüglich kein
Handlungsbedarf besteht. Ich glaube, wenn man es mit
der UN-Behindertenrechtskonvention ernst meint, dann
sollte man nicht gerade den ärmsten Menschen mit Be-
hinderung in die Tasche greifen.
Frau Kollegin Kipping, um mit der UN-Behinderten-
rechtskonvention anzufangen: Wir nehmen sie ernst. Im
Kern geht es bei der UN-Behindertenrechtskonvention
um Inklusion und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
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Ich frage mich: Was ist eigentlich Ursula von der Leyensiel in der Arbeitsmarktpolitik?
elche Antwort hat die Ministerin auf die Probleme amrbeitsmarkt? Wofür kämpft diese Ministerin? Füroldreserven in Europa oder für gute Arbeit für alle?as ist doch die Frage an dieser Stelle.In Deutschland ist eine Spaltung am Arbeitsmarktstzustellen. Auf der einen Seite gibt es Menschen, die
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Katja Mast
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langzeitarbeitslos sind. Diese Menschen befinden sichübrigens in unterschiedlichen Situationen. Manche vonihnen stehen ganz am Rand, weisen vielfache Vermitt-lungshemmnisse auf und hatten seit vielen Jahren keineArbeit mehr. Denen müssen wir uns politisch zuwenden;sie stehen am Rand. Auf der anderen Seite haben wir gutausgebildete Fachkräfte, von denen wir noch mehr brau-chen.Ich komme zur zweiten Spaltung am Arbeitsmarkt.Wir haben im europäischen Vergleich die höchste Quotean prekären Beschäftigungsverhältnissen. Auf der ande-ren Seite gibt es Menschen in Normalarbeitsverhältnis-sen. Auch in Bezug auf diese Spaltung gibt es vonUrsula von der Leyen bzw. von ihrer Arbeitsmarktpolitikkeine Antworten.Es gibt eine dritte Spaltung auf dem Arbeitsmarkt.Frauen verdienen im Schnitt 23 Prozent weniger alsMänner. Es geht dabei nicht nur um Alleinerziehende.Das ist eine Geschlechterfrage. Auch darauf gibt es– weder im Haushalt noch in den arbeitspolitischen In-strumenten noch durch irgendwelche Taten – keine Ant-worten von Ursula von der Leyen. Darum geht es heutein der Haushaltsdebatte.
Der vorgelegte Haushalt verschärft diese Spaltung; ervermindert sie nicht. Das ist umso bemerkenswerter,weil die Regierung letztes Jahr ein sogenanntes Sparpa-ket vorgelegt hat. Ich glaube, Sie haben es sogar als Zu-kunftspaket bezeichnet. Dazu sage ich lieber Kürzungs-paket. Die aktive Arbeitsmarktpolitik ist übrigens diePolitik, bei der es um Bildungsperspektiven auf dem Ar-beitsmarkt geht. Dabei geht es nicht um Arbeitslosen-geld, sondern um das Schaffen von Chancen durch akti-ves Tun und Handeln. Dort wird gekürzt. Da wird auchum so viel gekürzt, wie Sie in Ihren Sparbeschlüssenvorgesehen hatten. Aber wo überall wird das nicht ge-tan? Überall dort, wo Sie diejenigen mit belasten woll-ten, die gut verdienen. Beispielsweise gibt es keine Fi-nanztransaktionsteuer, obwohl Sie sie vorgesehen hatten.Auch die Brennelementesteuer gibt es nicht. Die Wie-dereinführung des Fiskusprivilegs bei Insolvenzverfah-ren gibt es ebenfalls nicht. Die Streitkräfte sollten ihrenBeitrag zum Sparpaket leisten. Das alles gibt es nicht.Das Einzige, woran diese Regierung festhält, ist dasKürzen bei den Menschen, die am Rande stehen, unddort, wo es um Investitionen in der Arbeitsmarktpolitikgeht. Deshalb regen wir von der Opposition uns auch dieganze Zeit über so auf. Sie kümmern sich nicht um dieMenschen, die am Rande dieser Gesellschaft stehen. Siekürzen in der Arbeitsmarktpolitik und in der Bildungs-politik des Bundes. Das ist der größte Skandal dieserBundesregierung.
Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen. Es gibtin dieser Republik 1,5 Millionen Jugendliche im Altervon 20 bis 30 Jahren, die keine Berufsausbildung haben.
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h finde, dass es Ursula von der Leyens Aufgabe ist,iesen Menschen ein Gesicht und eine Stimme zu geben.ber dazu höre ich leider nichts von Ihnen. Deshalberden wir den von Ihnen vorgelegten Haushaltsentwurficht durch das Parlament durchwinken.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der nächste Redner für
ie Fraktion der FDP ist unser Kollege Dr. Heinrich
olb. Bitte schön, Kollege Dr. Kolb.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!anchmal kann man sich wirklich nur wundern. Als voriner Woche die neuen Arbeitslosenzahlen bekannt ge-eben wurden, lief die folgende Meldung über denicker: Arbeitslosenzahl erreicht niedrigsten Stand seit0 Jahren – Opposition kritisiert unzureichende Arbeits-arktpolitik der Bundesregierung. – Darüber habe ichich gewundert.
as zeigt aus meiner Sicht zweierlei. Zum einen zeigt es,ie gut wir sind. Zum anderen zeigt es, wie einfallslosie sind. Frau Mast, Sie haben gefragt: Was ist eigentlichas Ziel dieser Koalition bzw. dieser Bundesregierung? –nser Ziel ist es, Menschen in Arbeit zu bringen. Dabeiind wir sehr erfolgreich. Ich will Ihnen die Zahlen nen-en; man kann sie nicht oft genug wiederholen. Im Au-ust waren noch 2,945 Millionen Menschen arbeitslos,38 000 weniger als noch ein Jahr zuvor.
1,13 Millionen Menschen waren erwerbstätig – das istin absoluter Hochstand, ein Allzeithoch –, 527 000 mehrenschen als noch vor einem Jahr. 28,3 Millionen Men-chen gehen einer sozialversicherungspflichtigen Be-chäftigung nach, 684 000 mehr als noch vor einem Jahr.iefstand bei der Jugendarbeitslosigkeit: Mit 10 Prozentat Deutschland in Europa die Spitzenposition inne.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14621
Dr. Heinrich L. Kolb
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Erstmals gibt es mehr angebotene Lehrstellen als Stel-lenbewerber. Davor können Sie doch nicht die Augenverschließen. Sie können sich doch nicht hier hinstellenund herummäkeln und sagen: Alles, was diese Bundes-regierung macht, ist schlecht.Frau Nahles hat ausweislich der Tickermeldung er-klärt: Wenn die Bundesregierung nicht alles falsch ge-macht hätte, dann hätte sie einen noch stärkeren Rück-gang der Arbeitslosigkeit erzielen können. – Dazu willich eines sagen – Frau Nahles ist jetzt nicht mehr da –:Wenn Frau Nahles und die SPD regiert hätten, hätten Siediese Zahlen nicht erreicht; denn unsere Zahlen sind sogut, weil wir auf einen Mix der Beschäftigungsformensetzen. Sie aber wollen nur bestimmte Beschäftigungs-formen – das haben Sie eben gesagt, Frau Mast – alsgute Arbeit anerkennen. Ich sage Ihnen: Wir freuen uns,dass mehr als die Hälfte der neuen Stellen Vollzeitstellensind. Ich sage Ihnen aber auch: Wenn wir ein hohes Maßan Beschäftigung wollen, dann gehören Teilzeit, Midi-jobs und auch geringfügige Beschäftigung ebenso zumErwerbsleben wie Zeitarbeit oder befristete Beschäfti-gung.
Dieses hohe Maß an Beschäftigung ist kein Selbst-zweck. Ohne diesen Höchststand bei der sozialversiche-rungspflichtigen Beschäftigung und bei der Erwerbstä-tigkeit hätten wir nicht diese insgesamt sehr komfortableSituation im Bundeshaushalt – mit der Schuldenbremse –,aber auch in den Sozialkassen. Wie kommt es denn, dasswir beim Rentenbeitrag Senkungsspielräume von 0,8 Pro-zentpunkten haben, die wir – wie gesetzlich vorgesehen –nutzen wollen?
Weil wir ein hohes Maß an Beschäftigung haben. Sie ha-ben es in der Vergangenheit nicht geschafft, die Beschäf-tigungspotenziale auszuschöpfen. Deswegen sollten Sieuns hier keine Vorwürfe machen.
Dass so viele Menschen Arbeit haben, trägt zur solidenFinanzierung unseres Gemeinwesens und zur Stabilisie-rung der sozialen Sicherungssysteme bei.Ich habe von dieser Stelle aus immer gesagt: Ein Ar-beitsplatz ist das höchste Gut. Man kann auch sagen:Viele Arbeitsplätze sind die beste Garantie für einenfunktionierenden Sozialstaat.
Frau Mast, auch wenn Sie es nicht sofort einsehen wol-len: Wir können gute Fortschritte bei der Bekämpfungder Langzeitarbeitslosigkeit verzeichnen. Allein im Au-gust 2010 ist die Zahl der erwerbsfähigen Hilfebedürfti-gen – diese Zahl ist nicht direkt mit der Zahl der Lang-zeitarbeitslosen gleichzusetzen; der Kreis ist größer – imJahresvergleich um 298 860 zurückgegangen, ein Minusvon 6,1 Prozent; die Kollegin Hinz hat darauf hingewie-sen.sTakdsBcksmapLElanBdgwpsLMuawPgDhslidwgGzbeimvw4Wraas
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14622 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
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Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist
für die Fraktion Die Linke unsere Kollegin Sabine
Zimmermann. Bitte schön, Frau Kollegin Zimmermann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin
von der Leyen, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zuge-
hört. Ich muss Ihnen von dieser Stelle aus sagen: Ihre
Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik spaltet die Gesellschaft
in Arm und Reich.
Während Sie und Ihre Regierung zusehen, dass zo-
ckende Banken gestützt werden, Reiche immer reicher
werden, haben Sie für die Menschen, die arbeitslos sind
und täglich um das Überleben kämpfen, nur Peanuts in
der Tasche. Das ist unmöglich.
20 Milliarden Euro wollen Sie bei den Erwerbslosen
abkassieren. Schon im letzten Jahr haben Sie beschlos-
sen, die Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik bis 2014
– die Zahlen wurden bereits genannt – um diesen Betrag
zu reduzieren. Da können Sie sich drehen und wenden,
wie Sie wollen: Das ist nichts anderes als eine brutale
Kürzung auf dem Rücken von Millionen von arbeitslo-
sen Menschen.
Als Begründung für diesen Kahlschlag haben Sie in die-
sem Jahr das Gesetz zur Verbesserung der Eingliede-
rungschancen am Arbeitsmarkt nachgeschoben. Ich
muss schon sagen: Das ist ein dreistes Bubenstück, die-
sem Kürzungsprogramm auch noch das Etikett „Verbes-
serung“ aufzudrücken. Ohne Moos, nichts los – das weiß
doch jeder, und wenn kein Geld vorhanden ist, können
keine Maßnahmen durchgeführt werden. Damit verbes-
sern Sie nicht die Chancen für die Langzeiterwerbslosen,
sondern erhöhen nur die Wahrscheinlichkeit, dass diese
Menschen keinen Job mehr bekommen. Das ist Ihre
Politik.
In der Begründung des Gesetzentwurfes heißt es
großspurig: Die Arbeitsmarktpolitik soll dezentraler, fle-
xibler, individuell und letztlich effizienter gestaltet wer-
den. – Ich bitte Sie! Was soll in Zukunft der Arbeitsver-
mittler vor Ort noch entscheiden können, wenn ihm
keine Mittel zur Verfügung stehen? Wollen Sie den Be-
schäftigten der Bundesagentur für Arbeit, den Jobver-
mittlern, den Schwarzen Peter zuschieben? Das ist doch
wohl unmöglich.
Schon jetzt sparen Sie bei den arbeitsmarktpolitischen
Maßnahmen, zum Beispiel bei der Weiterbildung. Die
Zahl der neuen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in
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as ist die Logik Ihrer Politik.
Die Linke fordert die Bundesregierung zu einem
rundlegenden Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik
uf. Vor allem die Menschen mit den schlechtesten Job-
hancen, Langzeiterwerbslose, Menschen mit Behinde-
ng und Ältere, dürfen nicht abgeschrieben werden. Sie
üssen verstärkt gefördert werden.
ich nur auf leicht vermittelbare Erwerbslose zu konzen-
ieren, wie Sie es machen, und den Rest seinem Schick-
al zu überlassen, ist unchristlich und unsozial. Nehmen
ie endlich Geld in die Hand, und investieren Sie in
ualifizierung und Weiterbildung!
Frau Kollegin, Sie haben noch die Chance, eine Zwi-
chenfrage des Kollegen Dr. Lindner zuzulassen.
Aber natürlich, Herr Lindner. Ich freue mich.
Das ist ja schön.
Denken Sie, dass Sie so in Berlin über 5 Prozent kom-en?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14623
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Sie sollten zuerst die Frage anhören, statt schon vor-
her zu antworten. – Bitte schön, Kollege Lindner.
Wenn wir schon bei Zahlenspielen sind, Frau Kolle-
gin, und Sie gerade wieder angemahnt haben, dass wir
zu wenig Eingliederungshilfen für Behinderte anbieten:
Wie erklären Sie es sich, dass der rot-rote Senat im Jahr
2003,
kurz nachdem er ins Amt gekommen ist, das Blinden-
geld in Berlin von 585 Euro auf 468 Euro gekürzt hat
und Berlin damals beim Blindengeld von Platz eins auf
Platz zehn abgerutscht ist? Können Sie sich bei diesem
Punkt ebenso wie bei der Jugendarbeitslosigkeit erklä-
ren, wie das Reden von Ihnen und Ihren Kollegen ir-
gendwie mit dem in Einklang zu bringen ist, was Sie in
der Wirklichkeit fabrizieren?
Ich finde es gut, dass Sie dieses Podium nutzen, um
noch einmal richtig Wahlkampf für Berlin zu machen.
Sie haben es auch wirklich nötig.
Aber Sie verwechseln die Bundespolitik mit der Landes-
politik. Was das angeht, was Sie hier anführen, um uns
vielleicht in die Bredouille zu bringen: Sie sollten da-
rüber nachdenken, dass Sie in der Bundespolitik viele
Menschen in Armut und Hartz IV treiben.
Meine Damen und Herren von der Bundesregierung,
Ihre Kahlschlagpolitik ist kein Rezept für eine positive
Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Ihr kopfloses Spa-
ren auf dem Rücken der Erwerbslosen wird ein Bume-
rang sein. Sie tragen dazu bei, dass die Demokratie zer-
stört und die Spaltung der Gesellschaft in Arm und
Reich immer weiter vorangetrieben wird.
Danke schön.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächste hat für dieFraktion Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin FrauKatrin Göring-Eckardt das Wort. Bitte schön, Frau Kol-legin Göring-Eckardt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Zwei Jahre hatten wir keine Rentenministerin. Jetzt ha-bnkmztedWwdVmhbnbEmsAmDAareZge2Ms3bsFteH4kOdudvOg6hak
Für die Regelung, die bei der sogenannten Zuschuss-nte getroffen werden soll, hat die Ministerin imeit-Interview fünf Zeilen gebraucht, um alle Bedingun-en aufzuzählen, die man erfüllen muss, um vielleichtinen Anspruch darauf zu haben. Das soll bei etwa0 000 Menschen der Fall sein. Übrigens sind gar keineittel dafür eingestellt. Dieses Instrument wird wahr-cheinlich niemanden tatsächlich erreichen. Man soll5 Jahre privat vorgesorgt und 45 Jahre eingezahlt ha-en. Das dient nicht der Bekämpfung von Altersarmut,ondern das ist eine Mogelpackung und nichts anderes.
Wen trifft denn die Altersarmut tatsächlich? Sie trifftrauen. Diese erreichen trotz aller Anrechnungspirouet-n der Ministerin mitnichten so viele Beitragsjahre.eute sind es im Schnitt bei Frauen 26,8, bei Männern0,2 Beitragsjahre. Wie soll man da auf 45 Beitragsjahreommen? Die Altersarmut trifft vor allen Dingen diestdeutschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien inen letzten 20 Jahren, die jetzt ins Rentenalter kommennd der Gefahr der Altersarmut ausgesetzt sind. Aufiese Probleme gibt es keine Antwort.Wen trifft die Altersarmut noch? Sie trifft die Gering-erdiener. Es ist schon erwähnt worden, dass uns dieECD bescheinigt hat, dass wir bei der Altersversor-ung für Geringverdiener – darunter befinden sich9 Prozent Frauen – das Schlusslicht bilden. Es sindeute 6,5 Millionen Menschen, die im Niedriglohnsektorrbeiten. Für die Probleme dieser Menschen gibt eseine Antwort. Das gilt auch für die Langzeitarbeitslo-
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Katrin Göring-Eckardt
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sen. Gerade diese haben unter den Kürzungen im Haus-halt zu leiden. Bis 2015 wird es 10 Milliarden Euro we-niger geben. Besonders drastisch wirkt sich das Fehlenvon 5,2 Milliarden Euro beim Gründungszuschuss aus.Das trifft die Selbstständigen. Weitere Kürzungen gibt esbei der Arbeitsförderung und der Integration.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage unse-
res Kollegen Weiß?
Sehr gerne.
Bitte schön, Kollege Weiß.
Verehrte Frau Kollegin Göring-Eckardt, bevor durch
Ihre Rede in der Öffentlichkeit eine Meldung über den
Vorschlag der Bundesministerin Ursula von der Leyen
zur Zuschussrente verbreitet wird, möchte ich Sie Fol-
gendes fragen: Zum Ersten. Müssen Sie nicht anerken-
nen, dass die vorgeschlagene Rentenzahlung von
850 Euro für Menschen, die in ihrem Berufsleben zu we-
nig für die Rente ansparen konnten, um über 100 Euro
über der Grundsicherung liegt, die zu Zeiten von Rot-
Grün für Menschen, die im Alter zu wenig Rente haben,
eingeführt worden ist? Zum Zweiten: Ist Ihnen bekannt,
dass der Vorschlag der Frau Bundesministerin von der
Leyen damit startet, dass man 30 Beitragsjahre haben
muss, um diese Rente zu erhalten? Zu den Beitragsjah-
ren zählen auch Zeiten der Kindererziehung und der
Pflege. Ferner muss man 40 Versicherungsjahre haben,
wozu auch Jahre der Arbeitslosigkeit zählen.
– Nein. Der Vorschlag der Frau Bundesministerin von
der Leyen startet damit, dass man 30 Beitragsjahre ha-
ben muss, später sind es 35. Wir reden davon, von wel-
chem Punkt aus wir starten. Zu diesen 30 Beitragsjahren
zählen auch Zeiten der Kindererziehung und der Pflege.
Zu den 40 Versicherungsjahren, die man haben muss,
zählen auch Zeiten der Arbeitslosigkeit.
Man muss zudem fünf Jahre in eine staatlich geför-
derte private Altersvorsorge oder in eine betriebliche Al-
tersvorsorge eingezahlt haben. Die Zeiten des Arbeitslo-
sengeld-II-Bezuges werden auf die Rente angerechnet.
Sie zählen bei den 40 Jahren mit.
Kollege Weiß, Sie sind dabei, eine Frage zu stellen.
Ich möchte Frau Kollegin Göring-Eckardt die Fragestellen, ob sie anerkennt, dass unter diesen Startbedin-gbFvNwggPwnsvbssddsMcbwnLginfugmliMdmsdemagmkbti
Herr Weiß, das würde ich gerne tun, wenn dem soäre. Abgesehen davon, dass die Ministerin es vorgezo-en hat, nicht dem Parlament ihre Vorschläge vorzule-en – das machen Sie jetzt freundlicherweise, aber dasarlament wird erst nach dem Rentendialog informiert,as bei dieser Bundesregierung so üblich ist; damit kön-en wir notfalls leben –, sage ich Ihnen: 20 000 Men-chen sollen im nächsten Jahr – das sagt die Ministerin –on dieser Zuschussrente profitieren. 400 000 Menschenekommen die Grundsicherung im Alter. Zwischen die-en beiden Zahlen scheint mir doch ein gewisser Ab-tand zu bestehen. Es stimmt also nicht, dass tatsächlichiejenigen von der Zuschussrente profitieren, die beson-ers von Altersarmut betroffen sind. Ich wäre im Grund-atz für die Zuschussrente, wenn sie nicht wieder eineogelpackung nach dem Motto „Wir reden viel und ma-hen es ganz groß“ von Frau von der Leyen wäre. Ichefürchte: Am Schluss profitieren nur ganz wenige. Esird viel geredet, aber für die Menschen verbessert sichichts.
Ich will auf ein Argument eingehen, das Frau von dereyen in ihrer Rede vorhin deutlich gemacht hat, als sieesagt hat: Das Rentensystem kann die Veränderungen der Arbeitswelt und das, was im Arbeitsleben nichtnktioniert hat, nicht ausgleichen. Mein Vorschlag istanz einfach: Vielleicht kann die Rentenministerin ein-al mit der Arbeitsministerin reden, sodass man tatsäch-ch Prävention gegen Altersarmut betreiben kann. Derindestlohn ist zwar nicht das alleinige Instrument iniesem Zusammenhang, aber wenigstens ist er eines, dasan anwenden könnte.
All die von Koalitionsseite gemachten Vorschlägeind nichts anderes als Trostpflaster. So bekämpft manie Altersarmut nicht. Altersarmut ist übrigens mehr, alsin bisschen an der Rente zu drehen. Altersarmut istehr als komplex: Sie bedeutet nicht nur Einkommens-rmut, sondern auch schlechteres Wohnen – Sie habenanz nebenbei den Heizkostenzuschuss gestrichen –,angelhafte medizinische Versorgung; darauf gibt eseine Reaktion. Auch gibt es keine Lösung für das Pro-lem der geringeren Mobilität. Die Frage, wie Migran-nnen und Migranten oder auch Menschen mit Behinde-
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Katrin Göring-Eckardt
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rungen heute im Alter leben, spielt überhaupt keineRolle. Es geht nur mit einem Gesamtkonzept zur Be-kämpfung von Altersarmut und nicht mit einem Trost-pflaster für einige wenige.
Das, was von der Leyen macht – sie gibt keine Ant-worten –, ist Budenzauber in guter Blüm’scher Tradi-tion, nach dem Motto: Wir verschließen die Augen vorden eigentlichen Problemen. Das ist nicht Armutsbe-kämpfung, sondern ein Armutszeugnis dieser Bundesre-gierung – ein weiteres.Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist für
die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Paul
Lehrieder.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegin Göring-Eckardt, Sie haben sich in weiten Teilen Ihrer Rede mitdem jetzt anstehenden Rentendialog beschäftigt. Ichwürde sagen: Thema verfehlt. Wir reden heute über denHaushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozia-les und noch nicht über ein Projekt, das wir unmittelbarnach der Reform der arbeitsmarktpolitischen Instru-mente angehen wollen und für das ich unserer Arbeits-ministerin ausdrücklich danken möchte. Frau von derLeyen, was sie machen, das ist gut, das ist wichtig. DasGanze ist eine Baustelle; da haben Sie recht.Ich will eines sagen: Ich habe, als die Frau Ministerinden beginnenden Rentendialog hier vorgestellt hat, refle-xartig vom linken Flügel dieses Hauses, von der Links-partei, abermals den Ruf „Mindestlöhne!“ gehört.
Noch einmal zur Klarstellung – ich muss Ihnen schonbeim Rechnen helfen –: Um eine über die Grundsiche-rung hinausreichende Altersrente zu erreichen, kommtman weder mit dem Mindestlohn, den die Gewerkschaf-ten fordern, noch mit dem Mindestlohn, den die Linkspar-tei vorschlägt – derzeit sind es 10 Euro, Frau Kipping –,hin, sondern man brauchte 12,20 Euro. Ich kann verste-hen, dass man vor lauter Liebesbriefschreiben nach Kubanicht dazu kommt, so etwas nachzurechnen. Vielleichtsollten Sie das einmal tun.
Meine Damen und Herren, die Gesamtausgaben fürdas Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Jahr2012 belaufen sich auf rund 126,6 Milliarden Euro. ImVergleich dazu haben wir in diesem Jahr voraussichtlicheJmvmAKVwMGHdfütibdzEdkpkbeJriccHMsFmsdbArawAdda
Lassen Sie uns zum Haushalt zurückkehren. Grundr die sinkenden Gesamtausgaben ist zunächst die posi-ve Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt mit stabilen Ar-eitslosenzahlen von unter 3 Millionen; 2,945 Millionenerzeit. Dies führt zu einer deutlichen Entlastung der so-ialen Sicherungssysteme. Weniger Ausgaben, mehrinnahmen – das rechnet sich; zu dieser Erkenntnisürfte auch Frau Hagedorn kommen. Positive Auswir-ungen haben auch die in der Arbeitsmarktpolitik einge-lanten strukturellen Einsparungen im Rahmen des Zu-unftspakets vom Juni dieses Jahres.Frau Hinz hat vorhin ausgeführt, die Reform der ar-eitsmarktpolitischen Instrumente würde letztendlich zuiner Verschlechterung führen, weil die Fallmanager derobcenter vor Ort in Zukunft weder das Geld noch diechtigen Mittel hätten. Das Gegenteil ist richtig. Ma-hen Sie sich die Mühe und sprechen Sie mit Ihren Job-entern! Sprechen Sie mit der Bundesagentur!
Dort wird die Flexibilisierung ausdrücklich begrüßt.ätten Sie, Frau Hagedorn, sich die Mühe gemacht, amontag von 11 bis 14 Uhr bei der Anhörung zugegen zuein, dann hätten Sie gehört, dass die Bundesagentur dielexibilisierung ausdrücklich begrüßt, weil die Instru-ente passgenauer eingesetzt werden können.
Vorredner haben bereits ausgeführt, dass es unser Be-treben ist, nicht die Arbeitslosigkeit zu fördern, sondernie Rückkehr in Arbeit. Das heißt, die Vermittlung in Ar-eit ist unser erklärtes Ziel und nicht das Verbleiben inrbeitslosigkeit.Meine Damen und Herren, es wurde eben bereits da-uf hingewiesen: Der Ansatz des Integrationstitelsurde zwar insgesamt etwas reduziert; das ist richtig.ber prozentual, das heißt im Verhältnis zu der Anzahler betroffenen Personen, ist er gestiegen. Es gebietetie Ehrlichkeit, den Mitbürgerinnen und Mitbürgernuch das entsprechend zu sagen.
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Paul Lehrieder
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– Frau Pothmer, ich will wiederholen: Wir schärfen diearbeitsmarktpolitischen Instrumente, und das ist gut so.Die christlich-liberale Koalition stellt sich den He-rausforderungen, die die demografische Entwicklung derkommenden Jahre und Jahrzehnte an uns richtet. Wir ge-hen aktiv gegen Alters- und Kinderarmut und den Fach-kräftemangel vor.Wir verbessern weiter die Beschäftigungsbedingun-gen für Frauen und die Vereinbarkeit von Familie undBeruf. Ich will einräumen: Wir haben mit dem Eltern-geld und mit dem Ausbau der Krippenplätze auch mitden Kollegen der SPD in der letzten Legislaturperiodeeiniges richtig gemacht. Das kann man ja einmal neidlossagen. Wir entwickeln das weiter fort. Wir verbesserndie Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter.Wir sorgen für eine bessere Integration unserer Mi-grantinnen und Migranten, um deren Potenziale zu nut-zen, und wir erleichtern älteren Menschen den Zugangzum Arbeitsmarkt. Unter welchen Voraussetzungen undmit welchen Prämissen das erfolgen wird, werden wir inden nächsten Wochen und Monaten diskutieren. FrauGöring-Eckardt, Sie sind herzlich eingeladen, im Aus-schuss mit uns das Für und Wider der einzelnen Maß-nahmen im Rahmen des Rentendialogs zu diskutieren.Wie meine Vorredner schon verdeutlicht haben, mussein vernünftiger und zukunftsorientierter Haushalt zweiFunktionen erfüllen. Er muss für wirtschaftliches Wachs-tum sorgen und jedem Bürger die Möglichkeit geben,sich zu entwickeln und einer Arbeit nachzugehen. Ermuss aber auch solide und finanzierbar sein. Diese Ba-lance, liebe Kolleginnen und Kollegen, hält der vorlie-gende Haushaltsentwurf.Meine Damen und Herren, wir haben gemeinsam be-schlossen, die Schuldenbremse in das Grundgesetz auf-zunehmen.
– Ja, ihr nicht; das weiß ich schon. – Dieser Schritt warwichtig und richtig, um eine nachhaltige und zukunfts-orientierte Politik zu betreiben, eine Politik für unsereKinder und Enkelkinder. Daran wird die christlich-libe-rale Koalition festhalten.
Wie wichtig die Schuldenbremse ist, haben auch Sieheute Morgen in der Debatte von neun bis elf in diesemHohen Hause vernehmen können. Genau diese Schul-dendisziplin muss von den Ländern eingefordert werden,die in den letzten Jahren über ihre Verhältnisse gelebt ha-ben. Wir sind auf einem guten Weg. Wir sollten auf die-sem guten Weg voranschreiten.Wir müssen auch im Bereich Arbeit und Soziales spa-ren. Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposi-tion, wir haben gerade nicht einfach den Rotstift ange-shregtendewvwbasAfedbdAKKEcwAgDdsKimAwre
Die Bundesagentur für Arbeit hat noch im Frühjahr
in Defizit von 5,4 Milliarden Euro zum Jahresende er-
artet. Mittlerweile ergeben die Prognosen einen Wert
on etwa 1,9 Milliarden Euro. Auch hier macht sich die
irtschaftliche und finanzielle Entwicklung sehr positiv
emerkbar. Das heißt, wir werden in den nächsten Jahren
uch bei der Bundesagentur für Arbeit die richtigen Ent-
cheidungen zugunsten unserer Arbeitnehmerinnen und
rbeitnehmer, aber auch zugunsten der Menschen tref-
n,
ie das Pech haben, derzeit keinen Arbeitsplatz zu ha-
en.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin für
ie Fraktion der Sozialdemokraten ist unsere Kollegin
ngelika Krüger-Leißner. Bitte schön, Frau Kollegin
rüger-Leißner.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Frau Ministerin von der Leyen hat ja in ihreningangsworten wieder versucht, uns glauben zu ma-hen, dass sie mit diesem Haushalt alles bewältige: Alleichtigen arbeitsmarktpolitischen und sozialpolitischenufgaben wolle sie damit bewältigen. Wir sehen dasanz anders. Im Übrigen stehen wir damit nicht allein.ieser Haushalt zeigt dramatische Fehlentwicklungen iner Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik auf. Im Übrigen be-tätigen Ihnen, Frau Ministerin, das auch die Länder, dieommunen, die Verbände, die Sozialträger, die Träger Umfeld der Arbeitsmarktpolitik. Nicht zuletzt in dernhörung am Montag – da waren Sie ja nicht zugegen –urde ein vernichtendes Urteil über Ihre Instrumenten-form gefällt.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14627
Angelika Krüger-Leißner
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Die Instrumentenreform hat zusammen mit den Kürzun-gen beim Eingliederungstitel in Höhe von 4 MilliardenEuro verheerende Auswirkungen und stellt letztlichnichts anderes dar als eine Kürzungsorgie.
– Oh, ich war von Anfang bis Ende da.
Aber es hat sich ja schon öfter gezeigt, dass bei IhnenReden und Handeln keine Einheit mehr bilden.Ich habe mir Ihre Kürzungsvorschläge genau ange-schaut. Dabei ist mir ein Bild vor Augen gekommen: InBrandenburg finden wir sehr viele Biber. Wenn ich ander Havel entlangfahre, sehe ich diese freundlichen Zeit-genossen. Sie nagen und nagen so lange am Baum-stamm, bis er instabil wird, ins Wanken gerät undschließlich umfällt. Genau dieses Bild spiegelt sich inIhren Kürzungsplänen wider.
Sie nagen bereits in diesem Jahr mit der Umsetzungder ersten Sparbeschlüsse am soliden Fundament der Ar-beitsmarkt- und Sozialpolitik. Im Bereich der BA unddes SGB II werden rund 2 Milliarden Euro gekürzt. Fürdas nächste Jahr planen Sie eine Verdopplung der Kür-zungen auf dann sage und schreibe 4 Milliarden Euro al-lein in diesem Bereich. Ich finde, das ist ungeheuerlichund entspricht weder den Anforderungen an eine aktiveArbeitsmarktpolitik noch den Erwartungen der Men-schen auf Teilhabe. Für diese Prioritätensetzung imHaushalt tragen Sie allein die Verantwortung.
Bei der BA wollen Sie bis 2015 nur im SGB-III-Bereich11,5 Milliarden Euro einsparen. Dazu kommt noch einVerlust durch das Wegfallen der Einnahmen aus einemhalben Mehrwertsteuerpunkt.Dieses ununterbrochene Nagen, um im Bild zu blei-ben, führt zu leeren Kassen bei der BA und lässt die BAins Wanken geraten. Das hat Ihnen der Chef der BA,Frank-Jürgen Weise, bereits Anfang Februar gesagt. Erhat Sie mit folgenden Worten gewarnt:Und die 3,0 Prozent– also der aktuelle Beitragssatz zur Arbeitslosenversi-cherung –reichen so gerade eben aus, das operative Geschäftzu finanzieren. Sie reichen nicht, um Defizite in-folge der Krise abzubauen oder gar ein Polster fürdie nächste Krise aufzubauen.alisddSFkbkMbe–HhsazdtäkSdlovesruFHtezdK
ein Fazit ist, dass Sie Ihre Prioritäten falsch gesetzt ha-en.Ich will aber nicht nur meckern, ich will Ihnen auchinen Vorschlag machen.
Ja, mit erheblichen Einsparungen. Sie werden staunen. –ören Sie doch auf Ihre Kollegen bei der CDA. Dieseaben nämlich vor einigen Tagen einen klugen Be-chluss gefasst. Ich weiß, dass Ihnen das nicht passt,ber es sind kluge Köpfe dabei, nicht nur der Vorsit-ende, Herr Laumann; auch der Stellvertreter des Bun-esvorsitzenden, Herr Brauksiepe, der ja Ihr Staatssekre-r ist, und Herr Schiewerling sowie, wie ich nachlesenonnte, Herr Weiß sind in der CDA.
ie alle haben sich dazu durchgerungen, zu beschließen,ass es einen allgemeinen flächendeckenden Mindest-hn geben muss. „Endlich!“, kann ich da nur sagen.
Ich kann jetzt nur noch hoffen, dass Frau Ministerinon der Leyen diesen klugen Vorschlag aufgreift undntsprechende Prioritäten setzt. Hier kann sie nämlichparen. Fast 7 Milliarden Euro kann sie mit der Einfüh-ng des Mindestlohns einsparen.Frau von der Leyen, lassen Sie sich nicht von dieserDP aufhalten!
ören Sie auf die Vertreter des Sozialflügels Ihrer Par-i! Es ist noch Zeit, die Prioritäten in diesem Haushaltu verändern.Danke.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Jetzt für die Fraktioner CDU/CSU unser Kollege Axel Fischer. Bitte schön,ollege Axel Fischer.
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Axel E. Fischer (CDU/CSU):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich man-che Aussagen der Kolleginnen und Kollegen Revue pas-sieren lasse, dann frage ich mich, in welchem Land sieeigentlich leben oder was sie heute Morgen zu sich ge-nommen haben.
Wenn die Kollegin Hinz noch da wäre – sie hat bestimmtgute Gründe, nicht da zu sein –, würde ich ihr sagen:Was wir für Eingliederung und Verwaltung für das Jahr2012 vorsehen, nämlich 8,5 Milliarden Euro, ist dergleiche Betrag wie in 2007. Es gibt nur einen kleinenUnterschied: Im Vergleich zu 2007 wird die Zahl derArbeitslosen im SGB-II-Bezug jetzt nur noch auf1,861 Millionen geschätzt. Es steht also deutlich mehrGeld pro Arbeitslosem zur Verfügung. Das muss manhier auch einmal deutlich sagen.
Der vorliegende Haushaltsentwurf trägt eindeutig dieHandschrift der christlich-liberalen Koalition.
Darin ist deutlich die Orientierung an unseren Zielen zuerkennen: die Menschen wieder in Arbeit zu bringen undden Bundeshaushalt zu konsolidieren.Die geplanten Ausgaben von 126,6 Milliarden Euroim Einzelplan 11 liegen um knapp 5 Milliarden Euro un-ter den Ansätzen des laufenden Jahres. Das ist möglichohne Einschnitte bei der Rente, mit erhöhten Hartz-IV-Regelsätzen und mit verstärkter Übernahme der Kostender Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderungdurch den Bund. Die erheblich gesunkenen Haushaltsan-sätze sind ein erfolgreicher Beitrag zur notwendigenHaushaltskonsolidierung und zur Zurückführung derNeuverschuldung des Bundes. Dieser Beitrag wäre ohnedie entschlossene und zielgerichtete Arbeit der christ-lich-liberalen Koalition und der Frau Bundesministerinvon der Leyen in den letzten beiden Jahren nicht mög-lich gewesen.
Er ergibt sich im Wesentlichen aus der geplanten Absen-kung der Ausgaben im Bereich des Arbeitsmarktes.Diese Absenkung ist nur möglich geworden, weil wir dieArbeitslosigkeit erfolgreich bekämpft haben und weiterbekämpfen werden.Gleichzeitig steigen die Ausgaben für die Sozialversi-cherung um mehr als 3 Milliarden Euro auf jetzt 84 Mil-liarden Euro, davon 82 Milliarden Euro für die Rentner;das sind etwa zwei Drittel des Arbeits- und Sozialhaus-halts. Mit diesem Aufwuchs setzen wir trotz allem not-wendigen Sparen ein Zeichen dafür, wie wichtig uns einsicheres Auskommen für unsere Rentner ist; denn Renteist Lohn für Lebensleistung.
scLmZ32loB2disraavgsosmhKliLfüdAsgdhmdlihmNbwnmLsAw
ein, wer arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht ar-eitet. Mit steigender Steuer- und Abgabenlast werdenir keinen wirtschaftlichen Aufschwung fördern kön-en.Leistungsgerechtigkeit in einer Verantwortungsge-einschaft – dieses Leitbild bringt uns weiter als daseitbild von Verteilungsgerechtigkeit in einer Gemein-chaft mit beschränkter Haftung. „TEAM“ darf nicht zurbkürzung für den Satz: „Toll, ein anderer macht’s“erden.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14629
Axel E. Fischer
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Nicht nur die sinkende Zahl der Arbeitslosen bringtEntlastung für den Haushalt; vielmehr ermöglichen ins-besondere Effizienzverbesserungen bei der Arbeits-marktvermittlung im Bereich von SGB II erhebliche Ein-sparungen.
Dies ist ein Verdienst der Umstrukturierung der Arbeits-vermittlung, wie sie in den vergangenen Jahren erfolgtist. Ausgangspunkt war vor sieben Jahren der Streit umdie Aufgabenwahrnehmung bei der Arbeitsvermittlung.
Mit der Zulassung unterschiedlicher Träger – kom-munaler und der Bundesagentur – wurde damals die Saatausgebracht für die Früchte, die wir heute ernten können.Denn nur durch dieses gelungene Experiment konntenvielfältige Erfahrungen in allen Teilen Deutschlands ge-sammelt werden. Diese Erfahrungen sind die Grundlagefür die heutige, vielerorts sehr erfolgreiche Vermitt-lungstätigkeit bei Jobcentern.Dass dies bis heute so erfolgreich umgesetzt wurde,ist nicht zuletzt auch Verdienst der Bundesagentur fürArbeit. Unter Leitung von Herrn Weise hat sich die Bun-desagentur in den letzten Jahren permanent weiterent-wickelt, hat die politischen Entscheidungen erfolgreichumgesetzt und praktikable Lösungen für den Arbeits-markt erarbeitet.
Aufbauend auf diesen positiven Erfahrungen gehenwir schon einen Schritt weiter. Mit der Internetver-gleichsplattform für den SGB-II-Bereich ermöglichenwir es Kommunalpolitikern und anderen Menschen, zujeder beliebigen Tages- und Nachtzeit die Jobcenter inihrer Region und darüber hinaus anzuschauen und ent-sprechend zu bewerten.
Sie sehen, wir nutzen auch die neuen Medien intensiv.Ich glaube, auch da sind wir auf einem guten Weg. Ichmöchte an dieser Stelle Herrn Staatssekretär Fuchtel an-sprechen, der sich hier in besonderer Weise verdient ge-macht hat. Herzlichen Dank für diesen Einsatz!
Sie sehen, der vorgelegte Haushaltsentwurf ist eineideale Grundlage, um bei intensiven Diskussionen in denAusschüssen zu einem Etat zu kommen, der die Ziele,die wir uns setzen – Leistungsgerechtigkeit, Senkung derArbeitslosigkeit und Haushaltskonsolidierung –, inÜbereinstimmung bringt.Herzlichen Dank.
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Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebeollegen! Als letzte Rednerin in dieser Runde sage ich:err Kollege Fischer, Sie haben gerade eben gemeint,ie Opposition habe heute ausnahmslos etwas Komi-ches getrunken, um zu einer ganz anderen Wahrneh-ung des Einzelplans 11 zu kommen als Sie.
en Eindruck hat, glaube ich, die Opposition bei denedebeiträgen von FDP und CDU/CSU in der heutigenunde. Wir haben es also nicht nur mit einem gespalte-em Arbeitsmarkt, sondern offensichtlich auch mit einerespaltenen Wahrnehmung zu tun.
Darum will ich ein bisschen zur Aufklärung beitra-en. Frau Ministerin von der Leyen, Sie haben mit deminweis darauf eingeleitet, der Etat betrage 18 Milliar-en Euro weniger als noch in Krisenzeiten, und das seiöglich dadurch, dass man am Arbeitsmarkt so erfolg-ich gewesen sei. Das ist richtig. Richtig ist auch, dassir alle uns darüber freuen und dass alle in der Regie-ngskoalition, die uns unterstellen wollen, wir würdenns darüber nicht freuen, vollkommen schief gewickeltind. Wir freuen uns darüber. Der Punkt ist nur: Politikarf sich, wenn es gut geht, nicht im Feiern einer Partyenügen. Wir sind im Moment in einer konjunkturell gu-n Zeit; darüber freuen wir uns.
erade im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik ist esber unsere Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen,ie Sicherheit für die Zukunft geben;
as hat sogar der Kollege Schiewerling hier gesagt.Wenn das unser Ziel sein soll, dann ist der Etat unge-ügend. Das ist er deshalb, Frau von der Leyen, weil die8 Milliarden Euro an Ersparnis, die Sie hier angespro-hen haben, eine konjunkturelle Rendite darstellen, diede Regierung, egal wie sie heißt, im Haushalt abbildenürde. Das ist sozusagen Sparen im Schlafwagen. Dieseendite ist das Ergebnis einer guten und vorsorgendenrbeits- und Sozialpolitik mitten in der Krise, damalsemeinsam in der Großen Koalition.Es ist aber Fakt, dass es leider nicht immer so bleibenuss: Es gibt nicht nur von der OECD Hinweise darauf,ass wir beim Haushalt 2012 – über den sprechen wir
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Bettina Hagedorn
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hier – nicht unbedingt davon ausgehen können, dass esimmer so gut weitergeht wie bisher.Wie sind eigentlich Ihr Haus und die Bundesagenturfür Arbeit als wichtiger Player in diesem Feld gerüstet?Die Bundesagentur für Arbeit, die hier schon angespro-chen worden ist, hatte 2008 dank unserer gemeinsamenPolitik noch eine Rücklage von 17 Milliarden Euro. Da-rum war die Bundesagentur für Arbeit in der Lage, in derKrise die von uns gewünschten Instrumente, etwa dasKurzarbeitergeld, einzusetzen. 2009 blieb dann von die-ser Rücklage aufgrund eines Defizits von 15 MilliardenEuro logischerweise kaum noch etwas übrig. 2010 – dawaren wir uns sogar einig – haben wir den Abbau desDefizits bei der Bundesagentur für Arbeit bezuschusst.Jetzt erhält sie ein Darlehen.Sie von der Regierung waren vor neun Monaten derMeinung, dass die Bundesagentur für Arbeit 2011 und2012 ein Bundesdarlehen in Höhe von 7,4 MilliardenEuro in Anspruch nehmen müsse. Dank der guten Kon-junkturdaten, über die wir alle uns freuen, prognostizierenSie jetzt – Frau Dr. Winterstein hat es vorhin gesagt –,dass die Bundesagentur für Arbeit in diesem Jahr einDarlehen von nur 1,9 Milliarden Euro braucht, schon imnächsten Jahr 1 Milliarde Euro davon zurückzahlt und ab2013 wieder eine Rücklage bildet. Sie haben aber nichteinkalkuliert, dass es möglicherweise auch anders kom-men kann.Sie von der Regierung haben aber im Sommer 2010das sogenannte Zukunftspaket – das Kürzungspaket,über das wir hier reden – auf den Weg gebracht, damitdie Schuldenbremse eingehalten wird. Dieses Kürzungs-paket umfasst strukturelle Kürzungen. Für diejenigen amFernseher, die es nicht verstehen: Strukturelle Kürzungbedeutet, dass Sie diese Milliardenbeträge in jedem Fallkürzen, völlig egal, wie sich die Arbeitslosigkeit und dieKrise weiterentwickeln. Das Geld steht also weder derBundesagentur für Arbeit noch in Ihrem Bereich zurVerfügung. Wir reden hier über Summen von über20 Milliarden Euro; die Zahlen sind schon genannt wor-den.Weil sich viele Menschen in der letzten Zeit bei hohenBeträgen, gerade im Milliardenbereich, nicht mehr rich-tig vorstellen können, was sich dahinter verbirgt, sageich Ihnen jetzt konkret, was das eigentlich für das LandBerlin bedeutet.
Man muss dazu wissen, dass diese Kürzungen sehr un-terschiedlich wirken; das haben wir in der Vergangenheitschon besprochen. Der Deutsche Paritätischen Wohl-fahrtsverband hat als Sachverständiger dem Haushalts-ausschuss eine bemerkenswerte Studie dazu vorgelegt.Sie zeigt, dass es gerade in den östlichen Bundesländernund den Stadtstaaten zu einem Kahlschlag kommt, dernoch größer als in anderen Bereichen ist. Auch in denstrukturschwachen Flächenländern im Westen und Nor-den ist es schlimm. Baden-Württemberg und Bayernkommen praktisch ohne Kürzung davon.Sfü1BEruKKwBw4wb1BssKuawmwginadodtileSwDsbfegreMm
Ich muss zum Schluss kommen. Frau von der Leyen,ie sind von Frau Dr. Winterstein dafür gelobt worden,ie brav Sie das Sparpaket umsetzen.
as sollte Sie stutzig machen. Von der FDP, die die BAchon immer auf dem Kieker hatte, so gelobt zu werden,edeutet eigentlich, dass Sie im Kabinett Ihren Job ver-hlt haben. Von Ihnen war der geringste Widerstand ge-en dieses Sparpaket zu spüren. Kollegen von Ihnen wa-n da erfolgreicher als Sie. Das ist bitter für dieenschen, für die Sie Verantwortung tragen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Hagedorn.Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegenir nicht vor.
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Vizepräsident Eduard Oswald
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe die Tages-ordnungspunkte 3 a bis e sowie Zusatzpunkte 3 a bis dauf:3 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zurÄnderung des Umweltauditgesetzes– Drucksache 17/6611 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Rechtsausschussb) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlei-hung der Rechtsfähigkeit an das GemeinsameWattenmeersekretariat – Common WaddenSea Secretariat (CWSSRechtsG)– Drucksache 17/6612 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
RechtsausschussAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungc) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-kommen vom 21. Oktober 2010 zwischen derBundesrepublik Deutschland und dem Groß-herzogtum Luxemburg über die Erneuerungund Erhaltung der Grenzbrücke über die Mo-sel zwischen Wellen und Grevenmacher– Drucksache 17/6615 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungd) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-rung des Beherbergungsstatistikgesetzes unddes Handelsstatistikgesetzes– Drucksache 17/6851 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
InnenausschussAusschuss für Tourismuse) Beratung des Antrags des Bundesministeriumsder FinanzenEntlastung der Bundesregierung für dasHaushaltsjahr 2010– Vorlage der Vermögensrechnung des Bundesfür das Haushaltsjahr 2010 –– Drucksache 17/6009 –Überweisungsvorschlag:HaushaltsausschussZP 3 a)Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-rung von Vorschriften über Verkündung undBekanntmachungen– Drucksache 17/6610 –Überweisungsvorschlag:RechtsausschusstedüFssh
Voß, Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion DIE LINKEUniversaldienste für Breitband-Internet-anschlüsse jetzt– Drucksache 17/6912 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Kultur und Medienc) Beratung des Antrags der Abgeordneten KaiGehring, Krista Sager, Ekin Deligöz, weitererAbgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDen Hochschulpakt weiterentwickeln: MehrStudienplätze, bessere Studienbedingungen undhöhere Lehrqualität schaffen– Drucksache 17/6918 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendHaushaltsausschussd) Beratung des Antrags der Abgeordneten KristaSager, Memet Kilic, Ekin Deligöz, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNENAnerkennung ausländischer Abschlüsse tat-sächlich voranbringen– Drucksache 17/6919 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für GesundheitEs handelt sich um Überweisungen im vereinfach-n Verfahren ohne Debatte.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen anie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zuberweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis c sowie Zu-atzpunkt 4 auf. Es handelt sich um die Beschlussfas-ung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgese-en ist.Tagesordnungspunkt 4 a:Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtsdes Haushaltsausschusses
– zu dem Antrag des Bundesministeriums derFinanzenEntlastung der Bundesregierung für dasHaushaltsjahr 2009– Vorlage der Haushaltsrechnung des Bundesfür das Haushaltsjahr 2009 –
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Vizepräsident Eduard Oswald
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– zu dem Antrag des Bundesministeriums derFinanzenEntlastung der Bundesregierung für dasHaushaltsjahr 2009– Vorlage der Vermögensrechnung des Bundesfür das Haushaltsjahr 2009 –– zu der Unterrichtung durch den Bundesrech-nungshofBemerkungen des Bundesrechnungshofes2010 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung
– zu der Unterrichtung durch den Bundesrech-nungshofBemerkungen des Bundesrechnungshofes2010 zur Haushalts- und Wirtschaftsführungdes Bundes– Weitere Prüfungsergebnisse –– Drucksachen 17/1500, 17/2305, 17/3650, 17/3956Nr. 3, 17/5350, 17/5820 Nr. 5, 17/6423 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Michael LutherUnter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung schlägt derHaushaltsausschuss die Erteilung der Entlastung derBundesregierung für das Haushaltsjahr 2009 vor. Werstimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind dieKoalitionsfraktionen und die Fraktion der Sozialdemo-kraten. Gegenprobe! – Fraktion Bündnis 90/Die Grünenund Linksfraktion. Enthaltungen? – Keine. Somit ist dieBeschlussempfehlung angenommen.Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehltder Haushaltsausschuss, die Bundesregierung aufzufor-dern, a) bei der Aufstellung und Ausführung der Bun-deshaushaltspläne die Feststellungen des Haushaltsaus-schusses zu den Bemerkungen des Bundesrechnungs-hofs zu befolgen, b) Maßnahmen zur Steigerung derWirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der Entschei-dungen des Ausschusses einzuleiten oder fortzuführen,c) die Berichtspflichten fristgerecht zu erfüllen, damiteine zeitnahe Verwertung der Ergebnisse bei den Haus-haltsberatungen gewährleistet ist. Wer stimmt für dieseBeschlussempfehlung? – Das sind die Koalitionsfraktio-nen, die Fraktion der Sozialdemokraten, die Fraktion DieLinke. Gegenprobe! – Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.Enthaltungen? – Keine. Die Beschlussempfehlung ist so-mit angenommen.Tagesordnungspunkt 4 b:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Haushaltsausschusses
zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrech-nungshofesfüIchkfüFde
ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NENKonsequenzen aus dem Zugunglück vonHordorf ziehen– zu dem Antrag der Abgeordneten SabineLeidig, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEUmgehend die Konsequenzen aus dem Un-glück von Hordorf ziehen– Drucksachen 17/5046, 17/4854, 17/4840,17/6131 –Berichterstattung:Abgeordnete Werner SimmlingDr. Anton Hofreiter
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Vizepräsident Eduard Oswald
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Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seinerBeschlussempfehlung die Annahme des Antrags derFraktionen CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/5046mit dem Titel „Sicherheit im Eisenbahnverkehr verbes-sern – Streckennetz mit Sicherungssystemen ausstatten“.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sinddie Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! – Keiner. Enthal-tungen? – Das sind die drei Oppositionsfraktionen. So-mit ist die Beschlussempfehlung angenommen.Wir sind noch beim Tagesordnungspunkt 4 c. UnterBuchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung desAntrags der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/DieGrünen auf Drucksache 17/4854 mit dem Titel „Konse-quenzen aus dem Zugunglück von Hordorf ziehen“. Werstimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind dieKoalitionsfraktionen. Gegenprobe! – Die Linksfraktion,die Fraktion der Sozialdemokraten und die FraktionBündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Keine. Die Be-schlussempfehlung ist angenommen.Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe cseiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antragsder Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/4840 mit demTitel „Umgehend die Konsequenzen aus dem Unglückvon Hordorf ziehen“. Wer stimmt für diese Beschluss-empfehlung? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegen-probe! – Das ist die Fraktion Die Linke. Enthaltungen? –Das sind die Fraktion der Sozialdemokraten und die Frak-tion Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlungist angenommen.Wir kommen zum Zusatzpunkt 4:Beratung des Antrags der BundesregierungAusnahme von dem Verbot der Zugehörigkeitzu einem Aufsichtsrat für Mitglieder der Bun-desregierung– Drucksache 17/6670 –Wer stimmt für den Antrag auf Drucksache 17/6670? –Das sind alle Fraktionen dieses Hauses. Vorsichtshalber:Wer stimmt dagegen? – Niemand. Enthaltungen? – Auchniemand. Der Antrag ist somit angenommen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen dieHaushaltsberatungen fort und kommen zum Geschäfts-bereich des Bundesministeriums für Bildung und For-schung, Einzelplan 30.Ich darf das Wort der Frau BundesministerinDr. Annette Schavan erteilen. Bitte schön, Frau Bundes-ministerin, Sie haben das Wort.
