Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 183. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Reimann und Glüsing. Der Abgeordnete Wartner sucht ab 9. Januar 1952 für drei Tage um Urlaub nach.
Sie haben die Entschuldigungen zur Kenntnis genommen.
Meine- Damen und Herren, ich darf eine gestern übersehene Mitteilung nachholen. Der Abgeord-
nete Dr. Fink hat mir mitgeteilt, daß er mit Wirkung vom 5. Januar aus der Fraktion der Föderalistischen Union ausgetreten ist und sich der Fraktion der CDU/CSU als Mitglied angeschlossen hat.
— Meine Damen und Herren, ich schlage vor, daß wir die Auseinandersetzungen dieser Art nicht im Plenum vornehmen.
Wir fahren fort in der
Zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die
Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951. (Erste Beratung: 161. Sitzung; zweite Beratung: 182. Sitzung),
und in der
Ersten und zweiten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der Föderalistischen Union eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl .
Das Wort hat zunächst der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Herr Professor Hallstein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, ehe die Diskussion ihren Fortgang nimmt, ein paar Bemerkungen teils methodischer, teils materieller Art, ausgehend von dem gegenwärtigen Stand der Aussprache. Die Bundesregierung teilt, wie Sie wissen, die Auffassung, daß es die vornehmste Aufgabe dieser Debatte ist, ein vollständiges Bild dessen zu geben, worüber dieses Hohe Haus aus Anlaß der Vorlage der Bundesregierung zu entscheiden hat. Nun besteht natürlich die Gefahr, daß die Akzente im Laufe der Debatte ein wenig verrutschen, daß die Herausnahme von Teilproblemen aus dem Gesamtzusammenhang zu einer schiefen Beleuchtung des einen oder anderen Punktes führt.
Es ist meine Absicht, die Einzelprobleme wieder stärker in den Gesamtzusammenhang zurückzuführen.Ich knüpfe an die Beweisführung an, die gestern unter Bezugnahme auf einige Auszüge aus den Verhandlungen der französischen Nationalversammlung teilweise vorgenommen worden ist. Ich darf zunächst darauf aufmerksam machen, daß es sich bei diesen Auszügen um sehr knappe Zitate aus einer sehr umfangreichen, sich über Tage erstreckenden Verhandlung handelt, um eine Sammlung von einigen Dutzend Sätzen. Es ist schon gesagt worden — aber ich möchte es doch wiederholen —, daß es nicht schwierig wäre, dieser Sammlung von Zitaten eine Gegensammlung
von Argumentationen gegenüberzustellen, die zum Teil auf das, was hier herausgelöst worden ist, die Antwort bildet. Ich glaube nicht, daß es richtig wäre, so zu verfahren.
Ich möchte nur um das eine bitten, man möge, wenn man es täte — in der Absicht etwa, diese Bemerkungen in ihrem Zusammenhang und nicht aus dem Zusammenhang gelöst vorzuführen —, uns dann nicht entgegenhalten, daß es sich im einen Falle um Argumente von Regierungsvertretern, im andern Falle um Argumente von Parlamentariern handelt, die nicht Regierungsvertreter sind. Wenn man so verfährt, würde ich freundlichst darum bitten, eine so differenzierte Bewertung von Argumenten auch auf die Argumente der Regierung anzuwenden,
um eine diskriminierende Behandlung der Bundesregierung in diesem Falle auszuschließen.Was ich sagen will, ist etwas anderes. Ich möchte vermeiden, daß der Eindruck entsteht, der Auszug, der hier gegeben worden ist, könnte ein typisches Bild der Gesamthaltung der französischen Nationalversammlung vermitteln. Ich denke, es ist nur fair, zu sagen, daß die Zitate, die hier gebracht worden sind, durch eine Fülle weiterer Zitate ergänzt werden können, die doch auch eine achtunggebietende Höhe des europäischen Standpunkts erreichen und eine wirkliche Größe in der Auffassung des Problems zeigen, vor dem wir stehen. Ich meine, es ist notwendig, das zur Steuer der Wahrheit hier anzuführen.Aber natürlich bleiben diese Zitate; wir haben uns mit ihnen auseinanderzusetzen, und ich habe auch gar nicht die Absicht, sie etwa zu beschönigen. Ich habe gar nicht die Absicht, zu sagen, daß sie in einer bestimmten taktischen Situation verwendet worden sind, in einem Augenblick, in dem namentlich von seiten der französischen Industrie auf die Haltung der französischen Regierung sehr scharfe Angriffe geführt worden sind, deren Grundtenor der gewesen ist, daß es sich bei dem gesamten Werk um eine Angelegenheit handle, die der französischen Industrie zum Nachteil gereiche. Und ich will auch nicht etwa eine gewisse polemische Marge in Anspruch nehmen. Sondern ich bin durchaus bereit, diese Argumente so zu nehmen, wie sie stehen.Was bedeuten sie? Sie bedeuten, ,daß die Inkraftsetzung dieses Werkes auch für die französische Wirtschaft einen Vorteil bedeutet. Nun, ich glaube nicht, daß es unzulässig ist, ein solches Argument zu verwenden, und ich glaube, es' ist nicht richtig, wenn man von einer wie ein Axiom zugrunde gelegten Vorstellung ausgeht, daß jeder Vorteil für die französische Wirtschaft, der hier behauptet wird, ein Nachteil für die deutsche Wirtschaft sein müsse.Worum geht es denn bei diesem ganzen Werk? Es ist in der Debatte wiederholt darauf hingewiesen worden, daß sein eigentlicher Sinn darin besteht, eine Expansion der Produktion und der Produktivität herbeizuführen. Das heißt, wir erwarten von der Inkraftsetzung dieses Werkes die Herstellung einer großräumigen Wirtschaftspolitik; für die uns immer wieder das Muster der Wirtschaftspolitik der Vereinigten Staaten von Nordamerika vorschwebt, eine vernünftige Arbeitsteilung und die Ermöglichung eines Arbeitsprozesses, wie ihn die moderne Massenproduktion fordert. Wir sind überzeugt davon, daß das möglich ist. Wir sind überzeugt davon, daß genügend Leistungsreserven in Europa vorhanden sind und daß es durchaus dem Genius der europäischen Völ-
ker, dem Fleiß seiner Arbeiter und auch seinen politischen Energien gelingen wird, zu erreichen, was den Amerikanern gelungen ist. Das ist der Vorteil, der aus diesem Werk entsteht. Dieser Vorteil ist ein gemeinsamer Vorteil, alle haben an ihm teil.Noch ein anderes! Argumentieren wir nicht selber mit dem Vorteilargument, ist es nicht eine der wichtigsten Überlegungen, die unsere Vorstellungen und unser Urteil motivieren, wenn wir sagen, daß die Inkraftsetzung dieses Werkes für uns ein Gewinn ist? Wir tun das in einem doppelten Sinn. Einmal, indem wir sagen, daß es das vorzüglichste Mittel ist, die Fesselungen loszuwerden, die uns noch bedrücken. Wir sind mit unseren Kritikern doch darin einig, daß diese Fesselungen unzulässig, daß sie anstößig, daß sie erniedrigend für ein freies Volk sind. Aber das Gefühl gekränkten Rechtes kann uns doch nicht dafür entschädigen, daß sie in einem großen Umfang noch bestehen. Sie loszuwerden, das ist doch in der _Welt der Wirklichkeit der Gewinn, den wir von diesem Werk erwarten. Oder ist es nicht ein Vorteil, einen Prozeß zu gewinnen und die tatsächliche Lage in Einklang zu setzen mit der eigenen Vorstellung von dem, was rechtens ist? Nehmen wir das Zeitmoment hinzu, nehmen wir hinzu, daß es in einer Welt, in der die Zeit soviel bedeutet, auch darauf ankommt, wirtschaftlich und politisch früh genug in den Zustand der Normalität zurückversetzt zu werden, so ist das doch ein Gewinn.Aber selbst wenn ich das beiseite lasse: Ist nicht ein wesentliches Stück unserer Überlegungen bestimmt von den Erwartungen der Vorteile, die künftig die Inkraftsetzung dieser Montanunion uns bringen wird? Sind wir von der Güte dieses Werkes nicht auch deshalb überzeugt, weil es uns in den Stand setzen wird, unsere Kohlenproduktion zu steigern, zur Finanzierung von Arbeiterwohnungen zu gelangen, neue Märkte für unsere Stahlproduktion zu gewinnen, die Situation unserer weiterverarbeitenden Industrie zu verbessern? Was ich sagen will, ist, daß das Argumentieren mit dem Vorteil eine durchaus legitime Argumentation ist.
Um noch einmal auf die Zitate zurückzukommen: ich glaube, es ließe sich manches auch aus der bisherigen Geschichte der Ratifikationsarbeiten an diesem Werk in anderen Ländern dafür anführen, daß man durchaus ein guter Europäer und zugleich ein guter Patriot sein kann.
Damit ist der Einwand, der gegen uns erhoben worden ist, natürlich nicht erschöpft, sondern ein Teil davon läuft darauf hinaus, daß der Vorteil der anderen Länder — und hier ist vornehmlich immer an Frankreich gedacht — ein Vorteil sei, der auf unsere Kosten gehe. Nun, ich glaube, um dieses Argument zu würdigen, müssen wir uns doch die Art dieser Vorteile und die Art der von uns angeblich zu erleidenden Nachteile etwas genauer ansehen. Es sind zwei Hauptanwendungsfälle, wenn ich die Deduktion, die namentlich von der Opposition vorgebracht worden ist, richtig verstehe. Es ist einmal+ das Argument, daß die Entflechtungen ein solcher Nachteil seien, und das andere, daß die Regelung, die für die Mangellage getroffen worden sei, auf eine ungebührliche Benachteiligung des -deutschen Partners in der Montan-Union hinauslaufe.Ehe ich auf diese beiden Anwendungsfälle eingehe, erlauben Sie mir eine allgemeine Bemerkung vorweg. Wir sind bei den Arbeiten zur Herstellung konkreter europäischer Verfassungselemente — denn um nicht weniger handelt es sich im vorliegenden Fall — an einem Punkt angelangt, in dem es nicht mehr genügt, sich in allgemeinen Beteuerungen seine Übereinstimmung über die Wertschätzung des europäischen Gedankens zu versichern. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo es gilt, die Flagge zu zeigen, die Konsequenzen aus allgemeinen Aussagen zu ziehen, sie anzuwenden.
Eine dieser Konsequenzen ist nun ganz sicher die — vielleicht darf ich sie im Stile einer gedachten europäischen Verfassung formulieren alle Europäer sind vor dem Gesetze gleich, vor dem europäischen Gesetze.
Es ist doch nichts anderes als die Anwendung dieses Satzes, wenn wir einen gemeinsamen Markt schaffen, der hauptsächlich die Bedeutung hat, daß alle Konsumenten gleichen Zugang zur Produktion an allen Stätten dieses Raumes haben. Neben dem technischen Wert des gemeinsamen Marktes, nämlich daß er eine Arbeitsteilung in einer großräumigen Wirtschaft zuläßt, so wie ich, das vorhin schon skizziert habe, ist das doch der — so möchte ich beinahe sagen — moralische Aspekt des gemeinsamen Marktes. Ich muß doch fragen: Was bedeutet denn Europa noch, was bedeutet denn die Beteuerung noch, daß man bereit sei, eine europäische Lösung, eine europäische Verfassung herbeizuführen, wenn sie nicht die Gleichbehandlung aller Europäer in europäischen Zusammenhängen bedeutet!
Wenn man das nicht tut, entleert man doch diese ganze Aussage ihres konkreten und realen Inhalts, und es bleibt nichts anderes als eine Erbauungsrede für die Feiertage übrig.
Wenn wir nicht dahin kommen, daß die Not der Europäer an irgendeiner Stelle dieses großen Raumes eine gemeinsame Not ist und als solche empfunden, behandelt , und auch rechtlich, geregelt wird und ebenso ihre Beseitigung als gemeinsamer Gewinn aufgefaßt wird, dann haben wir nichts getan.
Natürlich hat das bestimmte Konsequenzen, auch in organisatorischer Hinsicht, die Einrichtung bestimmter Organe, und ganz unabweisbar fordert es — oder ich, bitte mich zu widerlegen — auch Organisationen, in denen es dem einzelnen Staat passieren kann, daß er einmal überstimmt wird.
Wenn wir das nicht wollen — wir müssen das, was wir für uns in. Anspruch nehmen, natürlich auch den anderen Mitgliedern zugestehen —, dann erreichen wir über den gegenwärtigen Zustand hinaus überhaupt nichts, dann belassen wir es bei dem, was wir im Augenblick haben.
Nun sind es zwei Anwendungsfälle, in denen unsere Kritiker glauben, daß eine besondere und anstößige Benachteiligung Deutschlands zum Vorteil anderer eintrete. Das eine ist der Komplex der
Entflechtungslösungen, das andere ist die Behandlung der Mangellage.Was ist denn der Sinn der Entflechtungslösungen, die im Schumanplan enthalten sind? Er läßt sich in eine sehr einfache Formel zusammenfassen. Aller Gewinn, der von der Zusammenfassung der europäischen Produktion, von der Herstellung des großen Konsumtionsraumes von 155 Millionen Menschen erwartet wird, soll eben diesen Konsumenten, d. h. den Völkern und darunter den Arbeitnehmerschaften, aber nicht den Nutznießern monopolistisch arbeitender Organisationen zugute kommen. Das ist der einfache Grundgedanke der beiden Artikel, die sich gegen die Konzerne und die Kartelle wenden. Nun sagt man: bei der Durchführung dieses Gedankens leiden wir Schaden, denn die Entflechtung ist bei uns nach anderen Grundsätzen durchgeführt, als sie jemals für andere Mitgliedstaaten in Aussicht genommen worden sind. Erlauben Sie mir, darauf zwei Dinge zu antworten. Die Entflechtungslösungen bei uns, auch die auf Grund des Gesetzes Nr. 27, würden anders aussehen, wenn es gelungen wäre, nachzuweisen, daß in der Tat diese Lösungen zu diskriminierenden Ergebnissen namentlich gegenüber der Konzernlage in Frankreich oder in Belgien führen. Dieser Nachweis, ich muß das sagen, ist uns nicht gelungen.
Dennoch kann diese Behauptung richtig sein. Nun, dann greift die Bestimmung ein, auf die ich bereits in den Ausschüssen hingewiesen habe, die uns die Möglichkeit der Korrektur der auf Grund des Gesetzes Nr. 27 durchgeführten Lösungen gibt. Es ist unrichtig, zu behaupten, daß das Gesetz Nr. 27 und die Geltungskraft der Lösungen, die auf Grund dieses Gesetzes erreicht ist, stärker als der Schumanplan seien. Es ist auch unrichtig, daß ein Regierungsabkommen vorliege, das etwas Gegenteiliges besagè.
Die Wahrheit ist, daß wir im Art. 66 Ziffer 2 Abs. 2 eine ausdrückliche Vorschrift durchgesetzt haben, die es uns erlaubt, bis zu dem Stande nachzurücken, der jede diskriminatorische Behandlung der deutschen Unternehmungen, gerade in der Frage der entflochtenen, ausschließt.
Zum zweiten Fall, der Mangellage: Ich glaube, man macht es sich bei der Argumentation etwas zu leicht, Wenn man sagt, das Normale ist das Anomale; eine Absatzkrise haben wir im Augenblick nicht, also bleibt die Mangellage; sehen wir uns daher das Funktionieren des Schumanplans vornehmlich bei einer solchen Mangellage an! Eine solche Art von Räsonnement wäre ja doch nur dann richtig, wenn hinzugefügt werden könnte, daß diese Mangellage während der ganzen Vertragsdauer anhalten wird. Es sind drei Dinge, die ich gegen diese Art von Argumentation vorbringen möchte. Einmal, ich kann das nicht nachdrücklich genug betonen: Der Sinn dieses Vertrags ist ja nicht — und das ist durch die Formel, daß es sich nicht um ein statisches, sondern um ein dynamisches Werk handle, auch in der Debatte in diesem Hohen Hause wiederholt zum Ausdruck gekommen —, die vorhandene Armut zu verteilen, sondern der Sinn dieses Vertrags ist, diese Armut in Reichtum zu verwandeln.
Die Bodenschätze sind doch da, und es bedarf nur der Anstrengungen, die notwendig sind, sie in Produktion zu verwandeln, um in ihren Genuß zu gelangen.
Der Vertrag will ja doch nicht auf der Basis dieser vorhandenen Mangellage eine Regelung einfrieren lassen, die nur an eine Verteilung des bißchen, das vorhanden ist, denkt, sondern er will diese Mangellage verhindern, will sie beseitigen.
Dazu kommt ein anderes, das in der Debatte bisher nicht ausgesprochen worden ist. Unter den beiden Krisensituationen — Mangellage und Absatzkrise — ist nach allen bisherigen Erfahrungen die Mangellage doch der seltenere Fall. Alle Sachverständigen haben uns das bestätigt. Ich muß doch fragen: Wenn man angesichts der Möglichkeit einer Zuteilung deutscher Kohle an fremde Volkswirtschaften, insbesondere an die französische, in Klage ausbricht — was will man denn eigentlich? Wogegen wendet man sich? Will man denn diese Kohle behalten? Natürlich ist es richtig, daß es eine ganze Anzahl von Ländern gibt, die unsere Kohle kaufen wollen. Aber ist es denn nicht minder richtig, daß wir sie verkaufen wollen? Und in dem Fall der Absatzkrise wird dieses Bedürfnis doch evident. Für diesen Fall gibt uns aber der Vertrag die Chance, daß, wenn es als Folge der Absatzkrise überhaupt zu einer Drosselung der Produktion kommt, diese Drosselung gleichmäßig vorgenommen wird, während ohne Vertrag die deutsche Kohle importierenden Länder selbstverständlich zunächst die Importe aus Deutschland drosseln würden. So stellt sich die Frage doch folgendermaßen dar: Ist die Tatsache, daß wir an unserer eigenen Kohleproduktion ausländische Volkswirtschaften teilnehmen lassen, und zwar, weil wir mit der europäischen Idee Ernst machen, in derselben Weise teilnehmen lassen wie unsere eigene Volkswirtschaft, nicht durch den Umstand aufgewogen, daß wir umgekehrt, im Fall der Kohlenschwemme, den entsprechenden Anspruch auf Rücksichtnahme der anderen Volkswirtschaften auf uns haben?
Nur diese Frage möchte ich hier stellen.
Damit, meine Damen .und Herren, bin ich am Ende.
Ich darf das, was ich hatte sagen wollen, in zwei Bemerkungen zusammenfassen. Es ist möglich, wenn wir von dem, was als eine angebliche stark nationalegoistische Tendenz aus der französischen Nationalversammlung zitiert worden ist, die Argumente abziehen, auf die ich soeben zu antworten versucht habe, daß dann immer noch einiges übrigbleibt, was uns anstößig erscheint. Ich will das gar nicht leugnen; aber ich will hinzufügen, daß Argumente solcher Art nicht unbemerkt geblieben sind, auch in der französischen Nationalversammlung selbst. Ich darf doch daran erinnern, daß, als an einer Stelle in einer besonders drastischen Weise alte Ressentiments gegen uns aufgerufen wurden, die alte Erbfeindlegende wieder auflebte, kein anderer als der französische Ministerpräsident selbst es gewesen ist, der aufstand und dem Redner, und zwar unter dem Beifall des ganzen Hauses, geantwortet hat: Wollen Sie denn,
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Deutscher Bundestag — 189. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Januar 1952 7655
daß alle diese Menschen gestorben sind, damit allés noch einmal von vorne anfängt?
Das zweite, was ich abschließend sagen will, ist dies: Natürlich ist es eine solide Basis dauernden Zusammenlebens, wenn eine Gemeinsamkeit von Interessen besteht; und ich glaube, eine Gemeinsamkeit von Interessen ist im vorliegenden Fall vorhanden,' eine Gemeinsamkeit, die eben darauf gegründet ist, daß uns nur die gemeinsame Anstrengung in den Stand setzen wird, jene Steigerung der Produktion und jene Expansion des Marktes zu erreichen, die unser Ziel sind. Wenn wir die Zäune zwischen den Schrebergärten, aus denen sich der Wirtschaftsraum des kontinentalen Europas gegenwärtig zusammensetzt, nicht niederlegen, werden wir keinen Fortschritt erzielen.
Nehmen wir — ich will gar nicht pathetisch werden — noch ein klein wenig Anstand im Verhältnis der einzelnen Völker zueinander hinzu, dann ist uns um' die realen Möglichkeiten der Gestaltung der europäischen Zukunft nicht bange.
Meine Damen und Herren, nach dieser Erklärung des Herrn Staatssekretärs setzen wir die Besprechung fort. Es steht zwar auch in der neuen Geschäftsordnung, daß die normale Redezeit eine Stunde ist; aber ich würde Ihnen vorschlagen, daß wir doch ohne eine Beschlußfassung versuchen, im Rahmen dieser zeitlich nicht begrenzten Debatte möglichst mit 30 Minuten pro Redner auszukommen.
Im übrigen besteht, wie ich hoffe, die gemeinsame Überzeugung, daß wir versuchen wollen, heute mit der zweiten Beratung zu Ende zu kommen.
Vielleicht sind alle Redner in der Lage, sich von vornherein darauf einzustellen, daß dieses Ziel auch erreicht werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Imig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der -Erwähnung des Schumanplans, des jetzigen Planes für die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, ist über kein Problem so ausgiebig geredet und verhandelt worden wie über das Bestehen oder Nichtbestehen des Deutschen Kohlenverkaufs. Was sich hier getan hat an Bildungen .von Kommissionen mit Unterausschüssen, an Verhandlungen, an Beschlußfassungen, das hat kein anderes Problem des Schumanplans erfahren. Aber wir stehen vor der Tatsache, daß dieses Problem heute immer noch nicht gelöst ist. Ich möchte hier gerade Herrn Dr. Henle ansprechen, der von der Kulanz des Kaufmanns gesprochen hat. Herr Dr. Henle, hier wäre eine Gelegenheit gewesen, diesen „kulanten Kaufmann" in seinem Gebaren zu zeigen. Ich stimme mit Ihnen vollständig überein, wenn Sie sagen: ,Wenn man schon einmal ein- Geschäft machen will, dann muß man auch etwas hineinstecken, um das, was man haben will, herausholen zu können. Das ist mit einem gewissen Risiko verbunden. Abo, ich stimme mit Ihnen in dieser Betrachtungsweise vollständig überein. Aber, Herr Dr. Henle, wenn diese Kulanz nur von einer Seite verlangt wird, dann grenzt sie manchmal an Dummheit. Und, Herr Dr. Henle, bei aller Kulanz — —
— Ach, Herr Etzel, sehen Sie mal, Sie sind immer im Irrtum. 'Sie haben gestern schon mal von einer kriegsstarken Gruppe von Infanterie gesprochen.
Ich darf Ihnen sagen: ich war beim Luftschutz, ich war gar nicht bei der Infanterie,
und mein Fraktionsfreund Henßler war anderweitig verhindert, der konnte auch nicht eingezogen werden. Also wir sind doch gar nicht von der Infanterie, wir sind gar nicht so blutrünstig.
Also, Herr Henle, hier war das geeignete Feld! Aber eben bei aller Kulanz, die Sie zeigen, werden auch Sie nicht über »das zulässige Maß hinausgehen! Darauf kommt es letzten Endes doch an. Ich will sogar noch über das hinausgehen, was Sie selbst argumentiert haben. Ich könnte mir vorstellen, daß man bei Zustandekommen eines Planes in diesem Ausmaße unter Umständen mehr geben muß, als vielleicht der Partner gibt. Auch dafür haben wir Verständnis. Aber dann muß dieses Mehr im Sinne des Planes liegen und für ihn zweckmäßig sein. Sonst kommt man zu anderen Resultaten.
Ich gehe jetzt auf das Thema selbst ein. Wenn -wir diesen Plan mit dem vergleichen, was sich in den Verhandlungen über den DKV getan hat, dann müssen wir folgendes feststellen. Alle Gründe, die die Gegner gegen den DKV vorbringen: einmal monopolartiger Charakter, Preisfestsetzung, und zum anderen willkürliche Verteilung der Kohle so, wie sie gerade jetzt den deutschen Interessen entspricht, sind doch durch den Plan selbst schon zunichte gemacht. Innerhalb dieses Planes besteht gar keine Möglichkeit dafür, diese Manipulationen vorzunehmen. Wenn nun diese beiden hauptsächlichen Argumente gegen den Kohleverkauf fallen, dann muß man sich doch unwillkürlich die Frage vorlegen: Ja, welches sind denn nun die Argumente, die jetzt noch gegen den Kohleverkauf sprechen?
— Ich freue mich, Herr Preusker, daß Sie mit mir übereinstimmen,
— Einen Moment, ich komme darauf zurück. — Denn diese Antwort kann doch sehr schnell gefunden werden, Herr Etzel. Es bleibt dann gar keine andere Antwort übrig als die, daß der Deutsche Kohlenverkauf an sich gar nicht in der Lage ist, diese Manipulationen vorzunehmen. Dennoch muß er zerschlagen werden, weil er unter Umständen — na, sagen wir mal — für die deutsche Wirtschaft nützlich sein könnte. Und alles, was für die deutsche Wirtschaft nützlich ist, liegt nicht im Interesse der Gegenseite und muß daher zerschlagen werden.
— Ja, aber diese Bastelkünstler machen doch den Schumanplan! Darauf kommt es doch letzten Endes an.
— Aber, Herr Etzel, die Einwirkung dieser Bastelkünstler ist immer noch weitgehender als die unsere.
— Sehen Sie, Herr Etzel, der Start zur Belieferung des gemeinsamen Marktes, von dem eben die Rede war, wird für Deutschland infolge der großen Lücke im Nachholbedarf sowieso verspätet anlaufen. Darin stimmen wir auch überein. Wenn aber dieses Nachhinken — na, sagen wir mal — im Namen des europäischen Geistes noch weiter erschwert werden kann, dann wird das von der Gegenseite mit allen Mitteln versucht.
Auch Herr Staatssekretär Dr. Hallstein hatte eben das wohllöbliche Bemühen, die Dinge auf ein nach seiner Meinung richtiges Maß zurückzuführen. Aber wenn man jetzt schon argumentiert: Wir arbeiten darauf hin, daß die Fesseln fallen, dann wollen doch Sie genau so wenig wie wir, daß diese fallenden Fesseln durch noch stärkere Fesseln ersetzt werden. Das ist doch der Gegensatz zwischen Ihnen und uns.
— Das ist doch der Gegensatz zwischen Ihnen und uns!
— Ich sage Ihnen nochmals, daß das in keinem Falle so deutlich zu Tage getreten ist wie in den Verhandlungen über den Deutschen Kohlenverkauf.
Sehen Sie, wenn schon im Art. 3 unter a von einer geordneten Versorgung des gemeinsamen Marktes die Rede ist, so ist das doch gerade der Grund, die gemeinsame Verkaufsorganisation beizubehalten! Es stimmt auch nicht, wenn von alliierter Seite behauptet wird, daß der DKV von den Alliierten gebildet sei und auch von ihnen aufgelöst werden könne. Der DKV oder eine ähnliche Institution besteht schon seit beinahe sechs Jahrzehnten. Diese Gründung war eben bedingt durch die unterschiedlichen geologischen Verhältnisse, durch die Regelung der Sortenfrage und der damit verbundenen Abbaumöglichkeiten sämtlicher Kohlevorkommen. Vergleiche, etwa mit dem amerikanischen Bergbau, sind da überhaupt nicht möglich. Der Abbau der amerikanischen Kohle geht infolge der günstigen Lagerung, die sie nun einmal hat, unter wesentlich anderen Umständen vonstatten als in Deutschland. In Amerika sind zeitweilige Stilllegungen und vor allen Dingen schnelle Rufschließungen möglich. Im deutschen Kohlenbergbau geht das nicht, und zwar infolge der Verhältnisse, wie sie nun einmal bei uns sind und die uns zwingen, eine gewisse Dauerbeschäftigung zu garantieren. Eine einmal stillgelegte Schachtanlage wird absaufen, und das würde für uns einen Substanzverlust bedeuten, den wir uns nicht erlauben können. Außerdem haben wir wohl alle Ursache, die damit verbundenen sozialen Spannungen zu vermeiden.
Ich habe bereits eines der Probleme angeschnitten, die zu der Gründung einer gemeinsamen Verkaufsorganisation geführt haben, nämlich die Verhinderung von Stillegungen und Kurzarbeit durch eine gleichmäßige Verteilung der Aufträge. Dazu gehört auch der Sorten- und Artenausgleich, der ja beim DKV soweit geht, daß die Abteilung für Wärmewirtschaft und Feuertechnik sogar den Kunden berät. Alles Vorteile, die selbstverständlich auch dem ausländischen Kunden zustatten kommen.
Dadurch wird eben vermieden, daß in Zeiten des Überflusses Raubbau getrieben wird, d. _h. daß nur gute Flöze abgebaut werden. Für uns hat das deswegen eine ganz besondere Bedeutung, weil mit dem Abbau oder dem Raubbau nur guter Flöze die Frage der Grubensicherheit akut wird. Ich möchte noch als Aufgabe des Kohlenverkaufs z. B. die Ermittlung des besten und billigsten Versandweges für den Kunden und die Bereitstellung der notwendigen Mittel herausstellen.
Damit kommen wir an ein Kapitel, von dem man vielleicht nicht gerne Kenntnis nimmt. Ich meine die Bereitstellung von Mitteln für die Investitionsplanung und den möglichst billigen Ausgleich in bezug auf den Zahlungsausgang, hauptsächlich bei den Lohnzahlungsterminen. Ich betone nochmals: die Regelung dieser organisatorischen Fragen ist nicht nur dem Inlandsverbrauch, sondern auch dem Verbrauch des Auslands zugute gekommen.
Und nun komme ich zu etwas anderem. Es wird uns hier immer wieder gesagt: Das Gesetz Nr. 27 ist ein Ding an sich und der Schumanplan ist ein Ding an sich. Wie ist es denn überhaupt innerhalb des Schumanplans zu den Verhandlungen über die Auflösung des DKV gekommen? Im Gesetz Nr. 75 hat diese Frage eine eindeutige Regelung gefunden. Nach Art. 2 Abs. 7 sollte die deutsche Kohlenbergbauleitung in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden, und als Tochtergesellschaften sollten der Deutsche Kohlenverkauf und die Bergbaubeschaffungszentrale verbleiben. Und jetzt kamen diese Bastelfritzen wieder, Herr Etzel. Diese Bastelfritzen sind im Gesetz Nr. 27 sehr gut zum Zuge gekommen. Da wurde diese eindeutige Regelung sofort beseitigt. Man hat eine Formulierung gefunden, die alle Möglichkeiten offenließ. Ich darf das hier wörtlich anführen; dort heißt es:
Die Organisation ist Aufgabe der deutschen
Kohlenbergbauleitung und des Deutschen
Kohlenverkaufs. Seine Rechtsnachfolger werden
durch Ausführungsbestimmungen oder Anordnungen, die etwa von der Alliierten Hohen
Kommission erlassen werden, bestimmt.
Und darin sahen eben die Alliierten — vor allen Dingen die Amerikaner — die Rechtsgrundlage zur Auflösung des DKV. Ich glaube bestimmt, Herr Professor Hallstein, Sie werden mit mir einer Meinung sein: Hätten wir das Gesetz Nr. 27 nicht gehabt, so glaube ich kaum, daß im Rahmen des Schumanpians der Deutsche Kohlenverkauf diese Rolle gespielt hätte, wie er sie nun einmal im Zusammenhang mit dem Gesetz Nr. 27 gespielt hat; denn erst das Eingreifen dieser amerikanischen Kreise — ich nenne hier Herrn Professor Bowil — brachte die Wendung in dieser Sache.
Herr Staatssekretär, seit Januar des vergangenen Jahres sind diese Verhandlungen geführt worden. Da muß ich darüber staunen welche Sachverständigen Sie zunächst zu dieser Verhandlung über die Auflösung des DKV mitgenommen haben.
Ich werfe hier den Namen des Herrn Dr. Walter
Bauer in die Debatte, ein Mann, der aus dem
Kohlengroßhandel der Petschek-Gruppe kommt. Glauben Sie, daß Herr Dr. Walter Bauer auch nur das geringste Interesse daran gehabt hat, den Deutschen Kohlenverkauf zu erhalten.
Da waren Sie bei der Auswahl Ihrer Sachberater sehr schlecht beraten. Ich glaube ganz bestimmt, daß es Herrn Dr. Walter Bauer als Beauftragtem der Petschek-Gruppe sehr willkommen war, bei den Verhandlungen mitzuwirken. Es taucht dann die Frage auf, zu wessen Nutzen das geschehen ist. Sie waren offensichtlich zunächst mit dieser Haltung einverstanden. Hier darf ich etwas erwähnen
— ich weiß, daß es auf Ihrer Seite nicht allzugern gehört wird —: Erst das Eingreifen der Gewerkschaftsvertreter hat eine Änderung der Einstellung zu dieser Frage bewirkt. Durch dieses Eingreifen ist jedenfalls die deutsche Öffentlichkeit zuerst auf diese Zusammenhänge aufmerksam geworden. Dann trat geradezu eine Katastrophe ein, als das Memorandum der Bundesregierung vom 14. März zu dieser Frage erschien. Die Bundesregierung hatte es mit der Auflösung bzw. mit der Liquidation des DKV noch viel eiliger als die Alliierten selbst.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wer ist der gute Ratgeber gewesen, unter dessen Einfluß das Memorandum vom 14. März zustande gekommen ist? Denn in diesem Memorandum heißt es eindeutig:
Der Bundesregierung ist bekannt, daß unter Gesetz Nr. 27 der DKV aufzulösen ist.
Ebenso sind unter dem Schumanplan alle monopolistischen Einkaufs- und Verkaufssyndikate innerhalb des gemeinsamen Marktes aufzulösen.
Herr Bundeskanzler, Sie haben doch nun selbst in
der Sitzung des Bundesrats vom 27. Juni erklärt
— ich zitiere wörtlich —:
Eben ,weil wir erklärt haben: Wir können unter keinen Umständen dem Schumanplan beitreten, wenn nicht auch hinsichtlich des Kohlenverkaufs Einrichtungen getroffen werden, die für uns erträglich sind .
Ich nehme doch an, mit diesen Ihren Worten ist gemeint, daß Sie nicht mehr zum Memorandum vom 14. März stehen?
— Herr Bundeskanzler, ich weiß, wie sehr die Unterhändler bei den Verhandlungen über den Deutschen Kohlenverkauf gerade auf diese Erklärung der Bundesregierung gewartet haben; sie hätten dann nämlich einen ganz anderen Start gehabt. So bedeutete der Kampf um die Erhaltung des Deutschen Kohlenverkaufs den Kampf gegen die Erklärung der Bundesregierung
und nicht nur gegen den Willen der Alliierten.
Der Deutsche Kohlenverkauf sollte nach Ihrer Meinung ja schon ab 1. Juli 1951 in Liquidation gehen. Es ist auch wohl hier die Frage erlaubt: War der Bundesregierung denn nicht bekannt, daß gerade in dieser Zeit der Mangellage der Kohlenvertrieb notwendiger war als je? Der Bundesregierung war doch auch bekannt, in welche Verhältnisse dadurch unsere gesamte Wirtschaft bei ihrer Krisenempfindlichkeit geraten mußte — alles Dinge, die uns nahezu unverständlich sind!
Weder der Deutschen Kohlenbergbauleitung noch den Gewerkschaften, die ja ihr gutes Teil dazu beigetragen haben, wenn wir jetzt noch Möglichkeiten haben, war etwas von dem Zustandekommen dieses Memorandums bekannt, und das Memorandum ist dann auch von allen Beteiligten abgelehnt worden.
Entgegen dem angebotenen Auflösungstermin vom 1. Juli 1951 haben die Alliierten veranlaßt, daß der Termin zunächst bis zum 1. Oktober 1951 hinausgeschoben wurde. Ich nehme an, daß ihnen selbst nicht allzu wohl bei dem zumute war, was ihnen hier angeboten wurde.
Die Kommissionen, die dann eingesetzt wurden, bekamen von den Alliierten sogar eine Dienstanweisung über das, worüber sie nun verhandeln durften und worüber sie nicht verhandeln durften. Gott sei Dank haben das die Kommissionsmitglieder abgelehnt, weil es schon eine Vorwegnahme des Resultats gewesen wäre, das eigentlich die Beratungen ergeben sollten.
Zu den Sitzungen, die auf mannigfache Art und Weise staatgefunden haben, sind selbst die ausländischen Verbraucher hinzugezogen worden, und sonderbar ist, daß selbst diese für die Beibehaltung des DKV waren, weil sie seine Notwendigkeit und vor allen Dingen auch seine Zweckmäßigkeit anerkannten. Diese Vertreter stehen nun mit ihrer Meinung zu ihren Regierungen wahrscheinlich in genau demselben Widersptuch wie wir zu unserer Regierung. Wir sind auch des guten Glaubens, daß man der Meinung dieser Vertreter der ausländischen Verbraucher vielleicht ein anderes Gewicht beigemessen hätte, wenn sie gegenteilig gewesen wäre. Wahrscheinlich wäre dann auch die Wirkung sofort eingetreten. Denn der rücksichtslose Wille zur Dekartellisierung läßt eben keine Vernunftsgründe zu.
— Ich bin mit Ihnen einer Meinung, Herr Kollege Preusker. Aber glauben Sie nicht, daß diese Dekartellisierungsfanatiker nur im Ausland sitzen! Wir haben sie auch hier im Inland!
— Ja, Herr Dr. Preusker, es ist eben in Wirklichkeit so: Diese Fanatiker reden in dem Fall nicht von Dekartellisierung, sondern von Liberalisierung!
Dann muß man aber das Wort Liberalisierung mit „Verdienen" übersetzen.
— Ach, Herr Euler, mit Ihnen zu diskutieren, hieße tatsächlich Eulen nach Athen tragen.
Ich möchte nun auf die beiden Argumente, die ich bereits angeführt habe, eingehen, und zwar darauf, daß der DKV ein Monopol sei und mit seiner Machtzusammenballung nicht im Sinne des Schumânplans liege, Man muß schon geradezu sonderbare Vorstellungen von einem Monopol haben, wenn man zu dieser Ansicht kommen will. Mit der Preisfestsetzung oder einer willkürlichen Verteilung hat der Deutsche Kohlenverkauf überhaupt 'nichts zu tun und kann er auch nichts mehr zu tun haben, wenn jetzt der Schumanplan akut wird.
Mit der Preisfestsetzung haben wir uns hier im Hohen Hause schon oft beschäftigen müssen. Ich glaube aber, diese Sorge sind wir jetzt unter dem § 36 des neuen Investitionsgesetzes losgeworden. Die Hohe Behörde hat da jetzt ein sehr gewichtiges Wort mitzureden. Eine willkürliche Verteilung der gewonnenen Kohle ist überhaupt nicht mehr möglich. Mein Fraktionsfreund Dr. Schöne ist gestern sehr ausführlich darauf eingegangen, und wir stimmen tatsächlich in diesem Fall vollständig mit Ihnen überein, Herr Dr. Preusker. Sie gehen ja selbst von der Voraussetzung aus, daß bei einer Mangellage alles in einen gemeinsamen Topf geworfen und dann nach Maßgabe des Bedarfs auf die betreffenden Verbrauchsländer verteilt wird. Aber, Herr Dr. Preusker — ich komme auf das zurück, was mein Parteifreund Dr. Schöne gestern gesagt hat —: wir hatten eine gewisse Sicherheitsquote, die man uns selbst noch unter dem Gesetz Nr. 27 zugestanden hat, nämlich die Garantie, daß im Verbund 75 % des Bedarfs durch die angegliederten Zechen geliefert werden konnten. Was hat der Verbund überhaupt noch für einen Sinn, wenn diese Klausel jetzt fällt?
Der französische Finanzminister hat dazu gemeint, daß das das Recht des Erntenden sei. Ich habe dieses Wort schon einmal in einer anderen Version gelesen: Man soll dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden. Und, Herr Dr. Preusker: der, der diese Version aufgestellt hat, hat keinen Zusatz gemacht, denn der war in dem guten Glauben, daß kein Ochse so dumm wäre, sich das Maul selbst zu verbinden.
Ich habe also dargetan, daß die Preise durch den DKV nicht festgesetzt werden können und daß eine Verteilung in der Mangellage durch die Hohe Behörde vorgenommen wird. Was bleiben dann noch für Gründe für die Zerschlagung übrig? Ich glaube die Antwort schon in dem vorher Gesagten gegeben zu haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn wir hier über den Schumanplan diskutieren, dann gibt es eigentlich zwei Pläne: einmal den französischen Plan und zum anderen den deutschen Plan.
— Ich wollte gerade darauf zu sprechen kommen, Herr Dr. Schröder. Fest steht aber doch das eine, daß es über denselben Text zwei verschiedene Auslegungen gibt.
— Ich komme darauf; lassen Sie mich doch aussprechen! Ich bin in dem . guten Glauben, daß in
solchen Fällen immer die Meinung desjenigen ausschlaggebend ist, der der Stärkere ist.
— Ja, wir können uns doch nicht einbilden, das wir das sind!
— Es kommt hier nicht auf den Gegensatz oder Nichtgegensatz an; ich glaube, diese Bemerkung war doch wohl sehr deplaziert.
Ich habe gesagt, daß das Gesetz Nr. 27 der drei Besatzungsmächte nun einmal ausschlaggebend ist. Aber die Dekonzentration ist in der Zwischenzeit Gegenstand eines Übereinkommens zwischen den drei Mächten und der Bundesregierung gewesen. Darauf beruft man sich immer. Diese Übereinkunft
— das sagt jetzt Herr Schuman selbst — bleibt bestehen und ist endgültig wie alle internationalen Übereinkommen. Es muß von der Hohen Behörde respektiert und angewandt werden.. Wir brauchen uns also in Zukunft über irgendwelche Dekonzentrationsmaßnahmen gar nicht aufzuregen; denn hier besteht Einverständnis zwischen der Bundesregierung und den Hohen Alliierten.
— Ja. Das zeigt aber auch in aller Deutlichkeit, warum der Kampf um die Erhaltung des DKV so ungeheuer schwierig war. Bis vier Tage vor der Unterzeichnung war ein Plan ausgearbeitet worden, der eine großzügige Regelung vorsah — mit dem Resultat, daß er selbstverständlich wieder torpediert wurde. Ich will dabei auf die Einzelheiten gar nicht eingehen; die können Sie im Bericht des Berichterstatters viel besser nachlesen. Es ist bei den Vorschlägen eben so, daß wir bei der Zusammensetzung der Alliierten Hohen Kommission das Spiel von vornherein immer 2 : 1 verloren haben.
— Nein, das sind keine Meinungen, das sind Tatsachen.
Wenn ich nun zu dem jetzt erarbeiteten Vorschlag, der auch im Bericht des Berichterstatters enthalten ist, komme, so möchte ich nicht auf die Frage eingehen, ob dieser Vorschlag zweckmäßig ist oder nicht zweckmäßig ist. Denn weder die Regierung noch das Hohe Haus wissen, wie eine endgültige Regelung aussehen wird. Das weiß in diesem Moment kein Mensch, und der Herr Professor Hallstein hatte schon vollständig recht, wenn er in einer Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses auf die Frage: Wie sieht nun die endgültige Regelung aus? Kann diese Regelung dem Plenum vorgelegt werden? sagte: Ich glaube nicht, daß das möglich ist. Wir stehen also heute vor der Tatsache, etwas zu ratifizieren, ohne daß wir die Vorbedingungen kennen.
Und ich glaube, nicht nur die SPD — —
Nicht nur die SPD, die in der Drucksache Nr. 2484 unter Ziffer 5 ihre Bedenken angemeldet hat, nicht nur die Gewerkschaften, die vor allen Dingen auf Klarheit bestanden, weil sie wissen, wieviel davon abhängt, denn nicht nur die am Bergbau Beteiligten sind darin interessiert, nein, hier handelt es sich doch um eine Maßnahme, die die gesamte deutsche Wirtschaft betrifft.
Keineswegs kann man zur Erledigung des DKV nun einfach. sagen: Wir können beruhigt über diese Frage hinweggehen. Alles steht noch offen. Und wenn ich mir vorstelle,. wie die einzelnen Vorschläge bisher behandelt worden sind, dann kann man nur mit dem größten Pessimismus zu dieser Frage Stellung nehmen.
Wenn jetzt die Regierungsparteien mit Drucksache Nr. 2974 unter Ziffer 2 beantragen,
darauf hinzuwirken, daß bei der endgültigen Gestaltung des deutschen Kohlenverkaufs den Bestimmungen des § 12 des Abkommens über die Übergangsbestimmungen Rechnung getragen wird,
— meine Herren, dann kommt das doch ein bißchen zu spät.
— Ja, glauben Sie denn nun, daß die Sache des deutschen Kohleenverkaufs mit dem Schumanplan nichts zu tun hat, Herr Etzel?
— Ja, Herr Etzel, es ist doch in Wirklichkeit so — gehen Sie doch auf die Grundtendenz zurück —, daß wir uns nicht gefallen lassen wollen, uns vor dem Start zum gemeinsamen Markt in eine Form hineinpressen zu lassen, die für uns alles andere als annehmbar ist.
(Abg. Etzel [Duisburg] : Auf der einen Seite
haben Sie gesagt, die alliierten Verbraucher
seien für den DKV, und auf der 'anderen
Seite sagen Sie, sie seien dagegen. Was ist
denn nun richtig? — Unruhe. — Glocke des
Präsidenten.)
— Na, Herr Etzel, ich glaube nicht, daß das stimmt, was Sie da sagen.
Auch die Deutsche Kohlenbergbauleitung hat in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, wie weitgehend eine Auflösung des Deutschen Kohlenverkaufs die Kohlenwirtschaft und damit die Belieferung der ganzen Wirtschaft beeinflussen würde. Auch der Bundesrat und Herr Dr. Spiecker als sein Sprecher hatten schon die weitgehende Bedeutung dieser Frage begriffen, wenn er ausführte:
Ich möchte als Verteter von Nordrhein-Westfalen nicht verhehlen, daß uns einige Nachrichten über eine schwerverständliche Einstellung gewisser ausländischer Unterhändler mit ernster Sorge erfüllen, die augenblicklich nicht begreifen können, daß die krisenempfindliche kohlenverknappte deutsche Wirtschaft
das Entstehen anarchistischer Zustände hervorruft, wenn auf dem Gebiet des Kohlenverkaufs jetzt diese Maßnahme eintreten sollte.
Sehen Sie, meine Herren, ich gehe noch weiter. Ich will sagen: Selbst wenn wir eine Lösung in Gestalt eines Vorschlags dieser Kommission hätten, eine Lösung, die nicht nur vernünftig, sondern optimal wäre, dann hätten wir immer noch nichts in der Hand. Ich will mich über die Zweckmäßigkeit der Lösung usw. gar nicht auslassen. Fest steht doch das eine: Keine der Forderungen aller Beteiligten -- Gewerkschaften, DKV, Bundesrat — ist erfüllt worden. Und ich bin überzeugt: Ratifizieren wir den Schumanplan vor der Erfüllung dieser Forderungen, ja, meine Herren, dann geben wir damit die beste Waffe aus der Hand, die wir überhaupt gehabt haben.
Der Herr Bundeskanzler hat im Bundesrat erklärt, er mache den Beitritt zum Schumanplan davon abhängig. Warum handeln wir dann nicht dementsprechend? Die ganze Diskussion, die wir jetzt geführt haben, wäre dann unnötig gewesen.
Aber man muß schon die wahren Gründe sehen, und es ist nicht damit abgetan, daß man sagt: Wer den Schumanplan ablehnt, der ist gegen den europäischen Gedanken. Das wäre ein billiges Argument. Und, Herr Bundeskanzler, auch Sie müßten eigentlich wissen, daß sehr viele Wege nach Rom führen.
Ich darf -im Namen meiner politischen Freunde wohl sagen: Zu der europäischen Gemeinschaft sagen wir ja,
aber wenn man aus diesem hohen Gedanken der
europäischen Gemeinschaft ein Geschäft auf
Kosten Deutschlands machen will, dann sagen wir
nein.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Saargebiet fällt im Schumanplan eine besondere Bedeutung zu, und aus dem Schumanplan ergeben sich für die Bevölkerung an der Saar und für das deutsche Volk besondere Folgen. Der Berichterstatter Herr Abgeordneter Preusker und der Herr Bundeskanzler haben gestern versucht, mittels eines Briefes des Herrn Außenministers Schuman vom 18. April 1951 die Lage hinsichtlich des Saargebietes so darzustellen, als würde durch die Annahme des Schumanplanes am staatsrechtlichen Zustand des Saargebietes nichts geändert. Diese Feststellung des Herrn Bundeskanzlers und des Berichterstatters trifft nicht zu. Die Argumentation ist eine Irreführung unseres Volkes.
Wie ist denn die Lage in Wirklichkeit? Das Saargebiet wurde auf Betreiben der amerikanischen Imperialisten im Einvernehmen mit den Engländern gegen den ausdrücklichen Willen der Sowjetunion 1945 von Deutschland widerrechtlich abgetrennt. In einer Note der westlichen Alliierten vom 3. August 1951 an die Bundesregierung wurde dieses erneut unterstrichen und bestätigt. Seit 1945 wurde im Saargebiet gegen den Willen der Bevölkerung eine Maßnahme nach der anderen durchge-
führt, um den Zustand, der 1945 an der Saar widerrechtlich geschaffen wurde, zu verewigen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur an die sogenannte Saarkonvention erinnern, durch die unsere Zechen und unsere Kohlen auf 50 Jahre im Interesse einer Handvoll Kriegstreiber ausgeliefert, unserer Wirtschaft entzogen wurden. Die Bevölkerung des Saargebietes hat in dieser Saarkonvention bereits einen Vorgeschmack vom Schumanplan bekommen. Die Arbeiter und der Mittelstand des Saargebietes haben durch die Preis- und Lohngestaltung und durch die Beschränkung des Mitbestimmungsrechts im Saargebiet bereits einen ersten Eindruck, was aus dem Schumanplan zu erwarten ist. Nun soll durch die Unterzeichnung des Schumanplans das ganze Saargebiet abgeschrieben werden. Das ist der Sinn des Schumanplans auf das Saargebiet angewandt.
In Art. 21 des Schumanplan-Vertrages heißt es: „Die Vertreter der Saarbevölkerung sind in die Zahl der Frankreich zugewiesenen Abgeordneten eingerechnet." Das sagt doch in wenigen Worten alles, und zwar, daß den französisch-monopolistischen Vertretern-vorbehalten ist, das Saargebiet zu vertreten und im Saargebiet zu bestimmen.
— Hören Sie genau zu, Herr Preusker, damit Sie vielleicht etwas lernen und damit Sie,
wenn Sie später die Verantwortung gegenüber Ihren Wählern zu übernehmen haben, nicht sagen müssen: Ich habe Zwischenrufe gemacht und nicht zugehört!
Hier wird in Kürze und Eindeutigkeit gesagt, welche Rolle das Saargebiet in der amerikanischfranzösischen monopolistischen Planung spielen soll. Für unser deutsches Volk sind deshalb nicht die nichtssagenden Briefe des Herrn Schuman, über die der Herr Bundeskanzler gegenwärtig verfügt, maßgebend, sondern die Realitäten im Saargebiet.
Und was ist im Saargebiet? Es ist doch eine Fabel, Herr Bundeskanzler, wenn Sie sagen, im Saargebiet gehe es den Franzosen nur um wirtschaftliche Interessen. Ganz abgesehen davon, daß jedes Kind weiß, daß die Wirtschaft- von der Politik nicht zu trennen ist, frage ich Sie, Herr Bundeskanzler: Wer bestimmt denn die Politik im Saargebiet? Wer bestimmt die Politik im Parlament des Saargebietes? Wer beherrscht im Saargebiet die Presse, das Radio? Wer nimmt Einfluß auf die Schule? Wer nimmt Einfluß überhaupt auf die ganze Lebensgestaltung im Saargebiet? Das sind doch die Vertreter der amerikanisch-französischen Monopolisten im Saargebiet!
Ist Ihnen, Herr Bundeskanzler, das nicht bekannt? Sie haben doch Herrn Dr. Lehr, der Sie so gut über uns informiert, allerdings mit Falschmeldungen. Er soll Ihnen doch einmal durch seine Vertreter an der Saar berichten lassen, was diese über den politischen Zustand im Saargebiet wissen. Die Vorgänge im Saargebiet besagen etwas anderes, als daß es den französischen Monopolisten nur um wirtschaftliche Interessen gehe.
Sie sagen, Herr Bundeskanzler, seit der Diskussion über den Schumanplan habe es keine offizielle Erklärung seitens französischer regierender Kreise gegeben, wonach der derzeitige Zustand an der Saar aufrechterhalten werden solle. Ganz abgesehen davon, daß diese Feststellung nicht zutrifft, kommt es auf die Taten der im Saargebiet Bestimmenden an. Es vergeht kein Tag im Saargebiet, an dem Herr Grandval und sein Gefolge nicht versuchen, den bestehenden Zustand, d. h. die Abtrennung des Saargebietes von Deutschland, zu, verewigen. Herr Bundeskanzler, Sie hätten bésser daran getan, dafür zu sorgen, daß jedem Deutschen die Rede des Herrn Außenministers Schuman in der Schumanplan-Debatte der französischen Kammer vom 6. und 7. Dezember des vergangenen Jahres bekanntgeworden wäre.
Wohlgemerkt: es handelt sich um eine Rede, die lange nach dem Brief, den Sie hier so breitgewalzt haben, gehalten wurde. Was sagt Herr Außenminister Schuman bei dieser Debatte in der französischen Kammer? Er sagt:
Die Politik der französischen Regierung hat sich seit dreieinhalb Jahren, die ich die Ehre habe die Verantwortung für die Außenpolitik zu tragen, nicht geändert. Welches ist diese Politik in bezug auf die Saar? Sie ist durch zwei Tatsachen gekennzeichnet, die sich nicht verändert haben und die durch die Errichtung der Europäischen Gemeinschaft ,für Kohle und Stahl nicht geändert werden.
Die erste ist die Existenz einer französisch-saarländischen Wirtschaftsunion. Diese Wirtschaftsunion ist im Bereich der Europäischen Gemeinschaft als eine Einheit betrachtet worden, die 18 Delegierte zu beanspruchen hat, solange sie existiert.
Die andere Tatsache besteht darin, daß die französische Regierung die auswärtigen Beziehungen des Saargebiets sicherstellt.
Das bleibt so, selbst wenn wir eine diplomatische Vertretung im Saargebiet errichten.
Diese zwei Tatsachen beherrschen den Vertrag, der Ihnen heute zur Ratifikation vorgelegt wird. Wenn er auch nur die Unterschrift Frankreichs trägt, so hat diese Unterschriftt gleichwohl einen doppelten Charakter. Die deutsche Regierung weiß das, Herr Dr. Adenauer!
Die Rede des Herrn Schuman vom 6. Dezember 1951 widerlegt den Briefschreiber Herrn Schuman vom 18. April 1951
und widerlegt Ihre gestrige Rede, Herr Dr. Adenauer. Herr Schuman hat in dieser Rede klar gesagt, daß an dem derzeitigen Zustand im Saargebiet auch in der Zukunft seitens der regierenden Kreise in Frankreich nichts geändert wird.
Herr Bundeskanzler, das ist also die von Ihnen am 6. Juli 1951 angekündigte Lösung der Saarfrage in Bälde. Aber diese Lösung ist nicht die Lösung des deutschen Volkes und damit auch nicht die Lösung für das Volk an der Saar. In Hunderten und Tausenden von Entschließungen und sonstigen Willensäußerungen hat die Bevölkerung an der Saar genau wie im übrigen Deutschland, wie in Frankreich, Belgien, Holland ihren Willen gegen diesen Kriegsplan kundgetan; und immer mehr setzt sich die Erkenntnis im Saargebiet durch, daß
das, was sich an der Saar seit 1945 abgespielt hat, nur durch das yolks- und nationalverräterische Treiben der Führer der Sozialdemokratischen Partei an der Saar und der Christlichen Volkspartei möglich war. Aber immer mehr setzt sich auch die Erkenntnis durch, daß die volle Verantwortung die Bundesregierung und die Vertreter der Regierungskoalition trifft, die nach 1945 geschwiegen haben, als es galt, dem Saarvolke Hilfe zu leisten, und die durch ihr Schweigen die Maßnahmen des französischen Imperialismus an der Saar unterstützt haben.
Die Lösung für das deutsche Volk und die Bevölkerung an der Saar ist nicht der Schumanplan und nicht der Generalvertrag, ist auch nicht die Remilitarisierung, sondern die gesamtdeutsche Beratung und die gesamtdeutschen Wahlen, die Herstellung eines freien, demokratischen, friedliebenden, unabhängigen Deutschland mit Einschluß des Saargebiets!
Das ist eine deutsche Frage, das ist ein deutsches Wollen und damit auch das Wollen des Saarvolkes. Diese Politik dient nicht nur dem deutschen Volke, sondern dient allen Völkern und besonders auch dem französischen Volke. Denn diese Politik hilft, den Frieden zu erhalten und damit Europa eine bessere Zukunft zu geben. Der Schumanplan ist ein Plan des Krieges, der Schumanplan ist der Plan der doppelten Ausbeutung, der Schumanplan ist der Verzicht der Bundesregierung auf das Saargebiet.
Das deutsche Volk aber hat eine andere Planung, und diese Planung heißt: Adenauer soll gehen, die deutsche Einheit muß erstellt werden!
Das Wort hat der Abgeordnete Kalbitzer.
Meine Damen und Herren! Ich möchte hier etwas zu dem Streit sagen, der über die Gemeinsamkeit der deutsch-französischen Interessen und über die Gegensätzlichkeit. dieser Interessen ausgebrochen ist. Ich will nicht im einzelnen diskutieren, ob überall die formale Gleichberechtigung durchgeführt ist, sondern darauf hinweisen, daß die deutschen Interessen faktisch wirtschaftlich isoliert dastehen und daß diese Isoliertheit der Interessen in dem Vertrage durch Klauseln für Deutschland hätte ausgeglichen werden müssen.
Die Isoliertheit unserer Interessen ergibt sich einmal und im wesentlichsten daraus, daß Deutschland der einzige wesentliche Kohlelieferant in der Montan-Union ist, während die anderen fünf im allgemeinen das gemeinsame Interesse des Konsumenten dieser Kohlen haben. Während bei der Eisenwirtschaft die fünf übrigen Teilnehmer das gemeinsame Interesse der modernisierten, rationalisierten und vergrößerten Eisenindustrie der Nachkriegszeit haben, steht dagegen Deutschland isoliert als das in der Eisenindustrie demontierte und damit heute rückständige Land da.
Es ist von der Regierung darauf hingewiesen worden, daß bei wichti=gen Entscheidungen in internationalen Gremien nicht die Interessen maßgebend seien. Es wurde besonders von Straßburg behauptet, daß die Meinungsspaltung weltanschaulicher Ansichten über die Aufspaltung in Interessengruppen ginge. Das hat sich gerade in Straßburg nicht bewahrheitet. Straßburg war ein Beispiel dafür, daß — außer bei der deutschen Delegation, das muß hier gesagt werden — bei allen anderen Delegationen in wichtigen politischen Fragen die Interessen der Länder vor ihren internationalen Bindungen zu befreundeten Parteien gegangen sind. Das war sowohl bei der englischen als auch bei der französischen und auch bei anderen Parteien der Fall.
— André Philip hat durchaus die französischen Interessen zusammen mit Mr. Reynaud vertreten. Sie haben beide in eine Kerbe gehauen.
Nun, lassen wir das beiseite! Hier ist darüber zu sprechen, wie die deutschen Außenhandelsinteressen in diesem Rahmen zu schützen sind, besonders in der heutigen Situation der internationalen Mangellage in wichtigen Rohstoffen, vor allen Dingen in Kohle. In der heutigen Situation ist die Sache zweifellos so, daß wir vorerst an die Mitgliedsländer des Schumanplans liefern müssen. Das bedeutet naturgemäß eine Behinderung unserer Lieferungen an sogenannte dritte Länder, also an Länder, die sich außerhalb des Schumanplans befinden. Das bedeutet, daß unser Handel mit diesen dritten Ländern in einem der wichtigsten Mangelrohstoffe der Welt, in Kohle, und unsere diesbezüglichen Handelsvertragsverhandlungen behindert werden. Umgekehrt bedeutet das eine Behinderung unserer Rohstoffbeschaffung und damit auch — um wieder direkt auf die Probleme des Schuman-plans zu kommen — eine Behinderung unserer Erzbeschaffung, die z. B. im Falle Schweden wesentlich davon abhängt, wieweit Deutschland Kohle nach Schweden liefert. Gerade die Schweden waren in der letzten Zeit bereit, einen langfristigen Erzliefervertrag mit Deutschland abzuschließen, wenn Deutschland bereit und in der Lage gewesen wäre, ebenfalls langfristig die Kohleversorgung Schwedens in einem vernünftigen Rahmen sicherzustellen. Deutschland hat diese Gelegenheit vor Ratifizierung des Schumanplans in den vergangenen Wochen offenbar leider nicht ergriffen. So stehen wir vor der Situation, daß die Erzbeschaffung aus Schweden, die eine ausreichende Gegenbelieferung mit Kohle vorausgesetzt hätte, jedenfalls nicht mehr in der Möglichkeit der deutschen Außenhandelspolitik liegt. Vielmehr sind wir in diesem Punkte von den Beschlüssen der Hohen Behörde darüber abhängig, ob Deutschland an dritte Län-der, also an Schweden, ausreichend Kohle liefern kann. Somit ist die Ausnutzung der Kapazität unserer Eisenindustrie auch auf diesen Umweg über den Außenhandel durchaus unsicher geworden und in Gefahr gekommen.
Während der Zeit der Kohleknappheit wurde die deutsche Kohleausfuhr weitgehend von der Ruhrbehörde gesteuert, und zwar in der Form einer Globalzuteilung an das Ausland. Mit allen einzelnen ausländischen Handelspartnern mußte innerhalb dieses Globalkontingents verhandelt werden, wieviel der eine und wieviel der andere bekommt. Diese Methode der Ruhrbehörde hat von deutscher Seite schärfste Kritik erfahren. Tatsache ist, daß die zu gründende Hohe Behörde rechtlich zwar keine Nachfolgebehörde der Ruhrbehörde ist — was niemand behauptet hat und niemand behaupten kann —, daß sie aber in stärkstem Maße
dieselben Funktionen ausübt, die in der vergangenen Zeit die Ruhrbehörde ausgeübt hat. Ich möchte mir erlauben, hier wiederum aus der französischen Kammerdebatte zu zitieren, und zwar den Berichterstatter Coste-Floret. Gegenüber Herrn Staatssekretär Dr. Hallstein möchte ich sagen, daß wir uns hier — die Belehrung heute morgen war, glaube ich, gar nicht von nöten — aller demagogischen Zitate enthalten. Es wäre natürlich völlig sinnlos, wenn wir, um die Meinung der französischen Regierung zu zitieren, etwa Zitate aus der Debatte nehmen würden. Wir müssen uns vielmehr auf die offiziellen Stellungnahmen in dieser Kammerdebatte, d. h. auf die der Berichterstatter und der Minister, beschränken. Ich erlaube mir also, in bezug auf die Hohe Behörde und die Ruhrbehörde den Berichterstatter Coste-Floret zu zitieren. Er sagte zu diesem Punkt:
Wenn man die Zusammensetzung der Hohen Behörde, wie sie sich aus dem Vertrag ergibt, mit der Ruhrbehörde vergleicht, dann wird man feststellen, daß die Hohe Behörde für Frankreich nicht ungünstiger ist als die Ruhrbehörde.
Und weiter:
Während die Hohe Behörde mit Mehrheit entscheiden wird, erforderte die Ruhrbehörde qualifizierte Mehrheit. Wenn die Ruhrbehörde sich nicht mehr einschaltet, dann wird die Hohe Behörde sie ersetzen. –
— Das ist völlig klar, es handelt sich aber — —
— Nein, es ist kein Unterschied, Herr von Merkatz; denn die wesentlichen Kohlelieferungen gehen ja an die Signatarstaaten des Schanplans und die geringeren Kohlelieferungen an sogenannte dritte Länder.
— Einen Augenblick, Sie müssen mich wenigstens auf Ihren Zwischenruf zu Ende reden lassen. — Die geringeren Mengen gehen an sogenannte dritte Länder, deren Belieferung ja gerade in der Knappheitssituation durch die Hohe Behörde eingeschränkt oder aufgehoben werden kann. Deshalb ist dieser Vergleich zwischen Ruhrbehörde und Hoher Behörde durchaus berechtigt. Herr CosteFloret hat sich in diesem Punkte leider nicht geirrt.
Herr Minister Blücher hat es von seiner Person aus zu schärfstem Protest bezüglich der Ruhrbehörde kommen lassen und ist für seine Person aus der Ruhrbehörde ausgetreten. Ich möchte Sie fragen, Herr Vizekanzler: Können Sie, wenn Sie hier abgestimmt haben, hinterher auch wieder aus der Hohen Behörde austreten? Sie können für Ihre Person ein solches Rückzugsgefecht tun, um vielleicht Ihr Gesicht zu wahren. Sie können aber auf Grund der Abstimmung, die Sie hier doch für das - ganze deutsche Volk vornehmen, auf Jahrzehnte den Rückzieher, den Sie in ' der Ruhrbehörde gemacht haben, nicht tun. Sie müssen sich also wegen der Konsequenzen Ihrer Politik überlegen, ob Sie hier zustimmen können, nachdem Sie aus der Ruhrbehörde so durch ein Hintertürchen geschlüpft sind.
— Das ist eine Diskussion, die Sie hier oben führen
müssen.
Das sind doch keine Zwischenrufe; das sind doch ganze Erzählungen.
Nun weiter zu den Handelsvertragsverhandlungen, die insbesondere auch vom Herrn Bundeskanzler angesprochen worden sind. Der Herr Bundeskanzler meint, in diesen Handelsvertragsverhandlungen gehe es nach der Darstellung der SPD nur um sogenannte Kompensationsverträge. Nein, das wären nur Ausnahmen, auf die man hier nicht einzugehen brauchte. Hier handelt es sich aber um die regulären Handelsverträge, so wie sie laufend verhandelt werden. Zu diesem Zweck möchte ich Ihnen zu den jetzt laufenden deutschfranzösischen Handelsvertragsverhandlungen ein neues Zitat aus der „Deutschen Zeitung" vom 5. Januar vorlesen.
Die „Deutsche Zeitung" berichte darüber, wie heute im deutsch-französischen Handelsvertrag um die Kohle gefeilscht wird. Dort heißt es:
Bei den deutsch-französischen Handelsvertragsverhandlungen, die seit Anfang Dezember in Paris im Gange sind, steht wieder einmal das Feilschen um die deutsche Kohle im Mittelpunkt.
Und weiter:
Wenn man darüber wochenlang verhandelte, so tat man es in dem Bestreben, über die Kohle zu gegenseitig zufriedenstellenden Ergebnissen für die Lieferungen oder die Aufnahme anderer Erzeugnisse zu kommen. Deutschland wünscht von Frankreich Phosphate, Zucker, Fleisch, Eisenerz, während Frankreich. darauf Wert legt, eine Reihe nicht lebenwichtiger Erzeugnisse in größeren Mengen in Deutschland abzusetzen, wie Obst und Gemüse, Wein, Luxusartikel.
Das bedeutet, daß die Kohle in den Handelsvertragsverhandlungen de facto die entscheidende Rolle spielt.
Dagegen hat Herr Preusker in seinem HurraLiberalismus eingewendet: wenn eine vollständige Liberalisierung durchgeführt werden sollte, dann wäre das ja alles nicht mehr nötig, und das sei das, was Sie erstreben. Herr Preusker, in diesem Bestreben — das wissen Sie — sind wir beide völlig einer Meinung. Nur: Sie müssen ja von Ihren Wunschträumen, wenn Sie Handelsverträge begutachten, zu den Tatsachen zurückkehren, und wenn Sie bei den Tatsachen bleiben, dann zeigt es sich, daß eine vollständige Liberalisierung weder erreicht wurde noch augenblicklich, aus welchen Gründen auch immer, gar nicht im Bereich der Diskussionsmöglichkeiten liegt. Wenn also Ihr Wunschtraum und auch etliche andere Wunschträume in Erfüllung gingen, dann wäre die Situation so, wie sie heute leider nicht ist.
Und sehen Sie: wenn Sie die Liberalisierung der Kohle durch diesen Schumanplan faktisch durchführen sollten, dann wäre doch konkret die Gegenfrage zu stellen: welche Gegenleistung mit anderen wichtigen Rohstoffen wird denn durch diesen Schumanplan ebenfalls liberalisiert?
Denn das haben wir ja nun gerade zur Genüge erfahren, daß Liberalisierungen ohne Gegenleistungen völlig zu unserem Nachteil ausschlagen würden, und das war ja auch das negative Ergebnis des vergangenen Februars.
Nun hat Herr Bundeskanzler Adenauer für die Exporte von Kohle das Argument gefunden: Ja, wenn wir exportieren, dann bekommen wir Devisen, und dann können wir alles andere kaufen. Das ist leider ebenfalls nicht in diesem Maße vollgültig. Sehen Sie: wenn wir Kohle verkaufen, ohne in Handelsvertragsverhandlungen festzulegen, daß wir ebenso harte, ebenso wertige, knappe Waren bekommen, sondern einfach französische Franks bekommen, dann erhalten wir eine „weiche" Währung, für die wir nur weiche Waren, nämlich Obst, Gemüse und Kosmetika einkaufen können, und dann haben wir nicht das, was wir brauchen, um für die deutsche Industrie alle wichtigen Rohstoffe zu bekommen.
— Diese Erzeugnisse — Obst und Gemüse — sind sehr wichtig und sind sehr angenehm; aber Sie werden mir zugeben, daß sie nicht ausreichen, um unsere Industrie in Gang zu halten.
— Sie haben nicht zugehört! Lesen Sie nachher . das Protokoll! Ich habe etwas anderes gesagt.
Der nächste Punkt, der in dem SchumanplanVertrag überhaupt nicht behandelt wird, ist die Frage der Kohleeinfuhren aus Nordamerika. Sie wissen, daß wir unsere Industrie in dem heutigen Umfang nur laufen lassen können, wenn wir eine erhebliche Zulieferung amerikanischer Kohle zu etwa dem doppelten Preis, den deutsche Kohle heute hier kostet, bekommen. Unsere Industrieausweitung wäre ohne diese Kohleimporte nicht möglich. Frankreich ist natürlich in genau derselben Situation und muß sich ebenfalls bemühen, ausländische Kohle hinzuzukaufen. Über diesen Fall sagte derselbe Berichterstatter in der französischen Kammer, Herr Coste-Floret, folgendes:
Es ist kein Geheimnis, daß Großbritannien aus
der Reihe der Kohlenexporteure ausgeschieden
ist. Polen befindet sich auf der anderen Seite
des Eisernen Vorhangs. Man muß in Dollar
so viel für die amerikanische Kohle zahlen,
die wegen der Fracht so teuer ist, daß wir
Importe im großen Ausmaß nicht ins Auge
fassen können. Wir
— die Franzosen —
sind daher gezwungen, unsere Kohle in Deutschland, von der Ruhr zu beziehen,
also die billige Kohle einzuführen,
In diesem Zusammenhang ist die Frage völlig offen, wer die Hohe Behörde daran hindert, künftig zu entscheiden, daß Deutschland weiterhin wie bisher die teure amerikanische Kohle kauft und dafür weiterhin, ebenfalls wie bisher, die billige deutsche Kohle an Frankreich liefert. Das ist eine reine Mehrheitsentscheidung, und da müssen Sie sich die Interessengegensätze, die zwischen den deutschen und den übrigen Teilnehmern de facto bestehen, vor Augen führen, um die Entscheidung darüber vorauszuahnen. Es hieße nämlich nur, die heutige Benachteiligung der Deutschen dadurch, daß sie die teure Kohle kaufen müssen, beizubehalten.
— Das wäre im Gegensatz zu einem Geist, den Sie
in diesen Vertrag vielleicht hineininterpretieren.
— Dieser Vertrag hat mit Geistern überhaupt nichts zu tun, sondern mit wirtschaftlichen Tatsachen, und Sie wissen: wo Geschäfte abgeschlossen werden, da halten sich die guten Geister meistens nicht auf; da wird gerechnet, und da wird, wie Herr Etzel sagt, gebucht!
Das wissen Sie doch nicht zum wenigsten aus Ihrer eigenen Geschäftspraxis.
Nun lassen Sie mich noch einmal auf -die nächste Frage eingehen: die Erzimporte, die für Deutschland notwendig sind. Deutschland könnte im Rahmen des Schumanplans die Erze aus Frankreich im wesentlichen bekommen. Zu diesem Punkt nun äußert sich ebenfalls der französische Finanzminister, Herr Mayer. Er sagt dazu:
... die Vorkommen in Mauretanien, deren Erz
in seiner Qualität zumindest dem von Algerien
entspricht, — sie alle bilden eine kostbare Reserve für die Zukunft und Faktoren von Gewicht für internationale Handelsvertragsverhandlungen. Wir haben mit voller Absicht,
wenn auch, glauben Sie mir, manchmal nicht
ohne Mühe, erreicht, daß diese Elemente des
Nationalvermögens der Französischen Union
nicht in die Gemeinschaft eingebracht wurden.
Angesichts dieser Tatsache will uns der Verteiler der witzigen kleinen Broschüre, die heilte morgen verteilt wurde — offenbar um Abgeordnete noch in zwölfter Stunde zu überzeugen —, mit ihrem letzten Bild auf der Rückseite noch weismachen, daß die Möglichkeiten Afrikas mit zum Wohlstand Europas beitragen könnten. Es heißt da: „Willkommen" — für die Europäer offenbar — „in Afrika!" Ich frage Sie nun bescheiden: warum hat Frankreich diese Gebiete, von denen hier die Rede ist, denn nicht mit in den Vertrag eingebracht? Die Deutschen haben sie doch wohl sicher nicht daran gehindert; sondern ihr nationales Interesse, wie Herr Mayer das hier ganz klar gesagt hat, hat sie davon abgehalten, hat sie dazu bewogen, ihre Handelsvertrags-Faustpfänder weiterhin in der Hand zu behalten.
Also: Erz haben wir von dort nicht zu erwarten. Wir haben Erz auch nicht etwa aus den Minettegebieten Lothringens zu erwarten, wie einige Optimisten behauptet haben. Hierzu hat sich Herr Mayer auch geäußert und gesagt:
Es gibt unter den Vollmachten der Hohen Be-
hörde keine, die sie berechtigt, die Erzgruben
in Lothringen zu zwingen, mehr Erz herauszuholen, als sie selbst wollen.
— Uns können sie allerdings zwingen mit dem faktischen Interessengegensatz und der faktischen Mehrheit der anderen gegenüber den Deutschen. Sie haben nicht die Chance, daß Sie für die Kohlenlieferung Erz aus Frankreich erhalten. Sie haben nicht die Chance, in der Mangelsituation Erze in ausreichendem Maße von sogenannten dritten Ländern zu erhalten.
Ich möchte bei dieser Frage Afrikas übrigens noch eine kleine Frage am Rande einschließen: Was hindert eigentlich Frankreich, dessen afrikanischer Besitzteil Algerien staatsrechtlich ein Teil des Mutterlandes ist, aber als Teil des Mutterlandes sich nicht innerhalb der Montan-Union befindet, nichterlaubte Ausfuhren in einer Mangellage an sogenannte dritte Länder, also an Amerika, England oder sonstwohin über Algerien vorzunehmen? Die Lieferungen vom Heimatland auf dem europäischen Kontinent nach Algerien sind in jedem Falle frei, und in Algerien wiederum hat die Hohe Behörde kein Einspruchsrecht mehr. Hier ist also für den französischen Außenhandel offenbar eine Hintertür gelassen worden.
— Sie haben nochmal das Podium, und dann können wir weiter diskutieren.
Die andere denkbare Situation ist das Gegenteil der Mangellage, die Überflußlage, die Krise, die Situation, wo jedermann versucht, seine Waren abzusetzen. In dieser Situation, wird gelegentlich erwidert, ergäben sich die deutschen Chancen, die in der Mangellage Deutschland offenbar nicht zugebilligt werden, hier also seien die Gegenleistungen für die bevorzugte Belieferung der Unionsländer in der Knappheitssituation, und zwar in Form des gesicherten Absatzes deutscher Kohle in einer Krisensituation. Diese Behauptung entbehrt leider der Unterlagen in dem Text des Vertrages. In dieser Situation — das ist der Art. 58 — wird der Lieferanteil sogenannter dritter Länder, also nicht zur Montan-Union gehörender Länder, absolut geschützt. Das heißt: wenn England in einer Krisensituation in dem Montan-Union-Gebiet in dieses Gebiet hineinliefern will, so hat es in einem noch festzulegenden Umfang das Recht — dieses Recht wird ihm nach Art. 74 ausdrücklich bestätigt — dazu. Aus dieser Tatsache erklärt sich auch, Herr Bundeskanzler, Englands platonische Liebe zum Schumanplan: weil es seine eigenen Interessen in diesem Falle geschützt bekommt.
Wie aber ist es für Deutschland selber mit seinen Lieferungen innerhalb der Montan-Union während der Krise? Dort haben wir keine Absatzgarantien, sondern im Gegenteil Produktionsquoten; d. h. für Deutschland und für die anderen wird gesagt: ihr dürft nur eine bestimmte Menge produzieren, mehr nicht, das wird euch nicht abgenommen. Diese Produktionsquoten werden, wie es im Vertrag heißt, nach einer angemessenen Basis festgelegt werden. Diese angemessene Basis ist also eine Größe, die bisher nicht näher erklärt worden ist und die zu entscheiden offenbar der Hohen Behörde vorbehalten bleibt.
Da komme ich wieder auf mein Hobby, Herr von Rechenberg: die Hohe Behörde wird in dieser
Situation entsprechend der Zusammensetzung der I Interessenten selbstverständlich für eine niedrige deutsche Quote stimmen. Das könnte man den Leuten ja noch nicht einmal übelnehmen, wenn sie innerhalb ihres geschäftlichen Interesses so handeln würden.
— Nein, dann würde das ja in dem Vertrag stehen. In dem Vertrag stehen doch so furchtbar viele Worte drin; dann könnte man den kleinen Satz ja auch hineinbringen, daß Deutschlands Produktionsquote nicht diskriminierend sein dürfe. Das steht da leider nicht drin.
— Zitieren Sie ihn, und wir werden uns weiter sprechen.
Diese Situation, die uns die Außenhandelsförderung in der heutigen Lage des Mangels beschneidet und die uns in der Krise die Produktionsquoten festlegt, verhindert natürlich auch eine aktive Handelsbilanz. Ich möchte darauf hinweisen, daß eine aktive Handelsbilanz für Deutschlands Situation der absoluten Ausfuhr- und Einfuhrabhängigkeit die unbedingte Voraussetzung für eine autonome deutsche Konjunkturpolitik innerhalb einer Krise wäre. Daß hier eine Krisenbekämpfung durch diesen Plan stattfindet, was behauptet wird, ist, jedenfalls soweit es den Außenhandel anlangt, in keiner Weise festzustellen.
Lassen Sie mich nun zu einem nächsten Thema, dem der Devisenkurse, kommen. Herr Preusker errechnet in seinem ,sehr dankenswerten Bericht erheblich billigere deutsche Eisenpreise im Vergleich zu den Eisenpreisen Frankreichs. In den Verhandlungen über den Schumanplan errechnete I man erheblich höhere belgische Kohlenpreise, für die Deutschland Ausgleichszahlungen zu leisten hätte. Bei de Rechnungen basieren auf sogenannten fiktiven Börsenkursen, d. h. auf zwangsweise festgelegte Börsenkurse und entsprechen nicht den wirklichen Kaufkraftrelationen. Aus diesem Grunde hat Herr Dr. Henle wahrscheinlich auch schon auf eine notwendige Freigabe der Devisenkurse hingewiesen. Die Situation heute ist, daß sowohl der französische als auch der belgische Franc gegenüber der deutschen Mark überwertet sind, und das bedeutet real gesehen, daß das Ruhreisen faktisch nicht so billig ist, wie Herr Preusker errechnet, und daß die Ausgleichszahlungen, die Deutschland an Belgien zu leisten hat, nach den wirklichen Devisenkursen viel zu hoch angesetzt worden sind.
Wenn man — dieses Problem ist innerhalb des Schumanplans leider auch überhaupt nicht gelöst —
eine Freigabe des Handels für diese wichtigen Produkte haben will, so muß man weiter gehen und eine gemeinsame Währungsrelation, die nicht auf Zwangskurse eingestellt ist, akzeptieren. Wie Sie wissen, ist bei der letzten Abwertung der europäischen Devisen und der deutschen Mark die deutsche Mark absichtlich falsch bewertet worden, eben um solche Devisenvorteile für das Ausland festzulegen.
Lassen Sie m: ch zu einem anderen Gedanken überwechseln. Die Kohle- und Stahl-Union bedeutet offenbar eine Benachteiligung der deutschen Interessen und der deutschen Aussichten. Man könnte sich damit trösten, wenn man sagt — und das wird gelegentlich getan —, Kohle- und Eisen-Union ist nur der Anfang einer allumfassenden
europäischen wirtschaftlichen Integration. Man führt weitere Pläne für diese Integration an, nämlich eine europäische Transportbehörde und eine europäische Agrarbehörde. Sehen Sie, hier zeigt sich, daß man es nicht auf eine gleichwertige gleichberechtigte Abwägung der Interessen abgesehen hat, sondern daß man bei der Transportbehörde und bei der Agrarunion ebenfalls wieder einzelne Sektoren der Gesamtwirtschaft herauszieht, auf denen Deutschland offenbar Schwächepunkte hat. In der Transportbehörde ist es die durch den verlorenen Krieg bedauerlicherweise transport- und verkehrsmäßig exzentrische Lage Deutschlands, die Deutschland in einer europäischen Transportbehörde ganz offenbar gegenüber dem geographischen Zentrum dieses Gebildes benachteiligt. Bei der Landwirtschaft ist es ganz offenbar die von den Herren Vertretern der Landwirtschaft auch immer mit soviel Worten herausgestellte natürliche klimatische Benachteiligung der deutschen Agrarprodukte, z. B. des Weins, gegenüber der französischen Produktion. Wenn man es mit der europäischen wirtschaftlichen Integration ehrlich meint, dann müßte man andere Integrationsvorschläge machen. Ich möchte aus der Fülle der Möglichkeiten nur zwei erwähnen. Man müßte nämlich einen gemeinsamen Markt z. B. für die Maschinenindustrie in Europa und einen gemeinsamen Markt für die Elektroindustrie herstellen.
Dann hätte man gegenüber den Schwächen der bisherigen Integration
auch Chancen für die deutschen Ausfuhrmöglichkeiten. Sie werden feststellen, daß die Gegenliebe zu diesen Vorschlägen
- Sie kommen gleich dran, Herr Albers — bei den Franzosen absolut null ist und daß Sie mit solchen Vorschlägen keinen Erfolg haben.
— Nun, von unserer Seite ist es doch gerade vorgeschlagen. Dann können Sie nicht sagen, wir sind dagegen. Das entbehrt doch jeder Logik, die Sie doch sonst in ausreichendem Maße haben.
Ich glaube, daß der gegenwärtig zu ratifizierende Plan eine Fortführung der Sieger-BesiegtenUnterwerfungspolitik im wirtschaftlichen Raum bedeutet. Statt dessen sollte für eine europäische Gemeinschaft die Aufgabe aller international denkender Menschen sein, die wirklich bestehenden Interessengegensätze anständig und fair auszuhandeln. Wir sind der Meinung, ein solcher Interessenausgleich wäre möglich, aber er ist in diesem Vertrag leider nicht gegeben worden.
Herr Dr. Preusker, wollen Sie als Berichterstatter das Wort nehmen?
Als Berichterstatter Herr Abgeordneter Dr. Preusker!
Meine Damen und Herren! Herr Kalbitzer, ich möchte doch zu den Artikeln 58 und 59 an Hand des Vertrags selbst einige Ihrer Ausführungen jetzt als Berichterstatter widerlegen. Sie sagten, was gibt die Garantie, daß nicht in einer Mangellage etwa über Algier Ausfuhren vorgenommen werden. Diese Garantie gibt nach dem effektiven Wortlaut des Vertrags Art. 59 Abs. 5, wo es heißt, daß in sämtlichen Mitgliedstaaten Beschränkungen für die Ausfuhr nach dritten Ländern eingeführt werden können. Algier rechnet nach dem Art. 79 des Vertrags in diesem Falle, weil es außerhalb der Montan-Union steht, genau so als drittes Land wie irgendeine andere fremde Macht, etwa Schweden oder Großbritannien oder welche es sonst sein mag. Der Ausdruck „dritte Länder" ist nach dem Vertrag unter allen Umständen nicht dahin zu begreifen: Ausland — Inland, sondern als ein vertragsrechtlicher Begriff dahin zu verstehen: zum Vertragsgebiet gehörig oder nicht zum Vertragsgebiet gehörig.
— Aber gern. In Art. 79 heißt es:
Dieser Vertrag findet auf die europäischen Gebiete der Hohen Vertragschließenden Teile Anwendung. Er findet ebenso auf die europdischen Gebiete Anwendung, deren auswärtige Angelegenheiten ein Unterzeichnerstaat übernimmt; . . .
Die Saar brauche ich in dem Zusammenhang nicht aufzuführen.
— Das hat ja damit gar nichts zu tun; ich glaube, über das Problem denken wir genau so. — Algier ist kein europäischer Teil; folglich finden auf ihn die Bestimmungen über „dritte Länder" Anwendung.
Dann die Frage des Art. 58, die Krisenlage. Sie sprachen davon, nach dem Vertrag sei nicht gesichert, daß „angemessene Quoten" eine Benachteiligung Deutschlands ausschließen. Ich darf aus dem Vertrag zitieren, daß bei Festsetzung angemessener Quoten „die in den Art. 2, 3 und 4 genannten Grundsätze zu berücksichtigen" sind. Der wesentlichste Grundsatz des Art. 4 ist der der Nicht-Diskriminierung; denn da heißt es in 4 b): „Maßnahmen oder Praktiken, die eine Diskriminierung zwischen Erzeugern oder Käufern oder Verbrauchern herbeiführen". In Art. 3 ist unter allen Buchstaben das gleiche zum Ausdruck gebracht worden. In Art. 2 ist im Schlußsatz weiter ausdrücklich als Pflicht festgelegt, „zu vermeiden, daß im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten tiefgreifende und anhaltende Störungen hervorgerufen werden". Es ist also auf alle Fälle im Vertrag selbst durch die Zitierung der Art. 2, 3 und 4 in dem gleichen Satz, in dem über die Festsetzung der angemessenen Quoten gehandelt wird, justitiabel sichergestellt, daß eine Diskriminierung unterbleibt.
Zum zweiten sprachen Sie davon, daß die Produktionsquoten eine gewisse Starrheit besitzen und uns deshalb in unserer handelspolitischen Entwicklung behindern könnten. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß der Vertrag die Quotenüberschreitung ausdrücklich gestattet und daß in diesem Fall nur eine Ausgleichszahlung geleistet werden muß. Daran knüpfte sich ja im Ausschuß noch die Diskussion, ob es möglich ist, Quotenkäufe vorzunehmen. Da insbesondere in der Krise die Ausfuhr und ebenso in der Mangellage die Einfuhr außerhalb der Funktionen der Hohen Be-
hörde bleibt, ist also mit Hilfe der zulässigen Quotenüberschreitungen entsprechend den handelspolitischen Chancen die Ausnutzung aller Ausfuhrmöglichkeiten gewährleistet.
— In die Vertragsstaaten?! Das ist ja gerade das deutsche Interesse in der Krise, wie ich gestern ausführen durfte, daß die Marktanteile, wie sie vorher bestanden haben, weiterhin gesichert sind, daß Deutschland gegen, eine Abschließung seines Marktes vom französischen in dem Falle geschützt bleibt, in dem etwa die Franzosen ausschließlich ihre Kohlenförderung hochhalten wollten, oder in dem Falle in dem die französischen Eisenbahnen nicht mehr wie früher deutsche Kohle beziehen wollten. Die Franzosen sind in dem Falle des Art. 58 vertraglich verpflichtet, genau die gleichen Einschränkungen auf sich zu nehmen, wie das Deutschland innerhalb der Montan-Union auch tun muß.
Lassen Sie mich Ihnen zum Schluß in bezug auf den Vertrag noch etwas zur Antwort geben. Sie sagten: Ja, die Vergleichsrechnung der Preise basiert auf fiktiven Börsenkursen. Das ist sicherlich zum Teil richtig. Wenn auch diesen Preisvergleichen nicht die amtlichen Börsenkurse, sondern die effektiven Ausfuhrkurse, die ja von den ersten diff erieren, zugrunde gelegt worden sind, so ist immerhin selbst in der französischen Kammer — ich darf auch einmal hier als Zitator auftreten — erklärt worden, daß, bei den Franzosen die Kosten der Stahlproduktion zur Zeit um 25 % höher als in Deutschland liegen. Aber wenn eine Währungsabwertung in Frankreich oder in Belgien jetzt erfolgt, was durchaus im Bereich der Möglichkeit liegt, weil die Zahlungsbilanz Frankreichs zur Zeit weniger gut ausgeglichen ist als die Deutschlands, dann gibt der Art. 67 des Vertrages gerade für den Fall einer solchen Maßnahme der Hohen Behörde das Recht, vielmehr, er legt ihr sogar die Verpflichtung auf, Frankreich aufzufordern, die Auswirkung dieser Währungsabwertung auf Kohle und Stahl, Erze und Schrott, also auf alle Dinge, die dem Montan-Union-Vertrag unterliegen, durch andere Maßnahmen auszugleichen. Das heißt: in dem Falle müßte die Hohe Behörde etwa die Anweisung geben, .daß Frankreich seine Preise für Kohle und Stahl in einem ähnlichen Verhältnis heraufsetzt, in dem es die Währungsabwertung vorgenommen hat.
— Herr Kalbitzer, ich durfte gestern im Bericht feststellen, daß das zweifellos der schwächste Punkt des ganzen Vertrags ist und daß — je nach unserer verschiedenen Auffassung — im Ausschuß zum Ausdruck kam, wie man die Lösung suchen will, nämlich durch weitere Integration — ich freue mich, daß Sie den Maschinenbau und die Elektroindustrie genannt hatten, da bin ich auch sofort dafür —, oder aber indem man alles zurückdreht — dafür war die Mehrheit nicht. Aber die Verpflichtung zu Ausgleichsmaßnahmen, wenn einseitig Währungsabwertungen erfolgen, ist in den drei schematisch konstruierten Fällen des Art. 67 niedergelegt. .
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion wird mit zwei Rednern zu diesem Gegenstand sprechen. Ich bin deshalb genötigt, mich nicht so streng an die Gliederung, wie sie vereinbart worden ist, zu halten, sondern auch einige allgemeine Bemerkungen zum Schumanplan zu machen.
Der Schumanplan ist der Anfang einer Verfassung für Europa. An ihn müssen wir deshalb auch ähnliche Anforderungen stellen, wie wir sie an eine Verfassung zu stellen haben. Entspricht er diesen Notwendigkeiten? Wir leben in einem Zeitalter der Krise des organisch gewachsenen und echten Menschentums. Der Apparat und die Organisation treten an dessen Stelle. Organisch gewachsene Einheiten werden in ihrer Bedeutung schwaçh. Das gilt für die Familie, für die Nachbarschaft und auch für die Gemeinden. Dabei haben die Funktionen des Gemeinschaftslebens in erheblichem Maße zugenommen. Diese Aufgabengebiete werden jetzt aber nicht mehr durch die natürlich gewachsenen Gebilde erledigt, sondern zweckhaft und rational organisiert. Krankheits- und Altersfürsorge, Hygiene, Normung, Standardisierung, öffentlicher Wohnungsbau, Lenkung von Wirtschaft und Produktion, Verteilung nach innen und außen, sind Kennzeichen der neuen. Organisationsgebiete.
Diese Entwicklung ist weltweit. Ihre formalen, rationalen Prinzipien sind sogar auswechselbar. Als Beispiel nenne ich das formale Prinzip des Marshallplans, das aufgegriffen und beantwortet wurde im Molotowplan. Der Mensch gelangt immer mehr unter den Einfluß der Organisation und damit des formalen Prinzips der Macht, geboren aus Rationalismus von Wissenschaft und Technik.
In diesem Geiste des Rationalismus und des Funktionalismus ist auch der Schumanplan erdacht und ausgearbeitet worden. Er schafft neue supranationale Macht, ohne Angst zu haben, daß hiermit ein Machtmißbrauch verbunden sein könnte, und ohne diesen Machtmißbrauch durch ethische Normen oder entsprechende Kontrollorgane zu begrenzen. Wenn man von diesem Plan spricht, so spricht man von Macht, von vorteilhaftem Geschäft, von Nachteil, von rationellen Organisationsprinzipien. Sichern uns aber nicht eventuell andere Unwägbarkeiten vor etwaigem Machtmißbrauch einer solchen neuen supranationalen Machtkonzentration, z. B. die vielberufene europäische Tradition? Ich fürchte, nein! Der religiöse und ethische Gehalt unserer europäischen christlichen Tradition ist nicht mehr so dicht und allgemein verbindlich, daß er Sicherheit bieten könnte.
Wer will beispielsweise die Gewähr dafür übernehmen, daß nicht in einzelnen Mitgliedstaaten des Schumanplans kommunistische Experimente gemacht werden? Oder wer will die Gewähr dafür bieten, ,daß ein echtes Verantwortungsbewußtsein bei allen Mitgliedern der Hohen Behörde nicht zurückgedrängt wird zugunsten eines nationalen Egoismus bei allen diesen Persönlichkeiten.
Es ist eine Tatsache, daß die Zunahme der technischen Mittel der Machtausübung im umgekehrten Verhältnis zur Abnahme des Verantwortungsbewußtseins steht. Die NS-Diktatur hat bewiesen, daß die Macht des Geistes gering ist und daß sie sich gegen den brutalen Gewaltwillen unserer Zeit nicht durchsetzen kann. Ob deshalb der Schuman-plan als Erzeugnis bloß rationalen Machtdenkens das hält, was man sich von ihm verspricht, hängt davon ab, ob die verantwortlichen Leiter ein neuer
Geist erfüllen wird, und ob die formalen Bremsen des Machtmißbrauchs, die er enthält, auch ausreichend sind. Je besser diese Bremsen, umso besser ist auch die Wirkung auf das Gewissen der Verantwortlichen. Denn nichts korrumpiert auch die Seele so leicht wie der Besitz und der Gebrauch der Macht an sich. Je größer die Macht, desto leichter die Versuchung, sich ihrer zu bedienen, es sich leicht zu machen und Zwang auszuüben, statt zu überzeugen. Jeder nicht sachgerechte Zwang muß aber eine unheilvolle Kettenreaktion des Widerstandes, des verstärkten Zwanges usw. auslösen.
Die Anwendung der Machtmittel de Hohen Behörde muß nicht zwangsläufig zu diesem befürchteten Machtmißbrauch führen und braucht nicht in einen monströsen Überstaat zu enden. Wir Menschen sind es, die aus menschlicher Freiheit die Richtung des Machtgebrauchs bestimmen. Wir selbst sind für Gut und Böse verantwortlich und damit verantwortlich dafür, was aus diesem Werke wird.