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-dung und Forschung:Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Zu den vornehmsten Aufga-ben einer vorausschauenden, werteorientierten Politikgehört es, die Zukunftschancen der jungen Generationzu sichern. Das ist das große Thema dieser Bundesregie-rung. Das ist der Auftrag des BMBF. Die Zukunftschan-cübtiFdcbepeMmPgtiwnwtesreindZgdwgB–gWbdmE–leSgmle
„Auf“ habe ich gesagt: auf 12,8 Milliarden Euro stei-en.
enn Sie eine Vergleichszahl brauchen, um diese Zahlewerten zu können, nenne ich Ihnen gerne die Zahl ausem letzten Jahr der rot-grünen Bundesregierung: Da-als hatte der Haushalt ein Volumen von 7,6 Milliardenuro, was auch nicht schlecht war.
Lieber Herr Hagemann, wenn ich mir diese zwei Zah-n vor Augen führe, beginne ich, zu verstehen, warumie in jedem Jahr, pünktlich zu den Haushaltsberatun-en, in Berlin etwas streuen – irgendeinen finden Sie im-er, der das dann auch schreibt; irgendwann einmal stel-n wir alle Beiträge zusammen –: Von der Leyen lässt
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Bundesministerin Dr. Annette Schavan
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sich rasieren, und Schavan wird die Geldsäcke nicht los.Mit Verlaub, das erinnert mich an Dinner for One: Sameprocedure as every year.
Die Geschichte geht jedes Jahr gleich aus. Pünktlichzum Ende eines jeden Haushaltsjahres wird klar, dassdas Geld, das dieses Parlament für von diesem Parla-ment beschlossene Projekte und Initiativen zur Verfü-gung gestellt hat, ausgegeben wurde.
Dinner for One ist amüsant; dagegen ist das, was Sietun, schlicht unseriös. Das ist der Unterschied.
Zu den konkreten Zwischenergebnissen dieser Legis-laturperiode gehört, wie ich finde, die ausgesprochen po-sitive Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt. Daszeigt sich gerade jetzt, im September. Diese Entwicklunghat natürlich mit der demografischen Entwicklung inDeutschland zu tun; dieser Trend wird sich in den nächs-ten Jahren fortsetzen. Tatsache ist aber auch, dass imVergleich zum vergangenen Jahr – das sagt die Bundes-agentur für Arbeit – über 10 Prozent mehr Ausbildungs-plätze zur Verfügung gestellt werden.Die Bewerberzahlen sind um 2,5 Prozent gesunken.Rund 91 000 Stellen sind noch unbesetzt. 88 000 jungeLeute sind noch unversorgt.
Die Bilanz wird von Jahr zu Jahr besser; das ist gut. Da-bei ist immer wieder festzustellen, dass die duale Berufs-ausbildung in Deutschland – und damit verbunden dieBereitschaft der Unternehmen, auszubilden – eine tra-gende Säule ist, wenn es um die Sicherung der Zukunft-schancen der jungen Generation geht.
Zwei weitere Maßnahmen möchte ich in diesem Zu-sammenhang nennen, weil ich ihnen große Bedeutungbeimesse. Das eine ist der Deutsche Qualifikationsrah-men. Ich gehe davon aus, dass wir hier schon zumSchuljahr 2012 Konsens zwischen den Sozialpartnern,den Ländern und dem Bund haben werden. Dann kanntatsächlich erreicht werden, worüber wir viele Jahre ge-sprochen haben: eine Gleichwertigkeit von beruflicherund allgemeiner Bildung.
Das heißt, dass das Abitur und anspruchsvolle beruflicheBildung auf einer Stufe stehen. Das halte ich für einenganz wichtigen Punkt. Das ist ein großer Fortschritt mitBlick auf die Gleichwertigkeit von allgemeiner und be-ruflicher Bildung.
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ind ohne Berufsausbildung. Das heißt, es war richtig,ass wir uns entschieden haben, nicht zu warten, bis siehne oder mit schwachem Schulabschluss die Schule ver-ssen, sondern mit mehr individueller Förderung, mehrerufsorientierung und mehr persönlicher Begleitungüher anzusetzen. Auch das ist ein großer Fortschritt. Wirollen, dass jeder junge Mensch in Deutschland einenchulabschluss und eine Ausbildung bekommt und dieöglichkeit zu einem guten Berufseinstieg hat.
2005 haben 37 Prozent eines Jahrgangs ein Studiumegonnen. Wir haben damals in den Koalitionsvertrageschrieben, dass wir die Zahl auf 40 Prozent steigernollen. 2010 liegt diese Quote bereits bei 46 Prozent.
as heißt, die Lust aufs Studieren war noch nie so großie heute. Die jungen Leute wissen, dass es eine tolleache ist und dass es gute Angebote gibt. Sie wissen,ass die Studienfinanzierung verbessert worden ist. Ums noch einmal in Zahlen zu sagen – ich bin dem Parla-ent dafür dankbar, dass wir das gemeinsam auf deneg gebracht haben –: Im Januar 2012 werden die Län-er vom Bund 1,14 Milliarden Euro für den Ausbau destudienangebots bekommen. Im Jahr 2011 haben sie be-its 600 Millionen Euro bekommen. Wir werden einealbe Million neuer Studienplätze in einem überschau-aren Zeitraum schaffen. Das ist ein Fortschritt, den es keinem anderen europäischen Land gibt.
Wir verbessern die Bildungsfinanzierung: Förderbei-äge, Freibeträge, Modernisierung, Internationalisierung,ine deutliche Steigerung der Zahl derer, die BAföG be-ommen – 8 Prozent wurden zusätzlich aufgenommen –,uwachs bei den Begabtenförderungswerken und daseutschlandstipendium.
Das passt Ihnen auch nicht; das weiß ich. Wir könnenerne weiter darüber streiten. – Am Ende der Legislatur-eriode werden wir Bilanz ziehen.
as ist ein richtiges, wichtiges und überfälliges Elementer Bildungsfinanzierung in Deutschland.
Eine wichtige Maßnahme ist das Anerkennungsge-etz. Ich möchte diese Haushaltsdebatte nutzen, alle, dieit uns über das Anerkennungsgesetz diskutieren, zuitten, Sorge dafür zu tragen, dass wir es jetzt zügig ver-
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Bundesministerin Dr. Annette Schavan
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abschieden. Bitte lassen Sie sich nicht auf den verschie-denen Ebenen alles Mögliche einfallen, über das mannoch diskutieren könnte. Bis zu 300 000 Bürgerinnenund Bürger warten darauf, dass dieser Gesetzentwurfverabschiedet wird und dass sie endlich die Möglichkeithaben, ihren im Ausland erworbenen Abschluss aner-kannt zu bekommen. Das ist ein wichtiger Schritt der In-ternationalisierung. Das ist ein wichtiger Schritt der Ge-rechtigkeit. Im Übrigen ist es eine, wie ich finde, nichtmehr haltbare Situation, dass wir in Zeiten, in denen wirüber Fachkräftemangel sprechen, viele Fachkräfte inDeutschland haben, die hier nicht eingesetzt werdenkönnen. Deshalb ist es meine herzliche Bitte – das sageich bewusst an die Länder und an alle Akteure –, jetztdieses Gesetz einzuführen und umzusetzen. Es ist einwichtiges Element der Deckung des Fachkräftebedarfsin Zukunft.
In den nächsten Wochen und Monaten wird uns, dieLänder und den Bund, das Thema Alphabetisierung be-schäftigen. Auch hier – das gilt nicht nur für Deutsch-land, sondern für alle europäischen Länder; aber das istkein Argument – müssen wir gemeinsam mit den Unter-nehmen ansetzen. Wir müssen dafür sorgen, dass unterdem Stichwort „Weiterbildung“ bessere Möglichkeitenangeboten werden. Der Bund ist bereit, da zu investie-ren. Ich appelliere an die Länder, es auch zu tun. Es kannnicht sein, dass der Bund investiert und die Länder dannauf die Idee kommen, dort sparen zu können, weil derBund zahlt. Die Rechnung geht nur auf, wenn sich Bundund Länder gemeinsam engagieren.
Das gilt auch für dieses wichtige Thema.Zu dem, was Wissenschafts- und Forschungspolitikausmacht – manche Kolleginnen und Kollegen haben esgestern Abend bei der Eröffnung der Science Gallery derMax-Planck-Gesellschaft erlebt –, gehört der verstärkteDialog über Wissenschaft und Forschung.
Dazu gehören die Bürgerdialoge, an denen sich vieleBürgerinnen und Bürger beteiligen, ob zur Hightech-Strategie oder zur künftigen Energieversorgung. Dazugehören viele neue Wege der Kommunikation, um nichtnur mit Zahlen, finanziellen Investitionen und neuenKonzepten zu wirken, sondern auch Sorge dafür zu tra-gen, dass die Wissenschaft im Hinblick auf die Zu-kunftsfähigkeit unseres Landes in die Mitte der Gesell-schaft getragen wird.Alles in allem, so finde ich, ist das eine gute Zwi-schenbilanz, an der viele, auch in diesem Haus, mitge-wirkt haben. Das ist das Fundament, um in den nächstenzwei Jahren weiter voranzukommen. Unser Ziel musssein, auch mit Blick auf die europäischen Debatten,Sorge dafür zu tragen, dass die Zukunftschancen der jun-gen Generation in Deutschland sichere Chancen sind.Vielen Dank.
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ie können nicht sagen, wie Sie dafür sorgen wollen,ass alle Kinder und Jugendlichen gleiche Chancen ha-en, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und vomeldbeutel der Eltern. Sie bleiben die Antwort auf dierage schuldig, wie Sie den benachteiligten jungen Men-chen mit Migrationshintergrund Zukunftsperspektiveneben wollen.
Sie haben auch die Chance verpasst, sich zum 40-jäh-gen Bestehen des BAföG klar zu einer gerechten Bil-ungsfinanzierung zu bekennen. Stattdessen fördern Sieit Ihrem nationalen Stipendienprogramm diejenigen,ie ohnehin gute Chancen haben. Handwerklich ist es sochlecht gemacht, dass der Abruf der Mittel fast gleichull ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Bildungs-ähe oder Bildungsferne fangen früh an. Ab 2013 hat je-es Kind einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungs-latz. Aber Sie wissen selber: Der Kitaausbau kommticht schnell genug voran, weil die Kommunen hierfüricht genug Geld haben;
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Dagmar Ziegler
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das hat auch mit der Steuerpolitik zu tun, die Ihre Koali-tion zu verantworten hat.
Und: Der Bedarf ist größer als angenommen. Auch da-rauf wird seitens der Bundesregierung und dieser Koali-tion überhaupt nicht reagiert. Genau hier wäre entschlos-senes Handeln notwendig. Wir alle wissen – auch Siesagen es immer in Ihren Reden –: Frühe Förderung inKitas sorgt für bessere Bildungschancen, bessereSprachentwicklung und bessere Integration. Warum neh-men Sie nicht, um eine bessere Wirkung zu erzielen,frühzeitig mehr Geld in die Hand, um später sinnvoll inSchulen und Hochschulen zu investieren?
Das ist für Sie nicht wichtig. Junge Menschen und kleineKinder haben bei Ihnen nicht die Priorität, die sie habenmüssten.
– Entschuldigung. Die Zahlen im Haushalt sprechen fürsich.
– Bleiben Sie ganz gelassen. Sie können ja gerne nocheinmal richtig ausholen. Lange wird Ihnen dieser Genussnicht mehr bleiben.
Ich möchte Ihnen nur sagen: Schauen Sie sich an, anwelchen Stellen in den Kinder- und Jugendplänen ge-kürzt wird und welche Leistungen für benachteiligte Ju-gendliche gestrichen werden – überall ein großesStreichkonzert.
Sagen Sie nicht, dass Sie die Chancen für Kinder und Ju-gendliche in diesem Land verbessern. Sie verschlechternsie kontinuierlich und von Haushaltsjahr zu Haushalts-jahr. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
2003 hat die rot-grüne Bundesregierung ein 4-Milliar-den-Euro-Programm zum Ausbau der Ganztagsschulengestartet. Die jetzige Regierung tritt bei diesem Themaaber auf der Stelle. Es gibt nichts als Stillstand, keineEntwicklung.
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Ich möchte noch einen Aspekt erwähnen, was denachkräftebedarf angeht. Alle wissen, dass bei denrauen in diesem Land ein Fachkräftepotenzial schlum-ert. Es könnten 460 000 Mütter als Fachkräfte für un-ere Wirtschaft gewonnen werden, wenn es ein flächen-eckendes Ganztagsangebot in Kitas und Schulen gäbe.
uch der Wirtschaftsminister müsste doch dieses Poten-ial sehen. Die Bundesregierung müsste ein Gesamtkon-ept entwickeln, bei dem ein Rad in das andere greift. Je-er Minister und jede Ministerin kocht aber ausrofilierungssucht das eigene Süppchen. Am Ende bleibtas Land auf der Strecke.
Ich kündige Ihnen hiermit an, dass wir einen Antraginbringen werden, in dem wir fordern, dass der Bundinen höheren Finanzierungsanteil am Kitaausbau über-immt. Wir haben am Montag dieser Woche auch einonzept vorgelegt, das zeigt, wie das alles zu finanzie-n ist.
Frau Kollegin, lassen Sie sich nicht irritieren. Sie ha-
en das Wort. Niemand sonst.
Diese Koalition irritiert mich jeden Tag – aber nichtei meiner Rede.Sie, Frau Ministerin Schavan, haben Ihrer Partei einildungskonzept vorgelegt, mit dem Sie nicht mehr er-ichen, als endlich in die Gegenwart zu stolpern. Sieollziehen jetzt das nach, was Sozialdemokratinnen undozialdemokraten seit Jahrzehnten predigen, nämlichass das dreigliedrige Schulsystem ungerecht ist und zueinen guten Bildungserfolgen führt.
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gedacht? „CDU schafft Hauptschule ab“, dasist doch mal eine Meldung! – Gegenruf desAbg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: So einSchwachsinn!)Aber selbst mit diesem kleinen Schritt, den Sie vorschla-gen, überheben Sie sich; denn Ihre eigene Parteibasiswill das nicht, auch Ihre Länderkollegen wollen Ihnennicht folgen, und die Kanzlerin düpiert Sie.Alles in allem ringen Sie um Ihre eigene Zukunft,aber nicht, wie es Ihre Aufgabe wäre, um die Zukunftunseres Landes. Deshalb wird das mit der Bildungsrepu-blik leider nichts mit dieser Koalition.Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner in un-
serer Debatte ist für die Fraktion der FDP unser Kollege
Heinz-Peter Haustein. Bitte schön, Kollege Haustein.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Liebe Frau Ziegler, ich weiß nicht,von welchem Land Sie gesprochen haben, aber der Ein-zelplan 30 von Frau Schavan – Bildung und Forschung –ist eine reine Erfolgsgeschichte.
Da Sie meinen, die Zahlen sagten die Wahrheit, werdeich Ihnen die Zahlen, wie es sich als Haushälter gehört,einmal näherbringen. Bildung und Forschung sind einGrundelement in unserem Land. Wir haben keine Roh-stoffe, aber wir haben die Bildung. Unser Rohstoff sindunsere Gehirne.
Bildung und Forschung schaffen auch Arbeitsplätze.Die Arbeitsmarktstatistik zeigt das auch: Wir haben we-niger als 3 Millionen Arbeitslose. Das ist doch etwas.Auch das ist ein Zeichen dafür, dass die christlich-libe-rale Bundesregierung und dieses Parlament die richtigenWeichen gestellt haben.
Als Haushälter kann ich Ihnen ein paar Zahlen nichtersparen. Der Haushalt umfasst 12,8 Milliarden Euro.Das bedeutet ein Plus von 9,9 Prozent.
Das kann sich wohl sehen lassen.
Das Ministerium selbst braucht 173 Millionen Euro fürdie Verwaltung.Bruhte1D3DowwwewHvs41vKEfülilogHsdDEsnfo6dmwsg
eil wir wissen: Der Fachkräftemangel ist ein Fakt, undir müssen etwas dagegen tun. Wir tun das Richtige.Ich nenne Ihnen aber noch mehr Zahlen, weil Sieben sagten: Zahlen können nicht lügen, Zahlen sagen,as los ist, abgesehen von gewissen – wie sagte der eineerr noch? – Statistiken; auf jeden Fall war es keineron uns.
Zur Position „Wettbewerbsfähigkeit des Wissen-chafts- und Innovationssystems“. Hierfür stehen,8 Milliarden Euro zur Verfügung, ein Aufwuchs von7 Prozent. Meine sehr verehrten Damen und Herrenon Rot-Grün, ein Aufwuchs von 17 Prozent bei diesemapitel! Für den Hochschulpakt sind 1,45 Milliardenuro vorgesehen; er ist bis 2020 konzipiert. Die Mittelr den Qualitätspakt Lehre belaufen sich auf 175 Mil-onen Euro, ein Plus von 25 Prozent.
Stichwort Fachkräftemangel. Wir entwickeln den Bo-gna-Prozess weiter. Dafür sind 45 Millionen Euro vor-esehen. Für das Kapitel „Forschung für Innovationen,ightech-Strategie“ sind 4,85 Milliarden Euro einge-tellt, ein Plus von 7 Prozent. Diese Zahlen können sichoch sehen lassen.
arin sind für die Gesundheitsforschung 261 Millionenuro enthalten, ein Plus von 47 Prozent.Auch bei der Klimaforschung – das versteht sich vonelbst – gibt es ein Plus von 52 Prozent, also 277 Millio-en Euro. Für die naturwissenschaftliche Grundlagen-rschung sind 237 Millionen Euro geplant, ein Plus von7 Prozent. Uns ist klar, dass man die Energiewende miter jetzigen Technologie nicht schafft. Ein Elektroautoit einer Speichertechnologie von vorgestern ist irgend-ann so nicht mehr zu bauen. Wir brauchen neue For-chung, neue Innovationen, neue Technologien. Deshalbeben wir dafür so viel Geld aus.
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Heinz-Peter Haustein
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Zusammengerechnet ergeben diese Zahlen 12,8 Mil-liarden Euro. Die Frau Ministerin hat es schon angespro-chen, und auch ich habe mir angeschaut, was Rot-Grünin seiner Regierungszeit gemacht hat. Sie, also dieseSeite des Hauses, haben sieben Jahre lang regiert und insieben Jahren eine Steigerung um 900 Millionen Euroerzielt. Die andere Seite dieses Hauses hat in drei Jahrenbereits eine Steigerung von 2 600 Millionen Euro fürdiesen Bereich erzielt. Das macht den Unterschied. Aufder einen Seite sitzen die Bremser, auf der anderen Seitedie Lokführer.
Sie haben es verpennt, wir haben den Turbo reinge-hauen.In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein herzlichesGlückauf aus dem Erzgebirge.
Vielen Dank, Kollege Haustein. – Jetzt spricht für die
Fraktion Die Linke unsere Kollegin Frau Dr. Petra Sitte.
Bitte schön, Frau Kollegin Dr. Sitte.
Danke, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren!Wir führen diese Debatte in einer Zeit, da längst öffent-lich über die Zukunft der Zivilgesellschaft, den sozial-ökologischen Umbau, ja sogar die Systemfrage disku-tiert wird.Wie auch immer die Antworten ausfallen mögen, ei-nes ist sicher: Das bisherige einseitig technologieorien-tierte Wachstumsmodell ist an seine Grenzen gestoßen.Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Diszipli-nen können, wollen und müssen die systemischen Zu-sammenhänge ebenjener vielfältigen Krisen, vor denenwir jetzt stehen, komplex bearbeiten. Es geht am Endeum nichts Geringeres als um Erkenntnisse, wie leis-tungsfähigen, solidarischen und demokratischen Ge-meinschaften sowie Menschen ein würdevolles Lebenermöglicht und nachfolgenden Generationen ein lebens-fähiger Globus erhalten werden kann. Daran muss sichdas, was Sie hier vorlegen, messen lassen.Dabei fordert die Linke, dass mit den Milliarden öf-fentlicher Forschungsmittel, die Sie gerade gepriesen ha-ben, konsequent gemeinnütziges Wissen erarbeitet undeine verantwortungsvolle Technikfolgenabschätzung be-trieben wird.
– Nein, genau das machen Sie nicht. – Mit Blick auf denHaushalt stellt man fest, dass die Bundesregierung dieZeichen der Zeit eben nicht verstanden hat. Wissen-schaftsförderung wird in erster Linie immer noch wieWsnjüTSWgling–SpsbsAwmwnknrauk–EmlitigdmbingPgfoeimd
Nein, das machen Sie nicht. Sie haben 800 Millionenuro in eine Pharmainitiative gesteckt. Das Geld bekom-en also jene Konzerne, die seit Jahren Gewinne in Mil-ardenhöhe einfahren. Was tun die Konzerne gegenwär-g? Sie fordern noch mehr Geld und reduzierenleichzeitig ihre eigenen Forschungsausgaben. Das passtoch nicht zusammen. Demzufolge wird für nichtkom-erzielle klinische Studien immer weniger Geld übrigleiben. Es sollen nur noch mickrige 30 Millionen Euro diesem Bereich eingesetzt werden. Das halten wir füränzlich inakzeptabel.
Klinische Studien können bekanntermaßen nur mitatientinnen und Patienten realisiert werden. Das ist lo-isch. Also sollen in die neuen Zentren für Gesundheits-rschung bei der Helmholtz-Gemeinschaft Uniklinikaingebunden werden. Das ist ein interessanter Gedanke,merhin behandeln sie Tausende von Patienten auf me-izinisch höchstem Niveau. Das Problem ist nur: Die fi-
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Dr. Petra Sitte
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nanzielle Situation beider Akteure ist gänzlich verschie-den. Die Hochschulmedizin in unserem Land istdramatisch unterfinanziert. Sie müsste endlich ihren In-vestitionsstau überwinden können, und sie müsste zu-gleich den Kostendruck in der Krankenversorgung über-winden können. Die neuen Millionen sollten aus unsererSicht weniger für neue Strukturen, als vielmehr zur Mo-bilisierung der vorhandenen Potenziale in Universitäts-klinika eingesetzt werden, um weitere Forschungspoten-ziale zu erschließen. Dazu müsste man allerdingsgemeinsam mit den Ländern schnelle Lösungen finden.Statt also satte Pharmakonzerne noch satter zu machen,hätte man, wie es die Linke seit Jahren fordert, die Uni-klinika stärken müssen, indem man dort investiert.
Noch eine Anmerkung zu unserer Kritik an der Ge-sundheitsforschung aus globaler Sicht. Es geht mir umarmutsbedingte Krankheiten. Meistens sind sie chro-nisch, sie sind oft nicht tödlich und sie grassieren vor al-lem dort, wo es Hunger, Armut, mangelnde Hygiene so-wie schlechte bis gar keine medizinische Versorgunggibt. Im Gesundheitsforschungsprogramm taucht nunder Bereich Impfstoffentwicklung auf. In der Tat bietenneue, beispielsweise in Berlin an der Charité entwickelteVerfahren zu Bekämpfung von TBC – übrigens entwi-ckelt mithilfe öffentlicher Mittel – neue Chancen für dieBetroffenen. Deshalb sehen wir Deutschland als einesder reichsten Länder, aber eben auch die Pharmakon-zerne in der Verantwortung zur Umsetzung der UN-Mil-lenniumsziele; denn diese beinhalten unter anderem,dass Impfstoffe und Therapien genau jene Menschen er-reichen müssen, die sie am dringendsten brauchen, siesich aber am wenigsten leisten können.Was ist unsere Forderung an die Bundesregierung?Unsere Forderung an die Bundesregierung ist, dass manmit derartigen Förderprojekten endlich für faire und ge-rechte Lizenzen sorgt, Lizenzen, die es ermöglichen,dass die Produkte bei den Betroffenen ankommen unddass sie für die Entwicklungsländer auch wirklich be-zahlbar sind.
Vor allem aber müssten deutlich mehr Mittel zur Lösungglobaler Gesundheitsprobleme eingesetzt werden. Siehaben in Ihrem Haushalt lediglich 20 Millionen Eurovorgesehen, aber nicht etwa für das nächste Jahr, son-dern auf vier Jahre verteilt. Auch das ist angesichts unse-res Reichtums schlicht und ergreifend beschämend.Lassen Sie mich zum Schluss kommen, meine Damenund Herren. Gesundheit bestimmt unmittelbar und indi-viduell Lebensqualität. Das weiß jeder von uns; jeder hatseine Erfahrungen damit gemacht. Versäumnisse in derForschung von heute gefährden Menschen und Gesell-schaften von morgen. Die Erde ist rund. Krankheitenmachen nicht vor Staatsgrenzen hält. Aus diesem Grundkönnen wir nur Erfolge erzielen, wenn wir konsequentglobal handeln und kooperativ vorangehen.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zweiteute Botschaften zu Beginn, auch wenn das für die Op-osition vielleicht ungewöhnlich ist: Die Ausgaben fürildung und Forschung steigen tatsächlich um knapp0 Prozent. Darüber freuen wir uns, weil das für Bildungnd Forschung gut ist.
Frau Schavan ist als Ministerin auch für lebenslangesernen zuständig. Ich freue mich, dass sie auch selberazugelernt hat. Letztes Jahr haben Sie nämlich trotz un-eres Protestes die Mittel für die Berufsorientierung radi-al gekürzt. Diesen Fehler korrigieren Sie jetzt wieder.ie haben den Mittelansatz für den internationalen Aus-usch deutlich gesenkt. Dieser Ansatz wird wieder er-öht. Außerdem wollen Sie sich mit der Union von derauptschule verabschieden. – All das ist richtig. Da ha-en Sie dazugelernt. Wir freuen uns, dass Sie grüneneen folgen, wenn auch manchmal etwas später. Abermerhin: Sie lernen dazu.
Jetzt endet leider die positive Bilanz des lebenslangenernens, und ich komme zu den Problemen, die Sie mitrer Politik machen oder haben, und damit auch zu denchwerpunkten, die Sie im Haushalt setzen.Der Fachkräftemangel, den Sie ebenso wie Frau voner Leyen und der Wirtschaftsminister betont haben,üsste Sie zum Handeln drängen. Aber ein Blick in denaushalt zeigt, dass die Weiterbildungsmittel, die Sietztes Jahr um 20 Prozent gekürzt haben, nicht einmaluf das alte Niveau aufgestockt werden.Bei der Weiterbildungsallianz kommt mir nicht soehr Ihr Bild des „Same procedure as every year“ in deninn wie der Film Und täglich grüßt das Murmeltier. Sieommt nämlich auch immer wieder, und bis heute istichts daraus geworden.
Ein durchdachtes Konzept für eine bessere Weiterbil-ungsberatung lässt auf sich warten. Auf das Gesetz zurnerkennung ausländischer Abschlüsse warten wir undor allem diejenigen, die es betrifft, die eine Anpas-ungsqualifizierung brauchen und endlich arbeiten wol-n, seit eineinhalb Jahren, und das nur, weil Sie nicht zuotte kommen. Das ist eine sehr schlechte Bilanz fürine Bildungsministerin.
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Priska Hinz
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Im Übergangssystem sind immer noch 400 000 Ju-gendliche, obwohl es eine Entspannung auf dem Ausbil-dungsmarkt gibt. Darüber hinaus gibt es aber, wiegesagt, 1,5 Millionen junge Menschen ohne Berufsab-schluss. Statt in der Weiterbildung durchdachte Kon-zepte zu erarbeiten, die Ausbildung, Qualifizierung undWeiterbildung verzahnen und diesen jungen Menscheneine Chance geben – diese Kompetenz haben Sie alsBundesministerin –, ist an dieser Stelle von Ihnen nichtszu verzeichnen.Was die Bertelsmann-Stiftung tut, nämlich mit denLändern Konzepte zu entwickeln, wie man das Über-gangssystem eindampfen kann, wäre eigentlich IhreAufgabe gewesen. Das ist eine staatliche Aufgabe undnicht die einer privaten Stiftung.
Sie von der Koalition haben vorhin über die Aussagevon Frau Ziegler, dass viel Geld im Haushalt stehe, abernicht alles ausgegeben werde, gelacht. Wir haben letztenWinter im Haushaltsausschuss erleben müssen, dass dieKoalition einen Maßgabebeschluss gefasst hat, wonachAusgabenreste in Höhe von 88 Millionen Euro übertra-gen werden. Das betraf Bereiche von Programmen, diedie Ministerin unbedingt durchführen wollte, welcheaber aus unserer Sicht unsozial und nicht durchdachtsind und für die sie das Geld nicht ausgeben kann. Ichnenne als Beispiel das Stipendienprogramm, das bisheute ein echter Rohrkrepierer ist. Immer noch sindnicht mehr als 25 Prozent der Mittel ausgeschöpft, aberSie wollen dieses unsoziale Projekt im kommendenHaushalt mit weiteren Mitteln ausstatten.
Im Bereich der Bioökonomie versenken Sie Millio-nenbeträge in die Grüne Gentechnik, obwohl niemandgentechnisch veränderte Nahrungsmittel auf dem Tellerhaben will. Vielleicht wird das Urteil über den Honig,der Spuren von gentechnisch veränderten Pollen ent-hielt, zu einem Umdenken bei Ihnen führen.Sie fördern weiterhin die Fusionsforschung. Sie hal-ten an der Finanzierung des Fusionsreaktors ITER fest.
Es gibt nur zwei Dinge, die hinsichtlich dieses Projektsfeststehen: stetige Kostenexplosion und Verschiebungder Zeitpläne. Niemand braucht Ergebnisse einer teurenFusionsforschung, die erst ab dem Jahr 2050 nutzbarsind. Bis dahin müssen wir auf erneuerbare Energienumgestiegen sein. Da müssen Sie Geld hineinstecken.
Das Ausgeben von viel Geld bedeutet nicht unbe-dingt, dass gute Politik gemacht wird. An Ihrem Haus-hsuALvinBDdDnoghinNüEZaEKnoligEdAindfiMsnd
Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist
nser Kollege Albert Rupprecht. Bitte schön, Kollege
lbert Rupprecht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!iebe Kollegen! Wir erleben derzeit weltweit, dass inielen Industrieländern, in den USA, in Großbritannien, Frankreich und anderswo, im Bereich Forschung undildung dramatisch gekürzt, gestrichen und rasiert wird.ie Haushaltsschulden erzwingen solche Maßnahmen iniesen Ländern. Wir erleben andererseits, dass wir ineutschland die siebte Steigerung dieses Etats auf eineues Rekordniveau haben.Frau Ziegler, ich schätze Sie eigentlich als sehr sach-rientierte Kollegin, aber wenn Sie hier die Aussage wa-en, dass wir für Kinder und Jugendliche nichts übrigätten, dann frage ich Sie, was mit diesen Steigerungen unserem Haushalt passiert.
och einmal die Zahlen: 2012 steigen die Mittel gegen-ber dem Vorjahr um 10 Prozent auf 12,8 Milliardenuro. Das bedeutet eine Steigerung im Vergleich zu dereit, als Sie Verantwortung trugen – 2005, als Rot-Grünbgewählt worden ist –, um 69 Prozent.
s ist schlichtweg absurd, zu behaupten, wir hätten fürinder und Jugendliche, für Forschung und Bildungichts übrig. Man kann über jedes einzelne Programmder jede einzelne Maßnahme reden, aber es ist unred-ch, zu behaupten, wir hätten nichts für Kinder und Ju-endliche übrig.
s ist eine weltweit herausragende Leistung, die wir mitiesem Haushalt erbringen. Diese Leistung wird mitusnahme von einigen Ländern des asiatischen Raums keinem Land der Welt erreicht.Wir erleben derzeit, dass US-Wissenschaftler besorgtie Frage stellen, wie sie im nächsten Jahr ihren Haushaltnanzieren sollen, in einem Land, in dem angeblichilch und Honig für Wissenschaftler fließen. Sie sind be-orgt, weil sie nicht wissen, ob sie im nächsten Jahr die Fi-anzierung noch sicherstellen können. Wir erleben aufer anderen Seite, dass wir in Deutschland den Wissen-
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Albert Rupprecht
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schaftlern der Institutionen, für die wir auf BundesebeneVerantwortung tragen – Helmholtz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft, Leibniz-Gemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft und DFG –, nicht nur sagen können, dass wirdas Vorjahresniveau halten, sondern ihnen sogar einenZuwachs um 5 Prozent versprechen können. Mehr noch:Nicht nur in diesem Jahr bekommen sie einen Zuwachsvon 5 Prozent, sondern es gibt die Zusage, dass sie biszum Jahr 2015 jedes Jahr eine Steigerung von 5 Prozenterhalten.
Das ist gelebte Kontinuität, das ist gelebte Verläss-lichkeit, und das ist gelebte Prioritätensetzung für For-schung und Bildung. Aber das ist auch eine Geisteshal-tung, die in der Tat durch die Kanzlerin geprägt ist. Daswar schon in der Großen Koalition so, und das wird inder jetzigen Koalition fortgeführt. Wir sind neugierigund offen für neue Technologien, weil wir der festenÜberzeugung sind, dass wir nur mit neuen Technologienund mit Forschung die Probleme der Menschheit lösenkönnen.Unter Rot-Grün war es ganz anders: Damals sindmassenweise Wissenschaftler, die über Zukunftstechno-logien forschen, in die USA ausgewandert oder, bessergesagt, geflohen.
– Natürlich ist das der Fall.
– Beispielsweise Wissenschaftler aus der Biotechnolo-gie.
Wir stellen auf der anderen Seite fest – Befragungenzeigen das –, dass sich im Augenblick 80 Prozent derWissenschaftler aus Deutschland, die im Augenblick inden USA tätig sind, überlegen, nach Deutschland zu-rückzukommen – 80 Prozent!
Wir stellen fest, dass Deutschland als Wissenschafts-und Forschungsstandort wieder attraktiv ist. Wir werdendiesen Standortvorteil, den wir als Politiker, als Ent-scheider gestalten, knallhart nutzen, und wir werden ver-suchen, die besten Köpfe für Deutschland zu gewinnen.Wir werden im Hinblick auf Wissenschaftler und For-scher das Zuwanderungsrecht verbessern.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir geben nicht nurmehr Geld aus, sondern wir setzen auch wichtigeSchwerpunkte. Wir wollen, dass die Zahl der Kinder undJugendlichen ohne Schul- oder Berufsabschluss halbiertwird. Deswegen setzen wir auf das Instrument der Bil-dungsketten. Wir investieren dort einen Betrag von1sBwdgLdAsdfrVgruSHteg1impVQdsF1d3hsfinLsudAmRmFswHm
ährend Brandenburg, Ihr Heimatland, Frau Ziegler, imochschulbereich massiv kürzt. Schüler und Studentenarschieren dort zu Tausenden auf die Straßen.
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Albert Rupprecht
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Es geht natürlich nicht, dass Länder auf Finanzie-rungswege wie Studiengebühren verzichten und an-schließend beim Bund auf der Matte stehen und verlan-gen, dass er ihre Aufgaben und Ausgaben kompensiert.
Zum Zweiten muss, wenn es um die Weiterführungder Pakte geht – wie ich meine –, einiges neu austariertwerden. Das kann im Ergebnis auch heißen, dass derBund mehr Aufgaben übernimmt. Aber ich denke, dasmuss immer mit Mehrwert begründet sein. In einer föde-ralen Struktur ist das Subsidiaritätsprinzip das entschei-dende Kriterium. Letztendlich muss das von Thema zuThema genau durchdacht werden.Sehr geehrte Damen und Herren, auch im Bereich derForschung erhöhen wir die Ansätze und setzen inhaltli-che Schwerpunkte. Bei der institutionellen Forschungs-förderung im außeruniversitären Forschungsbereich ge-ben wir 5 Prozent mehr aus; wir erhöhen den Ansatz auf4,3 Milliarden Euro.Bei der Projektförderung gibt es eine erhebliche Stei-gerung auf 5,4 Milliarden Euro. Für die Gesundheitsfor-schung stehen im Jahre 2012 1,38 Milliarden Euro zuVerfügung. Das ist nahezu eine Verdoppelung gegenüberdem Ansatz von Rot-Grün im Jahr 2005.Für die Energieforschung – das ist einer unsererSchwerpunkte – geben wir im Gesamthaushalt bis 20143,5 Milliarden Euro aus. Davon entfallen 80 Prozent auferneuerbare Energien. Im Jahr 2012 sind das 657 Millio-nen Euro.
Sehr geehrte Damen und Herren, auch in diesem Be-reich lässt sich nachweisen, dass wir die Projektförder-mittel im Einzelplan 30, beispielsweise im Bereich Ener-gieeffizienz, erneuerbare Energien, gegenüber dem An-satz von Rot-Grün im Jahre 2005 verdreifacht haben.Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Wir haben alsUnionsfraktion unsere Anliegen im Vorfeld eingebracht.Wir werden im Laufe der Verfahren nur noch wenigeÄnderungsanträge einbringen müssen; denn unsere An-liegen sind weitestgehend oder fast alle berücksichtigt.Wir haben im Jahre 2012 im Bereich Forschung undBildung eine Steigerung um 10 Prozent. Das ist interna-tional vorbildlich; das ist hervorragend, ausgezeichnet.Das ist vor allem gegenüber den Ansätzen in der Zeit, alsSie von Rot-Grün Regierungsverantwortung hatten, eineSteigerung um 69 Prozent. Das, sehr geehrte Damen undHerren, ist ein Quantensprung.Danke schön.
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Bitte schön, Kollege Schirmbeck.
Kollege Hagemann, das finde ich sehr sympathisch. –
Sie haben eben davon gesprochen, wo wir am Ende der
Regierungszeit von Helmut Kohl waren. Jetzt muss man
auch fragen: Wo waren wir, als Helmut Kohl die Regie-
rung übernommen hat?
Was hat die sozialliberale Koalition hinterlassen? Erst
dann können Sie die Lebensleistung von Helmut Kohl
nachvollziehen. Von daher wäre das schon einmal eine
ganz interessante Frage.
Mein Landsmann Helmut Kohl hat den Satz geprägt:Wichtig ist, was hinten herauskommt.
Dann schauen wir uns einmal an, was bei Forschung undBildung hinten herausgekommen ist: Der Ausgangs-punkt der rot-grünen Koalition waren 5 Milliarden Euro;ich sagte es schon. Wir haben dann den Pakt für For-schung und Innovation oben draufgepackt. Die Ansätzefür diesen werden jetzt wieder aufgebaut – völlig d’ac-cord. Unter Rot-Grün wurde die Exzellenzinitiative, diefür Furore bei den Universitäten gesorgt hat, gestartetund in der Großen Koalition umgesetzt. Unter Beteili-gung der SPD wurde zu Zeiten der Großen Koalition derHochschulpakt I und II gestartet. Gemeinsam haben wirden Cluster-Wettbewerb gestartet. All das ist aufgebautworden. Wir haben die Hightech-Strategie zusammenmit Ihnen, lieber früherer Koalitionspartner, entwickeltund in die Tat umgesetzt. Wir haben eine deutlicheBAföG-Erhöhung durchgesetzt, bei der wir Sie zum Ja-gen tragen mussten.
Wir haben in dieser Zeit unter Beteiligung der SPD, aberohne die FDP, lieber Kollege Schirmbeck, die Mittel fürdie Begabtenförderungswerke aufgestockt. Sie haben sieim vergangenen Jahr leider wieder heruntergefahren.Jetzt fahren Sie die Mittel endlich wieder nach oben,nachdem die Begabtenförderungswerke Rabatz gemachtund sich beschwert hatten. Also, lieber Kollege, soschlecht ist es gar nicht, was die Sozialdemokraten zuverantworten oder mitzuverantworten haben.
Sie sehen also, lieber Kollege Schirmbeck, wie wir dieDinge weiterentwickelt haben.Lassen Sie mich in meinen Ausführungen fortfahren:Sie haben das 12-Milliarden-Euro-Programm vorgelegt,liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, Frau Minis-terin, aber Sie haben immer noch nicht titelscharf festge-legt, wohin die 12 Milliarden Euro fließen werden. Wirerwarten, dass uns dies bald vorgelegt wird.–isEfrAJsfaDbJtigFMPsdnAaimrerehcdzDmnwgdwV–dwc
Nein, das ist kein dummes Zeug, Kollege Rehberg. Est Realität. Es liegt keine titelscharfe Festlegung aufinzelmaßnahmen vor.
Bildung kommt ja nicht nur im Einzelplan 30 vor. Ichage Sie beispielsweise, warum Sie im Einzelplan 11,rbeit und Soziales, im Bereich Bildung die Mittel fürugendliche, die keinen Schulabschluss bzw. keine abge-chlossene Ausbildung haben, sehr deutlich nach untenhren.
as Jobcenter in Alzey-Worms, in meinem Landkreis,ekommt 25 Prozent weniger Mittel für Maßnahmen fürugendliche.Warum führen Sie Kürzungsmaßnahmen bei der poli-schen Bildung durch? Warum kürzen Sie bei dem Pro-ramm zur Humanisierung der Arbeitswelt? Gerade dieorschung auf diesem Sektor ist doch wichtig, wennenschen einigermaßen fit bis 67 Jahre arbeiten sollen.Was nützen die schönsten Zahlen und die schönstenrogrammtitel, liebe Kolleginnen und Kollegen, wennie nur auf dem Papier stehen und nicht umgesetzt wer-en, wenn wir Minderausgaben haben bzw. zusätzlichoch Mittel in die globale Minderausgabe fließen sollen?llein im letzten Jahr sind 325 Millionen Euro nicht ver-usgabt worden; und in den letzten sieben Jahren ist dasmer wieder geschehen.Dann schauen wir uns einmal die Situation der Studie-nden an – im Oktober beginnt ja das neue Semester –:Erstes Beispiel: Das elektronische Zulassungsverfah-n ist ein Flop. Es geschah nichts. Sie, Frau Ministerin,aben nicht rechtzeitig die Reißleine gezogen. Ich ma-he Ihnen persönlich keinen Vorwurf, aber ich halte fest,ass man die HIS zu lange hat gewähren lassen und dassu spät die Leine gezogen wurde.Zweites Beispiel: Hochschulbau. Wir wissen, meineamen und Herren, dass gerade angesichts der im Mo-ent starken Studierendenjahrgänge Hochschulbautenotwendig sind. Wie spiegelt sich das aber in den Zahlenider? Seit 2007 wurden in keinem Jahr alle Mittel ab-erufen. Es liegen damit 0,5 Milliarden Euro auf Halde,ie eigentlich für den Hochschulbau hätten eingesetzterden müssen. 500 Millionen Euro stünden hier zurerfügung. Hier spielen natürlich die Länder mit hinein.
Ja. – Aber wenn Sie ständig die Steuern senken unden Ländern die Einnahmen wegnehmen wollen,
o bleibt dann den Ländern die Möglichkeit, entspre-hend zu investieren und kozufinanzieren?
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Klaus Hagemann
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Drittes Beispiel: Das Deutschlandstipendium istschon beleuchtet worden; bisher ist es auch nur ein Flop.Zwei Drittel der Ausgaben sind für Werbung, ein Drittel,1,5 Millionen Euro, Ausgaben für das Stipendienpro-gramm. Wenn Sie das Geld für die Begabtenförderungoder das BAföG ausgegeben hätten, wäre das erfolgrei-cher gewesen.Zum Schluss zum Qualitätspakt Lehre, der dazudient, dass der Unterricht in den Universitäten besserwird. Hierfür stehen 200 Millionen Euro zur Verfügung.Nach Ihrer Statistik, die wir dieser Tage erhalten haben,sind bis Ende August 0,6 Prozent abgeflossen. 111 Uni-versitäten sind zuvor ausgewählt worden, aber zumin-dest bis Ende August sind noch keine Bescheide hinaus-gegangen. Die Universitäten warten dringend auf dieseMittel, damit sie die Lehre in den Universitäten verbes-sern können.
Es bleibt also viel zu beraten. Ich freue mich auf dieDiskussionen morgen im Berichterstattergespräch undim Haushaltsausschuss.Herzlichen Dank.
Nun hat Martin Neumann für die FDP-Fraktion das
Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrter Herr Hagemann, gehen Sie bittedavon aus, dass kein Geld, so wie Sie es eben behauptethaben, liegen bleiben wird. Vielmehr folgen Wissen-schaft, Bildung und Forschung einer besonderen Spezi-fik, und da geht es tatsächlich darum, das Geld sinnvollund langfristig auszugeben.Der uns vorliegende Einzelplan 30 für das Haushalts-jahr 2012 ist eben nicht, wie Sie es hier gesagt haben, einbloßer Sammelkatalog von kurz- und mittelfristigenMaßnahmen im BMBF, sondern Ausdruck – das ist dasNeue, hören Sie da genau zu – einer langfristig angeleg-ten wissenschafts- und forschungspolitischen Strategie.
Diesem Gedanken folgend hat die christlich-liberaleKoalition den zugesagten Aufwuchs der Finanzmittelvorgenommen. Die Zahlen sind mehrfach genannt wor-den. Wir haben ein Volumen von 12,8 Milliarden Euro;das ist eine Steigerung um 1,2 Milliarden Euro, und dasvor dem Hintergrund einer umfassenden Haushaltskon-solidierung. Damit kommt sehr deutlich zum Ausdruck,welchen Stellenwert diese Koalition Wissenschaft undForschung beimisst.zFsfofoEligisisreDvszdgM6mbmgnmPhnudKgdwdvteMakdladcüDkd
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mal formulierte: „Dem Anwenden muss das Erkennenvorausgehen“.Wie wichtig dies ist, stellen wir gegenwärtigschmerzlich im Bereich der Elektrochemie vor dem Hin-tergrund der Energiespeicherfrage fest. Insofern ist esgeradezu ein Gebot, die Grundlagenforschung intensivzu fördern und damit das deutsche Wissenschaftssystemfür die wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungenzu stärken.
Ein letzter Satz zum Thema Hochschule: Hier sinddie Verantwortlichkeiten klar; sie liegen bei den Län-dern. Wir wollen mit dem Hochschulpakt 2020 die In-vestitionen um 60 Prozent auf 1,46 Milliarden Euro an-heben. Denn Hochschulen sind nicht nur ein wichtigerPfeiler des deutschen Wissenschaftssystems und damitseiner Leistungsfähigkeit, sondern nach meinem Ver-ständnis auch der Ort, wo Grundlagenforschung stattfin-det und diese in die Anwendung überführt werden kann.Dieses klar gezeichnete Profil zeichnet den Haus-haltsplan aus –
Herr Kollege, der letzte Satz ist schon sehr lang, und
Sie haben die Zeit schon deutlich überschritten.
– und sollte nach meinem Dafürhalten in den anste-
henden Beratungen nicht verwässert werden.
Danke schön.
Das Wort hat nun Rosemarie Hein für die Fraktion
Die Linke.
Danke schön, Herr Präsident. – Meine Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss Ih-nen sagen: Die Zahlenjongliererei, die wir vorhin vorge-führt bekamen, finde ich einigermaßen erbärmlich. Esgeht doch nicht um die Frage, wer es erfunden hat: dieCDU oder die SPD; oder waren es vielleicht doch dieSchweizer?
Es geht um die Zukunftschancen junger Menschen indiesem Land, und dazu sollte der Bildungshaushalt einenBeitrag leisten. Diesen Satz der Ministerin könnte ichglatt unterschreiben, nur leistet der Bildungshaushalt dasnicht.
Ich kann schon verstehen, dass die Ministerin wenig er-freut gewesen ist über die jüngste Pressemeldung, dassssdd–dvsugLwwudwlewmwskflledeDredczsAnawnteruHs
Das ist keine Zahlenspielerei, das ist eine Tabelle ausem BMBF. – Wenn man sich anschaut, welche Projekteon dieser geringen Auslastung betroffen sind, danntellt man fest: Es sind die Prestigeobjekte der Koalitionnd der Bundesregierung – die Bildungsketten, das so-enannte Deutschlandstipendium und der Qualitätspaktehre.In all diesen Positionen schaffen Sie lange nicht das,as Sie vorgeben, schaffen zu können. Das kritisierenir heftig,
nd zwar nicht, weil wir diese Projekte nicht schön fin-en, sondern weil das Geld woanders besser aufgehobenäre.
Wir werden nicht kritisieren, dass Sie an anderen Stel-n zum Teil Geld draufsatteln; denn Geld für Bildungird sehr dringend gebraucht. Insgesamt muss für allge-eine und berufliche Bildung deutlich mehr aufgebrachterden.Trotzdem müssen Sie uns einmal erklären, worausich zum Beispiel der höhere Bedarf bei den Bildungs-etten ergibt, wenn bis zum 31. Juli kaum etwas abge-ossen ist. Wäre das Geld dann nicht direkt in den Schu-n besser aufgehoben, wo man dafür sorgen könnte,ass die Kinder einen Schulabschluss erlangen und dannine ordentliche Ausbildung erhalten können?
ort aber kommt das Geld doch gar nicht an.Allerdings hätten wir auch gerne im gesamten Be-ich der beruflichen Bildung deutlich mehr Mittel, umie kolossalen Defizite der vergangenen Jahre auszuglei-hen, wenn auch mit einer anderen Zielrichtung. Es gibtwar für Jugendliche unter 25 Jahren einen Rechtsan-pruch auf eine Berufsausbildung, eine Vermittlung inrbeit oder Beschäftigung oder eine Bildungsmaß-ahme. Wer aber bis zum 25. Lebensjahr keinen Berufs-bschluss erreichen konnte, ist irgendwann über 25 undird dann nicht mehr gefördert und hat immer noch kei-en beruflichen Abschluss. Etwa 17 Prozent in der Al-rsgruppe zwischen 25 und 30 Jahren haben keinen be-flichen Abschluss. Hier sehen wir dringendenandlungsbedarf.
Frau Ministerin, das größte Fiasko – es hat heutechon mehrfach eine Rolle gespielt – erleiden Sie offen-
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Dr. Rosemarie Hein
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sichtlich mit Ihrem famosen Deutschlandstipendium fürbesonders Begabte. Sie wollten 2010 schon einmal10 Millionen Euro dafür ausgeben; aber nur 20 Prozentdavon sind tatsächlich abgeflossen. Das restliche Geldist liegen geblieben, Herr Neumann. In diesem Jahr sol-len es wieder 10 Millionen Euro sein; aber es wird nichtviel mehr abfließen als letztes Jahr. Trotzdem veran-schlagen Sie für das nächste Jahr fast den vierfachen Be-trag. Frau Schavan, Ihr Lieblingskind findet keine Ab-nehmer. Da hilft auch nicht der Aufruf, den wir allekürzlich per Mail erhalten haben: Private werden aufge-fordert, über Stipendien Bildung zu finanzieren, wie esin anderen Ländern üblich sei.
Ich will Sie diesbezüglich gerne mit einer Neuigkeitüberraschen, die Sie vielleicht noch nicht kennen: Ander Fachhochschule Köthen ist man an solchen Stipen-dien interessiert. Vor einigen Monaten wandte sich einKreistagsabgeordneter aus Köthen mit der Bitte an denKreistag, doch für die Fachhochschule den Privatanteilin Höhe von 150 Euro über ein Stipendium zu finanzie-ren, weil man den Betrag selbst nicht aufbringen könne.Vielleicht kennen Sie sich in den Hochschulen nicht ausund wissen nicht, wie schwierig es ist, private Sponsorenfür ein solches Stipendium zu finden.
Frau Schavan, ziehen Sie daraus die Lehre und lenkenSie die dafür eingeplanten Ausgaben in Höhe von38 Millionen Euro am besten ins BAföG um. Dannkommt das Geld wenigstens da an, wo es gebrauchtwird.
All dies zeigt – man müsste noch viel mehr anführen –,wie falsch Ihr Versuch ist, die Verantwortung des Staatesfür die Bildungsfinanzierung immer mehr aufzugebenund sie in private Hände zu legen. Das tut die Bundes-regierung auch beim Bildungs- und Teilhabepaket, dasbestenfalls privaten Nachhilfelehrerinnen und -lehrernzugutekommt. Welch ein Armutszeugnis!
Es ist überhaupt ein Problem, dass immer mehr Bil-dungsaufgaben nicht von den Bildungsinstitutionen, diedafür da sind, geleistet werden, sondern von der Bundes-anstalt für Arbeit, den Jobcentern, den Sozialämternusw. Dabei könnte man direkt in den Schulen helfen,wenn man das Geld anders verteilte.
Für Bildung sind bekanntlich die Länder und Kom-munen zuständig, die das Geld in aller Regel auch fürBildung ausgeben, wenn sie es denn haben. In meinerStuKwskLatiBDKtiLwnÜ„GWWsAvHveeütuoHFpSBsd
rau von der Leyen schnürt ein bürokratisches Bildungs-aket, das kaum einem armen Kind in diesem Land hilft.
ie regieren ganz klar an den Kernproblemen unseresildungs- und Wissenschaftssystems vorbei; Sie packenie nicht an.Sie packen auch nicht Maßnahmen für mehr Bil-ungsgerechtigkeit und den sozial-ökologischen Umbau
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14647
Kai Gehring
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unserer Gesellschaft und Wirtschaft an. Hier sind ge-zielte Investitionen und Innovationen bitter nötig. Nureinige Beispiele: Aktivitäten in den Bereichen Klimaka-tastrophe, Energiewende und Atomausstieg müssen sichganz klar im Forschungshaushalt widerspiegeln und dortNiederschlag finden.
Falsche Prioritäten und zögerliches Handeln vonMinisterin Schavan führen aktuell dazu, dass allein indiesem Wintersemester mindestens 50 000 junge Men-schen keinen Studienplatz finden. Diesen 50 000 jungenHochschulzugangsberechtigten droht eine Warteschleife.
Es ist schlichtweg paradox, dass diese Bundesregierungden Fachkräfte- und Akademikermangel immer wiederbeklagt, aber nichts zu dessen Behebung liefert.
Ob Warteschleifen für Azubis, die Stagnation bei denWeiterbildungsmitteln oder Studienplatznotstand – dasschwarz-gelbe Motto lautet: Mangel verwalten, statt Lö-sungen gestalten. Es war nicht nur in diesem Haus langebekannt, dass aufgrund von höherer Studierneigung,doppelten Abiturjahrgängen und des Ausstiegs aus derWehrpflicht die Zahl der Studienberechtigten erheblichsteigt. Frau Schavan, dennoch haben Sie den Hochschul-pakt kaum nachgerüstet.
Es kann nicht sein, dass Sie stoisch auf Ihrem 12-Mil-liarden-Paket sitzen bleiben. Eile mit Weile hilft keinemeinzigen Studienberechtigten in diesem Land, vor allemnicht den 50 000, die keinen Platz finden.
Für dieses Wintersemester helfen deshalb nur noch Not-maßnahmen vor Ort, damit sich die Studienplatzlückeverkleinert. Länder wie Baden-Württemberg und Nord-rhein-Westfalen unternehmen außerordentliche Anstren-gungen, um die unerledigten Hausaufgaben der Bundes-bildungsministerin nachzuarbeiten. Deshalb fordern wirSie auf, noch in diesem Herbst den Hochschulpakt nach-zuverhandeln und vor allem eine Masterkomponenteeinzuführen. Das ist dringend notwendig.
Ich kann es Ihnen nicht ersparen, darauf hinzuweisen,dass zu diesem Studienplatzmangel verschärfend hinzu-kommt, dass wir noch immer kein bundesweit funktio-nierendes Hochschulzulassungsverfahren haben.
Das ist der nächste große Skandal. Zu spät wurde imSommer 2008 ein neues Zulassungsverfahren verabre-dnteimWmloDSpDdeswVdmKzbwlihdndWSnBMszHhPd
Hinsichtlich der Studienfinanzierung sollten Sie ideo-gischen Ballast abwerfen.
as BAföG-Reförmchen aus dem letzten Jahr hatchwarz-Gelb mit dem unausgegorenen nationalen Sti-endienprogramm verbunden.
ie Praxis gibt uns bisher klar recht, weil die Mittel ausem großspurig verkündeten Deutschlandstipendium aufin Gartenzwergniveau herabgesunken sind. Die Wirt-chaft lässt Sie hier im Regen stehen, und private Stifterollen das Programm nicht.
or allem aber geht dieses Eliteprogramm an den Bil-ungsaufsteigern aus nicht akademischen und einkom-ensarmen Elternhäusern vorbei. Deshalb sage ich:assieren Sie diesen Ladenhüter ein, statt weiter in ihnu investieren. Stecken Sie das Geld ins BAföG, dasringt viel mehr.
Wir hätten es heute spannend gefunden, zu erfahren,ie Sie mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs zur steuer-chen Absetzbarkeit von Erstausbildungskosten umge-en wollen. Es wäre spannend gewesen, dazu etwas voner Bundesbildungsministerin zu hören. Anstelle einerachlaufenden Kostenerstattung wollen wir eine bessereirekte Förderung während der Ausbildungszeiten.
ir haben hierzu Vorschläge für eine neue und modernetudienfinanzierung gemacht. Die staatliche Studienfi-anzierung ist zu stärken; kurzfristig durch einenAföG-Ausbau, mittelfristig durch ein Zwei-Säulen-odell mit einem Sockel für alle und einem Bedarfszu-chuss für Bedürftige. Das wäre eine moderne und ge-ielte Studienfinanzierung der Zukunft.
Letztlich kann man nur sagen: Das ist eine magerealbzeitbilanz, weil dieser schwarz-gelbe Bildungshaus-alt nicht das hält, was er verspricht. Sie setzen falscherioritäten und stecken Geld in alte Strukturen und La-enhüter.
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14648 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Kai Gehring
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Ich möchte trotzdem versöhnlich schließen. Wir kön-nen den Bildungserfolg in Deutschland insgesamt undgemeinsam steigern, wenn strukturelle Blockaden end-lich aufgebrochen und finanzielle Prioritäten richtig ge-setzt werden. Dazu gehören auch moderne Bund-Län-der-Finanzbeziehungen im Bildungsbereich und dieÜberwindung des Kooperationsverbots im Grundgesetz.Unsere grüne und klare Botschaft an die Ministerin, andie Koalition und an die Opposition ist: Wir sind offenfür gemeinsame Gespräche zur Überwindung des Ko-operationsverbots und zu einer modernen Bund-Länder-Finanzbeziehung in diesem Bereich. Ich glaube, wir allegemeinsam müssen den Bildungsföderalismus moderni-sieren. Sonst wird er noch weiter an Akzeptanz verlie-ren.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Anette Hübinger für die CDU/CSU-
Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! LiebeKolleginnen und Kollegen! Zu vielen Redebeiträgen inder heutigen Debatte fällt mir ein Ausspruch des Publi-zisten Willy Meurer ein: „Lautes Stöhnen und Klagengehören heutzutage in Deutschland zum guten Ton.“
Das kann man aber nicht auf unseren Haushalt beziehenund schon gar nicht auf den Einzelplan 30. Hier habenwir nämlich, wie der Berliner sagt, keinen Grund zumMeckern.
Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf schaffen wirden schwierigen Spagat zwischen finanzieller Konsoli-dierung und dem Setzen nachhaltiger Wachstumsim-pulse. Gerade die schwierige finanzielle Lage in einigeneuropäischen Mitgliedstaaten führt uns immer wiedervor Augen, wie unerlässlich gerade dieser Zweiklangzwischen Konsolidierung und Investieren für erfolgrei-ches politisches Handeln ist. Bei der Konsolidierung un-serer Staatsfinanzen gehen wir einen weiteren wichtigenSchritt, um mittelfristige Ziele der Schuldenbremse zuerreichen. Beim Investieren, der zweiten Seite der Me-daille, kommt es auf die richtigen Stellen an, um die Zu-kunft unseres Landes zu sichern. Das heißt, wir müssendort investieren, wo die Basis für wirtschaftliche Ent-wicklung gelegt wird. Bildung und Forschung sind dabeiwichtige, wenn nicht sogar die wichtigsten Bausteine.
Es ist absolut richtig, dass diese beiden Bereiche zen-trale haushaltspolitische Schwerpunkte in der christlich-liberalen Koalition sind. Für uns war von Anfang ankBwininguetedsvsdFntiAFdvaabrebsuurufüDAdpdmleds
Die finanzielle Entwicklung des Einzelplans 30 könnteicht besser sein. Nun kommt es also darauf an, die rich-gen Schwerpunkte und Signale zu setzen.
uch hier hat das Bundesministerium für Bildung undorschung einen guten Job gemacht. Ein Kompliment anie Ministerin und ihr Haus, mit einem herzlichen Dankerbunden!
Aus Sicht der Union sind im vorliegenden Entwurflle wichtigen Maßnahmen und Instrumente mit einemdäquaten Finanzvolumen ausgestattet, auch diejenigen,ei denen im letzten parlamentarischen Haushaltsverfah-n noch nachgebessert werden musste. Wenn ich mireispielsweise die Zahlen für den Studenten- und Wis-enschaftleraustausch, die Förderung der Instandhaltungnd Modernisierung überbetrieblicher Bildungsstättennd die vorgesehenen Zuschüsse für Begabtenförde-ngswerke ansehe, dann stelle ich fest, dass kein Raumr Kritik bleibt.
en steigenden Studierendenzahlen aufgrund doppelterbiturjahrgänge unter Aussetzung der Wehrpflicht wirdurch einen beachtlichen Mittelaufwuchs im Hochschul-akt Rechnung getragen. Herr Gehring, Sie sagen, dassa nichts passiert ist. Aber ein Plus von 60 Prozent mussan erst einmal erreichen. Vielleicht haben Sie das über-sen.
Ebenso spiegeln sich die neue Herausforderungen wieie Energiewende, Klima, Mobilität, Umwelt und Ge-undheit durch signifikante Aufwüchse wider. Frau Sitte,
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Anette Hübinger
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Ihnen kann ich vielleicht noch sagen – hören Sie mirbitte zu, Frau Sitte –:
Im Bereich Gesundheit haben wir 2011 wegen der Pro-blematik hinsichtlich der Lizenzen unter anderem diePDPs eingeführt. 20 Millionen Euro sind der ersteSchritt. Den muss man erst einmal machen.
Mit dem vorgelegten Haushaltsentwurf und der mit-telfristigen Finanzplanung des Bundes bis 2015 sendetdie christlich-liberale Koalition ein klares Zeichen derVerlässlichkeit in die deutsche Bildungs- und Wissen-schaftslandschaft.Angekündigte Aufwüchse werden von uns realisiertund im Rahmen der Finanzierungsplanung garantiert.Diese Planbarkeit erweist sich für unsere Forschungsin-stitute als handfester Standortvorteil im internationalenWettbewerb. Nicht nur die Rückmeldungen aus unserenaußeruniversitären Forschungsinstituten über die jährli-chen Aufwüchse in Höhe von 5 Prozent sind durchwegpositiv; rund um den Globus wird uns für diese Entwick-lung Anerkennung gezollt.
Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dassdie internationale Ausrichtung von Hochschulen undForschungsinstituten in Zukunft eine noch größere Rollespielen wird. Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dassder Titel „Studenten- und Wissenschaftleraustausch so-wie internationale Hochschul- und Wissenschaftskoope-ration“ mit entsprechenden finanziellen Mitteln hinter-legt ist. Auch hier liegt eine Steigerung vor – ich glaube,Frau Hinz hat das Thema angesprochen –, und zwar um19,13 Prozent. Diese Steigerung wird im mittelfristigenFinanzplan durchgeschrieben. Auch an dieser Stelle hatdas Ministerium seine Hausaufgaben also gemacht.
Wer den gesamten Entwurf objektiv beurteilt, kannnur zu einem Schluss kommen: Der Bund hat seineHausaufgaben in Sachen Bildung und Forschung ge-macht. In der Schule würde man sagen: glatte Eins.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Swen Schulz für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem, washleleDVvDliGhySHJnlidMnngbbriwnRNpoBinGzliZtete
as ist nicht weiter verwunderlich, weil das im Wesent-chen eine Fortschreibung dessen ist, was wir unter Rot-rün gemacht und in der Großen Koalition mitgestaltetaben. So viel zum Thema „Same procedure as everyear“.
Es stellt sich bloß die Frage, welche neuen Akzenteie, Frau Schavan, gesetzt haben. Wenn man sich diealbzeitbilanz anschaut und das, was Sie für das nächsteahr vorschlagen, fällt vor allem auf, dass so richtigichts auffällt. Sie haben hier einen ziemlich selbstgefäl-gen Vortrag – so würde ich das nennen – gehalten; aberas Ganze wirkt doch ziemlich uninspiriert und farblos.
an vermisst echte Ideen, wie wir in Sachen Bildung ei-en ordentlichen Schritt vorankommen können. Das sagticht nur die SPD. Das sagen alle. Da brauchen Sie sichar nicht groß umzuhören. Das sagen die Sozialver-ände, das sagen die Gewerkschaften, das sagen die Ar-eitgeber, die Kirchen, die Wissenschaftler, die Bürge-nnen und Bürger. Die Menschen wünschen sich, dassir im Bereich der Bildung einen ordentlichen Sprungach vorne machen.
Ich will Ihre Bilanz mit der der Regierungszeit vonot-Grün vergleichen. Wie war das damals?
achdem die Kohl-Regierung das BAföG geradezu ka-utt gemacht hat, haben wir das BAföG wieder auf einrdentliches Fundament gestellt und vorangebracht. Imereich der Hochschulen haben wir neue Finanzierungs-strumente eingeführt. Vor allem haben wir mit demanztagsschulprogramm einen ganz wichtigen Akzentur Fortentwicklung der Bildung gesetzt. Das hat wirk-ch etwas gebracht.
In der Großen Koalition haben wir leider sehr vieleit damit verbringen müssen, all diese Errungenschaf-n von Rot-Grün gegen die Angriffe der Union zu ver-idigen.
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Swen Schulz
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Aber immerhin haben wir den Hochschulpakt hinbe-kommen, nachdem die SPD-Bundestagsfraktion ganz al-lein dafür gesorgt hat, dass im Grundgesetz die Voraus-setzung dafür geschaffen wurde.
Ich weiß noch ganz genau, dass Frau Schavan auf ihrenHänden saß und zugeschaut hat. Hinterher hat sie abge-staubt.
Was ist jetzt? Jetzt regieren Sie – leider ohne die SPD –mit der FDP.
Und was machen Sie? Als neues Instrument im Bildungs-bereich bieten Sie eigentlich nur ein neues Stipendienpro-gramm an, das Deutschlandstipendium. Aber noch nichteinmal das läuft vernünftig.Gleichzeitig lassen Sie das BAföG, dieses wichtige,zentrale Element der Bildungsfinanzierung, links liegen.
Ich habe gerade erst zu dessen 40. Geburtstag gesagt,dass an dieser Stelle nichts passiert. Liebe Kolleginnenund Kollegen von der Regierungskoalition, wie stellenSie sich das vor? Hunderttausende warten darauf, dasssie eine bessere Unterstützung für ihren weiteren Bil-dungsweg bekommen. Was sagen Sie diesen Hundert-tausenden? Bewerbt euch mal auf die ein-, zweitausendStipendien! – Das kann es doch nun wirklich nicht sein.So geht das nicht.
Wenn Sie schon keine eigenen Ideen haben, dannsollten Sie zumindest die Ideen von anderen aufgreifen.Die SPD hat eine ganze Menge vorgelegt: zum BAföG,zum wissenschaftlichen Nachwuchs, zum Hochschulzu-gang, zu Praktika, zu Ganztagsschulen, zum Föderalis-mus, zur beruflichen Bildung, zu Fachkräften und zuvielem anderen mehr.Ich möchte ganz besonders auf den Hochschulpakteingehen. Da stehen Sie, Frau Schavan, leider eher aufder Bremse. Ich erinnere an die Diskussion über dieAussetzung der Wehrpflicht. Wir von der SPD habenvon Anfang an gesagt: Da muss der Bund Verantwortungübernehmen, weil durch die Aussetzung der Wehrpflichtmehr Interessenten an die Hochschulen wollen. Sie ha-ben das noch bei den letzten Haushaltsberatungen hiervor einem Jahr abgelehnt. Sie wollten dazu nichts sagen,bis Frau Merkel den Ministerpräsidenten endlich zuge-sagt hat: Der Bund steht zu seiner Verantwortung.Es ist noch viel mehr notwendig. Es gibt fast flächen-deckend NCs. Viele wollen studieren – Frau Schavan,SmmpKrivrumevIhDddvdkkBkleEnvFkFunDwH
s geht dabei um die Frage „Hauptschule – ja oderein?“, die übrigens in Berlin – Sie schimpfen immer soiel auf Berlin – erfolgreich beantwortet ist.
rau Schavan, Sie führen Rückzugsgefechte. Wir den-en nach vorne. Das ist der Unterschied.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Patrick Meinhardt für die FDP-
raktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Kollege Schulz, leben Sie eigentlich in ei-er Parallelwelt?
as, was ich von Ihnen hier gehört habe, stimmt nunirklich nicht mit dem überein, was im vorgelegtenaushalt steht. Die Zahlen sind hier bereits genannt wor-
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Patrick Meinhardt
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den, aber man muss sie immer und immer wieder her-vorheben: Zusätzliche 12 Milliarden Euro werden inner-halb von vier Jahren in Bildung und Forschunginvestiert. Die Steigerung im Vergleich zum Ausgangs-haushalt des Jahres 2009 beträgt 25 Prozent. Die Steige-rung im Vergleich zum letzten Haushalt der rot-grünenKoalition beträgt 70 Prozent. Das ist die höchste Steige-rungsrate in ganz Europa.
Das muss man hier mit Stolz formulieren dürfen.
Wenn es uns um Bildungsgerechtigkeit geht, wenn esuns um die einzelnen Kinder, die einzelnen Schüler geht,wenn es uns darum geht, die Anzahl der Schulabbreche-rinnen und Schulabbrecher in diesem Land in einempartnerschaftlichen Miteinander zu reduzieren, dann hatjeder dieser Partner seine Aufgabe wahrzunehmen. Ja, esist gut, dass diese Bundesregierung die Zahl der Schul-abbrecher durch massive Investitionen, auch im Bereichder Bildungsketten, reduzieren konnte. Die Schulab-brecherzahlen sind von 8,5 Prozent über 7,9 Prozent auf7,5 Prozent gesunken.
Das ist immer noch zu viel. Wenn Sie sich die Einzelsta-tistik ansehen, dann merken Sie, was das Problem inDeutschland ist: Die Schulabbrecherzahlen stiegen inBerlin von 9,9 Prozent auf 11,5 Prozent. Sie erhöhtensich in Brandenburg von 10,7 Prozent auf 13 Prozent.
Sie erhöhten sich in Sachsen-Anhalt von 11,3 Prozentauf 14,9 Prozent.
Sie erhöhten sich in Mecklenburg-Vorpommern von12,1 Prozent auf 16,8 Prozent. In all diesen Ländern sindSozialdemokraten mit in der Verantwortung.
Es ist unglaublich, dass Sie Ihre Verantwortung in denLändern nicht wahrnehmen wollen, sich aber hier hin-stellen und so tun, als ob Sie damit nichts zu tun hätten.
Es ist für mich ein Unding, welche Theorien Sie hiervertreten, und das auch noch an einem so wichtigen Tagwie heute, am Weltalphabetisierungstag. Es gibt 7,5 Mil-lionen funktionale Analphabeten in der BundesrepublikDeutschland.
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eswegen investieren wir in Programme wie „Leselust“nd „Lesestart“. Deswegen investieren wir in die Offen-ive „Frühe Chancen“. Deswegen investieren wir in ar-eitsplatzorientierte Grundbildung. Wir brauchen in derundesrepublik Deutschland einen Grundbildungspakt.ir dürfen uns nicht damit abfinden, dass 7,5 Millionenenschen in diesem Land Probleme mit dem Lesen undchreiben haben. Unsere Aufgabe besteht darin, einenrundbildungspakt zu schließen. Bitte bringen auch Sieich hierbei ein!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ichas, was Sie zum Thema BAföG sagen, höre, dannlaube ich wirklich, dass ich hier in der falschen Veran-taltung bin.
Ja, in Ihrer falschen Veranstaltung, weil Sie Wahrneh-ungsprobleme in Bezug auf die Wirklichkeit haben.
urch die Erhöhung der Elternfreibeträge haben jetzt3 000 junge Studierende mehr die Möglichkeit, diesehance zu ergreifen. Es gibt 916 000 junge Menschen,ie BAföG erhalten. Wir haben im letzten Jahr durchge-etzt, 500 Millionen Euro mehr für das BAföG zur Ver-gung zu stellen.
as hat mit dem, was Sie in Ihrem komischen Argumen-tionsgebäude vortragen, nichts zu tun. Das BAföG istine wichtige Ausgangsvoraussetzung für Bildungsge-chtigkeit. Für diese Bildungsgerechtigkeit hat die Bun-esregierung gesorgt.
Was das Deutschlandstipendium betrifft, muss ich sa-en: Es ist unglaublich, was Sie, Herr Hagemann, hierr eine Argumentation vorgetragen haben.
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Patrick Meinhardt
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– Passen Sie mal auf! Es gibt genug Universitäten, dieschon jetzt hervorragend dastehen und eine Quote von100 Prozent erzielen.
Bei den Universitäten in Aachen, Frankfurt am Main,Frankfurt/Oder und Augsburg sowie bei der FH Ebers-walde ist schon jetzt Übererfüllung festzustellen.
Aber zufälligerweise boykottieren die drei Universitätenin Hamburg, die in sozialdemokratischer Verantwortungsind, das gesamte Deutschlandstipendien-Programm.
Das ist unfair, das ist unseriös, und das ist der falschebildungspolitische Ansatz.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Haus-halt, den die Bundesregierung heute vorlegt, ist ein In-vestitionshaushalt, der darauf setzt, dass die Talente undFähigkeiten junger Menschen gefördert werden. Er istein Innovationshaushalt, er ist ein Haushalt der Bil-dungsgerechtigkeit, und er ist eine klare Ansage für dieBildungsrepublik Deutschland.Vielen herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Eckhardt Rehberg für die CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Man merkt an dieser Debatte, dass der Opposi-tion unsere ganze politische Richtung nicht gefällt, weilsie erfolgreich ist.
Wir haben bei diesem Haushalt 10 Prozent draufgepackt.Wir haben die Mittel für diesen Einzelplan um 1,2 Mil-liarden Euro erhöht, und das, obwohl wir für die nächs-ten Jahre ein Konsolidierungsprogramm in Höhe von80 Milliarden Euro beschlossen haben. Die steuerlichenEntlastungen betrugen unter Rot-Schwarz 20 MilliardenEuro – das war die volle Jahreswirkung –, unterSchwarz-Gelb sind es 10 Milliarden Euro. Das müsste ind3wA1dpisSmHmAeWSrudZdsSmdföazSBV48ndeBrewüdFdicR
Ich komme zu dem Vorwurf an Frau Ministerinchavan, bei ihr bleibt besonders viel Geld liegen. Neh-en wir nur einmal die Minderabflüsse: Schauen wiroch einmal, welche Länder überregionale Forschungs-rdermittel nicht abgerufen haben. Schauen wir ferneruf die internationalen Probleme bei den Verhandlungenu XFEL und FAIR. Schließlich verweise ich aufchätzabweichungen bei gesetzlichen Leistungen, zumeispiel beim BAföG.Der Einzelplan 30 hat, seitdem Frau Schavan dafürerantwortung trägt, bei einem Gesamtvolumen von6,2 Milliarden Euro Minderabflüsse von lediglich00 Millionen Euro – das sind 1,7 Prozent – zu verzeich-en. Im Vergleich zu anderen Haushalten ist das einerer niedrigsten Werte. Es bleibt also kein Geld liegen.Die SPD, Herr Kollege Hagemann, hat zugestimmt,ine halbe Milliarde Euro aus dem Einzelplan 30 in dasildungs- und Teilhabepaket, also in sozial wichtige Be-iche wie Berufsorientierung und Begabtenförder-erke, umzuschichten. Das restliche Geld haben wirbertragen. Es steht im Jahr 2011 zur Verfügung. Das istie verantwortungsvolle Politik von CDU/CSU undDP.
Als Haushälter schaut man immer auch auf die Ren-ite des von uns eingesetzten Geldes. Beispielhaft willh einmal auf die Zahl der Altbewerber eingehen. Alsot-Grün im Jahr 2005 abgewählt worden ist, gab es
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14653
Eckhardt Rehberg
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341 000 Altbewerber. Im Jahr 2008 hatten wir die Zahlschon auf 263 000 reduziert. Laut Berufsbildungsberichthatten wir im Jahr 2010 lediglich noch 185 000 Altbe-werber. Unter der politischen Verantwortung von FrauSchavan im Bildungsministerium hat sich die Zahl derAltbewerber also halbiert.
Deshalb ist das Geld in den Bildungsketten, in der Be-rufsfrühorientierung und in der Förderung von benach-teiligten Jugendlichen gut angelegt. Damit nehmen wirunsere soziale Verantwortung wahr.
Ein weiteres Beispiel ist die Erhöhung der Zahl derStudienanfänger. Als wir die Regierung übernommenhaben, als Angela Merkel Bundeskanzlerin gewordenist, haben lediglich 37 Prozent eines Jahrganges ein Stu-dium begonnen. Heute sind es 46 Prozent. Deshalb ist esfalsch, Herr Gehring, wenn Sie sagen, der Hochschul-pakt 2020 sei nicht ausfinanziert. Wir haben da einenAufwuchs um 60 Prozent.
Der Bund finanziert die zusätzlichen Studienplätze,die aufgrund der doppelten Abiturjahrgänge und desWegfalls der Wehrpflicht und des Zivildienstes benötigtwerden. Angesichts erwarteter Steuermehreinnahmender Länder von 11,5 Milliarden Euro im Jahr 2012 ge-genüber 2011 haben aber auch die Länder eine politischeVerantwortung für die Bildung, insbesondere für dieSchaffung von Studienplätzen. Stattdessen schachern siebeim Qualitätspakt Lehre und beim Hochschulpakt2020.
In der Tat hat es etwas länger gedauert, den Qualitäts-pakt Lehre mit den Ländern auf den Weg zu bringen. Esist aufseiten der Länder eine Unkultur geworden, zupokern, um möglichst viel herauszuschlagen.
– Frau Kollegin Sitte, das ist nicht logisch, weil derBund sich, um etwas voranzubringen, an der Finanzie-rung von Aufgaben beteiligt, für die originär die Länderzuständig sind.
Der Bund sagt: Ich will, dass etwas vorankommt. – Sowird seit 2006 ganz massiv Politik gemacht. Wenn wirdie Bildungsrepublik Deutschland werden wollen, dannist das eine politische Gemeinschaftsaufgabe von Bund,Ländern und Kommunen, letztendlich der gesamten Ge-sabdnStrgrüwbDte3gdsahmforidläleleedu„MihwtenSereHZ3s
Das Wort hat nun Ernst Dieter Rossmann für die
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ininer Halbzeitdiskussion ist es interessant, nachzuspü-n, was nicht angesprochen wird, aber bisher in allenaushaltsdebatten seitens der Regierung als das großeiel der Bildungsrepublik reklamiert worden ist: 7 plusProzent am Bruttoinlandsprodukt für Bildung und For-chung.
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14654 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Dr. Ernst Dieter Rossmann
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Davon hat heute niemand gesprochen. Wir wissenauch, weshalb. Sie wissen nämlich genau, dass Sie zurErreichung dieses Ziels mit dem, was Sie jetzt vorlegen,20 Milliarden Euro zu wenig bereitstellen. Das ist dabeider Punkt. Sie erreichen eben nicht die 7 Prozent bei derBildung, und Sie erreichen auch nicht die 3 Prozent beider Forschung.Das Handelsblatt hat im Zusammenhang mit denZahlen eine Frage aufgeworfen: Wieso ist Frau Schavan,für deren Haushalt in dieser Legislaturperiode 12 Mil-liarden Euro vorgesehen sind, nicht der Star des Kabi-netts? Über diese Frage darf man nachdenken. Weshalbsind Sie nicht der Star des Kabinetts?Eine Antwort kann sein, dass Ihnen Souveränitätfehlt. Ihnen fehlt die Souveränität, anzuerkennen, dassdas, was Sie als Exzellenzinitiative, Hochschulpakt, Paktfür Forschung und Innovation sowie beim BAföG fürsich reklamieren, von Rot-Grün, Schwarz-Rot und inÜbereinstimmung mit dem ganzen Haus entstanden ist.Man beweist keine Qualität als Star, wenn die Souverä-nität zur Anerkennung einer Leistung aller fehlt.Eine zweite Antwort kann sein: Sie sind auch deshalbkein Star, weil Sie in die falsche Richtung laufen. JedeWahlentscheidung der Menschen gegen Studiengebüh-ren ist indirekt auch eine Entscheidung gegen FrauSchavan gewesen.
Sie ist doch die Bannerträgerin für Studiengebühren ge-wesen, wofür Ihre Partei in einem Bundesland nach demanderen abgewählt wird. Sogar in Baden-Württembergwar das so, woran Sie nie glauben wollten.
Andere kommen noch. Damit müssen Sie sich jetzt aus-einandersetzen.Sie haben – auch das macht keinen Star aus – Bil-dungssparen angekündigt. Das war eine große Über-schrift. Gekommen ist null. Eine weitere große Über-schrift betraf lokale Bildungsbündnisse. Dafür gibt esaber kein Geld im Haushalt. Wer so agiert, wird nichtzum Star.
Dabei gilt: Manches Gute, das Sie tun wollten, habenSie schlecht umgesetzt. Wir wollen aber anerkennen,dass Sie bei der Hochschullehre Gutes tun wollten, undmanches Gute, das Sie tun wollen, wird bisher von denParteien, die Sie tragen sollen, nicht geteilt.Deshalb machen wir in Sachen Kooperationsverbotfür die SPD-Fraktion hier das ausdrückliche Angebot:Frau Schavan, werben Sie dafür, dass es jetzt eine ausBund und Ländern zusammengesetzte Kommission gibt,in der man, ohne vorher schon in den Schützengräben zusitzen, darüber redet, wie man Bildungskooperation inDeutschland auf ein neues Fundament stellen kann. DaskzukIcddBdgdmSDWwdnWd7W7trdnEWSridvKmGdtebPcEazeFA
er gute, starke Bildungseinrichtungen in Deutschlandill – und das ist die erste Aufgabe einer Bundesbil-ungsministerin –, der darf in einer solchen Diskussionicht fahnenflüchtig werden.Zweitens. Herr Meinhardt, Sie haben den heutigeneltalphabetisierungstag angesprochen. Forschung ausem Bildungsministerium hat diese Problematik mit,5 Millionen Betroffenen in Deutschland beziffert.enn wir in den Haushalt schauen, finden wir dort nicht,5 Millionen Menschen, aber 7,5 Millionen als Geldbe-ag. In welcher Relation steht das eigentlich zueinan-er? Ein Euro für jeden Betroffenen. Das kann es dochicht sein. Schließlich wissen wir, dass ein Land wiengland Jahr für Jahr 900 Pfund dafür eingesetzt hat.as Sie machen, ist doch keine Umsetzung. An diesertelle könnten Sie vorangehen und als Bildungsministe-n Grundbildung für alle in Deutschland in Bil-ungskooperation mit gutem Vorbild durch den Bundoranbringen.Drittens. Ich will ein weiteres Beispiel nennen, wasooperation, angestoßen durch eine Bundesbildungs-inisterin, bedeuten könnte. Heute Morgen hat Sigmarabriel, Parteivorsitzender der SPD, hier daran erinnert,
ass das Zusammengehörigkeitsgefühl bei jungen Leu-n in Europa sich in der Erfahrung von Ausbildung, Ar-eit und Studium abbilden muss. Weshalb macht derarteivorsitzende der SPD diesen Vorschlag für eine sol-he europäische Initiative? Haben wir in der Debatte umuropa ein Wort seitens der Bundesbildungsministerinls Initiative gehört? Nein. – Das geht nicht.
Deshalb muss man Ihnen zum Schluss dieser Halb-eitbewertung zwei Sätze ins Stammbuch schreiben. Derine Satz ist folgende bemerkenswerte Überschrift vonrau Schmoll in Ihrem Zentralorgan, der Frankfurterllgemeinen Zeitung:
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Dr. Ernst Dieter Rossmann
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Wie oft will Frau Schavan sich denn noch irren?Das war der erste Satz.Der zweite Satz stammt von allerhöchster Stelle. Siehaben bekanntlich eine Kanzlerin, die in sehr eigenerWeise charmant ist. Auf einem Parteitag, bei dem FrauSchavan nicht einmal für ein Landesparteitagsmandatgewählt worden ist, hat die Bundeskanzlerin diese Qua-lität einmal mehr bewiesen. Weil es dort so viel Kritik anFrau Schavan gab, barmte Frau Merkel mit Blick aufFrau Schavan an die Adresse der Delegierten: Aber nunspendet doch einmal Beifall; sie tut doch auch Gutes.Wenn eine Kanzlerin über eine Ministerin so etwassagt, dann muss sich die Ministerin fragen, mit welcherKraft sie in die zweite Halbzeit geht.Frau Schavan, Sie brauchen neuen Elan; Sie brauchenneue Konzentration; Sie brauchen neue Ideen. Nur dannkann es eine bessere zweite Halbzeit für Bildung inDeutschland geben.Danke.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegennicht vor.Damit kommen wir nun zu dem Geschäftsbereichdes Bundesministeriums für Ernährung, Landwirt-schaft und Verbraucherschutz, Einzelplan 10.Ich erteile das Wort Bundesministerin Ilse Aigner.
Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Land-wirtschaft und Verbraucherschutz:Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Wir haben ein etwas turbulentes erstes Halb-jahr hinter uns gebracht – insbesondere auch in dem Be-reich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirt-schaft und Verbraucherschutz.Zunächst haben wir zu Beginn des Jahres Dioxin imFuttermittel gefunden. Verbraucher und Landwirte wa-ren in tiefer Sorge. Aber gemeinsam mit den Ländernhaben wir schnell und effektiv Konsequenzen gezogen.Wir haben entschlossen und konsequent dafür gesorgt,dass Futtermittel und Lebensmittel in Deutschland fürein Höchstmaß an Sicherheit stehen.
Unser Aktionsplan, den wir gemeinsam beschlossen ha-ben, ist bereits zu weiten Teilen umgesetzt.Dann hat uns und halb Europa Ehec in Atem gehalten.Wir haben auch hier entschlossen und umsichtig ge-meinsam mit dem Bundesgesundheitsministerium, mitdSgbWewLSsDSsAnwcosZbEAutinhginAdmnkdSkUEAMfü
All das zeigt: Selten standen Ernährung, Landwirt-chaft und Verbraucherschutz so im Mittelpunkt derufmerksamkeit. Nie waren einer Bundesregierung Er-ährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz soichtig wie heute.Wir haben Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-herschutz eine größere Bedeutung gegeben, und zwarhne Verbraucher und Landwirte gegeneinander auszu-pielen – und ohne ideologische Grabenkämpfe.
In diesen Tagen wird wie heute Morgen viel über dieukunft des Euro und Europas gesprochen. Damit ver-indet so mancher auch Unsicherheit über das, wasuropa kann.Europa kann viel. Wir sehen es an der gemeinsamengrarpolitik. Durch sie ist Europa zusammengewachsennd wächst noch weiter zusammen. Es ist auch mit na-onalen Interessen vereinbar, für die ich streite.Außerdem wissen gerade unsere Landwirte sehr ge-au, was der Euro wert ist. 9 von 10 Euro werden inner-alb der Euro-Zone umgesetzt. Früher brauchten wir we-en der Auswirkungen der Wechselkursschwankungennerhalb der Europäischen Union ein sehr kompliziertesusgleichssystem. Theo Waigel musste damals nochreistellige Millionenbeträge hin- und herschieben, umanches auszugleichen.All das gehört der Vergangenheit an. In den vergange-en Jahren hat Europa gerade hier für Sicherheit gesorgt.Für die gemeinsame Agrarpolitik werden wir in denommenden Monaten wichtige Weichenstellungen fürie Förderperiode nach 2013 verhandeln. Es geht um dieicherung der Ernährung. Es geht aber auch um die Ein-ommensstabilisierung in der Landwirtschaft und ummweltschutz und Biodiversität in der Agrarpolitik.uropa bleibt auch hier unsere Zukunft.Wenden wir uns aber auch weiter der Zukunft zu.uch der Haushalt 2012 ist auf die Zukunft ausgerichtet.it 5,28 Milliarden Euro steht er weiterhin als Garantr Stabilität.
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14656 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Bundesministerin Ilse Aigner
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Wir haben zwar einen Rückgang zu verzeichnen, aberdas ist keine Kürzung, sondern es zeigt, dass wir unserGrünlandmilchprogramm mit Erfolg abgeschlossen ha-ben.
Es zeigt, dass wir unseren Landwirten genau in der Zeit,in der sie es brauchen, zur Seite stehen, und zwar effek-tiv und wirkungsvoll.Wir stehen verlässlich an der Seite unserer Bauern.Dies gilt auch für die Gestaltung der landwirtschaftli-chen Sozialpolitik. Wir wollen einen einheitlichenBundesträger etablieren. Mit ihm wollen wir moderneStrukturen schaffen, damit wir auch künftig ein eigen-ständiges soziales Sicherungssystem für die Landwirt-schaft erhalten.
Die Bundesregierung ist trotz knapper Kassen bereit,150 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen.Diese Mittel sind zweckgebunden, und sie werden nurdann entsperrt, wenn es einen einheitlichen Bundesträ-ger gibt. Ich meine, das ist eine sinnvolle Investition. Ichmöchte heute schon allen danken, die dazu beigetragenhaben und beitragen, dass wir das Gesetzgebungsvorha-ben zügig beraten werden und somit die zusätzlichenBundesmittel rechtzeitig entsperren können.Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, viele ländli-che Räume stehen vor großen Herausforderungen. UnserBundespräsident hat es vor kurzem „Unterjüngung“ ge-nannt. Demografischer Wandel, fehlende Jobperspekti-ven und Abwanderung der Jugend sind Zeichen dafür.Mit vier Modellregionen will ich ab nächstem Jahrgezielt neue Instrumente in der Förderung erproben, diedagegenhalten und periphere ländliche Regionen unter-stützen, und zwar mit Zielvereinbarungen, Regional-budgets und Mikrofinanzierungen für kleine Unterneh-men, unbürokratisch und mit viel Verantwortung für dieMenschen vor Ort. Deutschland kann seine Stärke ebennicht nur aus den Ballungszentren oder Clustern beziehen,sondern Deutschland muss auch in der Fläche und damitin seiner Gesamtheit stark sein.
Die Bundesregierung geht den Umstieg auf erneuer-bare Energien entschlossen an, und wir beschleunigendas Tempo. Deshalb stärkt auch mein Haus die Ener-gieforschung. Es ist eine erfreuliche Nachricht: Erstmalsbeziehen wir mehr als ein Fünftel der Stromerzeugungaus erneuerbaren Energien. Die Landwirtschaft steht hierfür Leistung. Sie leistet einen wesentlichen Beitrag beider Erzeugung von erneuerbaren Energien. Das heißt:Künftig ist es nicht der Strom, der in die Fläche geht,sondern der Strom kommt aus der Fläche. Deshalb brau-chen wir auch in diesem Bereich weitere Forschung. Wirbrauchen Forschung für neue Energiepflanzen, und wirbrauchen Forschung zur Speicherfähigkeit und Effi-zienzsteigerung vor allem in dezentralen Versorgungs-strukturen. Nicht nur industrielle Großanlagen dürfendaUandtecicsligsksUtecsagThuddgnsbzcnVEbwDnaliD
Der Dialog zwischen den Verbrauchern und der Wirt-chaft läuft auf Hochtouren. Es ist ein Lernprozess füreide Seiten. Hier geht es um Transparenz und Kenn-eichnung, es geht nicht um Sicherheit. Bei gesundheitli-hen Gefahren werden die Länder lebensmittelwar-ung.de starten. Schnell und effektiv werden künftigerbraucher informiert.
Auf europäischer Ebene haben wir einiges erreicht.s sei nur die Kennzeichnung von Analogkäse und Kle-efleisch genannt. In Zukunft wissen auch Allergiker,o Allergene drin sind. Für sie ist das eminent wichtig.
Verbraucher wollen immer mehr regionale Produkte.as ist auch eine Herausforderung für die Kennzeich-ung. Wo der Name einer Region draufsteht, müssenuch die Erzeugnisse der Region drin sein. Hier Verläss-chkeit zu schaffen, liegt mir persönlich am Herzen.eshalb wird es in der nächsten Woche ein Ausschrei-
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Bundesministerin Ilse Aigner
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bungsverfahren geben, welches die Kriterien hierfürfestlegen wird.Wir haben einen Beipackzettel für Wertpapiere ver-pflichtend gemacht. Kosten, Risiken und Ertragschancensind nun im Produktinformationsblatt auf einen Blick zusehen. Bankberater müssen bei der BaFin gemeldet wer-den. Auch der Graue Kapitalmarkt zieht in Kürze nach.Wir wollen künftig die Honorarberater fest verankern,und wir haben die Transparenz und den Schutz vorFalschberatung erhöht. Auch das sorgt für mehr Sicher-heit.
Für mehr Sicherheit haben wir auch bei Onlinege-schäften gesorgt. Die Button-Lösung wird auf unsereInitiative hin nun EU-Recht.
Die nationale Umsetzung sind wir bereits angegangen.Verbraucher müssen künftig auf Kosten hingewiesenwerden, bevor ein kostenpflichtiger Vertrag abgeschlos-sen wird. Das ist ein wichtiger Beitrag gegen Abzockeim Internet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die christlich-libe-rale Koalition steht für Verlässlichkeit gegenüber derLandwirtschaft. Die christlich-liberale Koalition stehtbei den Verbrauchern für ein hohes Schutzniveau. Aufdiesem Fundament stärken wir die Verbraucher in ihrerSelbstbestimmung durch mehr Transparenz und auchmehr Information. Wir übernehmen hier Verantwortung.Wir haben hier in den letzten beiden Jahren, also in derersten Hälfte dieser Legislaturperiode, große Erfolge er-zielt, und das werden wir auch in den nächsten beidenJahren, also in der zweiten Hälfte dieser Legislaturpe-riode, tun.Vielen herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Wilhelm Priesmeier für die SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zu-hörer! Die Investitionsbereitschaft der deutschen Land-wirtschaft steigt. Die Exporte werden vermutlich auchdieses Jahr die 50-Milliarden-Euro-Grenze überschrei-ten. Das alles sind durchaus positive Signale trotz einerErnte, die hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.Diese Entwicklung ist auf unternehmerisches Handelnund auf den Fleiß der Landwirte zurückzuführen.
Ob sie eine Folge der schwarz-gelben Agrarpolitik ist,das lasse ich jetzt einmal dahingestellt.ndEsDhWnv8dSWtrdAdbdmkdmreg6DfrRdeinwmPeatiDh–smsdb
ir wollen, dass die Landwirtschaft auch hier einen Bei-ag zum Klimaschutz leistet. Es kann doch nicht sein,ass fossiler Diesel günstiger ist als das Öl vom eigenencker. Das müssen wir ändern; wir müssen dafür sorgen,ass auch dieser Bereich nachhaltiger wird.
Mit der Mittelausstattung der Gemeinschaftsaufgabeleiben Sie auf dem Vorjahresniveau. Dabei ist geradeie Gemeinschaftsaufgabe das zentrale Gestaltungsele-ent der Politik im ländlichen Raum. Wir Sozialdemo-raten bekennen uns zum ländlichen Raum und fordernaher eine Umkehr dieser Politik. Wir fordern, dass zu-indest das wieder aufgebaut wird, was in diesem Be-ich abgebaut worden ist. Da reicht es nicht, Modellre-ionen zu fordern – auch wenn der Ansatz richtig ist –;Millionen Euro kompensieren nicht 86 Millionen Euro.ie Fortsetzung des eingeschlagenen Weges führt lang-istig zu einer strukturellen Schwächung des ländlichenaumes. Angesichts der vielfältigen Probleme, die wirort zu bewältigen haben – es ist von der Frau Ministerinben angesprochen worden: die soziale Infrastruktur ist vielen Bereichen infrage gestellt; junge Menschenandern ab; gut bezahlte Arbeitsplätze fehlen –, kannan mit der Gemeinschaftsaufgabe und entsprechenderrioritätensetzung gegensteuern.
Ihre Prioritätensetzung ist dagegen eindeutig: auf derinen Seite eine dauerhafte Subvention des Agrardiesels,uf der anderen Seite weniger zukunftsgerichtete Inves-tionen und weniger Beschäftigung im ländlichen Raum.as bedeutet konkret Ihre Politik in diesem Zusammen-ang.
Sie haben das doch als großen Sieg für die Landwirt-chaft gefeiert, Herr Goldmann. Ich glaube, das mussan einmal gründlich hinterfragen. Eine Partei, die sichonst dafür ausspricht, Subventionen abzubauen, ist anieser Stelle konsequent dafür, die Subventionen auszu-auen. Das Urteil darüber überlasse ich dem deutschen
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Dr. Wilhelm Priesmeier
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Steuerbürger. Ich glaube, er wird ein gerechtes Urteilüber Ihre politische Strategie fällen.
Die Feststellung, die die Bundesregierung im Agrar-bericht trifft, nämlich GAK und GRW besser zu vernet-zen und beide Aufgaben verstärkt und zielorientiert zurUnterstützung auch des ländlichen Raumes einzusetzen,ist richtig. In Ihrem Haushaltsentwurf findet sich dasüberhaupt nicht wieder. Ich glaube, da bedarf es einigerNachbesserungen, um auch diesen Teil wieder auf denrichtigen Weg zu führen.Ich spreche mich wie die gesamte SPD dafür aus, dieGemeinschaftsaufgabe weiterzuentwickeln, ihre Zielbe-stimmung neu festzulegen
und sie letztlich weiterzuentwickeln zu einer Gemein-schaftsaufgabe für den ländlichen Raum, die insgesamtauch den Anforderungen zukünftiger Politikgestaltungentspricht und nicht auf dem Stand bleibt, den wir zumgegenwärtigen Zeitpunkt haben.
Frau Ministerin, Sie haben einen breiten Diskussions-prozess über die Ziele und Prioritäten in der Land- undErnährungswirtschaft angeschoben. Das war an sichlängst überfällig. Am Ende wollen Sie eine Charta fürLandwirtschaft und Verbraucher vorlegen. Ich möchteSie an dieser Stelle ausdrücklich für Ihr Engagement lo-ben. Wir brauchen diese gesellschaftliche Diskussion.Dieses Vorhaben hat nicht die uneingeschränkte Zustim-mung der Koalition gefunden; das war ja sehr umstritten.
Sie können da gewiss sein: Von unserer Seite wird dieseDiskussion natürlich kritisch begleitet; aber wir brau-chen diese Diskussion. Wir müssen heute darüber disku-tieren, wie moderne Landwirtschaft morgen aussehensoll. Wir müssen heute darüber diskutieren, welcheStrukturen wir zukünftig wollen.