Die Richtung des Machtgebrauchs des Schuman-plans ist in den ersten Artikeln festgelegt. Reicht aber diese Festlegüng aus? Werden die Wünsche und die Sehnsucht des kleinen Mannes nach Frieden und Freiheit damit eher erfüllt werden können? In dem Art. 2 heißt es, daß der Plan zur Ausweitung der Wirtschaft, zur Steigerung der Beschäftigung und zur Hebung der Lebenshaftung beitragen soll. Schon die Tatsache, daß diese Ziele — Ausweitung der Wirtschaft, Steigerung der Beschäftigung, Hebung der Lebenshaltung — rein rationale Ziele sind, die sich auch eine kommunistische oder auch eine sonstige Diktatur stellen könnte, zeigt, daß diese Zielsetzung allein unser Ideal nicht befriedigen kann. Wo finden wir in den grundlegenden Artikeln des Plans den Willen zum Maßhalten, die Pflicht zur Verantwortung und zur Unterordnung der Macht unter das Menschentum? Wo sind Menschenwürde und Werkgerechtigkeit erwähnt? Wo finden Sie die Forderung der Sicherstellung von Familien, von sozialer Gerechtigkeit, von Privateigentum, die Bindung des Plans an die Bewahrung von Frieden und Freiheit?
Wo finden Sie alle diese Dinge, die in den Grundrechten einer Verfassung aufgeführt sein sollten und insbesondere auch in den ersten Artikeln des Schumanpians aufgeführt sein müßten, wenn nicht der Plan als bloß rationale und formale Organisation in die Gefahr kommen soll, einmal zu unmenschlichen Zielen ausgenutzt werden zu können? Ist nun auch organisatorisch das Mögliche und Notwendige getan, um Machtübermaß und Machtmißbrauch zu verhindern? Der Hohe Gerichtshof kann bei einzelnen Mitgliedstaaten, jedoch nicht bei Verletzungen der Rechte einzelner 'Menschen, einzelner Einwohner der Mitgliedstaaten angerufen werden. Er scheidet hier aus. Wie nun, wenn in allen Mitgliedstaaten die Hohe Behörde sich als eine. Union der starken Hand auswirken sollte und die vorerwähnten Prinzipien nicht beachten sollte, wenn z. B. ein übergroßer Teil des Sozialprodukts — in sämtlichen Mitgliedstaaten wohlgemerkt — den Wirtschaftszweigen Kohle und Stahl zugeführt wird und andere Wirtschaftszweige darunter zu leiden haben? Oder wenn Quotenregelungen zugunsten bestimmter öffentlicher Verwendungszwecke — ich will hier gar nicht deutlicher werden — festgelegt werden und der Endverbraucher darüber zu kurz kommt? Wer kann hier regulierend und kontrollierend eingreifen? Soweit ich sehe, niemand.
Ohne eine echte Volksvertretung europäischen Ausmaßes, von der die Hohe Behörde wie von einem Parlament abhängig ist, handelt es sich bei ihr um eine autoritäre Einrichtung, eine Union aus starken Männern. Sie ist eine Art Regierung, die umfassende Vollmachten hat und die Machtfülle, wie sie der technische Apparat den Regierungen und der Exekutive in unserem Jahrhundert ganz allgemein zuweist. Die Hohe Behörde kann vollendete Tatsachen schaffen, und an diesen vollendeten Tatsachen kann im Wirtschaftsleben dann kaum noch etwas geändert werden.
Wie soli beispielsweise ein Mißtrauensvotum zu-. Stande gebracht werden können, wenn ein Teil der Mitglieder der Versammlung aus regierungstreuen Abgeordneten eines jeden Landes und dazu vielleicht auch noch aus Interessenten ausgesucht wird? Die Funktion der Opposition in der Versammlung ist nicht gesehen oder lahmgelegt, weil sie keine echten Rechte hat.
Es gibt keine laufende Unterrichtung, keine regelmäßige Ausschußtätigkeit, keine Initiative und keine Legislative. Wenn absolute oder Zweidrittelmehrheit verlangt wird wie im Schumanplan, ist an ein Mißtrauensvotum praktisch kaum jemals zu denken.
Auch der Rat kann die Funktionen der Vertretung der Bevölkerung nicht wahrnehmen, da er selbst nur einen Ausschuß der Exekutive der Mitgliedsländer darstellt. Das ist der zweite wesentliche Fehler des Vertragswerks, die fehlende Kontrolle der Verantwortlichkeit gegenüber der Bevölkerung der Mitgliedsländer. Es ist bekannt, daß eine bessere Konstruktion von der Bundesregierung angestrebt worden ist; sie konnte nicht erreicht werden. Auch die Abänderungsbestimmungen des Vertragswerks sind so erschwerend gefaßt, daß ohne Einstimmigkeit praktisch eine Abänderung niemals möglich sein wird.
Es ist nun aber zu hoffen, daß mit Rücksicht auf die Tatsache, daß der Schumanplan nur ein wirtschaftliches Teilgebiet aus dem Gesamtwirtschaftsleben eines jeden Staates regelt,
die Hinzunahme weiterer Teilgebiete des Wirtschaftslebens der Mitgliedsländer in eine entsprechende supranationale Hohe Behörde Formulierungen ermöglichen wird, die den Notwendigkeiten, die ich eben umrissen habe, gerecht werden und die Lücken, die der Schumanplan jetzt enthält, demnächst auszufüllen gestatten.
Unter diesem Aspekt müssen auch zahlreiche wirtschaftliche Bestimmungen des Schumanplans gesehen werden. Ohne Vertrauen in die dynamische Entwicklung müßte es z. B. ganz unerträglich sein, einen Vertrag auf 50 Jahre ohne Korrekturmöglichkeit abzuschließen. Die Interessengegensätze würden sonst zu unerträglichen Kämpfen führen müssen. Wer kann heute wagen, auf so lange Vertragsdauer Verträge zu machen? Der Blick in die Zukunft ist sicher jedem Sterblichen verwehrt. Aber gerade unsere heutige Zeit ist so verworren, daß es uns schon schwierig wird, auch nur kurzfristige Planungen durchzuführen. Andererseits ist ohne die Zusage, sich jahrzehntelang an ein solches Vertragswerk gebunden zu halten, der Abschluß unmöglich. Man wird also zwischen zwei Unbekann-
ten zu wählen haben, einem Europa ohne Schumanplan und einem solchen mit Schumanplan. Die erste Alternative eröffnet so düstere Aspekte, daß die Option für den Schumanplan weniger schwierig ist, als sie es sonst wäre,
Die Höhe der Stahlproduktion im Plangebiet wird von der Verfügbarkeit an Kohle bestimmt. Heute werden amerikanische und polnische Kohlenlieferungen getätigt, die die Stahlerzeugung maßgeblich beeinflussen. Es fragt sich nun, welches Land zuerst auf die teure Importkohle verzichten soli und ob die Devisen zur Zahlung dieser Importkohle demnächst noch vorhanden sein werden. Es wird eines außerordentlichen Maßes von Verantwortungsbewußtsein bei der Hohen Behörde bedürfen, und ihre Mitglieder werden sich ganz von nationalen Sonderwünschen freimachen müssen, wenn eine Lösung, die allen Beteiligten gerecht werden soll, gefunden werden soll. Das Gesetz der Beharrung gilt j a nicht nur in der Mechanik, sondern auch weitgehend im politischen und wirtschaftlichen Leben. Da es bisher so schön mit den Zwangsexporten für die Benelux- und die französischen Interessen geklappt hat, besteht die Gefahr einer Fortsetzung dieser Exporte in. gleicher oder annähernd gleicher Höhe zunächst durchaus.
Der Fortfall der Kapazitätsbegrenzung bedeutet noch nicht,. daß die Hohe Behörde Kapitalzuleitungen nach Deutschland befürworten wird. Sie wird vielleicht nicht hindern wollen, daß wir selbst durch eigenes Kapital Kapazitäten ausweiten; zunächst ist es aber sicher im Sinne des Planes wirtschaftlicher, vorhandene Kapazitäten in einem der Teilnehmerländer — beispielsweise in Frankreich — voll auszunutzen, ehe neue Kapazitäten in Deutschland geschaffen werden. Dies selbst dann, wenn die Selbstkostenrechnung der deutschen Werke günstiger sein sollte als die der französischen. Wenn wir also auch durch den Schumanplan etwa einen gleichen Start in formaler Hinsicht erlangen, so ist doch die durch die Demontagen einerseits und den Kapazitätsausbau andererseits gegebene Kapazitätsverschiebung nicht rückgängig gemacht, sondern muß in der Konstruktion des Schumanplans einen langdauernden Einfluß ausüben. Man sollte allerdings nicht verkennen — das ist, glaube ich, ein sehr wichtiger Gesichtspunkt —, daß das französische Arbeitskraftpotential sehr beschränkt ist und daß aus diesem Grunde die Bäume dort nicht in den Himmel wachsen werden.
Die Frage der Entflechtung der deutschen eisenschaffenden Industrie wird insofern von großer Bedeutung sein, als durch die Zusammensetzung der deutschen schwerindustriellen Betriebseinheiten deren Selbstkostenrechnung und damit deren Wirtschaftlichkeit entscheidend beeinflußt werden kann. Wenn daher die deutsche Montanindustrie in die Montan-Union mit Unternehmungen eintreten muß, deren Wettbewerbskraft durch ihre innere Gliederung geschwächt worden ist, dann könnte dies eine Diskriminierung bedeuten. Ob dies aber der Fall ist, muß sich erst zeigen.
Die Frage der Absatzorganisation für den Ruhrbergbau ist auch durch die jüngsten alliierten Vorschläge und Erklärungen der Bundesregierung noch nicht gelöst. Diese Frage kann aber vielleicht zunächst auf sich beruhen bleiben, wenn die herrschende Mangellage noch längere Zeit andauern sollte. Da niemand die künftige Absatzentwicklung voraussehen kann, die Mangellage aber in der nächsten Zukunft die größere Wahrscheinlichkeit hat, kann man diese Frage vielleicht zurückstellen und erwarten, daß durch Verhandlungen eine günstige Lösung gefunden werden kann.
Die Belastung der deutschen Volkswirtschaft mit Ausgleichszahlungen stellt ein erhebliches Opfer der Gesamtwirtschaft dar, der Gesamtwirtschaft, die nicht nur durch Kokslieferungen trotz vorhandenen Eigenbedarfs bereits erhebliche Opfer bringt, die nicht nur durch Hinnahme der vorhandenen Startungleichheit eine nur langfristig zu behebende ökonomische Benachteiligung erwarten läßt, sondern die auch noch bares Geld dazu tut, nämlich durch den Verkauf der Kohle unter Weltmarktpreis, um diesen Vertrag überhaupt zu ermöglichen.
Alle diese Opfer sind nur dann gerechtfertigt, wenn der volkswirtschaftliche Ertrag über die Opfer hinaus nachhaltig und langfristig gesteigert werden kann, die menschliche Freiheit gefördert und der Friede durch den Vertrag gesichert werden kann.
Die im Plan selbst vorgesehenen Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität sind dazu nicht die wichtigsten, Die wichtigste Maßnahme überhaupt dürfte die durch den Plan ermöglichte Heranziehung von Auslandskapital in einem Maße sein, wie es bisher einfach unmöglich war. Wenn allein die deutsche Kohleindustrie einen Investitionsbedarf von rund 5 Milliarden, die Stahlindustrie einen solchen von 21/2 Milliarden hat, so zeigen diese Zahlen, daß derartige Kapitalbeträge im Inland überhaupt nicht, sondern nur durch Auslandshilfe aufgebracht werden können. Hier wird der eigentliche Schlüssel zum Gelingen des Schumanplans zu suchen sein. Hier werden auch die anderen Schwierigkeiten, die sich durch den Schumanplan noch ergeben werden, gelöst werden können, die sonst scheinbar ganz unlösbar sind.
Die Regelung eines Teilmarktes, wie es der Kohle- und Eisenmarkt ist, muß Rückwirkungen auf alle übrigen Produktionszweige und Verteilungswege der Volkswirtschaft in einem bisher noch gar nicht absehbarem Ausmaß zur Folge haben. Es ist undenkbar, daß in einem Teilnehmerland eine konservative Geld- und Preispolitik geführt wird, während in einem anderen Land die Theorie des billigen Geldes die praktische Wirtschaftspolitik bestimmt. In diesem Fall müßte notwendigerweise die Bezahlung der Lieferungen an Kohle und Stahl innerhalb der Mitgliedsländer auf große Schwierigkeiten stoßen und früher oder später ganz unmöglich werden, weil ein Austausch der gegenseitigen Lieferungen nicht mehr möglich sein wird. Das Beispiel der Pariser OEEC hat dies zur Genüge bewiesen. Nicht nur eine einheitliche Preisbildungspolitik innerhalb der Mitgliedsländer ist erforderlich, sondern ebenso ein entsprechender Zahlungsapparat mit den notwendigen Barreserven, um etwa auftretende Spitzenbeanspruchungen ausgleichen zu können. Nach den Bestimmungen des Abkommens sind die Mitgliedsstaaten in dieser Beziehung jedoch völlig selbständig, so daß der Schumanplan schon nach ganz kurzer Zeit funktionsunfähig werden und von der Bezahlungs-
und Devisenseite einfach zum Stillstand gebracht werden kann, wenn hier nicht alsbald zusätzliche Abmachungen getroffen werden.
Die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik der einzelnen Mitgliedsländer beeinflussen in entscheidender Weise den Ausgleich der Handelsbilanz
unter ihnen überhaupt und auf allen Warensektoren. Bei verschiedener Politik auf diesem Gebiet dürften die Schwierigkeiten, die notwendigen Zahlungsmittel für den Ausgleich auf dem allgemeinen Handelssektor zu beschaffen, sehr bald auch den Ausgleich auf dem Kohle- und Stahlsektor in Frage stellen. Entsprechendes gilt für die allgemeine Außenhandelspolitik dritten Ländern gegenüber. Es genügt keineswegs, etwa nur die Zölle für Vertragsgegenstände innerhalb der Vertragsländer zum Fortfall zu bringen, da sonst Umgehungshandlungen für Waren, in denen Eisen und Stahl verarbeitet ist, leicht möglich wären. Ohne einheitliche Außenhandelspolitik gegenüber Nicht-Mitgliedsländern könnten Export- und Importkontingente innerhalb der einzelnen Länder relativ leicht übertragen und umgangen werden, wenn Kohle und Stahl einen einheitlichen Markt bilden. Gerade der Gesichtspunkt, daß die Mitgliedsländer der Montan-Union weltwirtschaftlich nicht autark sind und sein wollen, zwingt dazu, auf die Handelsbeziehungen mit dritten Staaten entscheidendes Gewicht zu legen. Hierbei möchte ich vor allem auf die Handelsbeziehungen mit Schweden, aber auch mit den Mitgliedstaaten des Ostblocks hinweisen. Zahlreiche Waren, die jetzt einem Embargo unterliegen, wenn sie aus Deutschland in die Ostblockstaaten geliefert werden sollen, könnten im Verhandlungswege aus diesem Embargo herausgenommen werden, wenn als Vertragspartner die Hohe Behörde die Verhandlungen führt. Dann würde das Mißtrauen, daß dieses Embargo weitgehend bestimmt, wahrscheinlich zu einem erheblichen Teil zerstreut werden können. Wenn wir grundsätzlich davon überzeugt sind, daß unsere Wirtschaftsverfassung besser und damit ertragreicher ist als die kommunistische, so muß der Austausch von Rohstoffen zwischen beiden Wirtschaftssystemen grundsätzlich zum Vorteil des ertragreicheren Wirtschaftssystems ausschlagen. Dieses kann aus den im Tausch gewonnenen Rohstoffen einen höheren Ertrag herauswirtschaften als jenes. Wir sollten uns deshalb nicht von einer dumpfen Angst beherrschen lassen, sondern gerade hier nüchtern und kühl die Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen.
Der Schumanplan muß die Gesamtverfassung der Weltwirtschaft verbessern, wenn er sein Ziel erreichen soll. In den Schumanplan-Bestimmungen erinnert manches an die Kartellabmachungen früherer Jahre. Der Geist, der damals dahintersteckte, war die Angst, von einer Absatzkrise heimgesucht zu werden, und das Bestreben, die Not der Absatzkrise dann gleichmäßig auf alle zu verteilen. Diese Absatzkrisen müssen aber nicht sein. Wir haben seit Jahrzehnten in vielen Ländern der Welt die andauernde Vollbeschäftigung. Auch die Absatzkrisen sind nur Menschenwerk
und kein Naturschicksal. Der Ausweg, auf den manche Produzenten verfallen sind, dem Absatz etwas nachzuhelfen, indem man Kriegsmaterial herstellte, ist der schlechteste und volkswirtschaftlich nutzloseste, den es überhaupt geben könnte.
Wenn der Schumanplan die Gesamtwirtschaftsverfassung der Welt verbessert, die nachhaltige Vermehrung der einsatzbereiten Produktionsmittel und ihre bestmögliche Koordinierung auf Grund der Regeln der Marktpreisbildung für den europäischen Bereich und für die Weltwirtschaft erstrebt, insbesondere die Handelsbeziehungen verstärkt und sich nicht als Instrument überholter
Machtpolitik mißbrauchen läßt, dann wird er dem Frieden und der Freiheit der Welt dienen.
Der Schumanplan in seiner gegenwärtigen Gestalt ist unserer Überzeugung nach ein Torso. Er kann reibungslos nicht funktionieren ohne unverzügliche Ergänzungsverträge auf anderen Gebieten. Er übt aber selbst einen starken Zwang zur Ergänzung aus.
Jetzt wird sich zeigen, wer die europäische Staatengemeinschaft ernsthaft will. Entweder kommen
wir jetzt bald diesem Ziele näher, oder aber der
Schumanplan selbst wird nur eine Episode sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Nölting.
Die Montan-Union, meine Damen und Herren, hat zum Inhalt, daß die Verfügungsgewalt über Kohle und Eisen auf die Dauer von 50 Jahren an eine mit weitgehenden Vollmachten ausgestattete Hohe Behörde übertragen wird. Die Kohle ist das Brot des Wirtschaftslebens, heißt es in der Broschüre von Geheimrat Professor Adolf Weber, von der wir gestern so ausführliche Exzerpte hier serviert bekamen, wobei ich nur bedaure, Herr Bundeskanzler, daß die Exzerpte nicht schon auf Seite 12 begannen; denn da werden gerade jene ökonomischen Bedenken vorgetragen, die auch wir hier geltend machen.
Herr Kollege Nölting, sprechen Sie bitte ins Mikrophon; das' Haus hört sonst Ihre Ausführungen nicht.
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident; ich werde es tun. 'Ebenso, meine Damen und Herren, ist das Eisen das Rückgrat jedes Wirtschaftslebens. Denn von der Verfügungsmacht über Eisen hängt das Schicksal des Maschinenbaus, des Fahrzeugbaus, der Bauindustrie, des Schiffbaus, der gesamten Montageindustrien usw. weitgehend ab.Kohle und Eisen aber dürfen nicht ausschließlich unter dem Aspekt der Eigenständigkeit betrachtet werden. Denn wer durch Festlegung der Produktionsquoten, durch Zementierung der Absatzwege, durch Preisgestaltung, durch Regelung der Beschäftigungsbedingungen die Kohle- und Stahlwirtschaft beherrscht, der bestimmt maßgebend — darin dürften wir alle einig sein — auch die Gesamtwirtschaft außerhalb des Montansektors.Der Schumanplan stellt nun den über alle bisherige Erfahrung hinausgehenden Versuch dar, Kohle und Eisen aus der Nationalwirtschaft und ihrem Verfügungsbereich herauszunehmen und damit auch herauszunehmen aus der Kompetenz und Kontrolle der einzelnen demokratischen Nationalparlamente. Auf der internationalen Ebene — davon wird noch zu handeln sein —, auf die sie verlagert werden sollen, gibt es keine effektive Kontrolle dieser obersten Verwaltungsorganisation für Kohle und Eisen, hier herrscht vielmehr weitgehend eine Souveränität autokratischer Manager.Die Demokratie, meine Damen und Herren, liefert ein Rückzugsgefecht; sie muß ihre Pflöcke an einer entscheidenden Stelle zurückstecken, und schon das sollte ein demokratisches Parlament zur
Wachsamkeit verpflichten. Um es in zeitgemäßemVokabulatur auszudrücken: Mit dem Schumanplantaucht das Problem der „gespaltenen Volkswirtschaft" auf. Nach der Marktspaltung, die wir schonhaben, kommt jetzt die Wirtschaftsaufspaltung.Kohle und Eisen werden integriert, — meinetwegen! Aber dann erhebt sich doch die Frage: Werintegriert nun die Restbestände, die verbleibendenTorsowirtschaften? Wer verhütet, daß hier neueVerzerrungen, neue Ungleichgewichte entstehen?Wo gibt es hier die notwendige Korrekturinstanz?
Wie kann man, wenn man uns mit der Verfügungsmacht über die beiden Grundelemente des Wirtschaftslebens, Kohle und Eisen, das wohl wichtigste Instrument der Wirtschaftslenkung aus der Hand schlägt —, wie kann man dann noch Wirtschaftspolitik betreiben, die damit völlig ausgehöhlt wird? Sie, Herr Dr. Preusker, der Sie mich so angriffslustig anschauen,,
waren in Ihrem sonst so ausführlichen Bericht hier gestern reichlich mager. Sie sagten nur — ich schrieb mir den Satz mit —:Grundsätzlich bleibt die einzelstaatliche Souveränität. Der Staat hat die Möglichkeit, indirekte Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen. die theoretische Möglichkeit sicher; aber auch die praktische Möglichkeit, Herr Dr. Preusker? Denn gerade unsere deutsche Wirtschaft ist maßgeblich auf Kohle und Eisen basiert.Und es bleibt doch auch noch eines zu bedenken, hockgeehrte Damen und Herren: Wir leiden ohnehin darunter, daß unsere Wirtschaft durch die Abtrennung der sowjetischen Besatzungszone, durch Gebietsverluste, durch die Abschnürung des Saargebiets, durch Produktionsverbote, Demontagen, durch großstilige Wanderbewegungen in ihrem Gefüge aufgestört ist. Das ist noch keineswegs verwunden. Nun soll hier ein neuer Störungsherd entstehen, nicht mehr uns aufgezwängt, sondern diesmal bewußt und mit unserer Mitwirkung geschaffen, dieweil wir noch mitten im Aufbau- und Ausbalancierungsprozeß stehen und die neuen Proportionen sich noch nicht eingespielt, die notwendigen Angleichungen sich noch nicht vollzogen haben.Meine Herren, weiß man denn überhaupt, was es bedeutet, daß Kohle und Eisen aus unserer Nationalwirtschaft' ausscheren? Das bedeutet rund 8 Milliarden vom Sozialprodukt, etwa 10 % des deutschen Wirtschaftspotentials. Das sind rund 700 000 Beschäftigte, 435 000 aus dem Bergbau und 260 000 aus der Eisenwirtschaft, wenn man den Erzbergbau und die Schrottwirtschaft einrechnet, die in das noch reichlich vernebelte europawirtschaftliche Zukunftsgebilde abwandern sollen. Wie soll es dann noch möglich sein, ein auf die Bedürfnisse des Landes zugeschnittenes Wirtschaftskonzept zu entwerfen, wenn ein so gewichtiger Anteil unserem Einfluß entzogen ist? Wie soll man nach solcher Durchlöcherung und Aushöhlung, frage ich, überhaupt noch einen einheitlichen Wirtschaftsraum gestalten?
Oben europäischer Planungsmechanismus, unten,meine Damen und Herren, nationale Planlosigkeit.
Ich sehe nicht ein, wie eine solche Wirtschaftsmaschinerie überhaupt funktionieren soll, und ichmöchte den Herrn Wirtschaftsminister fragen, mit dem ich mich sonst heute nicht auseinanderzusetzen gedenke: Wo bleibt eigentlich dann noch sein Kompetenz- und Regiebereich, ganz abgesehen davon, daß ihm Kabinettsrivalen und Kommissare ohnehin die Daumenschrauben ansetzen?
Man setzt einen Grundstein einer Europawirtschaft, beläßt aber alles andere, wie es ähnlich ja auch Herr Preusker ausdrückte, der Willkür.
Man verletzt damit das wichtige Gesetz der Interdependenz der volkswirtschaftlichen Daten,
indem man ein wichtiges Organ einfach heraus-amputiert. Für die sich aus solchen Teilkonstruktionen ergebenden Fernwirkungen hätte logischerweise die Hohe Behörde einzustehen. Dieser Hohen Behörde sind aber keinerlei Abschirmungs- und Sicherungsfunktionen auferlegt. Das haben vielmehr die 'verbleibenden Nationalwirtschaften auszubaden, und es fehlt hier jede Verzahnung. Die neoliberalen Wirtschaftsdogmatiker werden auch hier mit angeborenem Phlegma antworten: du lieber Gott, das wird der Markt schon alles zurechtziehen.
— Nein, meine verehrten Damen und Herren, das kann ein Markt gar nicht bewerkstelligen, dem Sie mit Kohle und Eisen das wichtigste Glied fort-operiert haben. Wir brauchten nach meinem Dafürhalten, wenn man sich schon auf dieses Gelände begibt, einen europawirtschaftlichen Pool, eine europäische Wirtschaftsunion, kurz: eine umfassendere und vollkommenere Lösung. Ich möchte es einmal so formulieren: Während der Schuman-plan ein Zuwenig ist, verlangt er von uns, als von einer maßgeblich auf Kohle und Eisen aufgebauten Nationalwirtschaft, ein Zuviel. Und wenn andere Teilorganisationen, von denen Fraktionskollege Kalbitzer eben sprach, hinzutreten sollten — und man redet bezeichnenderweise nur von solchen Unionen, in denen eine französische Vorherrschaft besteht; über die anderen Unionen schweigt man sich klüglich aus —, das Problem einer wirklichen europäischen Integration bliebe noch immer ungelöst. Man schafft Teilintegrationen, um sich um die notwendigen Integrationen herumzudrücken.
Wie soll man, meine Damen und Herren, so frage ich, wenn man solchermaßen prozediert, dann noch eine Politik der Vollbeschäftigung betreiben können?
Und wir haben doch, namentlich in unseren Vertriebenen und unseren Flüchtlingen, einen bedrohlichen Arbeitskraftüberhang. Der Art. 69 stellt es anerkannten Kohlen- und Stahlfacharbeitern frei, innerhalb des Schumanplanraums herumzuziehen. Man will Spezialkräfte in den Westen abwandern lassen; uns aber überläßt man dann, wenn die anderen gegangen sind, den dadurch wertlos werdenden Schrott.
Man rechnet doch selber mit der Notwendigkeiteiner Verpflanzung von Arbeitern von einem Landin das andere. Wenn sich aber im Sektor der Stahl-
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Deutscher Bundestag — 188. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. Januar 1952 7671
wirtschaft eine Standortsverschiebung vollzieht — Herr Professor Weber nennt es eine bessere Raumökonomie, ich aber nenne es Terrainverlust für uns —, was wird dann, so frage ich, aus jenen Zulieferer- und Ergänzungs- und Komplementärindustrien, die sich um die schwerindustriellen Agglomerationszentren im Ruhrgebiet angesammelt haben und die nicht einfach in den luftleeren Raum geraten dürfen? Der Kohlesog, meine Damen und Herren, wird — das zeigt die französische Kammerdebatte — bestehen bleiben und unsere ganze Wirtschaft unter Druck halten.
— Sie regen sich so über unsere Zitate auf, von denen auch ich jetzt einige bringen werde. Meine Damen und Herren, ich halte es für außerordentlich gut, daß wir dieses französische Anschauungsmaterial bekommen
und daß wir uns dagegengestemmt haben, den Schumanplan voreilig ' durchzupeitschen, ehe die französische Kammer gesprochen hatte.
Der französische Ministerpräsident Pleven hat inseiner Schlußrede vor der Kammer — ich darfzitieren, Herr Präsident — von der „einzigartigenChance" gesprochen, auf Grund und mit Hilfedieses Planes ausreichende Mengen an Kohle undKoks von der Ruhr zu beziehen, und er fuhr fort: Die Ruhr wird, wie es ihre Mission ist — und ihre Reserven erlauben ihr das —, den Ländern Europas diejenigen Mengen an Koks und Kohle liefern, die sie aus eigenem Boden nicht zu bergen vermögen. Der Vertrag bringt Frankreich die einmalige Chance, die es jemals gehabt hat, den diskriminatorischen Praktiken ein Ende zu setzen, die so oft vor dem Kriege und noch heute zur Folge gehabt haben, daß wir- heißt also: die Franzosen —Kohle und Koks mit höheren Preisen bezahlen mußten, als sie den deutschen Verbrauchern in Rechnung gestellt hurden. Das aber bedeutete bisher für die französischen Verarbeitungsindustrien eine ständige Behinderung, die wiederum einer der Gründe ist, warum unsere Preise— die französischen Preise —für industrielle Erzeugnisse oftmals höher lagen als die anderer Länder, und daraus entstehen die Vorwürfe und berechtigten Klagen unserer Verbraucher.
Ins Deutsche übersetzt heißt das, Herr Dr. Preusker: Stärkung der französischen Ausfuhrwirtschaft durch verstärkte und verbilligte Zufuhr deutscher Kohle und Schmälerung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit.
Das war nicht nur eine Stimme, wie wir überhaupt nur gewichtige Stimmen zitieren und nicht Stimmen irgendwelcher unbekannter Soldaten des französischen Parlamentarismus.
Der Berichterstatter Coste Floret sagte: Deutschland akzeptiert die Einbringung seiner Hilfsquellen. Das ist für dieses Land, das über einen Kohlenüberschuß verfügt, ein Verzicht auf die bisherige Vorzugsstellung seiner eigenen Verbraucher. Die Ruhr war stets ein Machtfaktor. Sie ist es nicht mehr, sie wird es nicht mehr sein.Vielleicht wird sie aber ein ökonomisches Sumpfloch werden, muß ich hinzusetzen.
Und an anderer Stelle, meine Damen und Herren: Wir müssen unsere Energieproduktion entwickeln.
— Ich weiß, daß Sie die Zitate nicht gern hören, aber deshalb lese ich sie ja gerade, denn ich geize nicht nach Ihrem Beifall.
Der Berichterstatter sagte weiter:Aus diesem Grunde müssen wir die Kohle da nehmen,— ich betone noch einmal: nehmen—wo sie ist. Vor dem Kriege haben wir— die Franzosen—die Kohle zum Teil aus England und Polen bezogen. Es ist kein Geheimnis, daß Großbritannien aus der Reihe der exportierenden Kohleländer ausgeschieden ist, und das wahrscheinlich für lange Zeit. Polen aber befindet sich auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs. Außerdem hat man die polnische Kohle in Dollars zu. bezahlen, die amerikanische Kohle ist wegen der Frachtkosten allzu preisungünstig. Wir sind daher gezwungen, unsere Kohle in Deutschland zu nehmen,— wieder heißt es: zu nehmen —und zwar von der Ruhr.Meine Damen und Herren, Sie auf der Rechten jubeln über den Fortfall der Ruhrbehörde. Dann hören Sie bitte auch noch, was der französische Berichterstatter dazu sagte:Nach dem Wortlaut . des Vertrages muß bei einer Mangellage— und die wird ja vorab der Normalzustand sein, wie wir uns verständigt haben —die deutsche Kohle auf autoritärem Wege auf Veranlassung der Hohen Behörde zugeteilt werden. Wenn man die Zusammensetzung der Hohen Behörde, wie sie sich aus dem Vertrage ergibt, vergleicht mit der Zusammensetzung der internationalen Ruhrbehörde, dann wird man zu der Feststellung kommen, daß die erste bestimmt für uns— also für die Franzosen —nicht ungünstiger ist als die zweite.Das haben wir ja immer behauptet: Hohe Behörde Traditionskompanie der internationalen Ruhrbehörde!
Die Ruhrbehörde— hieß es weiter —ist nicht ewig. Deutschland ist im Kommen. Es ist ja das Drama, daß Deutschlands Kommen niemals aufgehört hat seit dem Siege der Vereinten Nationen. Das Problem ist, zu wis-
sen, ob der Schumanplan gerade noch im richtigen Augenblick kommt, um dieses Kommen zu stabilisieren.
Und „stabiliser" im Französischen bedeutet „sistieren", meine Damen und Herren! Das ist der Geist,mit dem man an die neue Regelung herantritt. Ichglaube, es wäre richtiger, statt von einem Geistvon einem gewetzten Schlächtermesser zu sprechen.
Frankreich mußte im vergangenen Jahre 19 Millionen t Kohle und Koks importieren. Der deutsche Anteil ist, das ist schon ausgeführt worden, von 20 bis 25 % — so hoch war er vor dem Kriege — auf 35 % gestiegen. Aber bezeichnenderweise ist noch von keinem der Herren der Rechten gesagt worden, daß die französische Erzeinfuhr nach Deutschland, die im Jahre 1937 noch 5,7 Millionen t betrug, sich inzwischen zur Bedeutungslosigkeit, auf 0,12 Millionen t, abgesenkt hat.
Es ist kaum zu erwarten, daß Frankreich durchreichlichere Lieferung lothringischer Minette eineErleichterung der Situation herbeiführen wird.Die Importe von Erz aus Schweden aber sind, wievon Kalbitzer ausgeführt wurde, an deutscheGegenlieferungen von Kohle und Koks gebunden.Jedenfalls drohen unserem Warenaustausch, sehrvorsichtig ausgedrückt, mit dritten, Nichtpartnerstaaten erhebliche und schwere Beeinträchtigungen.
Gewiß, es fehlt die Begrenzung der Stahlquote. Ich habe jahrelang als Minister an der Ruhr gegen diese Stahlquote angekämpft, und deshalb werde ich das nicht gering in Anschlag bringen. Aber ich glaube, gegenwärtig hat das doch mehr eine theoretisch-formale Bedeutung.
Denn was wir praktisch an Stahl produzieren können, hängt ab von unserer Verfügbarkeit über Kohle und daneben über Erze und über Schrott. Der Inlandsbedarf unserer verarbeitenden Industrien — und die geben viel mehr Menschen Brot als die Schwerindustrien — wird auch weiter leiden unter der überhöht bleibenden Stahlquote, deren Festsetzung bei einer Mangellage durchaus in der Verteilungsvollmacht der Hohen Behörde liegt.Glauben Sie, Herr Etzel, daß die „Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung" so dumm ist? Diese Zeitung warf unlängst die Frage auf, ob künftig mit einer reichlicheren Versorgung des deutschen Inlandsbedarfs gerechnet werden könne, und sie kam zum lakonischen Schluß: Die deutschen Verbraucher° befürchten genau das Gegenteil.
Meine Damen und Herren! Es gibt doch nicht nur Kohleförderung, es gibt doch auch Kohleveredelung, es gibt Kohlechemie. Das ist ja die große Revolution in der Technik, daß Kohle aus einem Heizstoff zu einem wichtigen chemischen Auszugsstoff geworden ist. Der Schumanplan besagt nichts über die Herstellung von synthetischem Benzin, von Buna, nichts über Aluminium, nichts über Karbid und die daranhängende Acetylenchemie, nichts über die weitere Entwicklung der FischerTropsch-Synthese. Aber alle diese Produktionszweige sind gewaltige Stromfresser. Wir allein in Nordrhein-Westfalen brauchen für die Karbidherstellung monatlich 90 bis 100 Milionen Kilowattstunden. Bei der Kohle aber kann uns bei jeder Mangellage der Hahn abgedreht werden. Vonder Kohle her kann man den wirtschaftlichen BeLagerungszustand über die gesamte deutsche Wirtschaft verhängen.
Wir werden doch auch hoffentlich einmal aufgerufen werden, den weißen Fleck auf unserer Industriekarte auszufüllen, der sich an der Elbe gebildet hat. Wie sollen wir dazu in der Lage sein, wenn wir nicht über genügend Kohle und Stahl verfügen?
Bei einer Mangellage kann die Hohe Behörde Verwendungsprioritäten verfügen, bei Überproduktion und Marktverstopfung Erzeugungsquoten festsetzen. Herr Dr. Preusker hat gestern gesagt: „Schön sind diese Bestimmungen, die für die Mangellage bestehen, nicht." Aber er meinte dann
— ich zitier immer loyal, Herr Preusker —: „Sie bedeuten doch eine erhebliche Verbesserung gegenüber der Situation bei der Ruhrbehörde".Herr Preusker, Sie hätten ebensogut von Morgenthau sprechen können. Aber glauben Sie wirklich, daß die Ruhrbehörde 50 Jahre dauern wird? Dann sind Sie französischer als die Franzosen, denn in der französischen Kammerdebatte wurde gesagt: Die Ruhrbehörde ist nicht ewig. Ich sage: Erst wenn man an eine Ruhrbehörde überhaupt nicht mehr denkt, wäre die Zeit gekommen, über einen Schumanplan in Europa zu sprechen.
Es bedeutet einen großen Unterschied, ob man Besatzungsrecht in Völkerrecht umwandeln will.Beide Bestimmungen, und zwar sowohl der Art. 57 als auch der Art. 58, werden sich leicht höchst unvorteilhaft für Deutschland auswirken können. Die deutsche Wirtschaft wird dadurch konjunkturempfindlicher und konjunkturgefährdeter. Wir werden günstige konjunkturelle Marktlagen nicht mehr voll ausnutzen können, während die Krisenjahre von uns mit voller Härte hingenommen werden müssen, da keinerlei Sicherung besteht, ob in diesen Jahren unsere Abnahmeländer auch noch aufnahmewillig bleiben oder sich dann ganz auf die eigene nationale Produktion und vielleicht auf Zufuhren von fremd her einstellen, was ihnen immer offen bleibt.
Damit kann gerade die Wirtschaft des Ruhrgebiets in den verarbeitenden Industrien in einen Zerfallprozeß geraten; diese verarbeitenden Industrien sind aber die eigentlichen Träger unserer Exportwirtschaft.Überproduktion ist in absehbarer Zeit nicht bei der Kohle, wohl aber beim Stahl zu befürchten. Entsteht dort — und wenn der außenpolitische Wind umschlägt, haben wir alsbald eine ganz andere Situation — eine Absatzkrise, dann werden wir alle jene Einschränkungen hinnehmen müssen, die sich aus der übertriebenen und ungesunden Kapâzitätsausdehnung ergeben, die man in den westlichen Staaten vorgenommen hat. Und zwar auch dann, wenn unser inländischer Bedarf die uneingeschränkte Weiterbeschäftigung der einheimischen Industrie noch durchaus erlauben würde.Ich darf in diesem Zusammenhang einmal auf die Zahlen verweisen, die Herr Harten in der „Welt" vom 3. Juni mitgeteilt hat. In Frankreich ist die Eisenerzeugung gegenüber den Bezugsjahren
1936/38 um 75 %, in Belgien um 25% gestiegen. Nur bei uns in Westdeutschland hat die Eisenerzeugung pro Kopf eine Abnahme um 250/o erfahren. Sie ist nämlich von 375 kg pro Kopf auf 286 kg gegenüber 560 kg in Belgien abgesunken, aber diesem Lande zahlen wir Subventionen über die Ausgleichskasse.
— Nicht bei Stahl, sondern bei Kohle!Lieber Gott, das Abc des Schumanplans beherrsche ich nun wirklich auch.
— Ich hatte nicht vorausgesetzt, daß Ihnen das noch zweifelhaft ist. ,
— Ich würde doch das intellektuelle Niveau des Parlaments nicht gar so niedrig einschätzen, Herr Etzel!
Selbst diese ungenügende Eisenerzeugung ließ sich bei uns nur durch Zukauf amerikanischer Kohle erreichen. Die Folge ist ein drückender Stahlmangel, die Folge dieses Stahlmangels wiederum die Arbeitslosigkeit, die sich bei uns mit 1,5 Millionen als einer Konstanten einzupendeln droht, über die man kaum noch spricht. Die weiterverarbeitenden Industrien könnten in ihren Belegschaftszahlen wesentliche Erhöhungen vornehmen, wenn ihre Materialbelieferung gesichert wäre. Weil das nicht der Fall ist, werden unsere Facharbeiter abgeworben, um beim ersten Konjunkturumschlag wieder abgeschoben zu werden. Nicht nur das Ruhrgebiet, auch der deutsche Facharbeiter wird so zum Konjunkturpuffer.Die unmittelbare Auswirkung des Schumanplans wird zunächst in einer weiteren Verteuerung der Kohle für den deutschen Verbraucher bestehen. Denn der deutsche Kohlenbergbau — nur der deutsche Kohlenbergbau, aber das reicht ja aus — muß im ersten Jahr an die Ausgleichskasse 60 bis 80 Millionen DM zahlen. Er muß sodann auf die Ausfuhrerlöse verzichten, die bisher den Ausgleich der Ertragsrechnungen ermöglicht haben. Der durchschnittliche Exportpreis soll sich — ich folge wieder Ausführungen Plevens vor der französischen Kammer — um 13,75 DM je Tonne senken. Der Inlandspreis soll sich indessen um 4,38 DM, d. h. um 10,8 %, von 40,62 auf 45 DM erhöhen. Das bedeutet nicht nur neue Teuerungswellen, das bedeutet auch eine Erschwerung der Weltmarktposition unserer Verarbeitungsindustrien. Das läuft, wie die „Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung" am 29. Dezember 1951 geschrieben hat, auf eine Verewigung der deutschen Kohlengeschenke an die Importländer hinaus. Das ist, so sage ich, Marshallhilfe mit umgekehrtem Vorzeichen, die uns aufoktroyiert wird.Das Preisgefüge unserer Wirtschaft baut sich weitgehend — ganz anders als z. B. in Italien — auf den beiden Grundstoffen Kohle und Eisen auf. Auch künftig wird der Kohle- und Eisenpreis ein manipulierter Preis sein, denn daß es auch dort Marktpreise gibt, das glauben nur die Neoliberalisten. Nur werden die Preisrichtlinien, die man fortan aufstellen wird, nicht mehr an den Gegebenheiten und Bedürfnissen der deutschen Gesamtwirtschaft orientiert sein. Die Hohe Behörde kann in Sonderfällen eingreifen, wenn es kritisch wird, sie kann Höchst- und Mindestpreise ansetzen. Sagen Sie mir doch nicht immer: Dagegen kann der Gerichtshof angerufen werden! Ach, meine Damen und Herren, der kann doch nur Formalitäten nachprüfen, ein eigenes wirtschaftspolitisches Ermessen steht ihm aber nicht zu.Noch eines, Herr Dr. Preusker: Sie haben eben selber gesagt, das sei ein weicher Punkt. Währungsabwertungen liegen auch weiterhin durchaus im Rahmen der nationalen Willkür. Wenn aber ein Land abwertet — wir sind da behindert, denn wir sind gebrannte Kinder, die das Feuer kennengelernt haben, und leiden unter einer gewissen Inflationspsychose —, dann haben wir eine Preisrevolution, auch eine gänzlich veränderte Exportsituation. Dann kommen auch die Preisbestimmungen des Schumanplans, was Sie auch immer behaupten, ins Schwimmen. Dann geht das Gerede von einer fairen Konkurrenz zum Teufel. Wir haben danach in den Ausschüssen gefragt. Eine deutliche Antwort, hockgeehrter Herr Staatssekretär, ist uns nicht zuteil geworden. Vielleicht — wir wären dankbar — kann uns diese Antwort heute gegeben werden. Vorläufig „buche" ich nur, daß Herr Preusker gesagt hat: Dies ist der schwächste Punkt des ganzen Gebildes.Verehrte Damen und Herren! Von einer privilegierten Kohlebastion aus will man sich — das ist die Quintessenz des Schumanplans — von der Konkurrenz der deutschen Stahlwirtschaft und Verarbeitungswirtschaft weitgehend frei machen. Warum rufen Sie nicht Nein? Ich möchte Ihnen so gern eine Antwort darauf geben,
eine Antwort, die ich auch der französischen Kammerdebatte entnehme. Es handelt sich hier um ein Beispiel aus dem Bereich der Autoherstellung. Der französische Berichterstatter — diesmal war es nicht Coste-Floret, diesmal war es Robert Lacoute — hat nämlich ausgeführt:Ich muß wiederholen, was der sehr aktive Generaldirektor der Renault-Werke gesagt hat. Wenn es keinen Schumanplan gibt,— so sagte dieser Direktor der wohl größten französischen Autowerke —wird nichts die Ruhr daran hindern, bevorzugt das Volkswagenwerk zu beliefern, und es wäre unter diesen Umständen gänzlich nutzlos, daß ich von deutschen Stahlerzeugern Stahl fordern würde, solange das Volkswagenwerk nicht zufriedengestellt ist. Indessen erscheint es mir höchst notwendig, daß wir in diesem Pool — —Meine Herren: „in diesem Pool", denn dort stimmt man keinen Europa-Song an, dort redet man nicht von einem Schumanplan-Kreuzzug für Europa, dort spricht man nicht einmal von der europäischen Jugend, dort redet man eine nüchterne Sprache! Er fuhr fort:Es erscheint mir notwendig, einen ernsthaften und zähen Kampf zu führen, damit die Interessen Frankreichs sichergestellt sind. Und vergessen wir nicht, daß jede Tonne Kohle, die der französischen Stahlindustrie verweigert wird, es möglich macht, eine Tonne deutschen Stahls mehr auf dem gemeinsamen- Markt abzusetzen.
Man hofft also, uns abzuwürgen. Meine Herren, haben Sie kein Verständnis dafür, daß solche
Triumphgesänge der französischen Konkurrenz unsern Schumanplan-Appetit nicht sonderlich zu bestärken vermögen?
Nun noch etwas zu den Tarif- und Verkehrsfragen. Der Schumanplan schlägt dem Staate, wie ich auszuführen versucht habe, die wichtigsten Mittel der wirtschaftspolitischen Beeinflussung und der konjunkturpolitischen Stützung aus der Hand, sowohl, was Kalbitzer bereits erörterte, was die handelsvertragliche Sicherung unserer Rohstoffbezüge im Gegensatz zu Frankreich anlangt, das seine algerischen und mauretanischen Erze weiterhin als Trumpf in die Waagschale werfen kann, während wir alles in den Schuman-Topf hineintun müssen, als auch bei der Tarifpolitik der Bundesbahn. Meine Herren, wir haben — das ist historisch auf uns zugewachsen — viele Notstandsgebiete, denen wir bisher nur mit 'Sondertarifen für Kohle und Eisen die Spritze geben konnten,
und diese Notstandsgebiete sind noch gravierender geworden, seit es der Arbeitskraft an der Freizügigkeit fehlt. Es ist fraglich, ob es nach dem Verbot von Frachtdifferenzierungen künftig überhaupt noch möglich sein wird, z. B. Salzgitter-Erze an den Niederrhein zu verfrachten. Wie soll dem bayerischen Raum, der sich von der tschechischen Kohle ablösen muß, wie soll dem norddeutschen Küstenraum und seiner Werftindustrie, wie soll dem Gebiet am Eisernen Vorhang die notwendige Förderung und Stützung zuteil werden, wenn wir die Frachtsätze nicht mehr nach unseren Notwendigkeiten manipulieren können, weil der Schumanplan hier starre Bindungen enthält?
Es besteht die doppelte Gefahr, daß durch das Verbot von Frachtbegünstigungen die Verhüttung von spanischen und schwedischen Erzen aus dem Ruhrgebiet verlagert und nach den Hafenplätzen, z. B. nach Rotterdam, abgezogen wird, wo die Erze direkt vom Schiff in die Hochöfen geschleust werden, während Kohle und Koks auf der Rheinstraße zugeführt werden.Der Bau des Moselkanals, den man der französischen Regierung als Auflage für die Ratifikation mit auf den Weg gegeben hat, scheint mir auch nicht gerade ein europawirtschaftliches Unternehmen zu sein.
Die Verhandlungen in Paris sollen am 22. Januar ihren Anfang nehmen, die europawirtschaftliche Notwendigkeit dieses Projekts dürfte sehr schwer nachweisbar sein. Hofentlich sieht man in diesem Moselkanal nicht ein Repressionsinstrument gegen die deutschen Bahntarife, das man konkurrierend einsetzen möchte. Wäre die Elektrifizierung des Eisenbahnnetzes nicht viel europäischer als der Bau dieses neuen Kanals? Woher soll übrigens das Geld kommen? Aus dem Schumanplan ist an sich die Verpflichtung nicht abzuleiten. Trotzdem habe ich die Furcht, daß dieser Moselkanal vielleicht das erste Finanzierungsobjekt der Hohen Behörde werden könnte. Gewiß, dann wäre es möglich, nach Art. 54 Abs. 2 im Ministerrat Widerspruch zu erheben. Aber es wäre doch nicht gerade hübsch,wenn -die Verhandlungen mit einem deutschen Veto ihren Anfang nehmen müßten. Das Beste dürfte sein, dieses Kanalprojekt in einer Studienkommission zu begraben.
Zum Schluß, meine Damen und Herren, noch ein Blick auf die deutschen Breitbandstraßen, die wir immer noch nicht besitzen, obwohl wir jahrelang um sie gekämpft haben. Herr Staatssekretär Hallstein, können Sie dem Hause die Zusicherung geben, daß wir eine solche Straße, wenn wir sie z. B. in Amerika beschaffen, auch wirklich einbauen dürfen? Aber, bitte, nicht wieder sagen: „Ich hoffe es", oder: „Ich fürchte kaum, daß uns da Schwierigkeiten gemacht werden"! Denn in der französischen Kammerdebatte, Herr Staatssekretär, wurde gesagt — es ist wohl besser so übersetzt —:Zwei Breitbandstraßen genügen für Europa,und die haben zum Glück wir. Das ist ein we-sentlicher Punkt,— fuhr der Franzose fort — .der unsere Stahlindustrie im Norden Frankreichs befähigt, ihren Platz zu behaupten und noch zu verbessern. Auch die Deutschen— sagte man dann —werden an der Ruhr investieren, um ihre Produktion zu entwickeln. Sie beginnen damit erst jetzt, ein wenig verspätet gegenüber Frankreich; aber wir werden den Augenblicksvorsprung halten.Meine Damen und Herren, es war heute nur meine bescheidene Aufgabe, Ihnen eine Teilbilanz zu geben.
— Ich bin Ihnen dankbar, Herr Etzel. — Als damals die Debatte um den Schumanplan begann, sagte Dr. Kurt Schumacher, dessen Abwesenheit wir heute besonders bedauern: Wir kaufen nicht nur den Rahmen, wir wollen erst wissen, welches Bild in diesen Rahmen gesteckt wird.
Nun, ich glaube, dieses Bild hat sich durch die französische Kammerdebatte erheblich verdüstert. Auch die kühnsten Optimisten — und diese Menschenklasse ist hier ja stark vertreten —
werden nicht behaupten, daß die Montan-Union uns mit einem Schlage aller wirtschaftlichen Sorgen entheben wird.
— Ich sage ja: sie werden es nicht behaupten. Schütteln Sie doch nicht immer den Kopf, nur weil Sie nicht zugehört haben!
Aber es ist doch etwas anderes, ob die MontanUnion uns auf unseren an sich schon mühseligenWeg noch neue Steine wirft, und das behaupte ich.Wir möchten von der Bundesregierung erfahren, wieweit sie die hier von mir vorgetragenen Bedenken teilt, wieweit und vor allem mit welchem Erfolg, Herr Bundeskanzler und Herr Staatssekretär, Sie diese Sorgen und Bedenken bei Ihren Verhandlungen in Paris geltend gemacht haben.
Dr. Nölting— Herr Bundeskanzler, ich darf ja nicht mehr weitersprechen, denn ich bin hier doch nicht an Ihre Weisungen, sondern an die Weisungen des Herrn Präsidenten gebunden. Mit dem Schuman-plan taucht, wie ich ausführte, das Problem der „gespaltenen Volkswirtschaft" auf. Man sagt — ich habe das selbst, wie ich ausdrücklich feststelle, niemals nachgeprüft, denn ich möchte nicht künftig auch noch als Sadist von Ihnen verschrien werden —, daß man einen Regenwurm in Teile zerschneiden kann, und die Teile bleiben dennoch bewegungs- und lebensfähig. Das mag bei einer agrarwirtschaftlichen Volkswirtschaft möglich sein, aber bestimmt nicht bei einer hochentwickelten arbeitsteiligen, industrialisierten Volkswirtschaft. Da geht das einfach nicht an. Ich möchte von der Bundesregierung erfahren, nicht was die Anatomie des Regenwurms anlangt, wohl aber, ob sie es für möglich hält, bei dem arbeitsteiligen Proportional-gefüge unserer Volkswirtschaft diesen Amputationsschnitt vorzunehmen.
Das Wort hat der Staatssekretär Hallstein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf die wesentlichen der gestellten Fragen sogleich antworten. Der erste Punkt, den der Abgeordnete Professor Nölting in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellt hat, war der, daß es sich bei dem Schumanplan darum handle, die Verfügungsgewalt über das schwerindustrielle Potential aus dem staatlichen souveränen Bereich abzutrennen und auf eine übernationale Instanz zu übertragen. Er sieht, wenn ich ihn richtig verstehe, das Bedenkliche eines solchen Vorganges darin, daß es sich dabei um eine bloße Teilintegration handele. Er befürchtet — und er hat das des näheren dargelegt —, daß am Rande, zwischen der Sphäre, die europäisch vergemeinschaftet ist, und derjenigen, die in nationaler, partikularer Souveränität verbleibt, Reibungen und Schwierigkeiten entstehen werden.
Die erste Frage ist: was heißt es denn: die Verfügungsgewalt über diese beiden Grundstoffindustrien wird uns genommen und auf eine supranationale Instanz übertragen? Es könnte nach den Ausführungen, die wir soeben gehört haben, so erscheinen, als habe dieses Wort „Verfügungsgewalt", die uns hier genommen wird, einen sehr gewichtigen Inhalt, als ob darin in der Tat die absolute und vollständige Disposition über die Produktion liege, d. h. über die Bedingungen der Produktion und über die Produkte selbst. Das wäre, wenn es so gemeint war, ein Irrtum, und zwar ein fundamentaler Irrtum, ein Irrtum in bezug auf eines der ganz wesentlichen Stücke in der Struktur der europäischen Montangemeinschaft.
— Ich komme darauf. — Diese Montangemeinschaft ist nämlich nicht ein Gebilde, das im Stile eines, sagen wir einmal grob: Staatssozialismus einem Überstaat, eben dieser europäischen Gemeinschaft, im Sinne zentralverwaltungswirtschaftlicher oder planwirtschaftlicher Vorstellungen die volle Verfügung über die Produktion zuweist. Die wirtschaftspolitische Grundanschauung des Plans — das muß einmal gesagt werden — ist nicht die einer Planwirtschaft. Das Produzieren selbst bleibt Angelegenheit der Unternehmungen, in deren Händen es liegt. Es ist dieser supranationalen Hohen Behörde auch nicht gestattet, durch Befehle und Verbote in den Produktionsvorgang oder auch den Absatzvorgang unmittelbar einzuwirken.
Diese Feststellung ist schon einmal in die Formel zusammengefaßt worden — deren Autor ich übrigens nicht bin —, daß es sich bei der Grundanschauung des Schumanplanes um die Vorstellung von einer „organisierten Konkurrenz" handele. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt. Das heißt, die Träger wirtschaftlichen Geschehens und wirtschaftlichen Handelns bleiben die Unternehmungen. Diese Unternehmungen treten miteinander in Wettbewerb. Die Hohe Behörde hat nur die Aufgabe, wenn dieser Wettbewerbsvorgang in Störungen gerät, regulierend, koordinierend, reagierend einzuwirken. Diese Wirtschaftsverwaltung 'ist nicht eine solche totalitären Stils, die das Wirtschaften aus den Händen der wirtschaftlichen Unternehmungen in irgendeine staatliche oder überstaatliche Instanz überträgt. Das ist der eine Punkt.
Nun wird gesagt, selbst in dieser Begrenzung sei die Herausnahme eines Teils der Volkswirtschaft gefährlich. Ich gebe zu und habe es immer zugegeben, daß hier in der Tat eines der schwierigsten Sachprobleme, vielleicht das schwierigste Sachproblem des Schumanplans überhaupt, vor uns liegt. Ob diese Schwierigkeiten Anlaß genug sind, zu dem Gesamtwerk Nein zu sagen, ist eine andere Frage.
Was ich jetzt sage, begrenzt weiter die Aussage, gegen die ich mich vorhin .gewandt habe. Der Hohen Behörde wird nur die vorhin beschriebene wirtschaftspolitische Zuständigkeit zugemessen. Es ist nicht so, wie es nach einer Bemerkung des Herrn Abgeordneten Professor Nölting scheinen könnte, daß die Übertragung von Zuständigkeiten der Hohen Behörde das Recht gäbe, in alles — ich habe das Wort Beschäftigungsverhältnis in Erinnerung behalten — einzugreifen, was zu den Produktionsbedingungen innerhalb der Grundindustrien gehört. Wenn das der Sinn jener Bemerkung gewesen ist, so ist sie unrichtig, und zwar zweifellos unrichtig. Wir haben in dem Plan eine deutliche Trennung zwischen wirtschaftspolitischen Funktionen und anderen vollzogen. Man kann das so formulieren, daß alle anderen Funktionen, die für das gute Wirtschaften in den Grundstoffindustrien gleichfalls bedeutsam sind, wie die Steuerpolitik, Sozialpolitik und alles andere, zu der allgemeinen „Geographie" gehören, in die die einzelnen nationalen Volkswirtschaften und ihre Grundindustrien eingebettet sind. So wenig wir die Vorteile, die die natürliche, physikalische Geographie dem einen oder anderen Partner in diesem Werke zuschanzt, beseitigen wollen — wir Deutsche haben ja am allerwenigsten Anlaß, so etwas zu wollen —, so wenig haben wir in die sozialpolitische, in die finanzpolitische, handelsrechtliche und sonstige Geographie eingreifen wollen.
Nun wird gesagt, das sei es ja gerade, was die Sache so schwierig macht. Wie kann man denn annehmen, daß ein System funktionieren wird, bei dem — ich gebrauche ein Wort des Herrn Redners — eine Amputation vorgenommen, also die Grundindustrie aus der „Verfügungsgewalt" des Staates herausgelöst wird? Es ist gesagt worden, das fordere doch mit Notwendigkeit, mit einer naturgesetzlichen Notwendigkeit eine Integration auch des
Restes. Allerdings! Wir glauben das auch. Wir glauben auch, daß die Schwierigkeiten, die hier entstehen und die ich gar nicht leugne und die noch niemals geleugnet worden sind, nur. eine Lösung zulassen, nämlich eine Lösung nach vorne. "
Es gibt in dieser Situation angesichts des europäischen Gefälles, das durch dieses Werk hergestellt
wird, nach unserer festen Überzeugung keinen anderen Ausweg als den einer weiteren Integration.
Wenn Sie mich fragen, wie wird man sich inzwischen . behelfen, bis diese Restintegration vollzogen ist, so ist meine Antwort eine doppelte.
Einmal ist eben aus diesem Grunde ein Organ geschaffen worden, dessen Existenzberechtigung sonst etwas schwieriger zu begründen wäre, obwohl sie auch begründbar ist, nämlich der Ministerrat. Die vornehmste Funktion des Ministerrats ist es gerade, die Friktionen zu bewältigen, die aus der Tatsache entstehen, daß nur die wirtschaftspolitische Zuständigkeit, also das, was nach der traditionellen Ressortverteilung in den europäischen Ländern in den Händen eines Wirtschaftsministers liegt, auf die Hohe Behörde übertragen worden ist, nicht aber die Funktionen, die für diese Grundindustrien gleichfalls wichtig sind: die Funktionen der Finanzminister, der Arbeitsminister, der Justizminister, der Verkehrsminister usw. Wir sind sicher — und in dieser Auffassung werden wir durch die Erfahrungen in den wirtschaftspolitischen europäischen Gremien, die heute bereits bestehen, gestützt —, daß die Gewöhnung der Wirtschaftsminister dieser Montan-Unionsländer daran, sich über ihre Sorgen auszusprechen und den Versuch zu machen, diese Friktionen zu beseitigen, das Gewicht der Tendenzen nach europäischen Lösungen — nach „europa-wirtschaftlichen Lösungen", haben Sie gesagt — noch verstärken wird. Das ist nicht ein nachträglich theoretisch festgestelltes, zufälliges Ergebnis dieser Entwicklung, sondern ein Teil des Plans. Insofern sind diese Schwierigkeiten selbst und die Fragen, die hier entstehen, ein positives und fortschrittliches Element des Werks und nicht sein Mangel.
Dazu kommt ein Zweites. Sie selbst, Herr Abgeordneter, haben die Interdependenz der wirtschaftlichen Gegebenheiten angerufen. Freilich haben Sie daraus gewisse Schwierigkeiten gefolgert, die sich ergeben würden. Ich bin auch in diesem Punkte, nämlich im Glauben an die Interdependenz der wirtschaftlichen Gegebenheiten, ein Optimist. Ich bin sicher, das zweite Element — und dazu braucht man gar nichts Organisatorisches zu tun —, das uns helfen wird, aus jenen Schwierigkeiten herauszukommen, ist eben die Interdependenz der wirtschaftlichen Vorgänge.
Sie wird dahin führen, daß auch in den Bereichen, die unmittelbar durch die Anwendung dieses Plans nicht gedeckt werden, die Ausgleichung und damit Europäisierung der Wirtschaften entstehen wird, deren wir bedürfen, um im wirtschaftlichen Bereich zu dem zu kommen, was Sie mit einem treffenden Ausdruck eine Europawirtschaft nennen.
Noch einmal: Was geschieht durch diesen Plan, um eine europawirtschaftliche Realität, einen wirtschaftlichen Großraum, eine einheitliche europäische Wirtschaftspolitik auf begrenztem Bereich herzustellen? Es ist doch vornehmlich das, daß die Einschränkungen, die Dämme niedergelegt werden, die bisher die einzelnen Teile dieses gesamten europäischen Raums voneinander trennen. Das ist ja doch die eigentliche Leistung des Plans, nicht die Übertragung irgendwelcher planerischen Befugnisse, Wirtschaftsführungsbefugnisse, an die Hohe Behörde, sondern die Wegräumung jener Schrebergärten-zäune, von denen ich heute früh gesprochen habe, und die Verantwortung dafür, daß sie weggeräumt bleiben. Das nämlich ist die vornehmste Aufgabe. Und das ist wiederum der Sinn des Ausdrucks „organisierte Konkurrenz", daß die Daten, die eine wirkliche europäische Wirtschaft auf dem Gebiet der Grundindustrien ermöglichen, nicht nachträglich wieder beseitigt werden oder, um denselben Gedanken anders und mehr individualrechtlich auszudrücken: die Fürsorge dafür, daß innerhalb dieses Raumes keine Diskriminierungen stattfinden.
Damit bin ich bei dem zweiten Hauptargument, das Sie, Herr Abgeordneter, soeben vorgebracht haben; das ist wieder das Argument der Gleichbehandlung der Konsumenten innerhalb des gemeinsamen Raumes. Hier besteht ein enger-Zusammenhang mit dem, was ich über die Zuständigkeit und Aufgaben der Hohen Behörde gesagt habe. Ich habe vorhin ausgeführt, man darf sich die Hohe Behörde nicht als eine Konzernleitung vorstellen,
d. h. als eine Instanz, die selber wirtschaftet, die wirtschaftliche Entschlüsse faßt. Das ist sie nicht. Das ist sie nicht nur aus den Gründen nicht, die ich soeben dargelegt habe, sondern aus einem weiteren Grunde, weil, wenn wir uns fragen, auf welcher Parteiseite: Produzenten- oder Konsumentenseite, die Hohe Behörde steht, die Antwort lautet: auch und eher auf der Seite der Konsumenten.
Das ist es j a, was dem ganzen Plan seine letzte Rechtfertigung verleiht, daß er den europäischen Konsumenten von all den Einzelwirkungen des Unsinns befreien soll, den wir gegenwärtig in der Möglichkeit vor uns sehen, Europäer gegenüber anderen Europäern deshalb zu diskriminieren, weil sie nicht demselben Nationalstaat angehören.
Das ist die Grundidee des Planes. Und hier hilft, kann ich nur noch einmal sagen, kein Mundspitzen, hier muß gepfiffen werden. Wenn wir Europa wollen, müssen wir auch die Gleichbehandlung der Europäer in Europa und vor europäischen Instanzen wollen.
Wenn ich in diesem Zusammenhang ein Argument nicht verstanden habe, dann war es auf dem Gebiet der Sozialpolitik der Hinweis darauf, durch diesen Plan könnten Wanderungsbewegungen zum Vorteil einer anderen europäischen Provinz als der deutschen ausgelöst werden.
Ja, wenn wir die europäische Wirklichkeit nicht
auch dadurch realisieren wollen, daß wir die Freizügigkeit in diesem europäischen Raum herstellen,
dann muß ich noch einmal fragen: Wie sieht das Europabild derer aus, die zwar sagen, daß sie Europa wollen, aber überall dort, wo nun aus dieser Aussage konkrete Konsequenzen gezogen werden sollen, uns entgegenhalten: Es darf uns aber nicht
I die Alleinverfügung über diese oder jene Möglichkeit kosten?!
So kann man Europa nicht bauen.
Der nächste Punkt betraf die Frage der Anwendung des Besatzungsrechts, und zwar seiner fortgesetzten Anwendung auf Gebiete, die nicht dem Schumanplan unterliegen. Hier liegt es so: Wir haben die Befreiung von diesen Fesselungen erreicht, weil ihr Fortbestand — ich sage nicht: mit dem Geist; da dieses Wort nicht beliebt ist, will ich versuchen, 'es zu vermeiden — mit dem Vertrag selbst in Widerspruch steht, weil ein Fortbestand jener Beschränkungen, insbesondere der Zuständigkeit des Sicherheitsamtes, eine diskriminierende Behandlung im Sinne des Vertrags wäre und weil das Verbot der Diskriminierung eine Regel dieses Schumanplan-Rechtes ist, die alle anderen Bestimmungen des Vertrags an Wirkung schlägt. Es ist, wenn sie den Ausdruck erlauben, eine Art Verfassungsgrundsatz der Montangemeinschaft, an dem nicht vorbeigegangen werden kann.
Nun gibt es doch nur folgende Alternative: Entweder man hätte in den Schumanplan Weitere Gebiete einbeziehen sollen. Wenn ich die Ausführungen, die wir vorhin gehört haben, so verstehen soll, daß sie eine Anregung dazu sind, den Anwendungsbereich des Schumanplans zu erweitern, so nehme ich das für meine Person freudig zur Kenntnis. Wir haben j a auch schon feststellen können, daß beispielsweise in unserer weiterverarbeitenden Industrie eine große Neigung dazu besteht.
Ich habe es absichtlich vermieden, etwas an Zitaten vorzubringen —, wenn ich nun doch auf das Zitieren eingehen muß, so möchte ich in Parenthese sagen: Es- wäre wirklich leicht, namentlich gegenüber dem, was hier über die Vorteile gesagt worden ist, die der Plan im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie bringt, all das anzuführen, was die Leute, denen dieser „Vorteil" zugedacht ist, nämlich die Leute von der französischen Schwerindustrie, selber darüber 'denken.
Wollen wir nicht diese Zitate aus der Betrachtung ausschalten! Wir haben doch unsere Entscheidung auf unser eigenes Urteil zu gründen.
Ich sage: ich bin ja damit einverstanden, daß wir den Anwendungsbereich des Schumanplans erweitern; und dann kommen weitere Beschränkungen ebenso in Hinfall, wie das bisher schon auf dem Anwendungsbereich des Schumanplans wegen des Widerspruchs mit dem Besatzungsrecht der Fall gewesen ist.
Dann ein Wort über die Ausgleichszahlungen. Ist nicht die Tatsache der Ausgleichszahlungen doch ein kleines Fragezeichen hinter die oft so generell vorgebrachte These, daß unsere Startbedingungen so ungünstig sind? Warum sind denn diese Ausgleichszahlungen eingeführt worden? Deshalb, weil namentlich für die belgische Kohleproduktion — das ist der symptomatische, der illutrativste Fall — in der Tat die Produktionsbedingungen in einem Maße ungünstiger sind als der Durchschnitt der Produktionsbedingungen im übrigen MontanUnion-Raum, daß man, wenn man von Belgien die
Einbeziehung dieser Grundindustrien fordern wollte, etwas tun mußte, um die Schockwirkung der plötzlichen Einführung zu mildern, um also an Stelle — wenn Sie mir die Fortsetzung dieses Bildes gestatten — des Dammbruchs, der durch den Schumanplan herbeigeführt wird, ein System von Schleusen zu setzen, von Schleusen, die eine Zeitlang, nämlich für den Übergangszeitraum, manipuliert werden und es so möglich machen, eine Angleichung des Pegelstandes diesseits und jenseits dieses Dammes in einer vernünftigen, für die nationale Volkswirtschaft nicht störenden Form herbeizuführen.
Eine Bemerkung, die der Herr Abgeordnete zu den Zuständigkeiten des Gerichtshofs gemacht hat, muß ich schon jetzt beantworten. Es wird sich vielleicht im weiteren Gang der Debatte eine Gelegenheit ergeben, dazu noch etwas zu sagen. Ich will mich jetzt darauf beschränken zu sagen, daß es unrichtig ist, zu behaupten, der Gerichtshof könne nur Formalitäten nachprüfen. Ich bin gern bereit, das, was ich hier sage, später, wenn von diesen rechtlichen Dingen die Rede ist, ausführlicher zu begründen.
Und schließlich die letzte Frage, die ausdrücklich an die Bundesregierung gerichtet worden ist: Ob wir die Zusicherung geben können, daß, wenn wir eine Breitbandstraße aus Amerika kaufen können, keine Hindernisse dagegen bestehen, daß wir sie auch einbauen können. Ja, wir können diese Zusicherung geben! Es ist der zweifellose Inhalt des Vertrags, daß das geschehen kann.
Dann war noch der Verdacht ausgesprochen worden — und damit will ich schließen —, daß der Bau des Moselkanals eine Maßnahme sei, die nicht nur nicht europawirtschaftlich sei, sondern die zudem wahrscheinlich das erste Projekt sein werde, das aus den Mitteln der Montangemeinschaft finanziert werde. Darüber kann ich eine beruhigende Erklärung abgeben, nämlich die, daß es sich um eine Finanzierung handelt, die nicht in dem unmittelbaren Anwendungsbereich des Planes liegt. Da der Bau eines Moselkanals nicht ein Vorgang der Grundindustrien ist, bedarf es für eine solche Entscheidung der einstimmigen Zustimmung des Ministerrats. Wir haben also alle Garantien, dabei auch unser Interesse gewahrt zu sehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Meine Damen und Herren! Als ich gerade die Rede des Herrn Staatssekretärs hörte, da dachte ich, ich könnte vielleicht nicht mehr lesen. Aber ich habe mich unterdessen davon überzeugt, daß anscheinend der Herr Staatssekretär Hallstein das nicht mehr kann und daß e r die einzelnen Bestimmungen des Schumanplans nicht genügend im Kopfe hat. Ich habe mir wortwörtlich mitgeschrieben, was er sagte. Er sagte während seiner Ausführungen, „es sei der Hohen Behörde nicht gestattet, durch Befehle oder Verbote" — ich habe wörtlich mitgeschrieben — „in den Absatzvorgang einzugreifen". Lesen Sie sich doch bitte, Herr Dr. Hallstein, einmal die ausdrücklichen Bestimmungen des Schumanplans hier durch! Lesen Sie mal, was da drin steht!
Fangen wir gleich mal mit dem Art. 47 an, der einer der Hauptpfeiler des Absatzes „Wirtschafts-und Sozialbestimmungen" ist. Lesen Sie doch hier zuerst die Generalklausel:
Die Hohe Behörde kann die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Auskünfte einholen. Sie kann die erforderlichen Nachprüfungen vornehmen lassen.
Und so weiter.
— Warten Sie nur in Ihrem jugendlichen Ungestüm! Sie werden den nächsten Satz gleich hören: Diejenigen, die das nicht tun, riskieren, daß die Hohe Behörde gegen Unternehmen, die ihren Verpflichtungen aus Entscheidungen, die in Durchführung der Bestimmungen des Artikel erlassen worden sind, nicht nachkommen, Strafen bis zum Betrag von 1 % des Jahresumsatzes festsetzt und Zwangsgelder bis zum Höchstbetrag von 5 % des durchschnittlichen Tagesumsatzes für jeden Tag des Verzugs. Ist das keine Hinderung der betreffenden Unternehmen? Ist das kein Eingriff in die Produktion?
Herr Staatssekretär, ich weiß bald nicht mehr, was ich dazu noch sagen soll,
wenn ein prominenter Vertreter der Regierung
wie Sie uns diesen Artikel absichtlich nicht zitiert.
Oder nehmen Sie mal den /Art. 66 vor, in dem es heißt, daß die Hohe Behörde Geldbußen bis zum Betrag von 3 oder 10 oder 15 % der Höhe der Vermögenswerte festsetzen kann. Die Hohe Behörde kann Durchführungsmaßnahmen ergreifen, wenn die Beteiligten ihren angeblichen Verpflichtungen nicht nachkommen; sie kann einen Treuhänder für jede einzelne private Fabrik ernennen lassen, sie kann einen Zwangsverkauf für jedes private Unternehmen vornehmen. Damit verstößt sie gegen die Grundsätze unserer Bundesverfassung, die für jeden das Recht des Eigentums garantiert, das nur durch Richterspruch aberkannt werden kann. Sie — die Schumanplan-Behörde — kann alle Rechtsgeschäfte, die von irgendeinem Unternehmen vorgenommen worden sind, für nichtig erklären.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
ja, dagegen kann man doch das Schumanplan-Gericht anrufen. Ja,. das kann man schon; aber es gibt in dem Schuman-plan auch einen Artikel, der ausdrücklich bestimmt, daß die Anrufung des Gerichtes gar keine aufschiebende Wirkung hat, so daß also der Verkauf schon lange erfolgt sein kann, wenn der andere dann vielleicht vom Gerichtshof recht oder teilweise recht bekommt. Ich erinnere mich an den bekannten Satz bei den Ärzten: „Operation geglückt, Patient schon gestorben"! Dem nützt das nichts mehr, wenn er bei Gericht vielleicht mit Schadensersatzansprüchen durchkommt, wenn unterdessen durch ein Umschlagen der Konjunktur oder weiß Gott durch welche Hunderte von anderen Zufällen es hier so gekommen ist, daß dem Mann schon unter der Hand vor seinen eigenen Augen sein eigenes von ihm aufgebautes Unternehmen zum Teufel gegangen ist.
— Nein, ich höre nicht *auf, Herr Zwischenrufer, sondern ich erwarte von Ihnen, daß Sie mir darauf anworten, was denn sonst in diesem Art. 47 drinsteckt.
—Ach, das wollen Sie gar nicht, weil Sie anscheinend nicht wissen, was die Pflicht eines Volksvertreters ist, nämlich solche Bedenken auszuräumen,
wenn sie von irgendwoher vorgebracht werden. Das ist nämlich der Gegensatz zwischen Ihnen und Parlamenten in anderen demokratischen Ländern, daß dort die Regierungsleute und Regierungsparteien sich mit der Opposition sachlich auseinandersetzen und ihr sachlich antworten, wenn solche Probleme besprochen werden, aber nicht hergehen wie bei Ihnen, daß man durch falsche Zitate oder durch Unterlassen von richtigen Zitierungen hier einen Eindruck zu erwecken versucht, der vollkommen unwahr und unrichtig ist, so wie Professor Hallstein vor wenigen Tagen' auf dem Gebiet des Atlantikpakt-Plans es ungefähr ebenso wie heute zu machen versucht hat.
Meine Damen und Herren, es ist geradezu unmöglich zu sagen, wie es Dr. Hallstein tat: „Wir bekommen doch keinen Überstaat; es ist ein ganz harmloses Ding, diese Hohe Behörde"! Sie hab en einen Überstaat geschaffen! Sie haben sogar mehr geschaffen, als Sie annehmen, mehr als einen Überstaat, nämlich eine Behörde, die nicht mehr als demokratisch betrachtet werden kann, weil sie nämlich nicht mehr unmittelbar dem Volkswillen subordiniert ist, und zweitens — und das erscheint mir das Wichtigste —, weil sie bereits die Grundsätze vernachlässigt, die in unserer Verfassung und in der Verfassung aller demokratischen Länder enthalten sind.
Da ist z. B. ein Grundsatz drin von der Trennung der Gewalten.
Dann gibt es in unserer Bundesverfassung so etwas wie den Art. 92, in dem genau aufgeführt ist, welches Gericht nur und welche Gerichte nur in der Lage sind, gegen Staatsbürger vorzugehen und Strafen zu verhängen. Hier, im Schumanplan, entscheidet nicht einmal ein Gericht, sondern eine Behörde wie die Hohe Behörde. Die Haute Autorité entscheidet darüber und bestimmt Strafverfügungen und spricht Eigentum ab und erklärt Verträge für nichtig und verkauft Fabriken usw.
Das sind ja Befugnisse, die noch weit über alles hinausgehen, was man nach juristischen Grundsätzen für vertretbar erachten kann.
Solche Dinge stehen hier drin, und wir erwarten von Ihnen,
daß Sie dies e Dinge aufklären, Herr Dr. Hallstein!
— Herr Präsident, darf ich Sie ergebenst bitten, doch dafür zu sorgen, daß, wenn Zwischenrufe kommen, dann wenigstens vernünftige Zwischenrufe kommen!
Herr Abgeordneter, Sie überschätzen das Vermögen eines Präsidenten.
Es ist nämlich schwer, noch das eigene Wort zu verstehen. Ich werde dadurch gezwungen, lauter zu sprechen, als ich es sonst tue.
Der Präsident ist, was die Vernunft anlangt, Zwischenrufern gegenüber so machtlos wie gegenüber den Rednern.
Er kann mir' immerhin etwas Ruhe verschaffen.
— Ob S i e da sind, Herr Kollege, ist mir gleichgültig! Das Wichtige ist, daß das Volk weiß, daß hier wenigstens ein paar Leute gestanden haben, die sich getraut haben, die Wahrheit zu sagen!
Herr Hallstein hat schon etwas geahnt, indem er sagte: „Gegen die Fehler des Schumanplans hilft nichts anderes als eine weitere Integration".
So sagte er wörtlich. — „Sehr richtig", das sagten Sie jetzt.
Das kommt mir so vor, wie wenn jemand morphiumsüchtig ist
und die Nachteile dieses Morphiumgenusses dann zu verspüren bekommt.
Da hilft auch nur noch die Einnahme weiterer Giftdosen und immer mehr und immer größerer Giftdosen, so, bis die ganze Volkswirtschaft dann zum Teufel geht; und die geht zum Teufel, wenn Sie auf diesem Weg fortfahren, meine Damen und Herren!
Sie stehen heute am Kreuzweg einer Entscheidung, die weit über das hinausgeht, was im Schumanplan drinsteht. Sie stehen an dem Kreuzweg zwischen der und der , zwischen dem faulen, sorglosen und feigen Dahinschlittern, dem Weg des bequemlichen Ausweichens, und dem Weg, wo man warten und sich selbst auf seine Arbeitskraft 'zu besinnen hat! Sie stehen am Kreuzweg zwischen einer Entscheidung, wo Sie dann nicht mehr zurück können bis zum 'Ausgangsweg, wenn Sie diesen Weg einmal für falsch erkannt haben. Sie können dann nicht wieder zurück bis zum Kreuzweg und den anderen Weg gehen. Das können Sie nicht mehr! Beim ersten Schritt, da sind Sie noch frei. Heute sind Sie frei. Beim zweiten Schritt werden Sie Knechte sein, um ein Zitat von Goethe zu variieren. Meine Damen und Herren, dieser Ihr Weg führt ins Verderben!
Sie geben einer Behörde, die nicht einmal eine deutsche ist und bei der Sie nur eine lächerlich geringe Minderheit von 18 % oder 20 % oder sonst was der Stimmen haben, obwohl Sie für diese Organisation und ihre Unterlagen und ihre Rohstoffe usw. das meiste beitragen, — Sie geben dieser Organisation, die nicht einmal eine deutsche ist, plein pouvoir! Sie geben ihr unbeschränkte Vollmacht und ein Ermächtigungsgesetz, das verdammt an andere wirtschaftliche und politische Ermächtigungsgesetze erinnert, die wir schon einmal gehabt haben und die auch eine Ausschaltung der demokratischen Institutionen und des Einflusses des Volkes auf die betreffenden Behörden bedeuteten! Sie schaffen ein neues Ermächtigungsgesetz, und ich beschwöre Sie heute: Schaffen Sie dieses Gesetz im letzten Moment nicht!
Verweigern Sie ihm die Zustimmung, damit man nicht nach wenigen Jahren von Ihnen dasselbe sagt wie von denen, die damals — 1933 — im Reichstag die Forderung nach einem Ermächtigungsgesetz mit Ja statt mit einem kräftigen Nein beantwortet haben!
Und gerade an die nichtsozialistischen Kreise hier in diesem Hause wende ich mich und muß ich mich wenden, damit es nicht einmal später heißt: Es waren lediglich die Sozialisten, die diesem Ermächtigungsgesetz widerstanden haben — wie es tatsächlich auch 1933 der Fall war. Ich beschwöre die Damen und Herren aus den bürgerlichen Gruppen und Fraktionen, die nicht in der Regierung sitzen, hier nicht mitzumachen, sondern als Vertreter des Bürgertums dem Schumanplan ihre Zustimmung zu versagen, auf daß nicht einmal dereinst gesagt werden wird: Von den bürgerlichen Kreisen war niemand oder so gut wie niemand da, der es wagte. dem neuen Ermächtigungsgesetz die Spitze zu bieten.
— Ich hoffe, daß möglichst viele von Ihnen zusammen mit mir gegen den Schumanplan stimmen werden.
Was der Schumanplan wirklich ist, dafür kann man keinen besseren Ausdruck finden als den, den die alten Juristen geprägt haben: Der Schumanplan ist eine societas leonina. Es gibt keine gute deutsche Übersetzung, außer im Dialekt. Dort heißt es „Gesellschaft auf Besch ...", ich will mich nicht näher ausdrücken! Dort, im Dialekt, meine Damen und Herren, könnten Sie einen treffenden Ausdruck als Übersetzung für das lateinische Wort societas leonina finden. Eine societas leonina ist eine Gesellschaft, bei der jemand in ein Betriebsvermögen, sagen wir einmal, von 100 Millionen Mark 60 Millionen einbringt und nur 20 % Stimmrecht hat, bei 'der also der Betreffende die Mehrheit der Fabrik und des ganzen Unternehmens trägt wie wir bei der Kohle, von der wir mehr als jedes andere Land des Schumanplans produzieren, oder beim Stahl, wo wir ebenfalls trotz der Beschränkungen heute schon mehr als jedes andere Land des Schumanplans erzeugen. W i r bringen den größeren Teil des Betriebsvermögens ein und haben in der Schumanplan-Versammlung nur 18 Stimmen, — 18 Stimmen bei insgesamt 78! Auf deutsch gesagt: eine hoffnungslose Minderheit, die jederzeit überstimmt werden kann! Ungefähr so wie S i e hier drinnen die Minderheit überstimmen, könnte es Ihnen dann an Ihrem eigenen Leibe passieren, aber in einer Form, die für das deutsche Volk und die deutsche Volkswirtschaft noch tausendmal verhängnisvoller ist als die Mißachtung demokratischer Spielregeln, die man so oft bei Ihnen hier erleben muß, meine Herren von dieser Seite .
Diese societas leonina! Sie haben heute aus dem Munde hervorragender Wirtschaftssachverständiger schon gehört — und ich brauche nicht nochmals dazu Stellung zu nehmen —, in welcher Art und Weise hier Deutschland benachteiligt wird, welches mehr Kohle und mehr Stahl produziert als jedes andere Land des Schumanplans. Das Mißverhältnis wäre ein noch viel größeres, wenn die Saargebiet-Produktion zum deutschen Produktionskoeffizienten hinzugezählt würde. Ich brauche das, was über dieses schreiende Mißverhältnis zwischen dem, was von uns eingebracht wird, und dem, was wir erhalten, gesagt worden ist, nicht zu wiederholen.
Wenn uns heute Herr Professor Hallstein und gestern Herr Dr. Adenauer auf die Zukunft vertröstet haben, so weiß ich nicht, ob wir uns mit solchen vagen Aussichten auf die Zukunft begnügen sollten. Ich als Jurist habe gern schriftliche Verpflichtungen, und so ist es auch im Völkerrecht. Nur was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen!
Wir sind keineswegs der Auffassung, daß man die brennende Sorge der französischen Stahlindustrie, Koks und Kohle von uns zu normalen vernünftigen Preisen in jederzeit zureichender Menge zu erhalten, irgendwie auf die leichte Schulter nehmen sollte. Im Gegenteil! Wir sind Freunde einer Zusammenarbeit mit dem französischen Volk
und auch mit den französischen Wirtschaftskreisen. Wir haben ganz andere Vorschläge als den Schumanplan zu machen, die' der Sehnsucht und dem berechtigten Bedürfnis der französischen Stahl) industrie nach Koks und Kohle entsprechen könnten: nämlich zweiseitige Lieferungsverträge zwischen Deutschland und Frankreich, meinetwegen auf die Zeitdauer von soundsoviel Jahren, meinetwegen auf 50 Jahre, wenn Sie wollen, — Lieferungsverträge, klipp und klar abgefaßt, der Menge nach abgegrenzt, mit Paragraphen und Bestimmungen im Vertrag, die meinetwegen noch so ausführlich sein können. Wir wollen hier zweiseitige Verträge mit Frankreich und genau so mit den anderen Partnern. Nur dann können wir wirklich volkswirtschaftliche Bilanz machen. Nur dann können wir wirklich sagen: Was haben wir gegeben, und was bekommen wir dafür, — nach dem Grundsatz „do, ut des", der trotz aller schönen Sprüche von Europa und der europäischen Jugend, wie Herr Professor Nölting mit Recht meint, in den nächsten Jahrhunderten für die Gestaltung der zwischenstaatlichen und zwischenwirtschaftlichen Bedingungen unter den europäischen Völkern maßgeblich und bestimmend sein wird.
Geradezu unmöglich aber ist es, wenn Professor Hallstein am Schluß seiner sehr matten Ausführungen gar noch sagt: „Was wollen Sie denn? Sie sind gegen Wanderungsbewegungen? Wir, Hallstein, wollen Wanderungsbewegungen innerhalb Europas — Wanderungsbewegungen von deutschen Arbeitern in andere Länder." Ja, ich weiß, in dieser Regierung Dr. Adenauer spielen mehr Leute als nur Professor Hallstein mit diesem Gedanken der Wanderung und der Abwanderung und Auswanderung. Hat doch erst vor kurzem ein anderer Bundesminister erklärt, die beste Lösung des Problems der heimatvertriebenen deutschen Bauern sei die, sie einfach in Südfrankreich oder irgendwo anders anzusiedeln. Wir sind gegen einen solchen Entzug wertvoller deutscher Arbeitskraft, und ich weiß nicht, ob auch die anderen Vertragspartner des Schumanplans, namentlich Frankreich, so begeistert vom Schumanplan wären, wenn sie einmal sehen würden, wie die depossedierten Arbeiter, die aus den unrentabel gewordenen Unternehmungen bei uns hinausfliegen, nach Frankreich drängen, in die französischen Industriegebiete gehen und dort den französischen Arbeitern Konkurrenz machen — die deutschen Fach- und Qualitätsarbeiter, die in der ganzen Welt bekannt, geachtet, leider auch gefürchtet sind ob ihrer Tüchtigkeit, ihrer Sparsamkeit, ihres Arbeitseifers und ihrer deutschen Disziplin, die es doch den meisten Arbeitern quasi als Staatsverbrechen erscheinen läßt, wenn sie mal ein Streikehen wagen, weil die Herren Großbesitzer der Schwerindustrie ihnen von den Riesengewinnen, die sie zur Zeit machen, nichts ablassen wollen. Der französische Arbeiter ist ja nicht so lammfromm und kadavergehorsam; er hat eine andere demokratische Tradition als bei uns, wo mit Kanonen und Bajonetten und Polizisten regiert wird und lange schon in der Vergangenheit regiert worden ist!
Meine Damen und Herren, das zu dieser „Wanderungsbewegung". Ich teile nicht ganz die Auffassung einiger sozialdemokratischer Redner von gestern und heute, die da meinen, nur Frankreich oder vor allem Frankreich sei der Nutznießer des Schumanplans. Ich meine fast, es könnte der Zeitpunkt kommen, da zu den Leidtragenden des Schumanplanes gerade die französische Bevölkerung zusammen mit der deutschen gehört. Ich habe immer so ein gewisses Mißtrauen gegen derartige Oberbehörden, die noch dazu national unabhängig sind, von der französischen Regierung wie von der deutschen. Solche Organisationen haben es so in sich — oh, das fing schon an mit dem Bureau international du Travail —, alles an sich zu ziehen und dann ihren geistigen Vätern bald einen Fußtritt zu versetzen und sie nicht mehr zu kennen. Ich weiß nicht, ob diese Oberbehörde dann die Interessen des französischen Volkes wirklich noch vertritt — die des deutschen, das nur 18 Stimmen in dieser Behörde hat, wird sie ebenfalls sehr wenig vertreten —; es könnte sein, daß sie nur die eigenen Interessen vertritt, die Interessen des Klüngels und der Clique, die das ganze Übermachtinstrument in die Hand bekommen hat, das nach dem Schumanplan Haute Autorité heißt.
Meine Damen und Herren, interessant und gefährlich wird es ja erst, wenn die Depression kommt. Solange eine Hochkonjunktur ist, solange den Stahlwerken der Stahl buchstäblich aus der Hand gerissen wird, wie es heute in der ganzen Welt ist, solange Kohle noch und noch zu verkaufen ist — wo doch bei uns Millionen von Menschen glücklich wären, wenn der Herr Wirtschaftsminister ihnen mehr als lausige 15 oder 20 Zentner für die Heizperiode zuteilen würde —, zu einem solchen Zeitpunkt ist es leicht, Verträge zu machen. Kitzlig wird die Geschichte erst, wenn es sich um eine Zeit der Depression handelt. Die wird sofort kommen, wenn die internationalen Spannungen sich verringern. Denn wenn sie sich verschlimmern — das wollen wir nicht hoffen! —, dann kommt eine Katastrophe über die Welt. Aber nehmen wir den günstigen Fall, daß sie sich verringern, wenn es gelingt, die brennenden Probleme wenigstens einigermaßen zu lösen. Dann werden wir sehen, wohin wir mit dem Schumanplan
kommen. Und auch da sagt Professor Hallstein nicht die objektive Wahrheit, wenn er erklärt, die Behörde würde j a mit der Produktion so gut wie nichts zu tun haben. Ich habe Ihnen schon aus dem Schumanplan zitiert, in welch ungeheuer wirksamer Art und Weise diese Oberbehörde nicht bloß als Suprastaat existiert und fungiert, sondern noch dazu als Übergericht funktioniert. Denn es bedeutet, Gerichtsbefugnis zu haben — ich betone das ausdrücklich —, wenn man gerichtliche Entscheidungen treffen kann, dem anderen Haus und Hof und Unternehmen wegnehmen kann, und dann eine Anrufung des Gerichtshofs dieser Behörde keine aufschiebende Wirkung hat.
Der prominente sozialdemokratische Redner, der vor mir sprach, hat vielleicht nicht ganz recht, wenn er meint, daß das Gericht die wirtschaftlichen Überlegungen, die zu den Entscheidungen der Haute Autorité geführt haben, nicht zu berücksichtigen hätte. Ich glaube, daß aus dem Text des Schumanplans — und da hat natürlich Professor Hallstein als Jurist sofort eingehakt — das Gegenteil hervorgeht, daß bei solchen Entscheidungen wenigstens in einer Reihe von Fällen auch die wirtschaftlichen Motive durch das Gericht überprüft werden können. Aber was besagt denn das! Und so haben Sie, Herr Professor Nölting, im Endergebnis mit Ihrer Argumentation recht gehabt! Das Schumanplan-Gericht kann ruhig die Sache auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Motive prüfen. Das nutzt uns gar nichts! Denn auch in diesem Gericht sind wir nur eine hoffnungslose Minderheit, und wenn's hart auf hart geht, und wenn der Hafer knapp wird, dann beißen sich die Pferde — dann möchte ich den Vertreter, der von Frankreich, von Italien oder Belgien oder woher sonst hineingewählt worden ist, kennen, der da nicht mit Klauen und Zähnen dafür kämpfen würde, daß sein Land besser fährt und unser Land schlechter! Und dann sind wir in der Minderheit, und was das bedeutet, das haben wir schon gesehen.
Ich habe in meinen Ausführungen eines vergessen: Der Schumanplan schafft einen Gerichtshof, der — mutatis mutandis, verstehen Sie mich da bitte nicht falsch! — genau wie die Nürnberger Gerichte deutsche Industrieunternehmer verurteilen kann und wird, ohne daß sie die Möglichkeit haben, das Urteil durch deutsche Gerichte überprüfen zu lassen. Wenigstens das hätte man von einer deutschen Regierung verlangen müssen und verlangen können, daß sie in den Schumanplan noch eine Bestimmung hineingebracht hätte, wonach die Oberbehörde die Sache in letzter Instanz an deutsche Gerichte verweisen oder sonst irgendwie die deutsche Rechtsprechung einschalten muß, um festzustellen, ob nach dem Urteil deutscher Gerichte tatsächlich ein Verstoß gegen den Schumanplan vorliegt. Wenigstens bei solchen Entscheidungen der Oberbehörde müßte das der Fall sein. wo dem betreffenden Unternehmer sein ganzes Werk und den Arbeitern ihre Arbeitsstätte weggenommen wird.
Meine Damen und Herren, ich gehe ebenfalls nicht konform mit meinem Vorredner, dem Herrn Staatsminister Nölting, wenn er meint, ungefähr 10 % der deutschen Wirtschaft seien uns durch diesen dubiösen Schumanplan aus der Hand genommen. Sie haben ganz recht angeführt, Herr Minister, in welch enormer Art und Weise in der Volkswirtschaft alles von Kohle und Eisen abhängt, die ganzen Handwerker, der ganze Mittelstand, vom Spengler angefangen, der Blech und
Röhren verarbeitet, bis zu dem Bäckermeister, der Kohlen braucht, um Brot zu backen.
Das ist aber weit mehr als 10 %!
Leider wird mit dem Schumanplan eine Behörde geschaffen, bei der der deutsche Mittelstand und Arbeiter keinen Einfluß auf ihr Funktionieren mehr hat, nicht einmal seine Regierung mehr, die, wie ich schon oft sagte, in hoffnungsloser Minderheit ist. Ich möchte einen Besen fressen, wenn die Kohle, das Eisen und der Stahl in der nächsten Zeit durch den Schumanplan billiger werden oder wenn sie dadurch leichter zu erhalten sind.
Kohle, Eisen und Stahl werden teurer werden, kann ich Ihnen sagen, und die Kohle wird wahrscheinlich für die breiten Schichten der Bevölkerung nicht leichter zu erhalten sein als heute, wenigstens für die nächste Zeit, von der für uns ja alles abhängt.
Meine Damen und Herren, eines ist außerordentlich merkwürdig, und es wundert mich, daß die Kronjuristen der Regierungsparteien hier nicht schon lange eingegriffen haben: Warum ist der Schumanplan nicht auch durch den Rechtsausschuß gegangen? Warum wurde nicht von prominenten Juristen untersucht, ob denn der Art. 92 des Grundgesetzes mit dem Schumanplan überhaupt vereinbar ist, mit dieser Behörde, die kein Gericht ist, die aber eine Entscheidung trifft, gegenüber der die Anrufung des im Schumanplan vorgesehenen Gerichts keine aufschiebende Wirkung hat. Es werden noch manche anderen Artikel des Grundgesetzes berührt. Wenn aber diese Artikel des Grundgesetzes dem entgegenstehen, dann, meine Herren, bekommen Sie den Schumanplan niemals durch, denn eine verfassungändernde Mehrheit bekommen Sie nicht mehr in den knappen 11/2 Jahren, wo Sie hier herinnen noch so stark sitzen dürfen, und nachher wird's wohl anders gehen, meine Damen und Herren.