Heute müssen die Entscheidungen über die Richtung ge-troffen werden, in der wir die Landwirtschaft bei ihrerEntwicklung zu einer wettbewerbsfähigen Landwirt-schaft in Europa begleiten wollen.Wir müssen heute mit entscheiden, wie wir dieseStrukturen fördern wollen. Das gilt auch für die Tierhal-tung.
Es kann doch nicht sein, dass bei jedem Stallneubau eineganze Region in Aufruhr gerät. Wir brauchen klare Rah-menbedingungen. Wir brauchen einen eindeutigen ge-setzlichen Rahmen für unsere Veredelungswirtschaft.In diesem Zusammenhang darf natürlich der Tier-schutz nicht fehlen. Der Tierschutz bedarf auch in derwcasdDBVwamMInsvVDWkgBdUdmhPBtiateWfücgvmgimDbnuD
amit wollen wir die tierschutzrelevante Forschung aufundesebene bündeln und für die Zukunft substanzielleerbesserungen für die Züchtung und Haltung von land-irtschaftlichen Nutztieren erreichen und unterstützen.Wir diskutieren gegenwärtig auf europäischer Ebeneuch intensiv über die Weiterentwicklung der Gemeinsa-en Agrarpolitik. Auch das ist eine Baustelle, Frauinisterin, auf der Sie nicht besonders aktiv agieren.
der Debatte um die Weiterentwicklung des Greeningsind Sie weitestgehend abgetaucht. Von Ihnen und auchon der Koalition hat es bislang keine substanziellenorschläge gegeben.
ie Devise lautet bei Ihnen offensichtlich noch immer:eiter so wie bisher. Es war alles gut, und auch in Zu-unft wird alles gut sein. – Das ist aber keine zukunfts-erichtete Politik. Diese Politik wird letztendlich keinenestand haben; davon gehe ich aus, auch wenn ich aufas Jahr 2013 schaue.
nsere Gesellschaft stellt berechtigte Forderungen, beienen es um die Legitimation auch der derzeitigen Prä-ienzahlungen in der Landwirtschaft geht. Aber Sie ge-en nicht darauf ein. Ich habe den Eindruck, dass Ihreolitik im Hause vielleicht doch noch vom Deutschenauernverband mitgesteuert wird und eher Klientelpoli-k ist, während wir Agrarpolitik schon lange nicht mehrls Klientelpolitik verstehen.
Wir brauchen – das ist unbestritten – ein konsequen-s Greening der Agrarpolitik auf europäischer Ebene.ir brauchen nach dem Grundsatz „öffentliches Geldr öffentliche Güter“ natürlich auch dort eine entspre-hende Neuausrichtung. Wir sind dafür, gesellschaftlicheforderte Leistungen zu honorieren und nicht Selbst-erständlichkeiten zu bezahlen. Für uns bedeutet das:ehr Klimaschutz, mehr Bodenschutz, Erhalt der biolo-ischen Vielfalt und Einsatz erneuerbarer Energien auch Agrarsektor.
as heißt, wir brauchen ein konsequentes Umbruchver-ot für Dauergrünland, die obligatorische Winterbegrü-ung, das Festschreiben einer dreijährigen Fruchtfolgend Extensivierungsflächen auch für Umweltzwecke.as muss Bestandteil des Greenings sein. Das muss um-
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Dr. Wilhelm Priesmeier
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gesetzt werden, und dafür bedarf es auch der Unterstüt-zung in Brüssel.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Setzen Sie das bitte auch bei der Weiterentwicklung
der Politik im deutschen Interesse in Brüssel mit um.
Seien Sie vergewissert, Frau Ministerin: Auch bei den
anstehenden Beratungen zum Haushalt werden wir Ih-
nen durch konstruktive Anträge den richtigen Weg wei-
sen.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun Heinz-Peter Haustein für die FDP-
Fraktion.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Also, Herr Priesmeier, was Sie hierso von sich gegeben haben, ist doch etwas realitätsfern;aber dazu kommen wir jetzt im Einzelnen.Dieser Einzelplan 10 ist der schönste, den es gibt,
nicht nur wegen des Ministeriums, sondern in seinerGänze: Es geht um Essen, es geht um Trinken, es geht umdie Grundlagen unseres Zusammenseins. Wenn man sichals Haushälter den Gesamtetat in Höhe von 5,28 Milliar-den Euro anschaut, stellt man fest, dass er angepasstwurde. Er umfasst jetzt 211 Millionen Euro weniger, weildas Grünlandmilchprogramm ausläuft und weil der Zu-schuss zur Erhöhung des Stiftungskapitals der StiftungWarentest auf 10 Millionen Euro angepasst wurde.Wohin gehen nun diese 5,28 Milliarden Euro? Es istso, wie bei all unseren Haushalten: Das meiste Geld gehtfürs Soziale drauf. So sind wir halt von der christlich-li-beralen Regierung – sehr sozial eingestellt.
In diesem Fall sind für die Alterssicherung der Land-wirte 2,17 Milliarden Euro, für die Krankenversicherungder Landwirte 1,28 Milliarden Euro und für die landwirt-schaftliche Unfallversicherung bislang 175 MillionenEuro vorgesehen, wobei es bei entsprechenden Reform-prozessen auch noch zu einer Anpassung nach obenkommen kann. Wir werden sehen, mit welchem Betragwir hier aus den Verhandlungen herauskommen.Wohin geht nun das übrige Geld? Ich möchte einmaldie nachgelagerten Institute und Behörden nennen: DasBBcis7TRteJcliksDurefed5SAR–DmhdzDsdliKDsmuBsashng
Das wollt ihr; denn wenn im übrigen Europa imurchschnitt 4 Cent und bei uns 26 Cent bezahlt werdenüssen, würdet ihr einen weiteren Vorteil weghauen. Ichabe gedacht, ich verstehe die Welt nicht mehr. Was sollas denn, die Axt an die Existenzgrundlage der Bauernu legen?
ie Bauern sind Unternehmer. Unsere Aufgabe ist es,olche Rahmenbedingungen zu schaffen, dass ihre Pro-ukte wettbewerbsfähig in Europa bleiben. Deshalb,ebe Landwirte, kann ich versichern: Mit uns ist eineürzung der Agrardieselsubventionen nicht zu machen.arauf könnt ihr euch verlassen.
Zum Beritt des Ministeriums gehören 5 Millionen Be-chäftigte. Das ist eine Erfolgszahl. Ich möchte auch ein-al an die Fischerei, an den Garten- und Landschaftsbaund an die Forstwirte erinnern. All diese leisten ihreneitrag.Bei unserem Haushalt wurde auch der Verbraucher-chutz nicht vergessen. Der entsprechende Ansatz istufgestockt worden. Für die Titelgruppe „Nachwach-ende Rohstoffe“ sind 6 Millionen Euro mehr vorgese-en. Für den Ökolandbau sind nach wie vor 16 Millio-en Euro veranschlagt.Liebe Freunde, für uns ist es eine Herzenssache, dasanze Team der Landwirte, der Fischer, der Forstwirte
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Heinz-Peter Haustein
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und der Gärtner zu unterstützen. Wie heißt es so schön– und dabei bleibt es auch –: Das schönste Wappen aufder Welt ist der Pflug im Ackerfeld.
In diesem Sinne ein herzliches Glückauf aus dem Erz-gebirge.
Das Wort hat nun Roland Claus für die Fraktion Die
Linke.
Durch meinen Vorredner werde ich ein bisschen andie Weisheit erinnert: Kunst ist Waffe, Volkskunst istGeheimwaffe.
Aber zum Etat. Mit Nahrungsgütern wird mehr dennje spekuliert. Ich nenne nur das Stichwort „Zucker-markt“. Bodenverkäufe, besonders im Osten, werdenstaatlich gefördert. Die Selbstausbeutung von Landwir-ten steigt. Auch in den Minuten, in denen wir hier überden Etat der Verbraucherschutzministerin reden, gehenganz sicher irgendwelche dubiosen Finanzprodukte anVerbraucherinnen und Verbraucher über. Ihre Antwortauf diese Situation, Frau Ministerin, heißt: Wir sind aufeinem guten Weg und wollen den weiter gehen. – Es darfSie nicht wundern, wenn wir dem nicht folgen und hierklar und deutlich Widerspruch anmelden.
Der Etat des Bundeshaushalts für Ernährung, Land-wirtschaft und Verbraucherschutz ist bescheiden. Er istja gerade vorgelesen worden.
Wenn man einmal die EU-, Landes- und kommunalenMittel zusammenrechnet, stellt man fest, dass wir inDeutschland nur etwa 1 Prozent der Mittel der öffentli-chen Haushalte für die Landwirtschaft und unsere Er-nährung ausgeben. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Dasfunktioniert nur, weil wir auf Kosten anderer, darunterder Ärmsten dieser Welt, leben. Auch das fordert Wider-spruch heraus.
Es hat auch nichts mehr mit Marktwirtschaft zu tun,wenn der Milchpreis niedriger als der Preis für Mineral-wasser ist. Man muss einmal darüber nachdenken, wieman zu vernünftigen marktwirtschaftlichen Strukturenzurückkehren kann. Es ist schlimm genug, dass Ihnendas ein Sozialist erklären muss.Die Linke weiß, was sie will. Die Linke steht für eineAgrar- und Verbraucherschutzpolitik, die den Konsu-menten eine gesunde und bezahlbare Ernährung und denPteAduWterelöbzsslednbcü–bregddmkOndmdteOdicseggfügsInd
Ich habe damit gerechnet, dass es etwas länger dauert,is das bei Ihnen angekommen ist. Ich werde es an ande-r Stelle wiederholen. – Der Agrarbericht der Bundesre-ierung kommt daher nicht zu Unrecht zu dem Schluss,ass die Agrargenossenschaften und GmbHs besserurch die Krise gekommen sind als die Kleinunterneh-en. Deshalb brauchen auch diese Unternehmen Zu-unftsklarheit für die Zeit nach 2013.
Ein historischer Blick auf die Agrarunternehmen imsten zeigt, dass sie vor allem in den ersten zehn Jahrenach der Wende erheblichen Gegenwind hatten. Sie wur-en vor allem als LPG-Nachfolgeorganisationen diskri-iniert. In den folgenden zehn Jahren hat die Vernunfter Bauern gesiegt. Im Moment besteht eine Art Koexis-nz von verschiedenen Erzeugern und Produzenten imsten auf der einen Seite und im Westen und Süden aufer anderen Seite. Für die nächten zehn Jahre wünschteh mir, dass aus dem Erfahrungsvorsprung der ostdeut-chen Agrarproduzenten quasi eine Periode des Lernensinsetzt. Also: Mehr Genossenschaft wagen, liebe Kolle-innen und Kollegen.
Ich will mich dem Verbraucherschutz zuwenden. Wireben etwas weniger als 2 Euro pro Bürgerin und Bürgerr dieses wichtige Thema aus, in Summe – es ist schonenannt worden – etwa 150 Millionen Euro.Verbraucherschutz geht bekanntlich alle an: am Kas-enautomaten, an der Tankstelle, im Supermarkt und imternet. Ich war erstaunt, als ich gelesen habe, dass inen letzten zwei Jahren 8,5 Millionen Fälle von Internet-
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Roland Claus
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betrug registriert wurden – und das sind nur die regis-trierten Fälle. Wir wissen, dass die Dunkelziffer nochviel höher ist. Das heißt, 10 Prozent der Bevölkerunghatten in den letzten zwei Jahren mit dieser Form desBetrugs zu tun. Damit ist das Internet quasi zum größtenTatort geworden. Es ist wichtig, dass wir uns diesemProblem zuwenden.Wir brauchen auch auf dem sogenannten Finanzmarktein stärkeres Engagement für die Verbraucherinnen undVerbraucher. Was heute als Finanzprodukt daherkommtund tatsächlich eine dubiose Abzocke bedeutet, das ha-ben wir heute bereits an anderer Stelle besprochen. Ichsage Ihnen, Frau Ministerin: Der beste Beitrag zum Ver-braucherschutz, den Sie leisten können, besteht darin,die Kasinos des unseriösen Finanzhandels zu schließen.Die kann man nicht reparieren; sie müssen geschlossenwerden.
Die Linke steht für eine Stärkung des Verbraucher-schutzes und seiner Institutionen. Wir wollen die Unter-finanzierung überwinden. Wir brauchen stabile Finan-zierungen für die entsprechenden Stiftungen undBundesämter. Es gibt Ideen, für deren Umsetzung garnicht so viel Geld benötigt würde. Die Verbraucher-schutzministerinnen der Linken in Berlin und Branden-burg haben den Lebensmittel-Smiley vorgeschlagen. DieIdee liegt, weil zur Umsetzung ein Bundesgesetz zu än-dern wäre, wie wir meinen, schon viel zu lange auf Eis.Ein letztes Wort, Frau Ministerin: Ihr Etat ist über-schaubar. Das macht es leichter, ihn zu ändern. Hier sindwir mit Freude dabei. Ich will Sie schließlich daran erin-nern, dass Sie noch immer einem geteilten Ministeriumvorstehen – ein Teil in Berlin, ein Teil in Bonn. Sie ken-nen die Position der Linken: Wir sind für die Wiederver-einigung der Bundesregierung in Berlin. Die nächste Be-amtengeneration wird es Ihnen danken. Die sind nämlichauch lieber hier. Wenn das geklappt hat, vergessen Siedann nicht, denen zu sagen, dass Sie damit eine Idee derLinken umgesetzt haben.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Friedrich Ostendorff für die Frak-tion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Frau Ministerin, gestatten Sie: Ichhabe das Grundsatzurteil des EuGH zum Genhonig soverstanden, dass nicht, wie Sie es gesagt haben, beimVorliegen gentechnischer Veränderungen eine Kenn-zeichnung vorzunehmen ist, sondern dass dieser Honigwegen der Kontamination als unerlaubte Zutat vomMarkt zu nehmen ist. Das ist etwas anderes als das, wasSie gesagt haben.KwmSläwednssDrogAwtrsLwa7NMinresNtegNgfaddhwnfasuFw
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undollegen, wenn wir über Landwirtschaft reden, müssenir unbedingt über Europa reden. Angesichts einer ge-einsamen europäischen Agrarpolitik macht es weniginn, nur auf Deutschland zu blicken. Ein Blick in diendlichen Räume der EU 27 mit ihrer vielfältigen, ineiten Teilen noch immer bäuerlich geprägten Strukturinerseits und der fortschreitenden Industrialisierung an-ererseits macht klar, dass wir heute mehr denn je vor ei-er echten Richtungsentscheidung in der Agrarpolitiktehen. Bauernhöfe oder Agrarfabriken – das ist die ge-ellschaftliche Frage, die gestellt wird.
as ist die Schicksalsfrage der Landwirtschaft in Eu-pa. Der Kampf für die bäuerliche Landwirtschaft undegen die Agrarindustrie ist von Anfang an Kern grünergrarpolitik gewesen.Ich weiß, dass viele von Ihnen die bäuerliche Land-irtschaft als Nostalgie betrachten und die Agrarindus-ie als Zukunft. Wir Grünen sehen das ganz anders. Wiragen: Landwirtschaft der Zukunft ist die bäuerlicheandwirtschaft, nachhaltig ausgerichtet. Dabei stellenir uns bewusst in die bäuerliche Tradition, wie sie etwauch auf unserem Hof zu Hause in Westfalen seit00 Jahren besteht. Das hat nichts mit Nostalgie zu tun.ostalgie ist das Festhalten an einem agrarindustriellenodell, das uns in die gefährliche Sackgasse geführt hat, der wir uns heute befinden. Nostalgie ist das Verhar-n bei dem fossilen Agrarmodell, obwohl das postfos-ile Zeitalter längst angebrochen ist.
ostalgie ist das ideologische Festhalten an einer gen-chnologischen Vision, die sich längst als Wahn heraus-estellt hat.
ostalgie ist, daran zu glauben, dass es Tieren in Käfi-en besser geht als auf der Weide. Nostalgie ist es, Tier-briken mit vielen Tausenden Schweinen als Ausdruckes Fortschritts zu betrachten und die Überschwemmunger Welt mit deutschem Billigfleisch als Entwicklungs-ilfe.
Wir sind heute an einem Punkt angekommen, an demir uns diese Art von Nostalgie nicht mehr leisten kön-en. Die Klimakrise, der rasende Verlust der Artenviel-lt – auch der Allerweltsarten, gerade in der Agrarland-chaft –, die Energiekrise, die Ernährungskrise zwingenns zum Umdenken. Dies wird weltweit so gesehen.AO-Generalsekretär Jacques Diouf hat völlig recht,enn er sagt, das heutige Paradigma einer intensiven
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Friedrich Ostendorff
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Pflanzenproduktion könne den Herausforderungen desneuen Jahrtausends nicht gerecht werden.Die Herausforderungen sind klar: Wir müssen unsvon einer Landwirtschaft verabschieden, die vollständigvon fossiler Energie abhängt, und müssen endlich begin-nen, in eine solare Landwirtschaft einzusteigen.
Wir müssen den Verlust der Artenvielfalt stoppen unddie Landwirtschaft wieder zu dem machen, was sie ein-mal war: Förderer der Artenvielfalt, nicht ihr Ende. Wirmüssen die Landwirtschaft von einem CO2-Emittentenwieder zu einer -Senke machen. Wir müssen Bäuerinnenund Bauern stärken, anstatt sie der Industrialisierung zuopfern. Wir müssen überall auf der Welt eine stabile Er-nährungsgrundlage für uns Menschen schaffen. Damitmüssen wir jetzt beginnen.Daraus ergeben sich für uns folgende konkrete Aufga-ben:Erstens müssen wir die Chancen nutzen, die die Re-form der EU-Agrarpolitik bietet. Dabei geht es darum,die Steuermittel in Höhe von 56 Milliarden Euro, die wirfür die Gemeinsame Agrarpolitik verwenden, zukünftigso einzusetzen, dass auf den 80 Millionen Hektar land-wirtschaftlicher Nutzfläche in Europa nachhaltiger ge-wirtschaftet wird, dass wir Biodiversität, Klimaschutzund ländliche Entwicklung endlich zu den Eckpfeilernder Gemeinsamen Agrarpolitik machen, anstatt weiterimmer nur davon zu reden, und dass wir endlich die sys-tematische Benachteiligung der bäuerlichen Landwirt-schaft beseitigen, anstatt weiter den Strukturwandel zubeklagen und gleichzeitig die Industrialisierung zu sub-ventionieren.
Die Vorschläge der EU-Kommission gehen hier in dierichtige Richtung. Deutschland blockiert jedoch bisheralle Reformbemühungen und überlässt damit die Füh-rungsrolle in Europa wie so oft anderen. Das muss unbe-dingt geändert werden; dafür werden wir streiten.Deutschland muss endlich zum Motor einer ökologi-schen und sozialen Reform der Gemeinsamen Agrarpoli-tik werden.
– Ich lebe in Westfalen. Ich glaube, Frau Mortler, Siewussten das; Sie können es auch nachlesen.Zweitens müssen wir die Förderpolitik in Deutsch-land umgestalten. Allein über die Investitionsförderungwird die Massentierhaltung mit über 80 Millionen Euroim Jahr subventioniert.
Auch die über 13 Millionen Euro für Exportförderungund Auslandsmessen, die für den Einzelplan 10 vorgese-hen sind, dienen bekanntlich vor allem dem Fleisch-export. Das müssen wir ändern. Stattdessen müssen wirdreadkmDs–2indÖtummonatiHEliCKsdnnmreLwNsImvd
Viertens müssen wir die Forschungspolitik umbauen.er Einzelplan 10 sieht 391 Millionen Euro für For-chung und Innovation vor; die Bio-Ökonomie-Strategie nicht im Agraretat – umfasst sage und schreibe,4 Milliarden Euro, aber davon fließt viel zu viel Geld die Entwicklung der Agrogentechnik und zu wenig inie notwendige Zukunftsforschung in den Bereichenkolandbau, Eiweißpflanzen, artgerechte Nutztierhal-ng, Klimaschutz, Artenschutz. Das müssen wir ändern.Schließlich müssen wir dafür sorgen, dass Agrar-ärkte Regeln bekommen, die Bäuerinnen und Bauernehr Marktmacht geben und ihnen erlauben, sich so zurganisieren und ihr Angebot so zu bündeln, dass sieicht von den Monopolisten, etwa bei den Molkereien,n die Wand gedrückt werden.Das sind die Aufgaben, die wir jetzt in der Agrarpoli-k anpacken müssen. Nichts davon erkennt man imandeln der Bundesregierung. Nichts davon spiegelt derinzelplan 10 wider, der nicht gestaltet, sondern ledig-ch das Nichtstun verwaltet.
Das Wort hat nun Franz-Josef Holzenkamp für die
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen undollegen! Eine Bemerkung: Biobetriebe sind häufig we-entlich größer als konventionelle Betriebe. Ich glaube,as muss man einmal zur Kenntnis nehmen.Meine Damen und Herren, die Haushaltsdebatten eig-en sich immer wieder sehr gut, um grundsätzliche Li-ien deutlich zu machen. Das machen wir auch. Voneinen Vorrednern wurde schon viel von Leitlinien ge-det. Ich sage an dieser Stelle ganz bewusst: Unsereeitlinie ist die Weiterentwicklung der modernen Land-irtschaft, und zwar auf Basis der Schöpfung und derachhaltigkeit, und nichts anderes. Das will ich deutlichagen.
Gegensatz zu vielen anderen haben wir keine Denk-erbote. Wir sind vor allem keine Gegen-alles-Partei wieie Linke und – immer häufiger – die Grünen. Wir sagen
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14663
Franz-Josef Holzenkamp
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Ja zu einer mittelständischen und unternehmerischenLandwirtschaft und Ernährungswirtschaft, die vielenMenschen Beschäftigung und Perspektive bieten. Wirsagen Ja zur Nutzung von Exportchancen mit unserenhervorragenden Produkten; das sage ich deutlich. Wirsagen Ja zu Verbesserungen im Bereich des Verbraucher-schutzes, und wir sagen auch Ja zur Einhaltung und Wei-terentwicklung der Standards im Bereich des Tier- undNaturschutzes.Diesen Grundsätzen wird der Haushalt des BMELVgerecht. Er ist solide finanziert und leistet seinen Beitragzur Gesamtkonsolidierung unseres Bundeshaushalts. DieVeränderungen im Zusammenhang mit dem Grünland-milchprogramm wurden bereits erwähnt und erklärt.Zum Stichwort Agrardiesel: Lieber Kollege WilhelmPriesmeier, danke für die Vorlage. Wir leisten unserenBeitrag zur Ausfinanzierung der Agrardieselvergünsti-gung. Wir entlasten damit unsere Betriebe und machensie in Europa wettbewerbsfähiger. Wir können nicht sotun, als wären wir auf einer Insel der Glückseligen. Ichglaube, das solltet ihr zur Kenntnis nehmen. Wie ihr imZusammenhang mit diesen Fragen zu landwirtschaftli-chen Betrieben steht, wurde vorhin deutlich. Ich kannnur sagen: Mit uns geht das nicht. Ihr wollt schröpfen,wir schaffen Lösungen. Mit uns ist letztlich Verlässlich-keit gewährleistet.
Das nächste Stichwort ist die GAK: Bereits im lau-fenden Haushaltsjahr 2011 wurde die GAK auf 600 Mil-lionen Euro gekürzt. Diese Summe wird für den Haus-halt 2012 fortgeschrieben. Diese Kürzung war für unsein schmerzlicher Schritt; das will ich überhaupt nichtverhehlen. Ich will aber an Folgendes erinnern. DenkenSie an die Zeit vor 2005. Unter Rot-Grün wurde dieGAK regelrecht als Steinbruch genutzt, und zwar ohneBesserstellung der Betriebe. Diese Besserstellung habenwir schon allein durch den Agrardiesel erreicht.Stichwort Sozialversicherung: Unter dem Gesichts-punkt der Titelhöhe ist dies der wichtigste Bereich inunserem Haushalt. Über die 100 Millionen Euro anBundeszuschüssen für die landwirtschaftliche Unfallver-sicherung hinaus sind weitere 75 Millionen Euro einge-stellt, die mit einem klaren Arbeitsauftrag verbundensind, nämlich der Schaffung eines Bundesträgers derlandwirtschaftlichen Sozialversicherung. Hierzu gibt eserfreulicherweise einen parteiübergreifenden Konsens.Ich hoffe, wir bekommen dies im kommenden Halbjahrgut über die Bühne. Wir stellen uns dieser Aufgabe undwerden dafür sorgen, dass bei diesem Übergang insbe-sondere die bisherigen Leistungen der regionalen Trägerberücksichtigt werden.Stichwort Verbraucherpolitik: Wir folgen weiter unse-rer Strategie, den eigenverantwortlich handelnden Ver-braucher zu stärken. Meine Kollegin Mechthild Heilwird gleich detaillierter auf unsere Erfolge eingehen.Herr Haustein hat vorhin gesagt, wie wir die StiftungWarentest und auch die Deutsche Stiftung Verbraucher-schutz unterstützt haben. Damit machen wir die Verbrau-cherberatung unabhängiger, und wir stärken den Ver-bfüdenPshwdmzgngnmbdkrasbBteSeKmhDJhDTdDbhgteDntr
er Rest kommt aus Ländern mit einem niedrigerenierschutzstandard. Arbeitsplätze und Produktion wur-en exportiert, der Tierschutz ist schlechter.
ann habt ihr einen Antrag in den Bundesrat einge-racht, dass ihr die Übergangszeit für die Kleingruppen-altungen verkürzen wolltet. 2010 sind die letzten Ställeebaut worden. 2020 soll für diese Ställe ein Verbot gel-n.
as ist ein Angriff auf Eigentum. Kommen Sie zur Ver-unft zurück! Bringen Sie diese Menschen und diese Be-iebe nicht in Existenznöte!
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14664 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Franz-Josef Holzenkamp
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Eines möchte ich klarstellen: Dort, wo es problemati-sche Bereiche gibt, sind wir natürlich unterwegs, um unsder Probleme anzunehmen und sie zu beseitigen. Daszeigt sich auch am hohen Haushaltsansatz für unsereRessortforschung. Dass wir mehr Kommunikation be-treiben müssen, zeigt sich auch im Charta-Prozess. Wirmüssen Dinge neu erklären. Wie geht Landwirtschaft?Viele Menschen wissen das nicht mehr. Zum Fleisches-sen gehört auch, dass Tiere getötet werden. Man mussmanchen Menschen tatsächlich erklären, dass Wurst undFleisch nicht in der Kühltheke geboren werden. Wir wol-len den Charta-Prozess deshalb zu einem besseren Dia-log nutzen. Miteinander reden ist immer besser, als über-einander zu reden.
Die Agrarexporte wurden eben gerade angesprochen.Ich lobe die Exportförderung des BMELV. Sie ist hoch-gradig erfolgreich mit unseren fantastischen deutschenProdukten. Wir lassen uns das von euch, insbesonderevon den Grünen, nicht vermiesen.
Nennen Sie richtige Zahlen! 75 Prozent der Agrar-exporte werden innerhalb Europas gehandelt. Bei denDrittländern spielen insbesondere die Länder Russland,Schweiz und USA eine Rolle. Es sind nicht die Entwick-lungsländer, die Sie immer wieder nennen. Das ist ein-fach falsch. Bleiben Sie bei der Wahrheit!Auch wir Deutschen müssen unseren Beitrag zur Si-cherung der Welternährung leisten. Es ist einfach so,dass nicht alle Produkte in allen Ländern wachsen. Soeinfach ist das. Eigentlich müsste das jeder verstehenkönnen.GAP wurde angesprochen. Ich habe ein Problem mitdem Greening, so wie es ausgestaltet wird. Das will ichüberhaupt nicht verhehlen. Vor allen Dingen wird mitdiesen Ansätzen den globalen Herausforderungen nichtRechnung getragen. Man fällt zurück in Flächenstillle-gungen und veraltete Instrumentarien. Das bringt sonichts. Meine Damen und Herren von der Opposition,ich unterstelle Ihnen: Sie wollen Umverteilungspolitik.Das ist Klientelpolitik.
Setzen Sie sich doch bitte für die gesamte Landwirt-schaft ein!
Ich halte fest: Wir haben eine Land- und Ernährungs-wirtschaft, die hochinnovativ, hochleistungsfähig undsehr erfolgreich ist. Daraus resultiert: Nahrungsmittelsind noch nie so günstig gewesen wie heute. Ja, wir ha-ben auch eine soziale Verantwortung.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende Ihrer Rede
kommen.
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Das Wort hat nun Rolf Schwanitz für die SPD-Frak-
on.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Wir beraten heute in erster Lesung den Entwurfes Einzelplans 10, den Entwurf des Haushalts für 2012on Frau Ministerin Aigner.Zunächst einmal möchte ich feststellen: Er beinhaltetenig Neues.
s gibt wenige Überraschungen.
Gegenteil, muss ich sagen. Er knüpft an schlechteraditionen der Vorjahre an.
Das Markenzeichen Ihrer Landwirtschaftspolitik wirduch 2012 sein: Fehlanzeige, wenn es um echte Struktur-olitik geht. Steuergelder werden für passive Gießkan-ensubventionen verpulvert. Das ist nach wie vor Ihrarkenzeichen.
Ich will noch einmal daran erinnern – Kollegeriesmeier hat das schon getan –: Unter dem Deckman-l der Hilfe für die Milchbauern sind 2010 400 Milli-nen Euro ausgegeben worden. Für dieses Jahr sind da-r noch einmal 300 Millionen Euro vorgesehen. Dieseittel werden mit der Gießkanne über die Fläche ver-ilt. Ich nenne die Stichworte „Grünlandprämie“ undKuhprämie“. Außerdem gibt es zusätzliche Zuschüsseur landwirtschaftlichen Unfallversicherung, mit denenie Beiträge heruntersubventioniert werden. Die Agrar-ieselsubvention – auch das ist angesprochen worden –ird dauerhaft fortgesetzt. Das entspricht einem Ausfallon Steuermitteln in Höhe von 260 Millionen Euro Jahrr Jahr.
All das ist nicht problembezogen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14665
Rolf Schwanitz
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Das Geld wird nur in die Fläche ausgeschüttet, ohne dassstrukturelle Überlegungen dahinterstecken. Diese Aus-gaben haben keine Investitionseffekte. Das sind reinkonsumtive Subventionen. Das zielt an den strukturellenHerausforderungen vorbei.
Natürlich war das nicht zum Nulltarif zu haben; inso-fern blieb mein Vorredner redlich. Es sind Kürzungenvorgenommen worden. Das musste gegenfinanziert wer-den. Die Agrardieselsubvention schlug in der Größen-ordnung von 170 Millionen Euro im wichtigen Bereichder Investitionsmittel negativ zu Buche. Die Gemein-schaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und desKüstenschutzes“ ist im Keller. Das Niveau von 2010wird um 110 Millionen Euro unterschritten. Vor allenDingen im wichtigen Sachgebiet „Verbesserung derländlichen Strukturen“ ist richtig zugelangt worden. Dasist die Situation.
Wer gedacht hat, dass sich der Umstand, dass wenigerMittel für Strukturpolitik und mehr Mittel für Gießkan-nensubventionen ausgegeben werden, in 2012 ändert,muss bitter enttäuscht feststellen: Das ist nicht so. Beider Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrar-struktur und des Küstenschutzes“ gibt es keine Verände-rung. Die Haushaltsmittel bleiben auf dem abgesenktenNiveau des Vorjahres: 0 Euro Veränderung in diesemHaushaltsentwurf gegenüber 2011.Bei den Gießkannensubventionen passiert das, wasKritiker schon früher befürchtet haben: Obwohl das So-fortprogramm ausgelaufen ist, obwohl in diesem Jahrnach zwei Jahren Schluss ist, wird das Ganze nicht aus-laufen, sondern die zusätzlichen Subventionen im Be-reich der Unfallversicherung werden beibehalten. Dassüße Gift der zusätzlichen Zuschüsse:
75 Millionen Euro aus der Gießkanne in 2012, 50 Mil-lionen Euro in 2013 und noch einmal 25 Millionen Euroin 2014. Summa summarum sind das 150 MillionenEuro, die in diesen Bereich hineingepumpt werden, ohnedass strukturpolitische Schwerpunkte gesetzt werden.
Das ist klar rückwärtsgewandte Agrarpolitik. DieMittel für Strukturwandel, für Innovationen, für ökologi-sche Ausrichtungen in der Landwirtschaft und für Inves-titionen werden quasi ausgetrocknet. Gießkannensub-ventionen hingegen werden aufgebläht, und die Dauerwird verlängert bis zum Gehtnichtmehr. Das war dasMarkenzeichen Ihrer Politik in den letzten beiden Jah-ren. Das wird auch das Markenzeichen Ihrer Politik in2012 sein.
Das habe ich vermutet, Herr Schirmbeck.RdsdebbfehwnafoeIhSBdgnüDeMeenGndbDammnINmew
Auch bei der Deutschen Stiftung Verbraucherschutzhlt der Ministerin jeder Wille zur Nachhaltigkeit. Er-öhung des Stiftungskapitals 2012? Fehlanzeige. Dasar eine einmalige Aktion. Gibt es im Haushalt 2012 ei-en Querverbund zu den Strafgeldern des Bundeskartell-mtes? Fehlanzeige. Davon ist nichts zu erkennen. Ichrdere Sie deshalb hier noch einmal auf: Gestalten Siendlich eine verursachergerechte Verbraucherpolitik inrem Bundeshaushalt!
chaffen Sie einen Querverbund zu den Strafgeldern desundeskartellamtes! Das wäre ein innovatives Signal beier Finanzierung der Verbraucherarbeit, vor allen Din-en ein Signal an die Sünder im industriellen Bereich.
Beim Thema Fehlanzeige kann ich die dm-Anzeigenicht aussparen. Frau Ministerin, das wird Sie nichtberraschen. Fangen wir einmal mit dem Positiven an.ass Sie diese Anzeigenserie zurückgezogen haben, warine richtige Entscheidung. Aber dass Staatssekretärüller sich in diesen Anzeigen quasi zum Werbeträgeriner Drogeriekette macht, empfinde ich schlicht undinfach als Sauerei. Das ist mit dem Amtsverständnis ei-es Regierungsmitgliedes nicht zu vereinbaren.
enauso unerträglich empfinde ich es, dass da sogaroch eine Agentur eingeschaltet worden ist und dies ausem Titel „Informationen für Verbraucherinnen und Ver-raucher“ finanziert wurde.
iese sogenannten Tipps,
lso mehr Obst und Gemüse zu essen und im Sommerehr zu trinken, sind an Trivialität nun wirklich nichtehr zu überbieten. Das hat mit Verbraucherinformatio-en überhaupt nichts zu tun und auch nichts mitFORM. Wenn dies wieder einigermaßen ins Lot kom-en soll, dann fordern Sie bitte Ihren Staatssekretär auf,r möge das aus seinen Dienstbezügen bezahlen, damitieder Ordnung herrscht.
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14666 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Rolf Schwanitz
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Darüber und über viele andere Dinge mehr müssenwir reden, damit das Jahr 2012 nicht zu einem verlore-nen Jahr für die Verbraucher und für die Landwirte inDeutschland wird.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Edmund Geisen für die FDP-Frak-
tion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich meine,
die Zukunft Deutschlands wird wesentlich von einer pro-
sperierenden und florierenden Landwirtschaft geprägt
sein. Die christlich-liberale Koalition, insbesondere wir
von der FDP, setzen voll und ganz auf eine unternehme-
rische, effiziente Landwirtschaft, die ihr Einkommen am
Markt verdienen kann.
Das heißt auch, dass wir eine standortangepasste nach-
haltige Produktion mit exzellenten Produktqualitäten
wollen.
Eine Landwirtschaft am Gängelband des Staates hat
noch nie funktioniert; dafür gibt es viele Beispiele. Ja,
auch die speziellen deutschen Vorgaben der Vorgänger-
regierungen im vergangenen Jahrzehnt haben unsere
Landwirtschaft eher geschwächt. Wichtige Branchen
wurden ins Ausland verlagert und die Produkte dann im-
portiert. Ein sehr anschauliches Beispiel ist – das wurde
eben erwähnt – die Produktion von Eiern. Aber auch an-
dere Produktionslinien konnten den Sondervorschriften
und politischen Sonderwegen Deutschlands nicht stand-
halten.
Es muss, meinen wir, Schluss sein mit der ausnahms-
losen Klientel-, Nischen- und Skandalpolitik in der
Landwirtschaft. Die christlich-liberale Regierung hat er-
kannt, dass die Wettbewerbsverzerrungen abgebaut wer-
den müssen, um unserer Landwirtschaft gerecht zu wer-
den. Harmonisierung nationaler Vorgaben mit denen auf
EU-Ebene, das ist unsere Devise.
Wir waren schon erfolgreich. Von meiner FDP-Frak-
tion erstmals vor vier Jahren eingefordert – das wissen
viele hier im Haus –, hat die christlich-liberale Regie-
rung mit Ministerin Aigner eine Angleichung der Agrar-
dieselbesteuerung durchgesetzt, ebenso deren Versteti-
gung. Das ist Geld, das den Bauern zusteht. Das ist keine
Subventionierung.
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Wenn wir die unternehmerische Landwirtschaft im
teresse der Gesellschaft unterstützen wollen, dann
uss die Politik dafür Sorge tragen, dass die Landwirt-
chaft von den Erträgen ihrer Arbeit auch existieren
ann.
ann will die Landwirtschaft gar keine Subventionen.
as ist im Sinne der betroffenen Landwirte und auch im
inne der Gesellschaft.
Lassen Sie mich betonen: Wettbewerbsgerechtigkeit
urch Harmonisierung staatlicher Vorgaben auf europäi-
cher Ebene, kostendeckende Preise und angemessene
onorierung gesamtgesellschaftlicher Leistungen ma-
hen jegliche Subventionen überflüssig und entlasten da-
it auch die Staatskasse.
Die christlich-liberale Regierung hat anerkannt: Zur
armonisierung gehört auch die Anpassung von Vor-
chriften, zum Beispiel in den Bereichen Pflanzenschutz,
ierschutz und Umweltschutz. Daran müssen wir arbei-
n. Auf rein nationaler Ebene werden jetzt endlich auch
ie Hausaufgaben gemacht, was früher nicht gemacht
urde. Wir werden die landwirtschaftlichen Sozialkas-
en endlich zukunftsfest machen. Die immer kleiner
erdende Solidargemeinschaft in der Landwirtschaft
ann ihre Eigenständigkeit auf Dauer nur mit einem
undesträger sichern. Eine solche von uns in die Wege
eleitete landwirtschaftliche Sozialreform führt mittel-
istig zu Beitragsstabilität und zu Millioneneinsparun-
en im Haushalt. Hier, denke ich, gibt es über die Par-
igrenzen hinweg Konsens.
Das noch in 2009 von der christlich-liberalen Koali-
on beschlossene Konjunkturprogramm hat die Krise
er Landwirtschaft spürbar abgeschwächt. Lassen Sie
ich nur einige Worte zur Sonderstellung des Wirt-
chaftszweiges Landwirtschaft sagen.
Aber nur wenige Worte, bitte.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14667
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Nur wenige Worte. – Die Landwirtschaft ist keine
Branche wie jede andere. Sie ist eine Werkstatt unter
freiem Himmel. Was das bedeutet, haben wir dieses Jahr
gesehen. Deswegen müssen wir uns unbedingt daranma-
chen, Risikoausgleichsmechanismen zu schaffen und zu
installieren. Auch das wird die christlich-liberale Koali-
tion tun und die Landwirtschaft damit zukunftsfest ma-
chen.
Wer heute den Agrarstandort Deutschland fit hält, sichert
morgen Ernährung und Energie. Das ist unser politischer
Kompass, und davon zeugt auch dieser Haushaltsent-
wurf.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Alexander Süßmair für die Fraktion
Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Der Entwurf des Agrarhaushalts 2012 zeigt fürmich, dass die Agrarpolitik der Bundesregierung wedersozial gerecht noch ökologisch oder ökonomisch nach-haltig ist.
Das werde ich auch belegen.Im Agrarsektor haben wir derzeit eigentlich mit ge-nau denselben Problemen zu kämpfen wie – das habenwir heute thematisiert – im Rahmen der Finanz- undWirtschaftskrise im Euro-Raum und weltweit. Die Ein-kommen der Bäuerinnen und Bauern sowie der Beschäf-tigten in der Landwirtschaft sind viel zu gering.
Um 20 Prozent sind seit der Liberalisierung der Gemein-samen Agrarpolitik die Erzeugerpreise gesunken. DasDurchschnittseinkommen pro Arbeitskraft lag im Ge-schäftsjahr 2009/2010 um 34 Prozent unter dem durch-schnittlichen Vergleichsbruttolohn.
Im besten Geschäftsjahr der letzten Jahre – das war2007/2008 – lag das Einkommen immer noch 5 Prozentunter dem gesellschaftlichen Durchschnittsbruttolohn.Das alles können Sie im Agrarbericht der Bundesregie-rung aus diesem Jahr nachlesen; damit Sie nicht glauben,das seien nur linke Parolen.ovSInfaDdbeGissBtrDdgdDdemcndvsms2gis
Schuld daran ist meiner Meinung nach Ihre export-rientierte Politik. Sie zielen vor allem auf den Verkaufon möglichst billigen Agrarrohstoffen ab.
ie ergreifen keinerlei Maßnahmen, um die Märkte imteresse der Erzeuger zu regulieren, damit diese endlichire Preise für ihre Produkte bekommen.
er entscheidende Grund, weshalb wir fast 3,7 Milliar-en Euro für die landwirtschaftliche Sozialpolitik ausge-en müssen, ist folgender – hören Sie gut zu –: Die Bäu-rinnen und Bauern haben schlicht und ergreifend keineld, um sich selbst ausreichend sozial abzusichern. Dast die Wahrheit über Ihre falsche Agrarpolitik.
Im Osten der Republik bereiten Sie den landwirt-chaftlichen Betrieben zusätzliche Probleme. Dort ist dieVVG, die Nachfolgerin der Treuhand, Motor der Preis-eiberei beim Verkauf ehemaliger volkseigener Flächen.as geschieht im Auftrag des Finanzministeriums. Auchurch die Fehlanreize im Rahmen der EEG-Förderungroßer Biogasanlagen haben Sie dazu beigetragen, dassie Pachtpreise steigen, und zwar in ganz Deutschland.iese Bodenpolitik ist sozial ungerecht und gefährdetie Existenz Tausender Familien in der Landwirtschaft.
Wir von der Linken fordern: Erstens. Wir brauchenine Förderung von regionalen Kreisläufen.Zweitens. Wir brauchen eine Stärkung der Markt-acht der Erzeuger.Drittens. Die Förderung von Exporten muss gestri-hen werden, und wir brauchen eine Stärkung des Bin-enmarktes.
Viertens. Wir brauchen eine Regulierung der Märkte;enn der totale Markt hat in der Landwirtschaft genausoersagt wie in der sonstigen Wirtschaft und im Finanz-ektor.
Fünftens. Wir brauchen ein Verbot der Spekulationit Lebensmitteln.
Wir von der Linken machen auch konkrete Vor-chläge. Wir fordern, den Ökolandbau zu stärken. Nur,6 Prozent der Forschungsmittel in der Landwirtschaftehen derzeit in die Forschung für den Ökolandbau. Dast ein Witz.
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14668 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Alexander Süßmair
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Die Linke fordert die Erhöhung des Anteils auf 20 Pro-zent. Außerdem fordern wir, dass Sie den Zuschuss zumBundesprogramm Ökolandbau von 16 Millionen Euroauf 25 Millionen Euro aufstocken. Das könnten Sie fi-nanzieren, indem Sie zum Beispiel die Exportförderungin Höhe von 5 Millionen Euro streichen.
Wir fordern auch, dass Sie landwirtschaftliche Be-triebe fördern, die ihre Maschinen auf reines Pflanzenölumstellen. Dann könnten die landwirtschaftlichen Be-triebe ihren Treibstoff selbst produzieren. Davon hättensie deutlich mehr als von Ihrer Beimischungspolitik beiE 10 oder der Steuerbefreiung des Agrardiesels. Daswäre nachhaltig und würde nicht nur den Mineralölkon-zernen nutzen.
Wir von der Linken unterstützen auch die Forderungdes Bauernverbandes nach einer steuerfreien Risiko-rücklage für die Landwirtschaft. Damit könnten Ernte-ausfälle und Verluste wie zum Beispiel in diesem Jahrdurch Ehec aufgefangen werden. Dann müssten wir hiernicht alle Jahre wieder Nothilfeprogramme beschließen.
Mein Fazit Ihrer Agrarpolitik lautet: Sie wendet sichgegen die Bäuerinnen und Bauern, sie bringt nichts fürdie Verbraucherinnen und Verbraucher, und sie hat inter-national katastrophale Auswirkungen für die Menschenin den Entwicklungsländern. Wir brauchen eine sozialgerechte und ökologisch nachhaltige Agrarpolitik. Dafürsteht die Linke.Vielen Dank.
Cornelia Behm hat für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Nachhaltigkeit ist jetzt in aller Munde. Wir haben dasgerade bei der Rede von Herrn Holzenkamp erlebt, derNachhaltigkeit zum Maßstab der christlich-liberalenAgrarpolitik erklärt hat. Die Bundesregierung hat einenBeirat für nachhaltige Entwicklung eingesetzt, wir habenim Bundestag einen Beirat für nachhaltige Entwicklung,es gibt eine Nachhaltigkeitsstrategie, und in alle Geset-zen schreiben wir etwas zur Nachhaltigkeit. Aber wiesieht die politische Praxis aus?Es gab einmal ein Bundesprogramm ÖkologischerLandbau, finanziert vom Agrarministerium. Daraus hatdswWhdsedctibhSzhtegtuzshmAsaFEsSvnBEögloLeRa
ie hat das Ziel gesetzt, einen Flächenanteil von 20 Pro-ent für den Ökolandbau zu erreichen. Der Rat für Nach-altige Entwicklung hat das 2001 unterstrichen. Das In-ressante ist, dass der Rat für Nachhaltige Entwicklungerade vor einem Monat erklärt hat: Wir müssen mehrn, wenn wir einen Anteil des Ökolandbaus von 20 Pro-ent erreichen wollen; denn Ökolandbau ist der Gold-tandard. Ökolandbau ist das Leitbild. Darüber hinausat der Rat angeregt, 20 Prozent der Agrarforschungs-ittel für den Ökolandbau einzusetzen.
ngesichts des Agrarhaushalts der Bundesregierungind wir davon Potenzen entfernt.
Nehmen Sie endlich die ideologischen Scheuklappenb!
olgen Sie den Empfehlungen des Rates für Nachhaltigentwicklung. Dafür gibt es eine haushaltsneutrale Lö-ung, nämlich die Neuausrichtung der BioÖkonomie-trategie. Darin stecken immerhin 2,4 Milliarden Euro,erteilt über sechs Jahre. Der Großteil davon kommticht aus dem BMELV-Haushalt, sondern aus demMBF-Haushalt.Eine weitere Empfehlung des Rates für Nachhaltigentwicklung ist eine Vermarktungsoffensive für denkologischen Landbau. Dafür haben wir ein hervorra-endes Instrument, nämlich das Bundesprogramm Öko-gischer Landbau und andere Formen nachhaltigerandwirtschaft, BÖLN. Streichen Sie das N, machen Siendlich wieder BÖL daraus. Stoppen Sie Ihre Irrfahrt!eden Sie nicht nur nachhaltig, sondern handeln Sieuch nachhaltig!
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14669
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Die Kollegin Mechthild Heil hat für die Unionsfrakti-
onen das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Die Opposition ist nun einmal so, wie sie ist:richtungslos und wirr im Vortrag,
unpräzise und populistisch in der Sache. Mit Verlaub,was Sie hier heute Abend der Öffentlichkeit vormachen,ist eine reine Mogelpackung: große Aufmachung und imKern mehr Luft als Ware!
Wären Sie ein Unternehmen in der Ernährungsbranche,würde man Ihnen von der Verbraucherzentrale die roteKarte zeigen und Ihnen eine Abmahnung zukommen las-sen.
Bei uns ist drin, was draufsteht: Wir haben im letztenHaushalt die Ausgaben für den Verbraucherschutz um30 Prozent erhöht. Davon rücken wir auch heute nichtab. Nein, wir legen sogar noch etwas drauf, weil wir, dieCDU/CSU und die FDP, um die Bedeutung der Verbrau-cherpolitik wissen und uns für eine echte Zukunftsvor-sorge für die Verbraucherinnen und Verbraucher interes-sieren.Wir haben das Stiftungsvermögen der Stiftung Wa-rentest um insgesamt 50 Millionen Euro erhöht. Wirhaben die Stiftung Deutscher Verbraucherschutz mit10 Millionen Euro unterstützt. Rechnet man diese Ein-zelzahlungen heraus – was Sie heute Abend nicht getanhaben –, dann stellt man fest, dass der Etat für die Ver-braucherpolitik 2012 um weitere 6 Prozent anwächst.Bei allen Sparanstrengungen im Zuge der Schulden-bremse setzen wir in der Verbraucherpolitik ein klaresZeichen.
Wie moderner und zielgenauer Verbraucherschutzaussieht und wie er bei uns funktioniert, sehen Sie amBeispiel eines Projektes, das nicht einmal 1 Million Eurogekostet hat: Lebensmittelklarheit.de. Durchschnittlichgehen jeden Tag etwa 100 000 Bürger auf diese Seite.Sie ist von unserem Bundesministerium finanziert. DieVerbraucherzentrale Hessen betreut die Seite. Es gibt In-formationen über die Aufmachung und die Etikettierungvon Lebensmitteln. Fragen können gestellt werden.Auch die eine oder andere Unklarheit kann dort beseitigtwerden. Allein in den ersten Tagen gab es geradezu ei-nen Ansturm von 20 Millionen Zugriffen auf diese Seite.Jeden Tag erreichten die Verbraucherschützer bis zu300 Anfragen und Produktmeldungen. Das zeigt nichtnur das große Informationsinteresse der BürgerinnenuutessVdbEeuwNlehtuAKvIchaaDmzdGfoCteskbhDdsbadbVh
inmal mehr sehen wir, dass Kunden und Hersteller sichben nicht wie feindliche Brüder gegenüberstehen, wiens die linke Seite des Hauses immer glauben machenill.
ein, Kunden und Hersteller sind auf ein vertrauensvol-s Miteinander angewiesen. Das Internetportal „Klar-eit und Wahrheit“ ist ein guter Schritt in diese Rich-ng.Vor allem unserer Verbraucherschutzministerin Ilseigner gebührt großer Dank, dieses Projekt unbeirrt vonritik zum Erfolg geführt zu haben. Danke sehr, sehrerehrte Frau Aigner.
h danke Ihnen im Namen aller Verbraucher, die Klar-eit suchen, aber auch im Namen aller Unternehmer, dien aufgeklärten Kunden Interesse haben. Dank sage ichber auch für die mediale Begleitung dieses Prozesses.ie nicht ganz unberechtigte Angst einiger Hersteller,it Produkten an den Pranger gestellt zu werden, diewar rechtlich einwandfrei sind, aber für den Kundenennoch missverständlich sein könnten, hat sich zumlück bis heute nicht bewahrheitet.Ob Ernährung, Gesundheit, Finanzanlagen oder In-rmationsrechte, Verbraucherschutz ist für uns von derDU/CSU keine Nischenpolitik. Im Jahr 2010, dem ers-n Jahr der Ministerin Aigner, wurde sehr vieles ange-toßen und auf den Weg gebracht. Es vergeht seitdemein Monat, in dem wir von der Union nicht eine ver-raucherschutzpolitische Initiative auf den Weg gebrachtaben.
as jetzt verschärfte Verbraucherinformationsgesetz istie umfangreichste und ambitionierteste Verbraucher-chutzoffensive seit Jahren. Neben Informationen zu Le-ensmitteln und Kosmetika können Verbraucher künftiguch Auskunft über Spielzeug, Haushaltsgeräte oder an-ere technische Produkte erhalten.Mit der Button-Lösung sind wir beim digitalen Ver-raucherschutz in Europa führend.
ermeintlich kostenlos ein Rezept heruntergeladen zuaben und in Wahrheit ein Jahresabonnement für eine
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14670 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Mechthild Heil
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Zeitschrift abgeschlossen zu haben, gehört nun der Ver-gangenheit an.Beim Anlegerschutz geben wir mit den Produktinfor-mationsblättern den Kunden eine gute Möglichkeit andie Hand, Angebote für ihre Geldanlage besser zu ver-stehen und die Angebote untereinander wirklich zu ver-gleichen. Die bisher nur für den Bankensektor geltendeDokumentationspflicht werden wir auch auf den GrauenKapitalmarkt, also auf alle Anlageberater, ausweiten.Die Weltwirtschaftskrise hat uns nachdrücklich ge-zeigt: Verbrauchervertrauen ist die Voraussetzung füreine gesunde Volkswirtschaft. Weil wir das wissen, stär-ken wir die Verbraucher und damit unsere Wirtschaft.Mit dem neuen Telekommunikationsgesetz beendenwir endgültig die Beutelschneiderei mit teuren Warte-schleifen.Wir wollen einen flächendeckenden Ausbau desBreitbands. Menschen auf dem Land sind für mich keineVerbraucher zweiter Klasse.
Wir setzen uns für weniger Preisschwankungen anden Zapfsäulen ein. Zu viele Kunden fühlen sich vonden manchmal stündlich wechselnden Preisen an denTankstellen an der Nase herumgeführt.Ein besserer Schutz der persönlichen Daten im Netzund vieles andere steht bei uns auf der Agenda.Unserem Ziel – schnellere und zielgenauere Informa-tionen für den Verbraucher, keine staatliche Bevormun-dung, weniger Spielraum für die schwarzen Schafe aufdem Markt – sind wir in den letzten zwei Jahren eindeutliches Stück nähergekommen.
Kollegin Heil, achten Sie bitte auf die Zeit.
Der vorliegende Haushaltsentwurf eröffnet uns die
Möglichkeit, auf diesem Weg weiter voranzugehen.
Vielen Dank.
Die Kollegin Drobinski-Weiß hat für die SPD-Frak-
tion das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-legen! Liebe Verbraucherinnen und Verbraucher auf denRängen! Ich möchte gern ein bisschen Wasser in denWein gießen, den Frau Heil uns einzuschenken versuchthat.
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ie Verbraucherpolitik der schwarz-gelben Bundesre-ierung hat kein Konzept. Die Verbraucherpolitik derchwarz-gelben Bundesregierung besteht vor allen Din-en aus Worten und weniger aus Taten. Sie nutzt Wortend Bilder. Das dient weniger den Verbrauchern als derR in eigener Sache.
erbraucherpolitik fällt bei dieser Bundesregierung nurunter ferner liefen“. Denn im Haushaltsentwurf 2012ind ganze 3 Prozent des gesamten Etats für verbrau-herpolitische Maßnahmen vorgesehen. Das im Einzel-lan 10 enthaltene Tortendiagramm weist für die Ver-raucherpolitik gerade einmal 148,6 Millionen Euro aus;as ist der kleinste Anteil. So viel gibt man für die Ver-raucherpolitik aus. Sogar für den Bereich „Weitereusgaben“ sind 447,9 Millionen Euro vorgesehen. Dast dreimal so viel wie das, was für die Verbraucherpoli-k ausgegeben werden soll.Die Verbraucherpolitik der Bundesregierung hat keinonzept. Ihre Maßnahmen sind nicht an der Realität dererbraucher ausgerichtet. Wir von der SPD-Fraktion for-ern deshalb den Ausbau einer verbraucherbezogenenorschung. Wir fordern die Einführung eines wissen-chaftsbasierten Verbraucherchecks bei der Gesetzge-ung. Bisher fehlen Daten über das tatsächliche Verhal-n von Verbrauchern, die Motive für die Produktwahlnd die Verarbeitung von Informationen. So weiß manum Beispiel auch zehn Jahre nach der Einführung deriester-Produkte nicht, warum viele Menschen dieseerträge nicht abschließen, warum sie die Zulage nichteantragen und warum sie nicht bis zur Rente „durch-paren“. Wir fordern deshalb den Aufbau einer eigen-tändigen Forschungseinrichtung, die unter anderemine jährliche und repräsentative Verbrauchererhebungurchführt. Sie soll die Grundlage für weitere Studiennd einen Verbrauchercheck in der Gesetzgebung er-öglichen.Beim Verbraucherinformationsgesetz haben wir alsPD in einem Entschließungsantrag erstmalig einen Ver-rauchercheck gefordert. Wir wollen, dass die sich in derraxis offenbarenden Schwächen zum Anlass genom-en werden, entsprechend nachzubessern. Obwohl seitkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2008 klar ist, dass dieuskunftsmöglichkeiten für Verbraucher so stark einge-chränkt sind, dass die Verbraucher sie kaum nutzen,arten wir seit drei Jahren auf eine entsprechende No-elle. Das, was uns bisher vonseiten der Bundesregie-ng bekannt ist, lässt leider befürchten, dass auch diechwächen dieses Gesetzes wieder einmal nur unzurei-hend beseitigt werden sollen.Nach Auffassung der Bundesregierung soll der mün-ige Verbraucher allein die Verantwortung für ein nach-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14671
Elvira Drobinski-Weiß
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haltiges Konsumverhalten tragen. Dabei ist der Markt mitder sogenannten Nachhaltigkeit für die Verbraucher un-durchschaubar geworden. Hinz und Kunz werben mit derNachhaltigkeit ihrer Produkte. Doch was steckt dahinter?Wir fordern eine öffentlich zugängliche Datenbank, in derHersteller, die mit solchen Aussagen werben, ihre Krite-rien für soziale und ökologische Produktionsbedingun-gen offenlegen.
So werden nämlich die unterschiedlichen Nachhaltig-keitsbegriffe für die Verbraucher vergleichbar. Das kannzu einer einheitlichen Definition beitragen.Wie Sie wissen, hat der Europäische Gerichtshof vor-gestern entschieden, dass nicht zugelassene Genkon-strukte in Lebensmitteln nicht toleriert werden dürfen,egal ob absichtlich oder zufällig hineingelangt und unab-hängig vom Anteil. Im Klartext muss dies heißen: keineAufhebung der Nulltoleranz für nicht zugelassene Kon-strukte und kein Anbau von GVO-Pflanzen. Denn dieKoexistenz ist ein Märchen.
Die Ausbreitung von GVO ist nicht kontrollierbar.Doch stattdessen diskutiert man in der Bundesrepubliküber eine Kennzeichnungspflicht für die Produkte, dieirgendwie mit Gentechnik in Berührung gekommensind. Wir halten eine solche Kennzeichnung nur dann fürsinnvoll, wenn der Verbraucher auf einen Blick erkennenkann, ob gentechnisch veränderte Pflanzen genutzt wur-den oder ob auf irgendeiner Produktionsstufe im Herstel-lungsprozess ein gentechnisch verändertes Enzym einge-setzt wurde. Mehrheitsfähig – Frau Aigner, da muss ichIhnen leider widersprechen – ist diese Kennzeichnungauf EU-Ebene sowieso nicht. Deshalb haben wir uns da-mals für die freiwillige Kennzeichnung „Ohne GenTech-nik“ auf nationaler Ebene starkgemacht. Die haben wirvon der SPD durchgesetzt.
Ich freue mich, dass Sie, Frau Aigner, uns dabei unter-stützt haben. Wir brauchen aber weiterhin Mittel fürdiese Informationskampagne.Ob Lebensmittelkennzeichnung, Verbraucherrechte-richtlinie, Datenschutz oder Spielzeugsicherheit, wich-tige verbraucherpolitische Vorhaben – das wissen wiralle – werden in Brüssel verhandelt. Die Wirtschaft ist inBrüssel bestens aufgestellt. Ihre Lobbyisten bauen ihrePräsenz in Brüssel massiv aus. Für die Zusammenarbeitder Verbraucherverbände auf EU-Ebene werden die Mit-gliedsbeiträge der vzbv an die europäische Verbraucher-organisation BEUC zwar aus dem Einzelplan 10 geför-dert, eine Vertretung für die spezifischen Interessen derdeutschen Verbraucher existiert jedoch nicht. Das, sofinden wir, muss sich schnellstens ändern.
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in anderes Mal lässt sich die Ministerin im Werbespotuf der Internetseite einer Küchenfirma finden, oder eserden Projekte von Zuwendungsempfängern genutzt,m die Arbeit des Ministeriums zu bewerben. Aus diesercke werden wir möglicherweise noch einiges hören.ieber wäre uns weniger PR, dafür mehr gute Politik fürie Verbraucherinnen und Verbraucher.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Happach-Kasan für die
DP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!s sollte über diesem büttenreifen Beitrag der Kolleginrobinski-Weiß nicht vergessen werden, dass wir hierber das Feld Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-herschutz diskutieren. Ich danke dem Kollegenriesmeier ausdrücklich, weil er festgestellt hat, dass essgesamt in der Landwirtschaft gut läuft. Es läuft in derat bemerkenswert gut.Ich vermisse allerdings in den Beiträgen der Opposi-on die Überlegung, dass eine Haushaltsdebatte nichtur darüber geführt werden sollte, wie die Gelder, dieon den Steuerzahlern erwirtschaftet werden, verteilterden. Es sollte auch darüber diskutiert werden, welchetrukturellen Rahmenbedingungen wir schaffen. Die Op-osition ist etwas blass geworden. Wir haben Rahmen-edingungen geschaffen, die es unserer Landwirtschaftrmöglichen, ein gutes Einkommen zu erwirtschaften.err Priesmeier hat recht: Wir haben eine schlechternte. Deswegen werden wir darüber nachdenken, Di-ktzahlungen schneller zu leisten, damit keine Liquidi-tsengpässe entstehen. Dies liegt im Interesse der Be-iebe.Ich vermisse bei der Kritik dessen, was gewesen istFrau Drobinski-Weiß war offensichtlich nicht da, sonstätte sie bemerkt, wie viel diese Bundesregierung be-egt hat –,
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14672 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Dr. Christel Happach-Kasan
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dass man, wenn man gegen das Grünlandmilchpro-gramm ist, sagt, wie den Landwirten in der Milchkrisehätte geholfen werden können. Dazu kam absolut nichts.Der Haushalt dieser Bundesregierung folgt der Leitli-nie „Stabilität, Wachstum, Zukunftsfähigkeit“. Zukunfts-fähigkeit ist das Thema. Das bedeutet im Bereich derLandwirtschaft eine Steigerung von Effizienz. Wir müs-sen das, was wir mit der GAP auf den Weg bringen, vordem Hintergrund der Steigerung der Effizienz der Land-wirtschaft betrachten. An die Grünen gerichtet: Das giltauch für die Ökolandwirtschaft. Der Rat für NachhaltigeEntwicklung hat ebenfalls gesagt: Bitte, liebe Ökobe-triebe, auch ihr müsst effizienter werden, als ihr es bisherwart. – Das ist eine Aufforderung an diese Betriebe. Esreicht nicht, immerzu die bäuerliche Landwirtschafthochzuhalten und Museumslandwirtschaft zu fordern.Wenn wir die Welt ernähren wollen – dazu müssen auchwir als Deutsche einen Beitrag leisten –, dann müssenwir Effizienzsteigerungen auf den Weg bringen, danndarf es – das ist eine Forderung der FDP; ehrlich gesagt,vermisse ich eine solche Forderung von der Linken –auch keine Deckelung geben.
– Das hat er leider nicht gesagt. Das hätte er sagen müs-sen.
– Nein, das hat er nicht.Wir müssen feststellen, dass wir in Deutschland un-terschiedliche Betriebsstrukturen in den verschiedenenLandesteilen haben, und deswegen müssen wir für dasganze Land und nicht nur für einige Teile Politik ma-chen.
Ich finde es außerordentlich bemerkenswert, dass esdieser Bundesregierung – Frau Aigner gemeinsam mitHerrn Niebel – erstmals gelungen ist, deutlich zu ma-chen: Wer Welternährung will, der muss auch Landwirt-schaft wollen.
Nur über mehr Landwirtschaft werden wir in der Lagesein, die Menschen auf der Erde zu ernähren; nur so wirdes gehen. Wenn wir uns einfach einmal bewusst machen,dass sich die genutzte Ackerfläche pro Kopf von 1950 bis2025 auf ein Drittel reduzieren wird – von 5 000 Quadrat-metern auf 1 700 Quadratmeter –, dann wird uns klar,welche Herausforderung die Steigerung der Effizienz be-deutet.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Ich möchte zuerst das aufgreifen, was der Kol-ge Haustein schon getan hat: Er hat sich bei vielenitstreitern bedankt. Lieber Peter, ich darf dich korrigie-n: Du hast unsere Ministerin vergessen. Ihr gilt natür-ch dein und mein ganz besonderer Dank. Ich darf er-änzen: Ich möchte mich auch beim Finanzministerium,esonders beim Staatssekretär Kampeter, bedanken;enn wenn dort nicht die nötigen Mittel zur Verfügungestellt werden, können wir hier zwar über vieles reden,ber nichts machen.
Meine Damen und Herren, auch wenn wir eine fröhli-he Runde sind, lassen Sie mich versuchen, Ihnen hierinen ganz ernsthaften Gedanken vorzutragen. Ich warit dem Kollegen Peter Bleser vor einigen Tagen auf derogenannten Armuts- oder Hungerkonferenz der Afrika-ischen Union in Addis Abeba, also in über 2 300 Meteröhe. In Ostafrika gibt es 12 Millionen Menschen, dieem Hunger ins Auge sehen. In Ostafrika hat man dieesten Zuckerrübenböden. Man hat dort auch reichlichasser. Politisch und agrarstrukturell herrschen dortber archaische Verhältnisse. Wäre dies nicht so undätte man dort unser landwirtschaftliches Können der960er-Jahre, dann könnte man – das sagen unsere Fach-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14673
Georg Schirmbeck
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leute – nicht nur die Menschen in Somalia und in Äthio-pien, sondern auch die in Ägypten ernähren.Wir hier haben die erfolgreichste, leistungsfähigsteLandwirtschaft der Welt. Sie ist, wenn man das im inter-nationalen Vergleich sieht, vergleichsweise kleinteilig.Wir aber erwecken den Eindruck, als gäbe es hier Miss-stände ohne Ende. Ich sage Ihnen: Wenn wir nicht eineso leistungsfähige Landwirtschaft hätten, könnten wirnicht dorthin fahren, um den Hungernden, den Sterben-den dort so zu helfen, wie wir das tun. Italien kann esschon nicht mehr.
Verehrter Herr Kollege Süßmair, ich hätte nicht ge-dacht, dass wir das 21 Jahre nach der deutschen Einheithier noch einmal diskutieren müssen. Aber der KollegeClaus hat ausgeführt, die Landwirtschaft sei nun der Be-reich gewesen, in dem die DDR der Bundesrepubliküberlegen gewesen sei.
Ich war im Januar 1990 das erste Mal in Neustrelitz.Damals funktionierte die DDR in ihren staatlichenStrukturen ja noch. Da war ich beim Rat des Kreises. Dawar auch der Agrarkreisrat oder wie immer der sich da-mals nannte. Der hatte ein Problem. Der hatte 1 000 fetteSchweine, die so fett waren, dass sie auf dem Hinternsitzen mussten, weil sie nicht mehr stehen konnten. Daswar leibhaftige Tierquälerei. Der hatte das Problem, dassdiese fetten Schweine – dafür gab es auch gar keinenMarkt mehr – geschlachtet werden mussten. Da musstenmeine Freunde aus Südoldenburg kommen und das erle-digen. Das ist die Überlegenheit gewesen! Ich sage eseinmal ein bisschen polemisch: Mit Ihrer Landwirtschaftwürde selbst in der Sahara der Sand knapp.
Lassen Sie mich etwas zu dem ländlichen Raum sa-gen, dem geprügelten ländlichen Raum, der sich totalentvölkert, der erbärmlich dasteht. Ich komme – zusam-men mit dem Kollegen Holzenkamp – aus einer Region,in der vielleicht die moderne Landwirtschaft entwickeltworden ist – das kann man vielleicht so behaupten –, inder aber die Menschen vor zwei Generationen noch Sandgefressen haben, weil das leichte Böden sind. Die älterenLeute, die da leben, haben noch Hunger gekannt. Da istheute moderne Landwirtschaft.Wenn ich dann höre, dass von einer Entvölkerung ge-sprochen wird, dann muss ich sagen: Der Landkreis Os-nabrück hat in den letzten 20 Jahren 75 000 Einwohnerzusätzlich gewonnen. Die Bevölkerung im LandkreisVechta ist erheblich gewachsen. Das gilt auch für denLandkreis Cloppenburg oder das Emsland und die Graf-schaft Bentheim. Die Arbeitslosenzahlen sind unter4 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit ist an der Nach-weisgrenze.
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Meine Damen und Herren, ich stelle fest, dass imndlichen Raum gebaut wird. Es werden Windräder ge-aut. Es werden Solaranlagen gebaut. Die Außenwändeon Stallgebäuden werden sogar verklinkert hochgezo-en. So kann man in anderen Regionen der Welt nichtinmal Häuser bauen. Es gibt richtig Innovationen imndlichen Raum. Es besteht dort lediglich das Problem,ass es keinen Handwerker, keinen Fliesenleger gibt, dereitgerecht den einen oder anderen Auftrag ausführt.Lassen Sie uns doch einmal ehrlich sein! Wir brau-hen natürlich Verbraucherschutz. Wir brauchen Lebens-ittelüberwachung. Jeder einzelne Fall, den wir in die-em Zusammenhang diskutieren, ist einer zu viel; daind wir uns völlig einig. Aber können wir nicht auchinmal feststellen, dass wir gesunde Lebensmittel in ei-er Vielfalt haben, die es in keiner Generation vor unsab?
Auch darauf können wir stolz sein; auch das könnenir erwähnen, statt immer nur den einen Fall so hochzu-iehen, als ginge bald die Welt unter.
Ein Thema, für das ich, wie der eine oder andereeiß, eine besondere Leidenschaft habe, ist die Forst-irtschaft. Wir haben das Internationale Jahr der Wäl-er. Wir dürfen feststellen, dass die deutsche Forstwirt-chaft besonders leistungsfähig ist. Das sieht man aucharan, dass im Biodiversitätsbericht der Bundesregie-ng festgestellt wird, dass die Biodiversitätskriterienerade in der Forstwirtschaft besonders erfolgreich ein-ehalten werden.Deutsche Forstleute sind in der ganzen Welt tätig. Icharf der Ministerin herzlich dafür danken, dass sie sicheispielsweise an großen Kooperationswerken in Viet-am, aber auch in China und in anderen Ländern betei-gt.Wenn man über Forstentwicklung in der Welt redet,o ist es natürlich richtig, dass es an manchen Stellenaldvernichtung gibt, bei der wir dagegenhalten müs-en. Aber nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis, dass esurch deutsche Forstleute, durch Mittel, die wir in die-em Bundeshaushalt zur Verfügung stellen, beispiels-eise gelingt, in einem Zeitraum von zehn Jahren inietnam die Waldfläche wieder auf das Niveau von vorem Vietnamkrieg zu bringen. Auch darauf können wir
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14674 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Georg Schirmbeck
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doch stolz sein. Das sollte man wissen; deshalb möchteich das hier erwähnen.
Nachdem ich mir vorhin die Ausführungen zu For-schung und Entwicklung angehört habe – ich finde estoll, dass wir Exzellenzuniversitäten und Ähnliches ha-ben –, sage ich durchaus ein bisschen kritisch: Es kanndoch nicht sein, dass wir an unseren Exzellenzuniversi-täten junge Forstleute heranbilden, dann aber nicht in derLage sind, den Besten eines Jahrgangs einen Arbeits-platz anzubieten – und das angesichts der Tatsache, dassdas derzeitige Forstpersonal im Schnitt über 50 Jahre altist. Dieses Verhalten ist kurzsichtig und überzeugt nicht.Ich hätte den Wunsch, dass sich die Länder an der einenoder anderen Stelle etwas mehr in die richtige Richtungbewegen.
Herr Kollege Schwanitz hat hier gesagt, im ländlichenRaum werde Geld verbrannt. Ich kann dem nur entge-genhalten: Durch die Maßnahmen bei den Berufsgenos-senschaften und beim Agrardiesel tragen wir dazu bei,dass auch im ländlichen Raum Kaufkraft vorhanden ist.Außerdem sorgen wir – das zeichnet diesen Einzelplanbesonders aus – für soziale Sicherheit im ländlichenRaum, indem wir für diesen Bereich fast 4 MilliardenEuro zur Verfügung stellen. Das ist ein Beispiel für Kon-tinuität. Wir sind hier verlässliche Partner. Ich sage esnoch einmal: Der Kollege Haustein und ich werden si-cherstellen, dass bei den Haushaltsplanberatungen dieeine oder andere Änderung noch eingearbeitet wird, unszugleich aber auch an dem Ziel orientieren, dass weiter-hin kontinuierliche Politik für die Menschen in Deutsch-land und weit darüber hinaus gemacht wird.Herzlichen Dank für Ihre Geduld.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen
nicht vor.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Gesundheit, Einzelplan 15.
Das Wort hat der Bundesminister Daniel Bahr.
Guten Abend, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolle-ginnen und Kollegen! Heute beraten wir erstmals denBundeshaushalt 2012 für den Geschäftsbereich des Bun-desministeriums für Gesundheit. Der eigentliche Haus-halt des Bundesgesundheitsministeriums ist auch imkommenden Jahr mit einem Umfang von knapp 483 Mil-lionen Euro ein eher kleinerer Etat, aber es zeigt sich,dass man auch in diesem kleinen Etat schon richtige Pri-oritäten setzen kann. Ich möchte Ihnen drei Beispielenennen:lasHwOWsTpuladJmüssbisDWmdweJsmmuansimsnW1EwliBinHgGsm
ir müssen es schaffen, meine Damen und Herren, dassich möglichst viele Menschen mit diesem wichtigenhema befassen. Wir werden mit der Novelle des Trans-lantationsgesetzes weitere Verbesserungen vornehmen,m die Zahl der Organspenden zu erhöhen und den Ab-uf zu verbessern. Ich bin dankbar und begrüße aus-rücklich, dass sich der Deutsche Bundestag in diesemahr um das Thema Organspendebereitschaft kümmernöchte, dass eine Debatte hier im Deutschen Bundestagber die Frage geführt werden soll, wie wir die Bereit-chaft der Menschen noch erhöhen können, einen Organ-pendeausweis auszufüllen.Die Zahl derjenigen Menschen, die den Wunsch ha-en, selbst ein Spenderorgan zu erhalten, wenn es nötigt, ist hoch. Die Bereitschaft zur Organspende ineutschland ist hingegen noch zu gering ausgeprägt.ir wissen aber auch, dass jeder, der sich selbst nichtit dem Thema Organspende beschäftigt, die Entschei-ung später einem Angehörigen aufbürdet. Deswegenerben wir für die Organspende und für das Ausfüllenines Organspendeausweises. Wir sagen den Menschen:eder Organspender ist ein Lebensretter. Ich sage in die-er Debatte: Wir sollten im Deutschen Bundestag ge-einsam noch mehr dafür tun, dass sich die Menschenit dem Thema Organspende persönlich beschäftigennd sich dafür entscheiden, einen Organspendeausweisuszufüllen.
Beispiel zwei: Wir dürfen beim Thema HIV/Aidsicht nachlassen. Diese Erkrankung darf nicht in Verges-enheit geraten; sie stellt nämlich für viele Menschenmer noch eine lebensbedrohliche Situation dar. Wirehen deshalb 12 Millionen Euro für Präventionsmaß-ahmen in diesem Bereich vor.
ir werden, wie schon im vergangenen Jahr, rund,6 Millionen Euro für die Aidsforschung bereitstellen.s zeigt sich, dass die Gefahren unterschätzt werden,enn wir nicht durch fortwährende und gezielte Öffent-chkeitsarbeit stetig informieren. Auch hier setzen dasundesministerium für Gesundheit und die Koalitionsgesamt eine klare Priorität und stellen für das ThemaIV/Aids weiterhin die erforderlichen Mittel zur Verfü-ung.Beispiel drei: Wir sind in vielen Bereichen unseresesundheitswesens dringend auf Innovation angewie-en: in der Pflege, der Kindergesundheit, der Arznei-ittelsicherheit, aber auch bei Maßnahmen zur Quali-
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Bundesminister Daniel Bahr
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tätssicherung. Für den Bereich der Forschung sinddeshalb im Etat 25 Millionen Euro veranschlagt.Neben dem Kernbereich des Haushalts macht dengrößten Batzen dessen, was wir heute beraten, der Bun-deszuschuss an die gesetzliche Krankenversicherungaus. Er beträgt 14 Milliarden Euro für versicherungs-fremde Leistungen und seit dem letzten Jahr auch für ei-nen funktionierenden Sozialausgleich.
Ich erinnere an die Ausgangssituation zu Beginn der Le-gislaturperiode. Insofern, Frau Ferner, wird Ihnen dasLachen gleich im Halse stecken bleiben.
Denn das, was wir in dem zuvor sozialdemokratisch ge-führten Haus vorgefunden haben, war ein drohendesMilliardendefizit, das durch den Gesundheitsfonds mitden gedeckelten Zusatzbeiträgen nicht hätte geschultertwerden können.
– Ihre Reaktion zeigt mir nur, dass Sie hier einen wun-den Punkt haben,
dass Sie offensichtlich die Realität, die wir vorgefundenhaben, auch heute noch leugnen. – Es hätte bei denKrankenkassen zur Masseninsolvenz geführt. Das Fi-nanzierungssystem, das Ihre sozialdemokratische Füh-rung uns hinterlassen hat,
war nicht in der Lage, ein solches Defizit im Sinne derVersicherten und der Stabilität des Gesundheitswesenszu schultern.
Es war diese Koalition, meine Damen und Herren, diefür einen effizienten Einsatz der Versichertengelder ge-sorgt hat. Wir haben mit der Neuordnung des Arzneimit-telmarktes gezeigt, wie wir Wettbewerb auch im Arznei-mittelbereich verstanden wissen wollen und wie wir ihnvoranbringen wollen, und wir bringen die Interessen derPatienten und Beitragszahler zusammen. Wir brechendas Preismonopol der Pharmaindustrie.
Wir sorgen dafür, dass die Patienten weiterhin wirklicheInnovationen im Arzneimittelbereich auch schnell in derVersorgung spüren. Aber wir sorgen gleichzeitig dafür,dass das nicht zu einer einseitigen Preisfestsetzung durchdie Pharmaindustrie zulasten der Beitragszahler führt.Wir sorgen für einen fairen Ausgleich der Interessen derPatienten und der Interessen der Beitragszahler.UhDgtefüwFKrewKhfüudishgbnlaDBmeubliWwkWVkule
Die Erfolge, Frau Ferner, geben uns recht.
nter der Führung der Sozialdemokraten im Gesund-eitsministerium wurde mehr Geld für Arzneimittel ineutschland ausgegeben als für die ambulante Versor-ung. Erst unter liberaler Führung im Gesundheitsminis-rium können wir verzeichnen, dass wieder mehr Geldr die ambulante Versorgung der Patienten ausgegebenird als für Arzneimittel, wie es unter Ihrer Führung derall war. Das ist die richtige Prioritätensetzung dieseroalition.
Wir haben eine entscheidende Grundlage für ein ge-chtes, dauerhaft finanziertes, transparentes und wettbe-erbliches Finanzierungssystem in der gesetzlichenrankenversicherung geschaffen. Bei anderen Vorgabenätte die Regierung jedes Jahr einen Einheitsbeitragssatzr alle Krankenkassen gleich festlegen müssen
nd hätte damit entschieden, wie viel Geld die Politikem Gesundheitswesen zur Verfügung zu stellen bereitt. Aus dieser Planwirtschaft steigen wir aus; denn wiraben den Beitragssatz einmalig festgelegt, und dieserilt bei guter wie bei schlechter Entwicklung. Damit ha-en wir dafür gesorgt, dass steigende Gesundheitskostenicht mehr automatisch die Arbeitskosten in Deutsch-nd verteuern.
ie Krankenkassen erhalten unter unserer Führung ihreeitragsautonomie zurück. Für die Versicherten wirdehr Transparenz geschaffen. Sie können die Leistunginer Krankenkasse transparent in Euro und Cent sehennd vergleichen, was die Krankenkassen ihren Patientenieten.Das zeigt die andere Prioritätensetzung der christlich-beralen Koalition in der Gesundheitspolitik.
ir wollen keine Einheitskasse,
eil wir wissen, dass die Patienten in einer Einheits-asse zum Bittsteller einer Einheitsversorgung werden.
ir gehen vom mündigen Patienten und vom mündigenersicherten aus. Dieser steht für uns im Mittelpunkt. Erann selbst entscheiden, wie er sich versichern möchte,nd selbst auswählen, was eine Krankenkasse für ihnisten soll, was sie ihm für seinen Beitrag bieten soll.
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Bundesminister Daniel Bahr
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Deswegen sorgen wir mit dem anstehenden Versor-gungsstrukturgesetz dafür, dass die Wahlfreiheit der Ver-sicherten weiter gestärkt wird und der Versicherte Unter-schiede bei den Krankenkassen feststellen kann, dass eseinen wohlverstandenen fairen Wettbewerb um die bes-sere Versorgung gibt.Das ist die logische Konsequenz unserer Politik, aus-gerichtet an den Interessen der Versicherten und Patien-ten.
Während Sie immer geleugnet haben, dass uns inDeutschland ein Ärztemangel droht – Sie haben gesagt,es gebe genügend Ärzte in Deutschland, sie müssten nurzwangsweise besser verteilt werden –,
befassen wir uns mit der Versorgungsrealität der Men-schen in Deutschland. Wir sorgen dafür, dass die Men-schen sich auch in der Fläche künftig noch darauf verlas-sen können, dass sie eine ausreichende, gute medizi-nische Versorgung vor Ort vorfinden.
Denn wir setzen Anreize, damit junge Mediziner mitLust, Motivation und Freude in den Beruf einsteigen undauch in der Fläche die Versorgung der Patientinnen undPatienten gewährleisten.
Die Versorgungsrealität der Menschen wollen wirauch im Bereich der Pflege angehen. Diese Koalition hatsich ehrgeizig darum gekümmert, während zum BeispielRot-Grün es in zwei Legislaturperioden nicht geschaffthat, auch nur eine Reform der Pflege wirklich zukunfts-fest auf den Weg zu bringen.
Deswegen haben wir uns vorgenommen, jetzt diePflege für die Menschen zukunftsfest zu machen. UnserZiel bei der Pflege ist – darum geht es mir; denn wir füh-ren auch eine gesellschaftliche Debatte –, den Zusam-menhalt in der Gesellschaft auch weiterhin zu gewähr-leisten; denn wir wissen, dass es künftig mehrpflegebedürftige Ältere geben wird und dass immer we-niger junge Beitragszahler nachkommen.
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Im ersten Jahr hat der damalige Gesundheitsministerösler den netten Onkel Doktor gegeben und hat ver-ucht, die Probleme im Gesundheitswesen wegzulä-heln. Bis Sie auf den Trichter gekommen sind, im Arz-eimittelbereich etwas zu machen,
ind schon Milliarden zu viel ausgegeben worden. Sieatten gedacht, Sie könnten sich über die Landtagswah-n in NRW hinüberretten. Das Ergebnis ist bekannt: Es
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Elke Ferner
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ging schief. Sie haben sich dann nach einem öffentlichenGewürge sondergleichen darauf verständigt, das Kopf-pauschalengesetz durch den Bundestag zu ziehen.Es ist nicht so, wie Sie es eben gesagt haben, dass je-der frei entscheiden kann; vielmehr bedeutet Ihr Vorge-hen ganz klar eine Verschiebung der Lasten auf die Ver-sicherten, weil die Arbeitgeber in Zukunft keineKostensteigerungen mehr schultern müssen, die Versi-cherten das Ganze über eine Kopfpauschale schulternmüssen, die zudem noch einkommensunabhängig ist.Das ist Gesundheitspolitik à la Schwarz-Gelb. Das wer-den die Menschen spätestens in zwei Jahren abwählen.
Herr Bahr, Sie haben in der Opposition proklamiert,dass Sie die gesetzliche Krankenversicherung abschaf-fen wollen. Ich muss gestehen, Sie sind diesem Ziel ei-nen guten Schritt näher gekommen; Sie werden es abernicht schaffen, weil Sie in den maximal zwei verbleiben-den Jahren – das ist ja jetzt der vorletzte Haushalt, denSchwarz-Gelb in diesem Haus vorlegt –
nicht dazu kommen werden, das Gesundheitssystem to-tal zu zerschlagen. Bei der FDP als Klientelpartei derBesserverdienenden
und der Versicherungswirtschaft wundert das alles nicht.Bei der CDU und CSU, die angeblich Volksparteien seinwollen, wundert das allerdings schon.
Es scheint Ihnen völlig egal zu sein, ob Versichertewie Rentner und Rentnerinnen, Studierende, Geringver-dienende oder auch Normalverdienende in Zukunft ihrenKrankenkassenbeitrag überhaupt noch bezahlen kön-nen. Sie haben einmal einen automatischen steuerfinan-zierten Sozialausgleich versprochen. Was ist denn davonübrig geblieben? Den haben Sie jetzt erst einmal ver-schoben.Sollte bis einschließlich 2014 ein Sozialausgleich not-wendig sein, zahlen das die Beitragszahlerinnen undBeitragszahler aus Beiträgen. Kommt er dann – da habenSie 700 Millionen in der mittelfristigen Finanzplanung –,wird erst mal das abgezogen, was Ihr Versorgungsstruk-turgesetz mehr kostet, als Sie selber hineingerechnet ha-ben.
Selbst der Finanzminister bestreitet, dass die Kostenrichtig ermittelt wurden, die Sie da angesetzt haben.
Das heißt, der Sozialausgleich würde, wenn er nötigwäre, geringer ausfallen. Das ist eine klassische Milch-bubenrechnung. Ich glaube aber, es braucht sich keinerSGSIckvcwgsruawvWEdIcgakk–infüD–Lkh
h will daran erinnern – wenn Sie lesen und schreibenönnen, können Sie das in den Statistiken der Kranken-ersicherungen nachlesen –: Ende 2009 hat die gesetzli-he Krankenversicherung mit einem Überschuss von,enn ich mich richtig erinnere, 1,4 Milliarden Euro ab-eschlossen. Das war kein Defizit, sondern ein Plus. Sieind im ersten Jahr Ihrer Regierung wieder ins Minus ge-tscht. Das ist die Wahrheit, Herr Bahr; da hilft Ihnenuch das Kopfschütteln nicht.
Herr Rösler hat versucht, sein negatives Image loszu-erden, und das Jahr der Pflege ausgerufen. Wir redenon diesem Jahr 2011; wir haben jetzt schon September.
as ist bis jetzt passiert?
ine ganze Reihe von Gesprächen mit den Sozialverbän-en; das ist sehr löblich.
h glaube aber, in den Gesprächen sind keine großarti-en neuen Erkenntnisse gewonnen worden. Denn wirlle kennen die Probleme längst; dafür braucht maneine Gespräche zu führen. Wir haben also kein Er-enntnisdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit.
Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Lanfermann, haben wir der letzten Wahlperiode eine Pflegereform durchge-hrt, die Sie, wenn ich mich recht erinnere, hier imeutschen Bundestag abgelehnt haben.
Nein, nein. Stellen Sie doch eine Zwischenfrage, Herranfermann!
Die Vorarbeiten für die Reform des Pflegebedürftig-eitsbegriffs lagen bereits im Frühjahr 2009 vor. Leideraben sich die Kollegen und Kolleginnen der Union da-
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Elke Ferner
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mals in der Großen Koalition geweigert, hier zumSchluss der Wahlperiode noch etwas zu machen.
– Das ist nicht unwahr. Ich war in den Runden dabei,Herr Zylajew, Sie nicht. Sie können Ihren KollegenZöller fragen, ob er und Frau Widmann-Mauz es damalsabgelehnt haben, etwas zu tun, weil es in der Fraktionnicht durchsetzbar war. – Es rächt sich jetzt, dass Sienichts gemacht haben; denn Sie sind sich beim ThemaPflegereform überhaupt nicht einig.
Sie haben die Hälfte der Wahlperiode mit Nichtstun ver-schenkt. Herr Rösler, der Erfinder des Jahres der Pflege,ist nicht mehr zuständig; denn er muss sich jetzt um dieRichtlinien der Außenpolitik kümmern.Was passiert jetzt? Jetzt übertragen Sie, Herr Bahr,dem Pflegebeirat die Aufgabe, die Details auszuarbeiten.Eigentlich liegt alles vor. Der Pflegebeirat kann Ihnendoch nicht die politische Entscheidung darüber abneh-men, welches Szenario Sie wählen wollen,
welches Finanzbudget Sie zur Verfügung stellen wollen,welche weiteren Leistungsverbesserungen es geben soll.
Was glauben Sie denn! Die Kollegen und Kolleginnenaus dem Pflegebeirat werden nächstes Jahr erwachenund Ihnen etwas vorlegen. Dann werden Sie sagen:Sorry! Tut uns leid. Wir kriegen das in der Koalitionnicht gewuppt. – Sie versuchen, sich über die Wahl hin-wegzuretten. Sie werden in dieser Wahlperiode nicht vielauf die Reihe kriegen.
Zu dem Kapitalstock, den Sie jetzt ansparen wollen,sagt jeder etwas anderes: Die FDP möchte ihn individua-lisiert, privat aufbauen lassen, Herr Spahn und andereNeoliberale in der Union auch. Herr Kauder möchte imSystem, aber dann doch individualisiert einen Kapital-stock aufbauen, unter Einbindung der Versicherungs-wirtschaft, damit Klientelpolitik betrieben werden kann.Herr Seehofer sagt, dass es überhaupt keine Beitrags-satzanhebung geben darf. Werden Sie sich doch erst ein-mal darüber einig, was Sie wollen!Sie produzieren das Problem, dass die Pflegebedürfti-gen und ihre Angehörigen im Stich gelassen werden.Wir haben vor der Sommerpause aus der Opposition he-raus ein sehr umfassendes Papier zur Pflege vorgelegt.Wo ist denn Ihr Papier? Wo sind denn Ihre Vorstellun-gen? Zwei Jahre Regierungszeit wurden hoffnungslosvertan; Sie haben nichts getan. Man könnte sagen: einTtegfüihLtiMDnwbzLdpgdodintekKdhrihDblihudszsnti
ass Sie die Errungenschaften, die wir in dieser Zeit eta-liert haben, selbst derart kleinreden, ist schon ein erheb-ches Armutszeugnis. Ich kann das nicht ganz verste-en, aber damit müssen Sie selbst zurechtkommen.
Wir bringen den Mut zu strukturellen Änderungen aufnd sorgen dafür, dass alle Beteiligten einen Beitragazu leisten, unser Gesundheitssystem in einer Gesell-chaft mit immer mehr älteren Menschen zukunftsfähigu machen. Wir machen eine zukunftsgerichtete Ge-undheitspolitik mit soliden Finanzen und nachhaltigeneuen Strukturen. Das von der christlich-liberalen Koali-on beschlossene Arzneimittelsparpaket – Stichwort
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14679
Dr. Rolf Koschorrek
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„AMNOG“ – hat nicht nur den Kostenanstieg aufgehal-ten, sondern sogar einen deutlichen Kostenrückgang be-wirkt.
Wir haben es durch vorausschauende Politik und diedaraus resultierenden guten Konjunkturdaten geschafft,das für 2011 in der GKV erwartete Defizit zu verhindernund sogar ein finanzielles Polster im Gesundheitsfondszu schaffen. Bisher kannte die deutsche Öffentlichkeitnur wiederkehrende Meldungen über Fehlbeträge beiden gesetzlichen Krankenkassen, die nachträglich ausge-glichen werden mussten.
Die Rücklagen erlauben es uns, jetzt auch zukunfts-weisende Projekte und Maßnahmen zu verfolgen, auf diewir zuvor aus Kostengründen verzichten mussten. DieTatsache, dass einmal etwas mehr als unbedingt notwen-dig in der Kasse ist, ist allerdings kein Anlass dazu, um-gehend nach der Senkung von Beiträgen und Ähnlichemzu rufen. Nein, wir brauchen in der gesetzlichen Kran-kenversicherung ein Polster, um eine konstruktive undzukunftssichernde Politik machen zu können.
Wir haben die Einrichtung der unabhängigen Patien-tenberatung auf sichere Füße gestellt und sie als dauer-hafte Institutionen der wohnortnahen Beratung in unse-rem Gesundheitswesen installiert. Wir sorgen dafür, dassdas weltweit anerkannte deutsche Gesundheitssystem inder älter werdenden Gesellschaft leistungsfähig bleibt,und schaffen die Voraussetzungen dafür, dass das hohemedizinische Niveau in Deutschland erhalten bleibt.Kernpunkte sind in diesem Zusammenhang die Ver-besserung der wohnortnahen Versorgung, eine bessereVerzahnung von ambulanter und stationärer Behand-lung, ein schnellerer Zugang zu Innovationen und mehrWettbewerb, damit Versicherte aufgrund ihrer persönli-chen Prioritäten die Chance haben, zu wählen.Jede realistische Betrachtung zeigt: Unsere finanziel-len und personellen Ressourcen im Bereich der Pflegesind begrenzt. Sie werden nicht ausreichen, um für alleBürger eine verlässliche Absicherung der Pflegekostenim Alter zu gewährleisten. Wir blicken den Tatsachenins Auge und sorgen dafür, dass Rücklagen für den Zeit-rahmen von circa 2030 bis 2055 angelegt werden, damitder Beitragssatz für die Arbeitnehmer auch in diesenJahren, die aus demografischer Sicht in Zukunft sicherdie problematischsten Jahre sein werden, stabil und be-zahlbar bleibt.Um die Patienten besser vor Infektionen in Kranken-häusern und bei medizinischen Behandlungen zu schüt-zen, haben wir in das Infektionsschutzgesetz zusätzlicheRegelungen für die Hygienevorschriften und die Über-prüfung ihrer Anwendung aufgenommen. Darüber hi-naus werden Maßnahmen zur besseren ÜberwachungdretiadbmsSzÄmsgimsbgbEEredimudsuhscdVhHazGenuRZsbPteews
Die Fortschritte und Innovationen der Transplanta-onsmedizin müssen möglichst vielen Betroffenen, dieuf ein Spenderorgan warten, zugänglich gemacht wer-en. Mit der Änderung des Transplantationsgesetzes ver-essern wir die Voraussetzungen hierfür, damit sichehr Menschen für eine Organspende entscheiden undich die Wartezeiten durch bessere organisatorischetrukturen verkürzen.Wir modernisieren die veralteten und zum Teil jahr-ehntealten Verordnungen, nach denen Heilberufler,rzte, Zahnärzte und Apotheker zurzeit noch arbeitenüssen. Wir passen diese Grundlagen dem medizini-chen Fortschritt und den neuen Methoden an. Diese Re-elungen wurden über viele Jahre unter der SPD-Ägide BMG verschleppt. Sie vermochten es nicht, die ent-prechenden Verordnungen zu modernisieren. Wireschließen jetzt Neufassungen für zentrale Bestimmun-en, Novellierungen von GOZ und GOÄ, der Appro-ationsordnung, die Apothekenbetriebsordnung und desntgeltsystems für psychiatrische und psychosomatischeinrichtungen.Wir bringen außerdem das lang erwartete Patienten-chtegesetz auf den Weg,
as bei mehreren Anläufen in den letzten Jahren schon Vorfeld an der Frage der Zuständigkeiten von BMJnd BMG scheiterte. Es wird die Rechte der Patienten,ie zurzeit in vielen verschiedenen Gesetzen geregeltind, für die Patienten und Ärzte übersichtlich machennd eine Hilfe für die Wahrnehmung ihrer Rechte bieten.Jedem Patienten und jedem, der in unserem Gesund-eitssystem Verantwortung trägt, muss daran gelegenein, bewährte Strukturen der zahnärztlichen und ärztli-hen Versorgung so weit wie möglich zu erhalten undem Ärztemangel entgegenzuwirken. Die ambulanteersorgung in unserem Gesundheitssystem basiert aufohem persönlichen Engagement der freiberuflicheneilberufler und auf ihrer Eigenverantwortung und Un-bhängigkeit, die ein besonderes Vertrauensverhältnisum Patienten begründen. Deshalb wollen wir mit demKV-Versorgungsstrukturgesetz im kommenden Jahrine Reihe von Maßnahmen einführen, um junge Ärztin-en und Ärzte verstärkt zur Niederlassung auf dem Landnd in strukturschwachen Regionen zu motivieren.Ziel von CDU und CSU in der Koalition ist es, dieahmenbedingungen für die freiberuflichen Ärzte,ahnärzte und Apotheker ebenso wie für alle im Ge-undheitswesen Tätigen so zu gestalten, dass sie ihreresonderen persönlichen Verantwortung gegenüber denatienten gerecht werden können. Unsere Prämisse lau-t: Der Kostendruck im Gesundheitswesen, der sich ininer älter werdenden Gesellschaft zweifellos verstärkenird, darf nicht zu rein merkantil bedingten Patienten-teuerungen, Qualitätsverfall oder Billigversorgung füh-
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Dr. Rolf Koschorrek
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ren. Um die freiberufliche und damit unabhängige Struk-tur der Heilberufe zu erhalten, ist es unbedingt zuvermeiden, unerwünschten Kartellbildungen oder Kon-zentrationen auf lukrative Behandlungsbereiche Vor-schub zu leisten.Diesem Grundsatz haben wir mit der Festlegung, dassMedizinische Versorgungszentren unabhängig bleibenmüssen, und mit der Novellierung der Gebührenordnungim Bereich der Zahnmedizin, die jetzt vor ihrem Ab-schluss steht, Rechnung getragen. Mit dieser neuen Ge-bührenordnung ist es uns gelungen, die bewährtenGrundprinzipien, bei denen die freie Arztwahl an obers-ter Stelle steht, in unserem Gesundheitswesen für alleBeteiligten zu erhalten.
Als Nächstes nehmen wir die Novellierung der GOÄin Angriff. Diese ist, wie die GOZ auch, seit langemüberfällig.Unsere Gesundheitspolitik geht zugleich auf gesell-schaftliche und demografische Veränderungen in der Be-völkerung sowie in der Ärzteschaft ein. Wir müssen unsder Herausforderung stellen, dass aufgrund einer altern-den Bevölkerung und einer Zunahme an Multimorbiditätin der Bevölkerung in Zukunft ein deutlich verändertesGesundheitswesen zur Verfügung stehen muss. Sämtli-che Sektoren müssen daraufhin überprüft werden, ob dieSektorengeschlossenheit nach wie vor zu erhalten istoder ob es – das ist mein Petitum – zu einer deutlich ver-besserten Zusammenarbeit über die Sektorengrenzenhinweg kommen muss. Da darf es keine Besitzständeund keine Tabus geben. Da muss es einzig und allein da-rum gehen, den Patienten eine wohnortnahe, qualitativhochgesicherte Versorgung zu gewährleisten. Das mussallerdings zu finanziell verantwortlichen Bedingungengeschehen.
Die Dinge, die wir bereits in den ersten zwei Jahrendieser Regierung auf den Weg gebracht haben, sind weg-weisende Absichten. Wie ich bereits erwähnt habe, ha-ben wir die Finanzierung auf sehr stabile, nachhaltigeFüße gestellt. Wir haben für Einsparungen und neuePrinzipien des Arzneimittelzugangs gesorgt. Wir werdenim nächsten Anlauf die Situation hinsichtlich der flä-chendeckenden Versorgung regeln und uns den Proble-men der Pflegeversicherung stellen. Ich bin sehr zuver-sichtlich, dass wir das vor dem Hintergrund des jetzt zurBeratung stehenden Haushalts in guter Zusammenarbeitder Fraktionen mit dem BMG zum Wohle der Patientenund Versicherten in unserem Land leisten können.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Harald Weinberg für die
Fraktion Die Linke.
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Harald Weinberg
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Obwohl bislang nur wenige Kassen Zusatzbeiträgeerhoben haben, wirken diese Kopfpauschalen bereitsheute. Wir wissen, dass die DAK rund 20 Prozent ihrerMitglieder verloren hat. Die City BKK musste letztlichwegen der Abwanderung von Versicherten aufgrund vonZusatzbeiträgen Insolvenz anmelden. Die Bilder schlan-gestehender älterer Ex-City-BKK-Versicherter, die vonanderen Kassen abgewimmelt wurden, sind uns allennoch präsent.Diese Beispiele vor Augen ist bei den Krankenkassenein Wettbewerb zur Vermeidung von Zusatzbeiträgenausgebrochen, der auf dem Rücken der Patientinnen undPatienten ausgetragen wird. In ihrer Not nutzen die Kas-sen alle Möglichkeiten aus, um Leistungen einzuschrän-ken. In diesem Sommer habe ich mehrere Erfahrungsbe-richte bekommen: Da wird der Krankentagegeldan-spruch infrage gestellt, Rehamaßnahmen werden verzö-gert, Eltern-Kind-Kuren nicht genehmigt usw., usf.Im Kern läuft die Politik dieser Bundesregierung da-rauf hinaus, die wesentlichen Bereiche des Sozialstaatesden Finanzmärkten auszuliefern. Das gilt für die Alters-vorsorge, das gilt für weite Teile der Gesundheit, und dasist auch das Leitmotiv für die Einführung einer Kapital-deckung bei der Pflegeversicherung. Sie öffnen dieseFelder für die Geschäfts- und Profitinteressen privaterFinanzinvestoren und liefern sie damit dem Finanz-marktgeschehen aus. Das erhält natürlich vor dem Hin-tergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise eine ganz be-sondere Brisanz.Ideologischer Wegbereiter für diese Politik der Ent-solidarisierung, der Entkernung des Sozialstaates, derVerherrlichung des Wettbewerbs und des Marktes, derDeregulierung in allen Bereichen, also genau der Politik,die uns in diese Finanzmarktkrise hineingeführt hat, warund ist die FDP.
Doch zum Glück gibt es – das ist ganz offensichtlich –eine kollektive Weisheit in der Bevölkerung; denn dieswird dort glasklar so erkannt. Deshalb steht „FDP“ heuteals Abkürzung für „Fast drei Prozent“, und das ist gut so.
– Ja, es trifft offensichtlich immer wieder.
– Da sind wir bei weitem noch nicht, Herr Lanfermann.