Jenes Rechtsproblem müßte untersucht werden, und ich warte mit brennender Sorge darauf, daß von irgendeiner großen Fraktion in diesem Hause der Antrag endlich noch gestellt wird — es ist wohl auch nach der neuen Geschäftsordnung noch möglich —, den Schumanplan einmal durch den Rechtsausschuß laufen zu lassen und dort diese Bestimmungen nach der rein rechtlichen und nach der verfassungsrechtlichen Seite, aber auch an Hand der bestehenden Wirtschaftsgesetze und der internationalen Wirtschaftsverträge genauestens überprüfen zu lassen.
So geht das nämlich nicht, dieses rasche Durchpeitschen des Schumanplans, und heute haben die wenigsten noch, wie man von oben ganz gut sehen kann, die Schumanplan-Drucksache vor sich liegen. Sie haben j a das Rundschreiben des Herrn Bundestagsdirektors bekommen, wonach die Drucksachen nicht nochmals verteilt werden, wie es eigentlich im Parlament Sitte ist, sondern auf die Verteilung, die im Sommer vorigen Jahres stattgefunden hat, Bezug genommen wird. Viele Leute haben dieses Exemplar nicht mehr; vielleicht haben's die Putzfrauen nach der ersten Lesung weggewischt, oder es ist sonstwie zu Verlust gegangen. Ich möchte schon, daß man wenigstens — —
Herr Abgeordneter Loritz, Sie haben sie; die Drucksache ist gestern noch verteilt worden.
— Ist gestern noch verteilt worden? So? Dann muß sie also unmittelbar vor der Sitzung noch verteilt worden sein, reichlich spät! Ich habe jedenfalls ein Rundschreiben des Herrn Direktors Troßmann in meinem Besitz, in dem er ausdrücklich sagt, die Abgeordneten möchten die Exemplare vom vorigen Jahre mitbringen; es sei für die zweite Lesung nicht mehr möglich, diese Drucksache zu verteilen. Herr Präsident, von diesem Rundschreiben wissen Sie wahrscheinlich nichts, ich stelle es Ihnen sehr gern zur Verfügung.
— Nein, i c h habe den Schumanplan, Herr Horlacher! Ich zitiere Ihnen schon die ganze Zeit daraus! Ich lese Ihnen nicht aus einem Manuskript vor, wie Ihre Patentredner es immer tun, obwohl es in der Geschäftsordnung heißt, die Abgeordneten sollen frei sprechen! In Wirklichkeit kommen sie mit dicken Manuskripten 'rauf und lesen daraus so schön vor.
— Nein, ich lese nichts vor. Ich habe lediglich die Gesetzestexte.
— Ja, für Ihren Geschmack vielleicht nicht! Aber was der Geschmack der deutschen Wähler ist, das warten wir bis zur nächsten Wahl ab!
Darf ich zu den Übergangsbestimmungen eines sagen: sie sind von größter Wichtigkeit, fast von noch größerer Wichtigkeit als das Hauptgesetz, weil gerade richtige Übergangsbestimmungen für die nächsten Jahre entscheiden!
— Sie machen sich den Humor sehr leicht!
Ich glaube, viele Journalisten des In- und Auslandes hören uns zu. Vielleicht ist auch mancher dabei, der sagt, daß ,das, was Sie tun, nicht gerade sehr demokratisch ist. Ich mache es bei Ihren Rednern nicht, daß ich nur mit Lächerlichkeiten. daherkomme. Mit all dem bringen Sie mich auch von meinem Wege nicht ab. Ich bin keiner, der sich als Opposition gegen die Regierung wählen läßt und dann zu den Regierungsparteien überspringt, davon seien Sie überzeugt! Allerdings, es gehört etwas dazu, das durchzuhalten. Ein Magen und Nerven gehören dazu, um das auf die Dauer auszuhalten, wie Sie sich hier in einem deutschen demokratischen Parlament benehmen!
— Nein, ich mache so etwas wie Sie nicht!
Meine Damen und Herren, ich, möchte zu den Übergangsbestimmungen noch sagen: Man hat es, nachdem man allgemeine Bestimmungen in den Entwurf hineingebracht hat, für nötig gehalten, für die Übergangszeit noch besondere Schutzbestimmungen für einzelne Staaten zu schaffen; das sind die §§ 23 ff. Das sind also die besonderen Vorschriften für Kohle von § 24 ab und für Stahl von § 29 ab. Ich lese da von besonderen Bestimmungen für Frankreich, Belgien, für Italien, ja sogar für Luxemburg. Ich blättere aber vergeblich nach Schutzbestimmungen für Deutschland, für die deutsche Stahlindustrie usf. Ich finde nichts, aber auch nichts davon! Kein eigenes Kapitel wie für Belgien, für Frankreich, für Italien — wie in § 27 — oder für Luxemburg — wie in § 31, nichts davon! Es ist schon so mit der Societas leonina, das zieht sich durch wie ein roter Faden, nicht bloß durch das Gesetz selbst, sondern genau so durch die Übergangsbestimmungen!
Daß darüber von den Herren der Regierungsparteien sa wenig gesprochen wurde, bzw. daß sie all das, wenn sie es überhaupt schüchtern versuchten, zu bagatellisieren und zu minimisieren bestrebt waren, kann niemand begreifen, der juristische Texte zu lesen gewohnt ist. Sehen Sie sich bitte mal die Fassung des § 23 an, der den Fall behandelt, daß ganze Industrien kaputtgehen, weil sie in einer Randlage liegen. Das gilt z. B. für die Randzechen im Ruhrgebiet, die jetzt nur deswegen eine Konjunktur haben, weil die Kohle so rar ist, daß alle Leute Überpreise zahlen, die ganz unwirtschaftlich sind. Es geht aber noch viel weiter, und da, meine Herren von der CSU und der Bayernpartei, müßten S i e besonders hellhörig sein. Unsere gesamte bayerische Produktion an Kohle und Eisen ist mit diesen Bestimmungen des Schumanplans erledigt, wenn die Konjunktur urn-schlägt, weil sie viel zu ungünstig liegt, nicht bloß der Fracht nach, Herr Professor Nölting, sondern genau so auch den Produktionsbedingungen nach. Sie wissen ja, aus welchen Flözen bei uns in Oberbayern Kohle produziert wird. Die würde man im Ruhrgebiet gar nicht abbauen, sondern überhaupt links liegen lassen, so dünn sind diese Flöze. Und denken Sie an die ganzen Vorkehrungsmaßnahmen in den bayerischen Kohlenbergwerken, die erforderlich sind, weil ein ganz enormer Gebirgsdruck besteht, der sich im Laufe der Jahrzehnte noch weiter steigern kann. Denken Sie an Preißenberg, an Peiting, an Hausham und an Penzberg! Dadurch werden die Produktionskosten selbstverständlich höher als in anderen Gegenden.
Beim Stahl ist es genau so. Unsere alte bayerische Maximilianshütte droben in der Oberpfalz ist erledigt, wenn die Konjunktur umschlägt, weil sie keineswegs mehr so billig produzieren kann, um etwa mit den Eisenwerken der Franzosen in Konkurrenz treten zu können, die auf dem Minette-Erz aufgebaut sind.
Was sagt nun dieser § 23, von dem ich gerade sprach? Was für ein Trostpülverchen, was für ein Zückerlein hat er für die deutsche Arbeiterschaft?! Hören wir doch einmal, was er sagt:
Falls infolge der Errichtung des gemeinsamen Marktes einzelne Unternehmen oder Teile von Unternehmen vor der Notwendigkeit stehen sollten, ihre Tätigkeit ... einzustellen ...,
dann hat die Hohe Behörde nur „mitzuwirken". Was heißt „mitwirken"? Das ist schon gar nichts Gutes!
Ja, wenn man z. B. einen Akt in Empfang nimmt, einen Stempel draufgibt, den Akt dann an die deutsche Regierung weiterleitet und ihr sagt
„Zahlt Ihr!", dann ist das auch schon ein „Mitwirken"! Auch wenn man dazu eine schöne Resolution faßt: „Getreu den europäischen Grundsätzen bedauert es die Haute Autorité außerordentlich, daß ein paar hunderttausend Arbeiter ums Brot gekommen sind!"
Ja, die Haute Autorité bietet Ihnen sogar eine „récompense" an, sehr verehrter Herr Zwischenrufer! Auch das ist in diesem § 23 vorgesehen. Aber was? Das werde ich Ihnen gleich vorlesen. Ich hätte es Ihnen schon vorgelesen, wenn Sie mich nicht immer unterbrächen.
— Vielleicht verstehen Sie es!
— Ja, Herr Horlacher, das glaube ich! Sie sind Ihrer Meinung nach eben ein Alleskönner! S i e verstehen von der Industrie genau so viel wie von der Landwirtschaft, von der Sie ja stammen.
— Bitte schön, haben Sie nichts gesagt? Hier im Stenogramm ist es verewigt! — Die Haute Autorité wird also dabei „mitwirken", daß die Arbeiterschaft vor den Lasten der Anpassung geschützt wird, und zwar w i e „geschützt" wird, und ihr eine produktive Beschäftigung gesichert wird, und zwar woanders, also vielleicht Schneeschaufeln bei den ertragreicheren Zechen Lothringens oder im Ruhrgebiet. Oder sie werden Straßen bauen oder so kleine Feldeisenbahnen bei einigen großen Werken, die noch am Leben bleiben, weil sie günstiger produzieren. „Umschulung" ist ja auch bereits vorgesehen — siehe § 23 Buchstabe d! Vielleicht werden die Stahlarbeiter dann Bäckermeister bei irgendeinem großindustriellen Werk, oder sie werden in die Kantine eines großen Stahlwerkes in Lothringen oder sonstwo eingestellt! — Wie gesagt, hier sind sogar Gelder für Umschulungen vorgesehen, und zwar in Abs. 4 Buchstaben c und d dieses § 23, allerdings nur Beihilfen; den Löwenanteil wird auch hier das deutsche Volk, der deutsche Steuerzahler zu tragen haben. Mir tut nur heute schon der arme Dr. Schäffer leid, wenn er dafür mit ein paar hundert Millionen Mark herausrücken soll. Bekanntlich muß nach Ziffer 6 des § 23, den ich auch vorlese, die Haute Autorité die Zahlung einer Beihilfe davon abhängig machen, daß der beteiligte Staat — in dem Falle also Deutschland — einen mindestens gleichwertigen besonderen Beitrag leistet. Sehen Sie, so ist die Geschichte! Also die Hauptsache bleibt dabei doch an uns hängen. Ich weiß nicht, ob Herr Schäffer die Millionen hat — er hat jetzt schon zu wenig, um den Kriegsversehrten mehr zu geben —, um hier weitere Hunderttausende auf die Straße geschmissener braver 'deutscher Arbeiter auf unabsehbare Zeit hinaus noch mit der nötigen Unterstützung zu versehen.
— Nein, das ist keine Demagogie, Herr 'Zwischenrufer. Das ist der Gesetzestext!
— Sie sind immer außerordentlich leicht dabei, anderen Leuten Demagogie vorzuwerfen! Ich habe das Gesetz vorgelesen und nichts anderes. Es hat einmal ein bekannter Mann gesagt: „L'on est
toujours le réactionnaire de quelqu'un". Sie variieren das heute: „L'on est toujours le démagogue de quelqu'un", nämlich von denen, die drinhocken in der Regierung und dem Volke nicht Rechenschaft ablegen wollen. Machen Sie doch eine Vo1ksabstimmung über den Schumanplan! Heute sehen die Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei wohl ein, wie recht wir von der WAV damals hatten,
als wir zu der Zeit, da zunächst in den deutschen Ländern die Verfassung geschaffen wurde, in Bayern sagten: Laßt wenigstens über die wichtigsten Gesetze, von denen Wohl und Wehe und Schicksal des ganzen Volkes auf Jahrzehnte abhängt, eine Volksbefragung zu! Fragt das Volk einmal in geheimer Abstimmung, was es dazu sagt! Da habt ihr euch leider damals dagegen gestellt, auch die Kommunisten im bayerischen Landtag.
So kam dann eine Entwicklung, die Sie alle kennen. Heute würden Sie es willkommen heißen, wenn das deutsche Volk in geheimer Abstimmung über den Schumanplan zu befinden hätte. Das wäre der richtige Weg. Da würden Sie etwas sehen, meine Herren Zwischenrufer, wer als Demagoge bezeichnet werden muß.
— Nein, wir sind in keiner Versammlung, aber Sie machen ständig Zwischenrufe und sind daher ein Zwischenrufer. Ich kann doch wohl noch Deutsch.
— Ich kann mit Ihnen auch lateinisch sprechen, wenn Sie mögen. Vielleicht verstehen Sie dann besser — oder Griechisch?
—, Ja freilich, auch bayrisch kann ich mit Ihnen reden, wenn Sie mögen; aber dann schon a bisserl anders. Nur weiß ich dann nicht mehr, was der Herr Präsident dazu sagen würde, und ich möchte doch vermeiden, Ordnungsrufe einzuheimsen.
Herr Abgeordneter, ich habe nicht recht verstanden, welcher Sprache Sie sich eben bedient haben: Sprachen Sie Lateinisch oder Griechisch?
Nein, bayrisch, bayrisch!
Meine Damen und Herren! Ich sage hier lediglich, was in dem Vertrag selbst drinsteht und was jeder Jurist
nach dem klaren, deutlichen Wortlaut der Bestimmungen daraus entnehmen muß, außer er bindet sich Scheuklappen vor die Augen und ein schwarzes Tuch, damit er nichts sieht.,
Meine Damen und Herren! Sofern die Übergangszeit in die Rüstungskonjunktur fällt, mag es gehen; sofern die Rüstungskonjunktur während dieser Übergangszeit abbricht, werden gerade diese Übergangsbestimmungen eine entsetzliche Wirkung
auf einen ganz großen Teil der deutschen Volkswirtschaft haben.
Meine Damen und Herren! Es wird sich bei der Erörterung der rein juristischen Punkte, bei der Erörterung der rein allgemein-politischen Fragen noch manches zu diesem Plan sagen lassen. Ich kann hier vielleicht eines davon mit einem Satz vorwegnehmen, weil es auch für wirtschaftliche Fragen relevant ist: Der nicht bloß politische, sonder auch wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Kardinalfehler in der Konzeption des Herrn Bundeskanzlers und des Schumanplans ist der: Man berücksichtigt nicht, daß eine der' prominentesten Wirtschaftsmächte Europas, nämlich England, sich von diesem Plan distanziert und fernhält. Der Herr Bundeskanzler hat uns gestern darauf gesagt: Es distanziert sich ja gar nicht! — Da haben Herr Churchill usw. einen Beschluß zusammengebastelt oder einen Brief geschrieben oder was weiß ich, was alles nicht für das englische Parlament bindend ist. Denn nur das englische Parlament könnte entscheiden! Also, England will einen Beobachter in die Haute Autorité schicken. — Ja, was bedeutet denn das schon? Das bedeutet nicht, daß England mitmacht oder dem Plan günstig gesinnt ist. Das bedeutet nur, daß England einen Wachposten hineinschickt, der schaut, was dort beschlossen wird. Sonst hat dieser Beobachter keine Bedeutung. Es ist sehr bezeichnend, daß England auch nicht teilweise mitmacht, obwohl England immerhin ein Stahlproduzent von weiß Gott wie hohen Qualitäten ist. Ich weiß auch nicht, ob der Mangel an Kohle in England für lange Zeit so andauern könnte wie heute. Jedenfalls sollte uns das Verhalten Englands zu denken geben.
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, besser gesagt: Wirtschaftsgemeinschaft der zivilisierten Menschheit — ausgezeichnet! Aber nicht eine Gemeinschaft, die auf relativ so wenigen Pfeilern aufgebaut ist wie dieser Schumanplan. Ich betone nochmals, das, was ich jetzt sagte, richtet sich keineswegs gegen die berechtigten Interessen der französischen Stahlindustrie. Zweiseitige Verträge
— ich habe es Ihnen schon gesagt —, ist das, was wir Ihnen als positiven Vorschlag zu machen haben. S i e werden ja darüber lachen; das weiß ich.
— Wer „wir" sind? — Das sind die 670 000 Wähler, die ihre Stimme der WAV gegeben haben, die nur durch einige Mätzchen, nur durch undemokratische Mätzchen
darum gebracht worden sind, daß diese ihre Stimmen hier voll zur Geltung kommen, weil nämlich leider nach der geltenden Verfassung Abgeordnete die Farbe wechseln dürfen, selbst wenn sie ihren Wählern versprochen haben, daß sie in der Partei bleiben, in die sie gewählt wurden, und selbst wenn solche Abgeordnete nicht einmal ihre Wähler und ihre Parteimitglieder danach gefragt haben, ob die mit dem Überlaufen zur Regierung einverstanden sind!
Ich spreche im Namen der 670 000 Wähler, die uns damals ihr Vertrauen geschenkt haben.
Wenn Sie meinen, daß ich nicht mehr berechtigt bin, in deren Namen zu sprechen,
dann haben S i e doch ein wunderbares Mittel: 1 Lösen Sie so rasch wie möglich diesen Bundestag auf! Ich hänge nicht an meinem Mandat. Es dreht sich nicht darum, ob ich wieder in dieses Parlament hereinkomme,
sondern es dreht sich darum, daß das Volk dann die Möglichkeit hat, incidenter darüber abzustimmen, ob Sie noch dem Gesamtwillen des Volkes hinsichtlich Schumanplan, hinsichtlich Plevenplan usw. entsprechen oder nicht. Das können Sie jederzeit riskieren. Ich stehe Ihnen gern zur Verfügung. Wenn Sie heute den Antrag auf Auflösung des Parlaments stellen, verspreche ich Ihnen auf mein Ehrenwort, daß ich für die Auflösung des Parlaments mitstimmen werde.
— Ich habe Ihnen, glaube ich, noch keinen Grund
dazu gegeben, mir mein Ehrenwort zu bestreiten.
Im übrigen: Wiederholen Sie mir das bitte außerhalb dieses Hauses, dann werden Sie meine Meinung hören!
Ich glaube, die Zwischenrufer meinten, man könne nicht gut sein Ehrenwort darauf geben, ob eine Wahl so und nicht anders ausgeht.
Nein, ich sagte eben — Sie haben es infolge des Lärms, der hier herrscht, vielleicht nicht ganz gehört —: Ich gebe mein Ehrenwort darauf, daß ich, wenn Sie. heute einen Antrag auf vorzeitige Auflösung des Bundestags stellen, mit Begeisterung für die •Auflösung des Bundestags mitstimmen werde; übrigens für jeden Antrag, der von irgendeiner Seite des Hauses auf Auflösung des Bundestags kommt.
— Nein, den Gefallen tue ich Ihnen nicht. Es müssen einige hier herinnen sein, die ihre Knie nicht beugen vor dem Götzen Baal.
Es müssen einige herinnen sein, die ihre Knie nicht beugen vor dem mächtigen Einfluß der Schwerindustrie, die heute schon wieder mit aller Kraft dahin tendiert, erstens ein Bombengeschäft zu machen — im übertragenen wie im wörtlichen Sinne des Wortes -- und zweitens die Rechte des Volkes mit Füßen zu treten. Da mache ich nicht mit! Trotzdem oder gerade weil ich kein Sozialdemokrat bin, halte ich es für meine Verpflichtung, als Vertreter der bürgerlichen Kreise, der kleinbürgerlichen vor allem — wenn man überhaupt mit diesen alten überholten Begrenzungen wie bürgerlich oder nichtbürgerlich noch daherkommen will —, mich einzusetzen für die Rechte des deutschen Arbeiters, für die Rechte des deutschen Mittelstandes, für die Rechte der Millionen Menschen, denen es lausig und dreckig genug geht, während die Großindustrie oder wenigstens ein großer Teil von ihr die schamlosesten Gewinne zu buchen versteht. Fragen Sie doch mal, welche Kapitalien sich schon auf den Konten dieser Herren angesammelt haben, allerdings auf Konten, die oft nicht innerhalb der deutschen Grenzen liegen! Orientieren Sie sich, wie hoch die schweizerischen Wirtschafts-
zeitungen, die „Neue Zürcher Zeitung", in ihrem Wirtschaftsteil und andere, die Fluchtkapital-beträge bereits schätzen, die da so vom Norden über den Rhein aus Deutschland rübergewandert sind. Und woher kommen diese Beträge?
— Nein, weil das Nationaleinkommen nicht genügend auf breitere Schultern verteilt wird. Das ist es! Und genau dieselben Kreise, die wirtschaftlich klug zu handeln meinen, vergessen in Wirklichkeit die Worte des alten Ford, der sagte: Großer Reichtum und große Einnahmen lassen sich nur dann rechtfertigen, wenn sie verbunden sind mit einer Aufteilung des Volksvermögens auf möglichst breite Bevölkerungsschichten!
Diese Kreise der Schwerindustrie, nicht bloß in Deutschland, setzen schon wieder aufs falsche Pferd. Sie brauchen solche Überbehörden, wo ihnen die Parlamente aller Länder einschließlich Frankreichs und Italiens nichts mehr oder fast nichts mehr zu sagen haben. Für die ist der Schumanplan das rechte Mittel, um ihre Kassen weiter zu füllen. Für die Völker in Deutschland, in Frankreich, in Italien, in Belgien, in Holland und in Luxemburg wird er sich nicht bloß als ein zweischneidiges Schwert erweisen, sondern als ein Schwert, das den Leuten wirtschaftlich bald die Gurgel abschneiden kann.
Meine Damen und Herren! Wir warnen in letzter Minute!
Wir warnen — weil wir unsere Pflicht tun wollen
gegenüber unseren Wählern und gegenüber unserem Volk — davor, den Schumanplan anzunehmen und ein neues wirtschaftliches Ermächtigungsgesetz zu schaffen, das unbeschränkte oder fast unbeschränkte Vollmachten an Behörden gibt, die
sich nicht einmal innerhalb Deutschlands befinden,
auf die wir fast keinen oder nur einen geringfügigen Einfluß haben. Wir warnen davor, so wie ich
als junger Mann — ich war damals noch nicht Abgeordneter — Freunde von Ihnen davor gewarnt
habe, mit Ja zum Ermächtigungsgesetz zu stimmen.
— Nein, ich war 1933 nicht in der Schweiz! Sagen Sie nicht solche Unwahrheiten! Ich war Rechtsanwalt in München. Ich verbitte es mir, beständig mit solchen unwahren Vorwürfen von Ihnen bedacht zu werden, vielleicht weil Sie wissen, daß ich gegen Sie strafgerichtlich nichts machen kann, wenn Sie hier herinnen solche Unwahrheiten äußern.
— Vielleicht waren Sie auch einmal dort! Ihr Bundeskanzler war erst im vorigen Sommer am Bürgenstock droben.
Aber ich war nicht in der Schweiz mit den Geldern, die aus deutschen Steuergeldern kommen wie das Gehalt Dr. Adenauers!
Nein, damit war ich nicht in der Schweiz. Wenn Sie es genau wissen wollen: ich war damals als junger Mann auf Einladung von Bekannten dort. — Es ist schon so, aber nicht etwa mit Steuergeldern des deutschen Volkes, die jemand in seiner Eigenschaft als Bundesminister oder Bundeskanzler bekommen hat. Ich glaube, das gehört sich nicht!Die
Gelder sollte er lieber in deutschen Kurorten ausgeben. Aber wenn Dr. Adenauer schon in diesem erstklassigen, feudalen Luxushotel auf dem Bürgenstock in der Schweiz war — —
Herr Abgeordneter Loritz, das ist nicht Gegenstand dieser Aussprache.
Ganz richtig! Ich komme auch sofort auf den Schumanplan zurück.
Ich bitte Sie, beim Schumanplan zu bleiben,; sonst entziehe ich Ihnen das Wort.
Adenauer hätte in der Schweiz, am Ranft, hören können, was dort einer der berühmtesten Politiker aller Zeiten einmal in einer Lage, die der unsrigen sehr ähnlich war, gesagt hat. Er hat damals seine Eidgenossen — ich spreche von Nikolaus von der Flüe — ermahnt, sie sollten sich heraushalten aus den Händeln und Interessen der Großen. Und so sage ich Ihnen auch heute als Abschluß: Halten Sie sich bitte heraus aus den Interessen jener zwei großen Weltmachtblöcke! Betreiben Sie eine Wirtschaftspolitik, die es fertigbringt, die deutschen Rohstoffe und die Arbeitskraft, die wir noch haben, einzusetzen für den Frieden, für Lieferungen an die, die uns anständig -bezahlen, für zweiseitige Lieferungsverträge, die ohne weiteres der französischen Eisenindustrie das zukommen lassen können, wessen sie bedarf, die aber umgekehrt nicht etwa die wenigen Trümpfe, die wir wirtschaftlich noch in der Hand haben — und das sind Stahl und Eisen — weggibt zugunsten eines Linsengerichts, von dem wir noch gar nicht einmal wissen, wie und von wem es in den nächsten Jahren gekocht wird. Darum bitte ich Sie nochmals herzlichst, und namentlich diejenigen, die heute zuerst ihre Argumente gegen den Schumanplan vorbrachten, wie Dr. Bertram, und dann plötzlich die Kippe auf die andere Seite mitmachten, bitte ich inständig: Stimmen Sie mit Nein gegen einen Plan, der nichts anderes ist als eine Vergewaltigung der deutschen Wirtschaft!
Das Wort hat der Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! Das vorliegende Vertragswerk, der Schuman-plan, ist eine konsequente Fortsetzung jener Politik, die die amerikanische Hochfinanz mit dem Marshallplan begonnen hat.
Mit dem Marshallplan sicherten sich die amerikanischen Bankherren einen Einfluß auf die dem Marshallplan angeschlossenen Länder. Man führte dann mit den Londoner Empfehlungen die Spaltung Deutschlands durch, man setzt diese Politik fort, indem man den Völkern den Schumanplan aufzwingen will. In der „New York Herald Tribune" vom 20. März 1951 wurde ganz deutlich gesagt, daß dieser Plan ein Hauptziel der amerikanischen Deutschlandpolitik darstelle, und der „Volkswirt" schrieb am 12. Mai: Der Grundgedanke des französischen Vorschlags, des Schumanplans, ist bereits in einer amerikanischen Denkschrift formuliert. — Es handelt sich nicht um einen franzö-
sischen Plan, um einen Plan des französischen Außenministers Schuman, sondern um einen Plan, der ihm von den amerikanischen Bankkreisen aufgegeben wurde.
Was will man mit dem Schumanplan? Stimmt es, wie es der Professor Hallstein hinzustellen versucht, daß es darum gehe, die Integration Europas vorwärtszutreiben im Interesse der Hebung des Wohlstands der Völker, der Verbesserung der Lebenslage der arbeitenden Menschen in den angeschlossenen Schumanplan-Ländern? Darum geht es nicht. Es geht darum, mit dem Schumanplan die westeuropäische Stahl- und Kohlenindustrie in jene Ziele des USA-Kapitals einzubeziehen, die auf die Auslösung eines dritten Weltkrieges gegen die friedlichen demokratischen Völker der Welt abzielen. Wer Tiber das Ziel des Schumanplans im Zweifel wäre, den möchte ich daran erinnern, daß der amerikanische Hochkommissar McCloy im Juli des vergangenen Jahres in einem Bericht an Washington sagte, die Bundesrepublik sei für einen wirtschaftlichen Verteidigungsbeitrag besonders geeignet; Westdeutschland könne eine beachtliche Kriegs- und Verteidigungsproduktion in Gang bringen. Damit wurden schon Ziel und Richtung des Schumanplans aufgezeigt. Es geht darum, Stahl und Kohle zu besitzen, um mit jenem Wirtschaftspotential eine Rüstung zu entwickeln, um so jene Ziele zu erreichen, die in der Truman-Doktrin niedergelegt wurden. Das ist der tiefere Sinn des Schumanplans.
Leider hat auch die sozialdemokratische Fraktion zu diesen Zielen des Schumanplans nichts zu sagen. Sie polemisiert gegen den Schumanplan, weil dieser Plan der deutschen Schwerindustrie, den Gruben-und Stahlherren nicht genügend Rechte sichere. Sie polemisiert gegen Frankreich, weil die französischen Stahl- und Kohlenbarone versuchen, sich bestimmte Vorteile zu sichern. Aber ich stelle die Frage an die sozialdemokratischen Redner des heutigen Tages: Stimmen Ihre Argumente gegen den Schumanplan nicht mit den Argumenten der Vertreter der westdeutschen Schwerindustrie überein? Forderte Herr Kost nicht genau so die Erhaltung des Kohlesyndikats, wie Sie, Herr Imig, es tun? Sie versuchen, in Opposition gegen den Schumanplan zu machen; aber, Herr Imig, Sie haben das Abkommen über das Erfolgsanteilsystem, d. h. das neue Antreibersystem gegenüber den Bergleuten, mitunterzeichnet. Das Erfolgsanteilsystem im Ruhrbergbau liegt in der Konzeption des Schumanplans und der amerikanischen Politik.
Herr Nölting hat hier auf die schweren Diskriminierungen der westdeutschen Wirtschaft hingewiesen. Er hat die sozialen Auswirkungen des Schumanplans auf das Leben und die Arbeitsbedingungen der Werktätigen aufgezeigt. Aber wenn man das erkennt, dann muß man daraus die Konsequenz ziehen und den Schumanplan nicht aus taktischen Gründen — weil' er nicht genügend Vorrechte für die westdeutsche Schwerindustrie sichert — ablehnen, sondern man muß aus nationalen wie sozialen Gründen entschieden gegen den Schizmanplan kämpfen. Der Herr Kollege Nölting weiß genau so wie ich: wenn der Deutsche Gewerkschaftsbund die Arbeiter zum Kampf gegen den Schumanplan aufrufen würde und wenn sich die sozialdemokratische Parteiführung nicht immer gegen die Herstellung der Einheit der Arbeiterschaft gestellt hätte, dann brauchten wir heute gar nicht mehr über den Schumanplan zu diskutieren. Dann hätten wir ein einheitliches demokratisches Deutschland, in dem die Werktätigen ein entscheidendes Wort in der Wirtschaft mitzusprechen hätten.
— Ja!
— Ihr Zwischenruf beweist mir, wie recht ich mit meinen Feststellungen über die falsche Politik der sozialdemokratischen Führung habe.
Der Schumanplan ist eng gekoppelt mit dem Atlantikpakt. Die „Neue Zürcher Zeitung" schreibt darüber:
Zu diesen Bedenken gegen den Schumanplan gesellen sich noch die Überlegungen über das künftige Verhältnis der Hohen Behörde zur NATO, d. h. zu der Organisation des Schumanplans und ihrer Führung. Diese Institutionen werden bei künftigen Investitionen im Raum der europäischen Montan-Union mitzuwirken haben.
Jetzt steht die Frage: Weshalb sind die westdeutschen Schwerindustriellen, weshalb ist die Bundesregierung unter der Führung von Adenauer so sehr stark an der Durchpeitschung des Schuman-plans interessiert? Sie sind deshalb daran interessiert, weil die Interessen der westdeutschen Schwerindustriellen identisch mit den Profitinteressen der amerikanischen Hochfinanz sind, weil das Machtstreben der westdeutschen Monopolherren identisch ist mit den Kriegszielen des mächtigen amerikanischen Bank- und Börsenkapitals. Deswegen sind sie für den Schumanplan. Sie hoffen, ungeheure Rüstungsaufträge zu erhalten, unbekümmert darum, welche Konsequenzen sich für unser Volk und für alle Völker Europas daraus ergeben mögen. Sie träumen und erhoffen hohe Profite aus diesen Rüstungsaufträgen. Mag man auch durch die Hohe Behörde eine Reihe von Randzechen, unrentable Stahlwerke stillegen, — das interessiert sie nicht. Sie bekommen jene großen Aufträge, wie jetzt wieder der Herr Truman in seiner letzten Rede proklamiert hat: mehr Aufrüstung, stärkere Kriegsvorbereitungen, schnelleres Tempo in der Organisierung und Auslösung eines dritten Weltkrieges.
Ist es nicht aufschlußreich für jeden Arbeiter und dürfte es nicht aufschlußreich auch für die sozialdemokratische Fraktion sein und vor allem für die Führer des Deutschen Gewerkschaftsbunds, daß schon im vergangenen Jahr, am 28. Juni 1951, auf der Kundgebung des Bundesverbandes der Industrie Herr Dr. Beutler und der Präsident dieses Bundesverbandes, Fritz Berg, sich eindeutig für die Politik der Eingliederung Westdeutschlands in die amerikanische Kriegspolitik aussprachen?
Herr Dr. Beutler sagte:. Die deutsche Industrie unterstützt ihre, d. h. die Adenauer-Politik auf die Einordnung Deutschlands in die westliche Welt. Die Industrie ist ohne Einschränkung bereit, ihren Beitrag zu leisten. — Was aber für die Großindustriellen gut ist, das kann auf Grund der Erfahrungen, die die Werktätigen täglich sammeln können, niemals gut sein für die Gewerkschaftler und für
das werktätige Volk. Deshalb wäre es notwendig gewesen, daß sich die Gewerkschaftsführung von der ersten Stunde an mit der gesamten gewerkschaftlichen Kraft gegen den Schumanplan gewandt hätte. Stattdessen hat der Herr Fette sich für den Schumanplan genau so wie für die Leistung eines sogenannten militärischen Beitrags ausgesprochen.
Bezeichnend war, daß, als der Plan in der Vordebatte stand, die Kurse für die Werte der Montanindustrie sprunghaft in die Höhe gegangen sind. Dafür einige Beispiele aus den Notierungen der Frankfurter Börse: Die Ilseder Hütte zeichnete mit ihrem Kurs an der Börse am 16. Mai 1950 62 und am 4. Oktober 1951 135, die, Klöckner-Werke 57,5 und 124, die Gutehoffnungshütte an dem gleichen Tage 62,5 und 135,5, die Mannesmann A.G. am 16. Mai 1950 51,25 und 116 am 4. Oktober 1951, die Vereinigten Stahlwerke 50,5 und 120 am 4. Oktober 1951. Die Kurse für Werte der Montanindustrie sind in den letzten Wochen noch weiter angestiegen. Vor der Verkündung des ' Schumanplans, vor der Einleitung der Debatte wurden die Aktien der Montanindustrie im Durchschnitt fast an allen Börsen mit 20 bis 30 % ihres Nennwertes notiert.
Wenn wir unsere Rohstahlproduktion ansehen, dann ist festzustellen, daß mit dem zunehmenden Druck der amerikanischen Kriegstreiber auf die westdeutsche Industrie die Rohstahlproduktion hochgetrieben wurde, zwar nicht mit dem Ziel, das Leben des deutschen Volkes zu normalisieren und unsere Heimat wieder aufzubauen, sondern mit dem Zweck, mehr Stahl und mehr Kohle für die Aufrüstung zu bekommen, für jene gewaltigen Rüstungsmaßnahmen, die von dem Herrn Eisenhower betrieben werden. Ist es nicht bezeichnend für die gesamte Situation, daß wir vor der amerikanischen Intervention in Korea fast 2 Millionen t Kohle auf Halde hatten, daß eine ganze Reihe entscheidender Stahlwerke sich bereits damit befaßten, die Produktion einzuschränken und zur Kurzarbeit überzugehen? Aber nach dem amerikanischen Eingriff in den Unabhängigkeitskampf des koreanischen Volkes nahmen die Abrufe an Kohle und Stahl zu, und zwar für die Durchführung jenes schmutzigen Inverventionskrieges in Korea und für die militärischen Aufrüstungen.
Heute meldet die Presse, es sei damit zu rechnen, daß im Jahre 1951 die Stahlproduktion ungefähr bei 13,5 Millionen t stehen werde. Der Leiter der amerikanischen Verwaltung für die sogenannte gemeinsame Sicherheit, Harris, verlangt die Erhöhung der Stahlproduktion in seiner letzten Rede auf 20 Millionen t in Westdeutschland. Es ist schon kennzeichnend, daß aus der Marshallplanbehörde nun eine direkte Rüstungs- und Kriegsbehörde geworden ist. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreibt zu den Ausführungen von Herrn Harris, daß Westdeutschland schon jetzt mit riesigen Kohle- und Stahllieferungen an den gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen des Westens hervorragend beteiligt sei. Die Bundesrepublik habe im vergangenen Jahr 25 Millionen t Kohle und 4 Millionen t Stahl ausgeführt. — Die meisten in diesem Hause wissen, daß wir die Kohle zu einem niedrigen Preis ausführen mußten, während unsere eigene Industrie nicht genügend Kohle für die Produktion ihrer Fabrikate hatte
und unsere Bevölkerung nicht genügend Hausbrand bekam. Wir mußten die Kohle zu einem niedrigeren Preis abgeben, obgleich wir in der Lage gewesen wären, durch Veredlung der Kohle ein höheres Ergebnis bei dem Handel mit Chemikalien, mit Medikamenten usw. zu erzielen. Großen Fabriken wie dem Hasper Stahlwerk und der Mannesmann A. G. sind von der Ruhrbehörde Zwangsauflagen zur Steigerung der Ausfuhr von Halbfabrikaten gemacht worden, während unsere Fertigwarenindustrie heute keinen Stahl bekommen kann. Man könnte in der FertigwarenIndustrie die Grundstoffe zu lohnintensiven Fertigwaren verarbeiten, die sich dann in der Handelsbilanz wiederum positiv, also zugunsten unseres Volkes auswirken würden!
Diese Politik wurde mitgemacht, wurde gutgeheißen und soll jetzt durch den Schumanplan gesetzlich durch die Zustimmung des Bundestags verankert werden. Die Nutznießer bei der Fortführung und Durchführung der Deutschlandpolitik der Westmächte sind einzig und allein die Großkapitalisten, die Grubenbarone und die Stahlherren. Ihre Positionen wurden wieder gefestigt. Jede Demokratisierung der Wirtschaft wurde verhindert. Das von der großen Mehrheit des Landtags von Nordrhein-Westfalen angenommene Kohlengesetz wurde von der britischen Militärregierung einfach nicht sanktioniert. Stattdessen wurde der Schwindel der Entflechtung und der sogenannten Neuordnung durchgeführt, d. h. eine Wiederbefestigung der Stellung der alten Konzernherren vorgenommen. Diese haben schon zweimal — im ersten und im zweiten Weltkrieg — bitteres Leid über unser Volk gebracht, und es mußte große Opfer bringen.
Die Banken sind kühle Rechner. So wurde in dem Bericht über das vergangene Börsenjahr von dem Bankverein Westdeutschlands folgendes festgestellt: Am meisten haben in diesem Jahr die unter der Unsicherheit der Entflechtung zurückgebliebenen Aktien der Montanindustrie und der Großbanken profitiert. Der Kurszuwachs für Kohle und Eisen beträgt 153, für Bankaktien 125 %. Das zu der gleichen Zeit, in der die Teuerung für alle wichtigsten Bedarfsgüter zunahm und in der wir ein Absinken des Reallohns der Werktätigen von Tag zu Tag verzeichnen können.
Der Schumanplan steht in engster Verbindung mit der Durchführung jener Empfehlungen — er soll sie ermöglichen —, die vor einigen Wochen von der Marshallplanbehörde gegeben wurden. Gefordert wird: Stärkere Investition von Kapital in den Grundstoffindustrien, um dort mehr zu erzeugen, und Zurückstellung von Investitionen in den Bedarfsgüterindustrien.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch an jene Tagung erinnern, die unter der Inspiration und Leitung des Vizekanzlers Blücher in Bad Godesberg durchgeführt. wurde. Darüber heißt es in einem Bericht: Es ging aus den Verlautbarungen des ERP-Ministers hervor, daß die meisten Gelder in den Grundstoffindustrien investiert werden sollen und daß nicht daran gedacht ist, die notwendigen Mittel in die Bedarfsgüterindustrie zu legen.
Die Großkapitalisten versprechen sich von dem Schumanplan eine Rettung vor der Abrechnung des deutschen Volkes über ihre verbrecherische Politik während der Hitlerzeit. Deswegen rufen sie auch so stark nach amerikanischen Anleihen. Auf dem Eisenhüttentag wurde mit Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, man erwarte, daß man
die notwendigen Gelder von 2,5 Milliarden DM erhalte. In der Kohlenindustrie spricht man davon, daß 3 Milliarden DM erforderlich seien. Wed die amerikanischen Kriegstreiber auf die Karte des deutschen Imperialismus setzen, hofft man, daß die amerikanischen Banken nach der vollständigen Reprivatisierung der Grundstoffindustrien und nach der Ratifizierung des Schumanplans bereit sein werden, Gelder für die westdeutsche Rüstungsindustrie bereitzustellen. Deshalb stimmen sie so freudig zu. Deshalb versucht die AdenauerRegierung, den Schumanplan hier durchzupeitschen! Diese Regierung ist weiter nichts als der Wortführer der westdeutschen Schwerindustrie und führt deren Politik durch.
Die Verbrauchsgüterindustrie würde durch die Ratifizierung, dem Inkrafttreten des Schuman-plans, den Vollmachten der Hohen Behörde noch weiter betroffen. Tatsache ist, daß die Entwicklung der Bedarfsgüterindustrie gegenüber der der Schwerindustrie gewaltig zurückgeblieben ist. Hier einige Zahlen über die Produktionshöhe. Die Produktion an Rohstoffen betrug nach dem Stand vom Oktober 1951 143 %, die Produktion in der Fertigwaren-Investitionsgüterindustrie 163 %. Die Produktion allgemeiner Produktionsgüter betrug 149 % und die Produktion der Verbrauchsgüter 120 %. Aber auch diese Indexzahl für die Verbrauchsgüter muß noch kritisch untersucht werden. Die Preise für' die Verbrauchsgüter sind nämlich bedeutend schneller angestiegen als die Preise der Grund-und Rohstoffe. Daraus ergibt sich ein noch viel ungünstigeres Bild der Produktion der Verbrauchsgüter.
In der Fertigwarenindustrie haben wir heute fast in allen Zweigen einen Auftragsmangel. Ich denke an die Schuhindustrie, an Teile der Textilindustrie. Im Fahrzeugbau und anderen Industriezweigen fehlt es an den erforderlichen Stahlmengen. Im Wirtschaftsteil der „Frankfurter Allgemeinen" schreibt man am 9. Januar: Die Zuteilung von Stahl für die Herstellung dauerhafter Konsumgüter und für die Herstellung bestimmter Industriebauten sind für das Jahr 1952 bereits erneut herabgesetzt worden. Die Schiffswerften verfügen auch nicht über genügend Stahl. So wird berichtet, daß ein Teil Hamburger Werften zu Kurzarbeit und zum Teil zu größeren Entlassungen übergehen müssen. Es ist ganz klar: wo Kohle und Stahl in die Rüstung gehen, da sind keine Kohlen, da ist wenig Strom und Stahl für die Bedarfsgüterindustrie, für die Entwicklung einer Friedensproduktion vorhanden.
Wer die Kohle und den Stahl beherrscht, der beherrscht praktisch die gesamte Industrie.
Von dem Diktat und der Diktatur der Hohen Behörde hängen alle übrigen Produktionszweige unserer Volkswirtschaft ab.
— Auf dieses dumme Geschwätz will ich keine Antwort geben; Sie können nämlich keinen anständigen Zwischenruf machen.
Der Schumanplan soll angeblich die Spannungen zwischen den Völkern beseitigen. Wir haben aber hier schon von den verschiedenen Rednern gehört, wie stark die Spannungen zwischen den Interessen der westdeutschen Schwerindustriellen und den Interessen der französischen Kohlen- und Stahl- , herren sind. Ich möchte dem Herrn Kollegen Nölting und auch dem Kollegen Henßler sagen: sie sollen doch hier nicht bloß zitieren, was jene Herren gesagt haben, die sich um den Herrn Schuman gruppieren, sondern sie sollen einmal ausführen, was die wahren Volksvertreter Frankreichs, die gegen den Schumanplan aufgetreten sind, in der französischen Kammer ausgeführt haben. Weshalb wundert sich denn der Herr Henßler, daß solche Interessengegensätze bestehen? Es ist doch ein Vertrag unter Großkapitalisten, unter kapitalistischen Profitjägern und -räubern! Er kann doch gar nicht anders aussehen, als hier dargelegt wurde. Aber es ist falsch, den Stoß gegen Frankreich zu richten. Das französische Volk ist in seiner übergroßen Mehrheit trotz der Haltung der Mehrheit der Kammer gegen den Schumanplan.
Im Kampf gegen den Schumanplan stehen alle friedliebenden Menschen zusammen, weil der Schumanplan nicht, wie es in der Präambel heißt, ein Werkzeug des Friedens ist, sondern ein Werkzeug zur Durchführung der Kriegspolitik und zur Lieferung der notwendigen Kanonen, der Granaten und der Panzer für die atlantische Angriffsarmee. Der Schumanplan beseitigt nicht die Spannungen unter den Völkern, sondern der Schumanplan vertieft die Spannungen unter den Völkern und verstärkt die Kämpfe auch der einzelnen Interessengruppen untereinander.
Die Hohe Behörde — das kann der Herr Professor Hallstein keineswegs bestreiten — ist doch eine gewaltige Macht. Selbst das „Handelsblatt" mußte feststellen, daß wir hier praktisch von einer Wirtschaftsdiktatur reden müssen. Die Herren aus der Schwerindustrie plaudern sonst nicht gern aus der Schule. Nun wird gesagt, die einzelnen Nationalwirtschaften seien gar nicht so fest an die Kette gelegt. Der Herr Hallstein soll sich doch einmal sein Werk, welches er mit den Herren Acheson und Schuman ausgeheckt hat, ganz deutlich ansehen. Schon bei den Kapitalinvestierungen, schon bei den Finanzierungsplänen beginnt die Diktatur der Hohen Behörde zu wirken. Die Hohe Behörde besorgt sich Geld für Investitionen aus Umlagen auf Kohle und Stahl der angeschlossenen Nationalwirtschaften der Schumanplan-Länder. Sie kann je nach den Bedürfnissen und Erfordernissen der amerikanischen Rüstungs- und Kriegspolitik Zwangsauflagen auf die Preise für Kohle und Stahl machen und sie eintreiben sowie das Kapital in jene Industriezweige investieren, die ihr passen. Die Investierungen werden nicht von den Interessen der einzelnen Völker bestimmt, die dem Schumanplan unterworfen werden sollen.
Es ist doch sehr bezeichnend, daß selbst Leute, die der Regierung sehr nahestehen, den Herrn Professor Hallstein widerlegen. Hören Sie einmal, was der Herr Professor Dr. Ritschl, ein maßgebliches Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Bonner Finanzministeriums, am 12. Dezember in der Zeitschrift „Der Spiegel" schrieb:
Art. 54 gibt der Hohen Behörde ihr wirtschaftlich wichtigstes Mittel in die Hand. Sie kann
den Unternehmungen selbst Kredite gewäh-
ren . . . Die Rolle der Hohen Behörde als Kapitalgeber und -vermittler wohl vorwiegend amerikanischer Anleihen gibt ihr eine sehr große Machtstellung.
Das wird aus jenen Kreisen verlautbart, die zu der Schule und zu der Klasse des Herrn Professors Hallstein gehören. In der Tat ist es so: wer das Geld gibt, der bestimmt, was getan wird; andernfalls wird das Geld nicht gegeben.
So steht es im Vertrag. Schon hat sich das amerikanische Finanzkapital durch die sogenannte amerikanische Deutschland-Politik, durch Marshallplan, Ruhrstatut und Ruhrbehörde einen wichtigen Einfluß auf die westdeutschen Schlüsselindustrien verschafft. Ich möchte bloß an das Gesetz Nr. 36 über die chemische Industrie erinnern. Ich möchte an das Gesetz 75, ich möchte nicht zuletzt an das sogenannte Gesetz über die Neuordnung, das Gesetz Nr. 24 erinnern. Mit diesen Methoden und durch die direkte Geldgabe, durch Ankauf von Aktien hat sich das amerikanische Finanzkapital nach dem zweiten Weltkrieg noch stärker in die westdeutsche Schlüsselindustrie eingebaut. Ich möchte weiter an die Verflechtungen des IG-Farbenkonzerns mit dem amerikanischen Bankkapital erinnern. Es ist doch nicht von ungefähr, daß das IG-Farbenwerk in Leverkusen, das direkt auf dem Präsentierteller liegt, fast gar nicht durch amerikanische Bomberverbände angeschlagen wurde, während Arbeitersiedlungen buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht wurden.
Ich möchte erinnern an die persönlichen Verzahnungen der Bundesregierung mit dem amerikanischen Finanzkapital. Vielleicht kann der Herr Dr. Adenauer nähere Auskunft über seinen Schwiegersohn und vielleicht auch über seine verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem amerikanischen Hochkommissar McCloy geben.
Dann würde das deutsche Volk deutlicher sehen, welche Politik hier praktiziert werden soll, wie die Interessen des d eutschen Rüstungskapitals identisch und verzahnt sind mit den Interessen des amerikanischen Rüstungs- und Bankkapitals.
Ich möchte weiter daran erinnern, daß durch die Anerkennung der Vorkriegsschulden alle Rechte amerikanischer Geldgeber aus den Dawes- und Young-Verpflichtungen wiederaufgelebt sind. Darüber wurde bei der grundsätzlichen Anerkennung der alten Vorkriegsschulden Deutschlands gar nicht gesprochen.
— Ja, das hat sehr viel damit zu tun; wir mußten nämlich während der Zeit des Dawes- und Young-plans einen Teil unserer Gruben, die Einnahmen unserer Bahn und Post verpfänden. Ich möchte daran erinnern, daß damals in der Deutschen Bank ein Beauftragter der amerikanischen Hochfinanz saß. Ich möchte daran erinnern, daß die Amerikaner dafür gesorgt haben, daß das ganze StinnesVermögen, in amerikanischen Besitz überging. Vielleicht können Sie sich einmal informieren, wenn Sie nicht darüber orientiert sind.
So hat sich das amerikanische Finanzkapital Zug um Zug einen steigenden Einfluß in der westdeutschen Schwerindustrie verschafft. Durch den Schumanplan will man jetzt endgültig die ganze Schwerindustrie und damit die gesamte Industrie Westdeutschlands in den Dienst der Politik stellen, die von dem Herrn Eisenhower in Rom und in Paris angegeben wurde, nämlich: Schnellere Aufrüstung, schnellere Vorbereitung eines dritten Weltkriegs gegen die Völker, die nur an der Erhaltung des Friedens interessiert sind.
Die sozialdemokratische Fraktion sollte nicht bloß aus taktischen Gründen gegen den Schumanplan auftreten, sie sollte auch einmal kritisch Stellung zu ihrer Politik in der Weimarer Zeit nehmen. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion glaubte ja auch, dem Dawes- und Youngplan zustimmen zu müssen, und die sozialdemokratischen Zeitungen brachten große Bilder von dem Aufgehen der Dollarsonne über Deutschland.
Was daraus geworden ist, das haben wir gesehen: Sechs Millionen Arbeitslose, eine demoralisierte Wirtschaft, — und das gab die Basis ab für jenen Fang Hitlers für die Organisierung und Führung des zweiten Weltkrieges.
Wenn man den Schumanplan aus grundsätzlichen Erwägungen heraus im Interesse der nationalen Rechte unseres Volkes und des Friedens ablehnt, dann muß man sich auch gegen die verlogene Idee von der sogenannten Integration Europas wehren; diese sogenannte Idee dient ja nur dazu, unter der Führung Amerikas die Völker Europas auf die Schlachtfelder gegen die Sowjetunion, die Volksdemokratien und gegen unsere eigenen Schwestern und Brüder in der Deutschen Demokratischen Republik zu jagen.
Ich sprach davon, wie die Hohe Behörde über Kapitallenkung auf die westdeutsche Industrie einwirkt. Aber das nicht allein; man sagt auch ganz deutlich, daß die Hohe Behörde „Empfehlungen" bei der Aufstellung der Produktions- und der Investitionsprogramme geben kann. Wir wissen aus Erfahrung, was es heißt, Empfehlungen zu geben. Ich möchte nämlich daran erinnern, daß die Spaltung Deutschlands — d. h. die Schaffung des westdeutschen Staates — ja auch auf sogenannte „Empfehlungen" der Londoner Außenministerkonferenz hin erfolgte. Wenn diese Herrschaften in der Hohen Behörde Empfehlungen geben, dann sind das Anweisungen, dann sind das Diktate. Anders ist das gar nicht zu verstehen. Die Hohe Behörde kann jederzeit jede Auskunft von jedem angeschlossenen Land und unterstehenden Unternehmen verlangen. Die Hohe Behörde bestimmt, wo Kapitalien investiert werden und wo nicht. Damit entscheidet sie über Sein oder Nichtsein der angeschlossenen Nationalwirtschaften und Fabriken.
Wenn Herr Preusker gestern in seinem Bericht so schamhaft sagte, auch wenn die Hohe Behörde Nein zu sogenannten unökonomischen und unwirtschaftlichen Investitionen sage, könnten die Unternehmer aus ihrem eigenen Aufkommen in diese Unternehmen investieren, so ist das ein Trugschluß. Wo haben Sie die Zustimmung für solche freien Investitionen? Die Hohe Behörde kann kraft ihrer Vollmachten verlangen, daß hier eingeschritten wird.
Auch da. führe ich Ihre eigenen Sprecher an. Hören Sie einmal, was die Wirtschaftsvereinigung Eisen-und Stahlindustrie in einem Schreiben am 11. 12. 1951 an das Bundeskanzleramt sagt:
Es liegt völlig im Ermessen der Hohen Behörde, jegliche Investierung, darunter auch Remontage, zur Prüfung und Genehmigung an sich heranzuziehen. Im Falle der Ablehnung eines Vorhabens kann diese Entscheidung zwangsweise durchgeführt werden.
Das Schreiben nimmt auf jene Bedenken Bezug, die wegen der sogenannten Benachteiligung durch Remontagekredite usw. geäußert wurden. Aber man muß hier ja den Schumanplan positiv darstellen; sonst würde man selbst in diesem Hause keine Zustimmung finden. Herr Dr. Adenauer ist vielleicht der Meinung, das Volk stehe hinter seiner Politik und sei für den Schumanplan.
— Wenn Sie der Meinung sind, aber bitte sehr: dann unterstellen wir doch die Frage der Zustimmung zum Schumanplan dem Volksentscheid! Weshalb wehren Sie sich denn dagegen? Weshalb wollen Sie sogar die Remilitarisierung, wie Herr Blank in der Presse verlautbart hat, hier in einer einfachen Mehrheit durchpeitschen? Weil Sie Angst vor einer wirklichen Volksbefragung über Ihre Politik haben! Ich sage Herrn Dr. Adenauer: Sie sind zwar kühn in Ihren Behauptungen, aber die letzten Wahlergebnisse bei den verschiedensten Nachwahlen dürften Ihnen doch zu denken geben.
Ich sage Ihnen: Trotz amerikanischer Unterstützung würde Ihre Mehrheit bei einer Neuwahl dahinschwinden!
— Ich kann Ihnen nur eins sagen: Wir haben keine Furcht vor Neuwahlen.
— Wir haben keine Furcht! Machen wir doch ein Exempel und führen wir Neuwahlen durch! Sie werden Ihr blaues Wunder erleben!
Weshalb wehren Sie sich gegen
eine gesamtdeutsche Verständigung und gegen gesamtdeutsche Wahlen, wenn Sie davon überzeugt sind, daß Sie in ganz Deutschland eine Mehrheit bekommen und die SED und KPD verlieren würden? Weshalb gehen Sie dann nicht auf den Vorschlag der Volkskammer ein? Ihre Konzeption scheint auf unsicheren Füßen zu stehen!
— Ich gehöre nicht zu Ihrer Fakultät!
Der Schumanplan ist ein Kriegsplan. Er richtet sich. gegen den Frieden unseres Volkes, gegen die sozialen Interessen der werktätigen Massen, gegen die Wirtschaftsinteressen eines Teiles unserer Industrie, der Fertigwaren- und der Bedarfsgüterindustrie. Er richtet sich gegen die nationale Existenz unseres Volkes, und er vertieft die Spaltung Deutschlands. In diesem Vertragswerk wird die Deutsche Demokratische Republik zum Ausland gestempelt. Herr Dr. Adenauer sagte und bat gestern: Wenn wir dem Schumanplan nicht zustimmen, dann könnte Amerika sich von Deutschland abwenden! Ich sage: Das deutsche Volk würde eine solche Abwendung der USA-Kapitalisten nur begrüßen.
Aber manchmal kommt mir dieser Schrei vor wie der der zaghaften Jünger Jesu, die da riefen: Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt.
Mir scheint, daß die Adenauer-Regierung und die Kräfte, die 'hinter ihr stehen — es ist ein kleiner Haufen deutscher Kapitalinteressenten — in sehr unsicherer Position stehen. Aber seien Sie versichert: Die Pläne der amerikanischen und deutschen Kriegstreiber werden nicht aufgehen! Die Kräfte des Friedens in der Welt sind stark genug, um diese Pläne zu zerschlagen. Die deutsche Arbeiterschaft, die wie das Volk national denkt, wendet sich gegen die Auslieferung Westdeutschlands als Ausbeutungs- und Kriegsobjekt.
Ich sage Ihnen mit aller Deutlichkeit: Statt die Spaltung Deutschlands durch den Schumanplan zu vertiefen, statt Westdeutschland in die amerikanische Kriegspolitik einzubeziehen, statt die westdeutsche Wirtschaft von ihren natürlichen Abnahmeländern in bezug auf Fertigwaren abzuschnüren, wäre es dringend notwendig, eine andere Politik einzuschlagen. Das erfordert die Situation des deutschen Volkes. Es muß eine Politik sein, die darauf abzielt, dem deutschen , Volk die Unabhängigkeit und Einheit wiederzugeben, eine Politik, die nicht auf die Vertiefung der Spaltung ausgeht, sondern auf ihre Überwindung, auf die Wiedervereinigung unseres Landes und unserer Nation und auf die Sicherung des Friedens durch die Erreichung eines Friedensvertrages. Das deutsche Volk, die westdeutsche Bevölkerung und auch unsere westdeutsche Wirtschaft brauchen den Schumanplan nicht. Es gibt genug Möglichkeiten des Absatzes deutscher Industriewaren in den natürlichen Abnahmeländern, nämlich in der Sowjetunion, in den Volksdemokratien und in dem großen China. Es gibt Möglichkeiten genug, durch Abschluß großer Handelsverträge allen Menschen- Westdeutschlands und allen Unternehmern die Erhaltung ihrer Existenz zu sichern. Aber das kann nur geschehen, wenn man nein sagt zum Schumanplan, wenn man absagt jener Politik der Remilitarisierung, der Spaltung Deutschlands und der Eingliederung Westdeutschlands in die atlantische Kriegsfront zugunsten einer Handvoll Monopolkapitalisten in Amerika und Westdeutschland. Dieser Weg kann nur über eine Verständigung der Deutschen untereinander gehen. Für diese Verständigung werben nicht wir allein, sondern dafür- werben alle Menschen, die sich der großen Gefahr, in der sich unser Volk befindet, bewußt
:
sind. Dafür werben auch jene Männer und Kreise um den ehemaligen Innenminister Heinemann, dafür treten ein der Pfarrer Niemöller
und der Altreichskanzler Wirth.
Diese Männer haben erkannt, daß Ihre Politik, meine Herren, Deutschland in ein zweites Korea verwandeln würde.
Es ist notwendig, daß sich die Deutschen zueinander finden, und ich sage Ihnen, wenn Sie von Frömmigkeit sprechen: Wir sind bereit, uns mit jedem christlichen Menschen zusammenzusetzen, weil es uns nicht darum geht, dem Atheismus oder dem Christentum zum Siege zu verhelfen, sondern weil es darum geht, allen Völkern, auch unserem Volke, den Frieden zu erhalten.
Das ist wahrlich christlich. Wer aber eine solche Verständigung ablehnt, der will den Krieg und die Vernichtung unserer Heimat. Wir haben auf unserem Parteitag
einen konstruktiven Vorschlag gemacht, wie die Lage geändert werden kann. Es heißt dort in der These 20:
Die unbeschränkte Entwicklung der Friedenswirtschaft wird dazu beitragen, die Arbeitslosigkeit zu liquidieren und der wachsenden Teuerung sowie der unmäßigen steuerlichen Belastung ein Ende zu machen. Nicht mehr ausländische Monopole werden im einheitlichen und unabhängigen Deutschland die Entwicklung der deutschen Wirtschaft bestimmen; sie wird in den Dienst der nationalen deutschen Interessen und der Freundschaft 'zwischen den Völkern gestellt. Die hochqualifizierte Produktion der deutschen Friedensindustrie wird endlich Zugang zum Weltmarkt erhalten und damit auch zu den Märkten Osteuropas und Asiens, von denen Westdeutschland gegenwärtig durch die amerikanisch-englischen Imperialisten abgeschnitten ist. Die Einfuhr von Waren, die in Deutschland selbst hergestellt werden können, wird unterbunden werden. Die deutsche landwirtschaftliche Produktion wird vor ausländischer Konkurrenz geschützt und erhält einen garantierten Absatzmarkt.
Das ist das Programm der KPD, das ist das Programm aller friedlichen Menschen in Westdeutschland, um über gesamtdeutsche Verständigung zur Einigung unseres Vaterlandes und zum Abschluß eines Friedensvertrags zu kommen. Das deutsche Volk braucht die sogenannte uneigennützige Hilfe des amerikanischen Bankkapitals und die militärischen Beratungen und Einflüsterungen des Herrn Eisenhower nicht. Das deutsche Volk braucht eine echte demokratische Ordnung in ganz Deutschland, ein einheitliches Deutschland, um planvoll die Industrie zu entwickeln, die Friedensproduktion zu erhöhen, den Handel voranzutragen und so allen Menschen Arbeit und Brot zu sichern. Die Deutsche Demokratische Republik gibt allen in ganz Deutschland ein Beispiel, wie man aus eigener Kraft, in voller Unabhängigkeit,
den Interessen des deutschen Volkes dienendes Leben entwickeln kann. Jetzt sind ,die Menschen der Deutschen Demokratischen Republik dabei, den Fünfjahresplan zu erfüllen. Der Fünfjahresplan wird allen Menschen in Westdeutschland zeigen, daß die Wirtschaftskonzeption, daß die Politik, die in der Deutschen Demokratischen Republik betrieben wird, unser Volk vor Krieg und Untergang beschützen kann. Es heißt in der Begründung des Planes:
Unser Plan des Friedens dient dem friedlichen Aufbau und der 'Entwicklung der Produktivkräfte für friedliche Zwecke, nicht für die Kriegsrüstung. Dieser Plan steht in grundsätzlichem Gegensatz zum Schumanpian, der der Entwicklung der Kriegsindustrie nach den Plänen der USA-Monopole dient. Auf unseren Plan der friedlichen Produktion haben keine ausländischen imperialistischen Kräfte Einfluß. Gemäß diesem Plan entwickelt in der Deutschen Demokratischen Republik das Volk eine große Initiative, baut Berlin schöner auf, als es jemals bestand, und gibt damit unserem ganzen deutschen Volke ein leuchtendes Beispiel im Kampf um eine 'friedliche Ordnung und im Kampf um den Frieden. Währènd des Planes wird die Butterproduktion verdoppelt gegenüber dem Stand von 1936, und Zug um Zug werden die Lebensverhältnisse der breiten Massen sich verbessern.
In Westdeutschland eine Preissteigerung nach der anderen, eine Steuererhöhung nach der anderen — in der Deutschen Demokratischen Republik Senkung der Preise,
— Abbau der Steuern und Erhöhung der Lebenslage der breiten Massen.
Das wäre auch in, Westdeutschland gegeben, wenn hier eine Politik betrieben würde, die auf die Wiedervereinigung unseres Landes abzielt, die auf eine echte Demokratie ausgeht. Diese Politik heißt nicht „Schumanplan", sondern heißt: Friede — Friede für unser Volk und für alle Völker Europas.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, eines der wesentlichsten Merkmale der gestrigen und heutigen Debatte war wohl, daß mit Ausnahme der Vertreter meiner Fraktion kein einziger Redner der übrigen Fraktionen auf die wirkliche Bedeutung, auf die entscheidende Aufgabe des Plans eingegangen ist, der hier zur Entscheidung steht. Es blieb den Vertretern meiner Fraktion gestern und heute überlassen, festzustellen, daß dieser Plan erstens der Plan der Herren Truman, Eisenhower und Acheson ist, der Plan der amerikanischen Rüstungsindustrie, und zweitens, daß dieser Plan die Zusammenfassung der Grundlagen der Rüstungsindustrie ganz Europas zu einem europäischen Rüstungskonzern gewaltigsten Ausmaßes in der Linie der Durchführung der amerikanischen Aggressionspolitik ist und in seiner Bestimmung und 'Zielsetzung allein von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet werden darf..
Würde es noch eines Beweises bedürfen, dann, glaube ich, hat die Rede, die der Kriegsbrandstifter Truman vor wenigen Tagen gehalten hat, eine erneute Bestätigung dafür erbracht; er erklärte darin unter anderem folgendes:
In Europa müssen wir weiterhin unsere Freunde und Alliierten beim Aufbau ihrer militärischen Streitkräfte unterstützen. Das bedeutet, daß wir unseren europäischen Alliierten umfangreiche Waffenlieferungen zukommen lassen müssen. Ich habe
— so erklärte er —
angeordnet, daß 'den Waffenlieferungen nach Europa eine hohe Prioritätsstufe erteilt wird. Auch die wirtschaftliche Unterstützung ist erforderlich,
— so sagte er —
um jene Differenzen auszugleichen, die für Erfolg oder Mißerfolg der Erreichung des Zieles entscheidend sind.
In bezug auf die Behandlung des vorliegenden
Plans und in Bestätigung dessen, daß es der amerikanische Plan ist, erklärte jener Herr Truman: Sechs europäische Staaten verbinden ihre Kohle- und Stahlproduktion im Rahmen des Schumanplans. Die Arbeiten an der Vereinigung europäischer Nationalstreitkräfte auf dem Kontinent zu einer einzigen Armee machen Fortschritte. Diesen großen Projekte werden wahrscheinlich im Jahre 1952 verwirklicht. Wir sollten alles in unserer Màcht Stehende tun, um die Bewegung zur Schaffung eines starken und geeinten Europas zu fördern und zu unterstützen.
Es dürfte also beim deutschen Volk keinerlei Zweifel mehr darüber bestehen, was mit diesem amerikanischen Plan bezweckt wird. Es ist der Plan für die Erzeugung der Mordwaffen zum Aggressionskrieg der amerikanischen Milliardäre. Zum Zweck der Produktion dieser Mord- und Todeswaffen sollen Stahl, Eisen, Kohle und Koks in diesen ' europäischen Rüstungskonzern eingebracht werden. So wollen es die Herren Krupp und Thyssen, so wollen es die Kriegsverbrecher, die ausgerechnet von den Amerikanern aus Landsberg freigelassen worden sind. Meine Damen und Herren, die Folge davon kann nur sein, wie schon gesagt worden ist: Wer Eisen, Stahl und Kohle beherrscht, beherrscht damit auch die gesamte Wirtschaft. Wenn Eisen, Stahl, Kohle und Koks für die Kriegsproduktion verwendet werden, stehen diese Rohstoffe für die Erzeugung von Waren des friedlichen Bedarfs durch unsere Fertigwaren- und Konsumgüterindustrie nicht mehr zur Verfügung. Das Ergebnis dieser Politik wird deshalb eine entscheidende Einschränkung auf all diesen Gebieten sein. Das ist schon angekündigt worden. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur zitieren, was die „Stuttgarter Nachrichten" vom 8. Dezember vergangenen Jahres, also vor etwa vier Wochen, hinsichtlich der Vorschläge der Marshallplanorganisation OEEC veröffentlichten. Diese Vorschläge sehen u. a. vor eine Beschränkung der Nachfrage durch Kürzung aller nichtmilitärischen Staatsausgaben und eine Steuererhöhung zur Finanzierung der Verteidigung, eine Konsumdrosselung auf allen Gebieten. Das ist der Inhalt, das wird das Ergebnis dieser Politik sein.
Wenn Herr Staatssekretär Professor Dr. Hallstein in der Frage des Eingriffs-, Verfügungs- und Weisungsrechts der sogenannten Hohen Behörde oder — man kann auch sagen — des europäischen Wehrwirtschaftsrats heute glaubte, feststellen zu müssen, ein solches Verfügungs- und Weisungsrecht bestände nicht, so wird er sich wohl selbst zu jenen zählen, von denen heute gesagt worden ist, daß sie zu dem intellektuellen Niveau dieses Hauses gehören. Daher wird er auch wissen müssen, was in diesem Plan steht. Deshalb kann es nur eine Irreführung unseres deutschen Volkes sein, wenn er bestreitet, daß die Hohe Behörde oder der europäische Wehrwirtschaftsrat die Verfügungs- und Weisungsbefugnisse hat, in die gesamte Erzeugung und auf anderen Gebieten, auf die ich noch zu sprechen kommen werde, einzugreifen. Diese Weisungsbefugnis jener sogenannten Hohen Behörde ist für alle Staaten bindend. Die Anweisungen dieser Behörde müssen durchgeführt werden, und diese Anweisungen werden allein bestimmt von der Aufgabe, Eisen, Stahl, Kohle und Koks für die von den Herren amerikanischen Milliardären gewünschten Zwecke einzusetzen.
Im Verlauf der Debatte wurde davon gesprochen, daß das Weisungsrecht auf dem Gebiet der Erzeugung nur dann Platz greifen solle, wenn eine Mangellage eintrete. Ja, meine Damen und Herren, glaubt denn ein einziger von Ihnen, daß im Rahmen dieser Politik der Kriegsrüstung und der Produktion moderner Waffen der Zustand einer Mangellage ein Ausnahmezustand sein wird? Ich glaube, niemand ist sich darüber im unklaren, daß dieser Zustand der „Mangellage" ein Dauerzustand sein wird; denn jede Tonne Stahl, jede Tonne Kohle, die erzeugt wird, wird ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ihrer Verwendung für die Kriegsproduktion eingesetzt. Damit dürfte eindeutig herausgestellt sein, daß die Hohe Behörde, die sich in ihrer Funktion nur von diesem Gesichtspunkt leiten läßt, der Produktion friedlicher Güter keine oder nur sehr beschränkte Mengen zuteilen wird.
Aber aus der Bestimmung des § 59 ergibt sich noch eine andere Feststellung. Nach ihr hat nämlich die Hohe Behörde das Recht, Fabrikationsprogramme aufzustellen, die die Unternehmungen durchzuführen haben. Sie stellt also Fabrikationsprogramme auf und kontrolliert zugleich, daß diese auch durchgeführt werden. Darüber hinaus sieht dieser Plan aber nicht nur die Festlegung von Erzeugungsquoten vor, nicht nur, daß nach eigenem Belieben u. a. auch unrentable Unternehmen stillgelegt und damit Tausende von Arbeitskräften entlassen werden können, sondern diese Erzeugungsquoten werden hinsichtlich der nach diesem Plan aufzustellenden Verwendungspriorität noch untermauert, d. h. sie müssen in erster Linie für die Kriegsproduktion verwendet werden. Damit wird nur bestätigt, was vorhin schon gesagt worden ist: Die Vertreter der deutschen Schwerindustrie an Rhein und Ruhr, die bisher durchaus unzufrieden waren, weil nach ihrer Meinung die westdeutsche Wirtschaft bisher nicht genügend in das Rüstungsprogramm eingeschaltet war, werden nun, im Zuge der Zustimmung zu diesem Plan, in vollem Umfange in die Rüstungsproduktion eingeschaltet werden.
Die Bestimmungen über die Erzeugungsquoten, die Verwendungsprioritäten und die Fabrikationsprogramme haben aber noch eine viel weitergehende Bedeutung. Sie stellen einen noch viel weitergehenden' Eingriff dar, als in der Diskussion bisher zum Ausdruck gekommen ist. Herr Kollege Imig, wenn ich an die Forderung der Betriebe, an
die alte gewerkschaftliche Forderung nach dem Mitbestimmungsrecht, insbesondere dem wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht, erinnere, dann werden Sie mir zugeben müssen, daß die der Hohen Behörde zuerkannten Rechte die Realisierung jedweden Mitbestimmungsrechtes von vornherein ausschalten. Die Hohe Behörde bzw. die Herren, die dieses Organ geschaffen haben, wissen zu gut, daß die Arbeiterschaft nicht nur an Rhein und Ruhr, nicht nur in Zechen und Hütten, nein, daß die gesamte Arbeiterschaft, aus den Erfahrungen der Vergangenheit die Lehre ziehend, ein unmittelbares Interesse daran hat, durch ihre Betriebsräte mit darüber zu entscheiden, was produziert wird und wozu das Produzierte verwendet wird. Die Arbeiterschaft möchte in den Betrieben — und das ist ihre Forderung — mitbestimmen über Krieg und Frieden.
Die Arbeiterschaft will den Frieden, und die Herren auf der Regierungsbank und Herr Dr. Adenauer, sie wären ja schon längst nicht mehr da, wenn in Westdeutschland eine Abstimmung, eine Volksbefragung zur Remilitarisierung, zum Friedensvertrag für ganz Deutschland durchgeführt worden wäre. Die Arbeiterschaft will den Frieden, und eines ihrer Mittel, um diesen ihren Friedenswillen in die Tat umzusetzen und um zu verhindern, daß die Betriebe an Rhein und Ruhr in Westdeutschland für Rüstungsproduktion Verwendung finden, das ist ihr Kampf um das Mitbestimmungsrecht.
Ich glaube, daß gerade im Zusammenhang mit dem Mitbestimmungsrecht die Wirkungen dieses amerikanischen Kriegsrüstungsplans draußen in den Betrieben, in den Zechen und in den Gewerkschaften den breitesten Widerstand auslösen werden und auslösen müssen, wie er bereits in verschiedenen Betrieben, und zwar nicht nur bei uns, sondern auch in Frankreich usw. zum Ausdruck gekommen ist. Ich meine also, die Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion müßten die Bedeutung dieses amerikanischen Kriegsplans auch von diesem Gesichtspunkte aus überprüfen und von dort aus ihre Stellungnahme ableiten.
Ich möchte im Zusammenhang mit dem Entscheidungs- und Befugnisrecht der Hohen Behörde noch auf einige andere Bestimmungen eingehen. In dem § 5 des -Art. 59 wird von dem Recht der Hohen Behörde gesprochen, Beschränkungen der Ausfuhr nach dritten Ländern vorzusehen und zu bestimmen. Das heißt, dip Herren der amerikanischen Kriegsindustrie legen besonderen Wert darauf, durch diese Hohe Behörde zu verhindern, daß Erzeugnisse, die sie für ihre eigene Kriegsproduktion brauchen, oder aber nur die Grundstoffe selbst nach anderen Ländern, insbesondere nach den Ländern des Ostens ausgeführt werden. Wenn schon einmal davon gesprochen worden ist, inwieweit eine solche Politik überhaupt noch mit dem Begriff der Vertretung der nationalen Interessen unseres Volkes in Einklang zu bringen sei, so gibt es, glaube ich, im gesamten deutschen Volk nur die einzige Feststellung, daß eine Zustimmung zu einem Plan mit solchen Bestimmungen der schlimmste Verrat an den nationalen Interessen unseres Volkes ist.
Aber auch der Umstand, daß mit der Verwendung dieser Grundstoffe für die Kriegsproduktion der Erzeugung und der Produktion von Konsumgütern und damit unserer Fertigwaren- und Exportindustrie das Fundament entzogen wird, wird und muß insbesondere in diesen Kreisen den lebhaftesten Widerstand auslösen. Denn diese Politik bedeutet nicht nur die Erschwerung der Produktion gerade auf dem Gebiet der Konsumgüter- und Fertigwarenindustrie, des Exports, sondern sie wird ganz zweifellos einen großen Teil dieser Betriebe dem Ruin entgegenführen und vernichten.
Es wurde von den Auswirkungen auf die Bauindustrie gesprochen. Wer Eisen und Stahl und Kohle für Maschinengewehre und Kanonen verwenden läßt, der kann sie nicht dem Bausektor zuführen, der kann sie auch nicht unserer Automobilindustrie zuführen, der kann sie auch nicht -unserem Handwerk und Gewerbe zuführen, der kann sie auch nicht der Versorgung der Landwirtschaft mit ihrem Bedarf an landwirtschaftlichen Geräten zuführen. Es wird und muß die Folge sein, daß diese Versorgung immer mehr eingeengt wird, und zwar nicht allein mengenmäßig, sondern auch in der Preisgestaltung. Wir haben das in den letzten Jahren bereits erlebt. Die Einengung der Menge von Traktoren, landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen, auch von Düngemitteln würde zu einer wesentlichen Erhöhung der Preise führen.
Meine Damen und Herren, damit wird der unheilvolle Prozeß, den wir bisher bereits verfolgen konnten, daß nämlich die Preise steigen und die Preisschere zwischen den landwirtschaftlichen Erzeugnissen und den von der Industrie für die Landwirtschaft erzeugten Waren immer weiter klafft, dazu führen, daß unsere Bauern nicht mehr imstande sein werden, sich mit den für die Bearbeitung ihres Bodens notwendigen industriellen Erzeugnissen und mit Düngemitteln zu versorgen.
Was haben wir seinerzeit gesagt, als das Ruhrstatut verkündet wurde? — Wir weisen darauf hin, wie wir nachher gleich beweisen werden, daß der amerikanische Kriegsplan, wie er hier vorliegt, eine bedeutende Ausweitung der Bestimmungen und der Befugnisse der Ruhrbehörde, und zwar auf die gesamte Wirtschaft, nach sich zieht. Wir haben erstens damals bei der Verkündung des Ruhrstatuts erklärt, daß durch die Verfügungsgewalt der Ruhrbehörde über Eisen, Kohle und Stahl diese für unsere gesamte Wirtschaft und für unsere Bevölkerung lebenswichtigen Produkte der deutschen Bevölkerung und ihrer Wirtschaft entzogen werden. Ich habe bereits vorhin auf einige dieser Tatsachen hingewiesen. Wir haben weiter erklärt, daß die unausbleibliche Folge dieser Politik des Ruhrstatuts und der Funktion der Ruhrbehörde Preissteigerungen sein müßten. Ich glaube, diese Feststellungen, die wir damals vorausschauend getroffen haben, sind absolut eingetreten und werden von niemandem bestritten werden können. Vielleicht ist es aber zweckmäßig, gerade in der Entwicklung dieser Politik noch auf einige Tatsachen einzugehen.
Ich stelle nur einige Preisentwicklungen seit dem Sommer des Jahres 1951 bis jetzt gegenüber. Daraus ergibt sich, daß die Preise für Mischbrot von damals bis jetzt um 50 %, für Weißbrot um 38 %, für Weizenmehl um 58,3 %,
für Zucker um 15,5 %, für Butter um 17,9 %, für Schweineschmalz um 49,7 %, für Rindfleisch um 23,5 % und für Schweinefleisch um 33,2 % gestiegen sind. Die Preissteigerungen für Kartoffeln von 6,85 DM auf 8,75 DM sind Ihnen bekannt,
des weiteren die -für Herrenstoffe um 59,2 % und für Damen- und Herrenschuhe um 23,2 %. Bekannt dürfte Ihnen sein, daß die Baupreise im Jahre 1951 um 20 % über denen des Vorjahres lagen und in diesem Jahr mit einer weiteren Steigerung von 25 % zu rechnen ist. — Meine Damen und Herren, das sind die Auswirkungen der Politik, die mit dem System der Ruhrbehörde und ihrer Ingangsetzung ihren Anfang genommen hat. Mit der Annahme und der Realisierung dieses amerikanischen Kriegswirtschaftsplans wird diese Entwicklung ganz zwangsläufig noch eine weitere Auftriebstendenz bekommen müssen.
Was wird die Folge sein? Wenn man unserer Wirtschaft, unserer Fertigwaren- und unserer Exportindustrie, wenn man Handwerk und Gewerbe Kohle, Eisen und Stahl entzieht, dann werden sich diese Kreise; wenn sie überhaupt noch produzieren wollen, zwangsläufig hintenherum auf dem Schwarzmarkt Kohle, Koks, Eisen und Stahl besorgen müssen. Die Schwarzmarktpreise und das Schwarzhandelssystem werden wieder zu einer ungeahnten Blüte kommen. Die Folge wird dann auch sein, daß der Handwerker, der sich auf diese Art und Weise Kohle oder Stahlwerkserzeugnisse besorgt, angesichts der Höhe dieser Preise nicht mehr existenzfähig sein kann und infolgedessen dem Ruin entgegengetrieben wird. Ich glaube also, dieser Abschnitt, der die Funktion der Hohen Behörde in der gesamten Erzeugung so eindeutig klarmacht und die Unterstellung der gesamten Produktion, der Fertigung usw. der westdeutschen Wirtschaft unter die amerikanischen Kriegswirtschaftsinteressen bedeutet, müßte wohl jedem klar vor Augen führen, daß damit unserem deutschen Volk die Möglichkeiten zum Leben genommen wer-den; und das ist ja auch der Plan der Herren amerikanischen Milliardäre.
Dieselben Bestimmungen wirken sich logischerweise auch auf den Abschnitt aus, der sich mit den Transportfragen beschäftigt. Meine Damen und Herren, gerade im Hinblick auf diese Bestimmungen möchte ich zunächst einmal auf Ausführungen Bezug nehmen, die der Oberreichsbahnrat Dr. Verbeck vor kurzem in einem Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen" gemacht hat. Er hat dort einleitend erklärt:
Die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl wird im Verkehrswesen der beteiligten Staaten nicht unerhebliche Veränderungen hervorrufen.
Nachdem er auf verschiedene Auswirkungen eingegangen ist, kommt er auch auf die Frage zu sprechen, welche Absichten diese Behörde im Zuge der Einschaltung des gesamten Verkehrswesens verfolgen wird. Er schreibt:
Die Hohe Behörde wird, wenn sie solche größeren Verkehrsbauten, z. B. Elektrifizierung von Bahnstrecken oder Bau von Kanälen begünstigen will, unter Umständen verkehrspolitische Entscheidungen von weittragender Bedeutung zu treffen haben. Man kann damit rechnen, daß sie ein befürwortendes Gutachten nur abgibt, wenn der wirtschaftliche Einsatz der Gelder gesichert ist.
„Wenn der wirtschaftliche Einsatz der Gelder gesichert ist" ! Ich glaube, das heißt nichts anderes, als daß erstens das gesamte Verkehrswesen nur von dem Gesichtspunkt aus beurteilt und reguliert wird, was für die Beförderung der für die Kriegs-
produktion notwendigen Rohstoffe und Güter erforderlich ist, und zweitens natürlich, daß auch die Rentabilität gesichert sein muß.
Deswegen sind ja die Bestimmungen in diesem amerikanischen Plan hinsichtlich des Transports auch so bedeutungsvoll. In Art. 70 heißt es:
Die Anwendung von Ausnahmetarifen im
Binnenverkehr zugunsten eines oder mehrerer
Unternehmen der Kohleförderung und Stahlerzeugung bedarf der vorherigen Genehmigung der Hohen Behörde ; sie kann die
Genehmigung befristet oder bedingt erteilen. Wenn also die Beförderung von Kohle und anderen Gütern, die unter diesen Vertrag fallen, im Binnenverkehr einem niedrigen Tarif unterworfen werden soll, dann hat diese Behörde das Recht, einzugreifen und dies zu untersagen. Was bedeutet das? Es bedeutet nichts anderes, als daß auch auf diesem Wege, durch die Verhinderung billiger Gütertarife, eine Erhöhung der Preise zwangsläufig wird eintreten müssen.
Ich möchte aber noch eine andere Auswirkung in diesem Zusammenhang ganz kurz aufzeigen: die Frage unserer Häfen. Meine Damen und Herren, es ist doch so — und das wird wohl nicht bestritten werden können —, daß ein Vergleich des Seegüterumschlags der Häfen der Benelux-Staaten, also Rotterdam, Amsterdam und Antwerpen, mit dem der deutschen Häfen Hamburg, Bremen, Emden und Lübeck erweist, daß dieser Umschlag, gemessen an den Zahlen von 1936, in den deutschen Häfen bisher noch um rund ein Drittel zurückgeblieben ist. Die Folge davon ist, daß wir gerade in den Häfen eine große Arbeitslosigkeit haben. Es wird aber auch nicht bestritten werden können, daß in Verfolg und Durchführung dieses Planes unsere deutschen Häfen einen noch viel größeren Rückschlag deswegen erleiden müssen, weil unser Export und unser Handel durch den Entzug der für die Produktion von Exportgütern notwendigen Stoffe weiter zurückgehen muß. Unsere Häfen werden also einen noch geringeren Umschlag haben, und die Arbeitslosigkeit wird noch mehr steigen. Aus den Denkschriften der Kaufmannschaft geht immer wieder hervor, und in den Kreisen der Reeder wird immer wieder betont, daß die Existenz unserer deutschen Häfen im wesentlichen davon abhängig ist, daß die Schranken, die von amerikanischer Seite mit der Errichtung und der Aufrechterhaltung der Zonengrenze gegen den Osten geschaffen worden sind, endlich beseitigt werden.
Meine Damen und Herren, dieser Plan behandelt in seinen anderen Abschnitten — ich will nur auf einige eingehen — noch weitere Punkte, die für die Beurteilung nicht nur der Folgen dieses Kriegswirtschaftsplans der Amerikaner von entscheidender Bedeutung sind, sondern die auch Veranlassung geben, zu der Frage des Auswegs Stellung zu nehmen. Die Hohe Behörde, dieser europäische Wehrwirtschaftsrat, hat auf Grund seiner Verfügungs- und Weisungsbefugnis nicht nur die Möglichkeit; sondern er wird die Erzeugungsquoten und mit den Verwendungsprioritäten unsern Export ganz wesentlich einschränken. Er ist berechtigt, Mindest- und Höchstsätze für Zölle festzulegen, und es darf wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß die Festlegung solcher Zollsätze, die den Interessen der sogenannten Hohen Behörde entsprechen, zugleich auch eine entscheidende Verteuerung der für unsern zivilen Sektor notwendigen Erzeugnisse bei der Einfuhr zur Folge haben
L wird. Ja, diese Behörde ist sogar berechtigt, nicht nur in Handelsabkommen oder geplante Handelsabkommen Einsicht zu nehmen, sondern den Abschluß solcher Abkommen von ihrer Genehmigung abhängig zu machen. Diese Behörde hat das Recht, gegen Unternehmen vorzugehen, die diesem Plan nicht unterworfen sind, und es besteht kein Zweifel, daß, wenn es etwa in Westdeutschland Unternehmen gibt, die vom deutschen Standpunkt aus eine Wirtschaftspolitik entwickeln, welche nicht die Zustimmung der Hohen Behörde findet, solche Unternehmen von dieser Behörde dem Ruin entgegengeführt und in ihrer Existenz vernichtet werden. Das bedeutet also, daß eine Monopolmacht ungeahnten Ausmaßes und ungeahnter Befugnisse die gesamte Wirtschaft beherrscht und ausschließlich, so wie es die Amerikaner wünschen, die Politik des amerikanischen Planes zur Ausführung bringt.
Aber, meine Damen und Herren, im Rahmen dieses Abschnitts über den Handel ist es notwendig, auch auf § 22 der Übergangsbestimmungen einzugehen. In diesem Paragraphen heißt es, daß der Warenaustausch auf dem Gebiet von Kohle und Stahl zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der sowjetischen Besatzungszone im Einverständnis mit der Hohen Behörde geregelt wird. Das heißt: die Hohe Behörde entscheidet darüber, ob überhaupt noch ein Interzonenhandel erlaubt werden darf. Die Statistik besagt, daß seit dem zweiten Halbjahr 1949 bis zum Oktober 1951 der Interzonenhandel von 30 Millionen Verrechnungseinheiten auf 6,5 Millionen zurückgegangen ist.
Die Ursache für diese Entwicklung behandelt das „Handelsblatt", das unter der Überschrift „Westhandel unter Kuratel" zu folgender Feststellung kommt — und ich werde mir erlauben, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten auf einige Stellen dieser zweifellos wohl nicht verdächtigen Zeitung, des „Handelsblattes" nämlich, einzugehen; die Zeitung schreibt —:
Ein Ausbau des Ost-West-Handels ist ein besserer Friedensgarant als ein Rüstungswettlauf. Gilt das schon uneingeschränkt für den Welthandel, so gilt es in besonderem Maße für den Interzonenhandel.
Und in seiner Nummer vom 31. Dezember 1951 geht dann das „Handelsblatt" auf verschiedene Entwicklungen, aber auch auf die Bedeutung des Interzonenhandels ein. Zunächst einmal wendet sich die Zeitung scharf dagegen, daß jedem, der in Westdeutschland den Handelsbeziehungen mit dem — wie sie schreibt — Ostblock das Wort redet, sofort eine Diffamierung droht. Sie stellt fest: „Das mag der Wunsch einiger politischer Kreise sein" — nämlich den Ost-West-Handel zu unterbinden —, „der Wunsch" — so schreibt sie — „der deutschen Wirtschaft ist es bestimmt nicht! Sie darf sich auf die Tatsache berufen, daß sie seit je im Ostgeschäft mit Abstand die Führung vor allen anderen Ländern hatte." — Ich glaube, diese Feststellung ist von einer außerordentlichen Bedeutung; aber ich komme darauf noch zurück.
— Sie können noch was dabei lernen, Herr Kollege!
— Eben das gehört zur Sache. Wenn Sie das nicht
verstehen, dann fallen Sie auch nicht unter daß
intellektuelle Niveau, das heute angesprochen worden ist.
Das „Handelsblatt" schreibt also zum Beweis dessen:
Während noch 1938 die Ausfuhren Gesamtdeutschlands nach Osteuropa das Zweieinhalbfache der Großbritanniens und fast das Vierfache der der nächstfolgenden Länder wie Frankreich, Belgien, Luxemburg betrugen, sank diese Ausfuhr bereits 1950 für Westdeutschland aul 22 % der Vorkriegszeit, diejenige Großbritanniens auf 45 % und die Frankreichs auf 47 % Der nordische Länderblock konnte seine Ausfuhren dagegen verdoppeln. Im Jahre 1951 tritt diese Verschiebung zu Lasten Westdeutschlands noch krasser zutage; denn es sind die nestalliierten Vorbehaltslisten, die selbst den deutschen Behörden gegenüber teilweise verschwiegen wurden und mit einer Willkür, die kein System mehr erkennen läßt und den westdeutschen Firmen schwerste Schäden zufügt, angewandt wurden.
Anfang November
— so schreibt das „Handelsblatt" in seinem Artikel —
wurde von einem alliierten Sprecher die Behauptung aufgestellt, daß der Ostblock nicht in der Lage sei, die vom Bund geforderten Rohstoffe und Nahrungsmittel zu liefern.
Darauf antwortet die Zeitung:
Solange diskriminierende Vorbehaltslisten völlig einseitig für das Bundesgebiet Anwendung finden, mag diese Feststellung teilweise zutreffen. Es ist aber nicht einzusehen, daß sich die Getreidelieferungen der Sowjetunion nach England im Austausch gegen harte Waren zwischen 1948 und 1950 verdreifachen konnten, während das Bundesgebiet selbst mit den raren harten Dollars nur ungenügende Einkäufe auf dem Weltmarkt tätigen kann.
-- Sie gehören nicht zu den Kreisen, die Interesse daran haben, daß der deutschen Wirtschaft geholfen wird!
— Dann haben Sie noch keine Schlußfolgerungen daraus gezogen.
Das „Handelsblatt" stellt weiter fest, welches die Hintergründe sind, die für eine solche amerikanische Politik zur Drosselung und Vernichtung des Handels nach dem Osten maßgebend waren, und bezieht sich auf die Tatsache, daß in einer Statistik nachgewiesen wurde, wieviel Millionen die Amerikaner an dieser Verhinderung des Handels Westdeutschlands mit dem Osten verdient haben. Das Blatt führt zum Beweis an: Die Amerikaner verteuerten den Weizen von 217 Cents je bushel im Juni 1950 auf 269 Cents im Dezember 1951, den Mais von 148 auf 196 Cents, die Gerste von 80 auf 100 Cents, den Roggen von 135 auf 216 Cents. — Ich glaube, wenn ich noch die Erhöhung des Preises des Weizens von 196 auf 245 Cents hinzufüge, dann dürfte damit wohl ganz eindeutig einer der Gründe aufgezeigt sein, warum die Amerikaner eine solche Politik der Drosselung, der Verhinderung des Ost-West-Handels durchführen. Es ist der
eigene Job, es ist der eigene Gewinn, der sie u. a. dazu veranlaßt. Es handelt sich aber nicht nur darum. Das „Handelsblatt" führt als weiteren Beweis für diese Politik der Diskriminierung Westdeutschlands an:
Während westdeutsche Produkte der Fischindustrie teilweise auf der Vorbehaltsliste stehen, durfte kürzlich England ein Geschäft über 25 000 t Stahl abschließen, auch Weißbleche und Sortiments-Feinbleche aus Luxemburg nahmen unangefochten ihren Weg nach Osten. Aber auf der anderen Seite
konnte Bonn 85 000 t Ostzonenzucker und 5000 t Zucker aus der Tschechoslowakei nur mit einem erheblichen Aufschlag für englische Pfunde kaufen.
So _ geht es weiter in dem „Handelsblatt". — Jawohl, Herr Kunze, das ist Schumanplan, das ist die Frage, die von der deutschen Wirtschaft gestellt wird, nämlich wie sie leben und existieren kann. Das beantwortet diese Handelszeitung.
Dann wird noch auf einige andere Punkte ein'- gegangen, z. B. auf die Lage in Berlin. Das „Handelsblatt" schreibt, nachdem in dem Artikel auf die lebenswichtige Bedeutung des innerdeutschen Handels für Westberlin hingewiesen wurde, wörtlich:
So eindeutig die Berliner Forderungen zu be-jahen sind, so zweifelhaft erscheint die westliche Taktik . . . Bei der Genehmigungspflicht für Warenbegleitscheine lag das formale Recht in Karlshorst. Berlin ließ daher weiterhin seine Warenbegleitscheine in Karlshorst genehmigen, bis ein westalliiertes Verbot unvorbedacht eine kritische Situation schuf. Leidtragender war Berlin.
Meine Damen und Herren! Damit ist diese ganze niederträchtige Lüge, die immer und immer wieder wiederholt wird, als ob die Schuld an dem derzeitigen Stand der interzonalen Handelsbeziehungen auf seiten der Deutschen Demokratischen Republik liege, zerfetzt. Es sind die Amerikaner, die die Entwicklung des Interzonenhandels verhindert haben. So schließt infolgedessen auch diese Zeitung mit den Worten:
Wem es ernst damit ist, daß Ost und West trotz Eisernen Vorhanges wieder eine Einheit werden sollen, muß auch zu wirtschaftlichen Konzessionen bereit sein.
Ich denke, daß damit aber zugleich auch der Weg gezeigt worden ist, auf dem allein — im Gegensatz zu dem Wege, wie er in diesem amerikanischen Plan im Interesse der Herren Krupp, Thyssen usw. gegangen werden soll — dem deutschen Volk geholfen werden kann. Ich glaube, es gibt nur eine einzige Möglichkeit, nämlich die, daß sich alle Deutschen, die ein Interesse daran haben, daß dem deutschen Volk der Frieden erhalten bleibt, für die deutsche Einheit einsetzen. Die Entwicklung der Friedensproduktion in der Deutschen Demokratischen Republik beweist doch ganz eindeutig, zu welchen Ergebnissen sie geführt hat, nämlich, was schon einmal erwähnt worden ist, daß es nicht nur keine Arbeitslosigkeit gibt, sondern daß die Menge der Konsumgüter immer größer wird, daß die Preise gesenkt werden, daß Lohnerhöhungen durchgeführt werden, zugleich aber auch SteuerhersbSetzungen die Folge sind. Der Lebensstandard in der Deutschen Demokratischen Republik hebt sich unaufhörlich,
weil die Deutsche Demokratische Republik eine Politik des Friedens betreibt.
— Ich spreche nicht zu denjenigen, die nicht hören wollen,
nicht zu denen, die vielleicht das drüben verlorene Rittergut gerne wieder haben möchten, ich spreche zu unserer deutschen Bevölkerung draußen.
Meine Damen und Herren! Wenn ich in diesem Zusammenhang darauf verweisen darf, in welchem Umfange bei der Durchführung des Fünfjahresplans in der Deutschen Demokratischen Republik eine Entwicklung zugunsten des Volkes und der Versorgung der Bevölkerung mit Friedensgütern erstrebt wird, so möchte ich Ihnen sagen, daß sich in der Durchführung des Fünfjahresplans die Produktion von Eisenerzen im Vergleich zum Jahre 1950 um 910 %, die von Roheisen um 594 %, die von Stahl in Blöcken um 313 %, von Walzstahl um 288 % und die Produktion von Energiemaschinen um 600 °/o erhöhen wird. Ich greife nur einige Fragen heraus.
Daß dieses Ziel erreicht werden wird, hat bereits nicht nur die Durchführung des Zweijahresplans bewiesen, sondern auch der Beginn des ersten Jahres des Fünfjahresplans. Dort gibt es keine Anarchie in der Wirtschaft, sondern das Volk gestaltet seine Wirtschaft für sich selbst, für seine eigene Versorgung.
So werden logischerweise auch in dem Verhältnis der Deutschen Demokratischen Republik zu den anderen Ländern die Handelsbeziehungen einen Umfang erreichen, der im Fünfjahresplan gegenüber dem Jahre 1950 300 % betragen wird.
Meine Damen und Herren! Das ist der Weg des Friedens, das ist aber auch der Weg, der unserer gesamten deutschen Wirtschaft die Möglichkeit gibt — ohne den Weg des Krieges zu gehen —, unsere gesamte Produktionskapazität an Rhein und Ruhr, in Westdeutschland so einzusetzen, daß es, wie es der stellvertretende Ministerpräsident der Deutschen Demokratischen Republik, Walter Ulbricht, sagte, nicht nur keine Arbeitslosigkeit mehr geben wird, sondern auch unsere Bevölkerung durch die Produktion von Friedensgütern in einem einigen Deutschland den Weg nach den gewaltigen Absatzgebieten des Ostens, des Fernen Ostens und des Südostens, eines Gebiets, das ein Viertel der Erde umfaßt, eines Gebiets mit 800 Millionen Menschen, aufgeschlossen bekommt. Das ist der Weg, der unserer Wirtschaft und unserer Bevölkerung die absolute Garantie gibt, in der Entwicklung der friedlichen Produktion ohne Krise den Weg des Aufstiegs und des Glückes gehen zu können.
Meine Damen und Herren, demgegenüber steht das, was Sie mit diesem amerikanischen Kriegsrüstungsplan in die Tat umsetzen wollen. Es ist der Plan zur Vernichtung unseres Volkes. Wer ja sagt zu diesem Plan, sagt ja zur Aufrüstung und zur . Kriegsproduktion, . der sagt auch ja zu dem
amerikanischen Aggressionskrieg. Ich möchte das mit aller Deutlichkeit feststellen, damit keiner im Zweifel darüber ist, welche Bedeutung diese Entscheidung hat.
Nun möchte ich noch zu einer zusammenfassenden Betrachtung der bisherigen Debatte kommen und einmal ganz kurz auf Äußerungen einiger Diskussionsredner eingehen. Es zeigte sich da ein sehr interessantes Bild. Als ich die Reden des' Kollegen Henßler, des Kollegen Dr. Schöne und des Kollegen Professor Nölting hörte, kam es mir so vor, als ob nicht Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion sprächen, sondern als ob Vertreter der FDP redeten, die sich die Argumente zu eigen machen, die aus den Kreisen der Montanindustrie vorgebracht werden könnten.
'Der Kollege Henßler hat ebenso wie die andern Redner der Sozialdemokratischen Partei keine grundsätzliche Ablehnung des Schumanplans, dieses amerikanischen Plans, zum Ausdruck gebracht. Der Herr Kollege Henßler ging ausschließlich von der Fragestellung aus, daß die Montanindustrie in Westdeutschland noch nicht genügend starke Positionen in diesem Vertrag habe. Diese Haltung entspricht derjenigen, die die sozialdemokratische Fraktion bei der Frage des Investitionsgesetzes eingenommen hat. Während die Herren der FDP usw. damit zufrieden waren, daß eine Milliarde investiert wird, war die sozialdemokratische Fraktion der Meinung, es sollten zwei und noch mehr Milliarden und auf eine längere Zeit investiert werden. — Das war also die Begründung, die der Kollege Henßler gab.
Der Herr Kollege Dr. Schöne argumentierte gegen den Plan im wesentlichen mit der Kritik, daß im Gegensatz zu den anderen Ländern, in denen die Konzernentwicklung nicht behindert, sondern aufrechterhalten und weitergetrieben worden ist, in Westdeutschland im Zuge der Entflechtung der Grundstoffindustrien eine Atomisierung derselben herbeigeführt worden sei. Sein einziger Wunsch war der, daß die Konzerne auch in Westdeutschland wieder lebendig würden und Gestalt annehmen könnten.
Der Herr Kollege Nölting ging insbesondere von der Frage der Behinderung der Konkurrenz der westdeutschen Wirtschaft gegenüber Frankreich aus. Keiner von diesen Rednern hat die Grundfrage, um die es sich bei diesem amerikanischen Kriegsrüstungsplan handelt, angeschnitten und aufgegriffen.
Daß Herr Fette, der Vorsitzende des DGB, dem Schumanplan, seine Zustimmung im Prinzip bereits gegeben hat, ist bekannt und bereits erwähnt.
Ich möchte aber noch eine Frage aufwerfen. Als wir seinerzeit das Gesetz über die Vertretung in den Vorständen und Aufsichtsräten der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie berieten, erklärten wir, daß dieses Gesetz keinerlei Mitbestimmungsrecht ausspreche, sondern im Interesse der Herren der Montanindustrie die Einschaltung der Gewerkschaften in diese Grundstoffindustrien bezwecke, lediglich damit der Kriegsplan und der Rüstungsplan durchgeführt werden kann, eben im Interesse der Herren von Rhein und Ruhr. Das dürfte auch einer der entscheidenden Gründe sein, die die sozialdemokratischen Vertreter und insbesondere auch Herrn Fette vom DGB zu dieser Haltung bewogen haben.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal zum Ausdruck bringen, daß der Plan, so wie er hier zur Entscheidung steht, der Plan der Aufrüstung, der Kriegsproduktion ist, daß er ein entscheidender Bestandteil des Programms des Krieges, der Aggression der amerikanischen Milliardäre ist.
Tatsache ist, daß Koks, Kohle, Eisen und Stahl, die dem deutschen Volk gehören, an diese Herren ausgeliefert werden, daß damit der Bundestag, falls er zustimmen sollte, diese dem deutschen Volk gehörenden Grundstoffe ans Ausland ausliefern und damit einen unerhörten Verrat an den Interessen des deutschen Volkes begehen würde.
Dieser Plan mizß verhindert werden. Es gibt nur eine Möglichkeit. Ich habe sie aufgezeigt. Dem deutschen Volk und der deutschen Wirtschaft ist nur gedient, wenn die Vorschläge aufgegriffen werden, die von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik gemacht worden sind, daß ein einheitliches Deutschland geschaffen wird, das dem Frieden dient; nur so wird die Entwicklung einer unserer Bevölkerung dienenden Friedenswirtschaft garantiert.
Das Wort hat der Abgeordnete Stegner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie zunächst um Nachsicht bitten, da ich weder eine druckfertig vorbereitete Unterlage noch ein Zitatenbüchlein mitgebracht habe.
Ich befinde mich da zwar in voller Übereinstimmung mit dem § 37 der neuen Geschäftsordnung,
ich bitte Sie aber, wie gesagt, deswegen trotzdem um Nachsicht.
(Präsident Dr. Ehlers übernimmt wieder
den Vorsitz.)
Meine Damen und Herren, die Debatte, die wir gerade durchlebt haben, erinnert mich an die Eingangsworte unseres Herrn Kollegen Mellies, der gesagt hat, wir müßten diese zweite Lesung jetzt durchführen, um damit die deutsche Bevölkerung. zu informieren. Ich selber habe die Verhandlungen zum Schumanplan im Wirtschaftspolitischen Ausschuß mitgemacht
und glaube, eine ganz gute Übersicht über diese Dinge gehabt zu haben. Nachdem ich aber der Debatte aufmerksam gefolgt bin, bin ich etwas verwirrt geworden.
Der Wert dieser Debatte für die Information der deutschen Bevölkerung ist ebenso fragwürdig wie ihr Wert für die Information des Auslandes.
— Ja, Sie — Sie nicht persönlich, Herr Renner, aber Ihre Kollegen — haben alles dazu getan, um die Dinge zu verdunkeln.
Ich darf hier einmal etwas einschalten, was ich eigentlich nicht sagen wollte.
.
Die Debatte war außerordentlich reich an Zitaten, an Zitaten von Professoren — damit werde ich nicht dienen — und an Zitaten aus ausländischen Parlamentsdebatten, sowohl ,der französischen Kammer wie der Volkskammer. Die hiesige Debatte hat uns, wenn wir es noch nicht gewußt haben, gezeigt, daß sowohl in der französischen Kammer wie auch in der Volkskammer wie auch bei uns ein Teil der Äußerungen doch sicher aus innerpolitischem Interesse getan wurde, sagen wir einmal, als für den innerpolitischen Gebrauch bestimmt. Diese Äußerungen zu zitieren, hat einen sehr fragwürdigen Wert. Ich stelle mir nämlich vor, daß ein nach uns ratifizierendes Land, etwa Italien, bei 'seiner Debatte auf die Idee käme, aus der Debatte des 'Deutschen Bundestages zu zitieren, und sich z. B. den Kollegen Paul herannehmen und zitieren würde,
der, als er sich als Friedensfreund deklarierte, den schönen Ausspruch fand und von dem „blauesten Wunder" sprach. Es ist immerhin erstaunlich, aus 4' dem Adjektivum blau' einen Superlativ zu machen. Das ist neu und eigenartig. Sie sehen, solche Zitate haben praktisch keinen Wert. Infolgedessen sollte man auf sie verzichten.
Damit aber meine Ausführungen nicht ohne Zitat vor sich gehen
— ich würde mich schämen, wenn ich der einzige wäre, der keins bringt —, werde auch ich ein Zitat bringen, und zwar über den Wert von Parlamentsdebatten. Dieses Zitat ist, wie gesagt, von keinem Professor und von keinem ausländischen Parlamentsmitglied, sondern von einem alten deutschen Parlamentarier. Ich habe es dem geheimen Tagebuch des alten Reichstagsabgeordneten Dr. Ludwig Bamberger entnommen. Dieser schreibt in seinem Tagebuch unter dem Datum des 7. August 1883 — ich bitte, bemerken zu dürfen, daß diese Eintragung nicht gestern gemacht wurde, sondern im nächsten Jahr 70 Jahre alt wird —:
Der letzte „Economist" hat einen merkwürdigen Artikel über Parlamentarismus mit ganz denselben Symptomen wie bei uns. Die Extrakte der Zeitungen werden immer kürzer, weil das Publikum weniger davon lesen will. Man nimmt Anstoß an der Länge und Unfruchtbarkeit der Parlamentsdebatten.
Die Gefahr, daß einmal bei einer kritischen Situation nach innen oder außen eine starke Hand dem Parlament vorgezogen werde, wächst.
Es schien mir immerhin bemerkenswert, diese im
nächsten Jahr 70 Jahre alt werdende Eintragung
hier einmal dem Hohen Hause im Anschluß an
den Schumanplan oder mitten in der Schumanplan-Debatte vorzutragen.
— Nein, es ist keine Empfehlung, sondern es soll ein Signal an Sie sein, Herr Renner. Ich weiß, Sie sind nicht zu überzeugen; ich möchte Sie aber doch gern überzeugen.
Es ist ein Merkmal für Sie, daß 70 Jahre deutscher parlamentarischer Entwicklung nicht ausgereicht haben, an offensichtlich monierten Zuständen auch nur das Geringste zu ändern. Ich habe langsam die Hoffnung aufgegeben, daß es bei Ihnen überhaupt möglich ist.
Nun, meine Damen und Herren, der Schuman-plan ist zweifellos ein Diskussionsthema, das zur Weitschweifigkeit anreizt. Es werden sehr viele Argumente gebracht, die gegen den Plan sprechen; es werden ebensoviele Gegenargumente gebracht, die für den Plan sprechen, und beide Argumentierungen sind berechtigt. Es wäre mehr als töricht, wenn wir versuchen wollten, Argument und Gegenargument hier in Rede und Gegenrede gegeneinander abzuwägen. Das geht nicht. Es spielen dabei immanente Überlegungen eine Rolle, die subjektiv sind, so subjektiv, daß man sie eben schwer gegeneinander abwägen kann. Ich werde deswegen versuchen, mich mit der Opposition in der Weise auseinanderzusetzen, daß ich nicht ihre Argumente im einzelnen behandle, sondern die Art der Betrachtungsweise des Schumanplans in den Vordergrund stelle. Denn die Diskussion scheint mir gezeigt zu haben, daß die verschiedene Art der Betrachtung das Entscheidende dieser Debatte gewesen ist.
Ich persönlich meine, daß wir uns hier in diesem Parlament alle davor hüten sollen, einer Hypertrophie des kurzfristigen Denkens zum Opfer zu fallen.
— Haben Sie es verstanden? — Das glaube ich! Herr Renner, ich sage es Ihnen nachher persönlich, ich erkläre es Ihnen nach Schluß. Die andern Damen und Herren wissen es ja.
Also die Betrachtungsweise des Schumanplans ist das Entscheidende. Nun ist mir besonders aus den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Henßler klargeworden, daß die Sozialdemokratie bei der Betrachtung der Dinge von einer mehr statischen Überlegung ausgeht, ich möchte sagen, von gesicherten Erkenntnissen der Gegenwart und Vergangenheit. Das ist eine mehr statische Beleuchtung der Dinge, während wir von einer mehr dynamischen Betrachtung der Dinge ausgehen. Wir sehen mehr in die Zukunft; wir sehen die Dinge langfristiger an, ohne dabei das Risiko zu übersehen, das in dieser Betrachtungsweise liegt. Wir sind aber bereit, dieses Risiko in Kauf zu nehmen.
Nun habe ich aber den Ausführungen der Freunde aus Ihren Reihen, meine Damen und Herren von der SPD, entnommen, daß ich offenbar noch nicht ganz verstanden worden bin. Herr Kollege Schöne, die Ausführungen, die Sie gestern gemacht haben, mache ich absolut zu den meinen. Was Sie vorgetragen haben, sind Tatsachen, und
die werden vor mir anerkannt. Aber, Herr Schöne, diese Tatsachen veranlassen mich nicht, gegen den Schumanplan zu stimmen. Ich werde Ihnen auch erklären, warum: Weil das Leben nämlich immer weitergeht! Herr Schöne, wir wohnen glücklicherweise nicht so weit auseinander, daß wir uns nicht schon einmal im Jahre 1945 hätten treffen können. Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten uns. etwa im Juli 1945 getroffen und hätten uns darüber unterhalten, was etwa um die Jahreswende 1951/52, los sein würde, und ich hätte Ihnen oder Sie hätten mir gesagt, daß um diese Jahreswende herum die Zeitungen von der Möglichkeit zwölf deutscher Divisionen voll sein würden. Ich will dazu keine Stellung nehmen, aber es steht in allen Zeitungen. Nehmen Sie an, wir hätten solche Überlegungen angestellt angesichts der zurückflutenden zerschlagenen deutschen Armee und angesichts der damals gerade verkündeten bedingungslosen Kapitulation. Ich bin überzeugt: wenn ein Dritter unser Gespräch gehört hätte, er hätte uns für nicht normal gehalten.
Meine Damen und Herren, die Dinge bleiben ja nicht stehen. Deswegen können wir uns mit der Überlegung, die angestellt wurde, daß der Schumanplan eine Fortsetzung der nunmehr seit sieben Jahren durchexerzierten Besatzungspolitik ist, nicht einverstanden erklären. Die Dinge sehen von uns aus gesehen ganz anders aus. Herr Kollege Henßler hat vollkommen recht, wenn er hier die Besatzungspolitik der letzten sieben Jahre geißelt, in Richtung auf die Demontagen an der Ruhr, mit Rücksicht auf all die Dinge, die wir durchlebt haben. Das ist auch unsere Anschauung. Wir wissen natürlich, daß nicht immer die Politik nur vor dem Kriege eine Politik der Vernunft sein muß; auch die Politik nach den Kriegen könnte theoretisch eine Politik der Vernunft sein. Aber nach den Kriegen ist die Politik eben meist eine Politik des Siegers, der versucht, den Besiegten zu entmachten. Daraus resultieren all die besatzungsrechtlichen Maßnahmen, die uns hier gerade von der Opposition in einer ganz klaren Weise dargelegt worden sind.
— Nein, eben nicht, Herr Henßler! Wenn Sie mich noch einen kleinen Augenblick anhören, will ich Ihnen gleich sagen, warum nicht. Es ist so, daß wir diese falsche Besatzungspolitik durch eine andere Politik ablösen müssen. Wir wissen ganz genau, daß uns eine volle, hundertprozentige Gleichberechtigung niemals in den Schoß fallen wird.
Wir sind aber müde, um diese Gleichberechtigung weiterhin mit Worten und Papieren zu kämpfen, und wo wir einen Schritt zur effektiven Gleichberechtigung sehen, da müssen wir ihn tun. Ein solcher Schritt ist der Schumanplan.
— Wollen Sie auch Feldwebel werden, Herr Renner, daß Sie so eilig sind?
— Er war schon Oberfeldwebel? Das konnte ich nicht wissen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um hier Besatzungsrecht und, ich möchte sagen, ein gleichberechtigtes Recht nebeneinanderzusetzen, müssen wir einmal die Frage, die heute schon öfter angeschnitten worden ist, die Frage Ruhrbehörde und Hohe Behörde behandeln. Fast von allen Rednern der Opposition wurde herausgestellt: Ruhrbehörde gleich Hohe Behörde. Sie sehen gerade an diesen beiden Behörden den sehr starken Unterschied. Der Ruhrbehörde liegt das Ruhrstatut zugrunde. Sie können ruhig sagen: das Ruhrdiktat; das wird klarer.
— Einen Augenblick, Herr Kalbitzer; Sie wissen ganz genau, daß wir kein Ruhrstatut angenommen haben. Herr Kalbitzer, Sie wissen doch ganz genau, daß wir hier über die deutsche Beteiligung an der Ruhrbehörde Beschluß gefaßt haben, um wiederum ein Stück deutschen Einflusses zu gewinnen; aus keinem andern Motiv!
Dieser Ruhrbehörde liegt aber das Ruhrdiktat zugrunde, das wir nicht angenommen haben. Der Unterschied zwischen Ruhrbehörde und Hoher Behörde ist der, daß die Ruhrbehörde ein. Diktat zur Grundlage hat, während die Hohe Behörde den Schumanplan zur Grundlage hat, in dem wir Signatarmacht sind, Herr Kalbitzer. Ich glaube, das ist unbestritten.
Wir haben darüber hinaus bei den Institutionen des Schumanplans ja nicht nur die Hohe Behörde
— das wollen wir doch nicht übersehen —, sondern wir haben eine Reihe anderer Institutionen, die ich hier dem Hohen Hause nicht aufzuzählen brauche, weil sie schon im Bericht und oft genug aufgezählt worden sind. Die Konstruktion ist also hier eine gänzlich andere.
— Ja doch, sie ist eine erheblich bessere. Das hier ist ein Akt, der aus freiem Willen geschieht, Herr Kalbitzer.
Es kann keinesfalls so sein, wie bisher die Dinge dargetan worden sind. Herr Henßler hat einmal den Ausdruck gebraucht, der Schumanplan sei nur erträglich, wenn man ihn mit ausländischen Augen oder mit der ausländischen Brille sehe; wenn man ihn durch die deutsche Brille sehe, dann sei er weiter nichts als ein wirtschaftlicher Annexionsmus. Ich glaube, so ungefähr haben Sie gesagt, Herr Kollege Henßler.
— Einen Augenblick, bitte! Ich bin nicht dazu da, die Politik der Regierung zu vertreten.
Das macht die Regierung selbst.
— Meine Damen und Herren, Sie sollten mit Ihrem Lachen etwas vorsichtiger sein! Wir sind dazu da, Ihnen zu sagen, warum wir in der Abstimmung so und so stimmen und nicht anders. Wir sind sogar dazu da, Sie, meine Herren, die Sie sich so freundlich verhalten, vor Irrwegen zu behüten, indem wir versuchen, Sie zu überzeugen.
— Nein! Das. stammt weder von mir noch von Ihnen, Herr Mellies. Wir wollen uns. doch beide
nicht mit fremden Federn schmücken. Ich glaube, das haben wir beide nicht nötig.
— Nein, keineswegs! Sie sind hier in einem Irrtum befangen. Davon kann gar keine Rede sein. Die Einzelheiten werden Ihnen die Herren, die die Vertragsverhandlungen geführt haben, viel besser sagen können als ich. Ich habe Ihnen ja gesagt, wir wollen uns im Grundsatz auseinandersetzen.
Dann darf ich fortfahren. Die Entwicklung, wie sie von Herrn Henßler dargetan worden ist, hat sich gewissermaßen in den beiden Polen: formelle Gleichberechtigung und tatsächliche Gleichberechtigung, gefunden. Herr Henßler, der Kampf um die formelle Gleichberechtigung ist ein Kampf, der sich noch sehr lange hinziehen wird. Es ist nun einmal so, daß sich die Form, verlorene Kriege zu liquidieren, im Laufe der Zeit etwas geändert hat. Wir haben heute keine Friedensverträge unmittelbar nach Abschluß der Kriege mehr, wie es früher üblich war, sondern wir haben lange Entwicklungen, wie wir sie durchleben. Wir haben die Aufgabe, in diesen langen Entwicklungen so viel für die deutsche Gleichberechtigung zu tun, wie wir können.
Deswegen müssen wir alle diese Möglichkeiten ergreifen, Und deswegen sind wir für den Schuman-plan. Wir sind es satt, bloß immer auf ein Wunder zu warten; das werden wir nicht erreichen.
— Nun, Sie meinen, wir werden es erleben, das „blaue Wunder" des Herrn Paul!
Ich darf den Vergleich der deutschen. Augen und der ausländischen Brille aufnehmen. Herr Henßler, wir haben nach Ihren Ausführungen noch von einer anderen „ausländischen Brille" gehört, nämlich von Ihren Kollegen, die noch weiter links sitzen. Wir sollten aber die Dinge einmal nicht unter deutschen Augen und unter ausländischer Brille sehen, sondern unter der europäischen Anschauung.
Ich glaube, dann werden wir den Dingen näherkommen. Wenn Sie dem französischen Parlament einen gewissen nationalen Egoismus zuschreiben, — ja, den haben wir auch! Das ist doch ganz natürlich. Wir werden diesen nationalen Egoismus auch nicht .vom ersten Tage der Vertragsingangsetzung beseitigen können. Wir werden aber eines tun müssen: wir werden das bestehende Mißtrauen in Europa langsam durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ersetzen müssen.
Wir werden die nationalen Egoismen der westlichen Welt langsam durch den Gedanken eines einheitlichen Marktes, vielleicht sogar eines konföderierten Europa ersetzen müssen. Es hat keinen Sinn, daß die Franzosen und die Deutschen sich gegenseitig immer wieder ihren nationalen Egoismus vorhalten. Er ist da, und er wird durch die Zusammenarbeit überwunden werden müssen. Wenn wir diesen nationalen Egoismus beider Staaten nicht überwinden, werden wir uns nicht nur über den Schumanplan, sondern über andere Dinge auf die Dauer keine Gedanken mehr zu machen brauchen.
Meine Damen und Herren, mich überrascht eines: Ein französischer Sozialist, Lacoste, hat — nicht in der Kammerdebatte, sondern irgendwann einmal
gesagt, daß der Schumanplan mit seinem gemeinsamen Markt weit dem französischen sozialistischen Denken entgegenkomme, das nicht nationalstaatlich gebunden sei. Lacoste ist nicht verdächtig, der französischen Industrie nahezustehen. Er ist sicher ein Mann, der es ehrlich gemeint hat.
Meine Damen und Herren! Warum sind wir denn
— sieben Jahre nach dem Verlust eines Krieges, sieben Jahre nach dem Verlust eines Reiches — auf einmal so erpicht, rein nationalstaatlich zu denken? Seien wir uns doch einmal über die Entwicklung klar, die wir in Europa durchlaufen haben! Die Entwicklung zum Nationalstaat war sicher eine historisch logische, aber sie war doch keine glückliche; darüber sind wir uns doch alle einig. Denken Sie doch einmal an die Anfänge der deutschen Geschichte hier in Mitteleuropa, an das Reich Karls des Großen. Da gab es keinen deutsch-französischen Gegensatz. Denken Sie doch einmal an die spätere Zeit, an das Heilige Römische Reich Deutscher Nation unter Otto dem Großen. Das war doch alles andere als ein Nationalstaat. Denken Sie auch einmal an die Entstehung der Kriege in Europa. Sie wurden in den wenigsten Fällen um nationalstaatliche Grenzen geführt, sondern um Ideen. Es war erst dem letzten Jahrhundert vorbehalten, Kriege um nationalstaatliche Grenzen zu führen. Sie können mir nicht sagen, daß das ein Fortschritt in der Entwicklung der Menschheit ist.
Meine Damen und Herren! Ohne auf die Einzelheiten des Schumanplans einzugehen, ohne die Gegengründe, die erwähnt worden sind, im einzelnen zerstückeln zu wollen — das läßt sich machen, aber es ist nicht notwendig; denn prophezeien können wir alle nicht —, müssen wir uns heute zu einem Bekenntnis klar durchringen. Entweder wir bekennen uns zu einem zertrümmerten Europa und glauben, daß wir aus einem zertrümmerten Europa nationalstaatlich etwas gewinnen — warum wir hierbei als Deutschland mit allen seinen Startschwierigkeiten besser fahren sollen als die anderen Nationen, weiß ich von vornherein nicht —, oder wir bekennen uns zu einem vereinten Europa, das, beginnend mit einem gemeinschaftlichen Markt der Grundstoffe, in der Lage ist, die Wirtschaft zu fördern und den Lebensstandard des einzelnen zu verbessern.
Eine ähnliche Frage wie der Schumanplan mit dem gemeinschaftlichen Markt hat in der deutschen Geschichte schon einmal eine Rolle gespielt, nämlich die Frage des Deutschen Zollvereins. Wenn Sie einmal die Debatten um den Deutschen Zollverein studieren, finden Sie ganz ähnliche Argumentierungen, besonders handelspolitischer, aber auch produktionspolitischer Art, wie sie heute hier vorgebracht worden sind. Ich hatte neulich Gelegenheit, in die Bücher einer alten Hannoverschen Firma Einblick : zu nehmen. Diese Firma hatte zur Zeit der Zollvereinsverhandlungen eine große Blütezeit. Der jetzige Inhaber zeigte mir Eintragungen des damaligen Geschäftsinhabers, in denen dieser Jahre vor Abschluß des 'Zollvereins klipp und klar sagte: Wir müssen unsere Regierung darum bitten, den Zollverein nicht abzuschließen; denn wir in Hannover werden bei einem gemeinschaftlichen Markt mit dem Osten wegen des Übergewichts der dortigen Industrien, wegen der besseren Geldverhältnisse im Osten und wegen der billigen Arbeitskräfte zugrunde gehen. Er hat auch entsprechende Interpellationen an die Regierung gemacht, die ich in der Abschrift gelesen habe. Dann zeigte mir der-
selbe Geschäftsinhaber die Bilanzen dieser Firma 10 Jahre nach Abschluß des Zollvereins. Sie hatten sich im Durchschnitt vervier- und verfünffacht. Das war ein Segen des gemeinschaftlichen Marktes.
Wie die wirtschaftspolitische Entwicklung im einzelnen laufen wird, ist noch nicht zu übersehen. Sicher aber ist, daß der gemeinschaftliche Markt wirtschafts-, handels- und sozialpolitisch seine erhebliche Auswirkung im Positiven wird bewähren können. Davon bin ich persönlich und davon sind meine Freunde überzeugt.
Nun noch ein Wort zu den Startbedingungen. Diese Startbedingungen scheinen mir in der Diskussion wesentlich zu sein, weil tatsächlich sehr viele der von der Opposition angeführten Hinderungsgründe vorliegen, besonders die von Herrn Dr. Schöne sehr klar herausgearbeiteten. Ich gebe ihm vollkommen recht, daß diese Startbedingungen uns sehr stark benachteiligen würden und den Vertrag sogar schwierig machen würden, wenn eben der Schumanplan nur für drei oder fünf Jahre abgeschlossen worden wäre. Dann wären die Startbedingungen hinderlich, vielleicht sogar tödlich. Da der Vertrag aber für 50 Jahre abgeschlossen worden ist, wäre es ein Beweis mangelnden Selbstvertrauens, wenn wir diese Benachteiligung nicht glaubten aufholen zu können.
Ich habe sehr aufmerksam die Ausführungen des Herrn Kollegen Imig über den Kohlenverkauf verfolgt, über all die Dinge, die zweifellos die Situation schwierig machen. Ich habe aber gerade aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Imig eines klar durchklingen hören, was mich wieder sehr positiv einstellt, nämlich die Tatsache, daß wir j a ein sehr großes Aktivum haben, das bei den Besprechungen über den Schumanplan vielleicht nicht so stark hervorgetreten ist. Dieses Aktivum ist der deutsche Mensch, der deutsche arbeitende Mensch und der deutsche wirtschaftende Mensch. Er gibt uns die Gewähr, daß die Institutionen des Schumanplans mit einem Leben erfüllt werden können, das für die europäische und damit für die deutsche Entwicklung positiv sein wird.
Meine Damen und Herren, ich darf noch etwas zu einem Einwurf sagen, der vorhin hinsichtlich der Hohen Behörde gemacht worden ist. Der Redner hat, glaube ich, gesagt, die Hohe Behörde bestehe im wesentlichen aus machthungrigen Managern, und diese machthungrigen Manager hätten nun das Schicksal der deutschen Grundstoffindustrie in der Hand. Sie müssen hier die Kirche im Dorf lassen. Die Hohe Behörde hat nach dem Schumanplan zweifellos sehr erhebliche Befugnisse. Aber sie kann diese Befugnisse nicht volkswirtschaftlich unvernünftig gegen die einzelnen Nationalwirtschaften anwenden. Denn diese Hohe Behörde, die uns zwar vorhin als Exekutivorgan erster Ordnung geschildert wurde, ist im Grunde kein echtes Exekutivorgan. Wer ist denn der Exekutivbeamte dieser Hohen Behörde? Sie hat ja keinen Gerichtsvollzieher, der ihre Beschlüsse zur Wirklichkeit macht. Diese Hohe Behörde hat nur die wirtschaftliche Vernunft und die Abstimmung der Nationalwirtschaften als Machtposition hinter sich, um sich durchzusetzen. Sie wird gar nicht in der Lage sein, im luftleeren Raum zu arbeiten. Das ergibt sich klar aus dem Schumanplan, da, wie gesagt, Vollziehungsinstrumente für die Hohe Behörde im Vertrag nicht vorgesehen sind.
Sie sehen, meine Damen und Herren: das Leben wird vermutlich auf Grund des Schumanplans einen vernünftigeren Weg gehen, als wir ihn hier theoretisch aus kurzfristigen Überlegungen konstruiert haben. Deswegen erlaubte ich mir vorhin, von der Hypertrophie des kurzfristigen Denkens zu reden. Wir sollten dieses Denken langsam in langfristige Überlegungen überführen.
Ich verkneife es mir auch, Vergleiche, wie sie gemacht wurden, indem der Handelsverkehr innerhalb des gemeinschaftlichen Marktes mit der Liberalisierung verglichen wurde, zu widerlegen; denn sie treffen in der Tat nicht zu. Alle diese Dinge sind im Wirtschaftsausschuß sehr lange besprochen worden, und fast alle Redner, die hier aufgetreten sind, sind Mitglieder des Wirtschaftsausschusses. Diese Dinge sind im Vertrag festgelegt. Wir werden versuchen, durch diese Debatte den vertragschließenden Teilen des Schumanplan-Werkes zu beweisen, daß wir als Deutsche gewillt sind, in dem Schumanplan nicht die Herausreißung von Grundstoffindustrien aus der Nationalwirtschaft zu dokumentieren, sondern die Einbringung der Grundstoffindustrien in eine europäische Gemeinschaft, in einen europäischen Markt, dem zwangsläufig die Konföderation Europas folgen muß.
Deswegen können Sie diese Dinge nicht aus dem politischen Zusammenhang herausgelöst nur von der wirtschaftspolitischen Seite her sehen, Die Entscheidung über den Schumanplan ist im Grunde nichts anderes, als daß wir die bisherige Art der deutschen politischen Betrachtung etwas umkehren. Es ist deutsche Eigenart, politische Überlegungen in die Vergangenheit hinein anzustellen.
Wir wollen uns daran gewöhnen, aus der Vergangenheit heraus die Politik in die Zukunft hinein zu gestalten.
— Meine Damen und Herren, was heißt denn „Vorleistung ohne Gegenleistung" ! Das sind doch ganz billige Argumente. Herr Loritz, Eierpreise sind Ihre Spezialität. Kaprizieren Sie sich darauf, es ist zweifellos besser.
Meine Damen und Herren, ich möchte dem bekannten Wort, daß Politik die Kunst des Möglichen ißt, hier eine andere Deutung entgegensetzen. Ich möchte sagen: Richtige Politik ist auch das Denken an morgen, und in diesem Denken an morgen bekennen wir uns zum Schumanplan und werden ihm unsere Zustimmung geben. Wir wollen damit ein Bekenntnis ablegen, auch wirtschaftspolitisch, aber in erster Linie ein politisches Bekenntnis. Wir wollen an Stelle von Mißtrauen in der Vergangenheit Vertrauen in der Zukunft.
Wir wollen an Stelle eines zerrissenen Europas ein vereinigtes Europa, und wir wollen — —
— Natürlich ist das billig, große Zusammenhänge sind immer billig; sie sind aber offenbar für manche am schwersten zu begreifen.
Meine Damen und Herren, uns soll der Schumanplan dazu dienen, den Frieden in Westeuropa zwischen Deutschland und Frankreich zu sichern.
Uns soll der Schumanplan dazu dienen, ein starkes deutsches Vaterland zu schaffen in einem geeinten, friedlichen Europa. Deswegen werden meine Freunde und ich dem Schumanplan trotz aller schon argumentierten Bedenken unsere Zustimmung geben.
Meine Damen und Herren, ich stelle ausdrücklich fest, daß es kein Verstoß gegen die Geschäftsordnung ist, wenn man die Redezeit von einer Stunde nicht ausnutzt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte hat bisher leider nicht das Ergebnis gehabt, das einen in der Zuversicht bestärken könnte, die Plattform für das, was wir hier zu tun uns anschicken, könnte verbreitert werden. Aber wir werden trotzdem bis zum letzten Moment, möchte ich sagen, nicht ablassen, die Argumente herauszustellen, von denen wir glauben, daß sie auf die Dauer ihren Effekt auch auf die Opposition in diesem Hause nicht verfehlen werden. Wir werden aber gleichzeitig nicht zulassen können und dürfen, daß sich hier etwa falsche Thesen verhärten. Wenn Herr Kollege Henßler gestern nachmittag sehr stolz darauf war, daß das, was er für seine Fraktion vorgetragen hat, eine gradlinige Fortsetzung ihrer bisherigen Haltung sei, so, glaube ich, nehmen wir für uns mit nicht weniger Stolz als er in Anspruch, daß das, was wir hier tun, eine konsequente geradlinige Fortsetzung unserer bisherigen Haltung ist.
Und wenn wir uns mit der Forderung beschäftigen, die er dabei aufgestellt hat, nämlich das Ziel seiner Fraktion und seiner Argumentation sei die volle deutsche Gleichberechtigung, so glaube ich, daß wir uns auch in der Forderung nach der vollen deutschen Gleichberechtigung von keiner Seite in diesem Hause werden übertreffen lassen. Die Opposition, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird sich wohl kaum schmeicheln, von uns als gründlicher, als gewissenhafter, als besorgter und als patriotischer angesehen zu werden, als wir selbst glauben, darauf Anspruch erheben zu können.
Was Herr Kollege Henßler gestern hier vorgetragen hat, läßt im wesentlichen eine längst überholte Melodie wieder aufklingen, eine Melodie, die in diesem Hause ebenso abgestanden sein sollte wie die der Opposition in der französischen Kammer.
Das, was dort als die Furcht vor der deutschen Gefahr als These aufleuchtet, findet sich hier umgekehrt wieder in der sozialistischen These vom Mangel der Gleichberechtigung.
Und wenn Herr Kollege Henßler glaubte, auf frühere Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers
damals noch Fraktionsführer unserer Land-
tagsfraktion in Nordrhein-Westfalen -- zurückgreifen zu können, so dürfte das ein Griff in die historisch falsche Kiste gewesen sein.
Herr Kollege Stegner hat es zwar gerade abgelehnt, und, ich glaube, ganz mit Recht abgelehnt, von seiner Fraktionsstellung aus, wenn ich so sagen darf, die Regierung und speziell vielleicht den Herrn Bundeskanzler in diesem Punkte zu kommentieren oder gar zu verteidigen. Aber in der Aufnahme dieses Arguments, daß sich damals der Herr Bundeskanzler gegen wirtschaftliche Annexionen als gegen das Naturrecht verstoßend gewandt hat, ist Herrn Henßler doch ein sehr großer Fehlschluß unterlaufen. Denn das grundsätzlich andere in dieser Situation ist, daß es sich dann überhaupt nur um gegenseitige wirtschaftliche Annexionen handeln könnte, wenn es eine Bezeichnung dieser Art gäbe. Ich glaube, eine solche These verkennt grundsätzlich das Wechselseitige.
Wenn man sich die Mühe macht, die These der sozialdemokratischen Fraktion zu analysieren, so läuft sie im Grunde — und hier stimme ich Herrn Kollegen Stegner völlig zu — in einem kurzfristigen und auch vielleicht kurzschlüssigen Denken darauf hinaus, hier nur eine neue Allianz gegen Deutschland zu sehen, also im Grunde eine Befürchtung umgekehrt aufzugreifen, wie sie in gewisser abständiger französischer Argumentation der letzten Zeit noch eine unbedeutende Rolle gespielt hat. Wäre es in der Tat so, meine Damen und Herren, daß sich hier eine neue Allianz gegen Deutschland abzeichnete — ich glaube, niemand von Ihnen wird doch im Ernste annehmen wollen, daß wir einer neuen Allianz gegen Deutschland etwa eine Rechtsgültigkeit durch unsere Unterschrift würden geben wollen.
Und wenn Sie dafür heranziehen, daß die Hohe Behörde sozusagen das Geschäft der Ruhrbehörde fortsetzen würde, so glaube ich, daß sie das allein deswegen schon nicht kann, weil sie diese Firma keineswegs übernimmt. Es handelt sich erstens einmal um eine totale Liquidierung der Ruhrbehörde, denn hier treten neue Partner mit einer neuen Zielsetzung zusammen und im übrigen mit einem Instrument, von dem gestern und heute hier noch nicht sehr viel die Rede war, das aber von anderen Freunden von uns noch nachdrücklich beleuchtet werden wird, mit dem Instrument einer richterlichen Kontrolle.
Herr Henßler hat mir gestern, als ich ihm das in einem Zwischenruf entgegenhielt, darauf geantwortet, er verfüge über mehr Erfahrung mit Gerichten als ich. Ich kenne die Erfahrungen, die Herr Henßler mit Gerichten gemacht hat, nicht im einzelnen. Ich weiß allerdings, daß er einige schmerzliche Erfahrungen mit Gerichten der nationalsozialistischen Epoche hinter sich hat. Aber soviel ist doch ganz sicher, daß er über Erfahrungen mit einem internationalen Gericht auf einer solchen Plattform sicherlich nicht verfügen wird, und ich glaube, wir tun auch nicht gut daran, meine Damen und Herren, eine solche von uns mitzuschaffende neue Autorität von vornherein durch Mißtrauen zu diskreditieren.
Also wenn man eine neue Allianz gegen Deutschland als die Fortsetzung einer alten Allianz sehen will und das geradezu als eine Allianz der
Räuber bezeichnen möchte, die auf der einen Seite auf unsere Kohle erpicht sind und sich auf der andern Seite hüten werden, Investitionen zuzulassen, die uns günstig sind, so glaube ich, daß man sich damit in der Tat, wie das Herr Kollege Stegner sehr wirkungsvoll ausführte, noch in einer anderen geschichtlichen Epoche befindet.
Meine Damen und Herren, ich stehe nicht an, zu sagen, daß es etwas Erschütterndes an sich hat, wenn man sieht, wie sehr gerade diejenigen, die sich selbst jahrzehntelang als Vorkämpfer des Gedankens internationaler Zusammenarbeit und internationaler Verträge bezeichnet haben, heute grundsätzlich und nachdrücklich jede Institution dieser Art mit tiefstem Mißtrauen zu betrachten scheinen.
In der gestrigen Debatte war aber ein anderer Punkt interessant. Auch das hat mich überrascht, und Sie werden mir erlauben, daß ich diesen Punkt in das richtige Licht der Öffentlichkeit rücke. Ich meine die Stellungnahme zu dem Sozialisierungsvorbehalt, der sich im Schumanplan findet. Ich hätte mir denken können, Herr Henßler, daß man wenigstens auf dieser Basis, von einem sozialistischen Standpunkt aus, in der Lage gewesen wäre, uns einmal das Ideal eines sozialisierten Europas vorzuführen und zumindest die konstruktive Alternative zu zeigen. Aber darauf haben Sie verzichtet. Ich weiß nicht, ob einer Ihrer Freunde das noch wird nachholen wollen.
Ich darf mich nun mit einigen Ausführungen dem zuwenden, was Herr Kollege Dr. Schöne gesagt hat. Er hat auch seinerseits — und das ist ja auch heute immer wieder geschehen — die Gleichheit der Startposition bestritten und hat das im wesentlichen an den Fragen der Verbundwirtschaft und der Unternehmensgrößen zu erläutern versucht. Jemand, der die sehr schwierige Entwicklung und- den sehr schwierigen Nachkriegsbereinigungsprozeß auf diesem Gebiet erlebt hat, weiß, daß -das in der Tat Gegenstände waren, die nicht nur die politischen Parteien, sondern auch viele deutsche Stellen und zuletzt die Bundesregierung selbst laufend beschäftigt haben; eine Beschäftigung, die noch keineswegs ihren Abschluß gefunden hat. Aber ich kann auch hier nicht umhin, auszusprechen, daß von Herrn Dr. Schöne doch sehr viele Argumente gebraucht worden sind, die noch vor wenigen Jahren in einem ganz anderen Lager zu hören waren, und daß hier eine Argumentation aufgenommen worden ist, die diejenigen, welche es zunächst und unmittelbar anging, nun unter dem Gesichtspunkt des Schumanplans glauben ein Stück zurückstecken zu können, nicht etwa zu müssen, sondern zu können. Ich glaube, daß wir in dem zähen Ringen um die optimale Gestaltung unserer Betriebe und ihrer Verbundwirtschaft ein sehr gutes Stück vorwärtsgekommen sind und alle Aussichten haben, gerade unter der Geltung des Schumanplans auch das Letzte, was etwa noch wegzuräumen und auszugleichen sein mag, tatsächlich in Ordnung zu bringen. Wenn auch Herr Schuman gesagt haben mag, für ihn sei der derzeitige Standpunkt in der Frage der Entflechtung der endgültige, — nun gut, auch Herr Schuman kann irren. Aber der Schuman plan irrt nicht, und in ihm steht zu diesem Punkte sowohl im deutschen wie im französischen Text oder lassen
Sie es mich umgekehrt sagen: im französischen Text genau so gut wie im deutschen — etwas anderes.
Unsere Freunde von links haben ihre Argumentation im Grunde auf der Mangellage aufgebaut. Dabei sollten sie aber nicht vergessen — und das ist eine Erkenntnis, die Ihnen nicht fernliegen kann, weil sie sich sehr leicht vermitteln läßt —, daß wir in der wirtschaf tsgeschichtlichen Entwicklung kein Beispiel dafür haben, daß eine Mangellage, etwa bei der Kohle, sich in unserem Bereich über einen sehr langen Zeitraum erstreckt. Wir sind im Gegenteil der Überzeugung, daß wir diese Mangellage in einiger Zeit überwinden können und überwinden werden.
Schließlich ist noch der Grundsatz des Schuman-plans, die Investitionen an der günstigsten Stelle vorzunehmen, bezweifelt und erklärt worden, diesen Grundsatz könne man in dem Vertragswerk nicht finden. Demgegenüber möchte ich auf Art. 2 hinweisen, in welchem dieses Prinzip deutlich ausgesprochen ist.
Meine Damen und Herren, in der Debatte ist nun die Aussprache in der französischen Kammer bis zum Überdruß zitiert worden, und wir waren auch schon vorher mit einer kleinen Denkschrift beglückt worden, in der eine Reihe von Zitaten zusammengestellt waren, wie ich glaube, in recht einseitiger Weise zusammengestellt waren.
— Aber eine kleine Überlegung, Herr Kalbitzer, müßte alles, was dort an Material sorgfältig exzerpiert war, und zwar auch gerade von einem negativen Standpunkt her, ad absurdum führen können; denn das wirkliche Bild der französischen Kammerdebatte ist wesentlich anders und wesentlich eindrucksvoller gewesen.
Dort ist nämlich der Schumanplan nicht geradezu auf einer Welle der Begeisterung in diese Allianz der Räuber verwandelt worden, sondern man hat dort dreimal die Vertrauensfrage stellen müssen, um dieses Vertragswerk dann gegen schwere Widerstände unter Dach und Fach zu bringen,
nicht zuletzt gegen Widerstände der französischen Industrie, die sich vielleicht darüber wundern wird, wie sie auf der deutschen Seite unterstützt wird.
Nun wage ich nicht, den Ausgang der Verhandlungen in diesem Hause im einzelnen vorherzusagen; aber ich glaube, daß wir dieses Problem werden bewältigen können, ohne dreimal zum Stellen der Vertrauensfrage Zuflucht nehmen zu müssen.
— Also das ist etwas ganz Neues,. Herr Blachstein, und ich habe darauf gewartet, daß ich in dieser Beziehung über das Grundgesetz belehrt werden könnte.
In der Tat spiegelt das aber doch nur wider, daß hier eine geradlinige Politik, auf die wir ebenso stolz sind wie Sie auf Ihre geradlinige Opposition, eine genügende Resonanz für die entscheidenden Akte hat, die sie im Interesse des deutsches Volkes, ihrer Verantwortung entsprechend, für geboten hält.
Meine Damen und Herren! Herr Imig hat sich vorzugsweise mit der Frage des Deutschen Kohlenverkaufs beschäftigt, und ich kann dazu nur erklären, daß wir in diesem Punkte den Standpunkt der Bundesregierung vollauf teilen, ein Standpunkt, der Ihnen bekannt ist und der dahin geht, daß die Bundesregierung auch die zuletzt gefundene Übergangslösung ablehnt und statt dessen eine weitere Verbesserung herbeizuführen wünscht. Wir werden sie in diesem Bestreben unterstützen, und Sie sind freundlichst gebeten, dabei mitzuwirken, indem Sie der Ziffer 2 unseres Antrages zustimmen. Im übrigen glaube ich aber, Herr Imig, sagen zu können, daß die Bedeutung des DKV oder seiner Nachfolgeorganisation in dem Maße abnehmen wird, in dem sich die deutsche Kohlenförderung ausweiten wird, in dem Maße nämlich, in dem gerade der von uns erwartete Effekt des Schuman-plans eintreten wird.
Auf Herrn Kalbitzer hat im wesentlichen schon der Herr Berichterstatter geantwortet. Ich möchte dem nur zwei Punkte hinzufügen. Wenn Herr Kalbitzer sehr bedauert hat, daß wesentliche Gebiete, auch wesentliche Gebiete im französischen Machtbereich aus dieser Regelung herausgeblieben sind, so kann ich nur sagen, daß wir es ebenso bedauern, meine Damen und Herren, daß leider große Teile des deutschen Gebietes noch nicht in diese Regelung einbezogen werden konnten. Wir hoffen, daß der Tag nicht fern ist, an dem es möglich sein wird, diese Teile endgültig einzubeziehen.
Und wenn er weiter gesagt hat, daß das Ganze nicht recht wirksam werden könnte, ohne daß dieser gemeinsame Markt auf Maschinen, Elektrogeräte usw. ausgedehnt würde, so kann ich nur sagen: In diesem Punkt, daß es nämlich erstrebenswert sei, diese Ausdehnung so schnell wie möglich vorzunehmen, hat er unsere volle Unterstützung. Ich darf hinzufügen, daß ich mich auf den Tag freue, an dem es möglich sein wird, diese Erweiterung des Schumanplans mit allen Stimmen, jedenfalls mindestens zusätzlich mit der Stimme von Herrn Kalbitzer, in diesem Hause zu beschließen.
Herr Professor Nölting glaubt, daß sich die Demokratie in einem Rückzugsgefecht befinde. Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß die Mehrheit dieses Hauses Anlaß hat, diese Auffassung zu teilen. Ich glaube im Gegenteil, daß sich hier für diese gewiß nicht leichte, für diese gewiß gefahrenreiche Politik einmal zeigt, daß sich eine solide demokratische Politik nicht im Rückzugsgefecht, sondern hier durchaus in der Offensive befindet,
Wenn er eine Teilintegration als ein Ausweichmittel offenbar der Franzosen angesehen hat, so, glaube ich, brauchen wir nur noch einmal zu bestätigen, daß es uns auf keinen Fall auf eine Teilintegration, sondern auf eine Gesamtintegration Europas ankommt. Wir sind aber überzeugt, an irgendeiner Stelle damit anfangen zu müssen und nicht darauf warten zu dürfen, daß uns eines Tages etwa — ich weiß nicht, von wem — eine Gesamtintegration beschert werden könnte.
Herr Professor Nölting hat aber nebenbei ein sehr interessantes Eingeständnis gemacht, wenigstens indirekt, nämlich das Eingeständnis, daß er sich in seiner Prognose über die Langlebigkeit der Ruhrbehörde doch offensichtlich getäuscht hat. Ich kann mich — es ist etwas länger als zwei Jahre her — daran erinnern, daß uns in diesem Hause prophezeit wurde, daß wir mit dem Eintritt in die Ruhrbehörde nun wieder den Grundstein für eine — ich weiß nicht, wie lange — zusätzliche deutsche Versklavung gelegt hätten.
Und jetzt, nachdem diese Ruhrbehörde nur noch eine Frage von ganz wenigen Wochen oder Monaten ist, wird uns plötzlich gesagt: Ja, diese Ruhrbehörde wären wir sowieso in ganz kurzer Zeit losgeworden: die hätte sich nicht halten können; aber nun geht ihr in die Hohe Behörde!
Die Logik dieser Politik können wir leider nicht teilen. Ich kann nur wieder sagen, daß man, wenn man auf dieser Art von Geradlinigkeit beharren will, schwerlich am richtigen Ziel ankommen wird.
Ich glaube auch nicht, daß die französische Konkurrenz, wie Professor Nölting es so schön ausdrückte, geradezu Triumphgesänge singt. Sie singt heute keine Triumphgesänge, und ich bin der Überzeugung, daß sie auch in Zukunft keine Triumphgesänge singen wird. Es kommt uns überhaupt nicht darauf an, meine Damen und Herren, daß hier irgend jemand einen Triumphgesang sollte singen können, sondern darauf, daß alle Teilnehmer in einer möglichst loyalen und auf Zusammenarbeit gerichteten Weise aus diesem Vertrage befriedigt werden können.
Wir wissen sehr wohl, meine Damen und Herren, daß es noch ein langer Weg ist, den wir zu gehen haben, bis die letzten Folgen der Demontage auf deutschem Gebiet ausgeglichen sind. Wir wissen, daß nicht von heut auf morgen, sondern erst nach vieler schwieriger Arbeit die August-ThyssenHütte wieder etwa 11/2 oder 2 Millionen t Stahl prodùzieren wird. Wir wissen, daß es eine Zeitlang dauern wird, bis Watenstedt-Salzgitter wieder so arbeiten kann, wie wir uns das vorstellen, und daß es noch eine weitere Zeit dauern wird, bis alle unsere Walzenstraßen erneuert sind. Aber wir können das Mögliche nur mit den Schritten und in dem Tempo tun, in dem wir es aus eigener Kraft schaffen; wobei wir hier allerdings die Hoffnung haben, daß dieser eigenen Kraft auch eine Unterstützung der freien Welt zu Hilfe kommen wird. Wir haben mit der Investitionshilfe dafür einen sehr guten Anfang gemacht. Wir sind der Überzeugung, wenn sich deren Effekt erst einmal zeigen kann, dann sind zwar nicht alle Probleme gelöst — das sicher nicht —, aber auf diesem Wege wird es dazu kommen, auch fremde Unterstützung herbeizuziehen.
Sehen Sie, in den Tagen, in denen wir hier diskutieren, hat ein vielleicht etwas optimistischer amerikanischer Betrachter, aber durchaus in einer amtlichen Funktion, nämlich Mr. Harris, gesagt, daß nach seiner Auffassung Deutschland etwa ein Jahr, nachdem die Hohe Behörde ins Leben getreten sei und der Mechanismus des Schumanplans zu wirken anfange, auf einer Stahlproduktion von 19 bis 20 Millionen t angekommen sein würde. Diese Prophezeiung ist gewiß eine persönliche, und sie hat auch manchen Widerspruch gefunden angesichts der relativ knappen Investitionsmittel, die wir greifbar vor uns sehen. Aber, meine Damen und Herren, wir haben ja alle das letzte Stück der deutschen Entwicklung miterlebt, und Sie werden sich an die Zeit erinnern können, wo man uns die
u Erreichung einer Produktion von 11,1 Millionen t Rohstahl pro Jahr erst für einen sehr fernen Zeitpunkt prophezeit hat.
Wir haben das vergangene Jahr mit einer Produktion von 13,5 Millionen t Rohstahl abgeschlossen. Ich bitte Sie, das doch einmal zu der übrigen europäischen Stahlproduktion in ein durchaus angemessenes und realistisches Verhältnis zu setzen. Dann werden Sie mir auch in der Auffassung zustimmen müssen, daß wir auf die Tüchtigkeit sowohl unserer Unternehmer wie unserer Arbeiter werden zählen können, wenn wir für die deutsche Produktion eine optimistische Prognose haben.
Der Herr Bundeskanzler hat gestern hier gesagt, alles Große sei ein Wagnis. Vor dem Wagnis, meine Damen und Herren, steht selbstverständlich das Wägen. Sie können versichert sein, und ich glaube, der Aufwand, der in der Diskussion um dieses Thema doch nun schon beinahe anderthalb Jahre getrieben worden ist, beweist es, daß hier sehr viel gewogen worden ist und daß es sehr kühle Köpfe waren, die hierbei gewogen haben. Ich möchte aber mit allem Nachdruck und mit großer Befriedigung hervorheben: zu diesen Köpfen haben in hervorragendem Maße die Vertreter der organisierten Arbeiterschaft gehört. Bis in die wissenschaftlichen Stellen gerade der Arbeiterschaft hinein wurden die Wagnisse, die vor uns liegen, sorgfältig gewogen und mindestens in ihren langfristigen Prognosen als durchaus tragbar angesehen.
Meine Damen und Herren, wir werden dieses Unternehmen wagen, und wir sind sicher, daß uns dabei weder die deutschen Unternehmer noch die deutschen Arbeiter im Stich lassen werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kuhlemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich zu Ihnen nach den vielen Reden hier im Auftrag der Deutschen Partei spreche,
dann möchte ich Ihnen zunächst mitteilen, daß die Deutsche Partei gewillt ist, dem Schumanplan zuzustimmen
und mit ihm jene neue Episode anzufangen, die
für Europa, für uns alle wichtig zu sein scheint.
Was ist nun Sinn und Ziel unseres Planes? Meine Herren, wir haben über die einzelnen Ziele heute schon so viel gehört, daß ich nicht noch einmal jeden einzelnen Paragraphen durchzugehen brauche. Ich möchte aber doch eines betonen: Dieser Schritt, den wir heute zu tun gedenken, ist der erste, dem bestimmt andere Schritte nachfolgen müssen.
Auf dem Teilgebiet Eisen, Kohle und Stahl haben wir dann zum erstenmal einen einheitlichen Markt in Europa hergestellt. Dadurch, daß wir die Zollgrenzen zwischen den einzelnen Ländern abbauen, werden wir alte nationale Grenzen überwinden und zu einer volkswirtschaftlichen Arbeitsentwicklung kommen, die für alle, die daran teilnehmen, eine neue Wohlfahrt und einen neuen Lebensstandard bringen wird.
Wenn wir diesen ersten Schritt getan haben, werden sich aus ihm folgerichtig die weiteren
Schritte entwickeln. Die Worte, die Herr Professor Hallstein und der Herr Bundeskanzler zu uns gesprochen haben, wonach die Entwicklungen, die hier angedeutet sind, erst der Anfang einer weit größeren Entwicklung sein werden, wurden bei uns dahin gedeutet, daß dieser erste Schritt uns zu weiteren guten Erfolgen führen wird.
Wir haben zu den Möglichkeiten, die der Schumanplan uns bietet, bis jetzt eins festzustellen: die „Schrebergärtenzäune", wie Herr Professor Hallstein sagte, werden fallen. Die kleinstaatlichen Gedanken, die wir in Europa bis jetzt gehabt haben und deren Auswirkung gerade in den wirtschaftspolitischen Maßnahmen immer zu erkennen war, werden uns in bezug auf Eisen, Stahl und Kohle sehr schnell zu einem ganz neuen Weg führen. Ich glaube, daß wir in dieser Beziehung — auch bei unseren Handelsverträgen im Außenhandelsausschuß, wo es immer sehr ,schwer war, die bestehenden Verhältnisse zu verteidigen — zu großen Erleichterungen kommen werden, und ich glaube auch, daß wir gerade dadurch auch im Außenhandel sehr schnell andere Ideen entwickeln wer den.
Wenn wir bedenken, daß wir bei 155 Millionen Einwohnern in dem Gebiet des jetzigen Schuman-plans eine Stahlerzeugung von zirka 32 Millionen t haben — während die Vereinigten Staaten beinahe die dreifache Menge Stahl herstellen, dabei aber nicht so viel Einwohner in ihrem Lande vereinigen —, so werden wir erkennen, daß wir auf Grund der Entwicklung der gemeinschaftlichen Arbeit in diesem Gebiet unsere Erzeugung an Eisen, Stahl und Kohle sehr schnell werden erhöhen müssen, so daß auf all diesen Gebieten in der nächsten Zeit eine Wandlung zu erwarten ist. Sie haben von den Experten gehört, daß der Bau von Breitbandstraßen, die wir dringend nötig haben, nicht mehr verhindert werden kann, daß ferner unter den Verhältnissen, die wir jetzt durch den Schumanplan bekommen, der Ausbau von Watenstedt-Salzgitter und der Thyssen-Hütte ungehindert durchgeführt werden kann. Das gibt zusammen mit der Investitionshilfe, die wir vor einiger Zeit beschlossen haben, derartige Entwicklungsmöglichkeiten, daß wir in der Durchführung des Schumanplans vertrauensvoll weiterarbeiten können.
Ich will 'nur eins hoffen: daß sich der Schumanplan nicht allein zugunsten von Rheinland und Westfalen auswirkt; denn wir in Niedersachsen haben an dem Schumanplan genau so Interesse. Unser armes Land Niedersachsen hat eine große Eisen- und Stahlproduktion in dem Gebiet von Watenstedt-Salzgitter. Wir alle wissen ganz genau, wie dies Gebiet gelitten hat. Ich hoffe, das Hohe Haus wird uns hier in der richtigen Weise unterstützen, damit wir Watenstedt-Salzgitter wieder zu einer Produktion verhelfen können und Watenstedt-Salzgitter nachher auch ein entsprechender Teil der Eisenproduktion überwiesen werden' kann.
Es ist unser Ziel, durch die Arbeit im Rahmen des Schumanplans und durch die weitere Entwicklung, die wir dem Schumanplan hier angedeihen lassen, nach dem Osten ein Bild zu geben, damit wenigstens unsere ostdeutschen Nachbarn sehen, daß wir sie mit dem Schumanplan nicht irgendwie abschreiben wollen, sondern im Gegenteil mit dem Schumanplan erreichen wollen, daß der Osten, dessen Bevölkerung diese Vorteile leider noch nicht mitgenießen kann, in der nächsten Zeit wenig-
stens in den Schumanplan mit hineinwachsen kann und ihm dadurch die Vorteile des Schumanplans auch zugutekommen.
Es wird immer gesagt, daß der Schumanplan der Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland hinderlich im Wege steht. Ich glaube kaum, daß das der Fall ist. Es ist ja gerade eben von den Vorrednern, von Herrn Paul und Herrn Müller, immer wieder darauf hingewiesen worden, daß die deutsche Einheit das Wichtigste sei. Meine Herren, die deutsche Einigkeit und die deutsche Einigung wären auch für uns das Wichtigste. Wenn es möglich wäre, dann würden wir bestimmt alle liebend gern über den Schumanplan etwas länger sprechen und die Einigung Deutschlands vollziehen; aber wir sehen ein, daß eine Einigung Deutschlands mit oder ohne Schumanplan vorläufig nicht möglich ist, es sei denn, andere Bedingungen werden von der Ostzone her uns. gegenüber klar gestellt und dadurch die Möglichkeit geschaffen, daß wir uns mit dem Osten darüber unterhalten können.
Mit dem Schumanplan müssen und wollen wir die Bedingungen und die Möglichkeiten schaffen, die weitere Entwicklung Deutschlands vorwärtszutreiben!
Wir haben von vornherein gesagt: wir sind bereit, allen anderen Gelegenheit zu geben, dem Schumanplan beizutreten. Tritt der Fall ein, daß Ostdeutschland, vielleicht auch andere Staaten im Osten, dem Schumanplan beitreten wollen, so würde das nach meiner Meinung nur ein Vorteil sein. Dadurch würde der Raum für Europa nur größer werden, und wenn das geschieht, würde das für Europa in der Zukunft nur eine Entwicklung zum Besseren bringen können.
Wir haben in den letzten Jahren die Feststellung gemacht, daß die Wirtschaftspolitik, die von uns aus betrieben worden ist, die Entwicklung in Deutschland sehr schnell gefördert hat, so schnell, daß wir alle überrascht und zum Teil auch stolz waren. Die Entwicklung, die Westdeutschland genommen hat, wird von den Oststaaten, von der Ostzone her mit Neid angesehen. Wenn die Zahlen, die von Herrn Paul und von Herrn Müller vorhin hier genannt worden sind, wirklich zutreffend wären, dann würden solche Fragen, wie man sie des öftern hörte, bestimmt nicht an uns gestellt werden, und die Bitten, die vom Osten an uns herangetragen werden, würden bestimmt nicht so ausfallen, wie sie uns augenblicklich immer wieder vorgetragen werden.
Meine Herren, wir wollen hoffen, daß die Entwicklung, die wir bei uns haben, auch auf die Ostzone abfärbt und daß die wirtschaftspolitische Entwicklung, die wir jetzt erlebt haben, denjenigen Leuten, die von der Ostzone nach hier herübersehen, als Beispiel für eine Entwicklung hervortreten wird, an der teilzunehmen für sie wünschenswert erscheint. Wir wollen hoffen, daß auch sie möglichst bald in den Genuß der Früchte dieses Plans kommen, und wir wollen hoffen, daß über die Entwicklung hinaus, die der Schuman-plan uns in den nächsten Jahren bringen wird, auch für die Leute, die da drüben sind, eine weitere Entwicklung möglich ist. Es ist anzunehmen, daß wir durch diese Entwicklung des Schumanplan zu einem neuen Lebensstandard und einer Erhöhung unseres Lebensstandards im Bundesgebiet kommen, die alle, die daran teilnehmen, zufriedenstellen wird. Aus diesem Grunde bejahen wir den Schumanplan. Wir werden bei der Abstimmung für diesen Plan stimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem die Debatte nun einigermaßen fortgeschritten ist und die Argumente nahezu erschöpfend behandelt wurden, kann ich mich erfreulicherweise etwas kürzer als die Vorredner fassen.
Meine Damen und Herren, die Situation Westeuropas, eingespannt zwischen zwei große Blöcke, „Ost" und „West", rechtfertigt zweifelsfrei alle Maßnahmen, j a, fordert alle Maßnahmen zur Stärkung dieses Rest europas. Es ist angesichts eines einheitlichen Willens im Osten, der sich auch auf wirtschaftlichem Gebiet, auf Gebieten der Planung eindeutig auswirkt, dringend notwendig, nun auch hier im Westen die traurige Zerrissenheit der Wirtschaft in Einzelglieder, mit festen nationalstaatlichen Zäunen drum herum, zu beenden und zu einer wirtschaftlichen Einigung zu kommen. Der Gedanke der Montanunion, diesen Zustand trauriger Zerrissenheit Westeuropas zu überwinden, kann daher nur begrüßt werden. Man redet immer von Europa. Wir sind auch der Auffassung, daß ein Zusammenleben auf wirtschaftlichem Gebiet am ehesten die Voraussetzungen dafür schafft, daß man auch auf politischem Gebiet eines Tages an einem gemeinsamen Strick zieht.
Die Struktur des Planes, des Vertragswerks, ist zweifelsfrei kompliziert und schwierig und ist beeinflußt von Rücksichtnahmen nach den verschiedensten Seiten. Sie ist aber, so scheint uns, in ihrer ursprünglichen Anlage durchaus diskutabel, ja vielleicht sogar praktikabel. Die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Marktes — das ist mehrfach hier hervorgehoben worden und das muß man um der Gerechtigkeit willen hier wohl hervorheben — bietet für uns Deutsche auf lange Sicht gesehen mancherlei Vorteile. Die Tendenz der Bundesregierung, nach dem verlorenen Kriege nun mit den Westmächten zu irgendeinem d'accord zu kommen, ist ebenfalls richtig. Aber, meine Damen und Herren, wir bezweifeln, ob es richtig ist, dieses d'accord dadurch zu erreichen, daß man von deutscher Seite aus Vorleistungen trifft, die über das Maß des Notwendigen weit hinausgehen. Wir glauben, es ist eine erhebliche Vorleistung, wenn wir eines unserer Hauptkapitalien, nämlich die deutsche Kohle, in die Hände von Staaten geben, die n u r ein Interesse daran haben, diese deutsche Kohle zu einem möglichst niedrigen Preis in einer möglichst großen Menge unter einer festen Garantie zu erhalten. Wir geben damit eines unserer wesentlichen Machtmittel aus der Hand.
Man wird nun einwenden — es klang hier schon von seiten der Regierung mehrfach an —, so schlimm sei das alles nicht. Entsprechende Bemerkungen wurden auch in der französischen Kammer gemacht, wo man die Angst vor dem deutschen Wirtschaftspotential auch sehr klar zu erkennen gab und davor warnte, sich zu sehr auf uns zu verlassen, und darauf hinwies, daß
wir Deutschen schon Möglichkeiten hätten, wenn wir wollten, auch unter dem Vertrag mit unserer Kohle eines Tages etwas zu machen, was den Franzosen nicht ganz paßt. Wir sehen aber in dem Schumanplan mancherlei Präjudizierung für Dinge, die noch gravierender als der Schumanplan sind und die uns bevorstehen.
Es kann nicht bestritten werden, daß der Schumanplan, verglichen mit der Situation, in der sich Deutschland heute, also unter dem reinen Besatzungsrecht befindet, in sachlicher Beziehung einen Fortschritt bedeutet und uns einige Vorteile bringt. Aber was hatten wir denn bisher? Wir hatten bisher den Zustand der totalen Ausbeutung und Ausplünderung, einen Zustand, der von seiten der Westmächte nicht deswegen abgeändert und modifiziert wird, weil man uns um unserer schönen blauen Augen willen einen Dienst erweisen will, sondern deshalb, weil man genau weiß, daß der Generalissimus im Kreml durch seine bloße Existenz keine andere Entwicklung zuläßt.
— Richtig, Herr von Merkatz, der sollte immer die Vertragsgrundlage sein. Er ist es aber nicht.
Gegen die Argumente, die hier von Sprechern der Sozialdemokratie als in der französischen Kammer gefallen vorgebracht wurden, kann man eine gleich große Anzahl von Argumenten stellen, die genau das Gegenteil besagen. Das ist sicher. Entscheidend ist aber, daß die bisher zitierten Argumente nicht die Meinung irgendwelcher Privatleute, sondern die Meinung hochverantwortlicher französischer Politiker darstellen, die damit zu verstehen gaben, wie sie sich die Anwendung dieses Vertrags in der Zukunft vorstelle n.
Es scheint uns auch so, als ob wir in dem Montanvertrag nicht unserem Gewicht entsprechend vertreten wären. Deutschland produziert heute über 51 % des gesamten europäischen Kohleaufkommens, Deutschland produziert über 30 % des gesamten europäischen Stahlaufkommens.
Und das ist noch zu wenig. Wir kennen unsere wirtschaftliche Situation und die Notwendigkeiten der Produktionsausweitung. Wenn sich verschiedene Geschäftspartner zu einer Union zusammenschließen wollen, zu einer Aktiengesellschaft, dann tun sie es dergestalt, daß sie ,dem Gewicht entsprechend im Aufsichtsrat vertreten sind, das sie
in die gemeinsame Firma einbringen. Hiervon kann aber beim Montanvertrag nicht die Rede sein.
Was den Sektor Kohle anlangt, so fallen wir unter die Räuber, die möglichst gierig möglichst viel aus uns herausholen wollen. Der Abgeordnete André fragte: „Was geschieht, wenn Deutschland im Falle größeren Eigenbedarfs nicht mehr die Kohle liefert, die Frankreich braucht?" Darauf bekam er von Außenminister Schuman eine sehr präzise Antwort. Dieser sagte: „Im Falle der Knappheit wird die Kohle ohne Rücksicht auf die geographische Lage der Gruben aufgeteilt."
Meine Damen und Herren, wir müssen wohl angesichts einer sich noch steigernden Rüstungskonjunktur damit rechnen, daß der momentane Status der Knappheit zumindest so lange aufrechterhalten bleibt, wie wir mit den gröbsten Schwierigkeiten bei uns in Deutschland zu kämpfen haben. Diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die wir bei uns hier haben, wirken sich ja in einer trostlosen Art vor allen Dingen auf sozialpolitischem Gebiet aus.
Des weiteren wird von uns verlangt, daß wir die Defizite anderer bezahlen. Die Endsumme, die Dr. Preusker mit 195 Millionen nannte und die wir zum Ausgleich den belgischen Gruben 'zu bezahlen haben, ist natürlich, verglichen mit unserem Wirtschaftsvolumen, nicht so riesenhaft, daß man furchtbar über sie schreien müßte. Wenn man sich aber in einer Situation wie bei uns befindet und wenn man einmal an die Nöte denkt, die der Finanzminister uns im letzten halben Jahr am laufenden Band, zum Teil mit sehr viel Berechtigung vorgetragen hat, dann frage ich mich doch: Woher wollen wir diese Dinge nehmen?
— Ich habe auch etwas Positives zu sagen, und zwar daß die Franzosen den Plan nicht so propagiert haben würden, wenn sie sich für sich selbst nicht so massive Vorteile davon versprächen, wie dies der Fall ist.
— Ich bin der Auffassung, daß die Sicherung Europas, und um die geht es ja auch 'beim Schumanplan, in erster Linie dadurch erreicht wird, daß man die Verhältnisse dort, wo sie am schlechtesten sind — und das sind sie, wenn wir einmal den Gesamtkomplex betrachten, zweifelsfrei in Deutschland, das sich außerdem noch an der Grenze befindet —, am schnellsten bessert. Wir können aber unsere wirtschaftliche Situation — Vertriebene, Arbeitslosigkeit usw. — nur dann bessern, wenn wir unsere Möglichkeiten aber bis zum TZ völlig ausnutzen. Wir haben keine Möglichkeit, gegenüber einem noch im Nebel befindlichen Europa mit einer großen Geste Dinge zu verschenken, die wir selber dringend brauchen.
Meine Damen und Herren, das Ziel der Franzosen ist, wie in der Kammer sehr klar und sehr eindeutig gesagt worden ist, Frankreich völlig unabhängig zu machen. Frankreich will in großem Umfang deutsche Kohle erhalten, um &ne hektisch, nur künstlich hochgebrachte Stahlindustrie am Laufen zu erhalten, mit dem freundlichen Hintergedanken, die deutsche Stahlindustrie mit Maßnahmen niederzuhalten, die man aus der Besatzungszeit in die Zukunft hinüberzunehmen gedenkt, und das Geschäft zu machen.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie — und auch das ist in der französischen Kammer gesagt worden —: Womit sollen wir z. B. die Schwedenerze bezahlen, wenn wir unsere Kohle auf Grund des Montanpakts total in der Montanunion verteilen müssen?
— „Total" steht nicht drin; aber soviel Kohle produzieren wir im Augenblick noch gar nicht.
— Wir werden dankbar sein, wenn wir sie loswerden?
Meine Damen und Herren, in den nächsten vier, fünf Jahren — —
— In zwei Jahren spätestens? Dafür ist aber Voraussetzung, daß wir keinen Rüstungsboom mehr haben. Diese Hoffnung habe ich leider nicht.
Meine Damen und Herren, nun etwas, was den Geist und auch den Wortlaut des Vertrags anlangt. Die „Times" hat darüber kürzlich eine Betrachtung angestellt, die unseres Erachtens den Nagel auf den Kopf trifft. Die „Times" steht nicht im Verdacht, die Dinge durch die deutsche Brille zu sehen; aber sie bringt leider sehr zutreffende Sätze, wenn sie schreibt, daß die umständliche Struktur, die im Schumanplan und Pleven-Plan beschrieben wird, weniger auf dem Wunsche beruht, sich mit Deutschland zu vereinigen, als auf der natürlichen Furcht Frankreichs vor einem deutschen Wiederaufstieg. Das ist das „Drama des deutschen Wiederaufstiegs", das Herr Kurlbaum hier zitierte. In diesem Satz von der natürlichen Furcht Frankreichs vor einem deutschen Wiederaufstieg könnte man höchstens das Wort „natürlich" ersetzen, indem man sagt, daß diese Furcht zwar angesichts der raten Angriffswalze völlig widersinnig, aber trotzdem .und leider vorhanden ist. Im übrigen kann man diese Stellungnahme als eine der klarsten Definitionen des Europaproblems bezeichnen, die ein englisches Blatt bisher gebracht hat.
Die Sprecher der Regierungskoalition und der Regierung haben sich eifrig Mühe gegeben. Aber die Auswirkungen des Gesetzes Nr. 27, dessen Auslaufen überhaupt nicht abzusehen ist, auch nicht nach der gestrigen Regierungserklärung, die zweifelsfrei mancherlei Fortschritte vor Augen führte, empfinden wir als außerordentlich negativ und den deutschen Interessen schädlich. Diese Entwicklung läuft unter dem Namen „Entflechtung". Sie wurde in Frankreich als ein ganz besonderes Positivum bezeichnet, das man aufrechterhalten wolle und müsse, wenn man die deutsche Wirtschaft unter der gewünschten Kontrolle erhalten wolle. Unter dem Stichwort Entflechtung und Gesetz 27 haben sich in Deutschland vornehmlich Amerikaner betätigt, die es als notwendig bezeichneten, Maßnahmen dagegen zu treffen, daß wirtschaftliche Macht in einem Übermaß in einer Hand vereinigt sei. In dieser Argumentation sind sie — das soll man heute ruhig erwähnen — von seiten der Linken in den letzten Jahren leider manchmal unterstützt worden. Aber was gab es denn überhaupt früher in Deutschland an Kartellen und Konzernen? Es gab doch nur zwei, die diese Namen verdienen, nämlich die Vereinigten Stahlwerke und die IG. Wenn wir einmal die Vereinigten Stahlwerke herausgreifen, so sind sie im Vergleich mit einigen Unternehmungen in Amerika ein Zwerg. Die Vereinigten Stahlwerke produzierten weniger als ein Drittel von dem, was die „United Steel" herstellen. Wir haben den Eindruck, meine Damen und Herren, daß, wenn Amerikaner von der Entflechtung und von der notwendigen Konzernauflösung reden, dies genau dasselbe ist, als wenn Toreros oder Stierkampfarrangeure sich über die Notwendigkeit des Aufbaues des Tierschutzwesens auslassen.
Diese Maßnahmen, die von den Westmächten unter Zuhilfenahme besatzungsrechtlicher Möglichkeiten praktiziert worden sind, sollen nach allem, was wir bisher gehört haben — es ist zumindest die Auffassung Frankreichs — in aller Zukunft aufrechterhalten bleiben. Es ist für uns Deutsche meines Erachtens nicht möglich, an die Sache mit dem Vorbehalt heranzugehen: Laßt die Dinge nur erst mal kommen, wir modeln das nachher wieder alles um, so wie es uns paßt. Ich glaube, dann ist es zu spät.
Und dies alles will man zu einem Zeitpunkt fortsetzen, wo wir in anderen Ländern genau die gegensätzliche Entwicklung haben.
— Ja, ein Beispiel! . In Frankreich hat man jetzt gerade eine ganze Reihe von Werken zusammengelegt.
Man hätte uns Beweise guten Willens,. wenn man sie im Schumanplan sehen will, in reichlicher Menge geben können.
Gehen wir einmal davon aus, daß die Kompetenzen der Hohen Behörde von Deutschland anerkannt und in Zukunft übernommen werden könnten. Warum löst man dann nicht bereits heute all die Dinge auf, die uns so belasten? Warum löst man nicht heute — es genügen dafür drei Unterschriften — die Kontrollkommissionen, die Ruhrbehörde, das Sicherheitsamt und was da sonst ist, einfach auf und sagt: Schön, wir tun dies jetzt, und wenn nach einem Dreivierteljahr der letzte Staat seine Ratifizierungsurkunde hinterlegt hat und die Sache anläuft, dann übernimmt die Hohe Behörde die ihr zugedachten Funktionen. Dann könnten wir guten Willen anerkennen. Es wird aber überall ausdrücklich hervorgehoben, daß alle diese Dinge, die man eingerichtet hat, um uns zu unterdrücken, erst dann beseitigt und „aufgehoben" werden können, wenn die Hohe Behörde in Funktion tritt. Meine Damen und Herren, da können Sie doch wirklich nicht sagen, daß diese Hohe Behörde hinsichtlich ihrer Kontrollfunktionen etwas so völlig anderes sei als die Institutionen, die im Augenblick am Werke sind und sich gegen uns auswirken, wie wir es vor einigen Wochen ja noch erleben konnten. — Sie schütteln -den Kopf über den „guten Willen"? Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Am 18. April vorigen Jahres wurde der Schumanplan in Paris nach wochenlangen schwierigen Verhandlungen paraphiert. Ganze 15 Tage davor — der Inhalt des Schumanplans war ja damals bekannt, und die Auswirkungen des Schumanplans, die Sie heute
so loben, waren ja auch bekannt —, wurde aber das Dreimächteabkommen über die „Industriekontrollen" geschaffen.
In den letzten zwei Jahren — und seit dieser Zeit läuft die ganze Debatte über die stärkere Heranziehung Deutschlands auf allen Gebieten zur Erhaltung des Westens — hat es so unendlich viele Gelegenheiten gegeben, uns zu zeigen, daß man es gut mit uns meint und daß man uns fördern und nicht drücken will, daß wir heute trotz aller gegenteiligen Beteuerungen nicht daran glauben können, daß sich dieses alles nun binnen Wochenfrist geändert hat und daß man nun überall keinen sehnlicheren Wunsch hat, als uns freundlich gegenüberzutreten und uns Möglichkeiten zu erschaffen.
Meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag hat den Schumanplan am 12. Juli dieses Jahres in erster Lesung behandelt. Noch nachdem dies geschehen ist, haben die Alliierten uns durch das Sicherheitsamt Maßnahmen auferlegt, die mit Form, Inhalt und Geist eben dieses Schumanplans überhaupt nicht zu vereinbaren sind.
Es kann mir, niemand erzählen, die Leute, die auf dem Sicherheitsamt in Koblenz sitzen, seien derart weltfremd, daß sie vom Schumanplan und dessen Tendenzen noch nichts gehört hatten, als sie diese Entscheidungen gegen uns trafen.
Ich könnte noch zahlreiche solcher Beispiele anziehen. Ich habe bereits gesagt, daß der Schumanplan gegenüber dem bisherigen Zustand in sachlicher Beziehung einen Fortschritt bedeutet.
Er bringt aber eines nicht, Herr Kollege Müller: Er bringt nicht die Gleichberechtigung Deutschlands, die absolute Voraussetzung ist, wenn man ein Europa zu schaffen gedenkt, das den Anforderungen gewachsen ist, die eines Tages an dieses Europa gestellt werden können.
Des weiteren sehen wir in den Konzessionen, die wir in diesem Schumanplan machen, eine erhebliche Präiudizierung der Dinge, die noch vor uns stehen. Wir geben mit dem Schumanplan eines unserer wesentlichsten wirtschaftlichen Kapitalien aus der Hand. Demnächst sollen wir im Zuge der Beratung des Pleven-Plans dann unser Menschenpotential aus der Hand geben, und zum Schluß sollen wir dann Generalverträgen gegenübergestellt und als Mann des zweiten. Gliedes in den Atlantikpakt hineingesteckt werden. Meine Damen und Herren, auch hierzu haben sich die Franzosen vor einigen Tagen sehr präzise und klar geäußert.
Die Entwicklung, die die Regierungskoalition mit dem Schumanplan offenbar eingeleitet sieht, verläuft logischerweise doch so: Schumanplan, Pleven-Plan, Europa, dieses Europa dann in den Atlantikpakt hinein und Deutschland gleichberechtigter Partner eben dieses Atlantikpaktes. Sie erinnern sich doch hoffentlich an das Geschrei, das in Frankreich erhoben worden ist, als der Staatssekretär Hallstein vor vierzehn Tagen diesen völlig logischen Gedankengang einmal öffentlich aussprach.
Meine Damen und Herren, man möchte uns — und das scheint uns --- —
— Nein, Sie können mich nicht unterbrechen.
Man möchte uns — und das ist vom rein verhandlungstechnischen Standpunkt der a n d e r en aus gesehen, zweifelsfrei richtig — sukzessive unsere großen Pluspunkte einzeln aus der Hand nehmen, um uns dann, nachdem wir diese Dinge aus der Hand gegeben haben, leicht einzukassieren.
— Jetzt werde ich Ihnen sagen, was wir wollen.
— Warum aha?
Meine Damen und Herren, zunächst muß, ich in wenigen Sätzen noch den Antrag begründen, den wir eingebracht haben und der vor Ihnen liegt. Ich habe eingangs gesagt, daß man Form und Inhalt des Vertrags zustimmen könnte, wenn man nicht wüßte, daß die andern ihn andersherum handhaben wollen. Wir schlagen deswegen vor, den Art. I des Vertrags — die Sozialdemokratie bringt einen noch weitergehenden Antrag — —
— In diesem Punkt sind wir uns einig. Es tut in diesem Fall gar nichts zur Sache, wenn zwei politische Richtungen, die sonst wenig miteinander gemein haben, hier nun einmal sachlich einer Meinung sind.
Meine Damen und Herren, wir wollen den Zusatz in Art. I haben, daß der Vertrag von der Bundesregierung nur dann rechtskräftig vollzogen werden kann, wenn die in ihm vorgesehene Geltungsdauer auf höchstens zehn Jahre herabgesetzt wird und wenn — von jedem einzelnen Vertragspartner ein-leitbar — Revisionsverfahren zugelassen sind. Nun sagen Sie, damit lehnen wir also diesen Vertrag ab. — Jawohl! Wenn Deutschland aber diese Revisionsmöglichkeit hätte, läge kein Grund für die Ablehnung des sonstigen Vertragswerkes mehr vor.
Meine Damen und Herren, es ist in den vorhergehenden Stunden dieser langen Debatte das Wort von Europa zahllose Male hier gebraucht worden. Wir sehen in diesem vor uns liegenden Vertragswerk einen Versuch, die trostlose Lage' Europas zu verbessern.
— Sie sagen: Den ersten vernünftigen Versuch. Wir sehen in dem uns vorliegenden Vertragswerk aber keine Möglichkeit, die grundsätzlichen Schwierigkeiten zu beheben, die hier bei uns vorhanden sind.
Auf das Problem der Auswirkungen einer Ratifizierung des Schumanplans auf den Osten will ich jetzt noch nicht eingehen; es gehört nicht in diesen Zusammenhang. Aber eins sollte festgehalten werden: Es ist ausgeschlossen, ein Europa mit dem Ziel zu bauen, es widerstandsfähig zu erhalten gegenüber der Gefahr, die uns allen droht, wenn man gleichzeitig dem Lande, das am meisten von dieser Gefahr bedroht ist und am `meisten unter der Auswirkungen des letzten Krie-
ges zu leiden hat, die Beseitigung der Schäden dieses letzten Krieges — eben durch eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Position — derart erschwert. Und das ist in diesem Vertrage für die nächsten Jahre ohne weiteres gegeben. Herr Kollege Etzel, Sie mögen recht haben, wenn Sie sagen, daß diese Sachen in fünf Jahren, wenn die gegenwärtigen Mangellagen usw. nicht mehr vorhanden sind, anders aussehen können.
Ich bin der Auffassung, wir müssen unsere Produktion noch ganz erheblich ausweiten, nicht zuletzt deswegen — —
— Wie ich es machen will? Das werde ich Ihnen sagen. Nur ein kleines Beispiel, Herr Kollege; hören Sie einen kleinen Moment her: Es ist geradezu jämmerlich, wenn man von Produktions- ausweitungen redet und dann sagt: zunächst einmal müssen wir unsere Kohlenförderung ordentlich steigern, um dann ein Investitionshilfegesetz zusammenzuschustern, das die lächerliche Summe von einer Milliarde DM auf die Beine stellen soll. Das ad eins.
Die Notwendigkeit einer Ausweitung unseres Industrievolumens kann doch schon deswegen nicht bestritten werden, weil — wie auch Sie wissen — es in Deutschland noch Hunderttausende von Menschen gibt, die nicht auf Grund irgendwelcher konjunktureller Auswirkungen arbeitslos sind, sondern deswegen, weil sie seit Beendigung dieses Krieges überhaupt noch keinen richtigen Arbeitsplatz gehabt haben; es müssen vielmehr erst welche geschaffen werden.
— Doch, das ging aus dem Generaltenor Ihrer Äußerungen zweifelsfrei hervor,
um so mehr, wenn Sie mir sagen: Ist es denn möglich, ist es denn notwendig, die Produktion zu erweitern?
— Nein! Die ganze Situation wird sich für uns
— für Sie auch nicht, Herr Schütz — nach unserer Auffassung nicht bessern, wenn man uns, Deutschland, zu dem auch Sie gehören, Herr Schütz,
nicht die Möglichkeiten läßt, unsere Dinge hier in einer Art zu regeln, wie sie auf Grund der Besonderheiten geregelt werden müssen, die sich aus den Kriegsauswirkungen ergeben, denen andere nicht unterliegen. Herr Kollege Schütz, Sie, der Sie im Vertriebenenausschuß und im Lastenausgleichsausschuß tätig sind, wissen j a ein besonderes Lied davon zu singen, wie dringend notwendig es ist, daß gerade auf diesem Gebiet neue Möglichkeiten der wirtschaftlichen Betätigung geschaffen werden. Diese Ausweitung unseres Feldes, auf dem wir uns wirtschaftlich betätigen können, läuft aber — und das ist in der französischen Kammer die Generallinie gewesen — den Interessen Frankreichs einigermaßen entgegen.
Wenn Sie meine Redezeit mit denen meiner Vorredner vergleichen, z. B. mit den kommunistischen Filibustern, komme ich noch einigermaßen gut dabei weg.
Zum Schluß folgende Feststellung: Dem Vertrag, wie er hier vorliegt, können wir unsere Zustimmung nicht geben.
Wir hoffen, daß Sie dafür unserem Abänderungsantrage zustimmen, der uns die Möglichkeit öffnet, aus diesem Konzept in dem Augenblick auszuscheiden, wo wir feststellen, daß es für uns nicht zu verantworten wäre.
Herr Abgeordneter von Thadden! Ich darf vielleicht bitten, im Verlauf der Debatte freundlichst noch einmal zu überlegen, ob Ihr Antrag nicht eine Abänderung des Vertrags beinhaltet und damit nach der Geschäftsordnung unzulässig ist.
Meine Damen und Herren! Nach einer Vereinbarung, die unter den Fraktionen zustandegekommen ist, rufe ich jetzt die drei Gruppen, die wir weiterhin vorgesehen hatten, gemeinsam auf in der Hoffnung, daß sich dadurch eine Konzentration der Debatte ergibt, an der wir hoffentlich alle ein gemeinsames Interesse haben. Und zwar bitte ich, jetzt
die sozialpolitischen Fragen,
die Rechtsfragen und
die allgemeinpolitischen Fragen
zu erörtern.
Ich darf — damit Sie wissen; welchen Erlebnissen Sie entgegengehen — die im Augenblick vorhandene Rednerliste bekanntgeben. Es sind die Herren Abgeordneten Albers, Birkelbach, Harig, Grundmann, Heix, Professor Dr. Wahl, Dr. Veit, Dr. von Merkatz, Schoettle, Fisch, Dr. Kreyssig, Fürst zu Oettingen-Wallerstein, Dr. Mommer, Wehner, Dr. Tillmanns, Dr. Hasemann, Erler, Euler, Dr. Richter, Hedler, Professor Dr. Schmid, Dr. Semler. — Meine Damen und Herren, wir sehen also einer bewegten Nacht entgegen, und ich bitte Sie, sich darauf einzurichten.
Das Wort hat der Abgeordnete Albers. -
Meine Damen und Herren! Als der Bundestag am 12. Juli vorigen Jahres über den Schumanplan debattierte, konnte man mit Recht eine Reihe von Vorbehalten machen. Als Voraussetzung für die Beteiligung der Bundesrepublik an der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl mußte insbesondere die Aufhebung der Bestimmungen des Besatzungsstatuts gefordert werden, die eine Belastung für die deutsche Wirtschaft bedeuteten. Diese würden die Bundesrepublik zu einem Partner minderen Rechts gemacht haben. Bindende Zusicherungen der Besatzungsmächte über die Aufhebung dieser Bestimmungen lagen damals noch nicht vor. Die Zustimmung zum Schumanplan mußte deshalb davon abhängig gemacht werden, daß die Bundesrepublik als gleichberechtigtes Glied der neuen Gemeinschaft anerkannt wurde.
Inzwischen sind die notwendigen Folgerungen gezogen worden. Die bindenden Zusagen über die Aufhebung des Ruhrstatuts und der Produktions-
beschränkungen bei Eisen und Stahl liegen vor. Die Ruhrbehörde wird im Zuge der Durchführung des Schumanplans ihre Funktionen einstellen. Das Ruhrstatut wird mit der Errichtung des gemeinsamen Marktes für Kohle enden. Die Produktionsbeschränkung bei Eisen und Stahl fällt mit dem Inkrafttreten des Schumanplans fort. Nun bleibt uns, nachdem diese entscheidenden Voraussetzungen erfüllt sind, nichts anderes zu tun, als dem Schumanplan die Zustimmung zu geben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Haltung Frankreichs zum Schumanplan mag von verschiedenen Motiven bestimmt sein. Man darf aber doch wohl die Entscheidung der französischen Nationalversammlung als eine eindrucksvolle Willenskundgebung des französischen Volkes werten. Es gilt, nicht nur mit Worten, sondern durch die Schaffung ganz konkreter dauernder Gemeinschaftsbeziehungen zwischen beiden Völkern eine jahrhundertelange Zeit nationaler Gegensätze beenden zu helfen.
Ich meine, daß die dargebotene Hand nun unsererseits ergriffen werden sollte. G e m e i n s am sollten ,Deutschland und Frankreich den Weg in eine bessere europäische Zukunft gehen.
Große Teile, insbesondere die breiten Schichten unseres Volkes sind sicherlich der Auffassung, daß man das Wagnis, das mit einem solchen Schritt verbunden ist, auf sich nehmen sollte. Die Bedenken gegen manches, was in dem Vertragswerk enthalten ist, oder auch was in ihm nicht enthalten ist, müssen wir zurückstellen gegenüber dem großen wirtschaftlichen und politischen Ziel, dem der Schumanplan dienen soll. Gerade die Arbeiterschaft — und ich möchte hier insbesondere von der christlichen Arbeiterschaft des Bundes und der in der Christlichen Gewerkschaftsinternationale zusammengeschlossenen Arbeiterschaft Westeuropas sprechen — ist aufgeschlossen für eine europäische Lösung wirtschaftlicher und politischer Probleme. Die Arbeiterschaft war eine der ersten Schichten unseres Volkes, die über die nationalen Grenzen hinausgesehen hat. Sie hat durch ihre jahrzehntelange Zusammenarbeit mit ihren Kameraden in den internationalen Gewerkschaftsverbänden der Erkenntnis Ausdruck gegeben, daß das Schicksal der arbeitenden Volksschichten nur in einer großen übernationalen Gemeinschaft auf die Dauer gesichert werden kann. In ihr ist das Bewußtsein lebendig, daß es einem Volke nicht gut gehen kann, wenn es dem anderen schlecht geht. Darum wurde durch die internationale Gewerkschaftsbewegung, sei es die Freie oder die Christliche Gewerkschaftsinternationale, stets der Gedanke der Solidarität und der Zusammenarbeit der Völker als Voraussetzung für eine bessere gesellschaftliche Ordnung vertreten.
Meine verehrten Damen und Herren, die Arbeiterschaft ist nicht durch die Vorurteile gehemmt, die bisher eine europäische Völkergemeinschaft verhindert haben. In ihr lebt der Wille zu einer besseren gesellschaftlichen Ordnung, die nicht nur günstigere Lebensbedingungen bringen, sondern vor allen Dingen auch den Frieden zwischen den Völkern sichern soll. So war die Arbeiterbewegung Vorkämpferin für eine Ordnung, der wir nun Schritt für Schritt näherzukommen uns bemühen. Wenn es nach dem Willen der internationalen freien Gewerkschaften und der Christlichen Gewerkschaftsinternationale gegangen wäre, dann hätten Völkerverständigung und Frieden schon vor Jahrzehnten in Europa eine Heimstatt gehabt. Und nach diesem zweiten schrecklichen Kriege haben die freien und christlichen Gewerkschaften Europas nicht gezögert, uns die Hand zur Versöhnung zu reichen. Das geschah lange bevor andere Kreise sich zu einem Gespräch bereit fanden.
In diesem Geiste der Versöhnung und der Bereitschaft zu einem neuen Europa haben die internationalen Gewerkschaften ihr Ja zum Schuman-plan gesprochen. Ich darf erinnern an die Erklärung des Generalsekretärs des Internationalen Bundes der Freien Gewerkschaften Oldenbroek, an die Entschließung des zweiten Weltkongresses des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften, an die Stellungnahme der Christlichen Gewerkschaftsinternationale und schließlich auch an die Erklärung des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Die berechtigten Vorbehalte, die der Deutsche Gewerkschaftsbund machte, dürften meines Ermessens im wesentlichen als behoben gelten. Es sind in den letzten Stunden von den einzelnen Rednern die verschiedensten Zitate vorgebracht worden, und ich komme auch in die Versuchung, in diesen Zitatensack hineinzugreifen; aber ich erliege ihr nicht. Ich nehme an, daß diese Entschließungen und Meinungsäußerungen der internationalen Gewerkschaftsverbände und ihrer maßgeblichsten Führer den Mitgliedern des Hohen Hauses genügend bekannt sind.