Begleitet wurde und wird diese Politik von einigenjungen Wilden in der Union, die in der Nachfolge vonFriedrich Merz an den Glaubenssätzen des Neoliberalis-mus immer noch festhalten, obwohl sich dieser weltweitvöllig blamiert hat. Die Linke hingegen verteidigt denSrueruPcvuDsscw1AsdAzdVtrsg5dWHszgguDgteGkdügdsfüddw
uch die Arbeitgeber würden einen Anteil von 5,25 Pro-ent statt bisher 7,3 Prozent zahlen. Das entlastet beson-ers personalintensive Unternehmen.
ersicherte mit einem Einkommen oberhalb der Bei-agsbemessungsgrenze würden künftig gerecht in dieolidarische Finanzierung einbezogen. Durch den niedri-eren Beitragssatz wären bis zu einem Einkommen von800 Euro im Monat noch Entlastungen spürbar, dieeutlich über denen der geplanten Steuersenkung vonirtschaftsminister Rösler liegen.In der sozialen Pflegeversicherung besteht dringenderandlungsbedarf. Die Pflege muss teilhabeorientiert,elbstbestimmt und ganzheitlich werden und die Finan-ierung langfristig gesichert sein. Die von uns in Auftragegebene Studie weist nach: Mit der solidarischen Bür-erinnen- und Bürgerversicherung kann das geschehennd der Beitragssatz unter 2 Prozent gehalten werden.as schafft finanzielle Sicherheit und Spielraum für einerundlegende Pflegereform.Durch die Bürgerinnen- und Bürgerversicherung hät-n die meisten Menschen mehr Geld zur Verfügung,eld, das vor allem bei den Beziehern von kleinen Ein-ommen fast vollständig in den Konsum fließt. Durchie höhere Kaufkraft stiege die Binnennachfrage, undber 500 000 Menschen zusätzlich kämen in Beschäfti-ung.Nun kommt häufig der Einwand – man kennt ihn ja –,ie Abschaffung der privaten Krankenvollversicherungei verfassungswidrig. Dazu möchte ich Folgendes aus-hren: In einer ganzen Reihe von Urteilen hat das Bun-esverfassungsgericht klargestellt, die Finanzierbarkeites Sozialversicherungssystems stelle einen „überragendichtigen Gemeinwohlbelang“ dar. Der Gesetzgeber sei
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Harald Weinberg
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unter der Prämisse des Gemeinwohls weitgehend frei,wie er die Sozialversicherung ausgestalte, um das Zielder Finanzierbarkeit zu erreichen. Um den Solidaraus-gleich zwischen Gesunden und Kranken, Gutverdienen-den und Geringverdienenden, Alleinstehenden und Fa-milien zu gewährleisten, könne der Gesetzgeber denKreis der Pflichtversicherten so abgrenzen, wie er es füreine leistungsfähige Solidargemeinschaft erforderlichhalte. Also, wenn die Abschaffung der privaten Kran-kenvollversicherung nötig ist, um die finanzielle Stabili-tät der solidarischen Krankenversicherung zu erhalten,widerspricht das aus unserer Sicht nicht dem Grundge-setz.
Bisherige Eingriffe, Herr Lanfermann, in das Ge-schäftsfeld der privaten Krankenversicherung – Basista-rif, Rückkehrrecht, allgemeine Versicherungspflicht,Einführung der verpflichtenden privaten Pflegeversiche-rung – wurden allesamt durch das Bundesverfassungsge-richt bestätigt. Doch jede Form der sozialpolitischen Re-gulierung stößt auf erbitterten Widerstand derInteressenvertreter der privaten Krankenversicherung,die ihre Gewinne gefährdet sehen; das ist klar. Angebli-che Grundrechtsverletzungen auszurufen, ist eine derwesentlichen Verteidigungsstrategien der PKV-Lobby.Die Privatversicherten selber sehen das oft anders.
Viele haben genug von den immer höher steigenden Prä-mien und den Leistungsverweigerungen der privatenVersicherungsunternehmen.
Die solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversiche-rung ist sicher auch deswegen attraktiv, weil sie im Ge-gensatz zu allen bisherigen Vorschlägen der FDP tat-sächlich für eine große Mehrheit der Einkommens-bezieher – übrigens auch der Leistungsträger, HerrSpahn – deutlich mehr Netto vom Brutto lässt, weil sieSelbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmenentlastet, weil sie eine deutliche Stärkung der Binnen-nachfrage bedeutet und weil sie positive Wirkungen aufdie Sozialkassen und die Haushaltssituation hat.
Dies ist auch ein Beitrag gegen die augenblicklicheRezessionsgefahr. Jedes weitere Hineinsparen in dieKrise, jeder weitere Rückgang der Einkommen wirktkrisenverschärfend, während die solidarische Bürgerin-nen- und Bürgerversicherung die Einkommenssituationvieler Haushalte deutlich stärkt und damit die Binnen-nachfrage ankurbelt sowie rezessionsdämpfend wirkt.WlowdNndkKnazIcvLimsPEgvhriisgMeÜDJvdw
er das nicht sehen will, ist in seiner neoliberalen Ideo-gie wohl so verblendet, dass er gar nichts mehr sehenill, und gehört daher abgewählt.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Elisabeth Scharfenberg fürie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Herr Minister, zur Gesundheit gehörtie Pflege; das haben Sie in Ihrer Rede ganz richtig er-annt. Aber wenn man sich die Pflegepolitik dieseroalition anschaut, dann sieht man eigentlich nichts,
ichts außer einer totalen Orientierungslosigkeit, nichtsußer einer totalen Zerstrittenheit
weier ehemaliger Wunschpartner.
h muss wirklich sagen: Jegliche Substanz, mit der Sieielleicht gestartet sind, ist von einem schwarz-gelbenoch aufgesogen worden.
Weil da überhaupt nichts zusammenpasst – da wird Übrigen niemals etwas zusammenpassen –, ver-chleppen Union und FDP seit 2009 die notwendigeflegereform.
s sind nun zwei wertvolle Jahre voller leerer Ankündi-ungen, voller Pflegedialoge und voller Verzögerungerstrichen. Wir befinden uns im Jahr der Pflege. Dasaben nicht wir erfunden; das wurde von Ihrem Ministe-um erfunden. In diesem Jahr der Pflege, das bald umt, ist nichts passiert, außer dass Sie sich pausenlos ge-enseitig dementieren.Sie verschleppen diese Reform lustig weiter. Sie, Herrinister, setzen jetzt – nicht vor zwei Jahren, sondernrst jetzt – erneut den Wissenschaftlichen Beirat zurberarbeitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes ein.ieser Beirat wird nach Aussage seines Vorsitzendenürgen Gohde ungefähr zehn Monate brauchen, um dieielen offenen Fragen zu klären. Herr Bahr, Sie wusstenoch ganz genau – wie Ihr Vorgänger Herr Rösler undie wir alle hier im Raum –, dass es mindestens zehn
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Elisabeth Scharfenberg
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Monate dauern würde, diese Fragen zu klären. Trotzdemist vorher nichts passiert. Sie wollen sich einfach überdie Zeit retten.
Aber, Herr Minister, Sie haben keine Zeit mehr.
Der Verzögerungsgrund ist natürlich, dass Sie sich beider Finanzierung überhaupt nicht einig werden. Da spie-len Sie seit Monaten nur noch Koalitionsmikado:
Wer sich bewegt, verliert.Im Koalitionsvertrag haben Sie noch einhellig denEinstieg in den Ausstieg aus der Solidarität und den Be-ginn der Privatisierung der Pflegeversicherung beschlos-sen. Die FDP wünscht sich auch weiterhin nichts sehnli-cher als das. Doch einige Kolleginnen und Kollegen inCDU und CSU haben glücklicherweise bemerkt, dass siedas lieber doch nicht wollen. Ich wünsche Ihnen ganzherzlich: Bleiben Sie stark!So reiht sich jetzt eine absurde Idee an die nächste.Die CSU träumt von einem steuerfinanzierten Leistungs-gesetz, über das übrigens aus gutem Grund seit Jahrenkeiner mehr spricht. Seit ein paar Tagen ist nun von ei-nem superkomplizierten, superbürokratischen und su-perüberflüssigen Mischmodell die Rede, mit dem Sie ir-gendwie – ich betone: irgendwie – einen kollektiven undindividuellen Kapitalstock miteinander verbinden wol-len. Kein Mensch, Sie selbst übrigens auch nicht, weiß,wie das überhaupt funktionieren soll. Das wirft extremviele fachliche und auch extrem viele rechtliche Fragenauf. Bitte ersparen Sie uns einen solch konzeptionslosenMischmasch. Sie wollen doch nur mit heiler Haut ausder Nummer herauskommen. Das hilft aber nicht, wenndas Ergebnis nichts taugt.
Herr Bahr, Sie wollen noch in diesem September Eck-punkte vorlegen. Ich weiß – Sie haben uns das vor derSommerpause gesagt –: Der Sommer ist noch lang, undder September ist noch lange nicht zu Ende.
Aber was soll denn bitte Ende September in diesen Eck-punkten stehen?
Dass Sie mit zwei Jahren Verspätung einen Beirat einge-setzt haben, dessen Ergebnisse diese Koalition dannnicht umsetzen wird?
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ennoch: Schwarz-Gelb hat für die Menschen in diesemand eine politische Verantwortung übernommen. Dieetroffenen erwarten genauso wie wir, dass Sie Ihrererantwortung endlich gerecht werden.Danke schön.
Das Wort hat Heinz Lanfermann für die FDP-Frak-
on.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrtenamen und Herren! Frau Kollegin Scharfenberg, zuerstaben Sie gesagt, dass Sie nichts sehen. Ihre Rede hatber auch bewiesen, dass Sie nichts wissen.
onst hätten Sie nicht spekuliert und würden die Geduldufbringen, abzuwarten.
s wurde doch angekündigt, dass wir noch im Sommerie Eckpunkte zur Pflegeversicherung vorlegen werden.
o hat der Minister es versprochen, und das werden wiruch halten.
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Heinz Lanfermann
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Sie haben darauf hingewiesen, dass der Beirat in etwazehn Monaten Ergebnisse vorlegen soll. Wir dankenHerrn Gohde, dass er sich bereit erklärt hat, das, wasnach dem Gutachten, das der Beirat erstellt hat, noch zutun ist, zu liefern. Aber die Leitlinien muss natürlich diePolitik vorgeben. Das hängt wiederum mit den Eckpunk-ten zusammen.
Deshalb tun Sie bitte nicht so, als würden Sie diesen Zu-sammenhang nicht erkennen, und lassen Sie uns dasStück für Stück abarbeiten.Ich danke dem Kollegen Koschorrek ausdrücklich da-für, dass er hier eine eindrucksvolle Liste dessen präsen-tiert hat, was diese Koalition in zwei Jahren schon ge-leistet hat.
Wenn Sie die magere Bilanz von sieben Jahren Rot-Gründamit vergleichen, sollten Sie sich nachträglich dafürschämen.
In sieben Jahren Rot-Grün ist bei der Pflegeversicherunggar nichts getan worden.Was die SPD angeht – Frau Ferner, es ist übrigens er-staunlich, wie man in sieben Minuten so viel Unwahreserzählen kann –: Sie haben in der Großen Koalition Ih-ren eigenen Koalitionsvertrag vier Jahre lang liegengelassen, in dem Sie die Bildung einer Kapitalreserveversprochen hatten, um endlich für Generationengerech-tigkeit zu sorgen.
Sie haben das nicht getan, weil Sie eine völlig falscheVorstellung von den Privatversicherten haben. Stattdes-sen haben Sie verlangt, dass die Privatversicherten900 Millionen Euro im Jahr an die soziale Pflegeversi-cherung überführen.
Da die Gesamteinnahmen nur 2 Milliarden Euro betra-gen, kann man sich leicht ausrechnen, dass dies die Zer-störung dieses Versicherungszweiges bedeutet hätte.
Aber das ist Ihnen ja sowieso vollkommen egal.
Kollege Lanfermann, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Seifert?
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en kann man aber gar nicht verschieben. Der wird nachem Gesetz dann fällig, wenn ein durchschnittlicher Zu-atzbeitrag entsteht. Ein solcher ist aber nicht entstan-en. Stattdessen liegen 2 Milliarden Euro auf der hohenante, die der Bundesfinanzminister bereits zur Verfü-ung gestellt hat und die Sie zum Teil wieder ausgebenollen.
Ich will Ihnen deutlich machen, welchen Zustand derinanzen wir vorgefunden haben, um auch Ihre diesbe-üglich vorgetragene Unwahrheit ins rechte Licht zu rü-ken: Es gab keinen Überschuss. Was bei Übergabe desauses zählt, sind die Schätzungen für die nächstenwölf Monate. Diese lagen bei minus 9 Milliarden Eurois minus 11 Milliarden Euro, je nach Berechnung.
Wir haben diese Lücke beseitigt, und es war der lä-helnde Herr Rösler, den Sie diesbezüglich nicht unter-chätzen sollten, der der Pharmaindustrie zu deren gro-er Freude einige Milliarden Euro abgenommen hat; ums einmal ganz locker zu sagen.
achdem Ulla Schmidt es neun Jahre lang noch nichtinmal gewagt hat, dieses Problem anzugehen, habenir mit dem Preisdiktat der Pharmaindustrie gebrochennd haben für faire Verhandlungen gesorgt, wie sie iner Marktwirtschaft in Deutschland seit Jahrzehnten of-nsichtlich funktionieren. Man kann sich nur an denopf fassen, wenn man sich vor Augen führt, dass einnbieter die Preise festgesetzt hat und die andere Seite,ie soziale Krankenversicherung, diese zu zahlen hatte.an kann Philipp Rösler nicht oft genug für seine Re-rm loben. Das war nicht nur ein Paradigmenwechsel,ondern etwas ganz Großartiges.
Außerdem haben wir, ob es Ihnen gefällt oder nicht,ie Finanzierung verbessert. Darüber sind Sie sehr trau-g, weil Sie wissen, dass Sie das gar nicht so schnell än-ern könnten, wenn Sie eines fernen Tages einmal regie-n.
Sie sollten übrigens nicht immer so viel Redezeit dafürerschwenden, uns zu erzählen, dass Sie regieren wol-n. Das sehen wir Ihnen ja an. Aber damit erreichen Sie
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Heinz Lanfermann
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Ihr Ziel noch lange nicht. Abgerechnet wird in zwei Jah-ren.
Wenn wir weiter so gute Gesetze machen wie in denersten beiden Jahren unserer Regierungszeit,
zum Beispiel das Versorgungsstrukturgesetz,
auf das Sie schon neidisch sind, bevor es dieses Plenumüberhaupt erreicht hat – jedenfalls haben Sie nichts dazugesagt, was Hand und Fuß hat –, dann habe ich gar keineSorge, dass der Bundesgesundheitsminister auch überden nächsten Wahltag hinweg im Amt bleibt. Die ersten100 Tage im Amt hat er bravourös gemeistert:
Ehec-Krise gelöst und alle Gesetzesvorhaben vorange-trieben.Sie sind ja nicht dabei, wenn wir miteinander verhan-deln.
Deswegen geht Ihnen die Fantasie durch. Ich kann Sienur einladen, die Texte auch einmal zu lesen und dannkonstruktiv im Gesundheitsausschuss mitzuarbeiten.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Seifert das
Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege
Lanfermann, dass Sie uns zum x-ten Mal Ihre Spekula-
tionsreserve aufschwatzen wollen, ist wirklich nichts
Neues. Darüber brauchen wir nicht lange zu diskutieren:
Wir brauchen sie nicht.
Sie haben über die Pflege und die Gohde-Kommis-
sion, die Sie wieder einsetzen wollen, gesprochen. Sie
haben erklärt: Die Politik muss Vorgaben dazu machen,
was die Kommission an Ergebnissen liefern soll. Dann
machen Sie doch einmal eine Vorgabe. Diese könnte da-
rin bestehen, zu sagen: Wir brauchen einen neuen Pfle-
gebegriff – so wie ihn die Gohde-Kommission definiert
hat –, der die Teilhabe in den Mittelpunkt rückt und sich
nicht nur an „satt, sauber, trocken“ orientiert. Dieser
Pflegebegriff sollte Grundlage der zukünftigen Arbeit
sein. Alles sollte daran ausgerichtet werden, wie er um-
gesetzt wird, wie Menschen, die Pflege brauchen oder
vielleicht sogar inkontinent sind, am Leben teilhaben
können.
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Das Wort hat der Kollege Ewald Schurer für die SPD-
raktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnennd Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!unächst einmal darf ich als Haushälter dem Herrninister meine Glückwünsche aussprechen, dass er erst-
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Ewald Schurer
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)mals als Minister den Haushalt einbringen kann. Sie wa-ren ja bereits in den vergangenen Jahren als Parlamenta-rischer Staatssekretär beteiligt. Ich darf mich auch beimMinisterium dafür bedanken, dass die Unterlagen für dieHaushaltsberatungen umfänglich und rechtzeitig zurVerfügung gestellt wurden. Das ist immerhin schon eineLeistung.
So weit, so gut.Ich darf dem Herrn Minister attestieren, dass er miteiner Information richtig lag: Der für 2012 geplanteSteuerzuschuss von 14 Milliarden Euro erreicht eineHöchstgrenze. Dieser Prozess wurde 2006 und 2007 be-gonnen. Seit 2009 fließen Steuerzuschüsse in den Ge-sundheitsfonds. Insoweit lagen Sie, fachlich gesehen,richtig.Die Rechtsgrundlage dafür findet sich in § 221SGB V: Beteiligung des Bundes an Aufwendungen. Ge-meinhin sagt man dazu: pauschale Abgeltung für ge-samtgesellschaftliche Aufgaben. Diese wurden dem Ge-sundheitswesen von der Politik übertragen.Aber dann hört es mit dem Wahrheitsgehalt auf – dastut weh –, weil Haushaltsberatungen nicht nur ein not-wendiges Übel sind, das man irgendwie abspulen muss,Herr Bahr, sondern den Minister bei seinen inhaltlichenAusführungen zu Wahrheit und Klarheit verpflichten.
Das habe ich im fachlichen Kontext vermisst. HerrLanfermann, Sie müssten als alter Hase schon wissen,dass Haushaltsdebatten sich an der Richtschnur vonWahrheit und Klarheit zu orientieren haben.Neben diesen 14 Milliarden Euro haben wir einenmateriellen Kern. Das sind die verbleibenden 483 Mil-lionen Euro. Sie stellen nur 3,4 Prozent des Gesamthaus-haltes dar, sind aber als materieller Kern sehr wichtig.Ich darf auch erwähnen, dass immerhin ein Fünftel vondiesen 483 Millionen Euro, nämlich 92,3 MillionenEuro, durch Gebühren und Einnahmen gegenfinanziertsind, vor allen Dingen durch das BfArM. Weil wir in derHaushaltsdebatte sind, sei das noch angemerkt.Aber jetzt kommt der für mich als Haushälter bittereMoment. Dort, wo diese Bundesregierung inhaltlich ge-stalten könnte, tut sie es definitiv nicht. Das haben dieKolleginnen und Kollegen teilweise bereits aufgearbeitetund angerissen. Das gilt zum Beispiel bei der Präven-tion. Dort kürzen Sie bei den Titeln mit Programmcha-rakter. Sie haben auch keine Präventionsstrategie vorge-legt. Warum kürzen Sie bei dem wichtigen Feld derPrävention? Das ist meine Frage. Darauf haben Sie in Ih-rer Rede keine Antwort gegeben.
Des Weiteren darf ich das so wichtige Thema HIV/Aids nennen. Wir wissen, dass die Ansteckungsquotennach wie vor auf hohem Niveau stagnieren. Sie habenhier nicht die Wahrheit gesagt. Sie haben die Aufklä-rungstitel um 1 Million Euro gekürzt. Das Programm zurBudSmnNlePszmbtenmgnAdmnfizßHasgdwgdnLWMusreeDgS
Das ist die Wahrheit, Herr Minister. Wissen Sie, wennan Minister ist, muss man auch eine Messe lesen kön-en und darf sich hier nicht wie ein Ministrant gerieren.ichts gegen Ministranten; aber man muss eine Messesen können. Das sei Ihnen kurz vor dem Besuch desapstes in diesem Hohen Hause ins Stammbuch ge-chrieben.Beim Thema Alkohol- und Zigarettenmissbraucheigt sich das gleiche Bild. Sie kürzen bei den Program-en zur Bekämpfung von Alkohol- und Zigarettenmiss-rauch. Das ist wieder ein Bereich, bei dem man gestal-n könnte. Sie können hier nicht gestalten, weil Sie dieotwendigen Mittel eindampfen.Lassen Sie mich noch einmal über ein positives Mo-ent reden. Es ist positiv, dass aus dem Bundespro-ramm für Bildung und Forschung immerhin 7 Millio-en Euro an das BMG gehen. Das ist schön. Meinengst ist aber, dass diese Gelder wieder mal an die In-ustrie verhökert oder weitergeleitet werden, anstatt da-it sinnvolle Programme für Kindergesundheit, für Arz-eimittel- und Therapiesicherheit oder für die Pflege zunanzieren. Ich bin gespannt, was Sie dort substanziellu leisten in der Lage sind. Allerdings habe ich kein gro-es Vertrauen.Wie schon gesagt worden ist, hat Herr Rösler imerbst letzten Jahres ein großes Programm für Pflegengekündigt. Es gibt die Beiräte. Das ist ja gut undchön. Die Kollegin hat es ausführlich ausgeführt. Esibt aber keinerlei eigene Definition. Sie stochern miter Stange im Nebel herum, was einen neuen und soichtigen Pflegebegriff angeht.Wir wissen nur: Was kommen soll, wird die kapital-edeckte Zusatzversicherung sein, und es wird zulastener Versicherten gehen. – Das sind die Optionen, mit de-en Sie hier ins Spielfeld schreiten. Dies ist keine großeeistung.Die Eckpunkte sind zum 23. September angekündigt.as für einen Kalender haben Sie in der FDP oder iministerium? Für mich beginnt das Jahr am 1. Januarnd nicht am 23. September. Auch das ist eine enormchwache Leistung.
Dann versuchen Sie, sich da auf den Beirat herauszu-den. Herr Lanfermann, wo sind wir denn? Beiräte gibts überall. Sie bräuchten auch einen Beirat; das weiß ich.as würde Ihnen persönlich sehr guttun.Nun komme ich zum Versorgungsstrukturgesetz. Esibt endlich eine Vorlage aus dem Kabinett – aus derommerpause, vom August 2011. Immerhin haben Sie
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Ewald Schurer
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das geschafft. Reden wir aber über das, was wir bei derVersorgungsstruktur und einer Gesetzgebung brauchen.Erstens brauchen wir zunächst einmal eine Bedarfs-planung, die sich am Wohle der Patientinnen und Patien-ten orientiert.Zweitens brauchen wir einen Abbau von Unter- undgleichzeitiger Überversorgung im Lande.
Daran werden übrigens Geldgeschenke an Mediziner inkeiner Weise substanziell etwas verändern.Drittens brauchen wir mehr medizinische Versor-gungszentren – machen wir uns nichts vor; betrachtenwir es ganz unideologisch – und pragmatische Lösungenfür deren Trägerschaft. Unter anderem natürlich dieÄrzte, aber auch Kommunen, Gebietskörperschaften undKrankenhäuser könnten mögliche Träger sein.
Viertens – daran kommen wir nicht vorbei – brauchenwir gestärkte Hausärzte, die als Lotsen die Patientinnenund Patienten im Gesundheitssystem leiten können.Zum Schluss möchte ich noch eine Aussage treffen.Was Sie im letzten Jahr abgeliefert haben, ist in der Tat
nichts anderes als Verzögerung und Verschlimmbessernder Situation, die wir bei Herrn Rösler vorgefunden ha-ben. Sie zeigen nirgends auf, dass Sie ein Kompetenz-zentrum sind. Ich erwarte von einem Gesundheitsminis-terium, dass es auch ein Kompetenzzentrum ist, dasinhaltliche Lösungen anbietet und sie selbst in die Ge-sellschaft hineinträgt. Es reicht nicht, zu sagen: Wartenwir ab, was der Beirat uns empfiehlt; dann haben wirauch eine Meinung.So kann es nicht gehen. Sie liegen weit unterhalb desNiveaus, das man von einem Ministerium verlangenkann.Damit komme ich zu meiner abschließenden Aus-sage: Die Risiken und Nebenwirkungen der FDP-Politiktragen alleine die Versicherten. Das ist bitter genug. Inden nächsten zwei Jahren erwarte ich persönlich von Ih-nen keine Aufhellung des getrübten Himmels. Ich er-warte, dass Sie versuchen, sich über die Zeit zu retten.Diese Zeit bedeutet, dass im September 2013 eine neueÄra beginnt: ohne Schwarz-Gelb wieder in Richtung So-lidargemeinschaft und Bürgerversicherung für Pflegeund Gesundheit.
Das ist der programmatische Ansatz, mit dem wir dashohe Leistungsvermögen in dieser Volkswirtschaft si-chern.
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Diese Koalition leistet insofern eine hervorragenderbeit. Sie erfüllt sämtliche Herausforderungen, die anie gestellt werden, auch in zeitlicher Hinsicht. Bleibenie gelassen! Wir kriegen das alles gut hin, insbesondereas die Pflege angeht.Zu Beginn dieser Legislaturperiode drohte der gesetz-chen Krankenversicherung ein Defizit von bis zuMilliarden Euro. Das war die Ausgangslage. Es ist unselungen, dieses gewaltige Defizit zu überwinden undas Blatt zu wenden.
etzt sprechen wir nicht mehr von Defiziten, sondernon einem Überschuss in der gesetzlichen Krankenver-icherung. Beispielsweise wurde im ersten Halbjahr011 in der gesetzlichen Krankenversicherung ein Über-chuss von 2,4 Milliarden Euro erzielt.
Diese positive Entwicklung ist alles andere als eineelbstverständlichkeit. Sie ist das Ergebnis harter Arbeit
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Stephan Stracke
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und richtiger Weichenstellungen vor allem dieser christ-lich-liberalen Koalition.
Nehmen Sie nur die Einnahmeseite bei der gesetzli-chen Krankenversicherung. Sie profitiert selbstverständ-lich von der positiven konjunkturellen Entwicklung.Dass diese Entwicklung so positiv ist, ist vor allem da-rauf zurückzuführen, dass wir eine kluge Wirtschafts-politik betreiben. Dafür steht diese Koalition mit ihrenEntlastungen der Bürger und Unternehmen.
– Ja, ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen. Aber esist nun einmal die Realität.Auch auf der Ausgabenseite hat sich vieles zum Posi-tiven gewendet. Vor allem das Arzneimittelsparpaketwirkt sich entsprechend aus. Seit Jahren müssen wir ei-nen ungebremsten Ausgabenanstieg im Arzneimittelbe-reich erleben. Uns ist es gelungen, zu Ausgabensenkun-gen zu kommen. Erstmals ist ein Rückgang um6,3 Prozent zu verzeichnen. Das bedeutet für die Kran-kenkassen eine monatliche Entlastung von 100 Millio-nen Euro. Wer von Ihnen, werte Opposition, hat das je-mals hinbekommen? Außer in weinseligen Rundenzusammenzusitzen, kam wenig heraus.
Wir machen das als christlich-liberale Koalition insbe-sondere, indem wir den Pharmarabatt eingeführt haben.Die Pharmaindustrie leistet nun erstmals einen echtenSparbeitrag. Das haben wir durchgesetzt.
Am Anfang der Legislaturperiode mussten wir notge-drungen viele kurzfristige Maßnahmen durchsetzen.Diese hatten viel mit dem drohenden Milliardendefizitzu tun. Es ist gelungen, dieses abzuwenden. Jetzt könnenwir uns Strukturfragen zuwenden.
Zur Skizzierung der Ausgangslage sei ganz kurz an-gemerkt: Es ist eigentlich eine banale Erkenntnis, dass esdie demografische Entwicklung und der medizinisch-technische Fortschritt sind, die die Strukturen und diefinanziellen Grundlagen unseres gesetzlichen Kranken-versicherungssystems maßgeblich prägen und auch wei-terhin prägen werden. Deswegen gibt es in der Gesund-heitspolitik kein Weiter-so. Darüber besteht allgemeinerKonsens in diesem Hohen Hause.Darauf beschränkt sich aber auch der Konsens. DieRezepte der Opposition – schauen Sie sich die Vor-schläge insgesamt an – bestehen in mehr Staat, mehr Re-gulierung und mehr Planwirtschaft. Das alles hat keineZukunft.D3Ub–BLgteWdzMrehAmnecvud–sslisscbDzdHleBlosnnruruP
ies hat die Vergangenheit gezeigt. Wir betreiben seit0 Jahren – insbesondere unter der Regentschaft vonlla Schmidt von der SPD war dem so – eine Ausgaben-egrenzungspolitik.
Das waren auf jeden Fall gefühlte 30 Jahre. – Trotz deregrenzung von Ausgaben, trotz Budgetierung und trotzeistungsverringerung sind die Beiträge immer weiterestiegen. Dieser Weg kann daher nicht weiter beschrit-n werden. Deshalb haben wir diesen Weg verlassen.ir brauchen keine Planwirtschaft und keine Staatsme-izin, wie Sie es wollen, sondern wir brauchen mehr so-iale Marktwirtschaft. Kernelemente dieser sozialenarktwirtschaft sind mehr Wettbewerb und Transpa-nz; denn mehr Transparenz und Wettbewerb führen zuöherer Effizienz und höherer Qualität. Das ist unsernsatz. Diesen Ansatz machen wir in unserer gemeinsa-en Politik deutlich.
Nehmen wir das Arzneimittelneuordnungsgesetz. Ei-ige Kollegen haben es angesprochen. Wir haben zumrsten Mal das Preismonopol der Pharmaindustrie gebro-hen. Das bedeutet für die Versicherten eine Entlastungon jährlich rund 2 Milliarden Euro. Dafür können wirns loben, und auch Sie dürfen uns dafür loben, weil dasen Versicherten nützt.
Ich weiß, dass die das nicht hinbekommen, aber an-tändig wäre es auf jeden Fall. – Jetzt müssen die Her-teller beweisen, dass ihre neuen Arzneimittel tatsäch-ch einen zusätzlichen Nutzen haben. Daran orientiertich von nun an die Preisfindung; denn wir wollen tat-ächlichen Fortschritt bezahlen und nicht bloß verspro-henen. Das verstehen wir unter Transparenz und Wett-ewerb. Aber zum Wettbewerb gehört auch Fairness.eswegen erwarten wir, dass die Parteien bei der Nut-enbewertung fair miteinander umgehen. Dazu gehört,ass der gesetzlich verankerte Beratungsanspruch derersteller nicht ins Leere läuft, sondern in der Praxis ge-bt wird.
eratung heißt Dialog, heißt Austausch und nicht Mono-g auf dem Schriftwege. Ich erwarte, dass der Gemein-ame Bundesausschuss diesem Gesetzeswillen Rech-ung trägt und ihn nicht unterläuft.
Transparenz und Wettbewerb prägen in Zukunft nichtur den Arzneimittelmarkt, sondern auch die Finanzie-ngsgrundlagen der gesetzlichen Krankenversiche-ng. Die Zusatzbeiträge entfalten erstmals ein echtesreissignal. Jetzt kann der Versicherte auf Euro und Cent
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Stephan Stracke
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genau erkennen, was ihn die Krankenversicherung kos-tet. Damit haben wir zusätzlich ein Wettbewerbselementeingefügt. Keiner, insbesondere keiner von der Opposi-tion, hat für möglich gehalten, dass dieses Element einesolche wettbewerbliche Wirkung entfaltet. Ich halte dasinsgesamt für gut, weil das dem Gesundheitswesen gut-tut.Zum Wettbewerb gehört aber auch die Möglichkeitdes Scheiterns. Die Insolvenz der City BKK zeigt das.Das muss man akzeptieren. Man muss allerdings auchdie Rahmenbedingungen akzeptieren. Das heißt, dass dieVersicherten zu Recht erwarten dürfen, dass sie das Soli-darsystem in einem solchen Fall auffängt. Das Schau-spiel, das einzelne Krankenkassen aufgeführt haben, wardaher schlicht und ergreifend unwürdig. Das war unan-ständig.
Deswegen werden wir diesbezüglich zu Veränderungenkommen und die Befugnisse der Aufsichtsbehörden er-weitern. Wir werden dabei bis zum Mittel der Amtsent-hebung von Vorstandsmitgliedern bei grober Pflichtver-letzung greifen.
Neben den strukturbestimmenden Merkmalen vonWettbewerb und Transparenz geht es in Zukunft auchdarum, die Gesundheitspolitik immer wieder an der kon-kreten Versorgungssituation der Patienten zu messen.Maßstab muss die erlebte Versorgungsrealität der Patien-ten mit ihren Bedürfnissen, Sorgen und Ängsten sein.Genau das greifen wir auf. Ziel muss es sein, dass wirweiterhin eine hervorragende Gesundheitsversorgungflächendeckend, wohnortnah und bedarfsgerecht ge-währleisten. Dazu verändern wir die Rahmenbedingun-gen, auch die der Leistungserbringer. Das ist aber nieSelbstzweck, sondern dahinter steht immer das Ziel, einenoch bessere Versorgungsqualität der Patienten zu errei-chen.Viele Menschen haben einfach die Sorge, dass sichdie medizinische Versorgung auf dem Land verschlech-tert. Ich komme aus dem Allgäu, einem wunderschönenLandstrich. Dort liegt der Versorgungsgrad bei 110 Pro-zent. Dazu würden Sie sagen: Alles wunderbar, allesprima. Wenn man aber einmal genau hinschaut, etwa beiden Hausärzten, stellt man fest, dass beispielsweise in ei-nem Landkreis meines Wahlkreises fast ein Drittel derHausärzte über 60 ist. Ich weiß, dass diese – wunder-schöne – Region für Deutschland sicherlich nicht reprä-sentativ ist; dennoch zeigt sie eine gewisse Entwicklungauf. Deswegen ist es richtig, den Bedarf vom Patientenher zu denken. Genau das tun wir, indem wir zum Aus-gangspunkt unseres Versorgungsstrukturgesetzes dentatsächlichen Bedarf der Menschen machen.Was heißt das? Wir geben mit unserem Versorgungs-strukturgesetz den Ländern mehr Mitwirkungsrechte.Regionale Besonderheiten können künftig besser be-rücksichtigt werden. Wir müssen hierbei auch daraufasnndbtivskdgewgleaggrucwBhsOihhjeaePfeEgcuNstesL
s hat sich nämlich gezeigt, dass das, was die FDP soerne als Lösung hätte – die private Zusatzzwangsversi-herung als neuen Markt für die PKV –, auch bei CDUnd CSU Stirnrunzeln hervorgerufen hat – zu Recht.un fällt Ihnen gar nichts mehr ein, und deswegen pas-iert nichts.In anderen Bereichen sieht es so aus, als ob Sie liefer-n; aber in der Verpackung ist nicht das, was Sie ver-prechen. Angeblich haben wir jetzt den Entwurf einesandärzteförderungsgesetzes auf dem Tisch liegen. Was
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Birgitt Bender
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enthält es für die Landärzte? Es wird versprochen, dassdie Honorarregelung, die dazu führt, dass das Honorardesjenigen, der besonders viele Patienten behandelt, amEnde niedriger ausfällt, aufgehoben wird.
– Nein, ich bin nicht dagegen. –
Aber wissen Sie, werter Herr Kollege Lanfermann, wieviele Ärztinnen und Ärzte das zurzeit betrifft? Es sindexakt 37.
37 Ärztinnen und Ärzte werden von dieser Regelungprofitieren. Das soll eine Förderung der Landärzte sein?
Was passiert stattdessen? Es ist ja nicht so, als würdenÄrzte nicht profitieren. Schauen wir einmal einen Mo-ment lang zurück: In der Zeit von 2007 bis 2010 ist dasärztliche Honorarvolumen um rund 4,3 Milliarden Eurogestiegen.
In diesem Jahr kommt noch einmal 1 Milliarde Eurohinzu. Wenn das Versorgungsgesetz tatsächlich so kommt,dann erhalten die Ärzte noch einmal 600 bis 800 Millio-nen Euro und die Zahnärzte noch einmal 400 Millionen.Dass bei der spezialisierten fachärztlichen Versorgungdie Steuerungsinstrumente hinsichtlich Menge und Qua-lität gleich vom Tisch gewischt werden, kostet noch ein-mal zusätzlich eine halbe Milliarde Euro. Das heißt, ab2013 haben wir dann wiederum Mehrkosten von 2 Mil-liarden Euro, die bei der Ärzteschaft ankommen und danndie Startrampe für weitere Honorarverhandlungen für dienächsten Jahre bilden. Das nenne ich ein Ärztebeglü-ckungsgesetz.
Nur hat das mit der Förderung des ländlichen Raumsund der gesundheitlichen Versorgung dort rein gar nichtszu tun.
Bezahlen werden diesen Goldrausch die Versicherten.
Sie haben ja dafür gesorgt, dass jede weitere Kostenstei-gerung einseitig in Form von Zusatzbeiträgen bei denVersicherten abgeladen wird.Nun ist Ihnen offenbar auch aufgegangen, dass mandenen wenigstens versprechen müsste, dass die Versor-gung sich verbessert. Da haben Sie dieser Tage einenJoker aus dem Ärmel gezogen, der hieß: Wir verbesserndkaindstusadssdlusriWWnDnMsbAdggiskGzwds
Als Ihnen das aufgegangen ist, haben Sie den Vor-chlag gleich wieder eingesammelt. Aber was Sie nichtn, ist, das Problem, das es ja gibt, nämlich dass die ge-etzlich Versicherten je nach Region und je nach Fach-rztgruppe deutlich länger auf einen Termin warten alsie Privatversicherten, von der Wurzel her anzugehen.
Es ist für Ärzte nun einmal ökonomisch rational, dassie diejenigen vorziehen, für deren Behandlung sie bes-er bezahlt werden. Deswegen muss man das ändern undie Ärztinnen und Ärzte gleichermaßen für die Behand-ng bezahlen. Die Kosten für die Behandlung dürfenich nicht nach dem Versicherungsstatus der Patientenchten, sondern nach der Krankheit, die diese haben.ir brauchen eine einheitliche Honorarordnung.
Wir brauchen auch gleiche Spielregeln. Das ist dereg zur Bürgerversicherung. Genau das wollen Sieicht.
Was wir auch brauchen, ist eine vernetzte Versorgung.a, wo nämlich Haus- und Fachärzte und möglichstoch andere Gesundheitsberufe zusammenarbeiten, imVZ, bei den Hausarztverträgen, in der integrierten Ver-orgung, da klappt es auch mit der Terminvergabe. Daraucht man nicht irgendwelche Sanktionsmechanismen.ber genau daran krankt es doch. Sie haben nur wiederie ärztliche Einzelpraxis im Blick und dass es so weiter-ehen soll wie bisher. Sie denken nicht daran, dass eineut strukturierte Versorgung eine vernetzte Versorgungt und auch eine Versorgung, bei der die Allzuständig-eit der Ärzte aufgehoben wird und auch einmal anderenesundheitsberufen mehr Verantwortung zugetraut undugemutet wird, wodurch die Patienten bessergestellterden, so wie das in anderen Ländern auch der Fall ist.
Kurz gesagt: Hier wird nichts anderes abgeliefert alsie alte Klientelpflegepolitik, und damit hat dieser Ge-undheitsminister gar nichts abgeliefert.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14691
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Das Wort hat der Kollege Lothar Riebsamen für die
CDU/CSU-Fraktion.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Vergleicht man den Bundeshaushalt mit ei-nem Haus, dann ist das Ressort Gesundheit sicher nichtdas Fundament oder das wichtigste Geschoss, sonderndas Ressort Gesundheit hat eine ganz andere, besonderswichtige Funktion, nämlich dafür zu sorgen, dass es le-benswert ist, in diesem Haus zu leben und in diesemHaus gesund zu bleiben, vom Kind bis zum Greis.70 Millionen Versicherte in unserem Land: Das stehthinter diesem Haushalt. Diesem Anspruch werden wirmit allen Maßnahmen gerecht, die wir für diesen Haus-halt vorbereitet haben und die wir in diesem Haushaltumsetzen.Dadurch ist die Gesundheitswirtschaft natürlich auchein bedeutender Wirtschaftszweig in unserem Land.4,3 Millionen Menschen erwirtschaften 10 Prozent desBruttoinlandsprodukts.
Wir lesen zurzeit in den Medien, dass sich die Ge-sundheitswirtschaft weltweit verdreifachen wird. ZuRecht haben der Bundesgesundheitsminister und derBundeswirtschaftsminister die Gesundheitswirtschaft fürdie nächsten Jahre und Jahrzehnte als wichtiges Export-angebot erkannt.Diese Entwicklung ist jedoch kein Selbstläufer. Sie istnicht zum Nulltarif zu haben. Es ist notwendig, an denKonzepten und an der Richtung, die wir zur langfristigenFinanzierung des Gesundheitssystems und zur kurzfristi-gen Sicherung der Haushalte eingeschlagen haben, fest-zuhalten.Der Etat im Haushalt des Bundes ist von 1 MilliardeEuro im Jahr 2004 auf nunmehr über 14 Milliarden Euroaufgewachsen. Er fällt 2012 allerdings um circa 2 Mil-liarden Euro geringer aus als in den beiden vorhergehen-den Jahren, und zwar ganz einfach deshalb, weil in die-sem Jahr keine Stützung des Gesundheitsfondsnotwendig ist. Das liegt daran, dass wir einen hervorra-gend florierenden Arbeitsmarkt haben und wir die Ar-beitslosigkeit deutlich reduzieren konnten.
Das haben wir unseren fleißigen Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmern zu verdanken. Das haben wir unserenTarifpartnern zu verdanken, die vernünftig gehandelt ha-ben. Das haben wir einer vernünftigen Wirtschaftspoli-tik, aber auch einer vernünftigen Gesundheitspolitik zuverdanken.
ud–VavsswdSzdruGs2dJ–ri2EddcLGDimtisngrezEBwun
Wir haben sie in der Krise reduziert.
on den 14,5 Milliarden Euro, die wir im Haushalt ver-nschlagt haben, investieren wir 14 Milliarden Euro inersicherungsfremde Leistungen und in eine angemes-ene Steuerbeteiligung zur sozialen Abfederung von Zu-atzbeiträgen.Auch die Sofortmaßnahmen, die wir notwendiger-eise ergreifen mussten, weil ein Defizit von 11 Milliar-en Euro zu erwarten war, haben Wirkung gezeigt. Dieparpakete im Arzneimittelbereich haben Wirkung ge-eigt. Wir haben schon wenige Monate nach Übernahmeer Regierungsverantwortung mit dem GKV-Ände-ngsgesetz die Zwangsrabatte erhöht. Dadurch spart dieKV 1,5 Milliarden Euro pro Jahr ein. Hinzu kommeneit dem 1. Januar 2011 durch das AMNOG weitereMilliarden Euro im Jahr. Die Auswirkungen sind alsoeutlich sichtbar. Die Medien, die das im vergangenenahr noch kritisiert haben, müssen heute eingestehensie tun dies teilweise auch –, dass wir sinnvolle undchtige Maßnahmen ergriffen haben.
Gegenüber dem ersten Halbjahr 2010 hat sich im Jahr011 die Gesamtsituation der GKV um 2,3 Milliardenuro verbessert. Im ersten Quartal 2011 konnten alleinie Arzneimittelausgaben um 5 Prozent reduziert wer-en. Der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversi-herung erwartet, dass es zum Ende dieses Jahres eineiquiditätsreserve in Höhe von 6,9 Milliarden Euro imesundheitsfonds geben wird.
iese Liquiditätsreserve brauchen wir allerdings auch.Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hat Juni 2011 eingeräumt, dass das AMNOG keine nega-ven Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in der Ge-undheitsbranche hat. Das AMNOG war demnach nichtur im Interesse der Beitragszahler, sondern stellte um-ekehrt auch keinen Schaden für die Industrie in unse-m Land dar. Auch das GKV-Finanzierungsgesetz, dasum 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist, hat dieinnahmen und die Ausgaben der GKV stabilisiert. Miteiträgen, die sich auf dem Niveau von vor der Krise be-egen, mit der Weiterentwicklung der Zusatzbeiträgend mit einem steuerfinanzierten Sozialausgleich wirdiemand überfordert,
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14692 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
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ist nicht gesichert! – Weiterer Zuruf der Abg.Elke Ferner [SPD])und es entsteht eine Knautschzone für die gesetzlichenKrankenkassen.Kurzum: Wir haben langfristige und wir haben kurz-fristige Verbesserungen erzielt, ohne in den Leistungska-talog einzugreifen und ohne Priorisierungen vorzuneh-men, wie dies in anderen Ländern teilweise üblich ist.
Es zeigt sich allerdings auch, dass die Arbeit in diesemBereich nicht ausgehen wird. Weitere Vorhaben sind für2011/2012 in der Pipeline: Ich rede vom Versorgungs-strukturgesetz. Ich rede von einer zielgenaueren ärztli-chen Versorgung im ländlichen Raum. Liebe FrauBender, das soll nur 37 Ärzte betreffen? Dazu kann ichnur sagen: Wenn die neu definierten statistischen Vorga-ben erst einmal gelten, dann werden diese 37 Ärzte al-lein in meinem Wahlkreis sein.
Das wird ein großer Wurf im Sinne einer Verbesserungder ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum werden.
Zudem werden wir mit diesem Gesetz eine bessereVerzahnung zwischen dem stationären und dem ambu-lanten Bereich herbeiführen. Außerdem werden wir fürmehr Transparenz sowie für mehr Haushaltswahrheitund Haushaltsklarheit sorgen, nicht im Bundeshaushalt– da sind diese gegeben –, sondern in den Abschlüssender gesetzlichen Krankenversicherung ab 2014, damitdie Versicherten die Zahlen ihrer Krankenversicherungeinsehen können.Persönlich sehe ich Handlungsbedarf auch in demgrößten Bereich in der gesetzlichen Krankenversiche-rung, nämlich im Krankenhausbereich. Auch dort seheich die Notwendigkeit, nachzujustieren. Das DRG-Sys-tem hat sich bewährt. Der Begleitbericht, den wir imFrühjahr hier debattiert haben, bestätigt dies. Trotzdemgibt es an der einen oder anderen Stelle Disparitäten,weil der Preis nicht am Markt gebildet wird, was wirauch nicht wollen. Aber deswegen ist es nötig, dass wirvonseiten der Politik eingreifen.Wir haben, regional unterschiedlich, zu viele Kran-kenhausbetten und zu viele Pflegetage. Hier hat die Lan-desplanung teilweise versagt. Deswegen werden wir dieVorschläge, auch der Krankenkassen, die auf dem Tischliegen, prüfen, um für mehr Qualität zu sorgen, auchdort, wo Leistungen angeboten werden, die manchmalvielleicht auch deswegen angeboten werden, weil sie dasmeiste Geld einbringen.
Ich sehe auch Handlungsbedarf, bei der Einführungder Psych-Entgelte in dieser Richtung vorzugehen. DieWla1PmlawDtesgVzd8vskskdtewekinEdnuknfüBHkggdtirepsle
Dieser Haushalt ist ein gutes Fundament auf dem Weg eine generationengerechte Zukunft.
s ist ein gutes System, und wir werden den Mut haben,en Sie sieben Jahre lang in der rot-grünen Koalitionicht gehabt haben, weitere Verbesserungen anzustrebennd durchzuführen, damit wir auch in Zukunft sagenönnen, dass das Gesundheitssystem in Deutschland ei-es der besten der Welt ist und bleibt.Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist
r die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin
ärbel Bas. Bitte schön, Frau Kollegin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebererr Minister Bahr, es ist, glaube ich, hinlänglich be-annt, dass Ihre Partei ein Lieferproblem hat. Allerdingsilt das auch für Sie, und das ist heute bereits angeklun-en. Damit meine ich nicht nur die Pflegereform, son-ern auch Ihre Präventionsstrategie bzw. das Präven-onsgesetz, das Sie einführen wollen, und das Patienten-chtegesetz. All das haben Sie uns vor der Sommer-ause versprochen. Bei einem Blick in den Kalendertellt man fest: Die Frist ist in 14 Tagen vorbei. Wir wol-n sehen, was uns dann erwartet.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14693
Bärbel Bas
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Das einzige, was Sie bisher geliefert haben, ist dieserHaushaltsentwurf. Wie der Kollege Schurer bereits ge-sagt hat, stehen in dem Entwurf 14 Milliarden EuroSteuerzuschuss, die bereits in der Großen Koalition be-schlossen waren. Ihr Gestaltungsspielraum erschöpftsich somit auf 7 Millionen Euro für Forschungsförde-rung.Zusammengekratzt haben Sie das Geld ausgerechnetaus ganz wichtigen Bereichen, nämlich bei der Förde-rung der Prävention, bei der Aidsaufklärung und bei derKindergesundheit. Es ist sehr kurzsichtig, wennSchwarz-Gelb gerade bei diesen wichtigen Bereichenkürzt.
Ich will deshalb das Thema Kindergesundheit nocheinmal aufgreifen. Noch im Juni hat sich der Bundesge-sundheitsminister mit den Erfolgen einer Strategie seinerVorgängerin Ulla Schmidt als seine eigenen gebrüstet.Sie erinnern sich an dieser Stelle vielleicht noch an diekleine Plagiatsaffäre.
Möglicherweise wussten Sie schon damals, dass Sieden Haushaltsansatz für die Förderung der Kinderge-sundheit sowieso kürzen wollten; denn der Etat für diedringend notwendige Förderung der Kindergesundheit– das haben Sie als Minister gerade selber angesprochen –lag 2011 bei 1,15 Millionen Euro, und im jetzigen Ent-wurf ist er heruntergefahren auf 650 000 Euro. Wie Siesich hier hinstellen und sagen können: „Wir tun mehr fürdie Kindergesundheit“, kann ich persönlich nicht nach-vollziehen.
Leider setzen Sie damit einen unseligen Trend dervergangenen zwei Jahre fort. Seit zwei Jahren erzählenSie uns das Gleiche. Sie wollen kein Präventionsgesetz.
Gut, dieser Meinung kann man sein. Dann sollten Sieaber an Ihrer Präventionsstrategie arbeiten. Zu erkennenist bislang überhaupt nichts, außer dass sie scheinbar sogut sein wird, dass Sie kein Geld mehr dafür brauchenwerden; denn Sie sparen ja jetzt Jahr für Jahr bei der Prä-vention ein.