Meine verehrten Damen und Herren, jetzt gilt es, hier die notwendige Entscheidung zu fällen, damit die Grundlagen dafür gelegt werden können, daß Europa wirtschaftlich, sozial, politisch und geistig neu geordnet wird. Es muß ein Anfang gemacht werden in Richtung auf die europäische Einheit. Freiheit und Frieden und das Wohlergehen der Völker sind nur um diesen Preis zu haben. Europa muß jetzt geschaffen werden, damit es ein Schutzwall für Freiheit und Menschenrechte sein kann. Wir müssen mehr Glauben haben an die Kräfte der Entwicklung und unseres guten Willens. Ich glaube jedenfalls, daß die Verwirklichung des Schumanplans das Zusammengehörigkeitsbewußtsein und die Gemeinschaftsverantwortung in Europa stärken wird. Ich möchte nicht mit dem Pessimismus des Kollegen Henßler an die Entscheidung über den Schumanplan herangehen. In NordrheinWestfalen hat er mit seinen Kollegen der SPD des Landtags von Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den anderen Parteien, auch mit den Männern und Frauen der CDU, um eine gerechtere Behandlung der Wirtschaft an Rhein und Ruhr seit 1946 gekämpft.
Ich erinnere mich immer wieder der leidenschaftlichen Hingabe, mit der der Kollege Henßler im Kampf um die Behebung der Demontagegefahren seinen Mann gestanden hat. Aber ich glaube im Gegensatz zu ihm, daß durch den Schumanplan alle die Gefahren, die auch jetzt noch der deutschen Wirtschaft drohen, behoben werden. Ich glaube, daß durch die mit dem Schumanplan geschaffenen Freiheiten für unsere Wirtschaft auch die wirtschaftlichen Rückstände aufgeholt werden können. Bei einer Fortdauer der Ruhrbehörde und des Ruhrstatuts sind in jedem Fall Gefahren gegeben, und gerade vom sozialen Standpunkt aus muß es begrüßt werden, daß diese Gefahren für unsere Wirtschaft beseitigt werden.
Meine Damen und Herren, wie alles Menschenwerk, so ist auch der Schumanplan sicherlich nicht vollkommen. Das Ideal wird in unserer Welt nie Wirklichkeit werden. Aber einem Ideal sollte man zustreben. Wir sollten uns immer wieder bemühen, aus dem Guten das Bessere zu machen.
Wir machen mit dem Schumanplan einen Anfang, die Aufgabe derer, die nach uns kommen, wird es sein, ihn zu verbessern und weiter zu entwickeln. Wir aber haben den Grundstein zu legen, auf dem weitergebaut werden kann. Die Kräfte der wirtschaftlichen und politischen Vernunft werden da, wo es nötig ist, schon bessere und weiterentwickelte Formen des Zusammenlebens und des Zusammenwirkens der Völker schaffen, wenn erst einmal ein Anfang gemacht wird.
Gewiß ist der Fragenkomplex, der in dem alliierten Gesetz Nr. 27 zusammengefaßt ist, noch in einer Weise zu regeln, die unseren Bedürfnissen entspricht. Mit dem Antrag der Regierungskoalition wird die Regierung ja beauftragt, darauf hinzuwirken, daß die Durchführung des alliierten Entflechtungsgesetzes in keiner Weise die Gleichheit der Produktions- und Absatzbedingungen zuungunsten Deutschlands beeinträchtigt. Weiter ist in diesem Antrag gefordert, daß Investitionen zur Wiederherstellung der durch die Demontagen herbeigeführten Kapazitätsminderungen, z. B. bei der August-Thyssen-Hütte und in Watenstedt-Salzgitter, gesichert werden.
Meine verehrten Damen und Herren, unsere Ausgangsposition in den Auseinandersetzungen, die über diese Punkte noch zu führen sind, kann aber nach meinem Ermessen nur besser werden, wenn wir unseren Willen zur Zusammenarbeit im Rahmen der neuen Gemeinschaft für Kohl& und Stahl unter Beweis gestellt haben.
Es besteht daher meines Erachtens kein Grund, die Zustimmung zum Schumanplan hinauszuschieben. Im Gegenteil, wir haben ein vitales Interesse daran, daß der Kohlenbergbau und die Eisenindustrie baldigst auf den höchsten Leistungsstand gebracht werden. Die eisenschaffende Industrie ist in ihrer technischen Ausrüstung überaltert. Der Kohlenbergbau bedarf einer großzügigen technischen Ausrüstung. Mit dem Gesetz über die Investitionshilfe haben wir einen Anfang gemacht; weitere Anstrengungen werden gemacht werden müssen. Der Schumanplan gibt sicherlich aber auch der deutschen Kohlen- und Eisenindustrie eine neue Chance, in der technischen Vervollkommnung mehr als bisher zu tun.
Meine verehrten Damen und Herren, der Schumanplan begründet einen großen Wirtschaftsraum und damit die Stetigkeit der Nachfrage, die eine der Voraussetzungen für die Kreditwürdigkeit und damit für größere Investitionen ist. Die Zeit kleiner und kleinster Wirtschaftsräume muß vorbei sein.
Die nach 1919 von bekannten Volkswirtschaftlern geforderte Großraumwirtschaft wird, wenn auch 30 Jahre später, durch den Schumanplan angebahnt. Damit wird den deutschen Unternehmen und der deutschen Arbeiterschaft die Möglichkeit gegeben, im Rahmen des Leistungswettbewerbs in diesem großen Wirtschaftsraum ihre Kräfte voll zu entfalten und ihre Tüchtigkeit zu beweisen.
Ich habe bei der ersten Beratung des Gesetzes zur Ratifizierung des Schumanplans bereits die Feststellung treffen können, daß weder nach der Struktur noch nach den Zielsetzungen und den Einzelbestimmungen des Vertrags die Behauptung gerechtfertigt sei, als sei der Schumanplan ein großes internationales kapitalistisches Unternehmen. Die Vertreter in den Organen des Schumanplans sind nicht die Männer des Kapitals, sondern die Beauftragten der beteiligten Staaten und Völker. Die Arbeiterschaft wird in der Hohen Behörde nach den Erklärungen der Bundesregierung vertreten sein.
Ich darf weiter auf den Beratenden Ausschuß hinweisen, der der Hohen Behörde zur Seite steht und in vielen Fragen gehört werden muß. Mindestens ein Drittel seiner Mitglieder sind Arbeitnehmervertreter. Es ist auch bekannt, daß die 15 Arbeitnehmervertreter über die Gewerkschaftsinternationalen verteilt werden sollen, und zwar 11 für den freien Gewerkschaftsbund und 4 für die christliche gewerkschaftliche Internationale. Von Bedeutung ist weiterhin, daß Verbände von Unternehmen der Kohlen- und Eisenindustrie nur dann bei der Hohen Behörde intervenieren können, wenn sie Vertreter der Arbeiterschaft und der Verbraucher an ihren leitenden Organen ,oder an den bei diesen gebildeten Beratenden Ausschüssen' beteiligen. Die Arbeiterschaft ist also bei der Struktur des Schumanplans wohl in der Lage, ihren Einfluß geltend zu machen. Sie wird es tun in der Hohen Behörde, in der j a Vertreter der Gewerkschaften sind. Ich weiß davon, daß entsprechende Möglichkeiten gesichert sind, auch in den Gerichtshof Männer zu berufen, die dem Denken der Gewerkschaftsbewegung und der Arbeiterbewegung nahestehen und deren Vertrauen besitzen. Der Gerichtshof soll ja nicht eine Kulmination von weltfremden Juristen sein, sondern aus Männern bestehen, die das wirkliche Leben kennen und auch die Gemeinsamkeitsinteressen der europäischen Arbeiterschaft sehen.
Meine verehrten Damen und Herren, man wird deren Wünsche und Forderungen nicht überhören können. Es ist doch heute wohl allgemein anerkannt, daß ohne die Arbeiterschaft, ohne ihren Leistungswillen und ohne ihre Arbeitsfreude weder die Wirtschaft noch die Gesellschaft in Ordnung gebracht werden können. Gegen den Willen der Arbeiterschaft und erst recht gegen den Willen der Gewerkschaften wird der Schumanplan in seinem Ziel und in seinen Aufgaben nicht verfälscht werden können.
Herr Kollege Henßler hat bei der ersten Beratung des Schumanplans geglaubt, mich im Hinblick auf die Stellung der Arbeiter in dem Beratenden Ausschuß über den Unterschied von Mitberatung und Mitbestimmung belehren zu müssen. Sicherlich, mir wäre es auch lieber, wenn dem Beratenden Auschuß größere Kompetenzen und damit seinen Mitgliedern ein größerer Einfluß eingeräumt worden wäre. Aber man sollte doch nicht verkennen, daß es sich hier um einen Anfang, um etwas völlig Neues handelt, das sich in der Praxis erst erproben muß. Jedes Werk hat einen Anfang, und aus einem solchen Anfang muß sich nach und nach das Vollkommenere entwickeln.
Wie positiv die Eingliederung der Arbeiterschaft in die Schumanplan-Organisation von der Arbeiterschaft der Nachbarländer gewertet wird, mögen Ihnen die Ausführungen des stellvertretenden Generalsekretärs der christlichen Gewerkschaften
Frankreichs, Gustave Levard, Paris, zeigen. Er bezeichnete die Bestimmungen des Schumanplans als einen erheblichen Fortschritt gegenüber der jetzigen Situation und meinte, ihre Anwendung werde es der Arbeiterbewegung erlauben, ihre Erfahrungen bedeutend zu erweitern, um ihren Marsch nach vorwärts fortsetzen zu können. Er sagte:
Es ist sicher das erstemal, daß ein Text zustande gekommen ist, der den Arbeitnehmern derartige Rechte gibt, und seine Bedeutung ist um so größer, als er sich schon jetzt an sechs Staaten wendet. Dabei ist zu berücksichtigen, daß ein Präzedenzfall geschaffen ist, falls andere Verbände der gleichen Art zustande kommen. Es wird wahrscheinlich unmöglich sein, davon -zurückzugehen. In jedem Falle werden die Arbeitnehmer alles in ihrer Macht Stehende tun, damit, wenn Änderungen eintreten, dies im Sinne einer Erweiterung ihrer Rechte geschieht.
Meine Damen und Herren, der Bundestag hat im vorigen Jahre das Gesetz über die Mitbestimmung bei Kohle und Eisen beschlossen. Dieses Gesetz geht über die Regelung im Schumanplan hinaus. Es hat daher bei den Arbeitnehmern und den gewerkschaftlichen Organisationen Westeuropas weitestes Interesse gefunden. Ich darf daher wohl sagen: Was in der Bundesrepublik in den nächsten Jahren bei Kohle und Eisen praktiziert wird, ist sicherlich auch als ein Beispiel für andere Länder und andere Völker gesetzt. Es wird sich erweisen müssen, inwieweit die Vertreter der Arbeiterschaft mit den Vertretern des Kapitals menschlich und sachlich verantwortlich zusammenzuwirken vermögen. Trotz aller pessimistischen Äußerungen, die ich hier und da in einer gewissen Tendenzpresse lesen konnte, glaube ich daran, daß das Mitbestimmungsrecht sich im guten Sinne entwickeln wird. Ich bin davon überzeugt, daß das Mitbestimmungsrecht in der Wirtschaft auch leistungssteigernd wirkt. Wenn das geschieht, wird das Mitbestimmungsrecht auch in den übrigen Ländern in irgendeiner Form Anwendung finden. Diese Tatsache wird dann jedenfalls auch in dem Beratenden Ausschuß der Schumanplan-Organisation mit Folgewirkungen verbunden sein. Sowohl die Befugnisse des Beratenden Ausschusses als mich die Aufgaben und Rechte der Versammlung der Schumanplan-Organisation werden im Laufe der Zeit sicherlich erweitert werden.
Aber auch in bezug auf die Arbeitsbedingungen und die Sozialpolitik im allgemeinen hat Deutschland die Pflicht, in der neuen europäischen Gemeinschaft anregend und führend zu wirken. Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten gerade auf dem Gebiet der Sozialpolitik bahnbrechend gewirkt. Heute haben manche unserer Nachbarländer aufgeholt, und wir können nun in manchem von ihnen lernen. Jetzt kommt es wesentlich darauf an, daß in vertrauensvoller Zusammenarbeit sozialpolitischer Fortschritt auf europäischer Basis erstrebt wird. Die steigende Zusammenarbeit der freien Völker Europas auf wirtschaftlichem Gebiet wird auch der Sozialpolitik neue Impulse geben.
Ein Land wird das andere anregen mit dem Erfolg, daß die zurückgebliebenen Länder mehr und mehr an die fortgeschrittenen angeglichen werden und schließlich das gesamte Niveau der Sozialpolitik eine Steigerung erfährt.
Der Schumanplan gibt manche Möglichkeit dazu. Er enthält eine ganze Reihe von sozialpolitischen Vorschriften zugunsten der beteiligten Arbeiterschaft. Ich darf auf das Wesentliche verweisen. Nach dem Vertragswerk werden die Fragen der Arbeitsbedingungen und der sozialen Leistungen der einzelnen Länder durch den Schumanplan nicht unmittelbar berührt. Die Hohe Behörde kann also nicht zum Schaden des sozialpolitischen Fortschritts und des sozialpolitischen Niveaus eingreifen. Dagegen hat die Hohe Behörde zum Zweck der Hebung der Löhne zu intervenieren, wenn das Lohnniveau zurückgeblieben ist. Die Hohe Behörde ist daher in der Lage und verpflichtet, einen ungezügelten Wettbewerb auf dem Rücken der Arbeiterschaft zu verhindern. Die Bestimmungen des Art. 68 des Vertrags geben der Hohen Behörde die Möglichkeit des Eingreifens zur Verhütung einer Lohndrückerei und zur Verhütung von Versuchen, Wirtschaftspolitik auf Kosten der Arbeiterschaft zu betreiben.
Ich darf weiter daran erinnern, daß für die Übergangszeit mit ihren erschwerten Bedingungen besondere Schutzmaßnahmen zugunsten der beteiligten Arbeiterschaft vorgesehen sind. So müssen durch die Hohe Behörde alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um etwa freiwerdende Arbeitskräfte wieder in den Arbeitsprozeß einzugliedern. Kennzeichnend für die sozialpolitische Zielsetzung des Schumanplans ist auch die Bestimmung, daß bei Arbeitslosigkeit infolge des technischen Fortschritts die entsprechenden Maßnahmen zu ihrer Beseitigung schnellstens ergriffen werden müssen.
Meine Damen und Herren! Ich habe im Laufe der letzten Monate die Fragen und Probleme, die mit dem Schumanplan zusammenhängen, ernstlich überprüft. Auch ich bin mit einer gewissen Skepsis an die Dinge herangetreten. Ich mußte mich aber davon überzeugen, daß die Schumanplan-Organisation eindeutig einer sozialen Verpflichtung unterstellt ist. Nach Art. 2 des Vertrags ist das Ziel des Schumanplans, die Wirtschaft auszuweiten, die Beschäftigung zu steigern, die Lebenshaltung zu heben, die Erzeugnisse rationeller zu verteilen, die Unternehmen auf einen höchsten Leistungsstand zu bringen und Wirtschaftsstörungen und Arbeitslosigkeit zu verhüten. Die Schumanplan-Organisation hat die Verpflichtung, zugunsten der Arbeiterschaft zu intervenieren, wenn sich der Schumanplan irgendwie ungünstig auf Beschäftigungslage und Lebensstandard der Arbeiterschaft auswirken sollte.
Meine Damen und Herren! Ich meine, uns ist es ja schon mehr als einmal aus beredtem Munde hier vorgetragen worden, daß wir nicht allzu sehr beim Gestrigen und Heutigen stehenbleiben sollten; wir sollten an das Morgen und an das denken, was übermorgen ist.
Das, was sich zeigt, ist der Wille der Völker zur Zusammenarbeit. Es ist der Wille zur Sicherung des Friedens. Es ist die Tatsache, daß die fleißigen Menschen in den Gruben, in den Fabriken und an der Werkbank größere soziale Sicherheit und einen ruhigeren Lebensabend haben möchten.
Es ist die Sehnsucht aller Menschen, in Freiheit zu leben und sich frei entfalten zu können.
So ist der Schumanplan keine Angelegenheit, die nur vom Wirtschaftlichen aus gesehen werden kann.
Er ist auch das Fundament zu neuen politischen Möglichkeiten in einer freieren, sozial gestalteten Lebensordnung.
Jahrzehntelang haben wir in der internationalen christlichen Arbeiterbewegung darum gerungen, und so soll unser Ja zum Schumanplan auch ein Ausdruck des Willens zu einem noch engeren Zusammenstehen in der Zukunft sein. Ich möchte mit dazu beitragen, daß der deutschen und der europäischen Arbeiterschaft die Möglichkeiten gegeben werden, die ich vor 1914 ausnutzen konnte. Ich bin damals, im Jahre 1912, durch Europa gewandert. Mein Weg führte mich über Holland, Belgien, Frankreich, das Elsaß nach Österreich. Keine Anmeldeformulare, keine Paßvorschriften, keine Polizeischikanen haben meinen Weg gehindert.
Ich idenke gern an diese Zeit zurück. Diese Freizügigkeit müßte heute der Gesamtheit der europäischen Menschen gesichert werden.
Meine verehrten Damen und Herren! Der Schumanplan gibt diese Freizügigkeit vorerst freilich nur den Stahl- und Bergarbeitern. Das kann aber nur ein Anfang sein. Sie auf alle auszudehnen, müßte das Ziel weiterer Abmachungen und Vereinbarungen werden. Ich meine, nicht. dadurch, daß man von einer europäischen Gemeinschaft redet, wird sie Wirklichkeit; auch nicht dadurch, daß man Bedingungen stellt, die aus irgendwelchem Mißtrauen geboren sind. Man schafft eine neue Gemeinschaft nur, wenn man eine Vertrauensbasis geistiger, persönlicher und sachlicher Art schafft.
Abg. Bausch: Sehr richtig!)
Dazu soll ja der Schumanplan besonders beitragen.
Wenn ich in der Beratung vom 12. Juli für meine Fraktion, für die christliche Arbeiterschaft Deutschlands sowie für meine Freunde in der Christlichen Gewerkschaftsinternationale ein positives Ja zur Vorlage fand, so möchte ich heute dieses Ja mit noch stärkerem Nachdruck aussprechen.
Ich glaube, durch unser positives Ja haben wir unserem Volke, den arbeitenden, fleißigen Menschen, haben wir auch Europa und der Menschheit einen Dienst erwiesen.
Das Wort hat der Abgeordnete Birkelbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Diskussion über die sozialpolitischen Aspekte des Schumanplans ist von den Befürwortern immer wieder auf Art. 3 e) hingewiesen worden. Dort heißt es:
Die Organe der Gemeinschaft haben ... auf eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter hinzuwirken.
Das liest sich recht schön. Wenn man aber die einzelnen Bestimmungen des Vertrags, die sich mit sozialpolitischen Fragen befassen, genauer ansieht, dann spürt man, daß gerade das konzediert und festgelegt worden ist, was von der öffentlichen Meinung in allen fortschrittlichen Ländern als eine selbstverständliche Mindestleistung seit langem anerkannt ist. Man kann hier nicht so tun, als ob mit der Abfassung der sozialpolitischen Bestimmungen im Schumanplan so etwas wie eine neue Ära eingeleitet worden sei. Hier. ist gerade eine Mindestforderung angesprochen worden, deren Erfüllung nahezu nirgends eine unmittelbare Verbesserung für die betreffenden Arbeitergruppen bedeutet.
Zunächst möchte ich auch noch ein wenig auf das eingehen, was Herr Kollege Albers eben gesagt hat, wobei er meiner Auffassung nach doch ein wenig zu optimistisch davon sprach, welchen Anteil die Arbeitnehmervertretung in den SchumanplanOrganen und bei deren Beschlüssen haben würde. Der hauptsächlichste Ausschuß, der hier in Frage kommt — das dürfte der Beratende Ausschuß sein —, entspricht seiner Zusammensetzung nach längst nicht dem, was wir z. B. als .die Erfüllung der Forderung auf Mitbestimmung betrachten würden. Darüber hinaus ist es klar: Die Vollmachten, die diesem Organ zugestanden worden sind, beginnen und enden doch praktisch damit, daß die Hohe Behörde das Recht und manchmal auch die Pflicht hat, diesen Ausschuß anzuhören. Ich möchte sagen, diese Art, eine Mitbestimmung zu vertreten, ist vielleicht dort noch gerechtfertigt, wo es keine starke, selbstbewußte Arbeiterbewegung gibt, die wirklich auf die Zustimmung der Massen zählen kann.
Eines möchte ich herausstellen: Wir haben in Deutschland nach 1945 eine Arbeiterbewegung entstehen sehen, die ihre Aspirationen und ihre Ansprüche ein wenig höher spannt als das, was hier zugestanden worden ist.
Darum möchte ich gleich anschließend etwas weitergehen und sagen: Was bedeutet es, wenn man davon spricht, daß in der Hohen Behörde auch die Gewerkschaften vertreten sein werden? Das bedeutet, man hat sich darauf geeinigt, beim Beginn der Tätigkeit der Hohen Behörde eine Gewerkschaftspersönlichkeit mit hereinzunehmen, ohne daß irgendwelche Garantien dafür vorhanden sind, daß das auch eine Dauerlösung sei oder .daß das eventuell ausgeweitet würde. Bitte, meine Damen und Herren, wir müssen uns an die Tatsachen halten. Wir haben den Verdacht, daß man hier manchmal dann etwas konzediert, wenn man sich über die wirkliche Machtverteilung von vornherein klar ist.
Die Hohe Behörde hat nun verschiedene Aufgaben zugewiesen bekommen. Wir sehen dabei u. a. auch eine gewisse Vollmacht, sozialpolitische Maßnahmen mehr oder weniger unmittelbar einzuleiten. Dabei ist es nun so: niemand hätte von vornherein den Gedanken haben können, daß z. B. ein unmittelbares Recht auf Lohnsenkung hätte zugestanden werden können. Das ist auch nicht geschehen. Im Gegenteil, man hat der Hohen Behörde die Vollmacht gegeben, darauf hinzuwirken, daß Dumping-Löhne unterdrückt und überwunden werden können. Wir glauben, daß das eine der Selbstverständlichkeiten ist, von denen ich ge-
sprochen habe. Ich möchte sagen, wenn es bei dieser Art von Mindestbestimmungen, von Minimalgrenzen nach unten geblieben wäre, dann wäre wenig zu dem zu bemerken, was hier sonst an Sozialpolitik in Frage steht. Es ist aber doch so, daß z. B. im Art. 68 unter Hinweis auf den Zusammenhang mit dem Art. 67 des Vertrags Möglichkeiten eröffnet sind, die wir als alles andere denn als günstig für die Arbeitnehmer bezeichnen können.
Wenn auch heute in dieser Debatte und gestern in der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers dargelegt worden ist, daß die Hohe Behörde kein unmittelbares Recht habe, Anweisungen z. B. auf dem Gebiet der Sozialversicherung zu geben, so müssen wir doch festhalten, daß die Bestimmungen, die sich im Art. 68 finden, immerhin eine Einwirkung auf die Bewegungsfreiheit, auf die Freiheit der Gesetzgeber überhaupt und auch auf die Freiheit der Lohnpolitik seitens der Tarifvertragspartner bedeuten. Es heißt in Art. 68 unter Ziffer 5:
Falls in einem der Mitgliedstaaten eine Änderung der Vorschriften über die Finanzierung der Sozialversicherung oder der Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und ihrer Wirkungen oder eine Änderung der Löhne die in Artikel 67 Paragraphen 2 und 3 genannten Wirkungen hat, kann die Hohe Behörde die Vorschriften jedes Artikels anwenden.
Die Vorschriften des Art. 67 geben der Hohen Behörde die Vollmacht, dann, wenn gewisse Maßnahmen schädliche Auswirkungen auf die Kohle-und Stahlindustrie innerhalb oder außerhalb der Hoheitsgebiete haben, eine Empfehlung an die betreffende Regierung zu richten, Ausgleichsmaßnahmen zu verfugen. Was bedeutet das? Das bedeutet doch, daß man in den betreffenden Ländern bei der Neugestaltung der Sozialversicherung z. B. oder bei Lohnverhandlungen davon Kenntnis hat, daß spätere Möglichkeiten bestehen, wonach die Regierung etwas unternehmen muß. Das bedeutet doch: Bereits im vorbereitenden Stadium, im Stadium der Verhandlungen, der Ausschußberatungen und wie Sie es sonst nennen wollen, wird diese Möglichkeit im Auge behalten, so daß das doch die Freiheit des Gesetzgebers beeinträchtigt. Weil das so ist, glaube ich, kann man nicht ohne weiteres davon sprechen, daß die Bedenken, die im Bundesrat in bezug auf die Beeinträchtigung, die Behinderung einer Sozialversicherungsreform oder auch die Behinderung der Tarifvertragsfreiheit aufgetaucht sind, durch den Text dieses Vertrags widerlegt sind.
Ich weiß, daß Sie bei all dem vielleicht noch darauf hinweisen, daß ja der Herr Bundeskanzler einen doppelten Grund angeführt hat, warum anscheinend für Deutschland die Frage der Maximalbegrenzung von möglichen Sozialleistungen nicht eine große Rolle spielen würde. Er hat gesagt, unsere geologischen Verhältnisse und die Tatsache, daß wir im Vergleich mit anderen Ländern nicht an der Spitze liegen, bedingten, daß wir noch ein ziemliches Feld vor uns hätten. Eben weil wir in Deutschland der-Auffassung sind, daß die Arbeiterbewegung und nicht zuletzt auch die Sozialdemokratische Partei eine Zukunft haben, und weil wir wissen, daß die Sozialleistungen in Deutschland längst nicht dem entsprechen, was bei einer entsprechenden Wirtschafts und Finanzpolitik möglich gemacht werden könnte, deswegen glauben wir, daß wir uns nicht für 50 Jahre hier sozusagen eine Obergrenze in unserem eigenen Haus ziehen lassen sollten.
Das ist ein Punkt, der einer näheren Betrachtung durchaus wert ist; es gibt aber sicherlich noch eine Reihe von anderen Punkten. Dabei spielt das eine Rolle, was wir bereits über die Möglichkeiten dargelegt bekommen haben, daß 'die Hohe Behörde z. B. Beihilfen dann gewähren kann, wenn infolge von Standortverlagerungen Erwerbslosigkeit, Betriebsstillegungen oder Betriebseinschränkungen in Frage kommen. Wir sind der Auffassung, daß gerade infolge der verschlechterten Startbedingungen für Deutschland und infolge anderer Dinge, die wir heute angesprochen haben, durchaus die Gefahr gegeben ist, daß derartige Standortverlagerungen in einem gewissen Umfange eintreten. Wir meinen, daß das, was im Schumanplan selbst als Unterstützung für die Arbeitnehmer festgelegt ist, längst nicht dem entspricht, was man gerechterweise verlangen könnte. Die Beihilfen, die z. B. gewährt werden, um eine Wiedereinstellung abzuwarten, eine Beihilfe zu den Umschulungskosten, zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes usw. — Beihilfen, die übrigens nur unter der Voraussetzung gewährt werden, daß ein gleich hoher Betrag von den Regierungen zur Verfügung gestellt wird —, diese Beihilfen sind nicht genügend, um das zusätzliche Risiko abzudecken, das die Arbeitnehmer in Wirklichkeit hier eingehen. Ich möchte Ihnen ein Beispiel dafür geben. Wenn jemand heute in irgendeinem Betrieb z. B. der Stahlindustrie beschäftigt ist und das Alter von 50 oder 55 Jahren erreicht hat, rechnet er mit ziemlicher Sicherheit damit, daß er zu der kärglichen Sozialversicherungsrente 'zusätzlich noch eine Werkspension bekommt. Viele von diesen Menschen würden es überhaupt als unerträglich ansehen müssen, wenn ihnen dieser vermeintliche Anspruch, der zum Teil nicht einmal rechtlich gesichert ist, sondern sich aus der Gewohnheit und aus der langjährigen Übung ergibt, irgendwie entzogen werden oder entgehen könnte. Bieten Sie einem Arbeitnehmer in diesem Alter eine besser bezahlte Stellung an, eine Stellung, in der er vielleicht sogar weniger körperlichen Anstrengungen unterliegt, so werden Sie die Erfahrung machen, daß er es trotz besserer Stundenbezahlung ablehnt, in einen anderen Betrieb zu gehen, weil er auf diese Art Versorgung nicht verzichten will.
In bezug auf diese Dinge finden Sie hier im Schumanpian nichts. Wir möchten Ihnen sagen, bei allen Verhandlungen und bei allen Betrachtungen wäre es notwendig, gerade dem Problem des Berufswechsels oder des Arbeitsplatzwechsels der älteren Arbeitnehmer besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Wir werden uns mit diesem Problem hier noch zu beschäftigen haben.
Dabei möchte ich gleich zu einem anderen Punkt übergehen, der in der Debatte auch erwähnt worden ist und hinsichtlich dessen meiner Auffassung nach von den Möglichkeiten z. B. der Freizügigkeit über die Grenzen ein etwas zu optimistischés Bild gezeichnet worden ist. In Art. 69 heißt es:
Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, jede auf
die Staatsangehörigkeit gegründete Beschränkung hinsichtlich der Beschäftigung anerkann-
ter Kohle- und Stahlfacharbeiter, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind, in der Kohle- und Stahlindustrie zu beseitigen.
Das bedeutet, daß sie in der Kohle- und Stahlindustrie unter diesen Voraussetzungen Beschäftigung finden können. Wie ist es aber, wenn nach einer gewissen Zeit infolge gewisser wirtschaftlicher Umstände eine Erwerbslosigkeit in dem betreffenden Land zu verzeichnen ist und diese Menschen dort aus den neuen Stellungen ausscheiden müssen, nicht weil sie diskriminiert werden, sondern weil auch Franzosen dabei arbeitslos werden, oder sagen wir: Belgier oder Luxemburger, je nachdem, um welches Land es sich handelt? Unter diesen Bedingungen ist längst nicht gesichert, daß z. B. den eingewanderten Kohle- und Stahlfacharbeitern das gleiche Recht wie den einheimischen Arbeitskräften zusteht, in einem andern Wirtschaftszweig Arbeit zu finden oder eine Beschäftigung anzunehmen.
Wir sind der Auffassung, daß nach der Auslegung des Vertrages, so wie er uns hier im Text vorliegt, diese Art von Interessen der Arbeitnehmer nicht geschützt ist, und wir möchten der Regierung die Aufforderung unterbreiten, gerade diesem Punkt besondere Aufmerksamkeit zu widmen und zu entsprechenden Vereinbarungen zu kommen, weil wir aus der Vergangenheit hier eine gewisse Erfahrung haben, die besonders im Falle Frankreichs allzu ungünstig ist. Wir haben feststellen müssen, daß gerade dort, wo in der Kohlenindustrie z. B. immer ein gewisser Bedarf für Fremdarbeiter vorhanden War, diese Fremdarbeiter gleichzeitig so etwas wie einen Krisenpuffer darstellten. Das heißt, daß sie, wenn ein Rückgang der Beschäftigtenziffer unvermeidlich war, zunächst einmal mit bei denen waren, die ihre Beschäftigung verloren. Darüber hinaus war es aber mehr oder weniger geübte Praxis, dafür zu sorgen, daß diese Arbeitskräfte sich in absehbarer Zeit wieder dahin orientieren konnten, woher sie gekommen waren. Wir möchten diese Art von Risiko ausschalten. Das geschieht nicht dadurch, daß man auf die gleichen Rechte z. B. in der Sozialversicherung verweist. Wir möchten vielmehr hier eine echte vertragliche Regelung haben, damit die Risiken, die derartige Arbeitskräfte eingehen, auch wirklich abgedeckt sind.
Ich möchte noch eine weitere Bemerkung machen, die von dem Grundgedanken ausgeht, daß man die Gesamtentwicklung und auch die Ansprüche, die die Arbeitnehmer stellen können, nur dann vernünftig beurteilen kann, wenn man einen wirklichen Einblick in die Zusammenhänge hat und wenn man die Möglichkeit hat, sich an Hand von konkreten Zahlen zu orientieren. Nun hat die Hohe Behörde entsprechend den Artikeln 46 und 47 des Vertrages durchaus die Möglichkeit, sich entsprechende Aufklärungen zu verschaffen, j a, sie hat sogar die Möglichkeit, eigene Nachprüfungen durchzuführen. Warum hat man nun die Möglichkeit, zum ersten Mal zu international überprüften tatsächlichen Ergebnissen zu kommen, nicht so ausgewertet, daß wirklich die Öffentlichkeit — und hierbei die Arbeitnehmer besonders — den vollen Einblick bekommt? In bezug auf die Publizitätsvorschriften finden wir dabei eine deutliche Unterscheidung. So heißt es z. B. gerade in diesem Art. 46, daß die Hohe Behörde das Recht hat, alle Untersuchungen vorzunehmen und dabei dann auch zu einer Aufstellung von Programmen zu kommen.
Dabei wird gesagt: Die Hohe Behörde veröffentlicht nach Vorlage beim Beratenden Ausschuß die allgemeinen Ziele und die Programme. — -Anschließend heißt es dann: Die Hohe Behörde kann die oben erwähnten Untersuchungen und Auskünfte veröffentlichen. Diese Auskünfte beziehen sich auf die „Beurteilung der Verbesserungsmöglichkeiten für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterschaft in den zu ihrem Aufgabenkreis gehörenden Industrien und zur Beurteilung der Gefahren . .diese Lebensbedingungen bedrohen." Mit andern Worten, was wir hier fordern müßten, ist ein echter Anspruch auf die Veröffentlichung dieser Unterlagen, wodurch die Möglichkeit eröffnet wird, endlich zu Grundlagen für eine echte übernationale Sozialpolitik, wenn Sie wollen, zu kommen. Ich glaube, daß gerade in dieser Hinsicht der Plan entscheidende Dinge unterlassen hat, daß es gerade dort Möglichkeiten gegeben hätte, nun wirklich aufzuzeigen, ob man eine fortschrittliche Politik betreibt.
Ich möchte zusammenfassend sagen: bei einer genaueren Betrachtung der sozialpolitischen Bestimmungen muß man leider feststellen, daß der Schutz der Arbeitnehmerinteressen im Bereich der Lohn-und Sozialpolitik nur ein sehr unvollkommener ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Harig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Rahmen der Debatte über den Schumanplan möchte ich mich in der Hauptsache dem Kapitel VIII, den Artikeln 68 und 69, widmen. Dieses Kapitel ist überschrieben: „Löhne und Freizügigkeit der Arbeitnehmer". Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich sage: vorn Standpunkt der Arbeitnehmerschaft ist schon diese Überschrift ein einziger großer Betrug. Es geht gar nicht um die Löhne und es geht auch nicht um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer! Sagen wir es doch ganz offen: den Herren des Schumanplans geht es um die Profite, und es geht ihnen darum, die sich immer mehr wehrende Arbeiterschaft zu versklaven.
Es ist einmal notwendig, daß im Rahmen der Unterhaltung über den Schumanplan aufgezeigt wird, welch eine Rolle der Arbeitnehmerschaft in diesem Plan zugedacht ist. Ich erkläre hier: solange für Kriegsvorbereitungen gearbeitet wird, solange gerüstet wird, gibt es keine Besserung der Lebenslage und keine Freizügigkeit der Arbeitnehmer, wenn die Monopolisten ihre Politik durchführen können. Es darf auch keiner sich der Illusion hingeben, es könnten dabei eventuell höhere Löhne herauskommen, mit einer Ausnahme: die Arbeitnehmer erkämpfen sie sich, wie sie es bisher auch tun mußten. In Wahrheit soll eine ungeahnte und ungeheuere Rationalisierung auf Kosten der Arbeitnehmer durchgeführt werden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß es Menschen gibt, die den Arbeitnehmern begreiflich machen wollen, durch die Steigerung der Produktivität sei eine Erhöhung des Lebensstandards möglich. Meine Damen und Herren, was soll denn durch die „Steigerung der Produktivität" produziert werden? Es sollen doch Kanonen, Panzer und Flugzeuge hergestellt werden, und bekanntlich kann man damit den Lebensstandard der Arbeitnehmer nicht bessern.
Die Leistungen der Arbeitnehmer liegen schon jetzt
über dem Vorkriegsniveau, die Reallöhne aber sin-
ken laufend. Wenn es die Herren des Schumanplans
0 mit der Verbesserung der Lebenslage der Arbeitnehmer ehrlich meinten, — nun, die deutschen Monopolisten hätten gewiß Gelegenheit gefunden, die Lebenslage ihrer Arbeiter zu verbessern, indem sie Lohnforderungen stattgegeben hätten, die bei den Aktienkursen, bei den ungeheueren Gewinnen doch möglich gewesen wären.
Aber das Gegenteil war doch der Fall. Um Pfennige haben die Arbeitnehmer kämpfen müssen. Es sind eine ganze Reihe von Arbeitsniederlegungen erfolgt, bloß um Pfennigsätze! Solange auf Kosten der Friedensindustrie Stahl für Kanonen hergestellt wird, solange für kostspielige Kriegspläne, wie auch der Schumanplan einer ist, die Leistungen gesteigert werden, so lange bessert sich das Schicksal der Massen nicht.
Der § 3 des Art. 68 behandelt eine Frage, die ich die Frage der „Lohnsenkungen" betiteln möchte. Wenn auch der Kollege Albers diesem Artikel, dem Art. 68, einige Vorzüge unterstellt, so gestatte ich mir, da anderer Meinung zu sein. Es heißt nämlich in diesem Art. 68:
Diese Vorschrift findet keine Anwendung
a) auf die von einem Mitgliedstaat zur Wiederherstellung seines außenwirtschaftlichen Gleichgewichts getroffenen Gesamtmaßnahmen.....,
d. h. also, die Länder, die ihre außenwirtschaftlichen Zahlungsbilanzen in Ordnung bringen wollen — und dazu gehören die Bundesrepublik und auch andere Länder —, können die Löhne senken, und auf sie finden die Maßnahmen des Art. 68 im Anfang keine Anwendung. Wenn dann unter c) gesagt wird, diese Vorschrift findet keine Anwendung „auf Lohnsenkungen, die durch eine Senkung der Lebenshaltungskosten hervorgerufen werden", na, so gestatten Sie mir, daß ich da Mißtrauen hege, denn es wird statistisch jeweils nachgewiesen werden, daß die Lebenshaltungskosten gesunken sind. Ich weiß aus der Praxis, daß man mit Statistiken alles begründen kann. Gerade in der Vergangenheit haben wir des öfteren erfahren, daß man bei steigenden Preisen statistisch eine sinkende Tendenz der Lebenshaltungskosten nachgewiesen hat. Und wenn dann unter dem Buchstaben d) davon die Rede ist, daß die Vorschrift keine Anwendung findet „auf Lohnsenkungen, die ungewöhnliche Erhöhungen berichtigen, welche sich auf Grund außergewöhnlicher, inzwischen wirkungslos gewordener Umstände früher ergeben haben", so liegt es auch nur im Ermessen der Hohen Behörde, dies festzustellen.
Abs. 4 des Art. 68 sagt dann:
Abgesehen von den unter a) und b) im vorstehenden Paragraphen erwähnten Fällen ist jede Lohnsenkung, von der die Gesamtheit oder ein beträchtlicher Teil der Arbeiterschaft eines Unternehmens betroffen wird, der Hohen Behörde zur Kenntnis zu bringen.
Was das heißt: „zur Kenntnis zu bringen", das braucht man hier wohl nicht zu erläutern. Ich glaube, „zur Kenntnis zu bringen" ist das Billigste, was man sagen konnte, genau so billig, wie es heißt, daß den einzelnen Unternehmungen Empfehlungen übermittelt werden. Empfehlungen sind billig und verpflichten zu gar nichts. Damit will man der Arbeitnehmerschaft doch nur Sand in die Augen streuen. Es ist doch gerade das Wesen der Monopole, günstige Bedingungen zur Vermehrung ihrer Profite durch Niedrighaltung der Löhne zu schaffen.
Aber nicht nur niedrige Löhne sind die Folger des Schumanplans, sondern auch große Arbeitslosigkeit wird eine Folge dieser nun einzuleitenden Maßnahmen des Schumanplans sein. Haber wir bei uns in der Bundesrepublik nicht schor genug Notstandsgebiete? Es jammert einen da$ Elend an, wenn man durch dis Gebiete hindurch fährt,
hauptsächlich an dem sogenannten Eisernen Vor-
hang vorbei, ob ich da in Wilhelmshaven anfange
und über die Arbeitslosigkeit in Hamburg nach dem
Gebiet Watenstedt-Salzgitter gehe oder in den
Bayerischen Wald komme. Überall grinst einen das
Elend in dieser Bundesrepublik an. Das muß man
sehen.
Dieses Elend wird durch die Vorhaben des Schumanplans betreffend Stillegung sogenannter unrentabler Betriebe vermehrt. An dieser Tatsache als Interessenvertreter der Arbeitnehmer vorbeizusehen, wäre eine Sünde. Die Arbeitslosigkeit wird durch die Durchführung des Schumanplans ungeheuer gesteigert. Aber damit verfolgt man ja auch ein Ziel. Es ist heute schon des öfteren darüber gesprochen worden, und ich will im einzelnen nicht mehr darauf eingehen, aber ich will Ihnen sagen, daß man die arbeitenden Massen für das reif-machen will, was ihnen blüht. Man will sie für den Zwangsexport reifmachen, für den modernen Sklavenhandel, der im Schumanplan vorgesehen ist.
So heißt es z. B. im Art. 69 Abs. 1: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, jede auf die Staatsangehörigkeit gegründete Beschränkung" sofort zu beseitigen, und in Abs. 2 „ . . . und die technischen Möglichkeiten erforschen, durch die innerhalb der Gemeinschaft Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt miteinander in Verbindung gebracht werden können". Das wird also im Art. 69 dieses Schumanplan-Vertrags gesagt.
Nun habe ich so etwas nachgeblättert — es wurde zwar gesagt, es sei zuviel zitiert worden weil wir immer Zitate aus Ihren Reihen gebrauchen, um das, was wir vortragen, glaubhaft zu machen. Ich habe da die Zeitschrift „Europa-Archiv" gefunden, die zu dieser Frage folgendes sagt: „Die Wiederaufrüstung Westeuropas und seine Wirtschaftseinheit" ist die Überschrift. Dann gibt es. eine Unterüberschrift: „Freizügigkeit der Arbeitskräfte". Ich weiß nur nicht, was das Nachfolgende mit Freizügigkeit der Arbeitskräfte zu tun hat. Es heißt da nämlich:
Die europäische Wiederaufrüstung muß ebenso wie die gesamte Wirtschaft vom Grundsatz der größten Leistungsfähigkeit geleitet werden.
Dann:
Abweichungen von diesem Grundprinzip leiten sich aus der Notwendigkeit ab, bei der Rüstungsindustrie eine Streuung der Standorte einzuführen, um der Gefahr einer allgemeinen Lähmung durch einen örtlichen Ausfall vorzubeugen.
Daraus schließt dann diese Zeitschrift:
Die durch politische Zugehörigkeit mit gewissen europäischen Staaten verbundenen Überseegebiete können militärische Einrichtungen und Rüstungsindustrien besonders leistungsfähig und sicher aufnehmen.
I Sie knüpft daran die Forderung auf Schaffung einer intereuropäischen Stelle für Arbeitslenkung und meint dazu:
Schließlich könnten bestimmte Summen dem Wohnungsbau zugeführt werden, um die Ansiedlung von Arbeitskräften da zu erleichtern, wo Industrien an Orten errichtet werden, die keine ausreichenden Unterbringungsmöglichkeiten bieten.
Ich will nicht allzulange bei diesem Thema verbleiben, will Ihnen aber sagen, was damit gemeint ist: Es gibt Mitgliedstaaten, die Kolonien haben; aus strategischen Gründen ist es gut, wenn wir bestimmte Industriezweige in diese Kolonien verlagern, und wenn dort keine Wohnungen sind, bauen wir Baracken; und wenn dort keine Leute sind —, na, wir haben ja eine intereuropäische Stelle für Arbeitslenkung und bereiten den Boden durch die Not der Arbeitslosigkeit vor und exportieren dann diese Arbeiter, die bei uns frei und über werden, in diese Kolonien.
Sehen Sie, auch das kann man daraus lesen, und sehr wahrscheinlich trifft es den Nagel auf den Kopf. Barackensiedlungen in den französischen und belgischen Kolonien. Und über die Notwendigkeit solcher Maßnahmen entscheiden nicht etwa die Deutschen selber, sondern darüber entscheidet die Hohe Behörde.
Wenn sich Herr Professor Dr. Hallstein hier hinstellt und erklärt: „wir wollen Wanderungsbestrebungen", dann denkt er sehr wahrscheinlich zuerst an die sogenannten Umsiedler oder an die sogenannten Flüchtlinge. Die Regierung hat den ganz großen Wunsch und ist immer bestrebt, diese Leute loszuwerden. Watenstedt-Salzgitter kann sich gratulieren. Ich kann nicht verstehen, wie auch Herr Dr. Schröder erklärt, es werde vielleicht noch eine Weile dauern, bis Watenstedt-Salzgitter wieder vollbeschäftigt werde. Gewiß wird es noch eine Weile dauern; aber Sie drückten in Ihren Ausführungen, Herr Schröder, die Hoffnung aus, daß dieser Zeitpunkt sehr bald kommt. Ich kann dazu nur sagen: das ist sehr naiv gedacht; denn der Sicherheitsausschuß in Koblenz — das ist ja heute schon einmal zum Ausdruck gebracht worden — hat ja auch eine Ahnung vom Schumanplan gehabt, als er das Verbot der Errichtung eines Stahl- und Walzwerks in Watenstedt-Salzgitter ausgesprochen hat.
Es wird aber nicht nur der Bevölkerung in Watenstedt-Salzgitter so gehen, sondern auch der anderer Gebiete. Es ist heute schon in den Ausführungen sehr oft zum Ausdruck gekommen, daß wir eine ganze Reihe solcher Gebiete haben. Ich erinnere da an die Bergbaugebiete in Bayern, an die gesamte Wirtschaft in Niederbayern, in dem Land, das gerade als Aufmarschgebiet angesprochen werden kann.
Vielleicht will man aber auch die deutschen Arbeiter, die durch diese Stillegungen über werden, hinter die Pyrenäen nach Spanien, nach dem faschistischen Spanien verfrachten. Vielleicht! Denn wie lange wird es dauern, und Spanien wird auch Mitglied dieser Schumanplan-Verwaltung sein! Das muß man doch sehen.
Warum gibt es überhaupt einen Art. 23 in den Übergangsbestimmungen? Warum spricht man überhaupt von Stillegungen? Weil Stillegungen größeren Ausmaßes schon vorgesehen sind und weil mit den Stillegungen größeren Ausmaßes auch die Zwangsexporte von Arbeitern, von anständigen deutschen Arbeitern in Verbindung stehen. Deshalb sträubt sich in uns alles gegen diesen Schumanplan.
Aber ich will Ihnen noch etwas sagen, meine Herrschaften. Es hat von einigen Wochen einen großen Streik gegeben,
und zwar den Streik der hessischen Metallarbeiter. Anläßlich dieser Streikbewegung hat einer der Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Metall einmal die Frage aufgeworfen: Wie sieht's aus, wenn wir die jugendlichen Facharbeiter auswandern lassen?! Er wollte damit einen Druck gegen die sture Haltung der hessischen Unternehmer ausüben. Mir kommt da der Gedanke, ob nicht diese Drohung, die damals von Ihnen sehr brüsk zurückgewiesen worden ist, schon gewisse Verbindung hatte mit den Maßnahmen, die laut Schumanplan noch zu erwarten sind.
In Verbindung damit kann noch etwas gesagt werden. Wir haben einen Großteil der Bevölkerung, der der Regierung und, wie man wohl sagen kann, uns allen große Sorge macht; das sind die Umsiedler. Die Umsiedler, arm wie eine Kirchenmaus, ohne Heimat, werden im Bundesgebiet und sonstwo eingesetzt werden. Dann werden sie, durch die Not bedingt, zum Lohndrücker gegenüber der Arbeiterschaft, die bodenständig ist, gebraucht. Das muß man alles in Betracht ziehen.
Nun erklärt aber der Beirat des DGB, daß keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Schumanplan bestehen. Der Vorsitzende des DGB, Herr Fette, sagt sogar, daß er persönlich dafür sei. Ich erwähne das hier, weil ich der Meinung bin, daß es heute hier in diesem Hause eine SchumanplanDebatte nicht gäbe, wenn man sich nicht vorher die Zustimmung des DGB-Vorstandes gesichert hätte; -
denn ohne die Zustimmung des DGB-Vorstandes, gegen den Willen der im DGB vereinigten 61/2 Millionen organisierten Arbeiter, könnte ein Schuman-plan niemals Wirklichkeit werden.
Aus diesem Grunde bin ich gezwungen, auch den DGB hier in etwa anzugreifen. Diese Stellungnahme des DGB widerspricht der deutschen gewerkschaftlichen Tradition, sie widerspricht den Aufgaben der deutschen Gewerkschaften, den Aufgaben der internationalen Gewerkschaften, und sie widerspricht dem Willen der 61/2 Millionen Mitglieder hier in der Bundesrepublik. Solange die Gewerkschaften kleinen und mittleren Unternehmern gegenüberstanden, so lange war es möglich, bessere Lohn- und Gehaltsbedingungen und bessere Arbeitsbedingungen zu erzielen. Aber Monopolgebilde sind brutale Widerparte der Gewerkschaften; das dürfte allen Gewerkschaftlern klar sein.
Ich will nur ganz leise daran erinnern, daß sich in der Vergangenheit gerade die Monopole und die Konzerne der Pinkerton-Garden erkauften die Streikbrecherkolonnen finanzierten und organisierten, die Aussperrungen durchführten, um den Forderungen der Gewerkschaften zu begegnen. Daran darf man wohl erinnern. Aber ich frage: seit wann ist es denn Aufgabe der Gewerkschaften, sich für die Monopolbildung der Imperialisten zu interessieren?
1 Seit wann ist es Aufgabe der Gewerkschaften, solche Monopolgebilde von nie gekanntem Ausmaß zu unterstützen? Das widerspricht doch jedem gewerkschaftlichen Denken!
Die Montan-Union ist doch ein Mammutgebilde, wie es in der Welt nie eines gegeben hat. Diese Montan-Union hat im Gegensatz zu früher, wo man die Regierungen nur indirekt beéinflußte, direkte Rechte, die früher nur der Staat in der Hand hatte. Und da kommt dann der DGB-Vorstand und erklärt: Grundsätzlich haben wir nichts gegen ein solches Gebilde einzuwenden. Ich weiß nicht, — da kommt eben kein anständiger Gewerkschaftler mehr mit!
Aber ich will Ihnen etwas sagen: das ist noch nicht der Weisheit letzter Schluß! Im Gegenteil, man ist dabei, einen sogenannten Produktivitätsausschuß zu bilden.
Dieser Produktivitätsausschuß soll dann dafür sorgen, daß die Leistung der Arbeiter, die Produktivität, ohne große Investierungssummen ungeheuer entwickelt wird, und er soll dann später umgebildet werden in den Rüstungsausschuß oder in den Rüstungsrat — seligen Angedenkens von Hitler.
Der DGB bringt in seinem Presse- und Informationsdienst vom 7. Januar ein Dementi, das gar kein Dementi ist. Es wird in diesem sogenannten Dementi gesagt:
Die Mitteilung des Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes, daß den Gewerkschaften das vom Vizekanzler Blücher am 4. Januar 1952 in Bad Godesberg verkündete neue Programm zur Produktionssteigerung und zur Bildung eines Produktionsrates bisher nicht bekannt gewesen sei, ist am 6. Januar 1952 vom ERP-Ministerium zurückgewiesen worden.
Und auf der anderen Seite sagen sie dann — wohlverstanden: der DGB-Vorstand —:
Die Gewerkschaftsvertreter erklärten sich am 11. Oktober 1951 Mr. Harris gegenüber grundsätzlich zur Mitarbeit an Maßnahmen bereit, die geeignet sind, die Produktivität zu steigern.
Aus dieser Haltung, die der DGB eingenommen hat, ist dann auch dieser Artikel in der letzten Nummer des „Spiegels" entstanden. In diesem Artikel wird gesagt — ich zitiere, wenn's auch manchmal jemandem nicht gefällt —:
Die Verpflichtung von Christian Fettes Gewerkschaftsbund und der Industrie auf das Programm der MSA hat Harris, selbst CIO-Gewerkschaftler, als erste der neuen Aufgaben in Angriff genommen. Da die MSA-Gelder hauptsächlich der direkten Rüstungsfinanzierung dienen werden, drängte er außerdem in Bonn auf die Verwirklichung eines Programmpunktes, der zunächst mit den Restbeträgen des Marshallplanes verwirklicht werden soll.
Letzte Woche bereiteten im Beisein von Harris in der Godesberger „Redoute" die Chefs der Bonner Fachministerien zusammen mit 30 westdeutschen Industriellen die Gründung
eines sogenannten „Produktivitätsausschusses"
vor, in dem auch der DGB mitarbeiten soll.
Gestatten Sie mir, zum Abschluß noch zu zitieren:
Die Delegation der deutschen Industriellen unter Führung von Vizepräsident Wilhelm Menne . . . gab Harris zu dem neuen Programm ihre Zustimmung. Der Deutsche Gewerkschaftsbund dagegen dementierte Meldungen, nach denen er sich schon in einer früheren Besprechung grundsätzlich mit den neuen Zielen einverstanden erklärt haben sollte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus diesen Feststellungen ist klar ersichtlich, wohin der Weg des DGB führt. Also an dem Produktivitätsausschuß der Monopolisten wollen sich die Gewerkschaften der Jetztzeit hier im Westen Deutschlands beteiligen. Seit wann ist es Aufgabe der Gewerkschaften gewesen, sich an der Erhöhung der Ausbeutung der Arbeiter zu beteiligen?
Seit wann ist es Aufgabe der Gewerkschaften, sich an Programmen zu beteiligen, die dem erhöhten Profit der Monopolisten dienen?
Herr Abgeordneter Harig, wir diskutieren hier nicht die Angelegenheiten des Deutschen Gewerkschaftsbundes! Kommen Sie zur Sache!
Ich spreche über die Freizügigkeit 'der Arbeiter. Was sind denn die Ziele der Steigerung dieser Produktivität? Was sind denn diese Ziele? Gestatten Sie mir, daß ich hier einen Amerikaner zitiere. Die amerikanische Marshallplan-Zeitschrift veröffentlichte einen Artikel von Professor Jean Fourastier, dem Spezialpropagandisten der Kampagne für die Produktivität, in dem er schreibt:
... Die große Entdeckung unserer Zeit ist, daß man die Produktivität ohne Steigerung der Investitionen beträchtlich entwickeln kann . . . Von 1930 bis 1939 ist die industrielle Ausrüstung pro Arbeiter in den USA um etwa 20 % gesunken, während die Produktivität um 40 % gestiegen ist.
Das ist das Ziel und das ist der Sinn dieser Produktivitätsausschüsse, die da gebildet werden sollen. Ich sage Ihnen: solange die betroffenen Länder Sklaven der Elends- und der Kriegswirtschaftspolitik bleiben, die einen Bestandteil der Kriegspläne und -verträge mit Namen Marshall-, Atlantik- und Schumanplan darstellen, kann die Erhöhung der Produktivität durch Antreibung des Arbeitsrhythmusses niemals dazu dienen, die Reallöhne der werktätigen Massen zu verbessern. Unter den augenblicklichen Verhältnissen können die wahren Ziele und das Resultat jeder Steigerung der Produktivität nach der Auffassung der Monopolisten nur sein: erstens, den Industriellen die Möglichkeit zu geben, mehr Produktion zu billigeren Preisen in weniger Zeit mit weniger Personal zu erzielen; zweitens, die kapitalistischen Überprofite drastisch zu vermehren, die Kriegs- und Polizeibudgets sowie die Budgets der arbeiterfeindlichen und antisowjetischen Kriegspolitik zu nähren; drittens, durch Überflüssigwerden eines Teils des Personals die Vorkämpfer der Arbeiterklasse aus den Fa-
briken zu entlassen, um die Arbeiterbewegung zu brechen und um die größtmögliche Zahl von Werktätigen in bewaffnete Einheiten zu pressen; viertens, in kürzester Frist die Pläne der Waffenproduktion durchzuführen; und fünftens, die Wanderungen von Arbeitskräften von einem Land in das andere je nach den strategischen Erfordernissen der Herren der Atlantikkoalition zu fördern.
Das ist dasjenige, was man bezweckt. Ich frage: sind das etwa Aufgaben der deutschen Gewerkschaften? Das ist das Gegenteil von dem, was sie tun sollten, das ist ein Verstoß gegen alle internationalen Beschlüsse der Gewerkschaftsbewegung, das ist ein Verstoß gegen die Interzonenbeschlüsse, und das ist selbst ein Verstoß gegen die Satzungen der Organisation.
Ihre Aufgabe wäre es, den Kampf der 61/2 Millionen Mitglieder einzusetzen gegen diesen Mammuttrust, der da entstehen soll, gegen die Versklavung der Arbeiter, gegen die Antreiberei, gegen die Rüstung, die der Vernichtung in der Hauptsache unserer Nation, unseres Volkes dient, gegen die Kriegsvorbereitungen. Es wäre notwendig und im Bereich ihrer Aufgabe gelegen, sich für den Frieden und für die Völkerverständigung einzusetzen, für die Einheit Deutschlands, für die Einheit aller Schaffenden, für die Einheit, die dann Arbeit und Brot garantiert. Aber statt dessen werden alle diejenigen, die mit dieser Politik nicht einverstanden sind, aus den Gewerkschaften entfernt, alle diejenigen, die sich noch gewerkschaftliches Denken bewahrt haben. August Bebel sagte einmal, zu den Gewerkschaftsführern gewandt: „Ihr wandelt einen gefährlichen Weg, an dessen Ende euer eigener Untergang stehen wird!"
Ich gestatte mir, an Hand von zwei Beispielen nachzuweisen, wie heute schon, bevor der Schumanplan unter Dach und Fach ist, die Produktivität in den Betrieben der Eisen- und Stahlindustrie gesteigert wird. Ich las authentische Zahlen in einer Zeitung über einen namhaften Betrieb der Eisen- und Stahlindustrie. Danach ist im Jahre 1951 die Belegschaft um 61/2 % gestiegen. In der gleichen Zeit ist die Produktion allein an Walzwerks-Erzeugnissen um 19,6 % gestiegen.
Rechnen Sie sich selbst aus, welch hohe Profite und welch hohe Gewinne durch die Antreibermethoden, durch die Steigerung der Ausbeutung hier den Unternehmern in den Schoß gefallen sind! Ein anderer großer Betrieb, der weit mehr als 10 000 Menschen beschäftigt, hat vor einigen Wochen dien Versuch unternommen, den sogenannten „gleitenden Sonntag" einzuführen. Man wollte dazu übergehen, den Arbeitern den Sonntag zu nehmen. Man will der Bevölkerung damit den Sonntag nehmen. Man will den Arbeitern den freien Tag nehmen, den sie noch hatten, sich auszuruhen. Das Wesentliche oder das Außergewöhnliche, das ich an dieser Tatsache festzustellen in der Lage bin, ist doch, daß einige sogenannte Gewerkschaftsfunktionäre eine traurige Rolle in dieser Frage gespielt haben. Gott sei Dank ist dieser Anschlag durch die Aktionseinheit der Arbeiter dieses Betriebes abgewehrt worden.
Die raffiniertesten Methoden werden angewandt, die Arbeiter in ihrer Arbeitsintensität noch weiter zu steigern. und noch weiter auszubeuten. Die raffiniertesten Methoden werden als Lockmittel benutzt. Z. B. spielt da in den Gehirnen gewisser Unternehmer die Frage der Gewinnbeteiligung eine Rolle. Dabei ist es doch nur Lockmittel, . dabei wollen sie doppelt und dreifach das wieder einheimsen, was sie da an Almosen herausschmeißen. So spielt die Frage der Prämiensysteme und der Anteilsysteme als Lockmittel ebenso eine Rolle. Herausholen will man aus den Knochen der Arbeiterschaft — mit und ohne Zwang —, was man herausholen kann.
Es wird noch schlimmer kommen, wenn der Schumanplan erst auf vollen Touren laufen sollte. Es ist aber notwendig, daß die Arbeiterschaft schon die ersten Auswüchse des Schumanplans bekämpft. Gegenwärtig ist der Kampf gegen alle Formen der Überausbeutung und der Antreiberei ein Kampf gegen die Kriegswirtschaft und gegen die Kriegspolitik. Daher ist dieser Kampf, den die Arbeiterschaft um höheren Lohn sowie gegen die Verschlechterung ihrer Lebensweise und ihrer Arbeitszeit führt, gleichzeitig ein Kampf um die Unabhängigkeit und den Frieden, weil es ein Kampf gegen die Kriegsmaßnahmen ist. Es ist daher gleichzeitig ein nationaler Kampf, den die Arbeiterschaft führt.
Der Schumanplan bringt erhöhte Ausbeutung, er bringt doppelte Ausbeutung. Der Schumanplan versklavt die Arbeitnehmer. Er beseitigt die gewerkschaftlichen Rechte, vom Achtstundentag angefangen bis zum Mitbestimmungsrecht. Er beseitigt die Errungenschaften der Arbeiter. Er ist dazu da, die Löhne der Arbeiter zu senken und zu halbieren.
Aber ich sage Ihnen von dieser Stelle: Die Arbeiter Europas werden sich wehren; sie werden es sich nicht gefallen lassen. Die Arbeiter Deutschlands aber werden in diesem Kampf keine Zuschauerrolle spielen. Und was wir als Kommunisten dazu beitragen können, daß der Kampf enorme Formen annimmt, das werden wir tun.
Das Wort hat der Abgeordnete Grundmann.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir als Bergmann unter Tage, die Meinung der Kumpels unter Tage zu Gehör zu bringen.
Zu dem Geseiche des Herrn Harig, der sich aufspielt, er sei ein Gewerkschaftler, kann ich nur sagen: Es sind nur die kleinen Radaugrüppchen, die versuchen, in den Betrieben Krach und Radau zu machen.
Worum geht es den Arbeitern am meisten? Es geht ihm darum, seine sichere Existenz und seine ausreichende sozialpolitische Versorgung zu haben.
Er weiß auch ganz genau aus den Gesprächen unter Tage, daß er durch den Schumanplan seine Arbeitsbedingungen und Lohnverhältnisse verbessern kann.
Ich darf Ihnen eines sagen — —
Ich darf in diesem Zusammenhang — —
Meine Damen und Herren! Ich bitte doch, die Ruhe zu bewahren, die die bisherigen Verhandlungen ausgezeichnet hat. Wir- werden dann um so früher zu Ende kommen.
Aus dem Art. 2 und 3 des Schumanplans geht klar hervor, daß die Arbeiter ihre sozialpolitischen Bedingungen verbessern
und daß die sozialpolitischen Fragen im Rahmen des kommenden gemeinsamen Marktes eine gerechte Lösung erfahren werden.
Ich darf an die Debatten erinnern, die im wirtschaftspolitischen Ausschuß stattgefunden haben und an denen die Vertreter der Delegationen in Paris teilnahmen, die sich zu jeder Zeit positiv zum Schumanplan ausgesprochen haben. Meine Damen und Herren! 'Man gewinnt immer mehr den Eindruck, daß man diesen Vertrag möglichst auf die lange Bank schieben und verwässern will. Ich glaube, Sie tun der Arbeiterschaft draußen keinen Gefallen, wenn Sie dauernd durch Gegenargumentation Zeit zu gewinnen suchen. Eines steht fest und eines muß erwirkt werden: daß der Schumanplan möglichst bald in Kraft tritt.
Wenn man im Vertrag von Krisenzeiten im Bergbau spricht, dann bin ich darüber-anders und vielleicht besser orientiert. Im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Markt und der Kohleausfuhr wird von Deutschland soviel Kohle gefordert, daß wir mit unseren heutigen Zechen gar nicht in der Lage sind, die Kohle zu liefern. Man soll sich lieber Gedanken darum machen, wie wir unsere Förderung erweitern und neue Kohlenfelder erschließen können.
Daher sollten wir möglichst von den geplanten Investitionsmitteln für den Bergbau die in Angriff genommenen Grubenfelder ausbauen und dort neue Zechen anlegen.
Wenn 'Sie heute von einer internationalen Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern anderer Staaten sprechen, dann geben Sie hier die Möglichkeit, überhaupt die Zusammenarbeit zu 'fördern.
— Drohen Sie doch nicht, Herr Rische!
— Das hat mit der NSBO gar nichts zu tun.
Ich hätte erwartet, daß man von repräsentativen Persönlichkeiten der Bergbau-Gewerkschaft die Sache etwas positiver aufgenommen hätte.
Wenn man heute davon spricht, daß Zechen stillgelegt werden und absaufen, so weiß ein jeder Bergmann, daß, wenn Zechen stillgelegt werden, zu jeder Zeit die Wasserhaltung und Pumpenversorgung aufrechterhalten wird.
Meine Damen und Herren! Wenn man das Echo in anderen Staaten hört, die am Schumanplan beteiligt sind, dann darf ich nur an eine Debatte erinnern, die im Mai vorigen Jahres im Europarat in Straßburg geführt wurde,
wo der Sozialist M. André Philip sagte: Wir sind bereit, zu jeder Zeit die Hand dem deutschen Arbeiter zu bieten, um zum Wohle des Schumanplans und der europäischen Völker gemeinsam zu arbeiten.
Ich darf in diesem Zusammenhang sagen: Da Sie weiterhin versuchen, die Debatte zu verlängern, möchte ich im Namen meiner politischen Freunde darum bitten, sich kürzer zu fassen, an die Arbeit zu gehen und den Vertrag wirksam werden zu lassen.
Ich -darf aus ganzem Herzen sagen — nicht für mich allein, sondern mit einem großen Teil meiner Kameraden und meiner Wähler —, daß wir zum Schumanplan Ja sagen und dem Start und Anlaufen dieses Plans vollen Erfolg wünschen.
Das Wort hat der Abgeordnete Heix.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Es ist klar — das wissen wir schon aus den letzten Worten des Kollegen Grundmann — und nur zu 'selbstverständlich, daß die Arbeitnehmer und hier vor allem wieder die aus dem Ruhrgebiet, die Berg- und Stahlarbeiter, regsten und lebhaftesten Anteil an der Ratifizierung des Schumanplans nehmen. Als Abgeordneter des Ruhrgebiets und einer Stadt, die nicht nur von Zechentürmen, Hoch- und Martinsöfen beherrscht, sondern auch zu 80 % von Arbeitnehmern bewohnt wird, weiß ich zu gut, wie sehr diese Arbeitnehmerschaft an der 'Diskussion um den Schumanplan teilnimmt.
In vielen Versammlungen und Ausspracheabenden, noch am vergangenen Montagabend mit einigen hundert Betriebsräten, habe 'ich mit der Arbeitnehmerschaft gesprochen und das Für und Wider zum Plan diskutiert. Weil wir wissen, wie sehr es auch
von der Arbeitnehmerschaft abhängt, welcher Geist bei der Durchführung dieses Plans vorherrscht, darum sprechen und diskutieren wir mil dieser Arbeiterschaft. Wir haben auch den Plan daraufhin studiert, ob er die Voraussetzungen dafür schafft, daß ein fortschrittlicher und sozialer Geist für die Zukunft — und darum geht es uns ja — hier wirksam werden kann.
Man spricht hier so viel von den Argumenten, die während der Diskussion in der französischen Kammer vorgebracht wurden. Was werden die anderen in den Parlamenten sagen, und was werden insbesondere die sagen, die nach uns über die Ratifizierung des Vertrags zu beraten haben, wenn sie die Argumente heranziehen werden, die in der Aussprache im Deutschen Bundestag vorgetragen worden sind?! Mir ist aber auch die Diskussion bekannt — und wir haben sie gelesen und studiert —, die in den Wirtschafts- und Gewerkschaftsverbänden im Ausland, besonders in Frankreich, geführt worden sind. Dort wurde weniger nationalistisch und leidenschaftlich und, das muß ich sagen, auch weniger pessimistisch geredet und argumentiert. Wir sollten es auch bei uns im Deutschen Bundestag so halten. Die Arbeitnehmerschaft und ihre Vertretung, die Gewerkschaften, sind durch ihre Entwicklung und durch ihren jahrzehntelangen Kampf sicherlich gewitzigt und fähig geworden, festzustellen, was sozial rückschrittlich und was sozial fortschrittlich ist. Diese Arbeiterschaft — und nicht nur ihre Funktionäre — weiß genau, was sie zu tun und' zu lassen hat. Sie weiß auch genau, daß nicht alles auf einmal und hundertprozentig zu verwirklichen ist; ganz sicher nicht eine Union auf einem so wichtigen Gebiet für das, so zerrissene Europa. Sie hat ja in dem vergangenen Jahrhundert aus allerkleinsten Anfängen begonnen und es zu stolzen Erfolgen gebracht. Wirklich, die internationale Arbeiterschaft kann stolz auf das sein, was sie geschaffen hat.
Diese Erfolge sind heute unbestritten, und sie werden von Tag zu Tag, ja man kann sagen, von Stunde zu Stunde weiter ausgebaut.
Die internationalen Gewerkschaften und auch die internationalen sozialen Einrichtungen, wie das Internationale Arbeitsamt in Genf, sind dafür ein lebendiger Beweis.
Es ist also falsch, zu sagen, wir schafften nur ein kleines Europa, und all die Bedenken für eine so wichtige Entscheidung heranzuziehen, die immer herangezogen werden können, wenn ein solcher Schritt getan werden muß. Die Arbeiterschaft und besonders die Arbeiterjugend — und ich darf hier auch eine Gruppe aus der Arbeiterschaft erwähnen, die aus dem Geiste des Fortschritts und, wie ich persönlich besonders betonen möchte, aus dem Geiste der Freiheit, gegen die Tyrannei Widerstand geleistet und größte Opfer und schwerste Leiden auf sich genommen hat; ich gehöre selbst dazu — wir bejahen diesen Plan, begrüßen und fördern ihn; und wir werden uns bei seiner Durchführung besonders einschalten, weil wir unter allen Umstänständen den Frieden wünschen und wollen.
Mit diesen Freunden und Kameraden haben wir in den letzten Tagen und Wochen auch auf internationaler Ebene gesprochen. Auch sie haben uns gesagt, sie würden es begrüßen, wenn wir Deutschen
— auch wir deutschen Widerstandskämpfer — einen solchen Beitrag international leisten würden.
Die Arbeiterschaft will den Frieden, sie kämpft für den Frieden. Dafür haben sich die Gewerkschaften seit ihrem Bestehen eingesetzt. Aus diesem tiefen Gedanken des Friedens, des Völkerfriedens ist doch der Weltfeiertag, der 1. Mai, entstanden.
Was vor 60 Jahren galt, das gilt noch verstärkt besonders heute. Denn noch nie war die Kriegsfurcht — das muß man aussprechen — schlimmer und. beeindruckender. Die Arbeiterschaft ist immer der größte Leidtragende in einem Krieg, ob gewonnen oder verloren. Ein Blick in die Welt von heute zeigt dies nur zu deutlich bei Siegern und Besiegten.
Der Schumanplan verwirklicht die Aussichten für den Frieden, nicht nur nach unserer deutschen Meinung, sondern auch nach Überzeugung aller Freunde und Kameraden, die in den sechs Nationen daran arbeiten, die Grundlage dafür auf europäischer Ebene zu schaffen.
Die jetzt zu schaffende europäische Wirtschaftseinheit sichert und schafft den sozialen Fortschritt. Das eine Land kann noch auf so manchem Gebiet der Sozialpolitik und der Gewerkschaftsarbeit das andere Land anregen, ja vorantreiben. Ich brauche nur darauf hinzuweisen, daß in fünf Ländern der Vertragsmächte die so notwendigen und begehrenswerten Familienausgleichskassen bereits bestehen und sich sehr sozial auswirken. Wir wollen uns aber als Deutsche hier anschließen, und hoffentlich bald. Das Hohe Haus wird hierzu hoffentlich schon in den nächsten Wochen die Gelegenheit haben: Ich bin 'sicher, so wird es auch auf vielen anderen Gebieten sein. Nicht nur die Staaten, nein, auch die Arbeiterschaft, in Europa zusammengerückt, hat längst die Grenzen beiseite geschoben, so daß wir mit Hoffnung in die Zukunft schauen können. Wie wir uns leidenschaftlich darum bemühen, in der Bundesrepublik den sozialen Fortschritt zu sichern und zu fördern, so gibt uns der Schumanplan auch die. Möglichkeit, ihn auf europäischer Ebene voranzutreiben. Nur der soziale Fortschritt begründet die Wohlfahrt. Alles dies aber setzt immer die wirtschaftliche Einheit voraus, die wir im europäischen Raum jetzt schaffen, die hoffentlich nur ein Beginn ist und die wir auf 'so vielen anderen Gebieten fortgeführt sehen möchten. Im Beratenden Ausschuß sind Erzeuger, Arbeitnehmer und Verbraucher vertreten. Wir reden über derartiges schon Tage und Wochen in den Ausschüssen für Wirtschaftspolitik und Arbeit, wo wir das Betriebsverfassungsgesetz beraten. Die Regierung entsendet die Mitglieder in die beratenden Gremien. Wir, die Volksvertretung, sind und bleiben hier mit eingeschaltet und mitbeteiligt. Die Eigentumsfrage wird vom Vertrag nicht berührt; sie bleibt Aufgabe der einzelnen Länder. Selbstverständlich müssen alle Diskriminierungen fallen. Wir haben die Zuversicht und sind sicher, daß sie fallen werden. Die großen Erfolge in der Arbeit der Bundesregierung bestärken uns nach dieser Richtung hin, und wir haben die feste Überzeugung, daß diese Erfolge sich auch in Zukunft fortsetzen werden.
Wie wir vor allem der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers entnehmen, entfallen die alliierten Institutionen, vor allem das Sicherheitsamt, deren Wegfall,. mit der Einstellung der Demontage, ge- rade die deutsche Arbeiterschaft seit Jahren und seit Monaten verlangt hat. Welch eine Freude darüber vor allem bei den Arbeitern in DuisburgHamborn und in Watenstedt-Salzgitter herrscht, darf ich hier gerade als Arbeitnehmervertreter des Ruhrgebiets sagen. Man muß in diesen so hart getroffenen Städten unter den Arbeitern wohnen und leben und mit ihnen kämpfen, muß ihre Erwartungen kennen, um zu glauben und zu wissen, daß diese Hoffnungen und Erwartungen in Erfüllung gehen.
Der Vertrag soll gerade die Mehrung des Sozialprodukts zum Hauptinhalt haben. Alle Überlegungen gehen ja dahin, diese Steigerung zu sichern. Nur eine Erhöhung des Sozialprodukts sichert auch die sozialen Leistungen. Alles andere ist nicht wahr und falsch. Was sich seit 1948 in der Bundesrepublik zeigt, wird sich verstärkt auf der europäischen Ebene bemerkbar machen. Darum soll ja der gemeinsame Markt geschaffen werden. Damit können keine schlechteren Arbeitsbedingungen verbunden sein. Nur das Gegenteil kann der Fall sein. So heben wir die Sozialpolitik auf die europäische Ebene. 'Hier bin ich sicher, daß die internationalen Gewerkschaftsbewegungen höchste Aktivität entwickeln werden. Nicht nur die Gewerkschaftsbewegungen, auch die anderen internationalen Arbeiterbewegungen, eingeschlossen unsere katholische Arbeiter-Bewegung, werden sich hier betätigen und dafür sorgen, daß es vorwärtsgeht und die Dinge vorangetrieben werden.
Zu den Aufgaben des Internationalen Arbeitsamts kommt diese konkrete Aufgabe der Wirtschaft. Nur eine Wirtschaft mit Höchstleistungen kann die Voraussetzungen schaffen, die wir Arbeitnehmer für höchste Leistungen in der Sozialpolitik brauchen. Eine Hebung des Lohnniveaus wird ganz bestimmt auch die gewünschte Hebung des Lebensstandards der Arbeiter im Gefolge haben. Darum haben wir mit großer Freude gehört und festgestellt, daß die internationalen Gewerkschaften diesem Vertrag zustimmen. Es hat uns auch nachdenklich gestimmt, daß gerade die französische Schwerindustrie hier nicht gern mitmachte, jedenfalls nicht begeistert zugestimmt hat. Das wird sicher seinen Grund haben. Wir möchten darum die deutsche Arbeitnehmerschaft nicht an der Seite dieser Schwerindustrie Frankreichs sehen. Wir haben auch darüber nachgedacht, warum diese Unternehmerseite nicht gern zustimmte. Was sich die europäische und die deutsche Jugend allgemein und auch die Arbeiterschaft immer ersehnte, die Freizügigkeit des Arbeits- und damit des Wohnplatzes in Europa, sichert nun der Vertrag, der Schuman-plan. Die Kohlen- und Stahlarbeiter sind frei in der Wahl des Arbeitsplatzes.
So erfüllt der Vertrag nicht nur die Wünsche der Völker, die er wirtschaftlich vereint, sondern die alten Sehnsüchte der internationalen Gewerkschaftsbewegung und der Arbeitnehmerschaft auf Völkerfrieden und Völkerverständigung beginnen sich durch diesen Vertrag zu erfüllen. Das sagen uns die Arbeitnehmer in den Großstädten des Ruhrgebiets, das sagen uns auch die Vertreter der Arbeitnehmerschaft in den Betrieben. Wir haben als die älteren und als die verantwortlichen Politiker die sittliche Verpflichtung, der gesamten Jugend und der Arbeiterschaft eine friedliche Zukunft zu sichern. Jahrzehnte haben wir auf die Befriedung des Verhältnisses zwischen Frankreich und Deutschland gehofft. Wir erlebten nur Kriege und Enttäuschungen. Jetzt soll der große Schritt folgen und diese Schwierigkeiten aus dem Wege räumen. Gerade als Vertreter der Stadt, die hier von dem Herrn Kollegen Harig vorhin angesprochen worden ist, muß ich sagen, daß er das Problem der gleitenden Arbeitswoche nicht verstanden hat. Wir kennen dieses System, und gerade die bewährten Mitglieder und die Vertreter der Arbeiterschaft in den Betrieben haben darauf gesehen, daß nicht 2000 bis 3000 Arbeiter entlassen wurden, sondern ihre Beschäftigung behielten. Wir wollen nämlich nicht zum zweitenmal, daß die Entwicklung vor 1933, die damals mit ihrer Hilfe gegangen wurde, sich wiederholt: die Leute arbeitslos zu machen und auf die Straße zu werfen, damit die Arbeiterschaft Objekt Ihrer Ideen und Ihrer Ideologien wird, damit Sie dann in der Lage sind, mit den anderen Nationalisten, Terroristen und der verführten Arbeiterschaft wieder einen Weltbrand zu entfesseln und zu entzünden.
Darum sagen auch wir, die christliche Arbeitnehmerschaft in Deutschland, wie auch die internationale Arbeitnehmerschaft, ein Ja zu diesem Schumanplan.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wahl.
Dr. Wahl: : Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Ich will mich möglichst kurz fassen.
Zunächst etwas zur Geschichte der Idee, daß Wirtschaftsunionen eine Garantie für den Frieden sinIm August 1918 hat Walther Rathenau die Schrift
„An Deutschlands Jugend" verfaßt. in der es heißt
— ich bitte um Ihre Erlaubnis zur Zitierung —: Ein Völkerbund ist recht und gut, Abrüstung und Schiedsgerichte sind möglich und verständig; doch alles bleibt wirkungslos, sofern nicht als erstes ein Wirtschaftsbund, eine Gemeinwirtschaft der Erde geschaffen wird. Darunter verstehe ich weder die Abschaffung der nationalen Wirtschaft noch Freihandel, noch Zollbünde, sondern die Aufteilung und gemeinsame Verwaltung der internationalen Rohstoffe, die Aufteilung des internationalen Absatzes und der internationalen Finanzierung. Ahne diese Verständigungen führen Völker, bund und Schiedsgerichte zur gesetzmäßigen Abschlachtung der Schwächeren auf dem korrekten Wege der Konkurrenz; ohne die Verständigungen führt die bestehende Anarchie zum Gewaltkampf aller gegen alle.
Der Wirtschaftsbund aber ist so zu verstehen: Über die Rohstoffe des internationalen Handels verfügt ein zwischenstaatliches Syndikat. Sie werden allen Nationen zu gleichen Ursprungsbedingungen zur Verfügung gestellt, und zwar für den Anfang nach Maßgabe des bisherigen Verbrauchsverhältnisses. Später wird das wirtschaftliche Wachstum der einzelnen in Rechnung gezogen.
Nach weiteren Ausführungen fährt er fort:
Jahrzehnte werden vergehen, bis dieses System der internationalen Gemeinwirtschaft voll ausgebaut ist; weiterer Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte, bedarf es, um die zwischen,
staatliche Anarchie, durch eine freiwillig anerkannte oberste Behörde zu ersetzen, die nicht ein Schiedsgericht, sondern eine Wohlfahrtsbehörde sein muß, der als mächtigster aller Exekutiven die Handhabung der Wirtschaftsordnung zur Verfügung steht.
Es gehörte zu den Lieblingsgedanken Walther Rathenaus, der als Präsident der AEG den Kampf um die Auslandsmärkte aus nächster Nähe kennengelernt hatte, daß der Krieg nichts anderes sei als die Fortsetzung des Konkurrenzkampfes der nationalen Wirtschaften mit anderen Mitteln. In der Tat haben wir erlebt, eine wie wichtige Komponente in den Kriegen der Gegenwart der Wirtschaftskampf der Völker gewesen ist. Ich erinnere an die Auseinandersetzungen um die französischen Erzbecken von Brie und Longwy im ersten Weltkrieg, an die oberschlesische Fraie, an die französische Saarpolitik, die britischen Demontagen, überhaupt weite Gebiete der alliierten Besatzungspolitik nach dem zweiten Weltkrieg, an die Nürnberger Prozesse gegen Industrielle und Kaufleute. Ich brauche nicht ' zu sagen, daß ich die Verdächtigungen, die diesen Verfahren zugrunde lagen, weitgehend für übertrieben und im Kern für unberechtigt halte. Aber nach den geschichtlichen Ereignissen der letzten 40 Jahre gehört zum Selbstverständnis der Gegenwart die Überzeugung, daß die Kriege der letzten Zeit zu einem wesentlichen Teil Wirtschaftskriege gewesen sind. Dieser Gedanke führt zwangsläufig zu dem Versuch, Mittel und Wege zu finden, um den Konkurrenzkampf der Volkswirtschaften zu beseitigen. Schon bei Rathenau findet sich der Lösungsvorschlag, eine gemeinsame Verwaltung der internationalen Rohstoffe herbeizuführen, wenn auch in manchen Einzelheiten seine Vorschläge zeitbedingt vom Inhalt des zur Debatte stehenden Staatsvertrages abweichen.
In der Tat hat sich auch der Völkerbund schon mit diesem Problem beschäftigt, insbesondere der Kolonialausschuß,
der aber den von Polen und Deutschland gestellten Antrag auf Beteiligung an den Kolonialprodukten unter englischer Führung mit dem Hinweis erledigt hat, daß ja jeder diese Produkte kaufen könne.
Es sind hier Europapolitiker anwesend, die sich schon im gleichen Sinne geäußert haben. Carlo Schmid hat im Januar 1949 als Sprecher der SPD-Fraktion im Parlamentarischen Rat anläßlich der Verkündung des Ruhrstatuts die Forderung erhoben, aus allen schwerindustriellen Zentren einen großen internationalen Pool zusammenzuschweißen,
der die europäische Wirtschaft Schwerindustrie zusammenfassen sollte.
Ferner hat der Herr Bundeskanzler im März 1950 den Vorschlag einer deutsch-französischen Wirtschaftsunion gemacht. Im übrigen hat sich auch in Frankreich der Schumanplan in der Grundkonzeption an das sogenannte Briand-Memorandum an den Völkerbund angelehnt. In dem Vorschlag Briands, Paneuropa zu schaffen, war schon eine engere wirtschaftliche Zusammenfassung des europäischen Potentials angeregt. Damals, im September 1929, soll in der Völkerbundssitzung der damalige britische Premier Macdonald ausgerufen haben: „Die
Zeit ist noch nicht reif, warten wir zehn Jahre ab!" Genau zehn Jahre später begann der zweite Weltkrieg.
Wenn ich die Einwände der Gegenseite gegen die Organisation der europäischen Montan-Union richtig verstanden habe, so richten sie sich vor allem gegen die darin vorgesehene Ausgliederung der Kohle- und Stahlverwaltung aus der allgemeinen Staatsverwaltung. Aber gerade das hat schon Rathenau in dem vorhin gebrachten Zitat als den Ausweg bezeichnet, indem er die internationale Rohstoffverteilung neben dem Fortbestand der nationalen Volkswirtschaften als Ziel verkündete.' Die Funktionalisten in Straßburg vertreten ebenfalls die Möglichkeit, einzelne staatliche Funktionen den neuen europäischen Instanzen zu übertra gen. Und in der Tat, wenn es nicht möglich ist, sofort den europäischen Bundesstaat zu schaffen. bleibt, wenn überhaupt etwas geschehen soll, gar kein anderer Weg, als auf Teilgebieten die Zusammenfassung Europas zu verwirklichen und damit den europäischen Gedanken voranzutreiben.
Der Standpunkt der Gegner des Schumanplans ist der Alles-oder-Nichts-Standpunkt, der in der Geschichte oft genug eine Katastrophenpolitik eingeleitet hat, weil er den Kompromiß, den vielgescholtenen und unentbehrlichen, ausscheidet.
Es kommt noch etwas hinzu. Die Zielsetzungen, die die Europäische Gemeinschaft für Kohle . und Stahl zu verwirklichen hat, sind weitgehend die Staatszwecke überhaupt: Steigerung der Wohlfahrt, Steigerung der Produktionen, genau das, was die Staaten selbst in der Gegenwart für ihre erste Aufgabe halten. Wenn diese Ziele nicht verwirklicht würden, wenn also die Nationalwirtschaften bloß in Unordnung gebracht würden. dann hätte auch die Schumanplan-Organisation die ihr in dem Vertragswerk gesteckten Ziele nicht erreicht. Aus diesem Grunde halte ich das von der Opposition an die Wand gemalte Bild eines funktionierenden Schumanplans auf dem Hintergrund sterbender Volkswirtschaften für phantastisch und der Realität entbehrend.
Allerdings muß man zugeben — da brauche ich nur an das zu erinnern, was der Herr Staatssekretär Hallstein heute morgen gesagt hat —, daß Spannungen zwischen der europäischen Gesamtwirtschaft für Kohle und Stahl und den Nationalwirtschaften entstehen können. Aber diese Gefahr besteht für alle in gleicher Weise,
für andere Unionspartner vielleicht noch mehr als für uns Deutsche. Gerade das wird die dynamische Gewalt der Montanunion in der Richtung einer Ausdehnung der Wirtschaftsunion auf andere Gebiete mobilisieren.
Man wird aber noch etwas Weiteres zugeben müssen. Vom Standpunkt des sozialistischen Wirtschaftsideals aus fällt die Abtretung der Hoheitsrechte über Kohle und Stahl an eine supranationale Stelle besonders schwer. Wenn ich mich recht erinnere, hat schon Meinecke darauf hingewiesen, daß die alte Gleichung Sozialist gleich Internationalist schon lange nicht mehr stimmt.
Seitdem die Staaten mangels einer funktionierenden internationalen Zusammenarbeit dazu über. gehen mußten, wenigstens in ihrem Bereich unter Einsatz ihrer nationalen Hilfsquellen mit den wirtschaftlichen und sozialen Problemen fertig zu werden, hat sich die planwirtschaftliche Praxis ergeben, durch staatliche Interventionen die nationalen Reichtümer den Landeskindern zuzuteilen, vorzubehalten oder sie wenigstens allein zu ihrem Nutzen zu verwalten. Aber zu dieser Entwicklung ist es nur gekommen, wenn und soweit die internationale Zusammenarbeit versagt hat. Und man sollte den gewaltigen Versuch, diese internationale Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet zu organisieren und sicherzustellen, nicht deswegen bekämpfen, weil damit die einzelstaatliche Bewegungsfreiheit, Ordnung im eigenen Hause zu schaffen, eingeschränkt wird; denn diese Ordnungsaufgabe ist den Völkern gerade aus dem Versagen der internationalen Zusammenarbeit zugewachsen. Gerade wir Deutsche haben keinen Anlaß, solchen Gedankengängen zu breiten Raum zu lassen. Unsere eigene Vergangenheit hat die Gefahren dieser Denkweise allzu deutlich werden lassen. Unsere gegenwärtige Situation — man denke nur an die Lebensmittellage — drängt uns auf die Zusammenarbeit der Völker als eine Lebensnotwendigkeit.
Was nun die Einzelheiten der Organisation der internationalen Gemeinschaft betrifft, so schied für die neu zu schaffenden Gremien natürlich von Anfang an das Einstimmigkeitsprinzip des alten polnischen Reichstags oder des Sicherheitsrats der UNO aus. Die Mehrheitsentscheidung mußte als Regel zugelassen werden. Damit ergibt sich das Problem der Stimmenverteilung, zu dem ich hier nur einige Gedanken herausstellen möchte.
Daß es sich um einen Staatenzusamenschluß handelt, hat für die Verteilung der Stimmen entscheidende Bedeutung. Es gibt keine Staatenzusammenschlüsse, die nicht nach dem genossenschaftlichen Prinzip organisiert wären.
Daß heißt, wenn sich Staaten zusammenschließen, ist die Ausgangssituation immer die, daß jeder Staat gieichviele Stimmen hat, gleichgültig ob er groß oder klein ist. Das deutlichste Beispiel sind die Vereinigten Staaten von Amerika, wo jeder Staat im Senat mit zwei Stimmen vertreten ist, einerlei ob es sich um den Riesenstaat New York oder um irgendeinen kleinen Staat handelt, der nicht einmal 1 Million Einwohner hat. Man hat in der Staatenpraxis wohl gewisse Versuche gemacht, diese für Großmächte kaum erträglichen Ergebnisse abzumildern. Ich erinnere daran, daß Bismarck, um für gewisse Entscheidungen die Sperrminorität von 17 preußischen Stimmen im Bundesrat zu haben, die Stimmen der 1866 von ihm unterworfenen Staaten mitberechnet hat. Ich erinnere weiter daran, daß die Sowjetunion ihre Einzelstaaten verselbständigt und zu völkerrechtlichen Subjekten gemacht hat, um sie in der UNO und in anderen internationalen Organisationen mit einer entsprechenden Stimmenzahl auftreten zu lassen. England hatsich schon im Völkerbund ähnlich verhalten. Auch wir haben hier in unserem Bundesrat eine
gewisse Abstufung. Aber es ist überall so: die Kleinen fahren, was die Stimmenzahl angeht, immer am besten. Das gehört zu dem Aufbauprinzip eines genossenschaftlichen Zusammenschlusses. Wenn die Stimmen nur nach dem, was die Staaten einbringen, verteilt würden, wäre das ein anderes Aufbauprinzip. Das wäre das Aufbauprinzip der Aktiengesellschaft, auch des Kartells, bei dem die Quote verschieden festgesetzt wird. Das aktienrechtliche Strukturprinzip hat es in dieser scharfen Form bei staatlichen Zusammenschlüssen nie gegeben.
Ich muß auch auf ein weiteres Argument hinweisen. Wenn jetzt erreicht würde, daß das Stimmenverhältnis nach dem Eingebrachten festgelegt wird, so könnten eines Tages auch noch einmal andere Zweckverbände beschlossen werden, bei denen wir keine so günstige Position haben wie bei Kohle und Eisen. Das würde sich zu unserem Nachteil auswirken, weil wir dann zu denen gehören würden, die zu schwach wären. Wenn England eines Tages mit der gesamten englischen Produktion und der englischen Abnehmerschaft eintreten würde, hätte niemand sonst mehr. ein Gewicht.
Es ist auch gesagt worden, in der Versammlung sei keine richtige demokratische Kontrolle gegeben, weil die Befugnisse der Assemblée zu gering seien. In der Tat ist ihr Hauptrecht, das echte Mißtrauensvotum, an eine Zweidrittelmajorität gebunden. Aber man hat zu wählen: entweder will man das Bild einer sich in Regierungskrisen verzehrenden europäischen Organisation vermeiden, also eine arbeitsfähige Exekutive schaffen, oder man stärkt die Rechte der Assemblée so, daß der europäische Gedanke das Risiko läuft, durch dauernde Regierungskrisen kompromittiert zu werden. Hier von Managertum zu sprechen, trifft nicht den Kern der Erscheinung. Ich glaube nicht, daß Burnham unter den Managern die Wirtschaftsminister verstanden hat. Ich glaube auch nicht, daß die 'Opposition in Wahrheit behaupten will, die staatliche Wirtschaftsverwaltung würde durch dieses Etikett richtig qualifiziert.
Ich will nun nicht auf die Einzelheiten der in diesen Tagen so oft und so viel diskutierten Frage der Diskriminierung und' Nicht - Diskriminierung Deutschlands eingehen. Ich möchte nur noch einmal sagen, daß der Gleichheitsgrundsatz geradezu das entscheidende Grundrecht dieser neuen überstaatlichen Organisation ist. Durch das ganze Gesetzeswerk geht der Gedanke der Nicht-Diskriminierung hindurch, und das Schumanplan-Gericht ist dazu da, 'diesem Grundsatz Geltung zu verschaffen. Immer wenn wir uns zu schlecht behandelt glauben, haben wir die Möglichkeit der Anrufung dieses Gerichts. Das ist der Riesenvorteil gegenüber der Ruhrbehörde. Dort war ein nicht nachprüfbares Ermessen, das aus einer anderen Staatsraison geschöpft wurde, einfach für uns verbindlich. Jetzt sind wir Mitglieder einer internationalen Organisation, die den Gleichheitsgrundsatz auf ihre Fahne geschrieben hat. Daraus ergibt sich der entscheidende Unterschied.
Ich möchte noch auf zwei letzte politische Argumente eingehen. Wenn die 'deutsche Kohle zum gesamt-europäischen Besitz wird, hat dies auch psy-
chologische Rückwirkungen für die Festlegung der Verteidigungslinie nach dem Osten;
denn dann ist die Verteidigung des Ruhrgebiets
eine gesamteuropäische Aufgabe, an der jeder
europäische Staat ein eigenes Lebensinteresse hat,
während die nur den Deutschen zustehende Kohle von den anderen leichteren Sinnes preisgegeben werden kann, weil sie dann nicht unbedingt das Bewußtsein haben müssen, sich damit in das eigene Fleisch zu schneiden.
Noch ein Weiteres. Was in der Weimarer Zeit geschehen ist, daß die Vereinigten Staaten hohe Kredite nach Deutschland gaben, um die deutsche Industrie wieder auf einen hohen Stand der Wettbewerbsfähigkeit zu bringen, ohne daß politische Garantien verlangt wurden, wird nicht mehr wiederkehren. Denn Hitler brauchte sich nur in das mit amerikanischem Geld gemachte Bett hineinzulegen, um die deutsche industrielle Kapazität in einem zweiten Weltkrieg zum Einsatz zu bringen. Vestigia terrent, die Fußspuren schrecken ab! Umgekehrt wird der Schumanplan zu einem Zeitpunkt in Kraft treten, in dem es im gesamt-europäischen Interesse liegt, die deutsche Produktionskraft zu steigern. Schmieden wir das Eisen, solange es heiß ist!
Meine Freunde bitten Sie, dem Ratifikationsgesetz Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Veit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schumanplan ist eine sehr unpathetische, nüchterne Angelegenheit der Wirtschaftspolitik. Das Pathos ist von deutscher Seite in die Diskussion hineingetragen worden. Das ist wohl ein Beweis dafür, daß wir es notwendig haben. Man erinnert sich wohl auch an die den Deutschen eigene Bereitschaft, mit einem pathetischen Appell die Stimme der Vernunft zu übertönen.
Man hat nicht einmal Hemmungen dagegen empfunden, die Toten der Weltkriege heraufzubeschwören,
weil man offenbar in ihnen eine tiefgreifende Mahnung zum Abschluß der Montan-Union sieht. Wir haben soviel Ehrfurcht vor dem Opfertod von Millionen, daß wir ihn nicht zur Argumentation für ein sachlich nicht ausreichend begründetes Vertragswerk benutzt sehen wollen.
An die Stelle der nüchternen Abwägung der Vor-und Nachteile als realer Grundlage des Willenskonsens tritt auf deutscher Seite der Appell an den Europa-Gedanken in den Vordergrund der Argumentation.
Man verbindet damit — und das ist hier ohne jede Hemmung ausgesprochen worden — die Auffassung, daß die Gegner des Schumanplans auch Gegner des europäischen Zusammenschlusses sind und einer fortschrittlichen Entwicklung im Wege stehen. Auf der anderen Seite sehen sich die Befürworter des Schumanplans mit Stolz als Pfadfinder ins Neuland, als Pioniere des Fortschritts an, und der Kollege Dr. Henle ist sogar in der ersten Lesung des Gesetzes in der ihm gar nicht zu Gesicht stehenden Maske des Revolutionärs aufgetreten.
Es muß nachdenklich stimmen, so konservative
Leute plötzlich unter den Revolutionären zu sehen.
Das Nachdenken führt zu der Vermutung, daß die feurigen Fortschrittler im bürgerlichen Lager eine andere Vorstellung von Europa haben als wir.
Vielleicht bewegen sie auch ganz andere Motive als uns,
und vielleicht rührt daher die Differenz im Tempo und in der Methode.
Wir haben es gar nicht nötig, uns gegen den Vorwurf zur. Wehr zu setzen, schlechtere Europäer zu
sein als die Neo-Europäer des bürgerlichen Lagers.
Wir haben schon nach der internationalen Zusammenarbeit gerufen, als man im bürgerlichen Lager noch stramm national ausgerichtet das Zuchthaus für ,,die vaterlandslosen Gesellen" verlangt hat.
Gerade weil wir Europa wollen, sind wir voll Sorgen über den Weg, der hier beschritten wird. Wir fürchten, daß am Ende dieses Weges nicht die Vereinigten Staaten von Europa, sondern die vereinigten Interessenten von Europa stehen
und daß die Völker sich enttäuscht vom Europa-Gedanken abwenden.
Denn unter Europa verstehen die Massen der europäischen Völker die Übertragung wesentlicher Teile
der nationalen Souveränität an eine übernationale
Autorität, die demokratisch gewählt und kontrolliert wird und die Aufgabe hat, den Lebensstandard der sich zusammenschließenden europäischen
Völker auf ein möglichst hohes Niveau zu heben.
Die organisatorischen Einrichtungen des Schumanplans müssen uns, wenn wir sie mit unserer Zielsetzung in Beziehung bringen, enttäuschen, und es gereicht uns nicht zum Trost, daß es sich beim Schumanplan um eine auf Kohle, Eisen und Stahl beschränkte Integration handelt. Denn wir wissen, daß man sich mit dem Gedanken trägt, die Zuständigkeit der Organe des Schumanplans durch die Übertragung neuer Aufgaben zu erweitern. Der Herr Bundeskanzler hat selbst in seiner Rede vom 12. Juli 1951 anläßlich der ersten Lesung des Gesetzes davon gesprochen und erklärt, man habe bei der Schaffung des Schumanplans daran gedacht,
auch ein Vorbild für weitere wirtschaftliche Integrationsverhandlungen in Europa zu geben.
Er hat auch im gleichen Zusammenhang von der
dynamischen Kraft des Schumanplans gesprochen.
Es ist also damit zu rechnen, daß dieses Muster einer europäischen Integration entweder durch Ausdehnung seiner Zuständigkeit oder als Modell für weitere Integrationen das Gesicht des vereinigten Europas bilden wird, und wir finden, daß dieses Gesicht häßliche und unausgeglichene Züge trägt. Betrachten wir es im einzelnen!
Oberste Verwaltungsinstanz ist die Hohe Behörde. Sie soll eine über den Nationen stehende Behörde sein, also kein internationales koordinierendes, sondern ein supranationales regierendes oder mindestens verwaltendes Gremium. Der supranationale Charakter der Hohen Behörde ist zwar in den Vertragsbestimmungen festgelegt, und die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, diesen Charakter zu achten und nichts zu unternehmen, um die Mitglieder der Hohen Behörde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu beeinflussen. Mein Parteifreund Carlo Schmid hat schon bei der ersten Lesung mit überzeugenden Argumenten darauf hingewiesen, daß der supranationale Charakter der Hohen Behörde in Frage gestellt ist. Er wird nicht mehr sein als ein vertraglich festgelegter Wunsch. Ohne den guten Willen der Mitglieder der Hohen Behörde in Zweifel zu ziehen, wird man voraussagen können, daß nach den Erfahrungen mit international zusammengesetzten Gremien kaum jemand über seinen nationalen Schatten springen wird. Das wird man mit um so mehr Recht prophezeien können, als die Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen der Hohen Behörde häufig mit weittragenden Folgen für die Wirtschaft der vertragschließenden Völker verbunden sein werden und kein Mitglied die Folgen für seine Nation bei seiner Entschließung außer acht lassen oder beiseite schieben wird.
Wenn man das bei wechselnden Interessenlagen und daraus folgenden wechselnden Mehrheitsbildungen vielleicht noch hinnehmen könnte, so ist aber die Situation bei der Verwaltung von Kohle, Stahl und Eicen unerträglich; denn hier sind in den meisten Fällen die Interessen der anderen Teilnehmerstaaten einheitlich gegen die deutschen Interessen gerichtet, so daß der Berichterstatter bei der Debatte über den Schumanplan in der französischen Kammer, worauf schon hingewiesen worden ist, mit Recht gesagt hat, die Zusammensetzung der Hohen Behörde für Frankreich sei nicht ungünstiger als die der Internationalen Ruhrbehörde. Der Vertrag macht keinen Versuch, durch die Bildung der Hohen Behörde dem einzelnen Mitglied die ohnehin nicht leichte Zurückstellung nationaler Rücksichten zu erleichtern; denn die Mitglieder der Hohen Behörde werden nicht etwa von der Gemeinsamen Versammlung gewählt, sondern im wesentlichen von den Regierungen ernannt und müssen Mitglieder der vertragschließenden Staaten sein. Das gibt den Regierungen die Möglichkeit, standfeste Vertreter ihrer Interessen auszuwählen. Die Möglichkeit, nach Ablauf der Amtszeit wiedergewählt zu werden, sowie die Wiederwahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten, die ebenfalls nach dem Vertrag möglich sind, sind auch nicht gerade ein Anreiz für das Mitglied, sich mit der Regierung, die es berufen hat und die es wieder berufen soll, zu überwerfen. Es scheint mir deshalb keine Übertreibung zu sein, in der Bezeichnung der Hohen Behörde als übernationales Organ eine Fiktion zu sehen, die für Deutschland verhängnisvoll werden kann,
weil das ganze Vertrauen, das man auf die europäische Funktion des Schumanplans setzt 'und auch von uns verlangt, auf dieser Fiktion aufgebaut ist. Denn dieser Behörde werden für die Entwicklung unserer Volkswirtschaft entscheidende Befugnisse übertragen. Sie entscheidet über die Verteilung finanzieller Hilfe, über die Investitionen — wobei das immer unbenommene Recht der Selbstfinanzierung eines Unternehmens für uns bei der Finanzlage vieler unserer Unternehmen, ihrem Zustand, ihrem Nachholbedarf kein Trost sein kann —, über die Regelung der Erzeugung, über die Maßnahmen im Falle von Krisen durch Überproduktion oder bei Mangellagen, über die diskriminierenden Preise und die Einführung von Höchst- oder Mindestpreisen.
Wir geben den Schlüssel zu unserer Volkswirtschaft und damit die Entscheidung über den Lebensstandard und die soziale Entwicklung in der Bundesrepublik — nicht auf Diktat von Siegermächten, sondern freiwillig — aus unserer Hand und legen ihn nicht in die Hände einer europäischen, demokratisch gebildeten und kontrollierten Regierung, sondern in die Hände der Vertreter von Regierungen deren Interessen nur selten mit den unsrigen konform sind.
Auch wir wollen, daß Deutschland seine wirtschaftliche Kraft an der Ruhr nie mehr mißbraucht.
Auch wir sind Gegner jeglichen Totalitarismus.
Auch wir wünschen, daß das Siegerrecht in
Deutschland dem Vertragsrecht weicht. Wir sind
aber nicht bereit, dafür den Kaufpreis der Selbstentmannung der deutschen Wirtschaft zu bezahlen.
Wir sind bereit, unsere wirtschaftliche Kraft unter die Souveränität eines vereinten Europa zu stellen, aber wir sind nicht bereit, die Vereinigung Europas für die anderen Völker dadurch uninteressant zu machen, daß wir unser Einbringen vorher verschenken.
Wenn jemand noch zu hoffen wagte, daß die Hohe Behörde tatsächlich eine übernationale Instanz sei oder sich zu einer solchen entwickeln werde und daß der Schumanplan ein Grundstein zu einer übernationalen europäischen Organisation sei, so mußte durch die Einführung des Ministerrats die letzte Hoffnung schwinden. Die Einführung dieses zweiten Organs, das der Wahrnehmung der nationalen Interessen der Mitgliedstaaten dient, wird eine weitere Erschwerung supranationaler Entscheidungen bringen, zumal dieses Organ nicht nur das Recht auf Anhörung hat, sondern in einer Reihe wichtiger Fälle der Entscheidung der Hohen Behörde zustimmen muß, um sie rechtsgültig zu machen, ja. sogar in einigen Fällen selbst zur Entscheidung berufen ist. Da nicht in allen Fällen der Mitwirkung des Rates einstimmige Beschlußfassung gefordert wird, ist auch hier bei der Unterschiedlichkeit. ja Gegensätzlichkeit der- Interessenlage die Bildung einer Mehrheitsfront gegen Deutschland wahrscheinlich. Bei dieser Interessenlage ist
es wahrhaftig kein Trost für uns, daß Deutschland und Frankreich zusammen nicht von den anderen Mächten überstimmt werden können.
Der Schumanplan ist keine demokratische Organisation. Es besteht zwar nach dem Plan die Einrichtung der Gemeinsamen Versammlung, die sich aus 78 Abgeordneten zusammensetzt. Davon stellt Deutschland 18. Ebenso wie die Hohe Behörde nur scheinbar eine übernationale Organisation ist, ist diese Versammlung nur scheinbar eine demokratische Einrichtung. Wenn man sich die Rechte dieses Organs genauer ansieht, muß man den Mut bewundern, eine solche Einrichtung überhaupt mit dem Begriff der Demokratie in Verbindung zu bringen. Uns erfaßt die Sorge um die demokratische Gestaltung des europäischen Zusammenschlusses, wenn die Anfänge so aussehen. Schon die wesentliche Aufgabe eines Parlaments, die Regierung zu bilden, ist dieser Versammlung entzogen; denn die Hohe Behörde wird bekanntlich im wesentlichen von den Regierungen ernannt. Die Versammlung besitzt aber auch nur ein sehr eingeschränktes, praktisch kaum in Betracht kommendes Recht, die Hohe Behörde durch ein Mißtrauensvotum zu stürzen. Dieses Recht steht der Versammlung, wenn . ich den Art. 24 richtig verstehe, nur für den einen Fall zu, daß auf Grund des Jahresberichts ein Mißtrauensantrag eingebracht wird. Also nur die Kritik an den Berichten über die Geschäftsführung der Vergangenheit, nicht etwa die Kritik an den Zukunftsplänen kann zum Sturz der Hohen Behörde führen. Damit entfällt eine echte Einflußmöglichkeit der Versammlung auf die Politik der Hohen Behörde. Daß die Ausübung dieses kümmerlichen Rechts noch an die Erschwerung einer qualifizierten Mehrheit, nämlich einer Zweidrittelmehrheit der Abstimmenden und der einfachen Mehrheit der Mitglieder der Versammlung, geknüpft ist, gehört zum Bild der Entmachtung des einzigen, scheinbar demokratischen Organs der Montan-Union. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, daß das Mißtrauensvotum den Gesamtrücktritt der Hohen Behörde zur Folge hat, eine Folge, die 'den Entschluß der Versammlung sicher nicht gerade erleichtern wird.
Welche Wirkung hat nun dieses einmalige Recht, das Mißtrauen auszusprechen? Wie schon gesagt, muß die Hohe Behörde zurücktreten. Sie führt aber die Geschäfte bis zur ihrer Ablösung durch eine neue Hohe Behörde weiter. Die neue Hohe Behörde wird wiederum von den beteiligten Regierungen, nicht von der Versammlung ernannt. Das kann bedeuten, daß die Regierungen dieselben Personen, die eben zurückgetreten sind, erneut in die Hohe Behörde berufen. Wenn gelegentlich der Erörterung dieser Frage darauf hingewiesen worden ist, daß eine solche Möglichkeit auch in gewissen anderen demokratischen Ordnungen theoretisch bestehe und daß es in einem solchen Falle eben Sache des Parlaments sei, eine solche Mißachtung seines' Willens mit einem erneuten Mißtrauensantrag zu beantworten, so ist zu bemerken, daß dieser Vergleich hier nicht gestattet ist. Denn dieses Recht eines echten Parlaments, einer Mißachtung seines Willens durch ein zweites Mißtrauensvotum zu trotzen, steht der Versammlung der Montan-Union nicht zu. Sie hat nur ein einmaliges Recht auf ein Mißtrauensvotum auf Grund des Geschäftsberichts den Behörde über das vergangene Jahr. Sie hat kein Recht, einer erneut gebildeten Hohen Behörde — und wenn es dieselbe ist, der sie gerade das Mißtrauen ausgesprochen hat! ein erneutes Mißtrauen auszusprechen. Damit muß sie warten, bis nach einem Jahr die neue Hohe Behörde — in Wirklichkeit die alte Hohe Behörde — wieder einen Geschäftsbericht vorlegt. Dann kann sich das Spiel ad infinitum wiederholen.
Bedenkt man schließlich noch, daß die Versammlung ja nur einmal im Jahr zusammentritt — abgesehen von dem Recht auf außerordentliche Sitzungen —, daß ihr keinerlei Initiativrecht und ein Legislativrecht geradezu bemitleidenswerten Ausmaßes nur im Falle der sogenannten kleinen Revision übertragen ist, daß ihr das entscheidende Recht jedes Parlaments, das Etatsrecht fehlt, dann wird man mir nicht widersprechen können, wenn ich feststelle: das ist kein Parlament, das ist eine Empfangsstation für Jahresberichte,
das ist keine Demokratie, sondern eine falsche Flagge, unter der sich die Interessenten europäischer Länder zusammengeschlossen haben und unter der sie sich der demokratischen Kontrolle im eigenen Land weitgehend entziehen werden.
Im Interesse Europas und seiner echten demokratischen Integration müssen wir unsere Zustimmung versagen, daß am Anfang des Weges nach Europa zur Täuschung der Völker eine scheindemokratische Attrappe aufgestellt wird.
Hier wird nicht, wie es euphemistisch ausgedrückt worden ist, ein europäischer Teilbundesstaat errichtet, sondern hier handelt es sich, wie es schon einmal brutal ausgesprcohen worden ist, um den Zusammenschluß nationaler Manager mit Berichterstattungspflichten. Die Hoheitsaufgaben, die ihnen durch die vertragschließenden Staaten übertragen werden, werden der nationalen Kontrolle entzogen, ohne gleichzeitig einer übernationalen demokratischen Kontrolle unterworfen zu werden.
Wenn man schließlich bedenkt, daß es in Art. 48 Abs. 3 der Hohen Behörde geradezu zur Pflicht gemacht worden ist, sich zur Durchführung ihrer Aufgaben der Erzeugerverbände zu bedienen, so wird der Optimismus des Herrn Kollegen Henle und sein Mut zu Neuem, zu dem er uns auffordert, verständlich, und man begreift, warum er sich die Jakobinermütze der Revolution aufs Haupt zieht. Aber es ist eine Revolution nach rückwärts, die sich unter Vorantragen der Europafahne vollziehen soll.
An dieser Stelle drängen sich die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes auf. Dazu folgende Erwägungen. Der demokratische Charakter d'er Bundesrepublik ist in Art. 20 des Grundgesetzes verankert, er ist durch Art. 79 des Grundgesetzes sogar der Verfassungsänderung entzogen. Selbst wenn man einmal unterstellt, daß die Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 24 an über-\
ationale oder zwischenstaatliche Einrichtungen auch in diesem Falle zulässig ist, ist eine solche Übertragung nach dem unabänderlichen Grundsatz der demokratischen Gestaltung der Bundesrepublik
doch nur an eine zwischenstaatliche demokratische Einrichtung zulässig.
Die Organe der Montan-Union sind aber, wie ich glaube nachgewiesen zu haben, auch bei weitester Auslegung des Begriffs nicht als demokratisch zu bezeichnen.
Es erscheint mir mit dem Grundgesetz nicht vereinbar zu sein, daß wir den demokratischen Charakter der Bundesrepublik durch Übertragung bisher demokratisch kontrollierter Hoheitsrechte an undemokratische internationale Einrichtungen verfälschen.
Ein zweites Argument gegen die Verfassungsmäßigkeit: Das Grundgesetz garantiert den föderativen Charakter der Bundesrepublik. Die Zuständigkeiten der föderierten deutschen Länder sind im Grundgesetz festgelegt und können nicht durch einfaches Gesetz geändert werden. Immer die Anwendbarkeit ides Art. 24 des Grundgesetzes vorausgesetzt, bedeutet die Übertragung der nationalen Hoheitsrechte an die Hohe Behörde die Übertragung von Länderkompetenzen, z. B. der konkurrierenden Gesetzgebung,
der Aufgaben auf dem Gebiet der Verwaltung und der Rechtsprechung. Man soll hier den Anfängen widerstehen.
Das Beispiel könnte gefährliche Folgen haben, mit der Wirkung, daß durch zunehmende Aushöhlung der Länderkompetenzen der föderative Charakter der Bundesrepublik gestört, wenn nicht zerstört wird.
Es gibt Parteien in diesem Hause, 'die von der Wahrung der Länderinteressen leben. Sie sollen achtgeben, daß sie sich nicht durch Zustimmung zum Schumanplan die Grundlagen ihrer Existenz nehmen.
Ein drittes Argument will ich der Vollständigkeit halber nur erwähnen; es wird ausführlicher von meinem Parteifreund Wehner behandelt werden. Es ist die Unvereinbarkeit des Schumanplans mit der sich aus dem Grundgesetz ergebenden Vorstellung von der fortdauernden Existenz des Deutschen Reiches und der sich daraus ergebenden Aufgabe der faktischen Wiedervereinigung.
Schließlich ein letztes Argument für die Verfassungswidrigkeit. Der Art. 24 des Grundgesetzes gestattet die Übertragung von Hoheitsrechten an zwischenstaatliche Einrichtungen. Damit können nur solche Hoheitsrechte gemeint sein, die dem Bund zustehen, schon nach dem :Rechtssatz, daß niemand mehr Rechte übertragen kann, als er selbst besitzt. Daß Art. 24 nur Bundeshoheitsrechte meint, ergibt sich auch aus dem Abs. 2 dieses Artikels, der ausdrücklich von Rechten Ides Bundes spricht und nach den Kommentaren lediglich als Unterfall des Absatzes 1 des Art. 24 anzusehen ist. Schließlich ergibt sich die Auslegung, daß hier nur Bundesrechte gemeint sein können, aus dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik und der verfassungsmäßigen Garantierung dieses Aufbaues.
Ich würde mich freuen, wenn zu dieser Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes 'diesmal der zuständige Minister und nicht ein Beamter des Bundeskanzleramtes, wie in den Fragen der Wirtschaftspolitik, Stellung nehmen würde.
Wer schon bereit ist, sich über alle hier vorgetragenen, von der Regierung nicht abgestrittenen Bedenken gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen des Schumanplans hinwegzusetzen, der sollte vor den Schranken haltmachen, die wir uns im Grundgesetz selbst gezogen haben.
Nun noch ein Wort zur Frage der Mitwirkung der Arbeitnehmer in den Organen des Schumanplans. In diesem Hause ist das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Betrieben von Kohle und Stahl beschlossen worden, weil das Parlament von der Notwendigkeit der Beteiligung der Arbeitnehmer auch an den wirtschaftspolitischen Entscheidungen dieser Betriebe überzeugt war. Im Schumanplan ist von diesem neuen Geist, ohne den Europa auf die Dauer nicht wirksam integriert werden kann, kaum ein Hauch zu verspüren. Nur im Beratenden Ausschuß der Hohen Behörde, dessen Bedeutungslosigkeit schon der Name ausdrückt, ist von einer Beteiligung der Arbeitnehmer mit ganzen 25 % die Rede. Auch hier zeigt sich, daß die Vorstellung von Europa bei denen, die den Schumanplan wollen, von der unsrigen grundverschieden ist.
Mit besonderem Nachdruck wird gegenüber den Einwendungen und Hinweisen auf die Deutschland drohenden Gefahren von den Anhängern des Schumanplans auf den Gerichtshof verwiesen, der dazu berufen sei, über die Verwirklichung des Vertragsinhaltes zu wachen. Wir vermögen uns mit diesem Hinweis nicht zu beruhigen. Die gleichen Bedenken, die von mir gegen die supranationale Funktion der Hohen Behörde vorgetragen sind, gelten auch für die Mitglieder des Gerichtshofes, ohne daß damit der ehrliche Wille zur Objektivität in Zweifel gezogen werden will; aber auch diese Richter werden kaum über ihren nationalen Schatten springen können und werden nie die erheblichen Auswirkungen ihrer auf wirtschaftlichem Gebiet liegenden Entscheidungen auf ihre eigene Nation aus den Augen verlieren.
Es kommt hinzu, daß im Schumanplan dem Gericht Aufgaben übertragen werden, die gar nicht Aufgaben eines Gerichtes sein können.
Gerichte sind berufen, Tatbestände unter Rechtssätze zu subsumieren. Wenn aber ein Gericht angerufen wird, schwierige wirtschaftspolitische Entscheidungen nicht nur auf die Kompetenz oder Formgerechtigkeit, sondern auch auf etwaigen Ermessensmißbrauch zu untersuchen, so hat es das Gericht viel schwerer, mit einer solchen Aufgabe fertigzuwerden; denn wo nimmt ein solches Gericht die Maßstäbe her? Selbst wenn ihm bei der Prüfung des Ermessensmißbrauchs ausnahmsweise die Würdigung der auf wirtschaftlichen Tatsachen und Umständen beruhenden Verhältnisse gestattet ist, so weiß doch jeder, der mit wirtschaftlichen Fragen vertraut ist, wie unterschiedlich wirtschaftliche Verhältnisse zu beurteilen sind, so daß in der Vielzahl der Fälle ein Mißbrauch des Ermessens einfach nicht feststellbar ist, oder aber es werden nationalwirtschaftspolitische Maßstäbe bei der Prüfung des Ermessens sich einschleichen. Man soll also die Hoffnung auf den Gerichtshof nicht
überbewerten; er wird nicht in der Lage sein, die Mängel der Konstruktion und die Gefahr einer deutschen Majorisierung zu beseitigen.
Bei der Würdigung der Bedeutung des Gerichtshofs ist ferner zu beachten, daß die ihm zur Verfügung stehenden Zwangsmittel außerordentlich bescheiden sind. Der Herr Berichterstatter hat mit besonderem Nachdruck auf die Möglichkeit von Schadensersatzforderungen hingewiesen und sieht darin offenbar ein besonders wirksames Vollstreckungsmittel. Demgegenüber ist zunächst darauf zu verweisen, daß Schadensersatzansprüche nach Art. 40 grundsätzlich nur im Falle von Dienstfehlern bestehen. Nur im Falle der Aufhebung der Entscheidung der Hohen Behörde im Wege der Nichtigkeitsklage kann allgemein Schadensersatz gefordert werden, wenn die Behörde nicht die notwendigen Maßnahmen ergreift. Das gilt aber — und da unterscheide ich mich vom Herrn Berichterstatter — nicht in dem besonders wichtigen Fall des Art. 37, der die Anfechtung im Falle der Störung der Wirtschaft eines Mitgliedstaates behandelt. In diesem Fall ist, wie mir scheint, ein Schadensersatzanspruch im Gegensatz zu Art. 34 nicht gegeben; und gerade in diesem Fall hat der Herr Berichterstatter zu unserer „Beruhigung" auf die Möglichkeit der Schadensersatzforderung hingewiesen.
Im übrigen frage ich, aus welchen Mitteln die Gemeinschaft Schadensersatzforderungen begleichen will.
— Ja, einen Augenblick. Sie hat als Finanzierungsquelle nach Art. 49 nur die Umlage und die Anleihen. Die Anleihen dürfen nur zur Gewährung von Krediten verwendet werden. Die Umlagen aber, die durch die Belastung der Erzeugnisse erhoben werden, treffen am stärksten die Bundesrepublik, so daß wir keinen Grund haben, das Zwangsmittel des Schadensersatzes als eine besondere Beruhigung zu empfinden.
Der Herr Abgeordnete Stegner hat dargetan, der Unterschied in der Diskussion und in der Stellungnahme zum Schumanplan ergebe sich daraus, daß die Opposition und die Regierungsparteien den Schumanplan von verschiedenen Standpunkten aus betrachten, die Opposition vom Standpunkt einer statischen, d' e Regierungsparteien vom Standpunkt einer dynamischen Betrachtung aus. Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist gerade umgekehrt;
denn wenn man von einer statischen Betrachtung
ausgeht, wie das der Opposition unterstellt wird,
dann muß man j a zu dem Ergebnis kommen, daß
die Einrichtungen, die hier zum Nachteil Deutschlands bestehen. unabänderlich sind, daß die Ruhrbehörde, daß die Kontrollorgan'sationen, und was
immer an Einrichtungen geschaffen worden ist, unabänderliche Tatsachen sind, die nur durch die
Außenpolitik der Bundesregierung beseitgt werden können. Wir gehen von einer ganz anderen Erwägung aus. Wir sind der Auffassung, daß die
Fortschritte, über die sich der Herr Kollege
Stegner heute ausgesprochen hat, die ihm vor
sechs Jahren noch völlig unwahrscheinlich erschienen sind, nicht auf die „dynamische" Außenpolitik der Bindesregierung, sondern auf die Dynamik der Verhältnsse in der Welt zurückzuführen sind; diese hat uns diese Vorteile verschafft.
Wenn wir auf diese Dynamik weiter vertrauen — und darauf vertrauen wir mehr als auf die Dynamik der Außenpolitik der Bundesregierung —, dann wird uns manches in den Schoß fallen, was wir heute mit dem Schumanplan unter Aufgabe wichtiger wirtschaftspolitischer Souveränitäten in unserem Land erreichen wollen.
Deswegen warne ich davor, sich mit dem von Herrn Abgeordneten Stegner entwickelten Gedankengang für den Schumanplan auszusprechen. Warten Sie die Entwicklung ab! Die Dinge werden ebenso reifen, wie die anderen Dinge herangereift sind,
und wir werden auf diesem Wege nicht nur Deutschland, sondern Europa einen Dienst erweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Euler.
, Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Vorredner ist nicht davor zurückgeschreckt, das Pathos herabzusetzen, das nicht nur hier bei uns, sondern auch in der französischen Kammer hervorgetreten ist. Jawohl, auch wenn es Ihnen noch so unverständlich erscheinen mag, es ist richtig, die Toten als Mahnung anzurufen, wenn es sich darum handelt, über Annahme oder Nichtannahme dieses Schumanplan-Vertrags zu entscheiden. In der französischen Kammer war es nach allen Schilderungen, die von dem Verlauf der Kammersitzung gegeben wurden, einer der ergreifendsten Augenblicke, als Außenminister Schuman die Toten des Weltkrieges anrief, indem er sagte, es dürfe zwischen Deutschland und Frankreich und es dürfe im Westen Europas zwischen den Völkern, die gemeinsam für Recht und Freiheit eintreten wollen, nie wieder einen Krieg geben. Der Schumanplan ist ein, und zwar das erste Mittel, um zu verhindern,
,
daß zwischen den europäischen Völkern wieder Krieg sein kann.
Herr Kollege Veit hat sich dagegen gewehrt, daß die Gegner des Schumanplans auch als Gegner Europas angesprochen werden, und er hat erneut in einem Sinne, der auf Verächtlichmachung angelegt war, von den „Neu-Europäern" gesprochen. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Die Parteien, d e heute als Regierungsparteien für die Annahme des Schuman-plans eintreten und die ganze Außenpolitik bis zu dem Augenblick getragen haben, in dem diese Politik möglich war, sind in ihrer großen Mehrheit diejenigen, die damals
die Regierung Stresemann und Brüning getragen haben,
also eine Politik, die leider damals nicht durchgesetzt wurde, sondern einer nationalen Rückwendung eigentlich in allen westeuropäischen Völkern zum Opfer gefallen ist.
Damals haben Sie allerdings die Tendenzen einer Verständigungspolitik, einer Politik, 'die darauf angelegt war, einen Krieg in Europa nicht wiederkehren zu lassen und zu diesem Zweck den Versaller Vertrag durch eine — auch damals ging es darum — auf Gleichberechtigung beruhende Wohlordnung Europas zu ersetzen, mit getragen.
Es wäre besser, Sie würden das auch heute tun, statt daß Sie die Stellung der Opposition benutzen, nicht um nationale Gefühle unseres Volkes anzusprechen, sondern nationalistische Affekte zu entfachen.
Und deshalb wird Ihre Politik
trotz der Spekulationen, die ihr zugrunde liegen, nicht zum Erfolg führen. Dem gesunden Nationalgefühl ist längst offenbar, wie nötig es ist, die europäischen Völker diesseits des sowjetischen Machtbereichs zusammenzuführen, gerade um mit den Mitteln des Friedens die Trennung Deutschlands und die Trennung Europas auf die Dauer zu überwinden.
Die Vereinigten Staaten von Europa sind unser Ziel. Aber Sie sollten wissen — und im Grunde genommen wissen Sie es j a sehr genau —, daß dieses Ziel nicht mit einem Ansprung zu erreichen ist. Es ist auch nicht dadurch zu erreichen, daß man zu vermittelnden Lösungen, zu Stufen auf dem Wege zu den Vereinigten Staaten von Europa ständig nein sagt und entsprechend handelt.
Es bedarf vielmehr auf dem Wege zu der europäischen Föderation, die wir herbeisehnen, jener Mittel, jener gemeinschaftlichen Veranstaltungen auf den verschiedenen Gebieten, die den europäischen Völkern zunächst einmal Gelegenheit zu einer Zusammenarbeit geben, um das vom Weltkrieg her verbliebene Mißtrauen noch weiter zu überwinden. Es war in den vergangenen Jahren die schwierige Aufgabe, das Mißtrauen, die Gefühle der Abneigung und des Hasses zu überwinden und durch Vertrauen zu ersetzen. Dieses Vertrauen muß erworben sein, dieses Vertrauen muß verdient sein. Es wird nicht geschenkt. Glauben Sie nicht, daß uns die Erfolge, die Sie als solche der Zeit bezeichnen, geschenkt worden sind! Nein, sie sind sehr wohl hervorgegangen aus einer bestimmten Art von Außenpolitik.
Diese Außenpolitik war ständig darauf angelegt, das Interesse des deutschen Volkes dadurch zu wahren, daß man das gemeinsame Interesse aller europäischen Völker herausarbeitet und deshalb in einer Richtung geht, die zu dem Ziele führen soll, immer mehr die Gleichgeordnetheit der nationalen Interessen eines jeden Volkes und des gemeinsamen Interesses der europäischen Gesamtheit zu verwirklichen.
Sie erwarten eine europäische Regierung, die demokratisch kontrolliert wird. Niemand erwartet sie sehnlicher als wir. Aber S_e wissen ganz genau, daß in dieser Zeit die umfassende wirtschaftliche und politische Föderation Europas noch nicht zu erreichen ist. Sie wissen sehr genau, wie groß gerade in den westlichen Ländern ursprünglich die Widerstände sogar gegen eine Teilregelung wie den Schumanplan gewesen sind und daß es einer allzu langen, anderthalbjährigen Diskussion in den verschiedenen Ländern bedurfte, um die öffentliche Meinung allmählich für den Gedanken eines sehr begrenzten Teilzusammenschlusses auf wirtschaftlichem Gebiet zu gewinnen.
Es ist mir völlig unverständlich, wie Herr Kollege Veit von einer „Selbstentmannung der deutschen Wirtschaft" sprechen kann, die der Schuman-plan herbeiführe, während doch gerade all die Fesseln, die auf Produktion und Kapazität von Kohle, Eisen und Stahl lagen, all jene Fesseln, die uns im Zeichen der Morgenthau-Politik während der Jahre nach 1945 angelegt waren, durch den Schumanplan jetzt abgenommen werden. Es muß doch gesehen werden, daß die Beendigung des Ruhrstatuts, der Wegfall der Ruhrbehörde, die Beendigung der Funktionen des Militärischen Sicherheitsamtes, was Kohle, Eisen und Stahl anbelangt, der Wegfall der Kontrollgruppen, der Wegfall der Bindung an den Zustand, der aus der Entflechtung hervorgeht, sobald diese abgeschlossen ist, ganz entscheidende Fortschritte für uns bedeuten, Fortschritte allerdings, die ebensowohl im deutschen wie im gesamteuropäischen Interesse liegen.
Wir sind gewiß, daß die Sozialdemokratie, wenn eine sozialistische Regierung in Deutschland derartige internationale Erfolge errungen hätte, in Deutschland unermüdlich den Ruhm der Regierung, die solche Erfolge erzielte, verkünden würde. So empfinden Sie ein außerordentliches Mißvergnügen, weil Sie sich als Opposition berufen glauben, die Außenpolitik zu bekämpfen, nur weil die Regierung, die sie trägt, und die Parteien, die sie tragen, von Ihnen mit Betonung als feindlich empfunden werden. So leicht kann man es sich nicht machen,
daß man in der Bevölkerung eine Außenpolitik propagiert, von der man weiß, man könnte sie, wenn man Regierungspartei wäre, gar nicht durchtragen, weil, wenn Sie wirklich als Regierungspartei die Außenpolitik des ständigen Nein-Sagens und der Verneinung im Tun gegenüber allen Bemühungen, eine europäische Einheit zustande zu bringen, betrieben, Deutschland in eine neue Isolation hineinführen würden, viel gefährlicher und hoffnungsloser als die Isolation, in die Hitler das deutsche Volk hineingeführt hat.
Ihr Mißvergnügen am Schumanplan hat allerdings noch einen anderen Grund, der ebenfalls sehr einleuchtend ist: Der Schumanplan ist kein sozialistischer Plan, sondern ein Plan freiheitlicher Wirtschaftsführung, der' in erster Linie darauf angelegt ist, einen Zustand der Marktgemeinsamkeit herzustellen, in dem Schranken, Hemmnisse beseitigt werden, die der Gleichmäßigkeit der Wettbewerbsbedingungen für alle Wettbewerbsteilnehmer entgegenstanden.
Wir gehen sehr bewußt diesen Weg Europas, der über den Schumanplan führt, weil wir überzeugt sind, daß gerade der Schumanplan die Energien vervielfältigen wird, die in Europa auf umfassendere Regelungen föderalistischer Art gerichtet sind.
Wie groß das Unverständnis in Ihren Reihen gegenüber dem Schumanplan ist, hat das gezeigt, was Herr Kollege Veit im einzelnen über die Organe des Schumanplans gesagt hat. Wenn eine europäische Föderation zustande kommt, dann wird sich zwar erweisen, daß ihre Verfassung ganz anders strukturiert sein muß als die des Schuman-plans. Das ist selbstverständlich, denn der Schumanplan ist nicht eine umfassende Föderation, er ist lediglich eine Vereinigung für einen sehr beschränkten wirtschaftlichen Zweck. Deshalb kann man die Organe des Schumanplans und ihre Funktionen nicht an den Organen eines Bundesstaates oder eines Staatenbundes messen. Der wesentliche Unterschied zu einer europäischen Verfassung, die die Verfassung eines europäischen Staatenbundes oder Bundesstaates wäre, liegt nämlich darin, daß das Gesetzesrecht der Montangemeinschaft nicht fortlaufend durch ein Gesetzgebungsorgan erzeugt wird, sondern durch einen einmaligen Akt im Vertrag umfassend geschaffen ist. Der Vertrag selbst umfaßt prinzipiell das gesamte Gesetzesrecht, und nur durch Ausführungsbestimmungen, die Verwaltungsanordnungen sind, ist dieses prinzipiell beschlossene Recht, wie es im Vertrag niedergelegt ist, ergänzbar oder aber durch gemeinschaftsinterne Revisionsakte abänderbar. Im Wesen dieser Montan-Union liegt also von vornherein, daß eine Legislativfunktion im Sinne der Notwendigkeit einer dauernden Erzeugung neuen Rechtes, die in jedem Staat durch das Legislativorgan stattfindet, nur in einem sehr geminderten Maß vorhanden sein kann.
Umgekehrt ist — was wesentlich damit zusammenhängt — die Justizfunktion in dieser Montangemeinschaft 'außerordentlich gesteigert. Denn für das Gedeihen dieser Montan-Union ist offenbar schlechthin entscheidend, daß die Exekutivorgane — die Hohe Behörde, in abgeschwächtem Maße der Ministerrat und der Beratende Ausschuß — nicht willkürlich handeln, sondern daß sie sich bei ihren Entscheidungen auf das strikteste durch Geist und Wortlaut des Vertrags, d. h. des Gesetzes dieser Gemeinschaft, leiten lassen. Um dies sicherzustellen, waren die Akte der Exekutivorgane in höchstmöglichem Umfang der richterlichen Kontrolle zu unterwerfen. Das ist erfreulicherweise geschehen. Denn nicht nur 'die allgemeinen Anordnungen, sondern auch die individuellen Verwaltungsakte unterliegen in weitestem Maße der richterlichen Nachprüfung. Dies zu gewährleisten war schlechthin ausschlaggebend, weil nur die richterliche Nachprüfung ein Höchstmaß erreichbarer Objektivität verheißt.
Die politische Kontrolle durch ein parlamentarisches Kontrollorgan darf zwar auch im Rahmen der Montan-Union nicht unterschätzt werden. Sie wäre jedoch allein ein schlechtes Mittel, um rechtswidriges Verhalten der Exekutivorgane aus politischen Gründen auszuschließen. Gerade der politische Mißbrauch der Exekutivaufgaben muß ausgeschlossen werden, wenn nicht die Gefahr drohen soll, daß durch die Exekutive der Montan-Union überall Rückschläge gegen den Europa-Gedanken ausgelöst werden, die eine weitere europäische Entwicklung außerordentlich stören könnten.
Die richterliche Stellung und das richterliche Ethos der im Gericht der Montan-Union tätigen Persönlichkeiten gewährleisten ein Höchstmaß von Bindung an das Gesetz, unter der einen Voraussetzung, die ebenfalls vorliegt, daß nämlich die Normen hinreichend exakt sind, 'daß sie präzise Anweisungen an die Exekutivorgane enthalten. Erfreulicherweise ist der Montanpakt so gestaltet worden, daß die einzelnen Bestimmungen über das, was den Exekutivorganen zur Richtschnur dienen soll, hinreichend genau abgefaßt sind. Sie gehen weit über den Rahmen unverbindlicher oder konkret schwer faßbarer allgemeiner Anweisungen hinaus.
Diese entscheidende Sach- und Rechtslage hat Kollege Dr. Schmid in der ersten Lesung nicht gebührend gewürdigt. Denn sonst hätte er in der 161. Sitzung vom 12. Juli nicht folgendes ausführen können:
Dann ist noch der Gerichtshof da. Aber dieses Gericht kann nach seiner Zuständigkeit über wirtschaftliche Tatbestände nicht entscheiden. Es ist ihm untersagt,
— so fuhr Kollege Schmid fort —
die wirtschaftlichen Tatsachen und Umstände zu prüfen, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht. Insoweit als Faktisches zweifelhaft ist, wird der Gerichtshof keine Hilfe sein können. Diese Beschränkung seiner Kompetenz ist natürlich und normal. Ein Gericht kann solche Entscheidungen nicht treffen. Man sollte sich dann aber nicht von diesem Gericht wesentliche Hilfe versprechen.
Diese Ausführungen, die damals Kollege Schmid gemacht hat und die einen wesentlichen Punkt des Schuman-Vertrags wenigstens ansprechen, sind falsch; sie sind rechtsirrig. Sie sind nach dem Vertrag unhaltbar. Um dies darzutun, muß ich in eine genaue Darlegung eintreten, inwieweit die richterliche Nachprüfung des wirtschaftlichen Ermessens der Hohen Behörde beschränkt ist.
Die Beschränkung der Hohen Behörde ist im letzten Satz des Abs. 1 von Art. 33 des Schuman-plans ausgesprochen. Er beschränkt in gewissem Umfang die richterliche Nachprüfung. Aber diese Beschränkung ist sehr eng gefaßt. Die Beschränkung schließt nämlich die richterliche Nachprüfung insoweit nicht aus, als sich die richterliche Nachprüfung auf Tatsachenfeststellungen richtet, mag es sich bei diesen Feststellungen auch nur um solche schätzender Art handeln. Die Beschränkung des Gerichts bezieht sich nur auf wertende Würdigungen, nicht aber auf Tatsachenfeststellungen. Selbst bei den wertenden Würdigungen sind diejenigen ausgeschlossen, die die einzelnen Elemente für eine Subsumtion geben. Lediglich die Gesamtwürdigung einer Lage ist ausgeschlossen, nicht aber eine Einzelwürdigung, die sich unmittelbar auf wirtschaftliche Tatsachen gründet. Die Hohe Behörde ist nur insoweit beschränkt, als sie, aus den Elementen des Urteils ihre Würdigung zusammenfassend, ein Bild der Gesamtlage abgibt. Das zusammenfassende Subsumtionsurteil unterliegt der Beschränkung nach Art. 33 Abs. 1 letzter Satz, nicht aber ein Einzelurteil und nicht die Tatsachenfeststellung, auch wenn sie nur geschätzter Art ist.
Auch soweit die Beschränkung Platz greift, bleibt aber ein sehr weiter Raum der Nachprüfung. Wenn beispielsweise der Vorwurf erhoben wird, daß sich die Hohe Behörde von -unsachlichen, insbesondere politischen Motiven habe
leiten lassen, kann unter diesem Gesichtspunkt schlechthin unbeschränkt in die Nachprüfung ein-. getreten werden.
Gleiches gilt, wenn 'der Vorwurf eines Rechtsverstoßes erhoben wird. Auf den Vorwurf des Rechtsverstoßes hin ist das Gericht nicht nur nicht gehindert, sondern im Gegenteil genötigt, in die Nachprüfung einzutreten. Weiter ist hervorzuheben, daß in wichtigen Fällen die Beschränkung nach Art. 33 Abs. 1 überhaupt nicht Platz greift.
Schließlich bleibt darauf hinzuweisen, daß die Möglichkeit, das Verfahren der Rechtskontrolle wirksam zu machen, insofern außerordentlich erleichtelt wurde, als sowohl der Ministerrat wie auch jeder einzelne Mitgliedstaat, die Unternehmen und die Verbände den Gerichtshof anrufen können, die Unternehmen zusätzlich auch im Verfahren der Inzidenzkontrolle, wenn gegen sie Strafen festgesetzt werden sollen.
Der Zusammenhang all dieser Bestimmungen, die reichen Zuständigkeiten, die der Behörde gegeben sind, dazu der umfassende Charakter der Normen haben 'Kritiker des Schumanplans zu dem Vorwurf geführt, daß im Schumanplan geradezu ein „justizstaatlicher Fanatismus" wahrnehmbar sei.
Nun wird diese ganz intensive, von allen Beteiligten jederzeit leicht geltend zu machende richterliche Kontrolle durch die politische Kontrolle der Versammlung ergänzt. Ich hatte schon darauf hingewiesen, daß der Natur dieses Vertrages gemäß von einer gesetzgebenden Funktion dieser Versammlung eigentlich keine Rede sein kann, weil das Gesetzesrecht prinzipiell abschließend im Vertrag selbst festgesetzt ist und es sich lediglich darum handeln kann, daß zu diesem Gesetzesrecht, I wie bei allen Gesetzen, Verwaltungsanordnungen erforderlich sein können. Im übrigen kommt nur der -Akt der gemeinschaftsinternen sogenannten „kleinen Revision" in Frage. In diesem Falle ist aber die Versammlung als gesetzgeberisches Organ bei dem Vorgang der Revision beteiligt.
Wesentlicher als die gesetzgebende Aufgabe der Versammlung ist, wie gesagt, die direkte Kontrolle der Hohen Behörde. Wir bedauern mit der Sozialdemokratie, daß es nicht möglich war, der Versammlung ausgedehntere Kontrollrechte gegen-. über der Hohen Behörde zu geben. Immerhin darf nicht verkannt werden, daß die Versammlung nicht nur während der vorgesehenen ordentlichen Tagung der Versammlung in jedem Jahr im Zusammenhang mit der Erstattung des Jahresberichts die Hohe Behörde stürzen kann, sondern es muß doch gesehen werden, daß die Versammlung ein Selbstversammlungsrecht und auch wenigstens das Recht parlamentarischer Interpellation an die Hohe Behörde erhalten hat.
Die Stärke der demokratischen Garantie, die im Montanpakt liegt, kann also nur erfaßt werden, wenn man außer der demokratischen Kontrolle der Versammlung gegenüber 'der Hohen Behörde auch die außerordentlich intensive richterliche Kontrolle gegenüber dem Exekutivorgan sieht. Das Schwer-' gewicht liegt dabei natürlich in der richterlichen Kontrolle; und sie ist ganz außerordentlich wesentlich in einem Anfangsstadium neuer europäischer Geschichte, damit das europäische Gemeininteresse gerade durch Instanzen von richterlicher Objektivität sauber entwickelt wird.
Wir sind uns darüber im klaren, daß es von schlechthin entscheidender Bedeutung ist, für die Hohe Behörde Persönlichkeiten zu gewinnen, die ein ganz starkes, ausgeprägtes Empfinden für die Notwendigkeit der Entwicklung des europäischen Gemeininteresses haben. Auch hier ist es so, daß der Geist der Institutionen in nicht geringem Maße durch den guten oder bösen Willen der Persönlichkeiten bestimmt wird, die in diesen Institutionen tätig sind.
Und da möchte ich das eine hervorheben: Es ist nicht richtig, was Kollege Schmid schon in der ersten Lesung des Schumanplans gesagt hat und was heute auch von den verschiedensten sozialdemokratischen Rednern wiederholt wurde — daß nur zu wählen sei zwischen der Verleugnung des nationalen Interesses und der Wahrnehmung des europäischen Interesses. Als ob nationales Interesse und europäisches Interesse kaum in Einklang zu bringen wären! Es ist vielmehr im Gegenteil so, daß heute das wohlverstandene Nationalinteresse in der Wahrung des europäischen Gesamtinteresses liegt. Das wird sehr schnell hervortreten, wenn gerade durch die Beseitigung der Handelsschranken, der Zollschranken, der politischen Grenzen in ihrer wirtschaftlich trennenden Bedeutung ein gemeinsamer Markt geschaffen wird, der im Europa dieses Jahrhunderts genau dasselbe zur Folge haben wird, was im 19. Jahrhundert die deutsche Zollunion auf deutschem Boden zur Folge hatte,
nämlich eine Potenzierung, eine Vervielfältigung der Leistungsfähigkeit des Marktes und damit eine Vervielfältigung der Produktionsmöglichkeiten und der Beschäftigungsmöglichkeiten.
Der Schutz gegen den Mißbrauch der Möglichkeiten, die im Schumanplan liegen, ist natürlich auch nicht mit völliger Sicherheit durch die Art der Zusammensetzung der Hohen Behörde und der anderen Organe zu erreichen. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, auf eines darf man vertrauen: der Druck, der auf Europa lastet, wird in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch mehr als bisher dahin wirken, daß die europäischen Völker stärker, als es die Vergangenheit zuließ, ihr Gemeininteresse erkennen. Und je größer der zeitliche Abstand vom zweiten Weltkrieg mit seinen seelischen und geistigen Verwüstungen wird, um so mehr müssen die europäischen Völker zur Klarheit geweckt werden, damit ihnen bewußt wird, daß sie zusarrhmenstehen müssen, um gemeinsam der Gefahr aus, dem Osten begegnen zu können. Entweder: sie gehen einzeln unter oder — diese Wahl haben sie — sie bestehen gemeinsam. Und wir sind gemeinsam mit` den anderen Völkern des Westens entschlossen, die vom Osten drohende Gefahr zu bannen.
Aus diesen Gründen darf man auch nicht glauben, eben weil die 'Entwicklung eines europäischen Gemeininteresses in den nächsten Jahren schnelle Fortschritte machen wird, daß wir in der MontanUnion — sei es nun in der Hohen Behörde oder im Beratenden Ausschuß oder in der Versammlung bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Fragen — immer einer geschlossenen Einheit der anderen Länder gegenüberstünden. Das wird nicht der Fall sein. '
Wie richtig unsere Annahme ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, dürfte sich am überzeugendsten daraus ergeben, daß 'dieselbe Befürchtung, die hier von deutscher Seite geäußert wird,
drüben in Frankreich bei der Kammerdebatte sehr überzeugend von französischer Seite dargelegt wurde:
Es besteht die Gefahr, daß die Stimme Frankreichs in den Organen der Gemeinschaft des Schumanplans und insbesondere in der Hohen Behörde und im Ministerrat nicht zur Geltung kommt. Denn es steht nichts im Vertrag, was die Bildung einer Konvention gegen die französischen Interessen verhindert.
Das sagte in der französischen Kammerdebatte der Abgeordnete Adolphe Aumeran, ein Unabhängiger, und darauf erwiderte der Außenminister Schuman unter Hinweis auf dieselben entscheidenden 'Gesichtspunkte der Entwicklung eines europäischen Gemeininteresses:
Die Mitglieder der Hohen Behörde werden stets und in jeder Beziehung im Dienste einer Gemeinschaft stehen, in der sich die nationalen Interessen verschmelzen. Jedes Land wird von dem Reichtum der Gesamtheit profitieren, und dieses Gefühl wird uns von einem Protektionismus befreien, ,der uns nur illusorische Garantien gebracht hat. Er weicht einer engen und tatsächlichen Solidarität der Interessen, die uns in wirksamer und dauerhafter Weise schützen wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesen Ausführungen des Außenministers Schuman ist sehr richtig der entscheidende Kern enthüllt, daß wir in Europa einer Entwicklung entgegengehen, daß wir eine Entwicklung verwirklichen müssen, die zur Folge hat, daß das europäische Gemeininteresse als ein Mittel erscheint, um am besten den Interessen der einzelnen Völker der europäisehen Staaten zu dienen.
Herr Kollege Schmid hat in der ersten Lesung gemeint, es werde die Objektivität der Personen in der Hohen Behörde und auch der Persönlichkeiten im Gericht der Montan-Union um so weniger gewährleistet sein, als das Damoklesschwert einer kurzfristigen Vertragsauflösung nicht über der Montan-Union schwebe. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es schwebt ein ganz anderes Damoklesschwert als Gefahr über der Europagemeinschaft. Diese Gefahr ist die einer unheilbaren Entwertung des Europagedankens. Jeder Mißbrauch im Rahmen der Hohen Behörde, jeder Mißbrauch im Rahmen des Gerichts, der von den europäischen Völkern empfunden wird, bringt die Gefahr mit sich, daß das, was wir brauchen: den Schritt nach vorn zur Verwirklichung Europas, verhindert wird, daß eine Entwicklung eintritt, die die europäischen Völker wieder in die Isolation 'voneinander treibt. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, in dem Maße, wie die nationalstaatlichen Barrikaden zwischen den europäischen Völkern wieder in die Höhe wachsen, in dem Maße, wie sich diese Völker mißverstehen, in dem Maße, wie sich diese Völker wieder entfremden, wie sie dann ein Opfer des Mißtrauens werden, ein Opfer der Eifersucht, ein Opfer schließlich des Hasses — in dem Maße wachsen die Chancen für den Träger der Gefahr aus dem Osten.
Wir können uns aber nicht denken, daß die Regierungen und die Persönlichkeiten, die von ihnen mit entscheidenden Aufgaben in der Hohen Behörde und in den anderen Organen betraut werden, keinen Sinn haben für das, was heute in Europa auf dem Spiele steht: der Verlust oder aber die Sicherstellung der Existenz der einzelnen europäischen Völker im Rahmen einer Gemeinschaft dieser europäischen Völker nicht nur, sondern darüber hinausreichend aller freien Völker der Welt.
Wenn der Schumanplan seinen Zweck, Schrittmacher der europäischen Einheit zu werden, erfüllen soll, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann nur über eine sehr lang dauernde Bindung, eine fünfzigjährige Bindung, die besagt, es soll dieser Schritt nicht wieder rückgängig gemacht werden; eine fünfzigjährige Bindung, die besagt, es soll kein Zurück mehr in die nationalstaatliche Zerrissenheit geben, es soll nur ein Vorwärts geben zur wirtschaftlichen und politischen Einheit Europas. Die fünfzig Jahre bieten uns die Gewähr dafür, daß binnen fünf Jahren der Schumanplan durch eine europäische Föderation überholt ist.
Darin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liegt kein Vorbehalt gegenüber dem Schumanplan, sondern damit ist nur die 'Überzeugung ausgesprochen, daß wir eine stärkere und umfassendere Einheit in Europa brauchen, als sie der Schumanplan als Ausgangsstadium herstellen konnte. Der Schumanplan ist nur ein Anfang auf einem Wege, der gerade durch 'den Willen zu einer langen Bindung beschleunigt zurückgelegt werden kann. Der Schumanplan wird nicht entmutigend wirken in Europa, er wird nicht entmutigend wirken sonst in der Welt, er wird nicht entmutigend wirken in den USA, sondern er wird überall als das Zeichen für einen hoffnungsvollen Start empfunden werden. Er wird überall die Hoffnung in die Zuversicht verwandeln, daß dieser SchumanplanGemeinschaft bald andere begrenzte Gemeinschaften folgen werden und daß diese verschiedenen begrenzten Gemeinschaften, wie beispielsweise die Verteidigungsgemeinschaf t, auch dazu beitragen werden, den hündischen Gedanken als solchen so schnell zu entwickeln, daß die Völker in zwei, drei oder fünf Jahren zu einer totalen Vereinigung, einer Vereinigung in einem bündischen Staat, in einem Bundesstaat bereit sein werden, für die sie heute noch nicht reif sind. Der Schumanplan ist ein Anfang.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Veit sind zwei Grundthesen erkennbar gewesen, die von der sozialdemokratischen Opposition in den außenpolitischen Fragen bereits seit längerem vorgebracht werden. Die erste dieser Thesen lautet, man dürfe diese Hoheitsrechte nicht an die Vertretungen der Regierungen übertragen, der nationalen Regierungen, die in ihrem Verhalten nach dem Siege über Deutschland eine den Lebensinteressen Deutschlands abträgliche Haltung bewiesen hätten; nach dem Konzept der Sozialdemokratischen Partei sei es nur möglich, ein Europa zu bauen, in dem solche Rechte an eine demokratisch kontrollierte und demokratisch zustande gekommene Regierung abgegeben würden. Das war die eine der Grundthesen.
Die zweite These lautet, das, was man an Verbesserungen des Status unseres Landes erkennen könne, sei eine Folge und Frucht der Weltlage; wir sollten damit rechnen und Zurückhaltung üben, damit sich die Dynamik dieser Weltlage auf uns auswirken könne, damit uns Früchte als Geschenke in den Schoß fielen, die wir so nur durch Aufgabe von Positionen mühsam erwerben würden.
Ich kann beide Grundthesen, die von Herrn Kollegen Veit namens der Opposition vorgetragen worden sind, nicht anerkennen. Die erste, daß man nur an eine demokratisch zustande gekommene Organisation Rechte übertragen dürfe, setzt einen Perfektionismus voraus, setzt nämlich voraus, daß die gesamteuropäische Verfassung in allen ihr zugrunde liegenden politisch überaus schwierigen Fragen, daß die Verfassungswirklichkeit Gesamteuropas bereits vollendet ist. Diese These bedeutet also, wenn man den Unterschied zwischen Verfassungswirklichkeit und den juristischen Formen einer Verfassung zu verstehen und anzuerkennen vermag, daß man nicht bereit ist, den Weg des konkreten praktischen Herausbildens einer solchen neuen politischen Form mitzugehen, daß man etwas vorwegnehmen will, das überhaupt erst noch geschaffen werden muß. Das bedeutet also eigentlich die Verneinung eines praktischen Weges, auf dem eine Einigung Europas überhaupt nur zustande kommen kann. Denn dieses, das Bilden einer demokratischen Regierung auf der Grundlage einer demokratischen Kontrolle und eines demokratisch gewählten Parlaments, durch Urwahlen in ganz Europa zustande gekommen, wäre ,die Krönung, der Schlußstein der europäischen Einigung. Aber jeder, der die Dinge — wie Herr Kollege Veit es ausgedrückt hat — nüchtern und realistisch in ) ihrer unerhörten Schwierigkeit, unter der sie im Völkerleben zustande kommen, zu beurteilen weiß, wird zugeben müssen, daß man nicht mit dieser Krönung des Baues anfangen kann.
Die zweite These ist die der Dynamik der Weltlage. Natürlich, das, was an Besserung bei uns zu verzeichnen ist — ich nenne es: große Erfolge unserer Bundesregierung —, hat in der allgemeinen Dynamik der Weltlage seine Begründung, seine Voraussetzung. Aber es ist doch von jeher die staatsmännische, die diplomatische Aufgabe, die Aufgabe einer Außenpolitik, sich den Gegebenheiten der Weltlage in günstiger, befördernder Form anzupassen. Also hinter diesem Argument, daß die gebratenen Tauben uns sozusagen in den Mund fliegen könnten, versteckt sich meiner Ansicht nach ein ganz anderes, nämlich das von der Außenpolitik der Passivität, des Sich-Versagens. Verzeihen Sie, meine Herren von der Opposition, ich habe hier doch die Befürchtung, ich möchte nicht sagen: den Verdacht — das wäre nicht ganz fair —, aber die Befürchtung, daß sich dahinter ein Konzept verbergen könnte, das haargenau und sehr scharf beim Konzept der Neutralisierung landen könnte.
— Nein, das ist meine Überzeugung; denn ich bringe hier keine Argumente vor, die sozusagen nur hergesucht wären, um der Opposition etwas am Zeuge zu flicken.
-- Nun, ich kann Sie nicht überzeugen, Herr Kollege Schoettle.
— Jedenfalls kommt es mir besonders bei diesem Gegenstand darauf an, in wirklicher Überzeugung zu sprechen; denn das, was hier geschaffen werden soll, trifft Sie genau so wie uns. Die Verantwortlichkeiten, die zu tragen sind, sind unter allen Umständen von Deutschland gemeinsam zu tragen. Deshalb wäre es sehr wenig angebracht, Argumente vorzutragen, die nicht ganz stichhaltig sind. Sie müssen mir aber schon, wenn zwei so wichtige Grundthesen von Herrn Kollegen Veit vorgetragen werden, das Recht zugestehen, daß ich dagegen auch unsere Argumente ins Feld führe. Ich halte diese Thesen, wie gesagt, nicht für stichhaltig.
Ich habe auch nicht behauptet, daß jene These von der automatischen Wirkung der Dynamik der Weltlage, die uns mühelos Erfolge in den Schoß werfen könnte, identisch sei mit einer These der Neutralität. Aber sie setzt immerhin Passivität voraus, und aus einer außenpolitischen Haltung der Passivität
und des Sichversagens, des Nein-Sagens — einer Haltung, die die Äußerlichkeit sehr charaktervoller Festigkeit für sich hat — können, wenn Sie die Dynamik der Weltlage betrachten, Konsequenzen entstehen, die auf ein Neutralisierungskonzept hinauslaufen.
Gegen dieses verderbliche, wahrhaft gefährliche Konzept machen wir allerdings — und ich glaube, ich darf sagen — von seiten der Regierungskoalition und auch noch von seiten anderer Elemente dieses Hauses mit aller Energie Front.
Wir sind der Auffassung, daß man auf dem Gebiete der Außenpolitik nicht jenen bekannten Spruch anwenden darf:
Und was Natur und Zeit getan,
das sieht man dann als Besserung an.
Es kommt wohl darauf an, das, was Natur und Zeit tut, in seinen Zeichen richtig zu erkennen, also die geschichtlichen Ströme in die geeigneten Kanäle oder ihr Wasser auf unsere Mühlen zu leiten, damit etwas Konstruktives geschaffen wird. Durch reines Zusehen und durch eine Haltung des verderblichen Trotzes -- möchte ich beinahe sagen — werden wir wohl bei der heiklen Situation, in der sich Europa und namentlich unser Land befinden, nicht Wesentliches in der Außenpolitik befördern können.
Deshalb ist es falsch — wir haben das Beispiel in der deutschen Politik bereits einmal gehabt —, das, was man an Anpassung an die Weltlage tut, um ihre Dynamik für uns wirksam zu machen, vor der öffentlichen Meinung als eine Art — wie soll ich mich ausdrücken — Erfüllungspolitik zu bezeichnen. Wir haben diese Tragödie in Deutschland einmal gehabt. Das ist sehr gefährlich; denn wer sich nicht mit den Einzelheiten befaßt, wird schwer das Urteil fällen können, was nun eine Nachgiebigkeit ist, Nachgiebigkeit im Sinne einer Unterwerfungspolitik, oder was als konstruktiver Beitrag zu werten ist, um die Zukunftsentwicklung der Welt zu erleichtern.
Meine Damen und Herren! Ich möchte mich noch mit anderen Argumenten des Herrn Kollegen Veit
juristisch auseinandersetzen. Er hat als undemokratisches Beispiel darauf hingewiesen, daß die Hohe Behörde nur einmal im Jahre durch ein Mißtrauensvotum der Versammlung gestürzt werden könne und daß dann die Regierungen die Mitglieder dieser Hohen Behörde noch einmal ernennen könnten, so daß die Krise, die da entstanden sei, sich weiterhin ein ganzes Jahr hinschleppen müsse. Diese Regelung hat Herr Kollege Veit als nicht parlamentarisch bezeichnet. Natürlich, sie ist auch nicht parlamentarisch, weil nämlich weder die Hohe Behörde mit einer Regierung 'und einem Ministerium gleichgesetzt werden kann, noch die kontrollierende Versammlung den Charakter eines ausgewachsenen Parlaments hat und weil auch weder die Funktionen der Hohen Behörde noch die der übrigen Organe mit dem echten vollen Begriff des Regierens und der Regierung erfaßt werden können. Es ist nämlich nur eine besondere Form übernationaler Administration, eine Form allerdings, die in sich die Möglichkeit enthält, sich weiter zu vollen politischen Formen auszuwachsen. Damit wären wir bei dem Grundgedanken des ganzen Vertragswerkes angelangt.
Immerhin sind im Falle des Mißtrauensvotums auch diejenigen Vertreter des Landes mitbeteiligt, deren Regierung dann entgegen dem Willen der Delegierten dieselben Mitglieder der Hohen Behörde wieder bestellt. Das sind dann Fragen, die in den nationalen Parlamenten ausgetragen werden 'müssen. Aber das ist gar nichts Besonderes. Das gibt es bei anderen Ernennungen in internationale Gremien auch, wenn die nationalen Parlamente mit Entscheidungen ihrer Regierungen nicht einverstanden sind. Hieraus ein nennenswertes Argument gewinnen zu wollen, erscheint mir reichlich übertrieben.
Über den Charakter der Versammlung habe ich mich bereits ausgelassen. Diese Versammlung ist nicht gleichzusetzen mit einem Parlament, sondern sie hat nur parlamentsähnliche Funktionen. Auf der anderen Seite geht ihre Kontrolle im Hinblick auf die Administration, auf die Exekutive wesentlich weiter, als es nach dem normalen parlamentarischen Staatsrecht der Fall ist. Die Bildung eines Organs auf supranationaler Ebene, und das ist etwas völlig Neues, darf- man nicht den überkommenen dogmatischen Begriffen des Staatsrechts unterstellen, um daraus eine Kritik zu schöpfen, die an die Wurzel der Dinge zu gehen abzielt. Deshalb ist das Schlagwort von der sogenannten scheindemokratischen Attrappe, das hier gewählt worden ist, eine Verkennung des Wesens dieses übernationalen Gebildes überhaupt. Ich habe auch den Eindruck, daß die Opposition das Arsenal ihrer Argumente aus sehr vergangenen Tagen nimmt. ich möchte feststellen, daß sich der konservative Geist dieser wohl heute in Deutschland ältesten Partei — neben der unsrigen — sehr stark geltend macht. Es ist ein Begriffsschema, von dem sich zu lösen die Sozialdemokratische Partei sehr schwer fertigbringt. Sie denkt im Programm; sie denkt in einem logisch gegliederten System.
Ich möchte aber mir doch erlauben zu sagen, daß gerade beim Werden internationaler Neuschöpfungen jener konservative Geist in Gefahr gerät, rückschrittlich, nämlich reaktionär zu werden, d. h. Zustände zu verhärten und mit Erbitterung festzuhalten mit dogmatischer — verzeihen Sie mir —
Sturheit. Daraus entstehen erhebliche Hemmungen
für die Entwicklung.
Deshalb können wir die sorgfältige Analyse der Opposition, auch die Einwände im Zusammenhang mit den Problemen, die bei dieser schicksalhaften Frage von ihr aufgeworfen worden sind, nur begrüßen. Allerdings müssen es auch echte Einwendungen sein und nicht solche, die aus Selbstzweck erhoben werden, die dann den Verdacht aufkommen lassen, daß man in Wahrheit etwas ganz anderes will, und sich nur hinter einem Schleier von Argumenten versteckt, von deren Nichtstichhaltigkeit man selber überzeugt ist.
Es sind eine ganze Reihe sehr stichhaltiger Argumente da, deren Prüfung bereits in der Delegation
im Ausschuß für Wirtschaftspolitik vorgenommen
worden ist. Ich möchte dazu sagen, daß der vortreffliche Bericht, der von unserem Kollegen
Preusker gemacht worden ist, deutlich erkennen
läßt, wie man den etwa vorhandenen juristischen,
sozialpolitischen oder wirtschaftspolitischen Schwierigkeiten keineswegs aus dem Wege gegangen ist.
Für das Verhältnis zwischen Bund und Ländern ist die Frage des Art. 24 von Bedeutung. Niemand kann mehr Rechte übertragen, als er selber hat. Herr Kollege Veit hat dieses Argument vorgebracht. Falls die Verfassung eine solche Übertragung nicht zuließe, enthält dieses Argument den Vorwurf einer Verfassungsverletzung. Meine Damen und Herren, es kann sein, daß dieses Argument im Bereich des Südweststaats und bei den Dingen, die da kommen — unter Umständen auch, um Sympathien bei den Föderalisten zu erwerben —, noch mehrfach vorgebracht wird. Ich möchte daher alle, die sich damit auseinandersetzen wollen, auf die Äußerungen von Professor Erich Kaufmann hinweisen, die er im Bundesrat gemacht hat. Hier nur zum Verständnis kurz, worum es sich handelt, warum dieses von Herrn Kollegen Veit vorgebrachte Argument nicht stimmen kann.
Es gibt eine ganze Reihe internationaler Institutionen, wie z. B. die Donauschiffahrtskommission, die Rheinschiffahrtskominission, an die auch früher bereits Hoheitsrechte abgetreten worden sind. Dieses Abtreten von Hoheitsrechten ist überhaupt
nicht so etwas Neues und Umstürzendes. Das hat es praktisch bei jedem größeren politischen internationalen Vertrag, mit dem irgendeine Institution eingerichtet wurde, schon gegeben. Diese Schifffahrtskommissionen können, wenn mich mein Gedächtnis jetzt nicht im Stich läßt, auch als Appellationsgerichtshöfe Recht sprechen, und zwar auf dem Territorium eines anderen Staates. Es ist doch ganz zweifelsfrei, daß die Gerichtshoheit eine Sache der Länder ist. Niemand wird aber vernünftigerweise bestreiten können, daß ein solcher Vertrag von der Bundesrepublik im Rahmen ihrer außenpolitischen Kompetenz abgeschlossen werden könnte, durch die also Hoheitsrechte, die zweifellos Rechte der Länder sind, wie die Gerichtshoheit auf einem Teilgebiet, an ein internationales Organ abgetreten werden können.
Außerdem ist es auch möglich — und das wird niemand bestreiten —, daß z. B. internationale Umsiedlungskommissionen geschaffen werden, die dann auch auf dem Territorium eines Landes zweifellos den Ländern zustehende Hoheitsrechte auszuüben in der Lage sind;, sonst könnten diese Kommissionen überhaupt nicht arbeiten.
Das ist alles anerkannter Brauch. Selbst in einem solchen Bundesstaat, wie es Deutschland noch zu Anfang der Bismarckschen Verfassung war, ja auch zur Zeit des Norddeutschen Bundes hat man solche Kompetenzen nicht bestritten. Ich gehe sogar noch weiter. Sogar beim Deutschen Bund, der nur ein Staatenbund und noch nicht einmal ein Bundesstaat war, gab es Fälle solcher Bundeskompetenzen. Das Argument, Art. 24 trage bundesverfassungsrechtliche Beschränkungen in sich, ist nicht zutreffend. Wenn gewisse, die bundesstaatliche Struktur der Bundesrepublik weitgehend beeinträchtigende Rechte übertragen werden sollten, dann kann ein besonderes Mitwirkungsrecht der Länder in Frage kommen; eine Frage, die juristisch bei dem Kohle-und Stahlpakt aber noch nicht zu entscheiden ist. Immerhin, die Bundesrepublik beruht nicht wie dereinst die Bismarcksche Verfassung zugleich auf einem völkerrechtlichen Vertrag, so daß man bei der Bismarckschen Verfassung noch viel eher jene Rechtsfigur, die Herr Kollege Veit erwähnt hat, in Frage ziehen könnte; aber selbst in der Bismarckschen Verfassung 'ist niemand auf den Gedanken gekommen, in der außenpolitischen Handlungsfähigkeit des damaligen alten Reiches irgendwelche binnenstaatlichen Beschränkungen zu behaupten. Im übrigen kennen Sie ja den Initiativantrag der Koalition, der dem administrativen Bedürfnis der Länder Rechnung tragen wird, eine gewisse Mitwirkung bei der Instruktion unseres Vertreters im Ministerrat zu erhalten.
Ich möchte mich über die Argumente rein polemischer Art, die sonst vorgebracht worden sind, nicht näher verbreiten; aber eines sollte man — mir fällt gewissermaßen die Aufgabe zu, die völkerrechtliche Bedeutung des Paktes etwas darzulegen — sich vielleicht doch einmal klarmachen: Worin besteht der fundamentale Unterschied dieses Vertrags zu allen bisher auf dem Gebiet des Völkerrechts zum Zwecke der Zusammenarbeit gemachten Erfindungen? Zunächst haben wir den Völkerbund gehabt, eine Institution, die auf dem Prinzip aufgebaut war, das im späteren Vernunftnaturrecht entwickelt ist, auf der Gleichheit der Staaten, der klassischen Souveränität der Staaten. Sie wissen, der Völkerbund ist an diesem Prinzip gescheitert. Der nächste Versuch war die UNO, die bereits de facto eine Ungleichheit der Rechte, zwar nicht der Theorie nach, aber doch dem politischen Faktum nach, schuf. Es gibt in der UNO, und zwar im Sicherheitsrat, privilegierte Staaten, Großstaaten, nämlich diejenigen, die praktisch allein noch imstande sind, den rechtlichen Begriff der Souveränität tatsächlich, machtpolitisch auszufüllen. Darin ist nun einmal das Völkerrecht in einer tiefen Wandlung begriffen. Aber auch noch unter einem anderen Gesichtpunkt sind die Organisation der Vereinten Nationen -und ihre völkerrechtliche Verfassung interessant. Sie beruhen auf der Erwartung, daß die Kriegskoalition der Sieger auch als eine Friedenskoalition übernommen werden könnte. Diese Erwartung ist nicht erfüllt worden.
Betrachten wir nun noch einen weiteren Vertrag. Ich meine das Brüsseler Abkommen. Auch dieses Abkommen, das schon einen Schritt näher an die heutigen modernen europäischen Verträge und ihre Zielsetzung heranreicht, beruht noch auf dem Prinzip der Siegerkoalition und der Diskriminierung der ehemaligen Feindstaaten. Dort sind die wirtschaftlichen Fragen den politischen und militärischen Fragen untergeordnet.
Gehen wir noch einen Schritt weiter. Wir haben die OEEC. Es steht mir nicht an, gegenüber dieser für Europa und auch für uns überaus segensreichen Institution eine Kritik anzubringen. Aber immerhin, eines hat die OEEC nicht verhindern können: daß zum Teil die wirtschaftlichen Mittel in Industrien investiert worden sind, bei denen sie ökonomisch nicht richtig angewendet waren, so daß mit diesen Hilfeleistungsbeträgen nicht der höchste ökonomische Nutzen erzielt werden konnte. Woran liegt das? Es liegt daran, daß meist ein Kongreß von Gesandten das dirigierende Organ ist. Es ist meist in der klassischen Form internationaler Zusammenarbeit zusammengesetzt. So kommt der volle nationale Egoismus, oder wollen wir besser sagen: das uneingeschränkte Bedürfnis eines einzelnen Staates zur Geltung und ist dann bestrebt, sich machtpolitisch durchzusetzen.
Noch einen Schritt weiter ist man mit dem Europarat — in seiner Zielsetzung, nicht so sehr in seiner Praxis — gegangen. Dort hat man zwar das Einstimmigkeitsprinzip verlassen, das den Ideen des klassischen Völkerrechts von der Gleichheit der Staaten und der Vorstellung entspricht, daß sich über der Souveränität kein Rechtsraum mehr wölben könne. Immerhin, dieser Ministerrat kann nur Empfehlungen erteilen, und nach dem ursprünglichen Statut des Europarats kann die Versammlung wiederum nur dem Ministerrat Empfehlungen erteilen, so daß wir also eine Kette von Empfehlungen haben. Wenn man diese Entwicklung betrachtet, so findet sich immerhin, daß das politische Gewicht des Europarats wesentlich über seine verfassungsrechtliche, statutarische Kompetenz hinausgewachsen ist. Es liegen dort — aber das ist nicht das Thema dieses Tages — die Vorschläge vor, zu einer politischen Organisation mit echten Befugnissen zu kommen. Sie wissen, daß sich das System durchgesetzt hat, zunächst einmal auf Einzelgebieten Behörden zu schaffen, denen echte Befugnisse, aber begrenzte Funktionen zuerteilt werden. Ich glaube, daß wir es uns jetzt im Rahmen der gesamteuropäischen Entwicklung nicht mehr erlauben dürfen und leisten können, einen Rückschritt zu machen und von dieser funktionalistischen Methode kopfüber in eine ultra-etatistische Methode zurück-
zufallen, wie sie letzthin aus dem Konzept der Sozialdemokratie hervorgeht.
Das Neue, das hier geschaffen wurde, ist, daß man den Mut gehabt hat, über das alte System diplomatischer Koordination hinauszukommen, nicht nur zu einem System der Kooperation, sondern der Kogestion. Ich vermeide es, in diesem Stadium von einer supranationalen Wirklichkeit zu sprechen, und da gestatten Sie mir, von einer Grundvorstellung auszugehen, die ich vorhin schon anklingen ließ: im Rechtsleben muß man die Erkenntnis haben, daß ein Staat nicht allein durch einen juristischen Akt zu schaffen ist,
sondern daß die politische Wirklichkeit, die politischen Tatsachen vorher vorhanden sein müssen, ehe man die entsprechende Rechtsform findet. Das Ziel dieses Vertragswerks ist es, diese politischen Wirklichkeiten zu schaffen. Dann ist und wird .dieser Stahlpakt gewissermaßen der Vorreiter für die Bildung einer echten europäischen Gemeinschaft sein.
Ich habe es hier mehrfach schon ausgedrückt: ich glaube, wir sollten uns nicht dem alten begrifflichen Dogmatismus beugen, sondern wir sollten zusehen, was nachher aus diesen einzelnen Organen und ihrer politischen Zusammenfassung wird. Es wird dann der Rechtswissenschaft nicht mehr schwer sein, nachträglich den richtigen neuen Begriff, ob Staatenbund oder Bundesstaat oder Commonwealth oder Gemeinschaft oder wie man es nennen mag, zu finden. In unserem 20. Jahrhundert entstehen eben genau wie im vorigen Jahrhundert, als Bismarck an die Ausarbeitung seiner Verfassung heranging, neuartige Gebilde. Ich möchte bei der gesamten Argumentation, die sowohl aus dem Wirtschaftlichen wie aus dem Juristischen von seiten der Opposition vorgebracht worden ist, davor warnen, durch diese Argumente das Entstehen des Neuen zu verhindern. Denn der größte Teil auch ihrer wirtschaftlichen, auch ihrer sozialen und ihrer juristischen Einwendungen drücken im Grunde genommen Erwartungen, sehr pessimistische Erwartungen aus. Es sind Prognosen, aber es sind nicht Tatsachen; denn die Tatsachen,. die Sie gegen diesen Vertrag kritisch vorgebracht haben, müssen erst noch gestaltet werden, so daß für mich juristisch lediglich die Frage der Prüfung wert ist, ob in dem Vertrag Möglichkeiten vorhanden sind, die eine Zerstörung lebenswichtiger Interessen Deutschlands mit sich bringen.
Diese Möglichkeit kann durch ein frauduloses Auslegen der im Vertrag gegebenen Kompetenzen eintreten. Aber ich sehe, daß in diesen Vertrag auch ganz wesentliche Sicherungen eingebaut sind, insbesondere in der Gerichtsbarkeit und in der Art des Abstimmungsverfahrens, die die Herausbildung einer politischen und wirtschaftlichen Wirklichkeit, wie Sie sie als Prognose skizziert haben, nicht eintreten lassen. Ich befürchte, wenn man diesen Weg des real Möglichen, diese neue Konstruktion, politische Tatsachen und Voraussetzungen zu schaffen, damit eine europäische Einigung zustande kommt, nicht geht, dann hat man die einzig reale, die einzig wirkliche Chance verspielt, die überhaupt noch für eine europäische Einigung gegeben ist. Denn das, was Sie — ich meine damit die sozialdemokratische Opposition — als Ziel und als alleinige Voraussetzung einer europäischen Einigung vor die Öffentlichkeit stellen, dieses Ziel ist nach den Gegebenheiten Europas einfach nicht zu erreichen.
Ich habe noch etwas zu der Gerichtsbarkeit zu sagen, die ja nach den Stimmenverhältnissen im Rahmen des Paktes für uns die — auch im Bericht erwähnte — entscheidende Sicherung bietet. Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob dieses Gericht auch wirtschaftliche Tatsachen nachprüfen kann und dabei auf den Zusammenhang der Art. 33 und 37 hingewiesen worden. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß dieses Gericht insbesondere eine Klage prüfen kann, die auf détournement de pouvoir, d. h. amtlichen Mißbrauch behördlicher Befugnisse zu gesetzwidrigen Zwecken gestützt werden kann. Ich möchte ferner auf die außerordentlich wichtige Bestimmung des Art, 9 Abs. 2, wenn ich mich recht erinnere, hinweisen. Dort ist den einzelnen Mitgliedstaaten zur Pflicht gemacht worden, vergleichsweise ein bundesfreundliches Verhalten an den Tag zu legen. Auf diesen Tatbestand und auf den vorhin erwähnten, aus dem französischen Verwaltungsrecht entwickelten Klagegrund läßt sich praktisch jede Klage stützen.
Meine Herren von der Opposition, ich gebe Ihnen zu, daß eine absolute Sicherung in diesem Vertrag nicht enthalten ist. Es gibt juristisch überhaupt niemals absolute Sicherungen, und ein Wagnis bleibt ein Schritt in die Zukunft, immer. Es werden — ich bin davon überzeugt und stehe nicht an, das zu sagen — nicht alle Blütenträume reifen. Es ist zu begrüßen, daß man an diesen Vertrag mit einem sehr realistischen Sinn — ich darf das insbesondere für unsere Delegation in Anspruch nehmen, die diesen Vertrag ausgehandelt hat — herangetreten ist. Mit größter Umsicht sind fast alle Probleme bei Mitwirkung auch der Opposition, die viele echte und unechte Probleme aufgeworfen hat, geprüft und berücksichtigt worden. In der Geschichte des Völkerrechts hat es bisher wenige Verträge, wenige Gesetzgebungswerke gegeben, die so vollständig so viele Tatbestände berücksichtigt haben. Die inhaltliche Ausfüllung aber, und darauf kommt es an und dann erst käme dieses oder jenes Ihrer Argumente zum Zuge, steht noch dahin. Man verkennt das Wesen des Vertrages, wenn man von einem Teilbundesstaat spricht. Der Vertrag ist aber etwas vollkommen Neues, etwas, was der administrativen Ebene vergleichbar ist. Ich möchte das Wort des Herrn Staatssekretärs nochmals unterstreichen: Dieser Vertrag ist in seinem Funktionszusammenhang so angelegt, daß man im Falle von Schwierigkeiten letzthin immer nur den Durchbruch nach vorne vollziehen kann.
Eine böswillige Auslegung dieses Vertrags! Gewiß, wir Deutschen haben allen Anlaß, uns jede Möglichkeit vorher klarzumachen. Man sichert sich in Verträgen. Dazu sind Verträge da, daß man sie genau durchdenkt, wenn man sie zur Ratifizierung bringt. Aber die Dynamik nach vorn, die im Funktionszusammenhang des Vertrags angelegt ist, wird verhindern, daß die von der Opposition befürchteten böswilligen Entwicklungen eintreten können. Im Rahmen der Sicherungen enthält dieser Vertrag mehr, als bisher in völkerrechtlichen Verträgen üblich gewesen ist.
Zum Abschluß nur noch einen Punkt. Dieser Vertrag hat zwei Elemente. Einmal die zwischenstaatliche völkerrechtliche Seite, auf der das Gesetzgebungswerk und zum andern eine staatsrechtliche Seite, auf der der Funktionszusammenhang beruht. Deshalb ist es, wie Kollege Euler bereits erschöpfend ausgeführt hat, nicht mehr notwendig und auch nicht mehr zulässig, der Versammlung besondere legislative Befugnisse zu geben. Ich kann das Monitum des Ausschusses auf diesem Gebiet
nicht teilen. Auf der anderen Seite sind die Formulierungen aber elastisch genug gewählt, so elastisch gewählt, daß eine Fortentwicklung - denn der Kernpunkt des Vertrags sind Exekutivkompetenzen — dieses Vertrags ermöglicht wird. Dabei wird auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Rolle spielen. Der Plan ist elastisch für die Praxis und stabil in der Zielsetzung geschaffen worden. Ich glaube, später wird man diesen Vertrag, der Ausgangspunkt noch von vielen anderen Verträgen dieser Art sein wird, einmal als eine geniale Schöpfung auf dem Gebiete des Völkerrechts bezeichnen.
Noch ein anderer Punkt, die Frage Gesamtdeutschlands. Auch hier bewährt sich die elastische Technik des Vertrags. Wenn Sie den § 22 der Übergangsbestimmungen lesen, der sich mit dieser Frage befaßt, so können Sie aus ihm auch die wichtige Möglichkeit entwickeln, daß die Bundesrepublik und die Bundesregierung im Namen Gesamtdeutschlands zu handeln befugt ist. Sie hat damit auch im Rahmen der Montan-Union eine Stellung, die ihr im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung immer mehr zuwachsen möge. Gesamtdeutschland, d. h. das Gebiet der sowjetisch besetzten Zone, ist aus diesem Vertrag nicht ausgeklammert. Es ist nicht Ausland. Gerade dieser Punkt der Kritik der Opposition bedeutet eine Verkennung des Wesens des Vertragswerkes. Es ist nicht eine starre, zwischenstaatlich abgeschlossene Bindung, sondern eine Bindung, die erst in der Dynamik in der Zukunft verwirklicht wird.
Gewiß, das sind blasse Worte, Erwartungen. Aber gestatten Sie es mir, meine Damen und Herren von der Opposition, daß ich sie zum Ausdruck bringe. Sie haben die dunklen Erwartungen zum Ausdruck gebracht. Es sind auch nur Erwartungen. Beweisen können Sie von all dem nichts.
Wir bringen die zukunftsträchtigen Erwartungen zum Ausdruck.
Wir bekennen uns zu der für uns Deutsche wahrhaft lebenswichtigen Notwendigkeit, dieser Zukunft Bahn zu brechen.
Wir gehen dabei keine von einem gewissenhaften Juristen abzulehnende Bindung ein, die nicht vertraglich in vernünftiger Weise gesichert wird.
Meine Herren, wenn wir diesen ersten Versuch, Europa zu einigen und so etwas herzustellen, was einem echten Frieden näherkommt, scheitern lassen, dann überlegen Sie, wohin wir geraten. Wenn Sie alle Gespenster und Ängste der Vergangenheit dagegen mobilisieren, begeben wir uns in eine Gefahr, die noch weit mehr die Lebensinteressen Deutschlands bedroht als das Risiko, das uns gewiß auch in diesem Vertrag auferlegt ist. Ohne Risiko hat es noch niemals Politik gegeben!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte an sich nicht die Absicht, meine Ausführungen mit einer polemischen Note zu beginnen; aber die beiden Herren Vorredner machen es mir schwer, auf eine solche Note zu verzichten.
Der Herr Kollege von Merkatz hat hier der sozialdemokratischen Fraktion mit hartem Bemühen auseinandergesetzt, welchen Charakter ihre Opposition gegen den Schumanplan habe. Er hat es geradezu als eine Art von, wie soll ich sagen, Untugend dargestellt, daß wir Sozialdemokraten dem vorliegenden Vertragswerk mit einem hohen Maß von Skepsis begegnen. Nun, diese Skepsis hat ihre Ursache in den Realitäten, von denen auch der Herr Kollege von Merkatz hier gesagt hat, daß sie sozusagen der Ausgangspunkt für die juristische Konstruktion sein müßten, die man post festuni entwickelt. Herr Kollege von Merkatz, das war doch für Sie der konservative Gedankengang, der konservative Ausgangspunkt, den Sie bejahen, daß man sozusagen erst die: Realitäten ermittelt und dann eine juristische Konstruktion bildet? Ich muß sagen, daß Ihnen da die französischen Partner im Schumanplan ein gutes Stück vorausgegangen sind:
sie haben die Realitäten im Saargebiet geschaffen und dann die juristische Konstruktion von sogenannten Staatsverträgen mit einer Regierung in die Welt gesetzt, die auch von ihren Gnaden ist. Das ist der Konservatismus nach Ihrem Stil! Wir sind durchaus der Meinung, daß man die Realitäten ins Auge fassen muß, daß man von ihnen ausgehen muß, wenn man bestimmte Schritte tun und die Wirkung bestimmter Schritte beurteilen will.
Meine Damen und Herren, ich möchte hier nicht weiter mit Herrn Kollegen von Merkatz polemisieren. Ich bin Gott sei Dank kein Jurist und schon gar kein Staatsrechtler, und es liegt mir in dieser späten Stunde nicht, einen 'Versuch zu machen, hier ein staatsrechtliches Kolleg zu geben; aber Herr von Merkatz hat uns ja immerhin eine ganze Menge von Dingen gesagt, an denen wir schließlich noch etwas lernen können. Ich lerne gern.
Und nun eine Bemerkung gegenüber dem Herrn Kollegen Euler. Herr Euler, wir kennen uns ja lange genug, nicht wahr? Wir kennen auch unsere beiderseitigen Eigenarten. Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich sage, daß ich auch einige von Ihren politischen Schwächen kenne. Nicht wahr, es wirkt einigermaßen erstaunlich auf unsereinen, der nun Ihren politischen Weg seit dem Sommer 1947 verfolgt,
wenn Sie hier als der Vorkämpfer eines neuen
Europa auftreten, Sie, der Sie bereit sind, mit
jedem nationalistischen Klüngel in Hessen eine
Koalition gegen die Sozialdemokratie zu machen,
und Sie, die Sie mit Ihren schwarz-weiß-roten Flugblättern mehr politisches Porzellan zerschlagen haben, als es jemals gegeben hat.
Ich glaube, Sie sollten sich da etwas vorsehen.
' Also, von Ihnen, Herr Euler, nehme ich nicht gern Belehrungen darüber an, was im Sinne europäischer Zukunft zweckmäßig und notwendig ist; dazu sind Sie nicht der Mann!
Ich bedaure, Herr Kollege Euler, daß Sie mich in diesem Augenblick zu solchen Bemerkungen provoziert haben. Wir haben wahrhaftig alles darauf angelegt, diese Debatte sachlich zu führen.
— Meine auch, verlassen Sie sich darauf!
Im übrigen, Herr Euler, ich habe hier einen Zeitungsbericht über eine Ihrer Versammlungen in Bad Hersfeld. Wenn man sie so äußerlich zur Kenntnis nimmt, erscheinen Ihre Ausführungen als ungefähr in der Linie, die Sie auch hier vertreten haben.
Sie sagen nach diesem Bericht, daß der Schuman-plan zwar für die Zeit von 50 Jahren unterzeichnet worden sei, aber positiv gesehen sei er kein Instrument für die Dauer von 50 Jahren
— einen Moment, Herr Euler, ich bin noch nicht ganz fertig, ich habe noch etwas hinzuzufügen —, er werde nur drei oder vier Jahre bestehen bleiben, weil er bis dahin durch die weitere politische Entwicklung überholt sei.
Nun, Herr Kollege Euler, ich habe schon gleich zur Einleitung gesagt, das klinge ungefähr gerade so, wie Sie's heute hier gesagt haben.
Aber ich muß hinzufügen: die Erfahrungen in der parlamentarischen Beschäftigung mit dem Schumanplan haben uns auch einen anderen Aspekt dieser scheinbar europäischen Haltung gezeigt. Man muß es aussprechen, daß es bei den Befürwortern - des Schumanplans auch Leute gibt, die dieses Ja mit einem Dolus aussprechen, nämlich mit dem Dolus: Ja Gott, jetzt unterschreiben wir für fünfzig Jahre; in drei, vier Jahren haben wir durch die deutsche Tüchtigkeit, durch unsere berühmte Sparsamkeit und unseren Fleiß und ich weiß nicht was die anderen an\\ die Wand gespielt.
— Nein, nein, meine Herren, ich habe großen Respekt und auch eine gewisse Furcht vor Nachtsitzungen des Bundestags, und ich weiß, daß in einer solchen Abendstunde Ihre Erregung gelegentlich auf einen Grad ansteigt, wo es nicht — —
— Nein, nein, ich habe keine Rücksicht auf Ihren physischen Zustand zu nehmen; meiner ist nämlich auch an gewisse Grenzen gebunden. Aber ich möchte Ihnen eines sagen: wenn ich von diesem Dolus spreche, dann tue ich das ganz bewußt, weil ich glaube, daß Sie sich, wenn Sie schon die
Motive der sozialdemokratischen Opposition untersuchen, auch gefallen lassen müssen, daß wir die Motive eines Teils der Jasager untersuchen.
Ich habe weiß Gott einiges dazu beigetragen, meine Damen und Herren, daß überhaupt diese sachliche Auseinandersetzung um die Grundlagen des Schumanplans zustande kam. Ich glaube mir doch immerhin in diesem Rahmen erlauben zu dürfen, auch einige unangenehme Wahrheiten zu sagen.
— Ach, meine Damen und Herren, Sie sagen, es seien keine Wahrheiten! Unterhalten Sie sich einmal im stillen Kämmerlein mit einigen Ihrer Herren hier in dieser Angelegenheit. Dann werden Sie mehr Wahrheiten dieser Art erfahren, als Ihnen lieb ist.
Wir laufen ja auch nicht blind und taub in der Welt herum!
— Man soll uns nicht provozieren, Herr Hilbert!
— Ich will nicht darüber streiten, Herr Kollege Euler, in welchem Sinne Sie solche Argumente verwandt haben. Ich weiß nur, daß sie in einem Sinne verwandt worden sind — auch mir und meinen Freunden gegenüber —, der uns einigermaßen bedenklich stimmt. Jedenfalls ist in diesem Hause so viel vom Geist des Schumanplans und von dem Glauben an seinen nicht nur materiellen, sondern auch seinen ideellen Gehalt gesprochen worden, daß Sie uns gestatten müssen, etwas von diesem Geist zu untersuchen,
ganz gleich, ob er sich nun auf deutsch oder auf französisch oder in sonst irgendeiner nationalen Sprache manifestiert. Die Motive sind eben schließlich ein Teil der politischen Aktionen, die man unternimmt. Wenn Sie uns schon das Motiv unterstellen — Herr von Merkatz, das gilt Ihnen —, daß wir bei unserer Politik etwa in die Nähe eines bestimmten, von Ihnen abgelehnten Neutralismus geraten könnten, dann möchte ich Ihnen sagen: es gibt auch ein Motiv der Europa-Bejahung und Europa-Begeisterung, das man als eine Flucht in ein konservatives Europa vor bestimmten klassenpolitischen und wirtschaftspolitischen Entwicklungen im eigenen Lande betrachten kann.
— Ja, aha! Warum soll man nicht ganz offen darüber reden? Es ist doch nicht von ungefähr, Herr Kollege Preusker, daß in einem der Ausschüsse des Bundestags Herren aus der Regierungskoalition sich ausdrücklich gegen eine Interpretation des Art. 83 durch einen Regierungsvertreter verwahrt und das zu Protokoll gegeben haben, eine Interpretation, die immerhin offengelassen hatte, daß unter dem Art. 83 bestimmte Sozialisierungsmöglichkeiten bestünden.
— Nein, Sie müssen gar nichts anerkennen, mein lieber Herr Etzel. Ich stelle nur fest, daß hier
bestimmte Motive am Werke waren, als es sich darum handelte, die Interpretation Ihres eigenen Regierungsvertreters zu akzeptieren oder abzulehnen.
— Ich habe ja nicht gesagt, daß Sie damit gegen den Sozialismus Stellung genommen hätten. Ich bin weit davon entfernt, Ihnen das zu unterstellen, Herr Kollege.
Meine Damen und Herren! Es sind noch 14 Redner auf der Rednerliste. Wenn wir bei jedem Redner noch längere Zwiegespräche einschalten, werden wir mit der Tagesordnung sicherlich bis morgen nicht fertig. Ich möchte doch bitten, diese Zwiegespräche einzustellen, damit die Redner ihre Auffassungen im Zusammenhang darlegen können.
Ich bin gern bereit, Herr Präsident, Ihrem Rate zu folgen. — Ich habe jetzt die Absicht, zu dem Thema zu kommen, das ich zu besprechen habe.
— Bitte! Haben wir jemals einem Ihrer Redner hier im Saale etwas in den Weg gelegt, wenn er seine Auffassungen sachlich dartat? Ich glaube, das können Sie kaum behaupten.
— Das ist schließlich die parlamentarische Atmosphäre, die Sie zum Teil selber mit geschaffen haben.