Das ist auch eine Strategie. Warten wir mal ab, was dakommt. Noch stehen 30 Millionen Euro für die Präven-tion zur Verfügung. Ein Blick ins Gesetz zeigt uns aberauch, dass dort schon einmal 41 Millionen Euro gestan-den haben.Viele gute Programme und Kampagnen der Vorgän-gerregierung laufen jetzt aus. Anstatt dort anzusetzenund die Ideen, die bei Ihnen auf dem Tisch liegen, aufzu-greifen und mit der Umsetzung zu beginnen, liefern SieggnruwasreAdwfigagdteDlidSAsDfiwslibAenruA2dRaaeddisBs
Der eigentliche Sprengsatz für die Gesundheitspolitikndet sich aber nicht in diesem Haushalt: das Versor-ungsstrukturgesetz. Darüber haben wir bereits vorhinusführlich diskutiert. Es bleibt festzustellen: Sie schla-en Irrwege ein, die kaum noch zu überbieten sind undie Sie überdies von Ihrem eigenen Bundesfinanzminis-r vor der Sommerpause bescheinigt bekommen haben.aran will ich noch einmal erinnern; denn das war wirk-ch hervorragend. Der Bundesfinanzminister hat gesagt,er Entwurf sei schlecht gemacht, die Wirksamkeit, dieie hier gerade gepriesen haben, sei zweifelhaft und diebschätzung der Folgen genüge nicht einmal den ge-etzgeberischen Mindeststandards.
as hat er Ihnen in Ihr Stammbuch geschrieben, und ichnde, da hat er recht.Wer nun gedacht hätte, der Gesundheitsministerürde sich dieser Kritik stellen, sie ernst nehmen, ent-prechend nachbessern und – wie wir heute immer sagen –efern, sieht sich getäuscht. Stattdessen kaufen Sie sicheim Finanzminister frei.
Das muss man sich einmal genau anschauen: Dieusgabenrisiken bei der ambulanten Versorgung solleninfach durch den Beitragszahler gedeckt werden. Ge-auer gesagt: Absehbare Mehrausgaben für die Honorie-ng von Vertragsärzten und die finanziellen Folgen derbschaffung von Kostensteuerungsinstrumenten werden014 mit dem Steuerzuschuss für die Liquiditätsreservees Gesundheitsfonds verrechnet. Eine ganz einfacheechnung.Zur Liquiditätsreserve. Hatten Sie damit nicht etwasnderes vor? Ich erinnere an Ihren „Feigenblatt-Sozial-usgleich“ für Ihre Kopfpauschale. Ich übersetze dasinmal für die Versicherten, die mir hoffentlich auch zuieser späten Stunde noch zuhören: Liebe Versicherte,er versprochene Sozialausgleich bei der Kopfpauschalet gar nicht steuerfinanziert. Sie müssen ihn mit Ihreneiträgen selbst bezahlen; denn das Geld hat Herr Bahrchon den Ärzten versprochen. Der Sozialausgleich, den
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14694 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Bärbel Bas
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Sie bekommen würden, wird mit dem Versorgungsge-setz schon verbraucht.
Man muss es deutlich sagen: Es wird nichts mehr fürden ach so fairen steuerlich finanzierten Sozialausgleichübrig bleiben. Damit kann man endgültig sagen: UnterIhren Sozialausgleich kann man einen Strich machen;das ist die Farce schlechthin und grenzt fast schon anVolksverdummung.
– Herr Lanfermann, ich hoffe, Sie haben das verstanden.
– Herr Lanfermann, wir werden uns da noch auseinan-dersetzen. Es wird genau so kommen, wie ich es ange-deutet habe.Herr Bahr, letztendlich kann man sagen: Egal, woman hinschaut, findet man nur offene Fragen und unge-löste Probleme. Sie entscheiden nicht, Sie schieben allesvor sich her und – ich erinnere an die Wartezeiten – sor-gen für Verwirrung. Sie haben die Gesundheitspolitiknicht im Griff, und nicht nur das. Mein Fazit für Sie,Herr Minister: Sie brauchen nicht mehr zu liefern; Siesind gesundheitspolitisch bereits geliefert.
Vielen Dank, Frau Kollegin Bas. – Nächster Redner
für die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege Alois
Karl. Bitte schön, Kollege Alois Karl.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Wenn man in den letzten eineinhalb Stunden dieDiskussion verfolgt hat, so meint man doch, manchmalherauszuhören, dass bei Ihnen ein gewisses Unverständ-nis für die Situation der letzten zwei Jahre herrscht. Wirhaben in der Tat für eine sehr gute Entwicklung der Si-tuation gesorgt. Uns sind Dinge geglückt, die Ihnen nichtgeglückt sind. Ich meine, Sie sollten auch in den nächs-ten zwei Jahren gut aufpassen. Ich traue dem neuen Bun-desgesundheitsminister zu, dass er außerordentlich guteErgebnisse abliefern wird.Liebe Frau Bas, Ihre Rede hat nicht dazu beigetragen,uns weiterzubringen.
IcsnlidddssruwdGuDMnGchTbfiwzgteFsaIc1dfahdsd2s
Meine Damen und Herren, ich möchte daran erinnern,ass Wolfgang Schäuble hier vor zwei Tagen den Bun-eshaushalt in seiner Gesamtheit vorgestellt hat. Er hatarauf verwiesen, dass wir uns in einer außerordentlichtabilen Situation befinden: Die Ausgaben im Haushaltteigen so gut wie gar nicht. Wir führen die Konsolidie-ngsbemühungen fort. Wir stellen unseren Haushalt aufirtschaftlich gesunde Beine.Niemand hätte gedacht, dass wir die Situation nacher Wirtschaftskrise vor zwei Jahren so schnell in denriff bekommen und wir schon 2011, nicht erst 2013,nsere Arbeit erledigt haben.
ie Nachrichten sind gut: In Deutschland haben mehrenschen als jemals zuvor Arbeit. Wir haben die we-igsten Arbeitslosen seit der Wiedervereinigung.erhard Schröder hatte 3 Millionen Arbeitslose verspro-hen; zum Schluss waren es 5 Millionen. Wir habeneute unter 3 Millionen Arbeitslose. Wir haben in derat dort geliefert – so haben Sie das gesagt –, wo andereloß leeres Stroh gedroschen haben.
Wir sind glücklich darüber, dass wir das Haushaltsde-zit auf deutlich unter 3 Prozent herunterführen, dassir die veranschlagten Schuldenbeträge, von denen wiru Beginn der Legislaturperiode geglaubt haben, sie aus-eben zu müssen, in jedem Jahr dramatisch unterschrit-n haben. Das sind hervorragende Zahlen.Es ist zum Greifen nah, dass wir in der mittelfristigeninanzplanung etwas erreichen, was es in Deutschlandeit 40 Jahren nicht mehr gegeben hat, nämlich einenusgeglichenen Haushalt.
h darf daran erinnern. Es war damals Willy Brandt969 in der sozialliberalen Koalition, der die Haushalts-isziplin verlassen hat. Seinerzeit hat man den Wohl-hrtsstaat zum Maß der Dinge erklärt. Diese Haus-altsunethik hat ein Ende. Ich bin stolz darauf und froharüber, dass wir als Mitglieder des Haushaltsausschus-es nicht erst 2016, sondern vielleicht schon im Verlaufes Jahres 2014 mit dem Haushaltsentwurf für das Jahr015 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können.
Der Haushalt des Bundesgesundheitsministers fügtich in diese große Linie des Haushaltens, des Konsoli-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14695
Alois Karl
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dierens und des Sparens ein und wird seinen Beitrag leis-ten. Wir sparen heute gegenüber dem letzten Jahr1,3 Milliarden Euro, das sind 8,2 Prozent des Haushalts.Das kommt dadurch zustande, dass wir den Steuerzu-schuss zum Gesundheitsfonds um 1,3 Milliarden Eurosenken können bzw. keinen Sonderzuschuss geben müs-sen. Wir bezahlen die planmäßigen 14 Milliarden Euround müssen nicht – wie in den letzten Jahren – Sonder-zuschüsse geben. Das freut den Haushälter schon.Frau Ferner, Ihre Wortmeldung habe ich nicht ganzverstanden.
– Ja, Sie drücken sich in Ihrer Argumentation manchmaletwas undeutlich aus. – Man hat den Eindruck gehabt,als wäre ein Überschuss für Sie so etwas wie Teufels-zeug. Ich bin der Meinung, dass wir dann, wenn wirsparsam und ordentlich wirtschaften, eigentlich gelobtwerden müssten.
Überschüsse sind etwas Besonderes und etwas Gutes.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir habennatürlich große Aufgaben vor uns. Die Fachpolitikerwerden das hier vortragen, und die Haushaltspolitikerwerden das begleiten. Die Pflegeversicherung ist ange-sprochen worden. Frau Scharfenberg, Sie haben gesagt:„Man sieht nichts“. In der Tat waren Sie sieben Jahrelang in der Regierung, und man hat nichts davon gese-hen, dass die Pflegeversicherung irgendein Jota weiter-gekommen wäre. Es war die CDU/CSU, die zusammenmit der FDP seinerzeit unter Norbert Blüm die Pflege-versicherung eingeführt hat. Es war die Große Koalition,die auch die Demenzkranken mit hineingenommen hat.
Das waren großartige Leistungen, die an Ihnen, FrauScharfenberg, und an den Grünen insgesamt vorüberge-gangen sind.Natürlich muss etwas gespart werden, aber nicht infundamentalen Dingen.
Wir sind weiterhin kampagnenfähig. Es ist in der Tatnichts Verderbliches und nichts Verwerfliches, wennKampagnen auch mit Sponsorengeldern gefahren wer-den.
Wir haben zum Beispiel im Bundesgesundheitsministe-rium eine Nichtraucherkampagne durchgeführt, die über20 Jahre hinweg von der Zigarettenindustrie gesponsertwurde. Die Einstiegsrate der jungen Leute in das Rau-chen ist von 28 Prozent auf 13 Prozent zurückgegangen.Ich frage Sie: Warum sollen diejenigen, die die Gesund-heitsschäden mit verursachen, also die Unternehmen derZddleVuIcnIcMsMtrdswsd„ghsre
Herr Kollege, Sie wissen, warum hier die Lichter
uchten?
Mit Ihrer Genehmigung komme ich fast zum Schluss.
Ich darf Ihnen sagen, dass der Minister gerade ein
ierteljahr im Amt ist. Er ist Minister, er ist kein Hexer
nd kein Zauberer. Er wird die Pflegereform vorlegen.
h bin auf den 23. September gespannt. Das ist der Tag
ach dem Papstbesuch.
h hoffe, das wirkt sich positiv aus.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
it Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, noch ein Satz: –
Ich bitte dringend darum.
– In der Koalition mit Willy Brandt – um dieses Bei-
piel noch einmal zu bemühen – gab es bereits einen
inister Bahr, nämlich Egon Bahr. Aufgrund seiner Bei-
äge zur Ostpolitik ist er seinerzeit als „Minister Son-
erbahr“ bezeichnet worden. Herr Präsident, Sie können
ich vielleicht erinnern?
Ja.
Herr Minister Bahr, wenn wir all das hinkriegen, was
ir heute zum Thema Pflegereform, Transplantationsge-
etz und Versorgungssicherheit angesprochen haben,
ann werden wir „wunderbahre“ Ergebnisse haben. Von
sonderbahr“ zu „wunderbahr“; wenn das kein gutes Er-
ebnis ist!
Vielen herzlichen Dank. Ich freue mich auf die Haus-
altsberatungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Personalwech-el hier zeigt, dass wir zu einem anderen Geschäftsbe-ich kommen.
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14696 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Vizepräsident Eduard Oswald
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Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Ju-gend, Einzelplan 17.Wenn wir wieder etwas Ruhe haben, würde ich gerndem ersten Redner das Wort geben. – Das Wort hat derParlamentarische Staatssekretär Dr. Hermann Kues fürdie Bundesregierung. Bitte schön, Herr Parlamentari-scher Staatssekretär Dr. Kues.D
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Der Einzelplan 17 des Haushaltsentwurfs für 2012 zeigt,dass intelligente Haushaltspolitik zwei Komponentenhat: Auf der einen Seite wird gespart, und auf der ande-ren Seite erfolgen gezielte Investitionen zur Bewältigungder Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels undin faire Zukunftschancen, gerade für die junge Genera-tion. Dies ist kein Gegensatz, sondern vielmehr eine He-rausforderung. Ich glaube, mit diesem Haushaltsentwurfhaben wir diese Herausforderung bewältigt.
Wir leisten einen Beitrag zum Abbau der Staatsver-schuldung. Trotzdem investieren wir da, wo es notwen-dig ist. In diesem Haushaltsjahr 2012 investieren wirzum Beispiel insgesamt 6,48 Milliarden Euro im Bereichgesellschaftlicher Wandel. Für den gesellschaftlichenWandel steht vor allem das Elterngeld. Wir sind fest da-von überzeugt, dass die jungen Familien – das beweisenalle Expertisen, die wir kennen – das Elterngeld wollen.
Sie beweisen auch, dass sie das Elterngeld brauchen, umnach der Geburt eines Kindes wirtschaftlich stabil zubleiben. Deswegen planen wir für 2012 rund 4,6 Milliar-den Euro ein. Das sind 215 Millionen mehr als 2011.Diese Steigerung ist Ausdruck des Erfolges des Eltern-geldes. Deswegen legen wir Wert darauf.
Wir wissen auch, dass die Kostentreiber – im positi-ven Sinne – die Väter sind. Es nimmt heute schon jedervierte Vater Partnermonate, also eine Auszeit vom Beruf.Die Väter wickeln, und die Väter füttern. Ich habe ge-hört, dass die Väter das häufig genauso gut machen wiedie Mütter.
Sie können es offenkundig. Es wird auch gesagt, dassVäter aus der Elternzeit verändert zurückkommen. Dassagen die Arbeitgeber. Die Väter haben nämlich in derZeit andere Verhaltensweisen gelernt. Das ist das, waswir wollen. Elternzeit und Elterngeld tragen maßgeblichdazu bei, dass sich etwas ändert und dass man beidenGeschlechtern etwas zutraut. Ich finde, darauf solltenwir stolz sein. Das ist gesellschaftlicher Wandel, wie wirihn uns wünschen.dlenwBsvdbfrBremgsSsDCasgASkbezgwdsgfüdevnkdlaedD
Ich sage ausdrücklich: Der Staat und die Politik habenen Menschen nicht vorzuschreiben, wie sie leben sol-n. Sie müssen ihnen aber helfen, dass sie so leben kön-en, wie sie leben wollen. An dieser Stelle setzen wir an.
Das Elterngeld bietet die Möglichkeit, Verantwortungahrzunehmen. Das Elterngeld festigt die Eltern-Kind-eziehung. Es festigt auch die Aufgabenteilung zwi-chen Mann und Frau, zwischen Vater und Mutter. Eserändert außerdem – auch das ist ein wichtiger Punkt –ie Kultur in unserer Arbeitswelt. Es macht unsere Ar-eitswelt und unsere Gesellschaft insgesamt familien-eundlicher. Es beflügelt Fantasien. Man lässt sich inezug auf Dinge, von denen man lange meinte, sie wä-n nicht möglich, etwas einfallen und macht sie dadurchöglich. Das ist unsere Absicht, die hinter dem Eltern-eld und der Elternzeit steht.Ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir am gesell-chaftlichen Wandel weiterarbeiten werden. Ministerinchröder wird noch in diesem Jahr ein Flexi-Quoten-Ge-etz vorlegen.
ieses Gesetz soll dazu beitragen, dass Frauen besserehancen auf Führungspositionen in Unternehmen undm Arbeitsplatz im Allgemeinen haben.
Eine weitere Investition mit Blick auf den gesell-chaftlichen Wandel – das will ich auch ausdrücklich sa-en – ist die Familienpflegezeit. Das ist noch nicht dientwort auf alle Fragen. Es ist aber ein ganz wichtigerchritt, da insbesondere Vollbeschäftigte die Möglich-eit bekommen, Pflege und Beruf miteinander zu verein-aren. Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehts zum einen um die Betreuung von Kleinkindern undum anderen um die Pflege von Angehörigen. Ichlaube, an dieser Stelle haben wir einen ersten ganzichtigen Akzent gesetzt, den wir jetzt gemeinsam miten Tarifparteien weiterentwickeln müssen.Ich möchte einen zweiten Punkt unserer Gesell-chaftspolitik nennen: faire Chancen für Kinder und Ju-endliche. Union und FDP sind davon überzeugt, dass esr die Herstellung sozialer Gerechtigkeit nicht entschei-end ist, wo wie viel Geld ausgegeben wird, sondernntscheidend ist, wie Bildungs- und Aufstiegschancenerteilt sind. Die Frage ist, ob jeder einen Zugang zu ei-er fairen Chance hat. Es gibt einen schönen Leitgedan-en, der in einer Werbekampagne des Zentralverbandses Deutschen Handwerks zum Ausdruck kommt. Erutet: Entscheidend ist nicht, woher jemand kommt;ntscheidend ist, wo jemand hin will. Dabei müssen wiren jungen Leuten helfen.
as ist unser Ansatz.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14697
Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues
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Wir wissen, dass der Grundstein in der Kindheit ge-legt wird und die erste und wichtigste Verantwortung dieEltern tragen; das ist völlig klar. Wir wollen aber auch inder Kindheit helfen. Deswegen war es uns wichtig, imRahmen des neuen Kinderschutzgesetzes die Arbeit vonHebammen in Familien deutlich auszuweiten. Wir tundies, weil Hebammen das Vertrauen der jungen Mütterund Väter genießen und sie die Eltern zu einem frühenZeitpunkt erreichen, an dem die Eltern ansprechbar undfür Hilfsangebote offen sind. Deswegen wollen wir, dassHebammen den Eltern nach der Geburt eines Kindes biszu einem Jahr zur Seite stehen. Wir haben auch dafürGeld lockergemacht.
Von 2012 bis 2015 werden dafür insgesamt 120 Millio-nen Euro bereitgestellt. Das ist eine wirkliche gesell-schaftspolitische Innovation.
Ein wichtiger Baustein für faire Chancen in unseremLand ist die Kinderbetreuung. Wir investieren nicht nurin den Ausbau des Betreuungsangebots, also in dieQuantität, sondern auch in die Qualität. Trotz einerschwierigen Haushaltslage haben wir die Investitionendeutlich aufgestockt. Ich erinnere an die Offensive„Frühe Chancen“: Bis 2014 investieren wir 400 Millio-nen Euro. Allein in diesem Jahr sind 3 000 Schwer-punktkitas Sprache & Integration eingerichtet worden.
Diese Kitas wurden mit einer zusätzlichen halben Erzie-herstelle ausgestattet. Ich war gestern Abend auf einerVeranstaltung in einem Berliner Bezirk. Dort hat mir dieVertreterin einer bestimmten Partei gesagt, dass auf die-sem Gebiet viel mehr getan werden müsse. Zuständigdafür sind aber in erster Linie die kommunale und dieLandesebene.
Diese Ebenen müssen Geld zur Verfügung stellen. Wennman sich die Haushalte von Kommunen und Ländern an-schaut, stellt man fest, dass für diesen Bereich auch aufdiesen Ebenen mehr Geld eingesetzt werden kann. Wirjedenfalls tun etwas.
Das sind 3 000 Schwerpunktkitas. Im nächsten Jahr wer-den 1 000 weitere hinzukommen. Dafür werden102 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Noch nie hatder Bund auf diese Art und Weise unmittelbar die Kitasunterstützt und etwas in den Bereichen Sprachförderungund Integration getan. Das ist eine sehr konkrete Unter-stützung.Ich freue mich auch darüber, dass es gelungen ist– zugegebenermaßen nach einigen Diskussionen –, dieerfolgreichen Programme „Kompetenzagenturen“ und„Schulverweigerung – Die 2. Chance“ im Rahmen derInitiative „Jugend stärken“ fortsetzen zu können. Daswdedlewk2fü„dddhgDgBsmsmkvkmemksDaBKaegsnb
Lange Zeit bestand der Konsens, dass Extremismus,gal von welcher Seite er kommt, bekämpft werdenuss.Ich erinnere auch an die Diskussion über die Demo-ratieerklärung. Das sind viele völlig überhitzte Diskus-ionen gewesen.
ort hat man Stimmung gemacht. Ich sage Ihnen ganzusdrücklich: Ich habe mir gestern in einem Bezirk inerlin darüber berichten lassen. Dort haben sich dieommunalvertreter bedankt, dass sie diese Erklärungbverlangen konnten; denn auf diese Art und Weise ists gelungen, bei einer Initiative gegen rechts ein Mit-lied des Verbands der ehemaligen Stasioffiziere rauszu-chmeißen. Solche Personen haben in diesen Initiativenichts zu suchen. Diese Erklärung hat ganz konkret dazueigetragen.
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14698 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
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Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage
aus der Fraktion Die Linke?
D
Ja.
Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, habe ich Sie jetzt
richtig verstanden, dass es Ihnen nicht egal ist, wer sich
gegen Rechtsextremismus einsetzt? Ist es richtig, dass es
für Sie inakzeptabel ist, wenn sich jemand, der vielleicht
sogar aus seinen Fehlern gelernt hat, die er in der Ver-
gangenheit in der DDR begangen hat, heute gegen
Rechtsextremismus und für den Erhalt der Demokratie
engagiert? Habe ich das richtig verstanden?
D
Wissen Sie, wenn sich jemand, der in der DDR einen
großen Fehler gemacht und zum Verband der ehemali-
gen Stasioffiziere gehört, für Demokratie und für Plura-
lismus, für Toleranz und Respekt gegenüber anderen
Meinungen einsetzt und in diesem Sinne gegen Rechts-
extremismus mitarbeitet, aber genauso ein klares Wort
gegen Linksextremismus findet, ist das in Ordnung.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Dis-
kussion über die in Berlin in Brand gesetzten Autos er-
wähnen. Der sozialdemokratische Innensenator Körting
hat gesagt, in einigen Fällen gebe es ganz offensichtlich
auch einen linksextremen Hintergrund.
Ich kann das nur so zur Kenntnis nehmen. Es ist doch
absolut klar – man müsste ja Tomaten auf den Augen ha-
ben, wenn man das nicht sieht –, dass es Linksextremis-
mus genauso gibt wie Islamismus.
Dagegen wenden wir uns, dagegen sollten wir uns ge-
meinsam wenden. Wenn Sie das gelernt haben, sollten
Sie dies auch tun.
– Das ist nicht absurd.
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as ist unsere Auffassung.Wir nehmen eine Menge Geld in die Hand für dieörderung des bürgerschaftlichen Engagements. Wir ha-en es geschafft, nach der Aussetzung des Zivildienstesemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden und den Trä-ern eine neue Kultur der Freiwilligkeit in Deutschlandu etablieren. Dazu gehört, dass jeder, der es möchte,gal, ob Mann oder Frau, ob jung oder alt, einen Freiwil-genplatz bekommt. Es ist noch nie so viel Geld dafüringesetzt worden. Immerhin stellen wir 350 Millionenuro zur Förderung der Freiwilligendienste zur Verfü-ung. Ich glaube, das ist ein klares Zeichen. Wir habenoch nie so viel Geld für die Förderung des Freiwilligenozialen Jahres und des Freiwilligen Ökologischen Jah-s eingesetzt.Wir können feststellen – jetzt möchte ich Ihnen einechöne Zahl nennen –, dass wir beim Bundesfreiwilli-endienst jetzt Gott sei Dank erfolgreich sind.
meinem Manuskript stand noch eine Zahl vom 1. Sep-mber 2011: 8 114 eingegangene Verträge. Heute, am. September, sind bereits über 12 000 Verträge beimundesfreiwilligendienst eingegangen. Ich finde, das istine tolle Entwicklung.
s deutet also alles darauf hin, dass wir es trotz allerchwierigkeiten schaffen. In meiner niedersächsischeneimat gibt es einen plattdeutschen Spruch. Ich nennen auf Hochdeutsch, damit alle ihn verstehen: Redenönnen alle, tun ist ein Ding. Etwas hinzukriegen, zuandeln, ist ein Ding. Das tut diese Bundesregierung.
Wir fördern Zeit für Verantwortung. Wir investieren faire Chancen für Kinder und Jugendliche, für Jungnd Alt. Wir stärken auch das gesellschaftliche Engage-ent und damit das Miteinander in unserer Gesellschaft.ie Mittel dafür stehen zur Verfügung. Ich finde, es istin Haushalt, den auch die Opposition unterstützen kann.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14699
Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kues
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Es ist ein Haushalt für die Zukunft unserer Gesellschaft.Ich glaube im Übrigen – das möchte ich noch sagen –,Familienpolitik und Politik für Kinder und Jugendlicheund auch Politik für Demokratie, Herr Kollege, müssenlangfristig angelegt sein. Es muss Verlässlichkeit für dieMenschen geben. So ist das bei uns.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär Dr. Hermann Kues. –
Jetzt für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kol-
legin Dagmar Ziegler. Bitte schön, Kollegin Dagmar
Ziegler.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnenund Kollegen! „… für das große Projekt Europa ist dieseKoalition zu klein“, schreibt heute der Tagesspiegel. Ichfüge hinzu, sehr verehrter Herr Kues: Auch für die Poli-tikfelder, über die wir heute gesprochen haben und überdie wir insbesondere jetzt sprechen, ist diese Koalitionzu klein.
Ihnen fehlt es tatsächlich an Ideen und Konzepten, voneiner Gesamtstrategie, wie Sie sie uns gerade weiszuma-chen versucht haben, ganz zu schweigen.
Sie haben keine Vorstellung davon – Ihr Koalitions-partner wahrscheinlich auch nicht –, wie Sie für dieMenschen in Deutschland bessere Lebensbedingungenschaffen können. Das bisschen, das Sie machen – Sie ha-ben es vorgetragen; zum Teil haben Sie es noch nichteinmal richtig vorgetragen –, machen Sie zaudernd, zö-gernd und noch dazu handwerklich schlecht;
ich komme noch ganz konkret auf die einzelnen Punktezu sprechen.
Erstens. Es gibt keine wirkliche Gleichstellungspoli-tik unter der Regierung Merkel. Sie haben keine Idee,wie Sie endlich für die gleiche Bezahlung von Frauenund Männern sorgen können. Sie verweigern einen Min-destlohn, der gerade Frauen helfen würde.
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an muss sich einmal vorstellen, dass Sie sich hier hin-tellen und sagen: Wir machen etwas für Kinder und Ju-endliche. – Das trifft den Kern der Sache ja wohl nicht.
Drittens. Sie haben heute offensichtlich die aktuells-n Zahlen zum Bundesfreiwilligendienst genannt. Die-es Thema sind Sie tatsächlich angegangen. Es hat aller-ings lange gedauert, bis Sie in die Pötte gekommenind.
h weiß nicht, ob das Kindergeldproblem schon gesetz-ch gelöst ist
der ob es dazu einen Antrag Ihrerseits gibt.
Ja, ich weiß. Aber die Eltern rufen bei uns an, schrei-en uns Mails und fragen uns: Welche Regelung trifftiese Koalition?
Ja, hoffentlich sagen Sie das noch, damit die Eltern dasorgen nachlesen können.
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14700 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Dagmar Ziegler
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Auf diese Aussage warten sie bis heute.
– Ja, okay; aber es dauert bei Ihnen. Das ist die hand-werkliche Schwäche, die bei Ihnen leider festzustellenist und die auch den Bundesfreiwilligendienst zum Rohr-krepierer gemacht hat.
Ich hoffe, die Zahlen steigen. Wir hätten uns gewünscht,dass die Freiwilligendienste, die es schon gab, gestärktworden wären, sodass die Jugendlichen klare Ziele vorAugen gehabt hätten und das, was gut läuft, auch weiter-hin hätte gut laufen können. Diese Chance haben Sievertan.
Auch den Kurs der schon beschlossenen und, wie ichfinde, modernen Familienpolitik, den es einmal gab, hal-ten Sie nicht; ich spreche den Kitaausbau und das Eltern-geld an. Sie haben heute sehr lange über das Elterngeldgesprochen; das hat mich gefreut. Ich hoffe, das Proto-koll, in dem nachzulesen ist, dass Sie sich so positiv überdie Wirkung des Elterngeldes geäußert haben, wird auchHerrn Kauder zugänglich gemacht. Wie Sie wissen, hatHerr Kauder das Elterngeld infrage gestellt. Er will esabschaffen. Vielleicht können Sie ihm mitteilen, was Sieheute dazu gesagt haben. Vielleicht weiß man bei Ihnenin der Frühe nicht, was abends gesagt wird.
Jeder 30. Vater hat wegen der Geburt eines Kindesvor der Einführung des Elterngeldes tatsächlich eine be-rufliche Auszeit genommen. Diese Situation hat sichstark verbessert. Jetzt tut es jeder vierte. Herr Kues hatrichtigerweise darauf hingewiesen, dass das Elterngeldwirkt und dass es eine bessere Aufteilung von elterlicherArbeit und Sorge ermöglicht. Aber wir stehen erst amAnfang; auch das muss man deutlich sagen. Wir wün-schen uns noch mehr Partnerschaftlichkeit bei der Be-treuung von Kindern. Hierzu werden wir auch einen ent-sprechenden Antrag einbringen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Be-treuungsgeld haben Sie gar nichts gesagt. Ich bin ge-spannt, ob die Koalition ihre Pläne in die Tat umsetzenwird. Hier haben Sie ein Gegenmodell zum Elterngeldentwickelt. Ich hoffe, diese 2 Millionen Euro sparen Sieein und setzen sie für sinnvolle Projekte ein. Sie könntendas Geld zum Beispiel für den Kitaausbau einsetzen. Wirwissen alle, dass der Bedarf an Kitaplätzen größer ist, alswir damals gemeinsam veranschlagt haben. Wir wissen,dass das 35-Prozent-Ziel aufgrund der klammen Haus-halte der Länder und Kommunen nicht erreicht werdenkadddn–AvuwddbkngsSwRwruRwHvintiuGnawsdnHtä
Ja, natürlich sind 4 Milliarden Euro eine Hausnummer.ber entweder hat man einen gesetzlichen Anspruch underwirklicht diesen auch, oder man lässt alles schleifennd hofft, dass sich das Problem von allein erledigt. Dair Letzteres gerade nicht denken, sind wir dafür, dasser Bund noch einmal Geld in die Hand nimmt. Auchazu wird es einen Antrag geben.Gute Familienpolitik braucht Ideen und Konzepte. Esedarf einer gesellschaftspolitischen Idee, die auch fis-alisch fundiert ist. Beides vermissen wir bei Ihnen.Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Ziegler. – Bevor ich der
ächsten Rednerin das Wort gebe, erteile ich dem Kolle-
en Ilja Seifert zu einer Kurzintervention das Wort. Bitte
chön, Kollege Seifert.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
ie haben in Ihrer Rede leider kein Wort dazu verloren,
ie in Ihrem Ministerium die UN-Konvention über die
echte von Menschen mit Behinderungen umgesetzt
ird.
Uns liegt jetzt der Nationale Aktionsplan der Regie-
ng zur Umsetzung der UN-Konvention über die
echte von Menschen mit Behinderungen vor. Bisher
urde immer gesagt, man könne noch kein Geld in den
aushalt einstellen, weil der Aktionsplan noch nicht
orliege. Jetzt liegt er vor. Bedauerlicherweise finde ich
Ihrem Haushalt aber nichts dazu, wie Sie diesen Ak-
onsplan umsetzen wollen.
Es geht in Ihrem Ressort um Kinder, Frauen, Senioren
nd Jugendliche. Menschen mit Behinderung dieser
ruppen sind in der UN-Konvention ausdrücklich ge-
annt und müssen gefördert werden, damit sie so wie
lle anderen auch teilhaben können. Welche Gelder für
elche Programme gibt es diesbezüglich in Ihrem Res-
ort? Frau Ministerin von der Leyen hat vorhin vollmun-
ig verkündet, dies sei in jedem Ressort etatisiert. Kön-
en Sie mich bitte darüber aufklären, wo das in Ihrem
aushalt der Fall ist?
Zur Antwort der Herr Parlamentarische Staatssekre-r. Bitte schön.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14701
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Ich will dazu gerne etwas sagen. Es handelt sich um
einen Haushaltsplanentwurf, ein erstes Konzept, das wir
in den Haushaltsberatungen noch diskutieren.
In bestimmten Bereichen, zum Beispiel beim Bundes-
freiwilligendienst, gibt es sogar einen Zuschlag, wenn
man Menschen mit Behinderung einstellt. Ähnliche An-
sätze verfolgen wir auch beim internationalen Jugend-
austausch. Wir legen ausdrücklich Wert darauf, dass die-
jenigen, die davon profitieren, sich Gedanken darüber
machen, wie man diejenigen integrieren kann, die bis-
lang nicht zum Zuge gekommen sind. Diese Programme
waren über viele Jahre sehr stark – ich will es mal so sa-
gen – mittelschichtorientiert, sodass bestimmte Jugendli-
che gar nicht zum Zuge gekommen sind. Dazu zählen
auch Jugendliche mit Behinderungen.
Wir werden die unterschiedlichen Maßnahmen
– Bundesfreiwilligendienst, Kinder- und Jugendplan
usw. – zusammenstellen, damit wir eine umfassende
Antwort auf die Frage geben können, wo wir Angebote
in der von Ihnen angesprochenen Richtung machen. Wir
haben das sehr wohl im Blick.
Wir fahren in unserer Rednerliste fort, und ich gebe
Frau Kollegin Miriam Gruß für die Fraktion der FDP das
Wort. Bitte schön, Frau Kollegin Miriam Gruß.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Im Familienhaushalt gibt es einen Aufwuchsvon 9,27 Millionen Euro, und wir geben insgesamt6,48 Milliarden Euro aus. Ich muss der Opposition wi-dersprechen: Wir setzen auf viele zukunftsweisende Pro-jekte und investieren auch in diese Projekte.
Das betrifft zum Beispiel die Umgestaltung des Zivil-dienstes zum Bundesfreiwilligendienst; der Herr Staats-sekretär hat das bereits erklärt, und mein Kollege HerrBernschneider wird in seiner Rede noch ausführlich da-rauf eingehen. Auch die Familienhebammen sind bereitsgenannt worden. Außerdem ist eine Familienpflegezeitgeplant.Diese Dinge werden gesellschaftliche Veränderungenhervorrufen und Antworten auf gesellschaftliche Frage-stellungen geben.Ich will bei den Kindern beginnen. Kinder brauchenSchutz und Chancen. Die Chancen sind im Zusammen-hang mit der Initiative „Offensive Frühe Chancen“ er-wähnt worden. Damit machen wir genau das, was vonallen immer gefordert wird, bei der Betreuung nicht nurauf die Quantität, sondern auch auf Qualität zu setzen.Wir fördern den Spracherwerb benachteiligter Jugendli-cher. Das ist für eine erfolgreiche Integration das Wich-tietiFswwdvbzvdSaruMpbribrigEsdzvwBVAdtenDliubdgw–FHufi
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14702 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
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Unterstützung und Perspektiven für Frauen sind ange-mahnt worden. Ich kann nur sagen: Ich begrüße es au-ßerordentlich, dass wir beispielsweise ein Hilfetelefonbei Gewalt gegen Frauen einrichten werden. Auch daswird kommen. Dafür haben wir insgesamt 3,1 MillionenEuro eingestellt.Wir planen eine Initiative, um Frauen den Wiederein-stieg in den Beruf zu erleichtern, insbesondere Allein-erziehenden. Wir machen hier unsere Hausaufgaben. Ichbin der Meinung, es ist richtig, wie wir es machen.Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist für
die Fraktion Die Linke unser Kollege Steffen Bockhahn.
Bitte schön, Kollege Steffen Bockhahn.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Dieser Haushaltsentwurf ist nicht vom Minis-terium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, son-dern eher einer gegen sie.
Dieses Ministerium ist unter anderem für Frauen- undGleichstellungspolitik zuständig bzw. sollte es sein. DieGehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern inder Bundesrepublik Deutschland sind nach wie vor be-schämend. Laut Statistischem Bundesamt sind es nachwie vor 23 Prozent, die Frauen für die gleiche Arbeit wieMänner im Schnitt weniger verdienen.
Das heißt, Frauen müssen 84 Tage länger arbeiten, umden gleichen Lohn zu bekommen.
Allerdings hat auch für Frauen das Jahr nur 365 Tage,um korrekt zu sein: in Schaltjahren 366 Tage.
– Mein Name ist Bockhahn, Herr Kollege Grübel. WennSie mir zuhören, können Sie noch etwas lernen.Das heißt, dass Frauen beim Einkommen generell be-nachteiligt sind. Wenn wir uns das genauer anschauen,stellen wir fest, dass dies nicht nur mit der Bezahlung amkonkreten Arbeitsplatz zu tun hat, sondern natürlichauch mit den Berufsbildern und der Geschlechtervertei-lung.sbmsFsAnnMkvsduZsssgshskdnnzdtuDUtetrsDwA
Im Übrigen ist ganz erstaunlich, dass nach wie voricht wirklich, also richtig ernst gemeint, etwas unter-ommen wird, um Frauen den Zugang in klassischeännerberufe zu erleichtern. Aber es ist auch relativlar, warum das passiert; denn natürlich – ich weiß, wo-on ich rede – blockieren Männer gerne, wenn andereich nähern und wenn es darum geht, den eigenen Platz,as eigene Revier zu verteidigen, gerade dann, wenn esm viel Geld geht.Die Bundesregierung, die Bundesbehörden und dieusammensetzung der Fraktionen von Union und FDPind abschreckende Beispiele dafür, wie es nicht laufenollte. Die Frauenquote bei Ihnen ist abenteuerlichchlecht.
Meine Damen und Herren, nach wie vor gibt es einanz großes Karrierehemmnis. An ihm konnten allechönen Reden hier nichts verändern. Dieses Karriere-emmnis ist so ziemlich das Schönste, was einem pas-ieren kann. Es sind Kinder. Ja, das Elterngeld ist einleiner Erfolg. Aber Sie haben diesen kleinen Erfolg inen Jahren, in denen Sie jetzt regieren, bereits noch klei-er gemacht. Sie konzipieren eine vernünftige Maß-ahme, fangen damit an und kündigen sogar an, sie aus-ubauen. Aber anstatt das zu tun, kürzen Sie.Das Erste, was Sie getan haben, war die Umsetzunger klugen Idee, Empfängern von Hartz IV diese Leis-ng gleich erst mal zu streichen.
as ist nach wie vor etwas ganz Unsoziales und etwasnanständiges, weil Sie damit Kinder von Geburt an un-rschiedlich machen.
Die Kollegin Ziegler hat schon vorhin kurz das Be-euungsgeld, liebevoll auch Herdprämie genannt, ange-prochen.
as ist ja nicht etwa nur eine schöne Idee, um irgend-em zu helfen, sondern es ist eine gigantische Ausrede.ußerdem stecken dahinter ein Rollenbild und ein Fami-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14703
Steffen Bockhahn
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lienmodell, die, mit Verlaub, definitiv nicht in das21. Jahrhundert gehören.
Auf der einen Seite sorgen Sie damit nämlich dafür,dass gerade in strukturschwachen Regionen der Kitaaus-bau gar nicht vorangetrieben werden muss, weil es dieInanspruchnahme nicht gibt. Damit können Sie dann be-gründen, dass es keine Bedarfe gebe und man deswegengar nicht die Plätze für 35 Prozent der Kinder vorhaltenmüsse.Das alleine wäre schon schlimm genug. Das eigent-liche Drama ist aber – –
– Über kranke Denke sollten wir beide uns besser nichtunterhalten, Frau Bär. Das geht nämlich nicht zu IhrenGunsten aus. Aber davon abgesehen – –
– Hören Sie doch einmal zu. Ich weiß, dass Sie ein lautesOrgan haben. Aber Sie sind ja nachher auch noch an derReihe. Dann können Sie versuchen, sich verständlich zumachen. Das ist in Ordnung.
Lassen Sie mich also noch einmal zu dem kommen,was ich wirklich absurd finde, weil es eine soziale Aus-grenzung sondergleichen ist, nämlich zu dem, was Siemit dem Betreuungsgeld tun.
Sie stellen nämlich sozial benachteiligte Familien mitgeringem Einkommen vor die Frage, 150 Euro zu neh-men oder sich für einen Kitaplatz zu entscheiden, den siesich nicht leisten können.
Vor diese Wahl stellen Sie sozial benachteiligte Fami-lien. Das hat aber weder etwas mit dem Anspruch auffrühkindliche Bildung zu tun, noch ist es familienpoli-tisch sinnvoll. Dies ist definitiv der falsche Weg. Derrichtige Weg wäre, dass Sie überall in Deutschland be-zahlbare Kitas schaffen.
Nun möchte ich Ihnen einmal einige Beispiele nen-en, wie das laufen kann.Ein schlechtes Beispiel kommt aus Mecklenburg-Vor-ommern, dem bekanntlich schönsten Bundesland derelt. Dort regiert die SPD noch zusammen mit der CDU. Mecklenburg-Vorpommern beträgt das Durchschnitts-inkommen 1 500 Euro brutto, und ein Krippenplatz kos-t 300 Euro im Monat – 300 Euro im Monat bei einemurchschnittsbruttoeinkommen von 1 500 Euro: Ich kannir nicht vorstellen, wer sich das leisten können soll.
Allerdings darf ich Ihnen auch sagen: In Berlin siehts ganz vorbildlich aus. Dort haben wir eine rot-roteandesregierung. Die Krippenbeiträge in Berlin sindrstens sozial gestaffelt und zweitens – –
Wissen Sie, was ich wirklich abenteuerlich finde? Sieden hier in einer ganz abwertenden Art und Weise überoziale Leistungen. Das macht deutlich, dass Ihnen dieozialen Belange dieses Landes einen Dreck wert sind.afür sollten Sie sich schämen, meine Damen und Her-n. Das ist abenteuerlich.
Sie können sich das ruhig anhören. In Berlin sind dieindergärten für die Eltern komplett kostenfrei, weil esinen Anspruch gibt, dass frühkindliche Bildung umge-etzt wird, dass frühkindliche Bildung für alle Kinderewährt wird, dass Chancengleichheit tatsächlich realt.
as ist vernünftige Familienpolitik. Davon können Sieoch eine Menge lernen.
Ich möchte etwas zum Thema Rechtsextremismus sa-en. Ich komme, wie gesagt, aus Mecklenburg-Vorpom-ern, wo letztes Wochenende Wahlen stattgefunden ha-en.
Sie sollten sich langsam wieder dämpfen. – 6 Prozenter Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, die über-aupt zur Wahl gegangen sind, haben sich für die rechts-xtreme NPD entschieden.Herr Staatssekretär Kues, ich muss mit einigem Er-chrecken noch einmal vor meinem geistigen Auge ab-ufen lassen, was Sie vorhin auf meine Zwischenfrage
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14704 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Steffen Bockhahn
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gesagt haben. Wenn es Ihnen nicht egal ist, wer sich ge-gen Rechtsextremismus engagiert, dann finde ich solcheÄußerungen absurd, abenteuerlich und gemeingefähr-lich. Fahren Sie nach Gnoien, Lassan, Lübtheen und La-lendorf und fragen Sie die Menschen, die dort tagtäglichunter Nazis leiden, ob es ihnen recht wäre, wenn jemand,der sich heute für Demokratie und Toleranz und gegenRechtsextremismus einsetzen will, das nicht tun darf,weil es Ihnen nicht genehm ist. Eine solche Ignoranzkann man nur haben, wenn man nicht oft genug nachdraußen kommt.
Ich verweise darauf, dass es besonders junge Männerohne Perspektive waren, die die neuen Nazis gewählt ha-ben. Bei den unter 30-Jährigen haben gerade die Männerdie NPD gewählt. Das Traurige daran ist, dass Sie genaudie Maßnahmen, die dazu geeignet sind, die Abwande-rung und Perspektivlosigkeit junger Menschen in Ost-deutschland zu beenden, gestrichen und eingestellt ha-ben.Schöne Projekte in der Zivilgesellschaft sind in Ord-nung. Wir brauchen aber endlich auch Projekte, die ausIhrem Haus zu finanzieren wären und sich mit gutenStrukturen, hochqualifiziertem Personal und anständigenSachmittelbudgets genau dieser Arbeit in den schwieri-gen Bereichen zuwenden, die wir als Zivilgesellschaftschon lange nicht mehr erreichen. Das ist eine Aufgabe,und das hat der letzte Sonntag einmal mehr deutlich ge-macht.
Es gibt aber auch einige Bereiche, von denen man sa-gen kann, dass es eine gute Idee war, zum Beispiel dieMehrgenerationenhäuser. Sie sind ein Beleg für eine gutfunktionierende Zivilgesellschaft. Sie sind ein Ort, andem sich verschiedene Generationen begegnen und vielegute Projekte stattfinden.
– Das bestreite ich doch gar nicht. Sie können auch maletwas Gutes machen. Das habe ich nicht abgestritten. Ichhabe schließlich gesagt, dass Sie gut angefangen haben.Warum Sie aber jetzt 6 Millionen Euro streichen und da-mit definitiv das Aus für viele Mehrgenerationenhäuserbesiegeln, habe ich noch nicht richtig verstanden.Projekte wie die Mehrgenerationenhäuser sind eineMöglichkeit, um völlig ideologiefrei etwas für Demo-kratie und Toleranz und damit auch gegen Rechtsextre-mismus zu tun. Das hätten Sie vorher bedenken müssen.
Ich möchte noch auf die Mittel eingehen, die Sie fürdie Jugendpolitik zur Verfügung stellen. Nach wie vor–vKpsoQavgwaDdtewusOsIhwBdhzMkRnsNKSZdsgzrid
Vielen Dank, Herr Kollege. – Wir fahren mit unsererednerliste fort. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-en spricht unser Kollege Sven-Christian Kindler. Bittechön, Kollege Sven-Christian Kindler.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Diesen Haushalt, über den wir zu spätertunde sprechen, kann man zu Recht als Haushalt für dieivilgesellschaft beschreiben. Wir finden im Haushalten Kinder- und Jugendplan, die Mehrgenerationenhäu-er, die Freiwilligendienste und die Bundesprogrammeegen Rechtsextremismus. Ich will in meiner Rede aufwei Punkte zur Zivilgesellschaft eingehen.Zum Ersten zu den Freiwilligendiensten. Es war einechtige, ganz wichtige und längst überfällige Entschei-ung, die ungerechte Wehrpflicht endlich auszusetzen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14705
Sven-Christian Kindler
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Dadurch musste auch der Zivildienst abgeschafft wer-den. Deswegen brauchen wir ein konsistentes Konzept,wie man die vielen Zivis, die in den sozialen Einrichtun-gen sind, sinnvoll ersetzen kann. Wir begrüßen, dass dieKoalition endlich unserer Forderung nachgekommen ist,mehr Gelder für den Freiwilligendienst beim FSJ undbeim FÖJ einzustellen. Allerdings hätten Sie jetzt, da derZivildienst zu Ende ist, die Chance nutzen müssen, alteStrukturen zu überwinden und Neues zu gestalten. Siehätten eine Lösung aus einem Guss liefern müssen.
Was haben Sie stattdessen gemacht? Sie schaffen ei-nen neuen Dienst, den sogenannten Bundesfreiwilligen-dienst, von dem wir schon jetzt wissen, dass dieserErsatzzivildienst nicht funktionieren wird. Der Bundes-rechnungshof hat zu Recht scharf kritisiert, dass mit demehemaligen Bundesamt für Zivildienst überkommeneStrukturen beibehalten werden. Wir brauchen dringendmehr Engagement für den Freiwilligendienst. Was wirallerdings nicht brauchen, sind teure und ineffizienteDoppelstrukturen und noch mehr Bürokratie.
Ich komme zum zweiten Teil meiner Rede zur Zivil-gesellschaft. Am Wochenende wurde uns wieder einmalklar vor Augen geführt, dass wir ein Problem haben. Wirhaben ein Problem mit Nazis in dieser Gesellschaft. InDortmund sind mehrere Hundert Nationalsozialisten aufdie Straße gegangen, und die Nazipartei NPD ist wiederin den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern eingezo-gen. Zu Recht gab es große Empörung darüber, wennman auch feststellen musste, dass diese Empörung zumTeil leider ritualisiert abläuft. Für uns muss klar sein,dass wir dieses Wahlergebnis niemals akzeptieren dür-fen. Wir müssen alten und neuen Nationalsozialisten ent-schlossen und konsequent entgegentreten.
Doch zur Wahrheit gehört auch, dass wir nicht nur einProblem mit militanten Nazis, mit Gewalttaten undWahlerfolgen der NPD haben, sondern dass sich Rechts-extremismus auch im alltäglichen Leben zeigt. Wir ken-nen die Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung und die vonWilhelm Heitmeyer von der Uni Bielefeld. Wir wissen:Wir haben in unserer Gesellschaft menschenverach-tende, demokratiefeindliche, rassistische und antisemiti-sche Einstellungen. Diese reichen bis weit in die Mitteder Gesellschaft. Auch darum müssen wir uns kümmern.Ich war erstaunt, als ich heute in der Berliner Mor-genpost einen sehr interessanten, bemerkenswert offenenBrief gelesen habe. Der US-Botschafter Philip Murphy– einige von Ihnen werden ihn bestimmt kennen – hathbwlezsMGsrespdafoRAhdSDdwMaszgSwgisgmsEeleteKe
urphy schreibt zum Ende des Briefes:Rassismus gehört nicht der Vergangenheit an … Erbleibt ein Problem unserer Zeit. Wir müssen Rassis-mus entschieden entgegentreten …enau so ist es; recht hat der Mann. Wir brauchen einetarke Zivilgesellschaft gegen Rassismus.
Jetzt schauen wir uns einmal an, was diese Bundes-gierung und diese Ministerin gegen Nazis, gegen Ras-ismus und Antisemitismus machen. Die Ministerinflegt das Misstrauen. Heribert Prantl hat am Montag iner Süddeutschen Zeitung einen Kommentar zum Wahl-usgang in Mecklenburg-Vorpommern und zum Wahler-lg der NPD verfasst. In seinem Kommentar lobt er zuecht die bewundernswerte Arbeit der Amadeu-ntonio-Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismusier in Berlin. Er schreibt auch, wie sich die Ministerinafür bedankt. Ich zitiere Heribert Prantl:Zum Dank traktiert die zuständige, aber ansonstendesinteressierte Bundesministerin Kristina Schröderdiese Arbeit mit Misstrauensklauseln.Prantl hat recht. Einmal davon abgesehen, dass dertaatsrechtler Professor Battis und der Wissenschaftlicheienst dieses Hohen Hauses klargemacht haben, dass sieie Extremismusklausel für verfassungswidrig halten,issen wir, dass viele Initiativen darüber klagen, dass esisstrauen gibt, dass sie ihre Partner überprüfen undusspionieren müssen, obwohl eine vertrauensvolle Zu-ammenarbeit zwischen den Partnern wichtig wäre. Daseigt: Das Arbeitsklima bei diesen Initiativen wird ver-iftet. Diese Extremismusklausel ist verfassungswidrig.ie schafft Misstrauen und muss deswegen so schnellie möglich weg.
Ich rate Ihnen: Reden Sie einmal mit den Initiativenegen Rechtsextremismus, und fragen Sie sie, was da lost. Viele sind schwer enttäuscht und frustriert. Sie kla-en über das Misstrauen und natürlich auch über die dra-atische Unterfinanzierung. Als ob das alles nicht schonchlimm genug wäre, kürzen Sie auch noch 2 Millionenuro bei den Mitteln für den Kampf gegen den Rechts-xtremismus. Zugegeben: Diese Kürzung erfolgt vor al-n Dingen bei der Regiestelle und den Steuerungsmit-ln. Diese Kürzung zeigt aber auch, was Ihnen derampf gegen den Rechtsextremismus wert ist; das istin Symbol: Es gibt nicht mehr Geld, sondern weniger.