— Gut. Dann sind wir wieder mal einig, Herr Euler, und ich kann jetzt fortfahren.
Der Herr Bundeskanzler hat gestern in seiner Erklärung davon gesprochen, daß es nicht möglich sei, Europa ohne Risiko zu schaffen, und in der Rede des Herrn Kollegen von Merkatz ist es auch angeklungen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, der man zustimmen kann, ganz gleich, ob man Ihren Weg gehen will oder ob man wie wir einen anderen Weg für richtiger hält. Jeder Schritt in die Zukunft — das ist richtig — enthält ein Risiko, und die Abschätzung der Risiken, die Bewertung der Chancen und der Schwierigkeiten ist Sache nicht nur des guten oder schlechten Geschmacks, sondern auch Sache des persönlichen politischen Standorts. Wenn wir uns auf diese Formel einigen könnten, dann hätte die Auseinandersetzung immerhin einen Zweck gehabt, und man würde sich hier nicht gegenseitig Motive unterstellen, die vielleicht nicht ganz einwandfrei sind.
Nun, meine Damen und Herren, es scheint mir die Aufgabe unserer Unterhändler gewesen zu sein, die Risiken, die die Bundesrepublik immerhin aus einer sehr viel ungünstigeren Auslandsposition als die andern Partnerstaaten einzugehen hatte, beim Abschluß eines solchen europäischen Vertrags so gering wie möglich zu halten. Die Frage ist, ob sie damit Erfolg hatten. Ich habe nicht die Aufgabe — das ist selbstverständlich nach 'dem Gang der Debatte —, alle die einzelnen Punkte hier noch einmal aufzuzählen, von denen aus die sozialdemokratische Fraktion kritisch zu diesem Vertragswerk Stellung nimmt. Ich will sie nur mit Stichworten noch einmal zeichnen, um für mich selber den Ausgangspunkt zu haben.
Erstens die ungleichen Startbedingungen. Zweitens die verschiedene Interessenlage der Partner. Das ist einer der wesentlichen Punkte unserer Kritik, nämlich: Deutschland als Kohlenlieferant allen andern gegenübergestellt. Drittens — und für mein Thema das Wesentliche — der Geist unserer Partner, vor allem der Geist des Hauptpartners in diesem Vertrag, nämlich Frankreichs; und zum vierten die geringen Revisionsmöglichkeiten des Vertrags.
Nun, meine Damen und Herren, es ist in diesem Hause sehr viel zitiert worden. Ich möchte diese Zitate nicht um soundsoviele vermehren; aber ich möchte eines sagen: Wenn Sie die Kammerdebatte aufmerksam gelesen haben — und Sie können sie nachlesen in dem Protokoll des „Journal Officiel" in allen Einzelheiten —, dann werden Sie zwar gelegentlich einmal eine Art von europäischem Aufschwung, eine Art von, sagen wir, europäischem Pathos finden, wie es auch hier zitiert worden ist. Aber im ganzen wird Ihnen dann klarwerden, daß die Argumentation in der französischen Kammer nicht europäisch, sondern in erster Linie nationalfranzösisch war. Selbst die scheinbaren europäischen Argumente, die vorgebracht worden sind — und zwar nicht von irgendwelchen Komparsen auf der parlamentarischen Szene, sondern von den - maßgebenden Männern der Regierung und den Berichterstattern der Ausschüsse selbst —, die scheinbaren europäischen Argumente zugunsten des Schumanplans waren Sicherheitsargumente, und zwar Sicherheitsargumente gegenüber dem deutschen Partner. In diesem Punkte waren Abgeordnete und Regierung durchaus miteinander einig.
Nun, Sie werden -sagen, unter der praktischen Wirkung des Vertrags würde sich das ändern, und Sie werden auf Ihre eigenen Beispiele hinweisen. Schließlich sind ja manche von Ihnen auch vom Irrtum zur Wahrheit gereist. Warum soll das nicht in Frankreich im Laufe der Wirksamkseit des Schumanplans auch der Fall sein? Darüber läßt sich schwer streiten.
Wir gehenur von den Gegebenheiten des Vertrags aus, und da ist doch zu sagen: Der Vertrag ist so gebaut, daß er unsern Partnern jeden Zwang erspart, ihre geistige Ausgangsposition gegenüber Deutschland wesentlich zu ändern. Sie bekommen auf Grund des Vertrags alles das, was sie von uns brauchen. Ihre Gegenleistung — ich darf ein Wort des Ministerpräsidenten Pleven zitieren —: Die Gegenleistung für Deutschland ist, daß wir geschützt werden vor totalitären Bestrebungen, woher sie auch kommen, vielleicht sogar von Herrn de Gaulle in Frankreich, — wer weiß, was alles im Schoße der Zukunft liegt.
Ich glaube, das ist eine relativ schwache Gegenleistung. Sie müßte schon durch den Vertrag und durch seine Praxis in vielen realen Dingen erheblich ergänzt werden, damit sie von uns wirklich als eine echte Gegenleistung betrachtet werden kann.
Und nun gehen wir eine Bindung für fünfzig Jahre ein. Ich bin mir klar darüber — und ich glaube, alle meine Freunde sind in diesem Punkt mit mir einig —, eine echte europäische Föderation, wie wir Sozialdemokraten sie uns vorstellen —
und auch wir sind uns klar darüber, daß man nicht mit einem Sprung in diese europäische Föderation hineingerät —, eine echte europäische Föderation im Sinne einer umfassenden Union würde wahrscheinlich eine unbefristete Bindung erfordern; denn sonst hätte ja die Föderierung europäischer Staaten wenig Sinn. Aber der Montanvertrag ist ja schließlich keine solche Föderation. Über seinen Charakter gehen die Ansichten sehr auseinander, auch die Ansichten in den Reihen der Befürworter des Schumanplans. Herr Professor Wahl hat gelegentlich der Debatten im Auswärtigen Ausschuß davon gesprochen, einerseits sei der Vertrag ein Baustein für ein künftiges Europa, dann hat er ihn wieder als völkerrechtlichen Vertrag bezeichnet. Heute ist uns gesagt worden, daß er ein Verfassungselement des künftigen Europa sei. Andere sagen wieder: Was heißt hier völkerrechtlicher Vertrag? Hier ist ein Vertrag über fünfzig Jahre, der ist so gut wie ewig; das ist bei-, nahe genau so, wie wenn man früher Verträge über 99 Jahre abgeschlossen hat. In diesem Hause ist davon gesprochen worden, schließlich hätten die Deutschen auch Tsingtau für 99 Jahre gepachtet, und was sei schließlich daraus geworden? Nun, ich glaube, der Vergleich ist nicht ganz passend; denn daß Tsingtau als Veine ehemalige deutsche Pachtung zwar auf 99 Jahre in deutscher Hand war, daß es aber infolge „höherer Gewalt" eben dieser Hand entglitten ist, das wissen wir alle, und wir hoffen, daß Verträge, die die Bundesrepublik in Zukunft abschließt, nicht auf eine ähnliche Weise ein Ende nehmen.
Nun darf man in diesem Zusammenhang doch darauf hinweisen, daß langfristige Verträge, die Staaten miteinander abschließen, ganz gleich, welches ihr materieller Inhalt und ganz gleich, welches ihre rechtliche Konstruktion im einzelnen ist, eine nicht unerhebliche Gefahr in sich schließen, wenn solche Verträge ohne ausreichende Revisions- und Korrekturmöglichkeiten abgeschlossen werden. Es gibt eine maximale Grenze, innerhalb deren sich auch die Gegebenheiten in einzelnen Vertragsstaaten in dem Rahmen von Verträgen bannen lassen, wenn sie im Laufe einer bestimmten Periode eine gewisse Grenze der Entwicklung erreichen. Wenn dann nicht die Möglichkeit einer echten Revision besteht, der Nachprüfbarkeit des gesamten Vertragswerks auf Verträglichkeit auch' mit den regionalen, in diesem Fall mit den Partnerinteressen, dann ist die Gefahr des Entstehens revisionistischer Strömungen gegeben, mit all ihren Nachteilen und mit all ihren Schwierigkeiten für die Existenz des Vertragswerks und für den Frieden unter den Vertragspartnern. Ich meine jetzt „Frieden" nicht im Sinne des Gegenteils vom Kriege, sondern im Sinne des guten Einvernehmens zwischen den Vertragspartnern.
Ich bin eben gerade dabei, Herr Kollege von Merkatz, von diesen Ventilen zu sprechen.
Herr Staatssekretär Hallstein hat auf die Einwände gegen die lange Vertragsdauer und die Schwierigkeiten der Revision in einem Ausschuß erklärt, eine zu kurze Vertragsdauer hätte keine Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb der Montan-Union gewährleistet und die Mitgliedstaaten vielleicht veranlaßt, darauf zu achten, daß bei allen Maßnahmen der Gemeinschaft keine solchen Veränderungen der Wirtschaftsstruktur entstehen, die eine unabhängige Wirtschaftspolitik nach Ablauf des Vertrages gefährden könnten. Eine Vertragsdauer von fünf Jahren sei ohnehin sinnlos, da dieser Zeitraum schon für die notwendige Anpassung für erforderlich gehalten würde.
Meine Damen und Herren! Wenn man dieses letztere Argument für richtig halten wollte, dann muß man schon sagen: Die Revisionsmöglichkeiten, wie sie Art. 95 Abs. 3 bietet, sind geradezu kümmerlich und dazu noch mit Hypotheken belastet, die es für die Bundesrepublik in ihrer besonderen Situation außerordentlich schwer machen, eine Revision wesentlicher Punkte des Vertragswerks zu erreichen.
Herr Professor Hallstein hat in diesem Zusammenhang in der erwähnten Debatte auf die Möglichkeit der Erweiterung der Kompetenzen der Versammlung hingewiesen.
Ich vermag aus dem Text des Vertrages nicht zu ersehen, wo diese Möglichkeiten der Kompetenzerweiterung für die Versammlung bestehen. Ich sehe aus dem Vertragstext nur eines: daß Art. 95 keine Veränderung des Sinnes des Vertrages möglich macht; das werden Sie akzeptieren.
Wenn Sie den Vertrag so interpretieren, daß sein Sinn die Höherentwicklung der gesamten europäischen Wirtschaft im Interesse der Verbraucher ist, dann gestatten wir uns, gegenüber diesem angeblichen Sinn des Vertrages erhebliche Zweifel zu äußern, und wir halten uns da mehr an die Realitäten, wie sie nicht nur in der Kammerdebatte in Frankreich ausgesprochen sind, wo es schließlich ganz einfach und schlicht darum ging, daß Frankreich mehr Kohle zu günstigen Bedingungen erhalten solle. Es hat einmal in der Literatur ein böses Wort von den .Engländern gegeben, das hieß: Sie sagen Gott und meinen Kattun! — Man ist bei manchen Reden in der französischen Kammer versucht zu sagen: Sie sagen Europa und meinen Kohle!
Das ist eine Interpretation, die nach allem, was in dieser Kammerdebatte gesagt worden ist, gar nicht weit hergeholt worden ist. Ich will nicht bestreiten, daß vom Standpunkt der französischen Interessen der Wunsch nach günstigen Bedingungen für den Einkauf deutscher Kohle durchaus legitim ist. Vom Standpunkt der deutschen Interessen scheinen mir allerdings diese Ansprüche an die deutsche Wirtschaft nicht so legitim zu sein, wie es die französischen Parlamentarier angenommen haben.
Wie steht es nun mit dem Vertragstext bezüglich der Revision? Art. 95 Abs. 3 schließt vor allem — und das scheint mir entscheidend zu sein — vom Standpunkt der Kontrollmöglichkeiten der Organe des Schumanplans eine Veränderung der Kompetenzverteilung zwischen den Organen der Montan-Union schlichtweg aus.
— Ja, ich komme noch auf die große Revision in Art. 96.
Das heißt praktisch, meine Damen und Herren, daß die Versammlung auf dem Wege der Revision nach dem Wortlaut des Vertrages nicht zu einer echten Kontrollinstanz für die übrigen Organe der Montan-Union umgebaut werden kann, auch wenn die Notwendigkeit klar gegeben wäre.
Der Mechanismus der Revisionsartikel ist überhaupt so kompliziert, daß dié Revision zu unseren
Gunsten gegen die begünstigten Partner praktisch kaum zu erreichen ist.
In der Versammlung sind drei Viertel der abgegebenen Stimmen und zwei Drittel der Mitglieder notwendig, um eine Revision zu erreichen.
Wenn man sich nun fragt, was denn die Gründe für Revisionsansprüche sein könnten, dann ist es doch angesichts des Gegenstandes des Vertrages, nämlich Kohle und Eisen, in der Regel wahrscheinlich so, daß die Ansprüche der Partner auf eine gewisse Bevorzugung oder auf die Abwehr von Benachteiligungen beim Bezug der Güter, die Gegenstand der Montan-Union sind, Inhalt eines solchen Revisionsgesuchs sein werden. Mit anderen Worten: Es stehen sich also in der Regel Nehmende und Gebende gegenüber, und das wird die Fronten in diesen Organen bestimmen und die Mehrheiten zustande kommen lassen. Ich glaube, man sollte hier ganz nüchtern sein und den Dingen ins Auge sehen, wie sie sind.
Art. 96, der die sogenannte große Revision möglich macht — ja, dieser Artikel läßt nach Ablauf der Übergangszeit zu, daß jeder der Teilnehmerstaaten eine Anpassung des Vertragswerks an die inzwischen gesammelten Erfahrungen beantragt. Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie den Art. 96 genau lesen, dann sehen Sie, daß auch hier der Mechanismus sehr kompliziert ist; zwar im Äußeren scheint er nicht schwer zu handhaben, aber in der Sache und seinem Gehalt nach spricht er infolge der ihm innewohnenden Zwangsläufigkeit in der Regel gegen eine Revision, d. h. gegen das Zustandekommen einer Verständigung über Wünsche eines Partners, so daß auch hier kaum damit zu rechnen ist.
Jedenfalls ist zu sagen, daß für eine Revision gewisse Schwierigkeiten in Art. 95 und 96 vorliegen. Denn man muß ja auch unterstellen, daß durch die Gesamtentwicklung, die, wie Sie annehmen, durch den Montanvertrag herbeigeführt wird, sehr schnell, und wie wir annehmen, durch das innere Gewicht der Vertragsbestimmungen auf jeden Fall gewisse Verschiebungen in den Kräfteverhältnissen zwischen den einzelnen Vertragspartnern eintreten werden, die es erwünscht sein lassen könnten, daß wirklich eine gründliche' Revision durchgeführt wird. Und ich kann nicht sehen, daß eine solche gründliche Revision, vor allem wenn sie zugunsten eines Vertragspartners, wie Deutschland, vorgenommen werden sollte, durch die Bestimmungen des Vertrages sehr einfach gemacht wird — ich will es ganz vorsichtig ausdrücken, um nicht zu sagen: beinahe ausgeschlossen ist.
Und nun, meine Damen und Herren, möchte ich noch eine Bemerkung zu gewissen Begründungen der Montan-Union und gewissen Anregungen machen, die teils aus der deutschen Diskussion stammen, teils auch von außen in diese Diskussion hineingetragen worden sind. Ich meine, man sollte nicht nur von seinem Glauben an die der MontanUnion innewohnenden Möglichkeiten sprechen, man sollte nicht nur den Geist beschwören, und man sollte auch nicht unter allen Umständen auf die gelegentlichen Hinweise von jenseits des Atlantik auf das große amerikanische Vorbild des Zusammenschlusses des 13 Kolonien Neuenglands hereinfallen. Hier wird uns ja doch aus' ganz bestimmten politischen Gründen der Schritt in die Montan-Union nahegelegt; und wenn man schon einen solchen Schritt unternimmt, sollte man die historischen Realitäten nicht völlig übersehen und sollte nicht historische Parallelen akzeptieren, die offenkundig mit dem, was jetzt getan werden soll, gar nichts zu tun haben. Die Europa-Romantiker diesseits und jenseits des Atlantik weisen uns auf die Geschichte der Vereinigten Staaten hin. Aber die Geschichte der Vereinigten Staaten ist ja etwas ganz anderes als die Geschichte des europäischen Kontinents. Schließlich haben sich die 13 Kolonien Neuenglands in der Abwehr und bei der Vertreibung eines kolonialen Oberherrn, der gleichsprachiger Herkunft war, auf einem völligen Neuland zusammengefunden. Sie standen sozusagen voraussetzungslos am Anfang ihrer Geschichte, und sie haben einen wesentlichen Teil nicht nur ihrer Geschichte, sondern auch ihrer Verfassungsgeschichte geschrieben in der Expansion über die alten Grenzen hinaus. Das hat gar nichts zu tun mit dem, was jetzt in Europa vor sich gehen soll;
und deshalb, glaube ich, sollte man da nicht von falschen Voraussetzungen ausgehen, und auch unsere großen Lehrmeister in der Demokratie sollten gelegentlich mit ihren' Ratschlägen etwas zurückhaltend sein.
— Der wirtschaftliche Vergleich, Herr Kollege Euler, ist nicht richtig. Denn in Europa sind die Grenzen der wirtschaftlichen Möglichkeiten und Hilfsquellen im wesentlichen bekannt; in Amerika bewegte man sich in ein völlig unbekanntes und neuartiges Gebiet hinein. In Europa haben wir festgefügte Staatsorganisationen, die sich miteinander föderieren müssen, Staaten, die auf eine lange Geschichte mit vielen historischen Traditionen — man kann auch sagen, historischen Hypotheken — zurückblicken und zugleich über eine solide Wirtschafts- und Sozialstruktur verfügen.
So etwas zu föderieren, ist etwas anderes, als 13 Kolonien zusammenzuschließen, die noch nicht einmal eine echte staatliche Struktur erlangt haben, sondern die vielfach noch mit ihren Grenzen mitten in die Wildnis hineinreichen.
— Ich wollte Ihnen, Herr Kollege Freudenberg, nur sagen, daß wir nicht jedem Ratgeber blindlings folgen sollten, der uns gelegentlich auch unter einen nicht immer sehr sanften Druck setzt, wenn er seine eigenen politischen Zwecke erreichen möchte.
Was ich ferner damit sagen wollte, meine Damen und Herren, ist, daß die Spannungselemente in Europa bei jedem Schritt, den man in der Richtung auf eine echte Integration der europäischen Län' der geht, von vornherein sehr viel starker sind als bei jedem anderen geschichtlichen Vorbild und daß deshalb die Notwendigkeit ständiger Überprüfung des Getanen viel stärker ist als irgendwo.
In diesem Sinne, meine Damen und Herren, scheinen uns einmal die Vertragsdauer und zum anderen die Revisionsmöglichkeiten des Vertrages nicht ausreichend, um eine Garantie dafür zu ge-
ben, daß zwar nicht von dem imaginären Geist des Vertrages her, sondern von den ökonomischen und politischen Realitäten Europas her dieser Vertrag mit dem Inhalt erfüllt wird, den ihm seine Befürworter — sozusagen als Vorschußlorbeeren — von vornherein zuschreiben. Wir Sozialdemokraten sind — und wir werden Ihnen das im Verlauf dieser Debatte noch praktisch zeigen — nicht gegen Europa, und wir verwahren uns gegen die Unterstellung, daß unsere Stellungnahme zu diesem Vertragswerk eine Stellungnahme gegen Europa sei.
Wir weigern uns nur, einen Weg mitzumachen, den wir für falsch halten, und eines Tages, meine Damen und Herren, werden Sie vielleicht froh sein, daß es in diesem Bundestag eine Opposition gegeben hat, die den Gegenstandpunkt bezogen hat, damit wir bei Revisionsmöglichkeiten, wenn Sie schon diesen Schritt tun, einen vernünftigen Ausgangspunkt haben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kreyssig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Haus um einige Minuten Aufmerksamkeit für eine sehr nüchterne und sachliche Feststellung, die ich treffen muß und die ich gern schon früher getroffen hätte, — aber die Rednerliste heute abend hat gewisse Tücken gehabt; ich weiß nicht, woran es liegt. Auf der andern Seite ist es vielleicht gut, daß ich gerade jetzt nach dem bisherigen Gang der Debatte dieses Anliegen hier im Hause vorbringen kann.
Ich glaube, die meisten der Damen und Herren werden nach dem umfangreichen mündlichen Bericht des Herrn Kollegen Preusker seinen schriftlichen Bericht nicht noch einmal gelesen haben. Es ist deshalb wahrscheinlich dem Hohen Hause entgangen, daß der Berichterstatter am Ende seines Berichtes geschrieben hat, es müsse der Bundesregierung abschließend ein „technisches Monitum" zur Kenntnis gebracht werden: der Ausschuß hätte es nämlich begrüßt, wenn die deutsche Übersetzung des Schumanplans an manchen Stellen genauer gewesen wäre, so. daß der Ausschuß sich in diesen Fällen den wahren Sinn des Vertrages nicht erst an Hand des französischen Textes hätte erarbeiten müssen.
Der Herr Berichterstatter hat dann weiter schriftlch mitgeteilt, daß die Bundesregierung mangelhafte Stellen der Übersetzung bereits in den Ausschüssen berichtigt und die Herstellung eines revidierten Textes zugesagt habe.
Meine Damen und Herren, es sieht nun so aus, als ob die Drucksache Nr. 2401 Anlage 2 dieser berichtigte Text sei. Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen hat am 18. Dezember 1951 vor dem Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten erklärt, dem Bundestag werde v o r der Beschlußfassung noch eine Liste von Berichtigungen zu der Übersetzung zugehen. Ich darf feststellen, daß wir sie nicht bekommen haben, und ich muß nun darauf verweisen, meine Damen und Herren, daß es, glaube ich, einmalig in der Geschichte überhaupt ist, daß eine Regierung von der höchsten parlamentarischen Instanz ihres Landes die Ratifizierung eines Vertragswerkes — das für 50 Jahre bindet — verlangt, für das nur e i n verbindlicher Text, nämlich ein Text in französischer Sprache, vorliegt!
Ich bitte das Hohe Haus, genau darauf zu achten, daß in dem neuen Dokument über den Vertrag — was vorher nicht der Fall war, aber jetzt der Ordnung halber berichtigt worden ist — neben dem alleingültigen französischen Vertragstext bescheidenerweise das Wort „Übersetzung" steht.
Herr Abgeordneter, darf ich darauf hinweisen, daß mir diese Berichtigung ordnungsmäßig zugegangen ist und daß auf Grund dieser Berichtigung die Anlage 2 zur Drucksache .Nr. 2401 angefertigt worden ist? Ich habe mir gestattet, zu Beginn der Besprechung auf diesen Sachverhalt aufmerksam zu machen.
Ich darf aber den Herrn Präsidenten darauf aufmerksam machen, daß es nur eine einzige Berichtigung in dem neuen Vertragstext gibt.
Nein, das stimmt nicht. Die Berichtigungen sind 12 Seiten lang; sie stehen Ihnen hier zur Verfügung, Herr Abgeordneter Dr. Kreyssig.
Schön, dann stimme ich dem zu, meine Damen und Herren. Ich wäre sehr glücklich und würde es mit großer Genugtuung entgegennehmen, wenn mit dieser Erklärung des Herrn Präsidenten dieser Fall wirklich geklärt wäre. Aber wir haben nun mal merkwürdigerweise die Tatsache zu verzeichnen, daß wir in drei oder vier entscheidenden Gesetzesartikeln immer noch seit langem unveränderte Texte stehen haben, die nicht korrigiert sind.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren — ich will nicht auf viele kleine Dinge eingehen, das würde viel zu weit führen und hat keinen Zweck —, sich Art. 21 anzusehen. Wir haben im Hause sicherlich auch auf Ihrer Seite genügend Herren, die Französisch kennen. Es handelt sich um die Zusammensetzung der Versammlung. In dem Art. 21 ist in dem französischen, allein verbindlichen Text einwandfrei unterschieden zwischen zwei Sorten von Delegierten oder Parlamentariern. Es gibt einmal im Jahr aus den bestehenden Parlamenten zu wählende Delegierte für die Versammlung — oder aber Abgeordnete, die nach einem beliebigen Verfahren der Regierungen gewählt werden können. Und diese können auch auf längere Zeit, auf drei oder vier Jahre, gewählt werden. Nach dem deutschen Text des Art. 21 ist die zweite Möglichkeit nicht vorhanden. Es ist hier so falsch übersetzt, daß nach dem deutschen Text, der ja doch für die meisten von Ihnen wahrscheinlich zur Urteilsbildung beigetragen hat, alle Abgeordneten zu dieser Versammlung einmal im Jahr gewählt werden müssen. Es handelt sich also um einen Übersetzungsfehler von schwerwiegendem gravierendem Inhalt.
Ich bitte Sie sodann, sich den Art. 33 anzusehen; das ist ein Punkt, der noch wichtiger ist. Es handelt sich dabei, wie jetzt gerade von den Juristen mehrfach ausgeführt worden ist, um die Rechte, die die Mitgliedstaaten hinsichtlich des Gerichtshofes und seiner Anrufung haben. Im deutschen Text wird nach der Übersetzung erklärt, daß der Gerichtshof gegen die Hohe Behörde bereits angerufen werden könne, wenn die Hohe Behörde einen „Ermessensmißbrauch" begangen habe. Nach dem deutschen Text wäre das also eine außerordentlich starke Erleichterung einer Anrufung des Gerichtshofes gegen die Hohe Behörde. Meine Damen und Herren, im französischen Text steht aber einwandfrei, und zwar zweimal, „detournement de pouvoir". Das hat mit „Ermessensmißbrauch" nicht das Geringste zu tun,
sondern hier handelt es sich eindeutig nur um den Fall, daß die Hohe Behörde sich „Amtsbefugnisse anmaßt" oder etwas unternimmt, was ihr nicht zusteht, also einwandfrei ihre Kompetenzen überschreitet. Nur dann haben die Mitgliedstaaten nach Art. 33 das Recht, sich an den Gerichtshof zu wenden. Das scheint mir ein Übersetzungsfehler von außerordentlich schwerwiegender Natur zu shin.
Dieser Art. 33 ist im Ausschuß für Wirtschaftspolitik eingehend diskutiert worden. Damals hat der Sprach- und Kronjurist des Bundesjustizministeriums uns nach Abschluß der Beratung über diesen Artikel eine offizielle berichtigte Übersetzung vom Bundesj ustizministerium geschickt. Sie kam nachträglich und hat die Frage geklärt, wieweit der Gerichtshof über materielle Tatbestände der ökonomischen Situation entscheiden könne. Das war vorher falsch übersetzt worden. In der neuen Übersetzung sind aber wiederum zwei Fehler enthalten. Einmal ist die falsche Übersetzung von „détournement de potivoir" mit Ermessensmißbrauch" dringeblieben, und zweitens steht im deutschen Text, daß es sich bei der Beurteilung der Dinge um die „Gesamtlage" handeln müsse. Und dieser wiederum recht schwerwiegende Übersetzungsfehler ist gemacht worden, obwohl uns die Vertreter im Ausschuß gesagt haben, daß die Franzosen gern dieses „ensemble de la situation" gewünscht, die Deutschen sich aber dagegen gewandt hätten. Sie haben es also aus dem französischen Text herausgebracht und im deutschen Übersetzungstext dann falsch übersetzt.
Hier handelt es sich abermals nicht um ein kleines Versehen, was man als flüchtiges Übersetzen bezeichnen könnte, sondern hier wird der, deutschen Öffentlichkeit seit fast einem Jahr ein materiell falscher Inhalt einer Bestimmung des Schuman-plans vorgelegt.
Auf viele andere Punkte will ich nicht eingehen. Auf eines muß ich allerdings noch hinweisen nämlich, daß auch das französische Wort „saisir" eine vollkommen eindeutige Bedeutung hat. Sie wissen j a alle, daß die französische Sprache den Vorteil hat, die klarste der Welt zu sein, und daß man deshalb j ahrhundertelang internationale Verträge in französischer Sprache abgefaßt hat. Sie können sich also darauf verlassen, daß der französische Text, auch wenn er deutsch falsch übersetzt worden ist und aus der falschen Übersetzung sich im einen oder andern Fall vielleicht falsche Überlegungen und Schlußfolgerungen ergeben, bei jeder Anwendung der Bestimmung unter allen Umständen allein verbindlich sein wird. Das Wort „saisir" bedeutet, daß man ein Verfahren anhängig machen kann bei irgendeiner Instanz oder einer Behörde. Dieser Begriff „saisir" wird in Art. 37 gegenüber der Hohen Behörde gebraucht und findet im Deutschen die Übersetzung, die Hohe Behörde könne „damit befaßt" werden. In, Art. 61 wird „saisir" benutzt gegenüber dem Rat. Im deutschen Übersetzungstext heißt es merkwürdigerweise, daß der Betreffende, der irgend _etwas vorzubringen hat, sich „an den Rat wenden" könne. Beides ist falsch übersetzt, und beides entspricht nicht dem, was die Franzosen unter „saisir" verstehen, nämlich, daß man eine Institution anrufen kann, natürlich unter bestimmten juristischen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen.
Schließlich noch ein letzter Punkt, um Sie nicht länger zu behelligen. Es handelt sich um den Art. 83, eben jenen Artikel, von dem ich eigentlich erwartet hatte, daß der — wie er so schön von sich gesagt hat — „gewissenhafte Jurist", der alle diese merkwürdigen Dinge rechtlicher und völkerrechtlicher Natur nicht gewissenhaft beachtet hat, daß Herr von Merkatz sich dazu äußern würde. Er ist es ja gewesen, der im Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu diesem Art. 83, der die Sozialisierungsfrage beinhaltet, seinen Protest zu Protokoll gegeben hat, und zwar einen Protest gegen die Rechtsinterpretation, die der Regierungsvertreter im Ausschuß für Wirtschaftspolitik diesem Artikel gegeben hat.
Nun, Art. 83 sagt im französischen Text, daß die Schaffung der Eisen- und Stahlgemeinschaft in keiner Weise — es heißt: „ne préjuge en rien le régime de propriété" —, also daß sie in keiner Weise die Eigentumsverhältnisse beeinflusse. Der deutsche Text ist an zwei Stellen falsch übersetzt. Die deutsche Übersetzung heißt: „Die Einrichtung der Gemeinschaft berührt in keiner Weise die Ordnung des Eigentums". Nun, die Schaffung dieser Gemeinschaft berührt die Ordnung des Eigentums, z. B. in Belgien, wenn Gruben geschlossen werden, und auch an vielen anderen Stellen außerordentlich nachhaltig. Der französische Text sagt dem gegenüber, daß die Schaffung der Gemeinschaft nichts präjudiziere. Es handelt sich auch nicht um die „Ordnung des Eigentums" — das hat sich offenbar in die Übersetzung eingeschlichen, weil wir das von den Amerikanern in der Übersetzung immer gehört haben —, sondern es handelt sich um die „Eigentumsverhältnisse". Das Französische ist klar: Änderungen im Regime der Eigentumsverhältnisse werden nicht präjudiziert; mit anderen -Worten: der Schumanplan greift dem nicht vor. Der gewissenhafte Jurist Herr Dr. von Merkatz hat sehr genau gewußt, warum er im Ausschuß für Wirtschaftspolitik gegen die Interpretation, die wir vom Regierungsvertreter zu diesem Artikel uns erbeten haben, seinen verhaltenen, aber energischen Protest zu Protokoll gegeben hat.
Schauen Sie, meine Damen und Herren, das ist eine Situation, die ich grotesk und phantastisch finde.
Und nun meine ich, daß ich noch eines hinzufügen darf. Der Herr Staatssekretär des Äußeren ist ja schon damals im Ausschuß für Wirtschaftspolitik auf diese Dinge aufmerksam gemacht worden und dann auch noch einmal im Ausschuß für Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten. Was war die Entgegnung? Was hat der Professor Hallstein geantwortet? — Er hat gesagt: Wir haben
nicht Zeit gehabt, einen authentischen deutschen Text
in Paris herzustellen, weil wir sonst nicht den Ter-
min der Unterzeichnung hätten einhalten können.
Man hat — und das ist ja auch nicht ganz ohne Interesse — aus romantischem Europäertum heraus unbedingt ein Jahr nach der Verkündung die Unterzeichnung haben wollen.
Aber, Herr Staatssekretär des Äußeren — und dies gilt auch als ein sehr ernsthaftes Wort an den Herrn Außenminister Dr. Adenauer —: Wenn man damals nicht die Möglichkeit hatte und sich darüber im klaren gewesen wäre, daß man wirklich genau das unterschreiben wollte, was im französischen Text in der klarsten Sprache der Welt niedergelegt ist, dann kann ich dafür noch Verständnis haben. Aber daß man seit dem 18. April 1951 sich nicht die Mühe genommen hat — und man wird doch hoffentlich nicht etwa sagen, man hätte nicht die Zeit gefunden —, die Nachholung dieses authentischen Textes vorzunehmen und ihn mit dem französischen Text abzupassen und dann das zu machen, was in allen internationalen Verträgen üblich ist, daß es nämlich, wenn man einen Vertragstext in deutscher und französischer Sprache aufschlägt, in der Schlußformel heißt: „Diese beiden Texte sind identisch und in jeder Sprache verbindlich", — daß das nicht nachgeholt worden ist, ist vollkommen unverständlich und unfaßbar. Wenn das in einem kleinen Abkommen über sozialpolitische Dinge oder anderes passiert wäre, hätte man sich gewundert. Dort passiert es nicht. Daß es hier bei dem Vertrage geschehen ist, zu dessen Ratifizierung der Bundestag aufgefordert wird und der Deutschland auf fünfzig Jahre bindet, daß hier also von den deutschen Abgeordneten über einen französischen Text abgestimmt wird, das ist glaube ich, einmalig in der Geschichte.
Schauen Sie, ich habe das auch deshalb vorgebracht — und ich bitte Sie, das nicht etwa als eine kleine Nebenangelegenheit zu betrachten —: Der französische Berichterstatter — ich muß noch einmal auf ihn zurückkommen, obwohl man ihn heute abend schon öfters genannt hat — hat in der französischen Kammerdebatte dem Sinne nach gesagt:
Denken Sie auch noch an eines: Es gibt nur einen verbindlichen Text, und der ist in französischer Sprache.
Und damit haben wir den großen Vorteil, daß dieser französische Text, daß französisches .Rechtsdenken und französische Rechtsinterpretation auch für den Gerichtshof maßgeblich sein werden.
Das mußte ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren, und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den einzelnen Beanstandungen, die gegen die deutsche Übersetzung, wie sie jetzt vorliegt, vorgebracht worden sind, habe ich das folgende zu bemerken:
Ich bleibe dabei, und auch die Ausführungen des Herrn Abgeordneten haben mich nicht vom Gegenteil überzeugt, daß in den fünf oder sechs Punkten, die er angegriffen hat, die deutsche Übersetzung zutreffend ist. Das gilt insbesondere für die Fassung des Art. 21. Ich vermag auch bei neuer Lektüre nicht zu sehen,
in welchem Wort diese Übersetzung unrichtig sein sollte. Das gilt für die Übersetzung, die wir dem Worte „saisir" haben angedeihen lassen. Das gilt für die Verwendung der Worte „berührt nicht"; es ist ein Stück der Juristensprache, daß man dann, wenn eine bestimmte Regelung eine andere — ich kann es nicht anders ausdrücken — unberührt läßt, das eben durch die Verwendung der Worte „berühren" oder „unberührt lassen" ausdrückt; mindestens kann aus der Verwendung der Worte „berührt nicht" als einer Übersetzung für die Worte „ne préjuge en rien" nicht die Beanstandung hergeleitet werden, daß dadurch irgendein Zweifel über den Sinn dieses Textes erzeugt werden könnte.
Ich bleibe auch dabei, daß die Übersetzung des Wortes „régime de propriété" durch „Eigentumsordnung" die zutreffende Übersetzung ist.
Der einzige Punkt, bei dem ich zugeben muß, daß die Übersetzung problematisch war, und zu dem ich daher berichten kann, daß uns die Übersetzung selbst außerordentliche Schwierigkeiten gemacht hat, ist die Übersetzung des Wortes „détournement de pouvoir". Ich halte zwar die Auffassung des Herrn Abgeordneten für unrichtig, daß „détournement de pouvoir" „Amtsanmaßung" bedeutet. Ich muß aber zugeben, daß es einen juristischen terminus technicus, der völlig exakt den Sinn der Worte „détournement de pouvoir" wiedergibt, in der deutschen juristischen Fachsprache nicht gibt. Der Unterschied zwischen dem Ausdruck „détournement de pouvoir" in der französischen Verwaltungsrechts- und Verwaltungsgerichtssprache und dem dem deutschen Verwaltungsjuristen geläufigen Ausdruck „Ermessensmißbrauch" ist aber so gering, daß wir glaubten, es verantworten zu können, den einen Ausdruck mit dem anderen wiederzugeben. Der Unterschied liegt lediglich darin, daß es sich im Falle des „détournement de pouvoir" um einen Vorgang handelt, bei dem eine bestimmte, um bestimmter Ziele willen einer Behörde übertragene administrative Befugnis in einer Weise ausgeübt worden ist, die nicht eben diesen vom Gesetz zugrunde gelegten Zielen dient, während das Wort „Ermessensmißbrauch" in der deutschen Rechtssprache insofern eine gewisse andere Nuance hat, als es sich um eine Handlung der Verwaltungsbehörde aus unzulässigen und durch das Gesetz nicht gedeckten Motiven handelt.
Was die Frage der Herstellung eines offiziellen deutschen Textes betrifft, so darf ich dazu folgendes sagen: Selbstverständlich wäre es uns erwünscht gewesen, wenn wir noch einen deutschen Text hätten erarbeiten können, der mit derselben Authentizität wie der französische Text gegolten hätte. Das hätte bedeutet, daß wir in derselben Zeit auch einen ebenso offiziellen italienischen und
einen ebenso offiziellen holländischen Text hätten herstellen müssen.
Das hätte nicht nur bedeutet, daß wir für die Herstellung dieses Textes geraume Zeit gebraucht hätten — man hat Erfahrungen mit dem Zeitbedarf für die Herstellung dieser Texte —, sondern es hätte auch bedeutet, daß die Gefahr von Widersprüchen in diesem Text gesteigert worden wäre.
Die Bemerkung, die Verwendung der französischen Rechtssprache ziehe die Gültigkeit der französischen Rechtsdogmatik für die Auslegung dieses Vertragswerks nach sich, ist unrichtig. Und diese Unrichtigkeit wird auch nicht dadurch beseitigt, wenn etwa der Berichterstatter des französischen Parlaments das Gegenteil behauptet haben sollte.
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wird vermutlich morgen ihre Stimme gegen die Montanunion abgeben. Die kommunistische Fraktion wird ebenfalls ihre Stimme gegen die Montanunion abgeben. Diese Übereinstimmung entspricht den Erwartungen von Millionen deutscher Arbeiter, von Millionen Menschen draußen im Lande, die die verhängnisvolle Rolle des Schumanplans erkannt haben und sich mit ihrer ganzen Kraft dagegen wehren, daß er zu einem deutschen Gesetz gemacht wird. Trotz dieser Übereinstimmung in der Stimm, abgabe sehe ich mich genötigt, mich mit einigen Argumenten der sozialdemokratischen Fraktion auseinanderzusetzen, weil ich sie nicht für. geeignet halte, den Widerstand der Bevölkerung wachzurufen und den Schumanplan unmöglich zu machen.
Die Kritik der sozialdemokratischen Fraktion ist auf eine Linie ausgerichtet, die den entscheidenden Charakter der Montanunion außer acht läßt. Sie wendet sich gegen die angebliche Benachteiligung der deutschen Kohle- und Stahlherren gegenüber den französischen. Die Herren Schoettle und Henßler haben sich mit großem Aufwand an Argumenten gegen den sogenannten Nationalegoismus gewandt, wie er in den Reden verschiedener französischer Kammerabgeordneten zum Ausdruck gekommen sei. Herr Henßler hat sich darüber hinaus gegen die Diskriminierung, wie er sagte, der deutschen Kohle- und Stahlindustrie gewandt, die er im Fortbestehen des Gesetzes Nr. 27 sieht, was er als eine Fortsetzung der Strafpolitik der westlichen Alliierten gegenüber Westdeutschland bezeichnet. Schließlich wandten sich sowohl Schoettle wie Henßler gegen die mögliche Ausbeutung der westdeutschen Spitzenproduktion an Steinkohle und gegen die Gefahr, daß sich aus dieser Produktionssituation ein Nachteil für die deutsche und ein Vorteil für die französische Wirtschaft ergebe. Herr Kollege Schöne hat sich gegen die, wie er sagte, übermäßige Dekonzentration auf dem Gebiete der deutschen Kohle-, Eisen- und Stahlindustrie gewandt und hat sie mit dem Prozeß der fortlaufenden Konzentration dieser Industrien in Frankreich verglichen. Er hat uns die in Frankreich und in anderen Ländern der Montanunion in den letzten Jahren vollzogene Konzentration als ein Beispiel dargestellt, dem nachzueifern Westdeutschland bisher versagt geblieben sei. Schließlich hat der Kollege Imig die vorgesehen Auflösung des westdeutschen Kohlenverkaufssyndikats beanstandet und sie als ein großes Unrecht bezeichnet. Er verwies auf die große Tradition dieses Syndikats, auf die sechs Jahrzehnte seines Bestehens, und ich meine, es hätte nur noch gefehlt, daß er auch der glorreichen Vergangenheit des Ruhrkohlensyndikats in der Zeit der unmittelbaren Vorbereitung des Hitlerregimes gedacht hätte, jener Zeit also, in der sich die Mitglieder des Ruhrkohlensyndikats verpfiichtet hatten, pro Tonne geförderter Kohle 5 Pfennige für die Parteikasse Adolf Hitlers abzuführen.
Ich kann auch die Kritik des Herrn Kollegen Dr. Veit nicht als auf den Kern der Sache gerichtet anerkennen. Seine Kritik an der undemokratischen Struktur der Organe der Montanunion ist zwar berechtigt, doch genügt es nicht, bei einer Kritik an den Organen stehenzubleiben, sondern man muß prüfen, zu welchem höheren politischen, wirtschaftlichen und militärischen Zweck diese Organe geschaffen und warum sie gerade in derart undemokratischer Weise konstruiert worden sind.
Ich meine, diese Argumente haben eine merkwürdige Übereinstimmung mit den Forderungen des sozialdemokratischen Antrags, den die Regierungsparteien jetzt als überholt bezeichnen. Ich meine z. B. ihre Bedingung für die Annahme des Schumanplans, die in der Forderung bestand, daß das Ruhrstatut zu fallen habe. Nun, die Herren Erfinder der Montanunion hätten sich gar nichts vergeben, wenn sie schon früher dieser Forderung der Sozialdemokraten nachgegeben hätten; denn was sie jetzt mit der Hohen Behörde geschaffen haben, ist zehnmal wirksamer als das Ruhrstatut. Es bringt den eigentlichen Urhebern der Montanunion, den amerikanischen Imperialisten, zusätzlich noch den Vorteil ein, daß die bisherigen britischen Mitsprecher in dem Lenkungsorgan für die westeuropäische Montanindustrie nunmehr ausgeschaltet werden.
Gegenüber dieser halben Kritik der sozialdemokratischen Fraktion halte ich einige Feststellungen für angebracht. Erstens: was will man eigentlich mit dieser bewegten Klage gegen die französischen Konzernherren und ihre politischen Advokaten in der französischen Kammer? Sozialisten oder ehemalige Sozialisten sollten doch der historisch erwiesenen Tatsache eingedenk sein, daß sich imperialistische Räuber gegenseitig betrügen und totzuschlagen versuchen, selbst dann, wenn sie sich zeitweilig in einem Kartell zusammenfinden.
Im Prinzip sagen Sie zu diesem System j a. Im Prinzip haben ja auch die französischen Parteifreunde der sozialdemokratischen Fraktion ja gesagt. Ich wundere mich, warum in der Kritik der sozialdemokratischen Abgeordneten die Haltung der Fraktion der SFIO, der sozialdemokratischen Partei, in der französischen Kammer bei der Abstimmung über den Schumanplan nicht erwähnt worden ist.
Zweitens: was soll die Aufzählung der triumphierenden Zitate aus der Debatte der französischen Kammer? Herr Abgeordneter Henßler — —
Darf ich einen Augenblick unterbrechen, Herr Abgeordneter Fisch! Ich untersage jedes Photographieren im Saale und bitte die Boten, dafür zu sorgen, daß das aufhört.
Herr Abgeordneter Henßler hat an der Bundesregierung kritisiert, daß sie die Ziele des Schumanplans idealisiere. Nun gut, die Bundesregierung hat es nötig, die Ziele des Schumanplans zu idealisieren. Ich glaube, genau so nötig hatte es die französische Regierung, die Ziele des Schuman-plans zu idealisieren. Beide, die westdeutsche und die französische Regierung, malen der Bevölkerung ihrer Länder ein Trugbild vor. Beide, die westdeutsche wie die französische Regierung, haben es nötig, unter Verleugnung der Interessen ihrer Völker zu verbergen, was sie in Wirklichkeit vorhaben zu verbergen, daß sie in die Firma fremder Usurpatoren einzutreten gewillt sind, zu verbergen, daß sie sich anschicken, sich den Direktiven der amerikanischen Imperialisten zu unterwerfen und die Rechte und Freiheiten ihrer Völker preiszugeben. Sie haben es nötig, mit einer billigen Agitation herumzuprotzen und Vorteile für ihre Völker vorzutäuschen da, wo Vorteile nicht für die Völker, sondern nur für die kleine Schicht parasitärer Konzernherren der Eisen-, Stahl- und Kohlenindustrie existieren.
Dritte Feststellung: Im Grundsatz sind sich die beiden Vertreter der Regierungskoalition und der „konstruktiven Opposition" j a doch einig. Herr Kollege Imig erklärte, er und seine Fraktion sagten zur Europäischen Gemeinschaft j a; nur dann müsse er nein sagen, wenn auf Kosten Deutschlands aus ihr ein Geschäft gemacht werden solle. Ich glaube, die Herren von der rechten Seite dieses Hauses können diesen Satz unterschreiben, weil sie schon etwas mehr darüber wissen, daß sie in dieser gemeinsamen Firma das Geschäft machen nicht nur auf Kosten des deutschen Volkes, sondern auf Kosten aller europäischen Völker.
Meine Damen und Herren, ist die Feststellung, daß sich die beiden Gruppen dieses Hauses, die heute These und Antithese vorspielen, im Grunde genommen einig sind, etwas Neues? Ich glaube nicht. Gestatten Sie mir, daß ich etwas in die Vergangenheit zurückgreife und aus der Stellungnahme der „Sozialistischen Bewegung für die Vereinigten Staaten Europas" zitiere, abgegeben auf ihrem Kongreß, den sie im November 1949 in Paris abgehalten hat. Damals wurde von diesem Gremium der sozialdemokratischen Parteien in Europa erklärt:
Das Ruhrstatut muß als erster Schritt zur Europäisierung der Schlüsselindustrien unter Kontrolle der Arbeiterschaft betrachtet werden.
Oder: Im Jahre 1950, am 18. Juni, tagte die Sozialistenkonferenz in London und beschloß eine Stellungnahme zur Montanunion. In dieser Resolution wurde in 7 Punkten die grundsätzliche Meinung der sozialdemokratischen Parteien zum Schumanplan niedergelegt. Diese grundsätzliche Stellungnahme bezeichnete den Schumanplan als ein „kühnes Beispiel europäischer Initiative" und begrüßt ihn als solches. Im Punkt 5 erklärte die „Sozialistenkonferenz":
Die einzelnen Regierungen müssen die Verpflichtung übernehmen, in ihren eigenen Ländern die unter der neuen internationalen Organisation gefaßten Beschlüsse in die Tat umzusetzen.
Diese Entschließung wurde einstimmig angenommen.
Die Abordnung der deutschen Sozialdemokratie unter Führung des Abgeordneten Ollenhauer hat dieses Kommuniqué angenommen. Man machte le- I diglich einen Vorbehalt, nämlich daß vor der Annahme des Schumanplans das Ruhrstatut geändert — nicht aufgehoben! — werde.
Das war eine Woche vor Beginn der Vorgänge' in Korea. Ich möchte gern, daß Herr Ollenhauer zu dieser seiner damaligen grundsätzlichen Stellungnahme etwas sagt und uns erklärt, wie sie zu vereinbaren ist mit der Spiegelfechterei einer Scheinopposition, die dem deutschen Volk jetzt vorgeführt
wird.
Mit dieser Haltung kann man nicht den Widerstand der Bevölkerung, den Widerstand insbesondere der Arbeiterschaft organisieren. Mit dieser Argumentation geht man am Kern der Sache vorbei. Die Frage ist "schließlich, ob Sie den Kern der Sache mit Ihrer Kritik überhaupt treffen wollen: mir scheint, wenn Sie das wollten, dann sähe es gegenwärtig etwas anders aus. Ich aber glaube, Sie rollen den Kern der Sache nicht treffen, Sie wollen ihn verschweigen, weil Sie wissen, dieser Kern der Sache ist, daß der Schumanplan ein Kernstück der amerikanischen Politik auf europäischem Boden ist. Und weil Sie zu dieser amerikanischen Politik in Europa ja sagen, darum Ihre grundsätzliche Stellungnahme für den Schumanplan, die nur getarnt ist durch solche billigen Scheinoppositionsgeschichten, wie wir sie jetzt erleben.
Was ist das Entscheidende, was sprechen Sie nicht aus? Daß der amerikanische Imperialismus diesen Plan entworfen hat, ein gewaltiges Superkartell zu schaffen mit unbeschränkten Vollmachten und zu dem einzigen Zweck, das Rüstungspotential Europas zu vervielfältigen. Daraus erwachsen alle die Folgen der verschärften Kriegsgefahr, der ungeheuerlichen Verarmung unseres Volkes und der anderen Völker Westeuropas, die Preisgabe der Souveränitätsrechte und vieler demokratischer Rechte der Völker und schließlich die Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands auf die Dauer von 50 Jahren.
Die Rolle, die die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl zu spielen berufen ist, kommt mit krasser Deutlichkeit in dem Aufbau und der Kornpetenz ihrer Organe zum Ausdruck. Selbst die bürgerliche Presse, die dem Schumanplan wohlgesonnen ist, mußte zugeben, daß die Hohe Behörde so gut wie alles darf, daß sie ein riesiges, mit allen Machtvollkommenheiten ausgestattetes überstaatliches Zwangskartell ist in denkbar monopolistischer Art. Jawohl, sie ist mit autoritären Befugnissen ausgestattet, ein Machtorgan der internationalen Rüstungs- und Finanzkönige, in dem jene Gruppe das entscheidende Wort führt, die mit den stärksten wirtschaftlichen und finanziellen Mitteln ausgestattet ist, nämlich das amerikanische Monopolkapital.
In dem entscheidenden Art. 9 des Schumanplanvertrags heißt es:
Die Mitglieder der Hohen Behörde üben ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit ... aus. Sie dürfen bei der Erfüllung ihrer Pflichten weder Anweisungen von einer Regierung oder von einer anderen Stelle einholen, noch solche Anweisungen entgegennehmen.
Mit dieser entscheidenden Feststellung werden die Regierungen der beteiligten Länder und die Parlamente ausgeschaltet, werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Anweisungen der Hohen Behörde auszuführen, so wie es der Art. 86 vorschreibt. Die
Beamten der Hohen Behörde haben das Recht, auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten unbeschränkte Befugnisse auszuüben. Sie sind z. B. den Angehörigen der jeweiligen Finanzverwaltungen der Länder gleichgestellt.
Nicht zuletzt muß man auf den Art. 95 hinweisen, der der Hohen Behörde das Recht zugesteht, ihre eigenen Kompetenzen jederzeit über den Text und die offiziellen Ziele des Statuts hinaus zu erweitern.
Was ist das für eine Phrase von einem Haushaltsrecht? Der Haushaltsvoranschlag, der nicht mehr als ein Teil des Gesamtberichts ist, den die Hohe Behörde jährlich einmal der Versammlung vorzulegen hat, der aber nicht der Bewilligung und Zustimmung der Versammlung bedarf, ist dem alleinigen Ermessen der Hohen Behörde anheimgestellt. Diese darf über die einzelnen Titel nicht nur verfügen, sondern auch die Positionen, die für die einzelnen Titel aufgeführt werden, nach Belieben verschieben. Der Haushaltsvoranschlag wird faktisch von dem Ausschuß der Präsidenten der vier Organe, der Hohen Behörde, der Versammlung, des Rats und des Gerichtshofs, festgesetzt und verabschiedet.
Es paßt haargenau zu den autoritären Funktionen der Hohen Behörde, daß ihre Mitglieder und ihre Beamten die Rechte der Immunität genießen, so wie sie einst die. Organe der Kolonialmächte in den kolonial unterdrückten Ländern genossen haben. Ja, die Herrlichkeit in Schanghai ist zu Ende. Weil ein 450-Millionen-Volk das imperialistische Joch abgeschüttelt hat, weil andere Völker diesem Beispiel folgen, weil die Hälfte dieser Erde dem Zugriff der Imperialisten verschlossen ist, darum sollen andere Orte, nunmehr der sogenannten westlichen zivilisierten Welt, in den Status versetzt werden, den einstmals Schanghai und Nanking genossen haben.
Die Hohe Behörde erläßt Entscheidungen, sie gibt Empfehlungen. Diese Entscheidungen sind in allen ihren Teilen verbindlich. So besagt es der Art. 14. Nicht demokratisch beschlossene Gesetze der Volksvertretungen der Länder, sondern Sondererlasse und Empfehlungen der Hohen Behörde sollen künftighin über die Lebensfragen der Völker bestimmen.
Das also ist der Zauber der westlichen Demokratie, mit dem wir beglückt werden sollen und der eine solche Anziehungskraft auf andere Völker ausüben soll, daß das Beispiel des Superkonzerns der Montanmächte in den nächsten 50 Jahren auch noch auf andere Länder erweitert werden kann. Die politischen und wirtschaftlichen Machtbefugnisse der Hohen Behörde gehen weit über die jeder einzelnen staatlichen Regierung hinaus. Sie machen die Hohe Behörde zu einer Überregierung und ihre Mitglieder, bzw. ihre Dirigenten und Hintermänner zu den wahren Herren Westeuropas. Herr von Merkatz bezeichnete 'diesen seltsamen neuen Typus eines „demokratischen" Herrschaftsorgans als eine „übernationale Administration". Fehlt nur noch, daß er sagt, das ist die Spitzenentwicklung der Demokratie, wir sind begeisterte Schüler dieser neuen demokratischen Ordnung! Fehlt nur noch, daß er uns sagt, diese übernationale Administration macht künftighin auch die formale Anwesenheit von Länderparlamenten hinfällig!
Es kommt hinzu, daß die Regierungen der beteiligten Länder ihre Vertreter auf die Dauer von sechs Jahren zu ernennen haben. Die Regierung
Adenauer hat sich dabei Chancen ausgerechnet. Sie glaubt, sie habe damit die Möglichkeit, selbst angesichts ihres bevorstehenden Sturzes
noch einige Leute in die Hohe Behörde zu schicken, die mit dem Recht ausgestattet werden, auf die Dauer von sechs Jahren im Sinne der AdenauerPolitik zu amtieren, selbst dann, wenn das Volk dieser Adenauer-Regierung und der Sorte ihrer Beauftragten längst das Vertrauen entzogen hat.
Was ist das für ein blutiger Hohn auf die Demokratie. was man mit der Institution des sogenannten Beratenden Ausschusses geschaffen hat! Die Mitglieder des Beratenden Ausschusses sind nicht etwa gewählt, sie sind durch den Rat, also indirekt durch die Regierungen- der beteiligten Länder e r -nann t. Eine feine Demokratie, in der man die Arbeitnehmerschaft zu einem Drittel an einem Verein „beteiligt", der nichts anderes zu tun hat, als zuzuhören und gelegentlich, alle Jahre einmal, das Gehalt einzustreichen.
In Art. 18 heißt es, daß die Mitglieder des Beratenden Ausschusses nicht an Aufträge oder Weisungen
der Organisationen gebunden sind, die sie benannt
haben. Die Mitglieder, die die Regierungen benannt
haben, sind lediglich befugt, anzuhören und eine
unverbindliche Meinung zu äußern. Das ist auch
die ganze Mitwirkung beispielsweise der Gewerkschaften. Ich bin einmal gespannt, weche
schaftsberichte die Herren „Gewerkschaftsvertreter" ihren Mitgliedern abgeben werden, wenn sie,
ausgestattet mit einem jährlichen Spesensatz von
250 000 Mark, zurückkehren und berichten, was sie
als Mitglieder des Beratenden Ausschusses getan
haben. Die Hohe Behörde kann den Beratenden
Ausschuß in allen Fällen anhören, in denen s i e es
für angebracht hält. Das heißt, daß nicht einmal
die Auswahl der Themen, in denen er angehört
werden möchte, dem Beratenden Ausschuß zusteht.
Die „Versammlung" ist ein pseudoparlamentarisches Dekorationsstück. Sie tritt jährlich einmal zusammen. Sie hat nur zu behandeln, was ihr vorgelegt wird und kann sonst nur Fragen stellen. Sie hat schließlich den Gesamtbericht zu „erörtern", den ihr die Hohe Behörde einmal jährlich vorlegt. Einen Mißtrauensantrag kann sie nicht stellen, es sei denn mit einer Zweidrittelmehrheit. Sie kann ebensowenig wie der Beratende Ausschuß die Hohe Behörde um Auskunft ersuchen oder sie gar zu irgendeiner Auskunft zwingen oder sie auch nur zum Erscheinen veranlassen.
Schließlich habe ich den „Rat" zu erwähnen, der aus Vertretern der Staaten, aus Regierungsmitgliedern besteht und dessen Funktionen so lächerlich geringfügig sind, daß es sich nicht lohnt, sie hier auch nur aufzuführen. Man „unterrichtet und berät" einander, wie es der Art. 26 vorschreibt. Der Rat kann die Hohe Behörde auffordern, Vorschläge zu prüfen. Was die Hohe Behörde damit anfängt, ob sie sie in den Papierkorb wirft oder einer lächerlichen jahrelangen Prozedur aussetzt, bleibt jedoch allein ihrer Entscheidung vorbehalten.
Und als Letztes schließlich der Gerichtshof. Ausgerechnet Herr Euler hat es für angebracht gehalten, uns hier eine Vorlesung über die demokratische Wirksamkeit des Gerichtshofs zu halten.
Er meinte, individuelle Verwaltungsakte unterliegen der richterlichen Nachprüfung.
Was soll denn das heißen? Was soll es denn heißen, Formsachen dem Gerichtshof als Gegenstände der 'Behandlung zu unterbreiten! Es sind doch nur Formsachen, wie wir jetzt aus der Diskussion noch einmal bestätigt erhielten, mit denen sich der Hohe Gerichtshof zu befassen hat. In Art. 33 wird ausdrücklich festgestellt: „Die Nachprüfung durch den Gerichtshof darf sich jedoch nicht auf die Würdigung der auf wirtschaftlichen Tatsachen oder Umständen beruhenden Gesamtlage erstrecken".
Was heißt das? Das heißt, das Gericht hat nicht die Möglichkeit, die Tatbestände zu prüfen, die durch die willkürlichen Entscheidungsakte der Hohen Behörde entstanden sind, die Tatbestände auf wirtschaftlichem oder politischem und — wir werden es bald erleben — auch auf militärischem Gebiet. Es ist ein Gericht, das sich mit toten Buchstaben zu befassen hat, dem es verboten ist, die Not der Völker zum Gegenstand seiner Verhandlungen zu machen, die Not der Völker, die das Statut und die Praxis der Hohen Behörde der Montan-Union heraufbeschwören.
Im übrigen, meine Damen und Herren, möchte ich sagen, es ist doch eine Zumutung für dieses Haus, sich ausgerechnet von einem Mann wie Herrn Euler hier Vorträge über europäische Rechtsgrundsätze, über Grundsätze der Verständigung und der Zusammenarbeit der europäischen Völker halten zu lassen. Herr Euler, es wird einmal der Tag kommen, wo Sie über Ihre Sorte „europäischer Zusammenarbeit" Rechenschaft ablegen müssen,
die Sie in den Jahren der Hitler-Diktatur als Assessor, als Bevollmächtigter eines großen Chemiekonzerns geleistet haben.
— Sie werden es nicht aus der Welt schaffen können,
daß Sie als Bevollmächtigter — —
Herr Abgeordneter!
— eines großen Chemiekonzerns — — Präsident Dr. Ehlers: Herr Abgeordneter — —
— die Aufgabe erfüllt haben, Tausende von tschechischen Zwangsarbeitern nach Auschwitz zu verschicken.
Herr Abgeordneter Fisch, ich unterbreche Sie! Wollen Sie so freundlich sein, einen Augenblick zuzuhören. Ich möchte Ihnen raten, persönliche Erörterungen auszuschalten. Sie befinden sich hier in einer Debatte über den Schumanplan. Ich habe nicht die Absicht, persönliche Auseinandersetzungen hier zuzulassen, auch nicht von Ihrer Seite.
Herr Präsident, das, was ich persönlich zu sagen hatte, habe ich gesagt. Ich habe diese Bemerkung darum gemacht, weil ich es für eine Zumutung halte, von einem solchen Mann hier Vorlesungen über europäische Rechtsgrundsätze mit anzuhören.
Bei Schäden, die ein Unternehmen oder eine Gruppe von Unternehmen erlitten haben, soll das Gericht entscheiden, ob und inwieweit eine Wiedergutmachung angebracht erscheint. Es ist nirgends von der Wiedergutmachung der Schäden die Rede, die die Arbeiterschaft durch die Wirksamkeit der Hohen Behörde erleidet. Es gibt hier keinen Schutz der Rechte und Interessen der Länder und der Völker, keinen Schutz der Arbeiter. Das Gericht befaßt sich nur mit den Schäden und deren Wiedergutmachung, die die Unternehm e r und ihre Verbände erlitten haben.
Nach der Kennzeichnung dieses Charakters der Organe der 'Montanunion erhebt sich die grundsätzliche Frage, auf welchen rechtlichen Grundlagen die Übertragung von Hoheitsrechten der Bundesrepublik auf solche überstaatlichen Organe erfolgen soll. Die Montanunion ist ein völkerrechtlich selbständiges Gebilde. Dem deutschen Volk werden die Verfügungsrechte über seine wichtigsten Wirtschaftsgüter entzogen. Die Schlüsselpositionen des gesamten nationalen wirtschaftlichen Lebens werden deutschen und internationalen Rüstungskonzernen ausgeliefert und der Kontrolle des amerikanischen Finanzkapitals unterstellt. Was ist es doch für eine lächerliche Fiktion, hier von einer freien Außenpolitik zu reden! Was für ein Geschwätz ist es, von einem frei abgeschlossenen Vertrag zu sprechen! Kohle, Eisen und Stahl und die gesamte davon abhängige Wirtschaft sollen in fremde Hand gegeben werden, weil fremde Mächte sie für die Vorbereitung eines Krieges in Anspruch zu nehmen gedenken. Meine Damen und Herren, die Abtretung von Hoheitsrechten auf dieser Basis ist verfassungswidrig. Die Herren von Merkatz und Dr. Veit haben bereits auf den Art. 24 des Grundgesetzes hingewiesen. Sie sind aber ängstlich dem Wortlaut dieses Artikels aus dem Wege gegangen und haben in ihn Dinge hineininterpretiert, die er gar nicht enthält. Der Art. 24 des Grundgesetzes lautet in Abs. 1:
Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen.
Aber diese Möglichkeit ist ausdrücklich an die Voraussetzung des Abs. 2 des Art. 24 gebunden. Nur wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 erfüllt sind, ist die Übertragung von Hoheitsrechten auf überstaatliche Organe verfassungsrechtlich zulässig. Diese Bedingung des Abs. 2 aber lautet:
Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.
Diese Bedingung ist nicht gegeben!
Der Ausdruck „kollektive Sicherheit" entstammt der Völkerbundszeit. Sein Wesensinhalt bedeutet Abrüstung bzw. Rüstungsbeschränkung. Sein
Wesensinhalt bedeutet rechtlichen und tatsächlichen Schutz vor Kriegs- und Angriffshandlungen. In dem offiziellen Kommentar zum Art. 24 heißt es, daß dieser Art. 24 Abs. 2 mit dem System von Allianzen und Blockbildungen unvereinbar ist. „Der Wert solcher Systeme von Allianzen als Friedenssicherungsmittel ist fragwürdig, weil selbst ein ursprünglich vorhandener defensiver Charakter eines solchen Systems sich allzu leicht in einen offensiven wandeln könnte 'und dann erst recht friedensbedrohend wirkt." Selbst dann, wenn man dem Atlantikpakt unterstellen wollte, er habe „ursprünglich defensiven Charakter" gehabt, trifft diese Charakterisierung auf das System der Allianzen des Atlantikpakts und alle anderen Verträge, denen wir jetzt durch die Adenauer-Regierung unterworfen werden, genau zu.
Der Verzicht auf Hoheitsrechte wird weiter abhängig gemacht von der Bedingung, daß er zur Wahrung des Friedens geschieht. Auch hierfür gibt der Kommentar eine klare Auslegung. Damit soll die Einordnung in ein System vermieden werden, „das weniger der Friedenssicherung dient, als vielmehr Allianzcharakter trägt". „Nur der Zugehörigkeit zu einem solchen Friedenssicherungssystem, nicht aber zu einem irgendwie gearteten Bündnissystem soll für den Fall einer damit verbundenen Verfassungsänderung die antizipierte Zustimmung erteilt werden." In einfaches Deutsch übertragen soll das heißen: Die Väter des Grundgesetzes wollten den verfassungsändernden Charakter der Übertragung von Hoheitsrechten vermeiden. Sie begaben sich darum auf den Weg, schon im vorhinein eine solche Übertragung als zulässig, als mit der Verfassung vereinbar zu bezeichnen. Aber sie machten dabei ausdrücklich den Vorbehalt, daß 0 eine solche Übertragung allein der Wahrung des Friedens zu dienen habe. Nur mit Erfüllung dieses Vorbehalts kann also die vorweggenommene Zustimmung des Parlamentarischen Rates zu einer Verfassungsänderung angenommen werden. Trifft diese Charakterisierung aber nicht zu, dann entfällt auch die Sanktion des Parlamentarischen Rates. Damit bedeutet die Zustimmung zur Übertragung von Hoheitsrechten auf die Montanunion eine Verfassungsänderung.
Die Grundlage der Montanunion ist nicht der Gedanke der Wahrung des Friedens; die Grundlage ist vielmehr der Atlantikpakt. ist die New Yorker Außenministerkonferenz vom September 1950, die die Grundzüge der Remilitarisierung Westdeutschlands entwarf, die Grundlage ist der amerikanische Aufrüstungsplan, die Grundlage ist der Versuch, fertige Tatsachen zu schaffen, so wie die Amerikaner damals in Paris zu der Zeit, als die Vorkonferenz der vier Außenminister der Großmächte tagte, um eine Verständigung herbeizuführen, auf die Unterzeichnung der Montanunion drängten, damit die Versuche der sowjetischen Außenpolitik, zu einer friedlichen Regelung der internationalen Probleme zu gelangen, auf diese Weise torpediert würden.
Die „Verteidigung" Europas und Deutschlands ohne einen Beitrag der deutschen Industrie würde, so sagten maßgebliche Vertreter der britischen Hochfinanz, der Schwerindustrie der Nachbarn Deutschlands eine Last unproduktiver industrieller Tätigkeit aufbürden und der Ruhr einen sehr beträchtlichen Konkurrenzvorteil überlassen.
Meine Damen und Herren, Waffen aus Deutschland will man haben. Die verhältnismäßig liberale
Konzeption des Schumanplans, so wie sie ursprünglich in den Köpfen einiger naiver Idealisten vorhanden war, ist beiseite geschoben worden. Sie muß Platz machen der nüchternen Berechnung der Kriegstreiber, daß es in Kriegszeiten keine übertlüssigen Stahlwerke geben kann. Der Britische Hohe Kommissar veröffentlichte am 31. Mai 1951 eine Stellungnahme, in der es heißt:
Die Vergebung von Aufträgen in Westdeutsch-
land und West-Berlin zur Unterstützung der
amerikanisch-britischen Militärpläne ist die
eigentliche Funktion der Montanunion.
Damit ist klar erwiesen, daß die Montanunion nicht der Wahrung des Friedens, sondern der Vorbereitung eines Krieges, der Einordnung Westdeutschlands in ein System von Pakten und Allianzen dient, und daher ist erwiesen, daß die Voraussetzungen des Art. 24 nicht zutreffen.
Wem aber ein letzter Beweis für diesen Tatbestand gefehlt hat, den möchte ich aufmerksam machen auf eine Erklärung, die Herr Staatssekretär Dr. Hallstein am 9. Dezember dem Korrespondenten der amerikanischen Agentur AP, Hermann Timm, gegeben hat und in der er sich äußerte über die Zuständigkeit des „parlamentarischen Kontrollorgans" der Schumanplan-Behörde für Funktionen der Europa-Armee. Herr Hallstein erklärte:
Prinzipiell soll das parlamentarische Gremium des Schumanplans auch für die Europa-Armee zuständig sein,
und das gleiche gilt auch für den geplanten internationalen Gerichtshof, dem man wahrscheinlich einen besonderen Senat für Verteidigungsfragen eingliedern wird.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wieso war in dieser anderthalbtägigen Debatte von dieser entscheidenden Funktion der Organe der Montanunion noch nicht die Rede?
Warum hält es die Bundesregierung für angebracht, den Kern ihrer Politik lediglich den Vertretern amerikanischer Nachrichtenagenturen darzulegen und nicht der gewählten Vertretung der westdeutschen Bevölkerung? Herr Hallstein hat die Katze aus dem Sack gelassen. Er hat selbst bewiesen, daß erstens der Schumanplan in erster Linie militärische Funktionen zu erfüllen hat, daß zweitens der Schumanplan ein erster und entscheidender Schritt ist in der Kette von Verträgen zur Remilitarisierung Westdeutschlands und seiner Eingliederung in das aggressive Atlantikpaktsystem und daß drittens selbst die Organe der Montanunion dazu ausersehen sind, politische Dekorationsfunktionen für militärische Einrichtungen unter amerikanischem Oberbefehl auszuüben.
Es ist also klar, daß die Voraussetzungen des Art. 24 nicht gegeben sind. Nicht das Prinzip der kollektiven Sicherheit, sondern das Prinzip der amerikanischen Aggression, das Paktsystem zur Planung und Vorbereitung eines neuen Weltkriegs, das ist die Grundlage für die uns aufgezwungene Abtretung von Hoheitsrechten über wesentliche Güter unserer Nation.
Ein weiterer Bruch des Grundgesetzes ist gegeben in Hinsicht auf Art. 26. Art. 26 lautet:
Handlungen, die geeignet sind und in der Ab-
sicht vorgenommen werden, das friedliche Zu-
sammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
Im Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates vertraten die Herren Brookmann und Schmid ausgerechnet gegenüber dem jetzigen Polizeiminister Dr. Lehr die Auffassung, es seien Handlungen denkbar, die in dem Augenblick, in dem sie geschehen, noch nicht geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, und die trotzdem in ihrer Tendenz darauf angelegt sind, die Führung eines Krieges vorzubereiten. Es ist klar, daß diese Charakterisierung für das Projekt der Montanunion zutrifft. Es ergibt sich daraus, daß Widerstand gegen den Bruch des Art. 26 des Grundgesetzes zu leisten ist. Im Kommentar von Giese zu Art. 26 heißt es:
Was immer diesem objektiven und subjektiven Tatbestand entspricht, ist auf allen Rechtsgebieten verpönt, insbesondere als Rechtsgeschäft und als Verwaltungsakt ungültig und unverbindlich, allen öffentlichen und privaten Stellen zu tun verboten, von allen Organen des Bundes und der Länder zu verhindern und zu verfolgen.
Es ergibt sich also daraus, daß die Aufforderung zum Beitritt zum Schumanplan zu verhindern und zu verfolgen ist, weil sie dem Grundgesetz widerspricht.
Als Maßnahmen solcher Art, die geeignet sind, den Frieden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, werden in den Kommentaren Dinge erwähnt wie die „Beeinträchtigung der Grundsätze der internationalen Ordnung", wie die „grundsätzliche und systematische Mißachtung völkerrechtlicher Verträge", wie die „Ablehnung einer friedlichen Lösung internationaler Streitigkeiten", wie die „Verweigerung der Zusammenarbeit mit andern Nationen auf rechtlichem, wirtschaftlichem und anderm Gebiet". Genau diese Charakterisierung für Akte, die das friedliche Zusammenleben der Völker stören, trifft zu auf das Vorhaben, das die Bundesregierung mit dem Beitritt der Bundesrepublik zur Montanunion betrieben hat.
Wenn schon als friedensstörend die Verweigerung der Zusammenarbeit mit anderen Nationen auf rechtlichem und wirtschaftlichem Gebiete bezeichnet wird, wie erst recht ist es dann eine friedensstörende Handlung, wenn die ganze Tätigkeit der Bundesregierung darauf ausgeht, . selbst die Zusammenarbeit von Teilen innerhalb der gleichen, innerhalb unserer deutschen Nation zu verhindern!
Wie soll dann erst die Verweigerung der Zusammenarbeit innerhalb Deutschlands, die Adenauer betreibt, klassifiziert werden? Als eine Politik des bewußten Friedensbruchs, als eine Politik des bewußten Verfassungsbruchs!
Mit dieser Feststellung, meine Damen und Herren, aber sind alle Kräfte, die den Frieden und das freundschaftliche Verhältnis aller Völker wünschen, aber auch alle, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, alle, die die demokratischen Rechte der Selbstbestimmung der Nation als ein hohes Gut zu verteidigen gewillt sind, aufgerufen, Widerstand gegen eine Regierung zu leisten, die teilnimmt an Akten der Kriegsvorbereitung, die
dem deutschen Volk das Selbstbestimmungsrecht
raubt und die verfassungswidrig handelt.
Ich möchte schließlich noch auf den Bruch des
Grundgesetzes in bezug auf Art. 25 hinweisen.
Nach Art. 25 sind die allgemeinen Regeln des Völ-
kerrechts Bestandteil des Bundesrechts. Es heißt: Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets.
Die völkerrechtliche Grundlage für Deutschland und damit auch für das Gebiet der Bundesrepublik ist das Potsdamer Abkommen. Seine Bestimmungen sind unmittelbar geltendes Recht und können somit nicht durch einseitig ausgeübte Gewalt der Bundesregierung, und sei sie auch zum Schein sanktioniert durch einen Beschluß dieses Hauses, aufgehoben werden.
Die Bestimmungen des Potsdamer Abkommens, die die Bundesregierung durch ihren Beitritt zur Montanunion verletzt, sind: völlige Abrüstung und Entmilitarisierung, die Errichtung zentraler deutscher Verwaltungsabteilungen sowie wirtschaftliche Grundsätze wie das Verbot und die Unterbindung der Produktion von Waffen, Kriegsausrüstung und Kriegsmaterialien. Schließlich handelt es sich hier um eine Verletzung des Punktes B 12 im Kap. III A des Potsdamer Abkommens, das als Ziel die Vernichtung der bestehenden übermäßigen Konzentration der Wirtschaftskraft vorschreibt, dargestellt insbesondere durch Kartelle, Syndikate, Trusts und andere Monopolvereinigungen. Schließlich besagt das Potsdamer Abkommen, daß während der Besatzungszeit Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten ist.
Mit der Umgehung und der bewußten Ausschaltung dieser völkerrechtlich verbindlichen Bestimmungen des Potsdamer Abkommens ist nachgewiesen : Die Bundesregierung verstößt gegen Grundsätze, die zur Grundlage unseres Rechtslebens erklärt worden sind; gegen die Grundsätze, daß keine Produktion von Kriegsmaterial, keine Neubildung von Kartellen und anderen Monopolverbindungen stattfinden darf, daß die Abrüstung und Entmilitarisierung durchzuführen und Deutschland als eine Einheit zu behandeln ist. Die Montanunion gliedert einen Teil Deutschlands in ein überstaatliches Machtgebilde aus. Die Montanunion zieht die Grenze durch Deutschland auf die Dauer von 50 Jahren. Die Montanunion behandelt die Deutsche Demokratische Republik als Ausland. Die Montanunion vertieft die Spaltung auf allen Gebieten des politischen und wirtschaftlichen Lebens unserer Heimat. Die Montanunion stellt Westdeutschland auf 50 Jahre unter die Direktive des amerikanischen Rüstungs- und Finanzkapitals.
Art. 146 und die Präambel des Grundgesetzes, in der die gegenwärtige Ordnung als staatliche Regelung für eine Übergangszeit dargestellt ist, sagen:
Das gesamte deutsche Volk bleibt aufgefordert,
in freier Selbstbestimmung die Einheit und
Freiheit Deutschlands zu vollenden.
Wir betrachten uns im Sinne dieses Artikels und der Präambel des Grundgesetzes weiterhin als aufgefordert, an der Herstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit zu arbeiten. Und darum sagen wir der Bundesregierung: Sie handelt nicht nur gegen die Grundsätze ihrer eigenen Verfassung, die sie beschworen hat, sondern sie wird es erleben, daß sie eines Tages vom ganzen Volk auf die Anklage-
bank gesetzt wird, weil sie wider Recht und Verfassung die Spaltung Deutschlands betreibt und sie unter Herbeirufung ausländischer Hilfe zu verewigen trachtet.
Meine Damen und Herren! Es ist hier davon gesprochen worden, daß die deutschen Partner der Montanunion ach so viele Nachteile in Kauf zu nehmen hätten. Einer der Herren, die es wissen müßten, hat in einem Zwischenruf die zynische Bemerkung gemacht: „Wir sind die Stärkeren in dieser Montanunion".
Jawohl, meine Damen und Herren! Sie haben sich Ihre Pläneausgedacht, wie Sie Ihre wirtschaftliche und finanzielle Stärke, die sich auf die amerikanische Protektion stützt, auszunützen bestrebt sind, um ein Europa zu schaffen, wie Sie es sich-denken. Sie sagen Europa, und Sie meinen die Beherrschung Europas durch das deutsche Finanzkapital, durch die deutschen Rüstungsherren.
Sie sagen Europa, und Sie meinen dasselbe, was
Hitler mit seiner Neuordnung Europas gemeint hat.
Sie sagen Europa und meinen durch amerikanische Milliarden-Anleihe ausgehaltene deutsche imperialistische Vormachtstellung zur Beherrschung und Niederhaltung der Völker nicht nur im Osten, sondern auch im Westen.
Das westdeutsche Monopolkapital verspricht sich nicht nur, sondern es hat heute schon große Vorteile in dieser Union: den Vorteil der größeren Produktionskapazität, den Vorteil der niedrigsten Löhne, den Vorteil der niedrigsten Kostenquote. Sie rechnen mit ihrer Vorrangstellung dort gegenüber denanderen Partnern. Sie setzen Arbeitskraft, Lebenshaltung und die Freizügigkeit der Arbeiterschaft gewissenlos in diesem Spiel ein. Sie wähnen sich in diesem Spiel so sicher, weil Sie spüren, daß Sie zum Stützpunkt der amerikanischen Politik in Europa ausersehen worden sind,
daß Sie bestellt worden sind zum Juniorpartner des kriegerischenamerikanischen Imperialismus, zu dem Partner, der die Tradition des preußisch-deutsdien Militarismus fortführt.
Wollen Sie bitte zum Schluß kommen; Ihre einstündige Redezeit stabgelaufen!
Sie wissen, daß die amerikanischen Kriegstreiber sich auf Sie stützen; Sie wissen, daß ohne Ihre Mithilfe der amerikanische Krieg in Europa nicht möglich sein wird. Darum haben Sie so intensiv am Zustandekommen dieses Planes mitgearbeitet, darum stört es Sie nicht — was alle Spatzen von den Dächern pfeifen —, daß dieser Plan in Wirklichkeit kein europäischer, sondern ein amerikanischer Plan ist, oder daß, wie eine bürgerliche Zeitung, gesagt hat, weder Paris noch Bonn denn Termin der Unterzeichnung des Schumanplans bestimmen können, sondern daß die Entscheidung auf dem Petersberg oder, genauer gesagt, in Washington falle.
Kommen Sie bitte zum Schluß; dann entheben Sie mich der Mühe, Ihnen das Wort zu entziehen.
Meine Damen und Herren, ich bin am Schluß und möchte feststellen: Der Widerstand gegen den Schumanplan ist eine nationale Aufgabe, weil er den Frieden und die Existenz des deutschen Volkes, die Einheit Deutschlands und die Selbstbestimmungsrechte unseres Volkes bedroht. Er ist eine demokratische Aufgabe, weil wir verpflichtet sind, uns gegen die Willkür der reaktionären Konzernherren und ihrer dienstfertigen Politiker, gegen die Anwendung faschistischer Methoden zu wehren. Der Widerstand gegen den Schumanplan ist eine soziale Aufgabe gegen die wachsende Ausplünderung der Massen, gegen Lohndruck und Steigerung der Ausbeutung, gegen zusätzliche Steuern und Abgaben, für beschleunigte wirtschaftliche und militärische Aufrüstung. Schließlich ist der Widerstand gegen den Schumanplan eine Aufgabe des Friedens gegen die Provokation kriegerischer Konflikte in Europa, gegen die Bereitstellung deutscher Truppen, gegen die Zerstörung unserer Heimat, für eine friedliche Entwicklung unserer Wirtschaft und für das Leben der kommenden Generationen.
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Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weiter erteile, wünsche ich Ihnen einen guten Morgen!
Das Wort hat der Abgeordnete Fürst zu Oettingen-Wallerstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir den Schumanplan mit allem Ernst und in vollem Bewußtsein dessen, was dieser Vertrag für die Zukunft Europas bedeuten kann, prüfen, dann müssen wir uns doch unter Würdigung aller Für und Wider-nicht nur die wirtschaftspolitische Seite dieses Vertrages genauansehen — über die bereits sehr eingehende, sehr maßgebende, aber auch sehr ernste Ausführungen gemacht wurden —, sondern wir müssen auch mit aller Genauigkeit überlegen, wie sich dieser Vertrag mit seinen ganzen Aufgaben und mit seiner ganzen Gestaltung in rechtlicher und in politischer Hinsicht auswirken kann. Daß die wirtschaftlichen Auswirkungen von den politischen Auswirkungen nicht wegzudenken sind, liegt auf der Hand. Infolgedessen muß man sich doch dann mit der Frage befassen, welche Möglichkeiten in der organisatorischen Gestaltung des Vertragswerkes liegen.
Da sind zunächst 'die Organe der Union: die Hohe Behörde mit dem Beratenden Ausschuß, der Ministerrat und die Versammlung. Nach dem Wortlaut des Vertrages sind in erster Linie der Hohen Behörde sehr weitgehende Befugnisse eingeräumt, Befugnisse, die in der Möglichkeit, Rechtsverordnungen zu erlassen, ihren Niederschlag finden. Der Ausschuß, der 'der Hohen Behörde zur Seite steht, hat nur eine beratende Funktion, und die Versammlung kann, wenn sie sich damit begnügt, unter Umständen nur 'einmal im Jahr zusammentreten,
es sei denn, daß sie auf Antrag des Rates oder auf Antrag der Mehrheit ihrer Mitglieder oder der Hohen Behörde eine außerordentliche Sitzungsperiode abhält. Der Rat, das Vertretungsorgan der Mitgliedstaaten, hat weitgehende Aufgaben in Ansehung
der Abstimmung der Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder untereinander im Rahmen dieser Union.
Dieser Behördenaufbau kann schon, das darf man wohl ohne Übertreibung sagen, in ein recht starkes autokratisches Fahrwasser hineingeraten, und es ist auch nicht ganz zu übersehen, daß in diesem Organisationsaufbau, in dem dem Prinzip der parlamentarischen Kontrolle nur sehr schwach und sehr modifiziert Rechnung getragen ist, auch gewisse nationalwirtschaftliche Strömungen zum Durchbruch kommen können. Denn schließlich und endlich werden die Vertreter und die Angehörigen dieser Organisationen auch nur Menschen sein, und es wird wenigstens eine gewisse Zeit brauchen, bis sie sich in das europäische Denken, in den europäischen Gedanken — denn ohne europäischen Gedanken wird es keinen Schumanplan geben! — hineingelebt haben. Auf die Angehörigen des Ausschusses und der Versammlung wird es ankommen, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden sollen, die sich aus der Verfahrensregelung ergeben.
Wenn wir somit gegenüber diesem Behördenaufbau gewisse nicht unerhebliche Bedenken haben, so werden sie bis zu einem gewissen Grade durch die Bestimmungen über den Gerichtshof ausgeglichen. Denn dieser Gerichtshof — —
— Nein, das ist nicht vollkommen falsch. — Denn dieser Gerichtshof ist kein Gerichtshof im eigentlichen Sinne, sondern eine Instanz, die eine Art Schiedsgericht ist und deren Aufgabe nach dem deutlichen Wortlaut des Vertrages doch so weit geht, daß alle Mitgliedstaaten alle Entscheidungen, durch die sie sich beschwert fühlen, vor den Gerichtshof bringen können. Es mag dies ein Novum sein, aber es ist so, und das ist immerhin wert, genauestens festgestellt zu werden. Es wird ein hohes Maß von Verantwortungsbewußtsein — darüber müssen wir uns klar sein — und ein objektives europäisches Denken von den Mitgliedern dieser Organe einschließlich der Hohen Gerichte verlangt werden.
Es wäre nun sehr interessant und dankenswert, wenn wir von der Bundesregierung hören dürften, auf Grund welches Verfahrens die Mitglieder der Hohen Behörde und des Ausschusses im Sinne der Art. 15 und 18 ausgewählt werden sollen. Die Angehörigen der Versammlung werden ja aus den Parlamenten entnommen, und da nehme ich an, daß der Bundesrat darüber besonders-zu befinden haben wird. Es wäre auch interessant, noch einmal genau festzustellen, wann mit praktischen Ergebnissen, d. h. mit einem praktischen Funktionieren des Schumanplans gerechnet werden kann und ob die Ansicht richtig ist, daß das praktische Funktionieren in etwa mit Inkrafttreten des gemeinsamen Marktes zusammenfällt. Drittens würde auch interessant sein zu hören, wann etwa damit zu rechnen ist, daß die übrigen Mitgliedsstaaten, die noch nicht ratifiziert haben — die drei Länder Italien, Belgien und Luxemburg haben noch nicht ratifiziert — voraussichtlich ratifizieren werden.
Wenn in Art. 83 ausdrücklich gesagt ist, die Einrichtung der Gemeinschaft berühre in keiner Weise die Ordnung des Eigentums an den Unternehmungen, für die die Bestimmungen des Vertrages gelten, so muß gleichzeitig erwartet werden, daß die Hohe Behörde keine Maßnahmen trifft, die mehr oder weniger einen starken Zwang im Sinne der Veränderung der Eigentumsverhältnisse darstellen. Daß von französischer Seite Bestrebungen im Gange sind, im Saargebiet die Eigentumsverhältnisse im Montanbesitz zu verändern, d. h. da französisches Eigentum in erhöhtem Maße zu schaffen, haben wir heute wieder aus den Zeitungen entnommen. Es wird dies ein Punkt sein, dem wir nicht genug Aufmerksamkeit werden schenken können.
— Das hat in der Zeitung gestanden, in der Frankfluter Zeitung.
Auch was die Frage der Revision betrifft, so hätten wir erwartet, daß die diesbezüglichen Bestimmungen noch klarer und schärfer zum Ausdruck gekommen wären. Es wurde früher von verschiedenen Vorrednern erwähnt — und der Herr Staatssekretär hat ja dazu Stellung genommen —, daß der Vertrag nicht in allen Punkten außerordentlich klar und deutlich gefaßt ist, und es wurde Kritik an der Übersetzung geübt. Ich möchte den Übersetzer in Schutz nehmen; er hat sein Möglichstes getan. Man soll nicht mit Pistolen auf ihn schießen. Aber der französische Partner des Vertrages hat nicht sein Möglichstes getan. Denn die französische Fassung ist zum mindesten an verschiedenen Stellen noch viel schlechter als die deutsche.
Um auf die Revision zurückzukommen, so ist es richtig, daß im Art. 2 die Grundlage für gewisse Revisionsmöglichkeiten gegeben ist, sofern es im Art. 2 heißt, daß die Hohe Behörde dafür zu sorgen hat, daß keine Unterbrechung in der Beschäftigung eintritt, um zu vermeiden, daß im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten tiefgreifende und anhaltende Störungen hervorgerufen werden. Daraus läßt sich eine gewisse Revisionsmöglichkeit ableiten, weal eben, wenn dieser Fall eintritt, eine Stockung der Apparatur des Ablaufs des Schumanplans eintreten muß. Die eigentlichen Revisionsmöglichkeiten der beiden Art. 95 und 96 — der erste für die Übergangszeit, der letzte für die Zeit nach der Übergangszeit — sind außerordentlich beengt, indem im ersten Falle eine Nachprüfung durch den Gerichtshof, im letzten Falle die Abhaltung einer Konferenz vorgesehen ist. Das ist natürlich für eine Revision, falls ein solcher Anlaß vorliegen sollte, keine sehr weitgehende Möglichkeit. Es muß daher zu hoffen sein, daß im Schoße der Hohen Behörde der wartschaftlichen und der politischen Fortentwicklung stets Rechnung getragen wird. Nur dann wird es möglich sein, einen Erstarrungszustand zu vermeiden und den Schumanplan so in Fluß zu halten, wie es sich aus der Entwicklung ergibt, während die Revisionsbestimmungen diese Möglichkeit nicht ausreichend bieten.
Was mich aber noch stärker beschäftigt als die Betrachtung der einzelnen Artikel, ist die konkrete Frage, wie sich in Ansehung der Durchführung des Schumanplans die Versorgung Berlins und der Sowjetzone mit den der Europäischen Gemeinschaft unterliegenden Produkten gestalten soll. In Übereinstimmung mit den gestrigen Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers stehen wir selbstverständlich auf dem Standpunkt, daß der Bedarf Berlins mit dem Bedarf der Bundesrepublik gleichzustellen ist, wie wir überhaupt nur auf dem Standpunkt stehen können, daß Berlin zur Bundesrepublik gehört.
Es fällt schwer — auch davon war gestern die Rede —, sich in den Gedanken hineinzuleben, daß etwa der Art. 79 auf das Verhältnis zu Berlin Anwendung finden soll. Denn dieser Artikel besagt ja, daß der Vertrag nur auf die europäischen Gebiete der Mitgliedstaaten und auf die sonstigen europäischen Gebiete Anwendung findet, deren auswärtige Angelegenheiten ein Unterzeichnerstaat übernimmt,
sowie daß jeder vertragschließende Teil sich verpflichtet, den anderen Mitgliedstaaten die Vergünstigungen einzuräumen, die er in den seiner Herrschaftsgewalt unterstehenden außereuropäischen Gebieten für Kohle und Stahl genießt. Berlin in die Klammer dieses Artikels einzuzwängen, ist schon etwas schwer verdaulich, und es entbehrt auch einer gewissen Überzeugungskraft. Um so mehr müssen wir annehmen, daß eben der Grundsatz, daß Berlin zur Bundesrepublik gehört, aufrechterhalten bleibt.
Die Versorgung der Sowjetzone ist durch § 22 der Übergangsbestimmungen einigermaßen geregelt. Wir sehen zunächst keinen Anlaß und keine Handhabe für die Hohe Behörde, das Verhältnis der Bundesrepublik zur Sowjetzone zu beeinflussen. Wir erwarten aber auf das bestimmteste, daß im Rahmen des Schumanplans keinerlei Maßnahmen getroffen werden, die die Vereinigung der Sowjetzone mit der Bundesrepublik irgendwie auch nur erschweren könnten.
Die in den Übergangsbestimmungen für Belgien, Italien und Frankreich vorgesehene Sonderregelung betrifft in erster Linie Fragen wirtschaftspolitischer Natur, auf die ich, nachdem mein Thema abgesteckt ist, hier nicht weiter eingehen will. Trotzdem dürfen wir aber auch in diesem Zusammenhang der Erwartung Ausdruck geben, daß diese Sonderregelung nicht im Sinne einer Diskriminierung Deutschlands, sondern im Geiste europäischer Gerechtigkeit getroffen wird.
Was nun das Saargebiet anlangt, so ist die Bestimmung des Art. 21 für uns schon recht bitter, denn in diesem Art. 21 heißt es, daß die Vertreter der Saarbevölkerung in die Zahl der Frankreich zugewiesenen Abgeordneten eingerechnet sind. Im übrigen sind wir, was das Saargebiet betrifft, auf den Briefwechsel zwischen dem Herrn Bundeskanzler Adenauer und dem französischen Außenminister Schuman, ich möchte sagen, angewiesen. Wir können nur erwarten, daß auch die französische Seife auf dem in diesem Briefwechsel eingenommenen Standpunkt beharrt, denn ein Abweichen von diesem Standpunkt müßte für den Ablauf des Schumanplans von geradezu tödlicher Wirkung sein.
Wir hatten nun gehofft, um nicht zu sagen: erwartet, daß der schwere Entschluß, dem Schuman-plan zuzustimmen, dem Deutschen Bundestag doch etwas erleichtert wird durch die Mitteilung, daß nicht nur alle Beschränkungen in Ansehung von Kohle, Stahl und Eisen, sondern auch alle sonstigen Beschränkungen in Wegfall kommen, Beschränkungen, von denen der Herr Bundeskanzler gestern in Aussicht gestellt hat, daß der bevorstehende Generalvertrag sie voraussichtlich korrigieren wird. Wir müssen mit allem Nachdruck verlangen und erwarten, daß das Gesetz Nr. 27, wenn schon sein Abstoppen nicht möglich ist, von den Besatzungsmächten nunmehr mit größter Beschleunigung durchgeführt wird, damit die Bestimmungen des Schumanplans, insbesondere des Art. 66 Abs. 2, der ja eigentlich das Gegenteil von dem bezweckt, was das Gesetz Nr. 27 verlangt, voll und ganz zur Auswirkung kommen können. Die Behandlung dieser Frage bestätigt nur zu deutlich, wie wünschenswert es gewesen wäre, wenn die Verabschiedung des Schumanplans unmittelbar der Verabschiedung des Generalvertrages hätte folgen können.
Und nun die Hauptfrage: Ist der Schumanplan ein Mittel, um eine friedliche Politik zu gewährleisten bzw. in die Wege zu leiten, oder ist er ein Mittel, um einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Osten die Wege zu ebnen? Wenn nach
Jahrhunderten sich immer wiederholender Auseinandersetzungen Deutschland und Frankreich einmal den Versuch machen, ihre Wirtschaft zusammenzubringen, aufeinander abzustimmen und nicht, wie bisher, nach nationalwirtschaftlichen Gesichtspunkten aufeinander loszulassen, so ist das meiner Überzeugung nach eine Friedensaktion, deren Bedeutung unterkeinen Umständen verkannt werden sollte.
Wenn man schon immer von Europa spricht, sich aber vor lauter Gesprächen über Europa von Europa wieder allzusehr wegredet, dann kann man doch nicht an der Tatsache vorübergehen, daß hier ein praktischer Versuch zu einer europäischen Gemeinschaft gemacht werden soll, der selbstverständlich nicht eine in sich abgeschlossene Tat bleiben darf, sondern der Ausgangspunkt zu einer weiteren europäischen Entwicklung sein muß und somit auch zur weiteren Rückgewinnung unserer Gleichberechtigung im Rahmen der europäischen Mächte. Diese europäische Entwicklung, für die vielleicht der Schumanplan ein Anfang ist, so Gott will, wird seine Verwirklichung finden, wenn er getragen ist von der Arbeit von Menschen, die in ihm nicht nur eine leere, eine reine Formel, sondern die Möglicnkeit sehen, dieses Europa wieder im Sinne des christlichen Abendlandes zu gestalten und aus dieser Einstellung heraus alle aggressiven Gedankengänge abzulehnen.