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14706 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Sven-Christian Kindler
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Man könnte dieses Geld auch Antinazigruppen in Vor-pommern geben. Davon halten Sie aber nichts. Nachzwei Jahren Schwarz-Gelb ist klar: Diese Regierung ar-beitet gegen die Zivilgesellschaft, gegen engagierte Bür-gerinnen und Bürger. Ihr Extremismusansatz ist falschund gefährlich. Damit muss Schluss sein.
Wir brauchen endlich ein Bundesprogramm – ihmmuss mehr Geld zur Verfügung stehen –, das sich gezieltgegen Menschenfeindlichkeit und gegen Rechtsextre-mismus wendet. Die Zivilgesellschaft braucht wiedermehr Vertrauen, wieder mehr Unterstützung und keineschwarz-gelben Störaktionen.Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin für
die Fraktion der CDU/CSU ist unsere Kollegin Dorothee
Bär. Bitte schön, Frau Kollegin Dorothee Bär.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue michsehr, dass wir heute, auch wenn zu fortgeschrittenerStunde, über unseren Haushalt diskutieren. Vor allemfreue ich mich, weil wir trotz der angespannten Haus-haltslage – die Kollegin Gruß hat es angesprochen – ei-nen Aufwuchs von mehr als 9 Millionen Euro haben.Das zeigt ganz deutlich, dass wir als christlich-liberaleKoalition diesen Politikbereich wertschätzen und dasswir den Themenfeldern Familie, Senioren, Frauen undJugend Priorität einräumen.
Den größten Teil unseres Etats nimmt mit 4,6 Milliar-den Euro unser Erfolgsmodell, das Elterngeld, ein. Wiebereits dargestellt, wünschen wir uns natürlich, es nochweiter auszubauen; das ist noch nicht von der Agendagenommen. Es ist haushalterischen Zwängen geschuldet,dass wir es noch nicht so erweitern konnten, wie wir unsdas vorgestellt haben. Trotzdem möchte ich noch einmalganz vehement dafür werben. Ich freue mich, wenn wirmehr Geld brauchen. Dass wir immer mehr Geld brau-chen – das ist schon öfter angesprochen worden –, ist einpositives Zeichen. Denn warum brauchen wir mehrGeld? Weil die Zahl der Geburten steigt und das Eltern-geld daher verstärkt in Anspruch genommen wird.
Das Elterngeld ist ein zentraler Baustein unserer Fa-milienpolitik. Es erleichtert das Ja zu Kindern. UnsereFamilienpolitik setzt sich aus vielen Bausteinen zusam-men. Aber wenn wir den Baustein Elterngeld wegnäh-men, würde unser familienpolitisches Gebäude sehr in-stabil werden.imWzddsdDntiWndhjumfaABdtetoDegfuTMgdpinddhzhiswicMucmcc
Ich möchte auch an dieser Stelle sagen, dass ich sehrankbar bin, dass die Bundeskanzlerin unbeirrt am El-rngeld festhält. Sie hat vor einigen Tagen nochmals be-nt, dass diese familienpolitische Leistung nicht zurisposition steht.
Dass es richtig ist, dass wir daran festhalten, belegtine aktuelle Studie des Max-Planck-Instituts für demo-rafische Forschung. Die Demografen haben herausge-nden, dass die Geburtsjahrgänge ab 1970 jetzt dierendwende einläuten. Die Frauen und auch die jungenänner, die nach 1970 auf die Welt gekommen sind, sa-en verstärkt Ja zu Kindern und setzen auch mehr Kin-er in die Welt. Neben dem Ausbau der Betreuungs-lätze hat auch das Elterngeld dazu beigetragen, dass wirsgesamt ein kinderfreundlicheres Klima haben, sagenie Forscher.Schauen wir uns einmal die Umfragen dazu an, wasie Bevölkerung zu diesem Instrument sagt. Allensbachat in dieser Woche herausgefunden, dass knapp 80 Pro-ent der Befragten dem Elterngeld positiv gegenüberste-en. Dies zeigt, dass es in der Bevölkerung angekomment und angenommen wird.
Obwohl in der Studie festgestellt worden ist, dassieder mehr Kinder in die Welt gesetzt werden, möchteh an dieser Stelle eine kritische Anmerkung machen.an kann sich überlegen, ob man da sofort etwas machtnd ob man überhaupt über den Haushalt etwas errei-hen kann. Ich glaube nicht, dass wir alleine da etwasachen können. Das ist mehr eine gesamtgesellschaftli-he Diskussion. Aber ich möchte es trotzdem anspre-hen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14707
Dorothee Bär
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Zwar ist die Geburtenrate jetzt höher; sie liegt bei 1,6,was allerdings immer noch nicht ausreichend ist. Nichtschön ist aber, dass das Durchschnittsalter der Erstgebä-renden in Deutschland immer höher wird. Obwohl dasauch insgesamt im europäischen Vergleich so ist, ist daseine Entwicklung, die nicht so positiv ist. Wünschens-wert wäre, wenn die Eltern bei der Geburt ihres erstenKindes und hoffentlich auch der weiteren Kinder jüngerwären, und zwar aus verschiedenen Gründen. Leiderreicht die Zeit heute nicht, um das auszudiskutieren.Aber ich glaube, es wäre schon an uns, einmal zu überle-gen, ob wir da nicht etwas Bewegung hineinbringenkönnen, ob wir es für junge Berufsanfänger, auch fürStudentinnen und Studenten noch attraktiver machenkönnen, bereits in den 20ern und nicht erst in den 30ernoder gar in den 40ern an Familienplanung zu denken.
Ein weiterer Haushaltsposten, der angesprochenwurde, betrifft die Freiwilligendienste. Der Staatssekre-tär konnte die Zahlen heute Gott sei dank weiter nachoben korrigieren; das ist sehr erfreulich. Wir hoffen, dassdieses Modell – wie das Elterngeld – zu einem Erfolgs-modell wird. Wir haben damit etwas Einmaliges ge-schaffen, indem nicht nur jüngere Menschen im Rahmendieses Modells tätig werden können, sondern wirklichalle gesellschaftlichen Schichten und auch alle Alters-schichten. Der Anteil der Seniorinnen und Senioren istsehr hoch; es wird gut von ihnen angenommen. Ich binmir sicher: Je länger das Modell läuft, desto besser wirdes angenommen werden.Wer sich bundesweit umschaut und einmal mit denBetreffenden in den Einrichtungen spricht, der stellt fest,dass sie von den Bufdis noch wesentlich begeistertersind als von den Zivildienstleistenden. Zur Begründungwird angeführt: Wir wurden ganz gezielt ausgesucht,und wir werden im Vergleich zu vorher noch stärker an-genommen. Die Zivildienstleistenden haben schon einehervorragende Arbeit gemacht. Aber diejenigen, die dasjetzt machen, tun dies absolut freiwillig. – Dies zeigt,dass es richtig war, diesen Ansatz zu wählen. Sicherlichgab es einige Anlaufschwierigkeiten. Aber das haben dieTräger, die Einsatzstellen und auch diejenigen, die die-sen Bundesfreiwilligendienst angenommen haben, er-kannt. Künftig muss kein einziger Interessent, der einefreiwillige Arbeit leisten will, mehr abgewiesen werden.
Einen weiteren wichtigen Titel hat der Staatssekretärschon angesprochen. Aber ich glaube, man kann guteNachrichten gar nicht oft genug wiederholen; denn siebleiben leider nicht so hängen wie negative Nachrichten.Für unsere Bundesinitiative Familienhebammen wurdeeigens ein neuer Titel mit einem Ansatz von 30 Millio-nen Euro geschaffen. Das ist der Kernbestandteil desBundeskinderschutzgesetzes, das am 1. Januar 2012 inKraft treten wird. Wir werden in der Zeit von 2012 bis2015 120 Millionen Euro dafür in die Hand nehmen. Wirhaben uns über dieses Thema hier schon einmal geson-dert unterhalten. Ich glaube, es ist ein ganz wichtiger undrichtiger Schritt, dass wir das in Angriff nehmen und ins-bdgdsedriEuletighueanhtiwriBWndwdddinAummSWtiihIcdusgbledsuw
Wir bringen jetzt das Nachfolgeprogramm „Mehrge-erationenhäuser II“ auf den Weg. Mehrgenerationen-äuser stehen für mich wirklich exemplarisch für funk-onierendes Engagement im kommunalen Bereich. Esar eine hervorragende Idee von der Vorgängerministe-n Ursula von der Leyen, und diese wird jetzt auch mitegeisterung von Ministerin Schröder weiter umgesetzt.ir haben es geschafft, dass die entsprechenden Häusericht nur erhalten werden, sondern sogar noch weitereazukommen. Die funktionierenden Strukturen habenir übrigens gemeinsam mit den Kommunen, die wirafür mit ins Boot geholt haben, ausgebaut. Der Erhalter Mehrgenerationenhäuser ist uns also ein ganz beson-ers wichtiges Anliegen.Ein Letztes darf ich noch ansprechen, das wir schon die letzten Beratungen mit aufgenommen haben:uch im Haushalt 2012 wird die Bundesstiftung „Mutternd Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ wieder mitehr als 92 Millionen Euro unterstützt. Das Bundesfa-ilienministerium ist im Moment dabei, die Arbeit dertiftung zu evaluieren. Es wird untersucht, in welchereise durch die Mittel der Bundesstiftung auch langfris-g positive Wirkungen für die Antragstellerinnen undre familiären und sozialen Netzwerke erzielt werden.h halte es für sehr wichtig, dass wir uns ganz beson-ers für das im Entstehen begriffene Leben einsetzennd Geld in die Hand nehmen, um Frauen, die nicht wis-en, wie sie mit Konfliktsituationen wie einer Schwan-erschaft umgehen sollen, zu vermitteln, dass sie auf unsauen können, weil wir die Kinder schon schützen wol-n, bevor sie auf die Welt kommen. Ich bin froh, dassieser ganz wichtige Titel in den Bundeshaushalt einge-tellt worden ist.Ansonsten freue ich mich jetzt auf die Beratungennd darüber, dass wir die Koalition sind, die wirklich et-as für Familien in diesem Land tut.Vielen Dank.
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14708 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Der Nächste auf unse-
rer Rednerliste ist für die Fraktion der Sozialdemokraten
unser Kollege Rolf Schwanitz. Bitte schön, Kollege Rolf
Schwanitz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die Möglichkeiten, kritische Anmerkungen zumEinzelplan von Frau Ministerin Schröder zu machen,sind schier unerschöpflich. Ich will mich heute auf dreiAnmerkungen beschränken.
Als Allererstes ein paar Bemerkungen zur vorgeleg-ten Finanzplanung 2012 bis 2015. Das, was hier abgebil-det wird, würde man in der Wirtschaft einen Offenba-rungseid nennen. Der Etat für Familie, Senioren, Frauenund Jugend gehört zu den Einzelplänen im Bundeshaus-halt mit den geringsten Zuwächsen auf dieser Vierjahres-leiste.
Gegenüber den Eckwerten, die im März verbindlich aus-gegeben wurden – es gab ja dieses Jahr ein neues Haus-haltsaufstellungsverfahren –, ist der gesamte Plafond für2012 noch einmal um 30 Millionen Euro abgesenkt wor-den. Obwohl der Gesamthaushalt mehr Steuereinnahmenvorsieht, obwohl die Nettokreditaufnahme noch einmalgelockert worden ist, wird im Einzelplan 17 die Schraubenoch einmal angezogen. Die jetzt vorgelegte Finanzpla-nung sieht gegenüber den im März vorgelegten Eckwer-ten ein Minus von 30 Millionen Euro im Jahr 2012, einMinus von 31 Millionen Euro im Jahr 2013, ein Minusvon 32 Millionen Euro im Jahr 2014 und ein Minus von33 Millionen Euro im Jahr 2015 vor. Die Gesamtausga-ben des Bundeshaushaltes steigen in diesem Zeitraum,also von 2012 bis 2015, im Jahresdurchschnitt fünfmal sostark wie die des Einzelplans 17. Der Einzelplan 17 istalso ein Verliererhaushalt. Das zeigt, welchen Stellen-wert dieses Thema bei Ihnen hat.
Die zweite Bemerkung, die ich machen will, ist eineKritik an der Passivität der Ministerin und des Ministe-riums in Bezug auf das Thema Rechtsanspruch auf einenBetreuungsplatz für Kinder. Das Kinderförderungsge-setz hat klar den Anspruch formuliert, dass es ab 2013für Kinder ab einem Jahr einen Rechtsanspruch auf ei-nen Betreuungsplatz geben soll. Das ist eigentlich diewichtigste politische Aufgabe, die die Ministerin aus derZeit der Großen Koalition mitbekommen hat.
Wir wissen längst, dass die Angebotsquote von35 Prozent in höchstem Maße gefährdet ist. Wir wissen,dass die Bedarfssätze insbesondere in den städtischenBereichen mit hoher Wahrscheinlichkeit weit darüber hi-neqmtedSRwtideggdgawhWZsliKnzDgFDMvsVsjudeMwefre
tattdessen gefährdet diese Vogel-Strauß-Politik denechtsanspruch ab 2013. Ich sage ausdrücklich: Dasird der zentrale Prüfstein werden, an dem wir die poli-sche Leistung dieser Ministerin messen werden.
Die dritte Bemerkung – die ich Ihnen nach all den an-erslautenden Einschätzungen aus der Koalition nichtrsparen kann – bezieht sich darauf, was Sie beim Über-ang vom Zivildienst zum Bundesfreiwilligendienst an-estellt haben. Wir als Sozialdemokraten – und auch an-ere – haben vor dem Weg, den Sie gegangen sind,ewarnt. Wir haben davor gewarnt, Doppelstrukturenufzubauen, und die Chance deutlich gemacht, den be-ährten Freiwilligendienst der Länder zu stärken. Wiraben empfohlen, diese Chance zu nutzen. Sie haben diearnungen ignoriert. Sie haben Bürokratien in Ihremuständigkeitsbereich konserviert. Sie haben Doppel-trukturen geschaffen, und Sie haben den Bundesfreiwil-gendienst schlampig vorbereitet und eingeführt, übersnie gebrochen. Zum Schluss haben Sie sogar vor ei-em Angriff auf den Freiwilligendienst der Länder nichturückgeschreckt.
ie Zwangsquote 2 : 3 bei der Förderung des Freiwilli-endienstes ist zunächst eine Erpressung der Träger desreiwilligendienstes, nichts anderes.
ie Krönung ist meiner Meinung nach aber, dass dasinisterium dann noch ein Muster für einen Änderungs-ertrag zur Verfügung gestellt hat, damit bereits abge-chlossene Freiwilligendienstverträge quasi in Bufdi-erträge umgewandelt werden können. Das muss manich noch einmal vergegenwärtigen: Hier haben sichnge Leute freiwillig entschlossen, einen Freiwilligen-ienst zu machen, und sind dazu ein Vertragsverhältnisingegangen. Dann kommen Sie mit Anweisungen undusterverträgen, mit denen die jungen Leute genötigterden,
inen Änderungsvertrag abzuschließen, weil Ihr Bundes-eiwilligendienst sich als Flop entwickelt hat. Das istine Sauerei,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14709
Rolf Schwanitz
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und es widerspricht dem Grundgedanken des Freiwilli-gendienstes schlechthin.
Ich möchte zum Schluss noch eine Bemerkung zurBürokratie beim Bundesfreiwilligendienst machen.
Wir haben im Haushaltsausschuss über alle Fraktionenhinweg beschlossen, dass Sie einen Bericht über die Ab-wicklung und Gestaltung des Bundesamtes vorlegen. Siehaben drei Monate lang zunächst nicht geliefert,
dann haben Sie geliefert. Der Bundesrechnungshof hatden Bericht kommentiert und faktisch in der Luft zerris-sen.
Es ist nicht nur so, dass der Bundesfreiwilligendienstsich als Flop entwickelt hat. Darüber hinaus haben Siedafür in Ihrem Ministerium und im Bundesamt für Fami-lie und zivilgesellschaftliche Aufgaben – daran mussman sich erst einmal gewöhnen –
eine Bürokratie vorgesehen, die jeder Beschreibungspottet. Da werden Aufgaben künstlich aufgebläht undsachfremde Aufgaben zugeordnet. Über 50 Personenwissen bis heute nicht, was sie machen sollen. In diesemKräuteramt werden Dinge kreuz und quer, ohne dass dairgendein roter Faden zu erkennen wäre, organisiert. Da-rüber werden wir im Haushaltsausschuss noch sehr kri-tisch zu reden haben.
Der Name „Kräuteramt“ etabliert sich übrigens beiuns in der Fraktion langsam, nicht wegen des Namensdes Vorgesetzten, sondern weil die Aufgaben schlichtund einfach an Kraut und Rüben erinnern und keinerleiroten Faden haben.
Der Gestaltungsauftrag ist völlig in den Sand gesetztworden. Wir werden ihn in den nächsten Wochen kri-tisch auseinandernehmen und mit Änderungsanträgenversehen.Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Der nächste Redner auf
unserer Liste ist für die Fraktion der FDP unser Kollege
Florian Toncar. Bitte schön, Herr Kollege.
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ir sind vor zwei Jahren bei 86 Milliarden Euro Neu-erschuldung gestartet – übrigens ein Vorschlag, der voner SPD kam. In diesem Jahr werden wir es schaffen, bei7 Milliarden Euro zu landen. Dieses Tempo bei der Re-uzierung der Verschuldung ist, so glaube ich, beispiel-s. Das ist sicherlich die Klammer, die um diese Haus-altsberatungen zu ziehen ist.
Warum machen wir das? Weil wir die Handlungsfä-igkeit des Staates auch in Zukunft sichern wollen, weilie Verschuldung der letzten Jahre nicht dauerhaft funk-onieren kann, weil ein Staat nicht über seine Verhält-isse leben sollte.
as ist vor allem im Interesse der jungen Menschen, derinder und Jugendlichen, die auch in 10, 20, 30 oder0 Jahren einen handlungsfähigen und finanziell leis-ngsfähigen Staat brauchen.
Trotz aller Sparbemühungen setzen wir aber einenchwerpunkt im Bereich von Bildung und Forschung,r den diese Koalition in vier Jahren die Rekordsummeon zusätzlich 12 Milliarden Euro bereitstellt. Das istas zweite Element unserer Zukunftsvorsorge. Wir sa-ieren den Staat auch für zukünftige Generationen. Wäh-nd der Haushalt konsolidiert wird, investieren wir aber Bildung und damit in Chancen für die Zukunft. Das ist Interesse der Kinder und der Jugendlichen.
Herr Kollege Schwanitz, deswegen verbietet sich, sonde ich, eine rein ausgabenfixierte Betrachtung diesesaushalts, zumal man festhalten muss, dass die Sozial-uote des Haushalts bei 52 Prozent liegt und damit – dasissen Sie – deutlich höher als beispielsweise unter Rot-rün, und das, obwohl unter Rot-Grün ein deutlich hö-erer Betrag für den Arbeitsmarkt nötig war. Wenn Siechon rein quantitativ auf die Sozialquote schauen, dannollten Sie wirklich genau hinschauen. Wir geben dafürdenfalls nicht weniger aus, als Sie zu Ihrer Regierungs-eit ausgegeben haben.
Ich denke, dass wir uns von einer solchen rein quanti-tiven Betrachtung lösen müssen. Stattdessen müssenir uns heute fragen: Wo kann man sinnvoll Schwer-unkte setzen? Wo kann man ansetzen, damit man zu ei-er qualitativen Betrachtung kommt? Genau das tun wir
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14710 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Florian Toncar
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im Einzelplan 17. Die Gelder aus unserer Bildungsoffen-sive werden insbesondere für die Sprachförderung inKinderbetreuungseinrichtungen eingesetzt. Das werdenlaut Ansatz im nächsten Jahr 102 Millionen Euro sein.Ich glaube, es ist ein guter Schwerpunkt, zu sagen: Wirinvestieren nicht nur – was wir im Konsens beschlossenhaben – in den Ausbau der Kinderbetreuung, in die Ge-bäude genauso wie in die Betriebskosten. Das machenwir schon seit einigen Jahren. Wir prüfen darüber hi-naus, wo es Brennpunkte gibt, wo besondere Notlagenbestehen oder wo man mit speziell qualifiziertem Perso-nal Sprachförderung von Kindern betreiben muss. Diese102 Millionen Euro sind gut angelegt. Den Kindern wer-den Chancen verschafft, die sie sonst nicht hätten. Damittun wir auch im Sinne der sozialen Gerechtigkeit und dessozialen Zusammenhalts Gutes.
Darüber hinaus möchte ich kurz auf das eingehen,was insbesondere unsere Fraktion beim letzten Haushaltangeregt hat und was jetzt umgesetzt werden soll: dasHilfetelefon im Falle von Gewalt gegen Frauen. Es gibtregional sehr unterschiedliche Hilfsangebote. Wichtig istaber, dass es bundesweit eine Anlaufstelle bzw. einenAnsprechpartner gibt, wohin sich Frauen anonym wen-den können. Dort bekommen sie entweder Hilfe oderwerden von dort an eine geeignete Beratungsstelle oderein geeignetes Hilfsprojekt in der Gegend vermittelt, inder sie wohnen. Das werden wir sicherstellen. DiesesProjekt werden wir dauerhaft betreiben, weil wir hiereine Lücke schließen, die im Kampf gegen Gewalt in derFamilie oder in Beziehungen wichtig ist.Ich möchte auf einen weiteren Aspekt eingehen– Herr Kollege Schwanitz hat das schon angesprochen –:die künftige Struktur des Bundesamts für Familie undzivilgesellschaftliche Aufgaben. Ich glaube, dass dasThema eine genaue und sensible Betrachtung verdient.Das Amt ist vor große Herausforderungen gestellt, fürdie die Mitarbeiter nichts können. Die Mitarbeiter habenin den letzten Jahren ihren Job gemacht und ihre Aufga-ben erfüllt. Diese Aufgaben sind aber nunmehr wegge-fallen. Sie wissen auch, Kollege Schwanitz, dass es dortnicht nur Beamte gibt, die nicht kündbar sind, sonderndass auch viele Angestellte nicht kündbar sind. Im Übri-gen bin ich der Meinung, dass ein fürsorglicher Arbeit-geber auch nicht kündigen sollte.
– Nein, Moment. Ich möchte nur für die Mitarbeiter desBundesamtes, die sich vielleicht anschauen, worüber wirhier diskutieren, klarstellen, dass das jedenfalls für michkeine Option ist.
Gleichzeitig möchte ich aber auch sagen: Diese Be-hörde soll angemessen ausgestattet sein; aber die Perso-nalkapazität sollte nach Möglichkeit nicht größer sein,als für die Erledigung der Aufgaben benötigt wird.DDwPteusMhzaguauBvsTeFKLzWtiDBligVgleuTA
as zu erreichen, wird ein wenig Kreativität erfordern.a werden wir Übergangslösungen finden müssen. Wirerden uns natürlich auch anschauen, wie realistisch derersonalbedarf berechnet ist. So sehr sich die Mitarbei-r darauf verlassen können, dass wir ein fürsorglichernd verantwortungsvoller Arbeitgeber bleiben werden,o deutlich sagen wir auch: Es ist weder im Sinne deritarbeiter noch der Steuerzahler, wenn wir eine Be-örde haben, in der die Menschen eigentlich nicht genugu tun haben, um dort dauerhaft zu bleiben. Ich würdels Gegenleistung dafür, dass wir unseren Verpflichtun-en als Arbeitgeber nachkommen, Einsatzbereitschaftnd Flexibilität erwarten.In diesem Sinne glaube ich, dass wir für das Bundes-mt eine vernünftige Lösung finden sollten. Wir müssenns überlegen, ob wir diese Menschen nicht in anderenereichen, in denen wir Personalknappheit haben, sinn-oller einsetzen können. Das können wir gerne gemein-am machen. Ich denke jedenfalls, dass das eines derhemen ist, um die wir uns bei den Haushaltsberatungenrnsthaft kümmern sollten.Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Jetzt spricht für die
raktion Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin Frau
atja Dörner. Bitte schön, Frau Kollegin Dörner.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!iebe Kollegen! Herr Bockhahn, Sie haben in Ihrer Redewar einiges Richtiges gesagt; aber es ist doch wohl einitz in Tüten, hier Berlin als Kitawunderland zu präsen-eren.
iesen Hinweis kann ich Ihnen hier nicht ersparen.
Die Zerrüttung der Regierungskoalition ist in allenereichen sichtbar, leider auch in der Kinder- und Fami-enpolitik. Der Dauerstreit beim Elterngeld ist ein sehrutes Beispiel dafür.
or zwei Tagen haben wir die neuen Zahlen zum Eltern-eld bekommen. Man kann ganz klar sagen: Diese Zah-n belegen, dass sich das Elterngeld als gleichstellungs-nd familienpolitisches Instrument sehr bewährt hat.rotzdem ist das Elterngeld von der FDP sozusagen zumbschuss freigegeben worden.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14711
Katja Dörner
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Ich erinnere daran, dass Christian Lindner, der General-sekretär, sagte, das Elterngeld sei zum Besitzstand ge-worden, und er die Abschaffung forderte; das ist wenigeMonate her. Herr Solms sagte, das Elterngeld sei „eineSozialleistung für Leute, die es nicht nötig haben“, wes-wegen man es, bitte schön, abschaffen könne.
Da
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es
nützt nichts.
Herr Kues, Sie haben heute Abend ein Drittel Ihrer
Redezeit darauf verwandt, die FDP doch davon zu über-
zeugen; ich weiß nicht, ob es Ihnen gelungen ist. Frau
Bär hat sehr lange und, wie ich finde, sehr gut zum El-
terngeld gesprochen. Ich wünsche Ihnen sehr gutes Ge-
lingen beim Überzeugen der FDP-Fraktion.
Man muss einfach sagen: Es gibt in dieser Regierungs-
koalition keine Verlässlichkeit für Familien. Das ist ein
riesengroßes Problem.
Das Elterngeld ist aber nur eine Seite der Medaille;
nur mit einem garantierten und auch guten Kitaplatz
wird familienpolitisch ein Schuh daraus. Auch hier ver-
sagt die Regierung; sie steckt weiterhin den Kopf in den
Sand und ist nicht bereit, beim Kitaausbau mehr zu in-
vestieren, wenn absehbar ist – es ist absehbar –, dass ab
2013 mehr Eltern von unter Dreijährigen den Rechtsan-
spruch wahrnehmen werden, als es ursprünglich geplant
war. Die Regierung lässt die Kommunen und auch die
Länder bei der Aufgabe, Kitaplätze zu schaffen, im Re-
gen stehen. Man muss nun wahrlich keine Prophetin
sein, um zu wissen, dass das am Ende zulasten der Kin-
der und Familien geht.
Die Diskussion, die wir über das Betreuungsgeld füh-
ren, ist völlig bizarr. Im Ausschuss gab es unlängst eine
Anhörung zu unserem Gesetzentwurf, der darauf abzielt,
das Betreuungsgeld aus dem Gesetz zu streichen. Diese
Anhörung hat völlig klar gezeigt: Das Betreuungsgeld ist
eine bildungs- und gleichstellungspolitische Katastro-
phe. Es muss stark bezweifelt werden, ob es überhaupt
verfassungskonform umgesetzt werden kann. Zudem
würde es jährlich 2 Milliarden Euro kosten. Dieses Geld
würde in unserem Haushalt wirklich an allen Ecken und
Enden für Kinder und Familien fehlen. Bizarr ist, dass
sich die Koalition einen Dauerstreit um die Abschaffung
des Elterngelds leistet, gleichzeitig aber – zumindest of-
fiziell – am Betreuungsgeld festhält.
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Abschließend: Die Halbzeitbilanz von Schwarz-Gelb
t ein Trauerspiel. Es ist höchst unschön, dass wir es
ventuell noch zwei weitere Jahre erleben müssen.
Ich möchte zum Schluss noch ganz kurz ein Thema
nsprechen, von dem ich glaube, dass es vielen von uns
m Herzen liegt. Das ist die Entschädigung für die
eimkinder. Dieses Thema ist heute Abend noch gar
icht angesprochen worden.
Im Haushaltsentwurf sind die 40 Millionen Euro, die
ir interfraktionell als Entschädigungsleistung für die
eimkinder vereinbart haben, noch gar nicht etatisiert.
ach der unsäglichen Aktion von Schwarz-Gelb im
aushaltsausschuss
üssen wir Fachpolitiker jetzt gemeinsam sehen, dass
as Familienministerium nicht auf den Kosten für diese
ntschädigungen sitzen bleibt. Die Entschädigungen für
ie ehemaligen Heimkinder sind eine gesamtgesell-
chaftliche Aufgabe. Ich glaube, hier sind wir alle einer
einung.
Es kann nicht sein, dass die Heimkinderentschädi-
ung vollständig oder zu einem großen Teil aus dem Etat
eleistet werden soll, mit dem heute die Maßnahmen für
inder und Familien finanziert werden. Ich hoffe auf
ine gemeinsame Aktion, damit wir es hinbekommen,
ass die Heimkinder die Entschädigung bekommen, die
nen zusteht, dass diese jedoch nicht auf Kosten der
eutigen Kinder und Familien geht.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner fürie Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege Erwinüddel. Bitte schön, Kollege Rüddel.
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14712 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damenund Herren! Die Familienpolitik dieser Koalition war er-folgreich, sie ist erfolgreich, und sie wird auch dienächsten zwei Jahre und darüber hinaus erfolgreich blei-ben.
Mit dem Haushalt 2012 und dem Finanzplan bis 2015beweist die christlich-liberale Koalition, dass sie es ernstmeint mit der Einhaltung der Schuldenbremse und miteiner nachhaltigen Haushalts- und Finanzpolitik, die sichihrer Verantwortung für kommende Generationen be-wusst ist. Dank unserer erfolgreichen Wirtschafts- undArbeitsmarktpolitik hat sich der wirtschaftliche Auf-schwung zunehmend positiv auf den Bundeshaushaltausgewirkt. Wir haben eben über Extremismus gespro-chen. Ich denke, Menschen eine Perspektive zu geben,ist das beste Modell gegen Extremismus jeder Art.
Steuermehreinnahmen auf der einen Seite und Fort-schritte auf dem Arbeitsmarkt mit der Folge von Minder-ausgaben auf der anderen Seite helfen uns bei der Kon-solidierung der Staatsfinanzen. Wir sind entschlossen,das strukturelle Defizit bis – ich betone – spätestens2016 auf maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandspro-dukts zu reduzieren. Gleichzeitig stellen wir die Weichenfür eine an Wachstum und Beschäftigung orientiertePolitik.Ich schicke diese Bemerkungen mit Bedacht voraus,denn der Konsolidierungskurs der christlich-liberalenKoalition ist zugleich die beste Familienpolitik im Sinnedes Generationenvertrags.
Gleichwohl ist es uns gelungen, alle wichtigen Projekteim Einzelplan 17 nahezu unverändert fortzuführen undsogar eine Reihe bedeutender neuer Vorhaben zu finan-zieren. Wir beweisen, dass Sparen und Gestalten sichnicht ausschließen. Wir konsolidieren den Haushalt, undwir investieren in die Zukunft unserer Gesellschaft.
Ich erwähne die Initiative „Frühe Chancen“ für diesprachliche Frühförderung in unseren Kitas. Das Ange-bot gilt vor allem für Kinder von Migranten, aber auchfür deutsche Kinder mit Sprachschwierigkeiten. Geradeauf die frühe Förderung kommt es an. Die Sprache istdie Grundlage für den späteren Bildungserfolg und füreine gelungene Integration.Ich erwähne das Elterngeld, das unangetastet bleibt,und die Zuschüsse zur Wohlfahrtspflege, an denen wirebenfalls nicht sparen. Ich erwähne den Aufbau desneuen bundesweiten Hilfetelefons für Gewalt gegenFrauen, für den im Haushalt gut 3 Millionen Euro zurVerfügung stehen. Ich erwähne das Folgeprogramm fürdie Mehrgenerationenhäuser, die sich als Knotenpunktfür bürgerschaftliches Engagement zu einer großen Er-fondMTnw2nsdslebsKghdHFzwDhZföEcHmdHzsriSdteHdwwEmmDswstesreo
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14713
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tive, für die wir der Frau Ministerin sehr dankbar sind,ein Erfolg werden wird.
Das wird nicht alle Probleme bei der Pflege lösen. Esist aber ein Meilenstein auf dem Weg, das große Themader bedarfsgerechten Pflege in einer rasch alternden Ge-sellschaft zu bewältigen. Deshalb fügt sich das Konzeptder Familienpflegezeit in die vielfältigen Vorhaben ein,die wir im Einzelplan 17 ansprechen und mit denen wirdie Familie, die Generationen und das bürgerschaftlicheEngagement in unserer Gesellschaft fördern. Wir sindmit diesem Haushaltsentwurf auf einem guten Weg fürunser Land.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist
für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin
Caren Marks. Bitte schön, Frau Kollegin Marks.
Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meinelieben Kolleginnen und Kollegen! Der Etat des Bundes-ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugendbietet ebenso wie die Etats der anderen Ministerien, dieheute schon beraten wurden, keine Hinweise auf eine zu-kunftsweisende oder gar soziale Politik.Wohin treibt die Politik für Familien? Wohin treibtdie Politik für junge Menschen oder für Seniorinnen undSenioren? Worauf können sich Familien bei dieser Bun-desregierung überhaupt noch verlassen? Wie ernst meintdiese Bundesregierung es mit einer konsequentenGleichstellungspolitik, die diesen Namen verdient hat,Herr Staatssekretär? Wie ernst meint sie es mit einer ei-genständigen Jugendpolitik? Immer deutlicher wird:Diese Bundesregierung gestaltet Gesellschaftspolitiknicht. Nein, sie verwaltet sie allenfalls. Sie haben Fami-lien verunsichert, indem Sie das Elterngeld gekürzt ha-ben. Stimmen aus den Koalitionsfraktionen stellen dasElterngeld sogar immer wieder infrage; das haben wirauch heute des Öfteren gehört. Familien können sich aufdiese schwarz-gelbe Regierung nicht verlassen, wederbeim Elterngeld noch beim Krippenausbau noch beimKinderzuschlag noch beim Unterhaltsvorschuss. Das istPolitik frei nach dem Motto: Was kümmern diese Minis-terin ihre Ankündigungen von gestern?
Die Zuschüsse für Maßnahmen der Familien- undGleichstellungspolitik sowie für Ältere werden mal ebenum 3,4 Millionen Euro gekürzt. Im Kinder- und Jugend-plan werden Mittel zur Förderung der Gleichstellungvon Mädchen und Jungen komplett gestrichen. Maßnah-men der Frauenpolitik – ich denke, das kann man sodeutlich sagen – fristen unter dieser Ministerin einSchattendasein. Demgegenüber wird eine eigenständigeJungen- und Männerpolitik ausgebaut. So sollen zumBeispiel Maßnahmen wie „Generationsdialoge – NeueOrte für Väter und Großväter“ mit fast 1 Million EurogednsdßnhcvsnDlerutus–nRgwbsfüuwzdmwdhMfüprifrK3M
Natürlich sind Initiativen, mit denen beispielsweiseer Männeranteil in Kitas erhöht werden soll, zu begrü-en – das ist gar keine Frage –, doch die Tatsache, dassur wenige Männer in Kitas oder Pflegeberufen arbeiten,at nichts, aber auch rein gar nichts mit einer unzurei-henden Männerpolitik oder gar einer Benachteiligungon Männern zu tun. Männer wählen diese Berufe sehrelten, weil sie erstens schlecht bezahlt und zweitensicht ausreichend gesellschaftlich anerkannt werden.
as sind die Fakten, die Sie, die Ministerin und die Kol-ginnen und Kollegen von der schwarz-gelben Regie-ngskoalition, einfach ignorieren. Sie blenden die struk-relle Benachteiligung von Frauen im Erwerbslebenchlicht und ergreifend aus.
Liebe Rita, du weißt selbst, dass die strukturelle Be-achteiligung von Frauen im Erwerbsleben von deineregierung ausgeblendet wird. Da brauchst du dich jetztar nicht aufzuregen.Frauen verdienen im Durchschnitt etwa ein Vierteleniger als Männer. Das ist hinreichend belegt. Das ha-en wir hier, im Plenum, oft genug miteinander festge-tellt. Warum gibt das Ministerium trotzdem erneut Geldr Studien, Datenerhebungen und Analysen zur Entgelt-ngleichheit aus? Mit Ausnahme der Ministerin habenir, denke ich, kein Erkenntnis-, sondern ein Umset-ungsproblem. Die Bundesregierung muss endlich han-eln, sage ich Ihnen.
Die SPD hat bereits Vorschläge unterbreitet. Sieüssten diese einmal gründlich lesen. Es wäre schön,enn Sie sich unseren Vorschlägen anschließen würden;ann würde es für die Frauen auch wieder bergauf ge-en.
Kommen wir zur Jugendpolitik. Vor Monaten hat dieinisterin ein langes Papier mit der Überschrift „Allianzr die Jugend“ veröffentlicht; das klingt ja klasse. Pa-ier ist allerdings bekanntlich geduldig. Das Ministe-um beschreibt sich darin als „Anwalt der Jugend“. Ichage Sie: Wie glaubwürdig ist das Ministerium, Herrues, wenn es im Kinder- und Jugendplan mehr alsMillionen Euro zur Förderung von Jugendlichen mitigrationshintergrund, mit Benachteiligungen und mit
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Caren Marks
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Behinderungen kürzt? So sieht für mich kein „Anwaltder Jugend“ aus, und so erreichen wir keine Allianz fürdie Jugend in unserem Land.
Ganz aktuell hat die Nationale Armutskonferenz an-gemahnt, dass wir dringend die Förderung von Kindernmit Migrationshintergrund verbessern müssen. Stattdes-sen kürzen sowohl Frau Schröder als auch ihre KolleginFrau von der Leyen drastisch Mittel, die im Kampf so-wohl gegen Bildungsarmut als auch gegen Perspektivlo-sigkeit dringend gebraucht werden.Bei der politischen Bildung, Herr Staatssekretär, be-dienen Sie sich wirklich Taschenspielertricks. Wenn wirdiesen Bereich im gesamten Haushalt gründlich betrach-ten, stellen wir fest, dass die Mittel unter dem Strich ge-kürzt werden. Vielleicht haben Sie gedacht, dass wir esnicht merken. In Ihrer Koalition ist es vielleicht durchge-gangen, aber wir haben es gemerkt.Auch bei der Bekämpfung von Rechtsextremismussetzen Sie erneut den Rotstift an. Macht nicht auch derWiedereinzug der NPD in den Landtag von Mecklen-burg-Vorpommern deutlich, dass wir alle gemeinsam indiesem Hohen Hause nicht weniger, sondern mehr Enga-gement für politische Bildung und mehr Engagement ge-gen Rechtsextremismus in unserem Land brauchen?
Wie sieht es bei dem Thema „Vereinbarkeit vonPflege und Beruf“ aus? Richtig ist, wir brauchen mehrAngebote für Menschen, die sich um pflege- und hilfs-bedürftige Angehörige kümmern. Doch das sogenannteFamilienpflegezeitgesetz geht ganz klar, und zwar in je-dem Punkt – das werden wir bei der Anhörung, denkeich, mehr als deutlich hören –, an der Lebenswirklichkeitder allermeisten Menschen vorbei. Es enthält keine ge-schlechtergerechten Ansätze und es fehlen jeglicheRechtsansprüche. Stattdessen enthält es nur eine privatePflichtversicherung und – das ist mehr als interessant –einen Bußgeldkatalog für pflegende Angehörige. Sodroht eine Geldbuße bis zu 1 000 Euro, wenn Ände-rungsmitteilungen nicht rechtzeitig oder nicht vollstän-dig an die Behörde weitergegeben werden.
Ich frage Sie: Was wollen Sie Angehörigen, die ohnehinschon einen großen Spagat zwischen Berufsleben undPflege zu meistern haben, eigentlich zumuten? Ichdenke, über diesen Punkt werden wir noch ausreichendzu reden haben. Das ist alles andere als hinnehmbar.
Im Gegensatz zu Ihnen, meine lieben Kolleginnenund Kollegen von Union und FDP, haben wir AntwortenfüDntrfüBBMNmgwgSafüA4dfrGwliswWksihWsdenKszb
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster spricht
r die Fraktion der FDP unser Kollege Florian
ernschneider. Bitte schön, Kollege Florian
ernschneider.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bilder undachrichten, die uns in den letzten Wochen in der parla-entarischen Sommerpause erreicht haben, machen,laube ich, die große Herausforderung deutlich, vor derir heute stehen, wenn wir über die Ausgaben für Ju-endliche in unserem Land beraten. Die Aufstände inpanien und in England zeigen uns, dass wir uns einesuf keinen Fall leisten dürfen, nämlich an den Chancenr Jugendliche zu sparen. Deswegen sind die deutlichenufwüchse im Bereich der Jugendpolitik und allein die4 Millionen Euro mehr für die Jugendfreiwilligen-ienste ein gutes Zeichen und Beweis für unsere jugend-eundliche Politik.
leichermaßen waren diese Bilder auch Beweis, dassir genau den richtigen Weg eingeschlagen haben, näm-ch gemeinsam mit den Akteuren vor Ort eine eigen-tändige Jugendpolitik mit Leben zu füllen. Auch dafürurden Mittel in diesen Haushalt eingestellt.
Die aktuelle Diskussion über die Stabilität unsererährung zeigt, dass es nicht nur darum geht, in die Zu-unftschancen von jungen Menschen zu investieren,ondern vor allem darum, zu verhindern, dass Schuldennen von vornherein den Weg verbauen.
enn man sich diesen Haushaltsentwurf anschaut, dannieht man, glaube ich, dass wir bewiesen haben, dass wiriesen Herausforderungen gerecht geworden sind, dasss uns gelungen ist, Einsparungen dort zu leisten, wo sieicht auf Kosten Jugendlicher gehen.Ich will die Kürzungen von 1,8 Millionen Euro iminder- und Jugendplan gar nicht wegreden. Aber ichage auch: Sie sind im Vergleich zu den Aufwüchsenum Beispiel bei den Jugendfreiwilligendiensten vertret-ar. Vor allem muss man auch sagen: Wir haben unser
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14715
Florian Bernschneider
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Versprechen an die im Rahmen des Kinder- und Jugend-planes handelnden Akteure gehalten, keine Strukturenkaputtzusparen und die gute Arbeit vor Ort nicht zu ge-fährden, sondern da zu sparen, wo es möglich ist. DieBeispiele zeigen, dass das gelungen ist.Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen, dass nicht nurdie Entwicklungen in Spanien und England in unserempolitischen Handeln Niederschlag finden müssen, son-dern auch die schrecklichen Wahlergebnisse der NPDvom vergangenen Wochenende in Mecklenburg-Vor-pommern. Ich sage übrigens: Auch die schrecklichenBilder aus Oslo, die wir in der Sommerpause sehenmussten, sollten uns als Jugendpolitiker Anlass zur Dis-kussion geben. Wir alle müssen mit den Programmen ge-gen Rechtsextremismus verantwortlich umgehen.
Was Sie machen, ist nicht verantwortlich. Sie sugge-rieren schon wieder, wir würden bei diesen Programmenkürzen.
Wir sparen bei der Verwaltung der Programme, wir spa-ren nicht 1 Cent bei der Umsetzung vor Ort. Ich kannIhre Aufregung, ehrlich gesagt, gar nicht verstehen.Auch zu rot-grünen Zeiten war die NPD in manchenLandtagen der Bundesrepublik. Auch zu rot-grünen Zei-ten gab es rechtsextreme Straftaten,
übrigens nicht viel weniger als heute.
Zu schwarz-gelben Zeiten investieren wir immer nochdoppelt so viel in die Prävention von Rechtsextremismuswie Sie damals.
Deswegen kann ich Ihre Aufregung nicht verstehen.
Ich kann, ehrlich gesagt, auch Ihre Kritik am Bundes-freiwilligendienst nicht verstehen. Es ist völlig klar, dasses bei einem so großen Projekt immer zu Problemen beider Umsetzung kommt. Keinen ärgert es mehr als mich,dass wir zu lange gebraucht haben, um auch den Kinder-geldanspruch umzusetzen. Aber das alles ändert nichtsdaran, dass wir als erste Koalition den Mut aufgebrachthaben, auf einen Pflichtdienst zu verzichten und stattdes-sen auf die Kraft von Freiwilligkeit zu setzen.
Auch wenn Sie nach wie vor hoffen und sich wün-schen, dass der Bundesfreiwilligendienst erfolglosbleibt: Die Bürger haben sich längst anders entschieden.DvWriinCMKLfidLfutüBtäisWtebgKmAsavusassd
uf den ersten Blick mag es scheinen, als sei hieran anich nichts auszusetzen. Wenn man allerdings hört, dasslle Posten in diesem Verein mit engsten Mitarbeiternon Frau Lötzsch besetzt sind
nd Frau Lötzsch nicht nur Vorsitzende des Vereins ist,ondern auch die Telefonnummer ihres Wahlkreisbüros
ls Kontaktadresse des Vereins angegeben ist,
o hat das nicht nur einen bitteren Beigeschmack,
ondern hört sich in meinen Ohren nach einer extremreisten Form von Selbstbedienungsmentalität in Bezug
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14716 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011
Andreas Mattfeldt
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auf den Titel „Maßnahmen zur Extremismusbekämp-fung“ an.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus
der Fraktion Die Linke, vom Kollegen Bockhahn?
Sehr gerne.
Sehr geehrter Herr Kollege Mattfeldt, ist Ihnen be-
kannt, dass die Junge Union im letzten Jahr im Rahmen
von Titeln aus diesem Programm Jugendbelustigungs-
fahrten nach Berlin machen wollte,
und können Sie sich erinnern, dass Sie damals kein Pro-
blem damit hatten?
Ohne das gleichsetzen zu wollen: Ist Ihnen etwas zu der
inhaltlichen Arbeit dieses Vereins bekannt? Dies ist
nämlich ein deutlicher Unterschied, was das Niveau die-
ser beiden Geschichten betrifft: Das eine war eine Spaß-
fahrt einer parteilichen Jugendorganisation, und das an-
dere ist ein Verein, in dem sich ehrenamtlich tatsächlich
auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gesine
Lötzsch engagieren.
Herr Bockhahn, wir haben im letzten Jahr intensivüber diesen einen Titel sowie über die Junge Union Köln– nicht die Junge Union im Allgemeinen – gesprochen.
Das Ganze ist damit ausgeräumt worden. Wir habendeutlich gemacht, dass auch das nicht hinnehmbar ist.Das hat die Junge Union akzeptiert, was ich in IhremFall allerdings nicht sehe.Wir haben hier keinerlei Selbstkritik von FrauLötzsch gehört. Ich könnte weitere Punkte nennen, zumBeispiel „Rechtshilfetipps bei Demos, Übergriffen undStrafverfolgung“ von Bon Courage e. V.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir werden uns alleProgramme, die aus dem Extremismustitel finanziertwerden, anschauen und prüfen, wer sich daraus bedientusdvssaMsgwsvsKHJmElinsInlivwmwebSWz1uSherulonhm
ondern Extremismus in jeder Form intensiv bekämpfen.
Mit ihrem Verhalten hat Frau Lötzsch nicht nur sichelbst einen Bärendienst erwiesen, sondern auch allennderen, die Geld aus diesem Titel erhalten. Wie sagteark Twain so schön: Der Jammer mit den Weltverbes-erern ist, dass sie nicht bei sich selber anfangen. – Dasilt für Sie ganz besonders.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei,ährend Sie Ihr Hauptaugenmerk darauf legen, wie Sieich gegenseitig Geld zuschustern können, machen wiron der Regierungskoalition Politik, die bei den Men-chen ankommt.
ristina Schröder und ihr Haus haben einen sehr gutenaushaltsentwurf vorgelegt. Sie möchte im nächstenahr 6,48 Milliarden Euro für Kinder, Jugendliche, Fa-ilien und Senioren ausgeben. Das sind 9,27 Millionenuro mehr als im laufenden Jahr.Sie führt zum Beispiel für die Bundesinitiative Fami-enhebammen einen neuen Titel ein, für den 30 Millio-en Euro bereitgestellt werden. Diese im noch zu verab-chiedenden Bundeskinderschutzgesetz vorgeseheneitiative soll den Aus- und Aufbau der Arbeit der Fami-enhebammen so stärken, dass wir gefährdete Kinderon Beginn an besser schützen können. Dabei wollenir sowohl bestehende Aktivitäten zu Familienhebam-en als auch die Erprobung neuer Modelle fördern.Es gilt aber nicht nur, die Kinder zu schützen, sondernir wollen den Kindern gleiche Startchancen ins Lebenrmöglichen. Um das zu erreichen, hat Kristina Schröderereits in diesem Jahr die Qualifizierungsoffensive zurprachförderung im Kindergarten erfolgreich gestartet.ährend 2011 immerhin schon 82 Millionen Euro dafürur Verfügung gestellt wurden, werden es 2012 sogar02 Millionen Euro sein, die in frühkindliche Bildungnd in die Bildung benachteiligter Schülerinnen undchüler investiert werden.
Ich freue mich sehr, dass in meinem Wahlkreis na-ezu Vollbeschäftigung herrscht. Mit Stolz sage ich, dasss der christlich-liberalen Koalition durch die Verbesse-ng der Rahmenbedingungen gelungen ist, die Arbeits-senzahlen derart in den Keller zu drücken, dass wiricht nur insgesamt weniger als 3 Millionen Arbeitsloseaben, sondern dass in vielen Teilen unseres Landesittlerweile Vollbeschäftigung erreicht wurde.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 124. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. September 2011 14717
Andreas Mattfeldt
(C)
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Das führt allerdings auch dazu, dass wir die wenigenjungen Menschen gut qualifizieren müssen, damit wirdem Fachkräftemangel nicht nur durch Zuwanderungbegegnen können. Bildung ist der beste Weg zu einemguten Beruf und damit zur Bekämpfung von Armut.
Während Sie, meine verehlegen von der Opposition, sicschäftigen, den Titel für Extrzustocken, und sich gleichzeArmen aufspielen, legt MiniProgramm den Grundstein daerst entstehen kann. Das nenn
ald:on deutlich, dass er derlle ich fest, dass es keine gibt. Es wird sich wohlfons „Gewalt gegen Frauen“ bereitgestellt. Dieses Tele-fon wird rund um die Uhr erreichbar sein: mehrsprachig,anonym und barrierefrei. Gewaltopfer sollen so frühest-möglich beraten und dorthin gelotst werden, wo sie Hilfebekommen. Ende 2012 soll diese Nummer freigeschaltetwerden. Dafür werden wir in diesem Jahr 3,1 MillionenEuro und in den kommenden Jahren 6 Millionen Euro zurVerfügung stellen.Auch dieses Mal werden wir – hier spreche ich alsHaushälter aus tiefster Seele – in den parlamentarischenBeratungen jeden einzelnen Ausgabeposten auf denod9Berichtig123. Sitzung, Seite 14523dritte Satz ist wie folgt zu lesedes Hauses wurde daraufhin suns noch um die Trinkwasservund um die Betreuung von Flüclästina kümmern.“(D
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-rdnung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-estages auf morgen, Freitag, den 9. September 2011,Uhr, ein.Damit ist die Sitzung geschlossen.Ich wünsche allen eine gute Nacht.