Was würde denn aber sein, wenn der Schuman-plan hier von dem Hohen Hause abgelehnt würde? Unser Stand in den zukünftigen Verhandlungen mit den Okkupationsmächten würde bestimmt nicht besser, sondern ganz erheblich schlechter sein, wobei es noch sehr fraglich wäre, wann, wie und wo es dann überhaupt wieder zu Verhandlungen käzne. Wir hätten die Fortdauer eines Okkupationszustandes, den zu beseitigen nicht nur ein Wunsch ist, sondern an dessen Beseitigung wir alle nach besten Kräften mitarbeiten müssen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich im Namen meiner Fraktion sagen, daß wir in keiner Weise von der Antwort befriedigt sind, die der Herr Staatssekretär auf die Erklärungen meines Freundes Dr. Kreyssig eben gegeben hat. Wir halten seine Ausführungen zu diesem Punkt für völlig unzulänglich; wir wollen aber diese Debatte zur Übersetzung des französischen Textes an dieser Stelle nicht fortführen.
Ich möchte einiges über ein Problem sagen, das, wenn man von Europa und von deutschfranzösischen Beziehungen spricht, von kapitaler Bedeutung ist, nämlich zum Problem „Saar im Schumanplan". Ein kleines Zitat:
Voraussetzung für den Zusammenschluß der europäischen Nationen ist aber die Beseitigung des jahrhundertealten Gegensatzes zwischen Frankreich und Deutschland.
Dieser schöne Satz steht in der Geburtsurkunde des Schumanplans, in der Erklärung der französischen Regierung vom 9.. Mai 1950. Nun, wer wird leugnen, daß der Streit um die Saar die letzte Inkarnation des deutsch-französischen Gegensatzes ist und daß die Saarfrage als Haupthindernis für eine wirkliche und echte Aussöhnung mit dem
französischen Volke zwischen Frankreich und Deutschland steht? Durch jenen Satz, den ich zitiert habe, wurde das Saarproblem als ein solches kapitales Hindernis sozusagen auf die Tagesordnung der Verhandlungen über den Schumanplan gesetzt. Durch diesen Satz wurde auch herausgestellt, daß das Saarproblem nicht nur ein deutschfranzösisches, sondern auch ein europäisches Problem ist. Die Bundesregierung hat früher oft zu erkennen gegeben, daß sie dem Saarproblem diese Bedeutung beimesse. In der Saardenkschrift vom 9. März 1950, die die Unterschrift Dr. Adenauers trägt, lesen wir folgenden Satz:
Eine Einigung im Geiste gegenseitiger Kompromißbereitschaft müßte auch heute noch ein erster und unentbehrlicher Schritt zu einer weitergehenden deutsch-französischen und darüber hinaus europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit sein.
Oder über das Verhältnis der Saar zwischen Deutschland und Frankreich in diesem ganzen Europa-Komplex lesen wir im Protokoll der Bundestagssitzung vom 30. Mai des vorigen Jahres:
Die Saar ist deutsch, und ganz Deutschland
einschließlich der Saar wird sich mit Frankreich in Europa zusammenfinden.
Das hat der Herr Bundeskanzler gesagt, und das Protokoll vermerkt lebhaften Beifall bei den Regierungsparteien.
Als der Herr Bundeskanzler das im Mai des vorigen Jahres sagte, da war der erste Knopf der Saarpolitik der Bundesregierung schon ordentlich falsch geknöpft. Die Bundesregierung hat es akzeptiert, in den Europarat gleichzeitig mit der Saar einzutreten. Sie hat es dadurch ermöglicht, daß dieses Stück Siegerpolitik in diese europäische Institution eingeschleppt wurde.
— Das hätte man verhindern können, Herr Kollege, indem man ein wenig mehr Geduld und ein wenig mehr Zähigkeit in der deutschen Politik entwickelt hätte.
— Warten Sie; ich bin da einig mit dem Herrn Bundeskanzler, ich werde ihn gleich zitieren.
Das gleiche Hindernis mußte die Bundesregierung natürlich beim Montanvertrag auf ihrem Wege vorfinden, und sie wird es übrigens bei allen Verhandlungen über weitere europäische Institutionen immer wieder vorfinden. Immer wieder wird das Saarproblem, das erkennen ja nicht nur die Deutschen — sie erkennen es manchmal gar nicht; die Amerikaner z. B. erkennen es sehr viel besser als manche von ihnen —, die europäischen Verhältnisse und insbesondere die deutschfranzösischen Beziehungen vergiften. Bei den Verhandlungen über den Schumanplan wäre es doch die Aufgabe gewesen, zumindest den Versuch zu machen, dieses Hindernis aus dem Wege zu räumen. Aber wie hat sich die Bundesregierung die Frage gestellt? Sie hat sich die Frage gestellt: Wie können wir um dieses Hindernis schön herumgehen?
Nun, wenn man schon einen Montanvertrag machen wollte, dann war es klar, daß man die Saar in der einen oder anderen Form mit hineinbringen mußte. Dort ist nun einmal viel von der Montanindustrie. Im Saargebiet wird ein Drittel der Kohle gefördert, die Frankreich fördert. Dort wird ein Fünftel der französischen Stahlmenge produziert. Man hat die Saar in den Montanvertrag hereingebracht. Aber nicht Deutschland, zu dem es nach unser aller. These staatsrechtlich gehört, hat es hereingebracht, sondern Frankreich, das dieses deutsche Gebiet mit Besatzungsgewalt von Deutschland losgerissen hat, das die Losreißung weiterhin aufrechterhält und die Isolierung der Saar und die Umbildung zu einem Protektorat weiterbetreibt, unbekümmert um die Existenz des Europarats und unbekümmert um die Unterschrift unter dem famosen europäischen Plan vom 18. April 1951.
In Art. 79 des Vertrages heißt es, daß auch die Gebiete zum Unionsgebiet gehören, deren auswärtige Beziehungen von einem der Vertragsstaaten wahrgenommen werden. Bezüglich der Saar, heißt es dann, ist der Briefwechsel vom 18. April dem Vertrag beigefügt und ein Teil des Vertrags geworden. Der Art. 21 nimmt auch Bezug auf die Saar und sagt, daß die Vertreter der Saarbevölkerung in die Zahl der französischen Abgeordneten eingerechnet seien. Kraft welcher Titel tut Frankreich das? Nun, meine Damen und Herren, da gibt es zwei Titel. Da gibt es die Präambel der Saarverfassung vom 15. Dezember 1947, durch die die Saar von Deutschland getrennt und währungsmäßig und wirtschaftlich Frankreich einverleibt wurde. Da sind die Konventionen vom 3. März 1950, die diese Abtrennung und Eingliederung perfekt machen. Gegen diese Konventionen hat dieses Haus einstimmig Verwahrung eingelegt, und auch die Bundesregierung hat diesen deutschen Protest offiziell zum Ausdruck gebracht. Der Vertrag bringt die faktische Anerkennung dieses Verhältnisses und dieses Zustandes.
Diesen Fakten setzt nun ,die Bundesregierung den Briefwechsel entgegen; jenen Briefwechsel zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem französischen Außenminister vom 18. April 1951. Was steht in diesem Briefwechsel? Nun, Herr Adenauer schreibt, daß die endgültige Regelung im Friedensvertrag , oder einem analogen Vertrag erfolgen müsse und daß seine Unterschrift unter den Vertrag in keiner Weise die Anerkennung des jetzigen Status des Saargebiets bedeute. Herr Schuman antwortet, Frankreich handle auf Grund des gegenwärtigen Status des Saargebiets im Namen der Saar. Im übrigen bestätigt er Herrn Adenauer, daß er in der Unterschrift nicht die juristische Anerkennung des gegenwärtigen Status durch die Bundesregierung erblickt.
Damals ist der Herr Bundeskanzler von Paris nach Hause gekommen und hat diesen Briefwechsel als einen Erfolg der deutschen Politik gefeiert. Was kann denn hier der Maßstab des Erfolges sein? Der kann doch wohl nur darin gefunden werden, wieweit es der deutschen Politik gelingt, zwei miteinander zusammenhängende wesentliche Ziele in der Saarpolitik zu erreichen. Da ist erstens das Ziel der Wiederherstellung dessen, was in Europa selbstverständlich sein wird: die Wiederherstellung der staatsbürgerlichen Freiheit an der Saar. Das zweite Ziel sollte doch wohl sein, daß zwischen den beiden Staaten, die j a etwas Neues beginnen wollen, sofort Verhandlungen über die Rückkehr der Saar zu Deutschland stattfinden sollen. Das scheint auch das Ziel der Bundesregierung gewesen zu sein. Herr Dr. Adenauer hat es eine Zeitlang so hingestellt, als ob der Briefwechsel die Rechtsgrundlage für die Wiederherstellung der staatsbürgerlichen Freiheiten an der Saar sein könnte. In der Bundestagssitzung vom 30. Mai 1951 hat der Herr Kanzler hier ausgeführt:
Ich möchte mit diesem Hinweis nicht den Gedanken aufkommen lassen, daß die französische Regierung in der Saarfrage die Politik — mit anderen Worten die Macht — vor das Recht stellen will, im Gegenteil. Ich bin der Auffassung, daß durch den Briefwechsel vom 18. April der Rechtsboden von beiden Regierungen eindeutig und endgültig bezogen wurde.
Hier verzeichnet das Protokoll den Zuruf: Sehr gut! des Abgeordneten Dr. 'von Brentano.
Weiter hat der Herr Bundeskanzler in einer noch offizielleren Verlautbarung, und zwar in der Note vom 29. Mai 1951 an die drei -demokratischen Westmächte folgendes geschrieben:
In diesem Briefwechsel, der einen integrierenden Bestandteil des Vertragswerkes bildet, sind die beiden Regierungen übereingekommen, daß die endgültige Regelung des Status der Saar nur durch einen Friedensvertrag oder einen gleichartigen Vertrag erfolgen kann. Diese Vereinbarung schließt weiter in sich, daß an der Saar nichts geschehen darf, was der Regelung im Friedensvertrag vorgreift, und diese so zu einer inhaltlosen Geste macht.
Ich wiederhole das letzte: „.... was der Regelung
im Friedensvertrag vorgreift und diese so zu einer
inhaltlosen Geste macht." Darin wird bewertet, was
von der französischen Formel, daß die endgültige
Regelung im Friedensvertrag gefunden werden
müsse, wirklich zu halten ist. Die Note besagt
weiter:
Die Regierung der französischen Republik, die sich in dem Briefwechsel vom 18. April ihren eigenen Standpunkt bewahrt hat, würde nicht nach den Grundsätzen des Briefwechsels vom 18. April handeln, wenn sie die Bestrebungen der Saarregierung unterstützen würde, die darauf hinauslaufen, jede Erörterung über die endgültige Lösung der Saarfrage im Friedensvertrag durch die Bevölkerung des Saargebiets V 9r dem Zustandekommen des Friedensvertrags zu unterbinden.
Und dann hat der Herr Kanzler in jener Sitzung noch mit Nachdruck erklärt:
Hier möchte ich noch einen grundsätzlichen Punkt herausstellen. Wenn die Saarfrage im Friedensvertrag gelöst werden soll, so darf die Bundesregierung ' hinsichtlich der Geltendmachung ihrer Auffassung im Saargebiet nicht schlechter gestellt sein als die französische Regierung.
Ich kann mich hier den Regierungsparteien nur anschließen.
Dieses letztere und jene Bemerkung von der inhaltlosen Geste ist doch die Erkenntnis, daß die deutsche 'Bundesregierung die geprellte ist, wenn nichts an Aktuellem geändert und die inhaltlose Formel gebraucht wird, daß die endgültige Regelung der Saarfrage im Friedensvertrag oder einem analogen Vertrag erfolgen soll.
— Ich habe den Herrn Bundeskanzler zitiert, und ich hoffe, daß Sie auch heute noch mit ihm einer Meinung sind.
In jener Sitzung ,hat der Herr Bundeskanzler, der damals einen sehr lichten Tag hatte, noch eine weitere Erkenntnis gehabt. Ja, ich kann verstehen, daß Sie das heute nicht mehr gern hören. Ich komme nämlich gleich auch noch darauf zu sprechen, was der Herr Bundeskanzler gestern gesagt hat; das hört sich allerdings ganz anders an. Nun, noch eine Erkenntnis hat er gehabt, nämlich die, wie schwach Interpretationen und Rechtsverwahrungen gegen alte, verhärtete französische Machtpolitik sind, und er hat das auch zum Ausdruck gebracht, indem er sehr zart, sehr vorsichtig andeutete, daß die Ratifikation des vorliegenden Vertrags ein Mittel sein könnte, um jenes europäische Minimum staatsbürgerlicher Freiheiten an der Saar zu erzwingen. Der Herr Bundeskanzler hat da gesagt — lassen Sie mich vorlesen —:
Bis dahin
— er meinte die 'Ratifikation hier im Bundestag — wird es sich zeigen müssen, ob der durch das Verbot der Demokratischen Partei des Saargebietes
— das war damals der Gegenstand unserer Debatte —
ohne unsere Schuld durch die Saarregierung aufgeworfene Konflikt bereinigt werden kann. Wir werden uns auch auf allen uns zur Verfügung stehenden anständigen Wegen darum bemühen. Es wird uns auch eine Gewähr dafür gegeben werden müssen, daß das Recht der freien Meinungsäußerung über alle im Friedensvertrag zu lösenden Fragen für die Saarbevölkerung uneingeschränkt gewährleistet wird und daß damit unsere Auffassung von der Bedeutung des Briefwechsels vom 18. April Anerkennung findet.
Der Herr Bundeskanzler sprach davon, es werde uns vor der Ratifikation des Vertrags eine Gewähr dafür gegeben werden müssen. Vergleichen Sie damit, was Sie uns heute als 'Antrag zur Saarfrage vorgelegt haben!
Ich komme auf Ihren Antrag auch gleich noch zu sprechen. Ich frage: Wo ist heute die Gewähr? Ich werde gleich noch manches dazu zu sagen haben, vor allem von den Fakten aus, die inzwischen geschaffen worden sind.
Gestern hat der Herr Bundeskanzler natürlich ganz anders gesprochen. Da sagte er, es war nicht die Aufgabe des Schumanplans, die Saarfrage zu lösen. Nun, es war gewiß nicht die Aufgabe des Schumanplans, sie zu lösen, und ich glaube auch nicht, daß man sie in einem Tage lösen kann. Aber das, was der Herr Bundeskanzler am 30. Mai 1951 hier gesagt hat, das war ja im Grunde eine sehr bescheidene Forderung, nämlich nur die Forderung, daß im Saargebiet die anständige deutsche Meinung für deutsche Menschen an der Saar ebenso frei und nicht unter Strafe gestellt sein soll, wie die französische Meinung an der Saar frei ist. Dieses bescheidene Ziel, das er sich damals gesteckt hatte und das er in den Briefwechsel, ich glaube, hineininterpretierte, hat er inzwischen gänzlich aufgegeben. Er sagte gestern: „Die übrigen Probleme um die Saar sind offengeblieben und erfahren durch den Schumanplanvertrag keinerlei Änderungen". Ich werde darauf zu sprechen kommen, ob sie keinerlei Änderungen erfahren. Sie erfahren nämlich sehr wesentliche Änderungen, und zwar in einer Verschlechterung der deutschen Situation in bezug auf die Saar,
Die französische Regierung hat
— sagte er gestern
— und das möchte ich hier ausdrücklich betonen — zu keinem Zeitpunkt der Verhandlungen über den Schumanplan irgendeine Forderung hinsichtlich der Anerkennung des gegenwärtigen Status an der Saar an die Bundesregierung gestellt.
Sie hat vielmehr ausdrücklich anerkannt, daß in unserer Unterschrift keine Anerkennung des Status enthalten ist. Wie bescheiden der Herr Bundeskanzler geworden ist! Er rechnet es als Erfolg, daß man ihn nicht aufgefordert habe, den gegenwärtigen Status an der Saar anzuerkennen. Von der staatsbürgerlichen Freiheit an der Saar oder gar von Verhandlungen über die Rückkehr der Saar zu Deutschland ist überhaupt keine Rede mehr.
Nun, die blitzartige Erkenntnis, die der Herr Bundeskanzler am 30. Mai von dem politischen Wert der Ratifikation dieses Vertrags in bezug auf die Saar hatte, — diese Erkenntnis war eben in bezug auf die Dauer nur blitzartig. Er hat den Standpunkt des europäischen Minimums für die Saar nicht aufrechterhalten und nach unserer Kenntnis keinen ernsthaften Versuch gemacht, dieses Minimum bei den Verhandlungen durchzudrücken.
Unser Antrag auf der Drucksache Nr. 2971 zu diesem Punkt tut nichts anderes, als den Gedanken des Herrn Bundeskanzlers aus jener Sitzung zu konkretisieren. Er sagt im Gegensatz zu dem Antrag, den Sie, meine Damen und Herren von der CDU, uns hier unterbreiten, daß man zwischen der Ratifikation und jener Forderung in bezug auf die Saar ein Junktim schaffen muß. Nur dann besteht für ein derartiges Bemühen einige Aussicht auf Erfolg! Der Antrag, den Sie uns vorlegen, — nun, ich kann mir vorstellen, welches Gelächter er bei den Machtpolitikern in Paris und bei ihren Agenten in Saarbrücken auslösen wird. Der Bundestag muß für die Deutschen an der Saar mehr tun; als papierne Proteste vom Stapel lassen. Wir müssen, wenn wir einmal einen Trumpf in der Hand haben, mit diesem Trumpf arbeiten, um unseren Brüdern und Schwestern an der Saar die Freiheit zurückzugewinnen und damit die Voraussetzung für die endgültige Lösung der Saarfrage in unserem Sinne zu schaffen.
— Redensart? Ich glaube, ich habe sehr konkret gesprochen, Herr Kollege.
— Ich komme gleich wieder mit konkreten Geschichten; warten Sie! Der Herr Bundeskanzler hat damals eine sehr optimistische Periode gehabt. Ich weiß nicht, ob das auf Grund jener, wie soll ich sagen, glaubenserfüllten Interpretation des Briefwechsels der Fall war. Am 6. Juli 1951 hat er uns von dieser Stelle aus gesagt:
Ich bin der Auffassung, daß wir die ganze
Saarfrage in gar nicht so langer Zeit so gelöst sehen werden, wie wir es wünschen.
Also sprach der Herr Bundeskanzler Anfang Juli.
Sie sehen, welche Wandlung der Herr Bundeskanzler von da an durchgemacht hat bis zu dem, was er uns gestern gesagt hat. Gestern sagte er, daß hier in Verbindung mit dem Schumanplan nur eines für die Saar herausschaue, nämlich eine
Entschärfung des Problems der 'Saar. Ich komme darauf zu sprechen, was es mit dieser sogenannten Entschärfung auf sich hat.
Nun die Fakten, die im „neuen Geiste" seit der Unterschrift unter den Schumanplan am 18. April in Frankreich und an der Saar entstanden sind. Sie sprechen eine sehr beredte Sprache darüber, was es mit dem „neuen europäischen Geist" auf sich hat, der von diesem Vertrag ausgehen soll. Darf ich Ihnen einige Fakten ins Gedächtnis rufen. Am Tage nach der Paraphierung wurde angekündigt, daß Paris mit Saarbrücken Gesandte austauschen werde und daß damit das französische Bestreben, der Saar eine größere Autonomie zu geben und aus ihr so etwas wie ein zweites Luxemburg zu machen, noch , mehr unterstrichen werden sollte. Inzwischen sind auch schon die Botschaftsgebäude in Saarbrücken gekauft bzw. im Entstehen — sehr großartig —, und Herr Grandval, dieser kleine französische Macchiavelli in Saarbrücken; ist als Botschafter vorgesehen; ganz außergewöhnlicher Botschafter, mit Verordnungsgewalt und mit Vetorecht gegen saarländische Gesetze und alles mögliche. Herr Strauß von der Saar ist als Botschafter für Paris vorgesehen. Ich beneide unsere Diplomaten nicht, wenn sie demnächst bei Neujahrsempfängen oder anderen Gelegenheiten mit dem Herrn Strauß zusammentreffen; — Sie sind nicht gemeint, Herr Strauß; es ist ein anderer. Die Bestallung der Botschafter ist bisher noch nicht erfolgt. Man hat da in sehr zarter .Weise auf den Deutschen Bundestag Rücksicht genommen. Wenn der Deutsche Bundestag den Montan-Vertrag jetzt ratifiziert, dann werden Sie es erleben, daß nächste Woche die Bestallung der beiden Botschafter endgültig erfolgen wird. So wie man damals mit der Ankündigung wartete, bis der Vertrag paraphiert war, so wartet man jetzt mit der endgültigen Erledigung, bis der Vertrag ratifiziert ist.
Dann kam das Faktum vom 9. Mai 1951, der Brief des französischen Außenministers, der seinen Namen für diesen Plan hergegeben hat, an den Herrn Hoffmann in Saarbrücken. Dieser Brief sagt von der Demokratischen Partei dès Saarlandes, daß sie die deutsch-französischen Beziehungen störe, daß sie die Autonomie des Saargebiets leugne und dadurch der Regelung der Saarfrage im Friedensvertrag vorgreifen, und 'ermuntert den Herrn Hoffmann, eine so nichtsnutzige Partei zu verbieten. Herr Hoffmann hat sich das nicht zweimal sagen lassen und hat die Demokratische-Partei prompt verboten. Das war die Partei, die es gewagt hatte, die französische Stellung in der Saarpolitik nicht einfach zu akzeptieren und als die endgültige Lösung der Saarfrage anzusehen.
Dann kam ein noch schwererer Schlag für den Herrn Bundeskanzler. Es war die Antwort der drei Regierungen auf seine Note vom 29. Mai 1951, die den Herrn Bundeskanzler am 3. August 1951 erreichte. Darin ging man nun sogar so weit, daß man der Bundesregierung die Kompetenz absprach, sich überhaupt mit Saarproblemen zu befassen. Man sagte ihr, das gehe sie nichts an,
die Saar liege außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes. Nach Informationen, die man sich so hat beschaffen können, wäre das noch viel drastischer ausgefallen, wenn nur die französische Regierung, die hier so europa-begeistert auftritt, die Note verfaßt hätte. Die beiden anderen haben noch ein wenig mäßigend auf diese traurige Note
eingewirkt, traurig, weil damit ja auch etwas gesagt wird über die Kompetenzen der Bundesregierung in bezug auf die anderen Gebiete Deutschlands, die nicht zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gehören.
Ich darf vielleicht auch ein kleines Kuriosum von der Saar erwähnen, das immerhin bezeichnend ist. Die Saarregierung brachte es im vorigen oder vorvorigen Monat fertig, eine Zeitung zu verbieten, die noch gar nicht bestand.
— Das hat sehr viel damit zu tun, Herr Kollege.
Der Herr Bundeskanzler behauptet, daß durch den Schumanplan die Saarfrage entschärft werde. Er behauptet, der Briefwechsel enthalte dafür die Garantie, daß jetzt an der Saar Recht vor Macht gehe, und ähnliche Dinge mehr. Deswegen hat das etwas mit dem Schumanplan zu tun. Sie beschwören doch immer den europäischen Geist des Schumanplans und sagen, das ist gerade das Wichtigste daran. Nun, was es mit diesem Geist auf sich hat, das wird Ihnen an der Saar vor exerziert.
Wenn Sie wollen, auch noch konkreter: So schlimm wie die Fakten sind, so schlimm sind die Erklärungen, die offiziellen französischen Erklärungen zur Saarpolitik seit der Unterzeichnung des Vertrags. Am 24. April, also wenige Tage nach der Unterzeichnung, hat Herr Außenminister Schuman im Rat der Republik folgendes gesagt:
Wenn die französische Regierung erklärt, daß sie ihrer bisherigen Saarpolitik im ganzen Umfange treu bleibt, so ist damit auch gesagt, daß die französische Regierung das Ziel weiter verfolgt, das sie in der Sitzung vom 20. Februar umrissen hat, nämlich die Entwicklung des Status der Saar im Sinne der Erweiterung der äußeren Souveränität der Saar.
Sie sehen: Herr Adenauer sagt: Der Vertrag entschärft die Saarfrage und es wird besser gehen; Herr Schuman sagt: Es wird alles weitergehen, und die französische Politik wird bis zum Ende durchgeführt. Auch im Friedensvertrag wird sich nach französischer Meinung nichts an der Saarfrage ändern.
Zum vierten Jahrestag der sogenannten Saarverfassung am 15. Dezember 1951 sprach als Vertreter der französischen Regierung in Saarbrücken Herr Pierre Schneiter. Er. sagte folgendes:
Ich weiß, daß der legitime Charakter des Statuts von gewissen Leuten bestritten wird. Ich will Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich erklären, daß es sich dabei für Frankreich um eine grundlegende Frage seiner Politik handelt und daß es bei allen Friedensverträgen, die wir aufstellen werden, seine bisher eingenommene Stellung behaupten wird.
Behaupten wird. Herr Finanzminister René Mayer war ebenso zuversichtlich bei der Debatte in der Nationalversammlung über die Ratifizierung des Vertrags. Er antwortete auf die Ausführungen des Herrn Palewski, der sagte, daß, wenn das Saargebiet zu Deutschland zurückkehre, die deutsche Produktion auf 42 % steigen und die französische auf 27 % sinken werde: „Wir verwalten für 50 Jahre die Bodenschätze der Saar".
Ich weiß dabei nicht, worauf Herr René Mayer mehr vertraut, ob auf den Zeitpunkt des Friedensvertrags, den Sankt-Nimmerleins-Tag, oder auf die Lösung, die in diesem Vertrag gefunden werden soll.
Herr Adenauer sagt, die Saarfrage sei ein wenig uninteressant geworden, weil jetzt Frankreich über den Montanvertrag zu der Kohle komme, die das Hauptinteresse Frankreichs in seiner Saarpolitik gewesen sei. Nun hören Sie einmal zu, was dazu Herr Gilbert Grandval, der französische Hochkommissar und Botschafter der nächsten Wochen 'gesagt hat. Er hat in einer Sondernummer des „Daily Mail" vom November, eine übrigens ziemlich üble Propagandaschrift, die sinnigerweise auch im Europarat verteilt wurde, gesagt: „Die Anwendung des Schumanplans, weit entfernt davon, irgendwelche Elemente des Programms zu ändern, stellt noch deutlicher die logische Notwendigkeit für diese Wirtschaftsunion heraus". Er führt dann aus, daß jetzt Frankreich mit der Saar zusammen 34 % der Produktion in die Union mitbringe, Deutschland 35 %. Komme die Saar zu Deutschland zurück, so sei das Verhältnis 27 zu 42 %.
Auch in der französischen Nationalversammlung ist dieser Gedanke angeklungen. Auch dort ist man der Meinung gewesen, daß wegen des Gleichgewichts zwischen Frankreich und Deutschland in der Montan-Union die Saar bei Frankreich bleiben müsse.
Aus diesen Tatsachen, die ich angeführt habe, und aus den Erklärungen offizieller französischer Stellen geht hervor, daß sich die Saarfrage seit der Unterzeichnung des Vertrags nicht entschärft, sondern verschärft hat,
daß die französischen Schrauben noch enger angezogen worden sind. Es ist doch auch nicht wahr, daß Frankreich nur wirtschaftliche Interessen und innerhalb der wirtschaftlichen Interessen nur Kohleinteressen an der Saar habe. Es geht doch da auch um eine alte territoriale Expansionspolitik, es geht auch um die Expansion der politischen Macht, es geht auch um kulturelle Expansion. An dieser Stelle haben auch Redner Ihrer Fraktionen schon oft von der Saar-Universität gesprochen, die im wesentlichen französisch ist, vom FranzösischUnterricht in der zweiten Volksschulklasse und ähnlichen Dingen mehr. Auch in der Wirtschaft geht es keineswegs nur um die Kohle, sondern es geht auch um Eigentümerinteressen. Man wird praktisch Eigentümer der Gruben, man versucht, Eigentümer der Hüttenwerke zu werden. Das ist schon weitgehend gelungen, und man ist dabei, diesen Prozeß zu Ende zu führen. Sie haben jetzt dieser Tage in den Zeitungen lesen können, wie man versucht, die letzten Hüttenwerke in französischen Mehrheitsbesitz zu bekommen, und wie man diese Aktion noch beschleunigt, schnell, ehe die Hohe Behörde vielleicht in Funktion tritt.
Es geht auch um finanzielle Interessen. Frankreich bekommt die Marshallplan-Kredite für die Saar zugeteilt, aber das Verhältnis der Beträge für die Saar und für Frankreich ist ebenso schlecht wie das Verhältnis zwischen dem, was Deutschland bekommt, und dem, was Frankreich im Vergleich dazu erhält, wie das schon der Herr Berichterstatter gestern anführte. Die Saar sieht sehr wenig von den Marshallplangeldern.
Das Statut erlaubt es auch, die Kohlenfelder im Warndt von Frankreich aus abzubauen. Die ge-
fügige Saarregierung hat vor, diese Felder für dauernd zu verpachten und damit der Saarbevölkerung diese wesentliche Lebensgrundlage zu entziehen. Eine Reihe von Saargruben kommt in 10 bis 20 Jahren zum Erliegen. Einige zehntausend Bergarbeiter werden erwerbslos, wenn keine neuen Schächte abgeteuft werden. Wenn aber die Kohlen an der Warndt von Frankreich aus abgebaut werden, dann gibt es an der Saar keine Kohlenreserven mehr, die nicht abgebaut werden, und dann ist die Lebensdauer der Saargruben von 150 auf 100 Jahre reduziert.
Frankreich hat Interesse an der Saarwirtschaft auch wegen seiner Devisenbilanz. Der Exportüberschuß der Saar verbessert die französische Devisenbilanz.
Und dann, meine Damen und Herren, haben Sie hier auch schon selbst diese typisch koloniale Seite des Problems dargestellt. Wenn Sie mal untersuchen, wo an der Saar die Franzosen zu finden sind und was die Deutschen tun, dann werden Sie feststellen, was Sie immer im Gefolge von Eroberungen sehen können: für das Herrenvolk sind die guten Posten und Pfründen, und für die Eingeborenen ist die einfache Arbeit. Das wissen Sie und das haben Sie selbst gesagt. Die Montan-Union ändert an all diesem gar nichts. Sie läßt es bestehen. Für einige Punkte wird nur ein erhöhtes Interesse Frankreichs an der Saar begründet.
Lassen Sie mich jetzt auch einiges von der Stellung der Saar im Text des Vertrages sagen. Auch da finden Sie keineswegs eine Schwächung der französischen Position; diese wird im Gegenteil dadurch gestärkt, daß man die faktische Position Frankreichs anerkennt. Die französische Delegation umfaßt die saarländischen Vertreter. Da ist die Frage erlaubt: Warum sind sie eigentlich nicht in der deutschen Delegation? Ich glaube, für die Saarbevölkerung sind sehr wesentliche und wichtige Interessen zu vertreten. Diese wären von Deutschen zumindest ebenso gut wahrgenommen worden, wie es durch die Vertreter geschehen kann, die Herr Hoffmann bezeichnen wird. Ich möchte auch die Forderung aufstellen, daß wir, wenn die Montan-Union zustande kommen sollte und wir in die Organe der Union Vertreter entsenden, dann daran denken, daß die Interessen der Saarbevölkerung auch von uns mit vertreten werden müssen; sonst sind sie nämlich nicht gut vertreten, sonst werden sie nur von den Vertrauensleuten Frankreichs vertreten, und Frankreich beutet die Saar nach Strich und Faden aus.
Ich habe Ihnen einige Fragen angedeutet, die dort gerade bestehen: die Unterversorgung der Saarindustrie mit Investitionsmitteln und die Warndt-Frage. Das alles, meine Damen und Herren, muß an dieser Stelle einmal eingehend besprochen werden. Ich kann das jetzt nicht tun. Meine Fraktion behält sich vor, sehr bald darauf zurückzukommen.
In den Ausschußberatungen hat ein Regierungsvertreter gesagt, die Union bestehe aus sechs Staaten und unter den sechs Staaten gebe es auch keinen, der seinerseits wieder aus einem Staat und einem anderen staatsähnlichen Gebilde zusammengesetzt sei. Außenminister Schuman war da anderer Meinung. Er hat dazu in der französischen Nationalversammlung gesagt, die Politik der französischen Regierung habe sich an der Saar seit dreieinhalb Jahren nicht verändert — das ist heute hier schon zitiert worden —, die französische Politik basiere auf zwei Dingen: auf der Vertretung der außenpolitischen Interessen der Saar durch Frankreich und auf der Wirtschaftsunion zwischen der Saar und Frankreich. Und dann sagt er: „Diese zwei Tatsachen beherrschen den Vertrag" — diese zwei Tatsachen, die Tatsachen, die wir nicht anerkennen und gegen die wir Protest erhoben haben —, beherrschen den Vertrag, der Ihnen heute zur Ratifikation vorgelegt wird. Wenn er auch nur die Unterschrift Frankreichs trägt, so hat diese Unterschrift gleichwohl einen doppelten Charakter, und die deutsche Regierung weiß das. Sie sehen, wie der stille Teilhaber — der, Saarstaat, dieses komische Gebilde, das fast die Rolle eines assoziierten Mitgliedes spielt — nicht außerhalb des Vertrags ist, sondern wie dieses Gebilde durch die Ratifikation, die auch im Saarparlament vorgenommen wird, und durch die Beschickung der Organe der Union wieder hineinkommt. Herr Schuman sagte dazu vor der Nationalversammlung:
Ein Übereinkommen zwischen der französischen und der saarländischen Regierung, über das wir zur Zeit verhandeln, wird die Bedingungen festlegen, unter denen das Saargebiet in den verschiedenen Organisationen vertreten sein soll. Es wird nicht nur in der Versammlung, sondern auch in anderen Organen, zumindest in dem Beratenden Ausschuß, vertreten sein.
Sie sehen, die Saarregierung mit ihrem Landtag ratifiziert, sie entsendet Vertreter. Auf Grund welcher Titel tut sie das? Auf Grund jener Präambel und auf Grund jener Konventionen, gegen die wir hier ausdrücklich Verwahrung eingelegt haben. Wir erheben Protest gegen die Konventionen; aber wir anerkennen ihre Wirkungen und arbeiten mit ihren Wirkungen.
In Art. 79 ist nur die Rede von auswärtigen Beziehungen, die zu der Vertretung der Saar durch Frankreich führen. Die Durchführung des Montanvertrags setzt aber selbstverständlich auch die Wirtschaftsunion voraus. Die Wirtschaftsunion und auch die außenpolitische Wahrnehmung der saarländischen Interessen setzen jene Konventionen vom 3. März 1950 voraus, gegen die hier Verwahrung eingelegt worden ist. Man protestiert; aber man hilft Fakten schaffen und hilft Fakten im Gebrauch und mit der Zeit erhärten.
Ich darf auf eine weitere Gefahr hinweisen, die durch den Montanvertrag entsteht: Die Hohe Behörde — in ihr sind auch Deutsche — wird, wenn sie an der Saar irgend etwas, was durch die Montan-Union notwendig wird, durchführen muß, natürlich über Paris und wieder auf Grund jener Konventionen und der Präambel mit Saarbrücken verkehren müssen. Dieses Faktum, daß man praktisch mit diesem Zustand arbeitet, und das Faktum, daß wir Deutschen in den Organen der Union neben den Vertretern, die der Herr Hoffmann entsandt hat, sitzen werden, wird uns erneut als praktische Anerkennung des gegenwärtigen Zustandes ausgelegt werden.
Die Bundesregierung kommt dagegen mit Rechts-verwahrungen. Was haben die Rechtsverwahrungen da für einen Wert? Ich erinnere an das, was wieder Herr Außenminister Schuman am 20. Februar 1951 vor dem Rat der Republik gesagt hat. Er hat gesagt, die Bundesregierung anerkenne zwar nicht das Statut der Saar, aber das Bestehen des De facto-Zustandes habe sie schon deshalb anerkannt, weil ihre Vertreter auf den Bänken des
Europarats neben den Vertretern der Saarregierung Platz genommen hätten.
Meine Damen und Herren, wie erheben Rechtsverwahrungen, und auf der anderen Seite macht man nach wie vor Machtpolitik. Die Bundesregierung hätte eine ausgezeichnete Ausgangsposition für gute Verhandlungen gehabt. Man spricht in diesem Vertrag von Europa, und in jener Geburtsurkunde, von der ich gesprochen habe, sagt man, daß die Streitigkeiten zwischen Deutschland und Frankreich ausgeräumt werden müssen als Voraussetzung für einen europäischen Zusammenschluß.
Die Saar ist in den letzten Jahren nach dem Kriege doch nicht entstanden aus europäischer Politik, sondern aus alter expansionistischer Machtpolitik.
Die Aufgabe war, dieses Problem nicht auszuklammern, nicht zu übertünchen, wie die Bundesregierung es in diesem Montanvertrag getan hat, sondern es zu lösen oder wenigstens einen Anfang mit seiner Lösung zu machen.
Wenn Sie schon von europäischen Zuständen sprechen — am Anfang stand die ureuropäische Annexion des Saargebiets, die faktische Annexion; das können Sie auch in Ihrer eigenen Denkschrift nachlesen, daß es sich um nichts weniger als das handelt. Und aus der Annexion folgt die uneuropäische Polizeistaatlichkeit dieses Gebiets zwischen Deutschland und Frankreich.
Gegenüber dieser Machtpolitik sucht die Bundesregierung sich in Rechtsverwahrungen, in Interpretationen zu flüchten und immer wieder in den Glauben an Europa, in den Glauben, daß nun alles anders werde und daß man einen Anfang machen müsse, und wie die Redensarten alle sind, die Sie hier vorgetragen haben.
— Wie ich es machen will, Frau Weber? Nun, ich würde, wenn ich die Trümpfe in der Hand hätte, diese nicht erst ausspielen und dann mit Ihrem Antrag kommen, sondern ich würde die Trümpfe in der Hand behalten, den Antrag stellen und dann abwarten, was geschieht. Sie machen es umgekehrt. Sie ratifizieren hier, bringen diesen Ihren Antrag auf Umdruck Nr. 412 und stellen ihn in keine Verbindung mit der Ratifikation. Der Herr Bundeskanzler hat Ihnen am 30. Juni eine Handhabe geboten, etwas mehr zu tun. Er hat darauf hingewiesen, daß der Briefwechsel eine Rechtsgrundlage sein könnte; und auf Grund von Rechtsgrundlagen kann man ja Forderungen stellen.
Ich darf noch etwas zu Ihrem Antrag sagen, der diesen kapitalen Fehler hat, daß er nicht mit der Ratifikation verbunden ist. Er hat auch große andere Fehler. Sie sind so bescheiden geworden in Ihrer Saarpolitik. In diesem Antrag ist nur von der Freiheit an der Saar die Rede. Das ist gewiß ein sehr wichtiger Punkt, aber es ist doch bei Gott nicht der einzige Punkt. Wenn an der Saar die Deutschen deutsch reden und auch politisch deutsch handeln dürfen, dann ist damit eigentlich erst das Selbstverständliche erreicht.
Und dann kommt doch erst das Saarproblem, nämlich die Frage der staatsrechtlichen Zugehörigkeit des Gebiets.
Davon, daß die Saar, die wir ja staatsrechtlich als zu uns gehörig betrachten, auch zu uns zurückkommen muß, ist in Ihrem Antrag überhaupt nicht mehr die Rede.
Der Herr Bundeskanzler hat kürzlich in London in einer Pressekonferenz von Geduld gesprochen. Man müsse Geduld haben, man müsse die Dinge. reifen lassen. Nun, Herr Bundeskanzler, spätestens im Dezember dieses Jahres wird es an der Saar Wahlen geben, es wird ein neuer Landtag gewählt. Wenn dieser unter den gegenwärtigen Bedingungen gewählt wird — und es sieht ganz so aus, und wenn Sie die Trümpfe nicht ausnutzen, die Sie haben, dann wird es so sein —, dann wird mit diesem neuen Landtag wieder ein neues, sehr hartes separatistisches Faktum geschaffen. Sie werden wieder eine Gelegenheit versäumt haben, etwas Effektives zur Lösung der Saarfrage in unserem Sinne zu tun.
Es gibt auch noch andere gute Gründe, nicht zu sehr reifen zu lassen. Herr Bundeskanzler, lassen Sie sich unterrichten über die Stimmung der Saarbevölkerung und insbesondere der Arbeiterschaft an der Saar! Diese Dinge des Ausverkaufs der Saarwirtschaft an Frankreich, das Warndt-Problem, die Inflation, die die Löhne der Arbeiter entwertet, das alles hat eine Stimmung an der Saar geschaffen, die zunächst einmal zu Protesten und Generalstreikandrohungen geführt hat, die aber auch zu Schlimmerem und wirklichen Explosionen führen kann. Da könnte es passieren, daß Ereignisse eintreten, die eine sehr ernste Trübung des deutschfranzösischen Verhältnisses herbeiführen könnten, eine Trübung, die gewiß niemand von ums wünschen kann.
Der Herr Bundeskanzler hat hier in einer Sitzung im Juli gesagt, er habe die Absicht, die Saarfrage im Ministerrat des Europarats zur Sprache zu bringen. Wir wissen, daß er diese Absicht auch jetzt noch hat. Der Ministerrat soll, wie ich. höre, Ende dieses Monats oder im nächsten Monat zusammentreten. Was der Herr Bundeskanzler da für eine Lösung der Saarprobleme in unserem Sinne erreichen kann, wird von großer Bedeutung für die zukünftige Stellung der Saar im Montanvertrag sein.
Der Herr Bundeskanzler hat gesagt — ich habe ihn zitiert —, daß, wenn bis zum Friedensvertrag nicht Gleichheit der Chancen an der Saar garantiert werde, auch der Friedensvertrag nur eine leere Geste im Sinne der deutschen Saarpolitik werde, und das sei für uns unakzeptabel. Wenn man das nicht erreicht, wird damit präjudiziert, daß im Friedensvertrag die Saar endgültig im französischen Wirtschaftsbereich erscheint und politisch von uns abgetrennt bleibt.
Es ist deshalb von kapitaler ' Bedeutung für unsere Beurteilung des Montanvertrags, wie die Sache in Straßburg ausgehen wird. Deshalb schlägt Ihnen unser Antrag vor, dieses Ergebnis abzuwarten und erst dann die dritte Lesung des Vertrags vorzunehmen. Wir sollten nicht schon den Trumpf aus der Hand geben, sondern uns vorher dieses europäische Minimum an der Saar garan-
tieren lassen und erst dann den Vertrag vielleicht ratifizieren. Der Bundestag kann dadurch, daß er die dritte Lesung aussetzt, etwas mehr für unsere deutschen Brüder an der Saar tun, als leere Proteste von sich zu geben. Er hat in dieser Frage das Glück, daß er nicht nur deutsche Interessen vertritt, sondern daß er etwas tun kann für die Stärkung der Pfeiler, auf denen Europa allein errichtet werden kann. Diese Pfeiler müssen doch heißen: Freiheit, Selbstbestimmung, Fairneß und Gleichheit für alle Europäer!
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, zu so vorgeschrittener Stunde Ihre Aufmerksamkeit für eine Reihe von ernsten Fragen in Anspruch nehmen zu müssen. Meine persönliche Auffassung ist, daß es bei einigem Entgegenkommen hätte möglich sein müssen, uns eine solche peinliche Nachtsitzung. in so ernster Sache zu ersparen; denn bitte, meine Damen und Herren, welche Rolle spielt ein Tag, wenn es um fünfzig Jahre geht?
Doch zur Sache. Der Herr Berichterstatter des Ausschusses für Wirtschaftspolitik hat die Entscheidung, die mit dem Ratifikationsgesetz zur Montan-Union vom Bundestag gefällt werden soll, als eine Entscheidung von, wie er sagte, ungewöhnlicher Bedeutung bezeichnet. Der Bericht, der mit dem Antrag schließt, das Ratifikationsgesetz unverändert anzunehmen, nennt die damit vom Bundestag geforderte Entscheidung die schwerwiegendste unter allen, die er bisher zu fällen gehabt hat. Ehe wir durch unsere Stimmabgabe diese Entscheidung treffen, müssen wir uns über die Auswirkungen dieses Gesetzes auf Leben und Zukunft unseres Volkes ganz klar werden. Auch diel enigen unter Ihnen, d; e entschlossen sein sollten, dem Gesetz unter allen Umständen ihre Zustimmung zu geben, sollten noch einmal die Argumente der Opposition, die wir Ihnen heute hier vorgetragen haben und noch vortragen, wägen. Es kann auch Ihnen nichts schaden.
Der Herr Berichterstatter des Ausschusses für Wirtschaftspolitik zitiert in seinem schriftlichen Bericht aus der Erklärung des französischen Außenministers Robert Schuman den Satz — ich zitiere Schuman —:
Das Zusammenlegen der Kohle- und Stahlerzeugung wird zwangsläufig zur ersten Etappe des europäischen Staatenbundes, der sofortigen Schaffung gemeinsamer Grundlagen für den Ausbau der Wirtschaft und zu einem Wandel im Geschick dieser Länder führen.
Soweit Herr Schuman. Das Vertragswerk über die Montan-Union wird also mit diesen Worten des französischen Außenministers als erstes Glied einer Kette von dann zwangsläufig folgenden Ereignissen gekennzeichnet. Ein Grund mehr, sorgfältig zu prüfen, ob diese Zwangsläufigkeit unserem Volk und Land dienlich sein kann. Ein Grund mehr, auch sorgfältig zu prüfen, ob der beabsichtigte angekündigte zwangsläufige Wandel im Geschick der in der Montan-Union zusammengeschlossenen Länder unserem Land zum Segen gereichen kann.
Der Herr Bundeskanzler hat während der Ausschußberatungen Wert darauf gelegt, der Kritik der Sozialdemokratischen Partei mit der Erklärung zu begegnen, wir kämen nicht an der Tatsache vorbei, daß wir den Krieg nicht gewonnen hätten. Dèshalb müsse man — so sagt Herr Bundeskanzler — bei der Kritik des vorliegenden Schumanplans davon ausgehen, inwiefern die deutsche Lage gegenüber dem, was jetzt ist, gebessert werde. Diese Argumente des Herrn Bundeskanzlers haben sich j a auch in dieser Debatte von gestern und heute einige Male wiederholt.
Hinsichtlich der wirtschaftlichen und der wirtwirtschaftspolitischen Tatbestände ist hier vieles gesagt worden. Lassen Sie mich nun ein wenig bei den Zwangsläufigkeien verweilen, die sich aus den wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Tatbeständen, die die Montan-Union schafft, für unser Land, für das Schicksal Deutschlands ergeben. Auch diejenigen unter Ihnen, die ,dem Herrn Bundeskanzler zu folgen bereit sind und aufzurechnen versuchen, was sich durch die MontanUnion zum Vorteil Deutschlands ändere, werden nicht umhin können, die Natur der Zwangsläufigkeiten, die sich aus der Montan-Union ergeben, in Rechnung zu stellen, — in Ihr e Rechnung zu stellen! Wenn wir erst einmal in die Kettenreihe dieser Zwangsläufigkeiten eingeschlossen sind, ergibt es sich vielleicht, daß sich für unser Land, gerade für unser Land, ein Wandel — um das Wort des französschen Außenministers zu gebrauchen — im Geschick herausstellt, der in schroffem und nicht zu lösendem Gegensatz zu den Zielen der Bundesrepublik steht. Kohle und Stahl haben ihr eigenes spezifisches Gewicht. Das SchumanplanVertragswerk trägt an und für sich die Merkmale eines tiefen operativen Einschnitts in unser gesamtes Wirtschaftsleben. Wenn wir aber den Schumanplan, wie es auch die Regierung wünscht, als ein erstes oder nächstes Stück auf einem Wege betrachten, der als ein Ganzes begrffen werden soll, dann muß man doch den Überblick über das Ganze haben. Wer sich für oder gegen dieses Gesetz entscheiden soll, muß das Ganze kennen, von dem die Montan-Union nur ein Teil ist.
Die Bundesrepublik soll den Schumanplan-Vertrag ratif .zieren, ohne im Besitz der Souveränität zu sein. Die Bundesrepublik soll, wie es in der Begründung des Vertragswerkes heißt, in ein „Gebilde verfassungsrechtlicher Gattung" eingeschlossen werden. In der von der Bundesregierung vorgelegten Begründung des Vertragswerks heißt es ausdrücklich — ich zitiere —:
Die durch den Vertrag auf einem beschränkten, aber entscheidenden Wirtschaftsgebiet begründete Rechtsordnung verdrängt die partikularen innerstaatlichen Ordnungen. Sie bindet sowohl die Mitgliedstaaten als auch unmittelbar die einzelnen Bürger, insbesondere die einzelnen Unternehmen, im Raume der Gemeinschaft.
Soweit die Begründung der Bundesregierung. Meine Frage ist nun: Sind diese Bindungen von einer Art, die im Gegensatz zur Zielsetzung unseres Grundgesetzes steht oder einen solchen Gegensatz heraufbeschwören kann? Erschwert uns der Einschluß in den, wie es heißt, „Raum der Gemeinschaft" die Vereinigung mit den Teilen unseres Volkes, die außerhalb dieses Raumes bleiben müssen? Besteht die Gefahr, daß das deutsche Volk in verschiedene, scharf voneinander
getrennte Räume eingeschlossen wird? Diese Fragen sind durch die gestrige Erklärung des Herrn Bundeskanzlers leider keineswegs befriedigend beantwortet worden.
Die Verlagerung wirtschaftlicher Schwergewichte, die dem Montanvertrag innewohnt, hat ihre eigene Logik und ihre Folgen hinsichtlich der Substanz, die wir um unserer nationalen und staatlichen Einheit willen behaupten müssen.
Die Präambel unseres Grundgesetzes sagt, daß das Grundgesetz beschlossen wurde, „um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben". Man darf wohl sagen, daß uns Deutschen bewußt ist, welche Tragik darin legt, daß uns immer noch verwehrt wird, unser Land entsprechend dem Willen der Bevolkerung aller Teile durch eine von allen frei gewählte gesetzgebende Körperschaft und eine ihr verantwortliche Regierung selbst zu regieren. Könnten wir Abgeordnete des ersten frei gewählten Parlaments des größeren Teiles Deutschlands der uns im Grundgesetz gestellten Aufgabe gerecht werden, wenn wir uns dafür entschieden, durch Annahme des Gesetzes über die Montan-Union die Bindungen einzugehen und die Zwangsläufigkeiten auf uns zu nehmen, von denen in der Begründung der Bundesregierung und in der Erklärung des französichen Außenministers die Rede ist? Ist die Bindung an einen für 50 Jahre gültigen Vertrag, mit kaum wirksam werden könnenden Revisionsmöglichkeiten, noch mit der Ordnung des staatlichen Lebens für eine Übergangszeit zu vereinbaren?
Diese Frage drängt sich besonders auf, wenn wir prüfen, ob die Ausnahmestellung minderen Rechts, die uns schließlich im Gesamtvertragssystem zugedarnt ist — ich meine, auf Grund der durchaus ungleichen Startbedingungen und der verbleibenden Vorrechte der Besatzungsmächte —, in Einklang zu bringen ist mit uns in der Präambel des Grundgesetzes auf den Weg gegebenen Worten:
von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.
In der, Nr. 3 des vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung herausgegebenen „Bulletin" vom 8. Januar wird die Lösung des Problems „Schumanplan und deutsche Einheit" gewissermaßen im Handumdrehen zur allseitigen Zufriedenheit versprochen. Es heißt dort, die Bundesregierung werde beide Ziele, also die Einheit Deutschlands und die Einheit Europas, mit der gleichen Vehemenz anstreben. Es gebe, so heißt es weiter in dem „Bulletin", in dieser Hinsicht keine Vorrangfrage. Ist es so, meine Damen und Herren? Und darf man, wie es in dieser offiziösen Verlautbarung geschieht, behaupten, daß diejenigen, die Befürchtungen hinsichtlich der Folgen des Schuman-plans in bezug auf die Bemühungen um die deutsche Einheit aussprechen, der bolschewistischen Propaganda dienen, wie es im „Bulletin" behauptet wird? 'So billig geht es nicht! Sie und alle sollten zur Kenntnis nehmen, daß die sozialdemokratische Kritik am konkreten Schumanplan von der Sorge um das rechte, das fruchtbare Verhältnis Deutschlands zu Europa getragen ist und dem Ziele dient, einen Beitrag zu echter Gemeinschaft der freien Völker Europas und der Welt auf der Grundlage der Gleichberechtigung zu leisten.
Schließlich war es nicht die SPD, die eine Reihenfolge in diese Diskussion gebracht hat,
sondern es waren Blätter wie der „Rheinische Merkur" oder „Mann in der Zeit", die der Partei des Herrn Bundeskanzlers nicht ganz fernstehen. Der Herr Bundeskanzler selbst hat leider in seinem in der amerikanischen Wochenschrift „Newsweek" vom 26. November erschienenen Interview der Stufentheorie — d. h. erst Integration, dann Einheit — seinen Tribut gezollt.
Die Auffassung der SPD deckt sich mit den Sätzen, die in der Erklärung der Hamburger Tagung der Europäischen Bewegung enthalten sind. Ich gestatte mir, sie hier zu zitieren. Es heißt dort:
Die Europäische Gemeinschaft muß bestrebt
sein, das ganze Europa zu umgreifen, einschließlich der Länder, die heute ihrer demokratischen
Freiheiten beraubt sind.
Die Konferenz stellt die Legitimität des Willens aller Deutschen, sich niemals mit einer Teilung ihres Landes abzufinden, fest. Sie erklärt sich mit ihrem Wollen solidarisch. (Abg. Euler: Wie wollen Sie die Teilung
aufheben?)
— Sie polemisieren doch, Herr Euler, hoffentlich nicht gegen die Entschließung der Hamburger Konferenz der Europäischen Bewegung, die ich hier noch zitiere?
Der Zusammenbau Europas und die Einheit Deutschlands dürfen nur in Freiheit und mit friedlichen Mitteln verwirklicht werden. Innerhalb einer europäischen Gemeinschaft
— so heißt es weiter in dieser Erklärung —muß Deutschland ein Partner sein, der die gleichen Rechte genießt wie die anderen Partner. Seine Souveränität wird in dem Maße wiederaufleben müssen, in dem seine Partner die ihre bewahren wollen.
Ich habe dieses etwas ausführliche Zitat gebracht, um hier noch einmal klarzustellen: die Sozialdemokratische Partei steht durchaus im Einklang mit den Sätzen, mit der Willenserklärung dieser erst kürzlich durchgeführten Hamburger Tagung.
Bei den Schumanplan-Verhandlungen hat das Problem der Einheit Deutschlands als solches offenbar keine Rolle gespielt.
— Herr Tillmanns, Sie sprechen j a nach mir; Sie können sich noch ausführlich zu diesen Dingen äußern.
Auf die in diesen Zusammenhang gehörenden Fragen zum Status des Saargebiets ist schon eingegangen worden. Berlin ist — das hat sich bei den Ausschußberatungen wohl herausgestellt — weder erwähnt worden, noch wurde seiner besonderen Lage Rechnung getragen. Die sowjetische Besatzungszone wird im Vertragswerk lediglich, wie schon gesagt worden ist, in § 22 der Übergangsbestimmungen erwähnt. Dort heißt es in dem Teil, der die Beziehungen der Gemeinschaft zu dritten Ländern regelt: •
Der Warenaustausch auf dem Gebiet von Kohle und Stahl zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der sowjetischen Besatzungszone wird, soweit es sich um die Bundesrepu-
blik Deutschland handelt, unbeschadet des Ablaufs der Übergangszeit durch die deutsche Bundesregierung im Einverständnis mit der Hohen Behörde geregelt.
Der Herr Berichterstatter Dr. Preusker hat die Auffassung vertreten, durch § 22 der Übergangsbestimmungen erkenne der Vertrag eindeutig an, daß die sowjetische Besatzungszone im Verhältnis zur Bundesrepublik nicht als Ausland anzusehen sei. Für Berlin gelte — so ist gesagt worden — nach Auffassung der Bundesregierung mindestens das gleiche, wenn hier nicht sogar noch die Bestimmungen des Art. 79 verstärkend im Sinne einer noch engeren Bindung wirken.
Bezüglich Berlins möchte ich darauf aufmerksam machen, daß sich im Laufe der Ausschußberatungen drei verschiedene Erklärungen ergeben haben, die man uns dargeboten hat. Einmal hieß es, Berlin sei nicht erwähnt worden, weil dort weder Kohle gefördert noch Eisen und Stahl erzeugt werde. Zum anderen hieß es, Berlin werde j a durch den § 22 der Übergangsbestimmungen mit gedeckt. Und zum dritten hieß es, die Bundesregierung vertrete nach Art. '79 des Vertrages Berlin außenpolitisch, deshalb erübrige sich eine besondere Erwähnung Berlins. — Es wäre besser, wir hätten eine statt drei Erklärungen bekommen!
Zur ersten Erklärung möchte ich sagen, daß sie weder die tatsächliche Stahlproduktion Berlins noch die Rolle Berlins als Verbraucher und Verarbeiter berücksichtigt, woraus sich bei Mangellage im Sinne des Vertrages schwerwiegende nachteilige Folgen ergeben könnten.
Zur zweiten Erklärung darf ich wohl die Frage stellen, ob eine solche Auslegung von den Vertragspartnern geteilt wird und welche schlüssige Auskunft uns in dieser Beziehung gegeben werden kann.
Zur dritten Erklärung schließlich möchte ich darauf aufmerksam machen, daß der Art. 79 das Verhältnis der in Frage kommenden Regierungen vertragschließender Länder zu Ländern wie San Marino und Monako meint. Auch das Verhältnis, das die französische Regierung einseitig zum Saargebiet geschaffen hat, wird durch diesen Artikel, wie schon gesagt wurde, gedeckt. Wir aber möchten nicht das Verhältnis der Bundesrepublik zu Berlin in Parallele zum Verhältnis der entsprechenden Regierungen zu San Marino und Monako und auch nicht zum Saargebiet setzen.
Die Erklärungen, die uns der Herr Bundeskanzler gestern hinsichtlich Berlins gegeben hat, sind noch unbefriedigend. Sie sind zwar ein Versuch, ein Versäumnis während der Vertragsverhandlungen durch neue Interpretation zu korrigieren. Aber das Versäumnis wird damit nicht aus der Welt geschafft, und es bleibt die Frage, wie die anderen Vertragschließenden zu dieser Interpretation stehen. Wenn der Herr Berichterstatter Dr. Preusker gemeint hat:
Die Eingliederung der sowjetischen Besatzungszone nach einer Wiedervereinigung Deutschlands wird Gegenstand besonderer Anpassungsmaßnahmen sein müssen, die durch Zusatzverträge zu regeln sein. werden,
so erhebt sich die Frage, ob die Vertragspartner denn durch den Vertrag oder durch besondere Vereinbarungen, die mit dem Vertrage in Verbindung stehen, gebunden sind und sich gebunden halten, solchen Anpassungsmaßnahmen ihre Zustimmung
zu geben oder überhaupt in solche Verhandlungen einzutreten. Der Vertrag gibt dafür keine Anhaltspunkte. Von einer Sonderregelung hat die Regierung während der Ausschußberatungen und auch jetzt im Plenum nichts verlauten lassen. Bei den Ausschußberatungen aber wurde durch einen juristischen Sachverständigen der Regierung gesagt, wenn die Vertragspartner sich nicht einigten, entstehe eine Situation, über die der Jurist schweige.
Die entscheidende Frage aber ist, ob die Vertragspartner oder einige unter ihnen die Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands oder die Überwindung der Spaltung Deutschlands als in ihrem Interesse liegend betrachten. In dem Augenblick, in dem man sich anschickt, einen Teil Deutschlands für 50 Jahre in den Raum einer Gemeinschaft einzugliedern, deren Partner sich weder im Vertrag noch in einer Erklärung zum Vertrag zu dieser Frage eindeutig im Sinne unserer, sich für uns aus dem Grundgesetz ergebenden Zielsetzung erklärt haben, ist es notwendig, klaren Bescheid zu geben, um so mehr als bezüglich des Saargebiets schon festgestellt wurde, daß die Bundesregierung einerseits und die französische Regierung andererseits an ihren entgegengesetzten Rechtsauffassungen festhalten.
Wenn wir uns, wie es im Laufe dieser Debatte geschehen ist, mit der in vieler Hinsicht aufschlußreichen Debatte in der französischen Nationalversammlung befassen, so können wir auch in der von mir behandelten. Beziehung einige Tendenzen finden, die unsere Aufmerksamkeit verdienen. Aufmerksamkeit; meine ich, verdient z. B., in welcher Weise diejenigen Sprecher, die. sich in der französischen Nationalversammlung für die Ratifikation des Vertrages eingesetzt haben, die Bindung der deutschen Kohle an die stahlerzeugende Industrie des Westens auslegen. Der Berichterstatter CosteFloret, der schon einige Male zitiert wurde, hat die hervorragende Bedeutung der Tatsache betont, daß die — wie er es nannte — Bevorrechtigung der deutschen Verarbeiter bei der Belieferung mit deutscher Kohle unterdrückt werde. Der andere Berichterstatter, der hier schon zitiert wurde, hat auf den interessanten Ausspruch des Generaldirektors der Renaultwerke hingewiesen, der die Freude zum Gegenstand hat, die dieser Herr darüber empfindet, daß man, wenn es einen Schumanplan gibt, in Deutschland nicht mehr die Stahlerzeugnisse, so wie sie dort gebraucht werden, ins Volkswagenwerk liefern kann, sondern daß sie von anderer Seite verlangt werden können. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, welche Bedeutung das Volkswagenwerk für ein großes Gebiet im Bereich des Grenzgürtels der sowjetischen Besatzungszone hat.
Gestatten Sie mir, im Zusammenhang damit auch auf die Sätze des Finanzministers René Mayer hinzuweisen, die der Stahlindustrie in diesem Zonengrenzgebiet gelten. Der Finanzminister sieht als Tendenz des Vertrages den — wie er es nennt — Kampf gegen die deutsche Autarkie an, und als wesentlich und neu bezeichnet er die mit dem Schumanplan gegebene Möglichkeit, gewisse deutsche Produktionsmöglichkeiten zu unterbinden. Er ließ keinen Zweifel darüber, meine Damen und Herren, daß nach französischer Auffassung z. B. die Demontage von Watenstedt-Salzgitter endgültige Tatsachen geschaffen habe.
Im Lichte solcher Auffassungen bekommen die Begriffe „antiökonomisch" und „autarkisch", auf die bei den Ausschußberatungen hingewiesen wor-
den ist, im Zusammenhang mit der Investitionsfrage, eine Bedeutung, die für uns jedenfalls keineswegs beruhigend ist. Als „antiökonomisch" und „autarkisch" könnten ja z. B. Vorhaben und Werke gekennzeichnet werden, die für uns volkswirtschaftlich und nationalpolitisch erstrangige Bedeutung haben.
Herr Dr. Preusker meinte in seinem mündlichen Bericht, der Vertrag gehe ja davon aus, als ob Deutschland schon eine Einheit wäre. Aber selbst wenn wir die Gewißheit haben dürften, daß es so sei, so könnten wir damit nicht beruhigt sein. Denn worauf es ankäme, wäre, daß in einem solchen Vertrag und in der Art, in der er gehandhabt wird, unserer besonderen Lage Rechnung getragen wird, die es erfordert, daß wir nicht zur Verlagerung industrieller und wirtschaftlicher Schwergewichte nach Lothringen und weiter nach dem Westen beitragen und dadurch den Gürtel an der sowjetischen Besatzungszonengrenze veröden helfen.
Die wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Tendenzen des Vertragswerks geben Deutschland Grund zur Beunruhigung, weil sie — um auf das Wort des französischen Außenministers von den Zwangsläufigkeiten zurückzukommen — uns in unserem Bemühen stören und schwächen, wirtschaftlich und sozial magnetisch auf die sowjetische Besatzungszone wirken zu können.
Der Herr Bundeskanzler hat gestern auf den sogenannten Generalvertrag hingewiesen, um unsere Befürchtungen hinsichtlich des Verhältnisses zur sowjetischen Besatzungszone zu zerstreuen. Dieser Hinweis des Herrn Bundeskanzlers gibt mir Anlaß, meinerseits auf eine Kritik hinzuweisen, die der Vizepräsident des amerikanischen Gewerkschaftsbundes, der American Federation of Labor, in einem Briefwechsel mit dem amerikanischen Außenministerium an der Deutschlandpolitik der Alliierten und an deren neuesten Plänen geübt hat und damit an den Plänen seiner eigenen Regierung im Hinblick auf die Behandlung Deutschlands. Aus dem Briefe des Vizepräsidenten Matthew Woll zitiere ich:
Die Westmächte sollten tatkräftig und ständig eine Politik zugunsten der Wiedervereinigung Deutschlands auf einer wirklich demokratischen Grundlage verfolgen. In der oben erwähnten Septembererklärung
— gemeint ist das Kommuniqué der Washingtoner Außenministerkonferenz —
wird jedoch
— so sagt die American Federation of Labor — eine Regelung vorgeschlagen, die den Alliierten das Recht vorbehält, alle Entscheidungen hinsichtlich der Wiedervereinigung Deutschlands zu bestimmen. Eine solche Regelung zeugt eher von einem ehrfürchtigen Respekt vor dem Geiste der Potsdamer Beschlüsse von 1945 als von einer festen Entschlossenheit, den Notwendigkeiten der im Jahre 1951 vorhandenen kritischen Situation Rechnung zu tragen. Warum müssen
— so fragt der amerikanische Gewerkschaftsbund — die westlichen Alliierten, die sich auf eine Politik der Wiedervereinigung Deutschlands auf einer wirklich demokratischen Grundlage verpflichtet haben, auf der Forderung beharren, daß ihnen in dieser Frage ein Vetorecht eingeräumt werde? Diese Beharrlichkeit
— so tadelt die American Federation of Labor die Regierungen der Westmächte —
ruft nur Zweifel an der Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit dieser alliierten Verpflichtung hervor. Es ist an der Zeit,
— so betont der Vizepräsident des amerikanischen Gewerkschaftsbundes abschließend —
daß die Demokratien erkennen, daß es ein unveräußerliches Recht des deutschen Volkes ist, selbst darüber zu entscheiden, was es als das überragende Problem seiner Organisation und seines Lebens als Nation betrachtet.
Diesen Sätzen ist nichts hinzuzufügen. Wir in Deutschland können uns darüber freuen, daß der Sprecher einer so großen und einflußreichen Organisation so warm und überzeugend als Anwalt unseres Rechts auftritt. Der Herr Bundeskanzler und Außenminister sollte Wert darauf legen, von seinen Beamten auch solche Stellungnahmen ausländischer Persönlichkeiten zu unseren Lebensfragen vorgelegt zu bekommen.
Abschließend darf ich also sagen: Den im Schumanplan und in den dazugehörigen Verträgen und Auflagen der Besatzungsmächte liegenden Zwangsläufigkeiten können wir uns nicht anpassen. Der Wandel, den sie im Geschick unseres Landes herbeiführen würden, käme auf eine Erschwerung unserer Hauptaufgabe hinaus, auf eine Erschwerung der Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit und Frieden. Das hieße eine Erschwerung der Befreiung der 18 Millionen in der sowjetischen Besatzungszone. Es ist eine der vornehmsten Aufgaben der Bundesregierung, in neuen Verhandlungen mit den Signatarmächten des Schumanplans und in den Verhandlungen mit den Siegermächten diese Gesichtspunkte zur Geltung zu bringen. Es wäre nicht zuletzt eine für die demokratische Welt folgenschwere Fehlleistung, den Versuch zu europäischer Zusammenarbeit von vornherein mit dem Konstruktionsfehler zu belasten, die Bundesrepublik Deutschland an der Erfüllung ihrer wichtigsten und wahrhaft europäischen Aufgabe zu hindern.
Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren, am 27. September 1951 hat der Bundestag die Herstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit mit friedlichen Mitteln als die vordringlichste politische Forderung des ganzen deutschen Volkes bezeichnet. Tragen Sie dieser „vordringlichsten politischen Forderung" bei der Entscheidung über ein Gesetz, dessen Zwangsläufigkeiten uns für Jahrzehnte binden sollen, Rechnung! Damit würden Sie zugleich einen Beitrag zur europäischen Verständigung leisten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Tillmanns.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter den vielen Argumenten, die im Verlaufe der Auseinandersetzungen mit so großem Eifer gegen den Schumanplan gesammelt und vorgebracht worden sind, ist wohl die Behauptung, die Montan-Union hindere die Wiedervereinigung Deutschlands, von besonderer Bedeutung. Wenn sie nämlich richtig wäre, könnte keiner von uns an ihr vorbeigehen; denn in dem festen Willen zur Wiedervereinigung unseres Landes in Freiheit sind wir alle einig.
Mein Vorredner, Herr Kollege Wehner, hat heute diesen Einwand aus angeblichen Zwangsläufig-
keiten des Vertragswerkes hergeleitet. Er hat behauptet, die Vorläufigkeit der Bundesrepublik verbiete ihr, langfristige Verträge abzuschließen. Er hat bemängelt, daß Berlin nicht erwähnt und die Sowjetzone ausgeschlossen sei; ja, er hat die Behauptung aufgestellt, daß der Abschluß des Montanvertrages vor der Wiederherstellung der deutschen Einheit mindestens dem Geiste des Grundgesetzes widerspreche.
Für diese ganze Gruppe von Einwänden ist zunächst festzustellen, daß sie in der Debatte über den Schumanplan, die ja nun seit mehr als einem Jahre im Gange ist, sehr spät auftauchen.
Gleich nach der Unterzeichnung des Vertrags im April des vorigen Jahres hat Herr Dr. Schumacher in ausführlicher Erklärung das Nein der SPD begründet und sieben Punkte aufgezählt, deren Erfüllung die Voraussetzung für eine sozialdemokratische Zustimmung sei. Die Frage der Rückwirkung des Schumanplans auf die Wiederherstellung der deutschen Einheit ist dabei gar nicht erwähnt.
Am 26. Juni 1951 hat im Abgeordnetenhaus von Berlin eine Debatte über den Schumanplan stattgefunden; und gerade hier wäre doch der Ort gewesen, bestehende Bedenken im Hinblick auf die deutsche Einheit besonders stark zum Ausdruck zu bringen.
Das ist aber mit keinem Wort geschehen.
Weder in der Erklärung des Senats Berlins noch in der Rede des Sprechers der SPD ist dieser Gesichtspunkt überhaupt genannt.
Im Gegenteil, der Senat Berlins, an dem doch die
SPD beteiligt ist, hat damals folgendes erklärt: Der Vertrag vom 18. April 1951 über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der Schumanplan, soll der Sicherung des Friedens, der Wiederherstellung des Wohlstandes Europas und der Festigung der Zusammenarbeit der westlichen Welt dienen, mit der Berlin untrennbar verbunden ist. Die Verwirklichung des Schumanplans kann darüber hinaus einen bedeutsamen Schritt auf dem Wege der politischen und wirtschaftlichen Einigung Europas darstellen. In Anerkennung dieser Ziele nimmt der Senat gegenüber der von der Bundesregierung gemachten Vorlage eine positive Stellung ein.
Es folgen dann einige Vorbehalte zu verschiedenen Fragen. Aber irgendein Bedenken aus gesamtdeutschen Gesichtspunkten sucht man auch in diesem Dokument vergeblich.
Es wird vom Senat lediglich erklärt, daß sich das Land Berlin entsprechend seinem schon früher geäußerten Wunsche, beim Abschluß internationaler Verträge berücksichtigt und mit einbezogen zu werden, beim Abschluß des von der Bundesregierung vorgelegten Vertrages von dieser mit vertreten betrachtet. Ich komme auf diesen Punkt noch zurück.
Schließlich haben wir doch hier in diesem Hause am 12. Juli vorigen Jahres die erste Lesung des Montanvertrages abgehalten; und auch bei dieser Gelegenheit haben die Redner der SPD, die Herren Kollegen Schmid und Henßler, an diese doch außerordentlich wichtige Frage der Wiedervereinigung offenbar gar nicht gedacht.
Um so schärfer ist sie nun in den letzten Wochen behandelt worden und nicht zuletzt auch in einem Artikel, den Herr Professor Schmid im Berliner „Telegraf" veröffentlicht hat und in dem er, wenn auch in Frageform, behauptet, daß durch die Montan-Union die Pflöcke des Eisernen Vorhanges tiefer eingerammt würden.
Meine Damen und Herren! Man fragt sich, warum diese Befürchtungen erst jetzt zu so später Stunde laut werden. Hat man vielleicht bei der sozialdemokratischen Fraktion die Besorgnis, daß all die anderen Argumente für ihr Nein allmählich abgenutzt sind
und ihre Wirkung verloren haben,
Oder möchte man wohl erreichen, daß die vielen SPD-Mitglieder, die sich besonders in Berlin offen zum Schumanplan bekannt haben,
mit diesem Argument auf die Parteilinie zurückgebracht werden sollen?
Oder will die Sozialdemokratische Partei auch diese
Debatte benutzen, um den so oft klar bekundeten
gesamtdeutschen Willen der Bundesregierung in
Zweifel zu ziehen und um den Verdacht zu nähren,
als bedeute der Zusammenschluß Europas einen
Verzicht auf die Wiedervereinigung Deutschlands?
Meine Damen und Herren! Es mag dahingestellt bleiben, welches von all diesen Motiven bestimmend war. Forschungen nach Motiven sind bekanntlich wenig ersprießlich. Wahrscheinlich waren alle diese Beweggründe nebeneinander wirksam.
Mir kommt es darauf an, zunächst einige Dinge richtigzustellen, zuerst die Behandlung Berlins. Dem, was der Herr Bundeskanzler gestern in seiner Erklärung gesagt hat, habe ich nur wenig hinzuzufügen.
Berlin ist nicht besonders genannt. Es gehört nämlich nach Art. 23 des Grundgesetzes zu dessen
Geltungsbereich. Soweit der ,bekannte Vorbehalt
der Besatzungsmächte die Ausübung der Funktionen der Bundesrepublik für Berlin hemmt, können diese Hemmungen nicht durch den Schumanplan,
sondern .nur durch neue Vereinbarungen mit den drei Besatzungsmächten beseitigt werden.
Das sollte klar sein. Wir wissen, im Rahmen des Generalvertrags wird darüber verhandelt, und wir können mit Bestimmtheit erwarten, daß der Wunsch des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses, das Land Berlin beim Abschluß internationaler Verträge zu berücksichtigen und mit einzubeziehen, in sehr naher Zukunft in Erfüllung geht.
Damit findet dann Art. 79 Anwendung. Aber ich denke, mit Berlin verbindet uns noch sehr viel mehr als die Wahrnehmung auswärtiger Beziehungen. Ich betrachte es deswegen — ich muß schon sagen — als eine groteske Verkennung der Situation, hier zu wagen, unser Verhältnis zu Berlin mit dem zu San Marino und Monaco auf eine Stufe zu stellen.
Sein Bedarf an Kohle und Stahl ist Bedarf der Bundesrepublik. Daran kann kein Zweifel bestehen, zumal in dieser Hinsicht eindeutige Erklärungen der Hohen Kommissare vorliegen. Der Montanvertrag ändert nichts an dieser Sachlage.
Auch der Status der Sowjetzone wird in keiner Weise geändert.
Wir halten selbstverständlich an dem Anspruch fest, daß die Bundesrepublik für Gesamtdeutschland spricht und handelt,
nur ist sie zur Zeit faktisch daran gehindert, ihre Souveränität dort auszuüben.
Dieser Tatsache muß Rechnung getragen werden. das ist aber nicht in der Form geschehen, wie von verschiedenen Rednern, auch von denen der KP, behauptet wurde, daß die Sowjetzone im Vertrag als Ausland behandelt ist, sondern dadurch, daß man an die Stelle der Bestimmungen, die die Beziehungen der Schumanplan-Länder zu dritten Ländern regeln, die Ausnahmebestimmung des § 22 des Übergangsabkommens gesetzt hat.
Diese Bestimmung, wonach der Warenaustausch mit der Sowjetzone durch die Bundesregierung im Einvernehmen mit der Hohen Behörde geregelt wird,
gilt solange,
bis die Sowjetzone ein Teil der Bundesrepublik geworden ist.
Die Beteiligung der Hohen Behörde ist nach dem Grundgedanken des Vertrags selbstverständlich. Für die übrigen Mitgliedstaaten unterliegt der Handelsverkehr mit der Sowjetzone den Bestimmungen über den Außenhandel, nach denen die
Hohe Behörde noch ein sehr viel stärkeres Mitwirkungsrecht hat.
— Nicht Ausland; Sie verstehen das nicht. Sobald die Sowjetzone wieder mit uns vereinigt ist, erlangt der Montanvertrag Geltung auch für dieses Gebiet. Nach den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen bezüglich der beweglichen Vertragsgrenzen können Verträge, die die Gesamtpolitik beeinflussen oder allgemeine Rechtsnormen enthalten, auch auf das erweiterte Gebiet angewandt werden. Soweit sich die Vertragsgrundlage geändert hat, ist eine Anpassung des Inhalts vorzunehmen. Das wird wahrscheinlich in Form von Übergangsbestimmungen, insbesondere auch für Investitionen, notwendig sein. Zu einer solchen Anpassung besteht eine gegenseitige Verpflichtung der Vertragspartner; gegebenenfalls hätte der Gerichtshof zu entscheiden.
Das Hinzutreten der Sowjetzone ist also nicht als
Beitritt weiterer Staaten behandelt. Infolgedessen
besteht auch keine Einspruchsmöglichkeit Dritter.
Das ist übrigens auch die Auffassung anderer Teilnehmer des Vertrags. In den Verhandlungen der französischen Nationalversammlung sind von verschiedenen Rednern Einwendungen gerade deshalb gemacht worden, weil der Vertrag mit der Bundesrepublik automatisch das wiedervereinigte Deutschland zum Vertragspartner mache, von dem man nicht wissen könne — so wurden diese Bedenken begründet —, welche politischen Kräfte in ihm bestimmend sein würden. Der Schumanplan trennt also nicht ab. Er gibt den Vertragspartnern keine Einwirkungsmöglichkeit auf -die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands.
Diese Frage kann nach wie vor auf friedliche Weise — und das wollen wir alle —
nur gelöst werden, wenn die vier Großmächte sich verständigen.
Dabei bleibt es.
Nun hat aber Herr Wehner heute abend weiter behauptet, -der Montanvertrag widerspreche zum mindesten dem Geist der Präambel des Grundgesetzes, in der die Forderung nach nationaler staatlicher Einheit und der Wunsch, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, nebeneinander aufgeführt sind. Hier sei, so hat Herr Wehner begründet, wenn ich ihn richtig verstanden habe, sozusagen durch Grundgesetz festgelegt: Zuerst die deutsche Einheit und dann Europa. Ich kann es mir, glaube ich, ersparen, dies- als Rechtsfrage zu behandeln; denn es ist aus den gesamten Materialen zum Grundgesetz völlig klar, -daß niemand daran gedacht hat, eine Anweisung in dem Sinne zu geben: Zuerst das eine und rann das andere. In der Präambel sind einfach die deutsche Einheit und die Vereinigung Europas als Kardinalpunkte unseres politischen Wollens nebeneinandergestellt, und nirgendwo findet sich auch nur -der leiseste Anhalt dafür, daß das Grundgesetz etwa verbieten wolle, daß sich die Bundesregierung an internationalen Zusammenschlüssen beteiligt, solange sie nicht ganz Deutschland umfaßt. Im Gegenteil, Art. 24 erklärt ausdrücklich, und zwar ohne eine derartige
Beschränkung, daß die Bundesrepublik dies tun soll, und gibt dafür einen sehr weitgehenden Rahmen.
Wir sind hier beim Kernpunkt des Problems: Verhindert der Zusammenschluß Europas, oder konkreter, verhindert und erschwert die MontanUnion als erster Schritt hierzu tatsächlich die Wiedervereinigung Deutschlands? Zunächst darf ich daran erinnern, daß dieses Hohe Haus am 26. Juli 1950 mit allen gegen vier Stimmen, also fast einstimmig eine Entschließung gefaßt hat, in der der Abschluß eines europäischen Bundespaktes gefordert wird. Es heißt in diesem Beschluß:
Dieser europäische Bundespakt soll eine übernationale Bundesgewalt schaffen, die sich auf
allgemeine, unmittelbare und freie Wahlen
gründet und über gesetzgebende, ausübende
und richterliche Kompetenzen verfügt. Damals hat die SPD offenbar kein Bedenken gehabt, daß ein solcher Europapakt der Wiedervereinigung Deutschlands hinderlich sein könnte, sonst hätte sie nicht zustimmen können. Wenn aber — so frage ich — eine Gesamtföderation, also die stärkste Form eines Zusammenschlusses gutgeheißen wird, wie kann man dann eine partielle Vereinbarung, die sich nur auf ein Teilgebiet der Wirtschaft beschränkt, als schädlich betrachten? Das scheint mir ein unauflöslicher Widerspruch zu sein.
Wenn die SPD davon spricht — und auch Herr Ollenhauer hat das in seiner Rundfunkrede vom 4. Januar angedeutet —, daß zunächst die Wiedervereinigung Deutschlands herbeigeführt werden müsse, bevor ein europäischer Zusammenschluß in Frage komme, dann muß sie uns doch sagen, wie auf diese Weise überhaupt die Einheit Deutschlands realisiert werden soll.
Die Dinge liegen doch leider so, daß einstweilen noch der Machtwille des Bolschewismus auf das ganze Deutschland zielt,
daß er eben nicht unsere Einheit in Freiheit, d. h. in der Gemeinsamkeit der freien Völker will. Noch liegen keine Anzeichen dafür vor, daß die Sowjetunion bereit wäre, auch nur den ersten Schritt, nämlich wirklich freie gesamtdeutschen Wahlen
in der Weise zuzulassen, daß die äußere und innere — und innere! — Freiheit der Stimmabgabe gewährleistet ist.
Wenn wir uns in dieser Situation dazu bringen ließen, auf unsere Teilnahme am Aufbau eines vereinigten Europas zu verzichten, dann würde das letzten Endes bedeuten, daß wir uns geradezu dem politischen Willen des Kommunismus unterwerfen.
Denn das ist doch sein beherrschendes Ziel: den
Zusammenschluß der europäischen Länder und
damit ihre Gesundung zu verhindern. Der Korn- I munismus will doch die Uneinigkeit, die Schwäche und den Zerfall Europas, damit er um so sicherer seine Ziele verwirklichen kann.
Deswegen doch sein erbitterter Kampf gegen den Schumanplan!
Deswegen doch sogar beschwörende persönliche Briefe des Herrn Reimann an die Abgeordneten dieses Bundestages!
Deswegen scheut man sich doch nicht einmal davor, einen alten ehemaligen Politiker, Herrn Dr. Wirth, der vielleicht wohlmeinend aber ahnungslos ist, für diesen Zweck zu mißbrauchen.
Daraus folgt unausweichlich, daß es kein wirksameres Mittel gegen die Absichten des Bolschewismus gibt als die entschlossene Förderung der europäischen Einigung.
Die europäische Einigung bedeutet lediglich eine Erschwerung der bolschewistischen Einheit Deutschlands;
aber sie bedeutet die stärkste Förderung des großen Zieles, in dem wir uns allerdings, Herr Wehner, nach wie vor einig sind, nämlich wie es im ersten Satz der Regierungserklärung vom 27. September 1951 heißt, die Wiederherstellung der deutschen Einheit in einem freien und geeinten Europa. Wir alle haben mit Ausnahme der KP dieser Entschließung zugestimmt.
Ein Einwand gegen die Montan-Union wäre unter gesamtdeutschen Gesichtspunkten vielleicht möglich, wenn man nachweisen könnte — und das hat Herr Wehner versucht —, daß die Partner die Wiedervereinigung Deutschlands nicht wollen, daß sie den Vertrag dazu benutzen könnten, diesen' Willen geltend zu machen. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß der Vertrag nicht einmal andeutungsweise eine Handhabe dafür enthält.
Wenn es also so wäre, daß man bei den anderen Ländern die Wiedervereinigung nicht will, dann würde sich durch den Abschluß dieses Vertrages zunächst überhaupt nichts ändern. Nun aber, meine Damen und Herren, ist die Wiederherstellung unserer staatlichen Einheit in der letzten Zeit wiederholt erklärt und dokumentiert worden. Ich erinnere .an die Note der drei Westmächte vom 15. Oktober 1951, in der diese zusichern, daß sie die Wiedervereinigung Deutschlands stets unterstützt haben und unterstützen werden, sobald sie nach demokratischen Grundsätzen stattfinden kann, welche die Schaffung eines freien Deutschlands sichern. Ich erinnere vor allem an die Verhandlungen vor den Vereinten Nationen in Paris über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für die beiden Gebiete Deutschlands, in denen das Bekenntnis zur deutschen . Einheit geradezu als ein Anliegen der gesamten freien Welt zum Ausdruck gekommen ist.
Und was das Wichtigste ist: Die Verhandlungen über den Generalvertrag haben dazu geführt, daß die Wiedervereinigung Deutschlands als gemeinsames Ziel der vier Partner vertraglich festgelegt wird.
Dort ist die Verpflichtung festgelegt, daß die drei Mächte und die Bundesrepublik bis zum Abschluß einer friedensvertraglichen Regelung zusammenwirken werden, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel eines wiedervereinigten Deutschlands zu erreichen, das eine freiheitliche demokratische Verfassung hat und in die westeuropäische Gemeinschaft integriert ist.
Herr Wehner: das Gegenteil vom Vetorecht, das genaue Gegenteil!
Das ist doch gerade einer der großen Erfolge der Europapolitik der Bundesregierung, daß die Bedenken gegen die deutsche Wiedervereinigung im Ausland mehr und mehr geschwunden sind.
Aber selbst wenn hier und dort noch Hemmungen vorhanden sind — würde man diese Hemmungen im Ausland gegen die Wiedervereinigung Deutschlands etwa durch die Nichtunterzeichnung des Schumanplans beseitigen?
Mit Sicherheit würde das Gegenteil erreicht werden. Diese Hemmungen würden enorm wachsen und vielleicht unüberwindlich werden.
Wie stellt man sich denn dann die Wiedervereinigung Deutschlands vor?
Lassen wir doch endlich hier die fruchtlose Diskussion darüber, was zuerst kommen müsse, die Einheit Deutschlands oder die Integration Europas! Das kann doch niemand wissen. Arbeiten wir mit aller Kraft an dem Neubau eines geeinten Europas und tun wir gleichzeitig alles, daß die Einheit Deutschlands in Freiheit bald Wirklichkeit wird! Beides gehört zusammen, beides bedingt und fördert sich gegenseitig.
Ein westdeutsches Nachrichtenmagazin hat kürzlich in einem langen Artikel zu beweisen versucht, daß der Schumanplan ein Lebewohl für die Brüder im Osten, d. h. für die Deutschen in der Sowjetzone sei. Tatsächlich zeigt dieser Artikel nur, daß der Schumanplan dem bolschewistischen Zugriff auf Deutschland, insbesondere auf das Ruhrgebiet, einen Riegel vorschiebt.
Der Verfasser schreibt, daß die Sowjetunion jedes Interesse an der deutschen Einheit verlieren würde, wenn Kohle und Stahl Westdeutschlands in die Montan-Union einbezogen würden. Er bezeichnet übrigens die Montan-Union als Rüstungspool, was seine politische Herkunft deutlich kennzeichnet. Totalitäre Mächte pflegen Friedenswerke der anderen immer als Aggression zu bezeichnen.
Aber aus diesen Ausführungen geht doch eins hervor: daß offenbar das sowjetische Interesse an einem einigen Deutschland identisch ist mit dem
Interesse an der Ruhrkohle. Deutlicher kann man allerdings das Ziel der sowjetischen Deutschlandpolitik nicht enthüllen.
Die Erreichung dieses Zieles wird allerdings durch die Montan-Union verhindert, und das ist der Wille der überwältigenden Mehrheit des ganzen deutschen Volkes auch in der Sowjetzone. Ich bin sicher, daß unsere Brüder im Osten den Schumanplan nicht als Lebewohl empfinden, sondern daß sie ihn als rettende Hand begrüßen, als ein Zeichen dafür, daß auch für sie der Tag der Freiheit naht.
Wir handeln für sie mit; in ihrem Sinn und in ihrem Namen werden wir zu der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ein klares Ja sagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hasemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die mitternächtliche Stunde ist längst vorüber, und es hat schon eine sehr stattliche Zahl von Rednern gesprochen. Ich werde mich deshalb bemühen, sehr kurz zu sprechen,
kürzer als Sie, meine Herren von der Kommunistischen Partei.
Wenn ich sage, daß eine stattliche Zahl von Rednern aufgetreten ist, dann muß ich hinzufügen: es waren hauptsächlich Redner der Opposition, die sich sehr viel Mühe gegeben haben und ich glaube, daß wohl wie in einem großen Purgatorium alle Redner der KPD ihr Sprüchlein haben aufsagen müssen.
Aber auch die SPD hat ein übriges getan. Sie hat gewissermaßen aus allen Rohren gegen den Schumanplan geschossen. Aber nehmen Sie es mir nicht übel, meine Herren von der SPD, ich glaube, daß Sie ihre Munition — —
— Ja, ich will mal bei diesem militanten Vergleich bleiben. Ich glaube, Sie haben für diese Kanonade nicht die richtige Munition verwandt, denn sie war nicht brisant und wirksam genug;
es war nämlich nicht eine Kanonade, vielmehr nur ein Brillantfeuerwerk von Knallfröschen und Platzpatronen. Einige Platzpatronen waren sogar lediglich mit Papierkügelchen gefüllt, mit Papierkügelchen aus einem Schatzkästlein, in dem Sie sehr sorgfältig Zitate aus den Verhandlungen der französischen Kammer gesammelt hatten. Und, meine Herren von der SPD,
ich glaube, Ihre Position war nicht sehr stark, wenn Sie Ihre Argumente von einem fremden Parlament entlehnen mußten.
Ich möchte noch ein paar Schlaglichter setzen auf die politischen Aspekte und speziell auf den europäischen politischen Aspekt dieses Vertragswerkes. Dieser Vertrag ist ja nicht nur eine Sammlung von Paragraphen, Artikeln und Bestimmungen; das ist nur die äußere Form. Ein wesentliches Element dieses Vertrages ist aber der Geist, 'der in diesem Vertrag steckt. Ich weiß, daß Sie von diesem Geist nicht gern etwas wissen wollen. Herr Kalbitzer hat es ganz klar zum Ausdruck gebracht. Er hat vorhin gesagt, wir sollten in den Vertrag nicht einen Geist hineininterpretieren, denn dieser Vertrag wäre nichts weiter als ein Geschäft, als ein eiskaltes, sachliches Geschäft. Nun, meine Herren, Sie mögen dieser Auffassung sein; aber ich glaube, daß die überwiegende Mehrheit dieses Hauses weiß, daß das Bestimmende in diesem Vertrag der Geist ist, eben der neue europäische Geist.
Und nun Europa! Meine Herren, Sie nehmen es mir als einem alten Europäer, der sich seit vielen Jahren bemüht hat, etwas für die europäische Integration zu tun, nicht übel, wenn ich bei diesem Gerede über Europa, das mir auch von der linken Seite des Hauses entgegenklang, einen bitteren Geschmack auf der Zunge habe. Es wird soviel von Europa geredet in Ihren Reihen: Worte, Worte, Worte, aber nicht mehr.
Wenn man diese Reden hört, dann hat man das Gefühl, daß sie mit ein paar europäischen Phrasen gewürzt werden, wie etwa eine Hausfrau ihre Suppe mit Salz würzt. So war das heute auch bei Ihnen, und ich habe sogar das Gefühl, daß Sie die freundlichen Worte für ein geeinigtes Europa, das Sie angeblich ja auch wollen, vorsorglich als eine Art Entschuldigung angeführt haben, als Entschuldigung dafür, daß Sie nämlich fortgesetzt gegen Europa handeln, so wie Sie sonntags als Redner draußen im Lande fleißig für Europa reden und dann die ganze Woche gegen Europa handeln.
Aber, meine Damen und Herren, auf das Handeln kommt es an, nicht auf das Reden. Heute und hier haben Sie. den Beweis zu erbringen, ob Sie wirkliche und echte Europäer sind. Hic rhodus, hic salta, oder, wenn ich ein Wort unseres verehrten amtierenden Herrn Präsidenten benutzen darf: Heute dürfen Sie nicht nur den Mund spitzen, heute müssen Sie pfeifen, heute und hier, bei dieser Vorlage, über die wir zu entscheiden haben.
Ein ernstes Wort, meine Damen und Herren! Sie alle wissen, daß draußen im deutschen Volk eine tiefe Sehnsucht nach Frieden und Sicherheit und eine tiefe Sehnsucht nach einer europäischen Verständigung und europäischen Zusammenarbeit vorhanden ist.
Die Realisierung dieses Wunsches des Volkes ist in den politischen Auftrag eingeschlossen, den wir alle als Abgeordnete dieses Hohen Hauses von unseren Wählern mitbekommen haben. Wer will das verantworten, wenn er nicht dem Auftrag seiner Wähler gemäß immer und zu jeder Stunde in erster Linie europäisch handelt?
— Lieber Herr Renner, Sie kennen j a nichts von den Wählern. Ihr Häuflein der Unentwegten können Sie doch nicht als die Allgemeinheit der deutschen Wähler bezeichnen.
Das zieht j a nicht mehr. Sie werden in Kürze einen qualvollen Tod sterben, bildlich gesprochen natürlich.
Wie tief die Sehnsucht im deutschen Volk nach europäischer Zusammenheit ist — das ist keine leere Phrase —, das sehen Sie mit der notwendigen Eindringlichkeit, wenn Sie sich ,einmal die Ergebnisse der Abstimmungen vor Augen halten, die die Europa-Union und die europäische Bewegung durchgeführt haben, ob das nun in einer Industriestadt wie Castrop-Rauxel war, Herr Renner, oder ob es die grenznahe Universitätsstadt Freiburg oder die Großstadt München waren. Überall hat sich die Bevölkerung in einer geradezu überwältigenden Mehrheit durch alle Parteien hindurch in völliger Einmütigkeit für Europa bekannt.
Das sind Stimmen des Volkes, die wir nicht überhören dürfen.
Meine Damen -und Herren! Wir wissen natürlich, daß Europa nicht an einem Tag gebaut wird, wie Rom auch nicht an einem Tage gebaut wurde. Wir wissen, daß sich eine Fülle von Schwierigkeiten auftürmt. Wir wissen auch, daß der Schumanplan nicht unsere letzten Wünsche erfüllt. Aber wer europäisch denkt und fühlt und gewillt ist, für Europa etwas zu tun, der muß auch bereit sein, für dieses Europa, wenn es sein muß, sogar Opfer zu bringen.
Wie könnte man je eine Reihe von Völkern zusammenführen, wenn jedes dieser Völker zu einer Integration nur bereit wäre, wenn es ein Geschäft dabei machen kann? Dann würden wir wieder zurücksinken, und Europa würde wieder eine Utopie werden!
Wir wollen aber auf dem Wege zu Europa keinen Schritt mehr zurück. Wir haben schon viel an Plänen und an — —
— Herr Richter, singen Sie doch, dann kann man besser verstehen, was Sie sagen.
Wir haben auf dem Weg zu Europa schon viel an Plänen und Idealen aufgeben müssen. Ich möchte einmal zurückerinnern an jenes Jahr, das ich als einen entscheidenden Meilenstein auf dem Wege zu Europa bezeichnen möchte, das Jahr 1948, als im Mai der Haager Kongreß stattfand, auf dem zum ersten Male das Gespräch um Europa aus der Sphäre der bloßen theoretischen Erörterung auf die Ebene der politischen Realität heraufgehoben wurde. Wer wie ich das Glück hatte, an diesem Kongreß teilzunehmen, der konnte damals sehr deutlich, j a beinahe körperlich die europäische Atmosphäre spüren.
Und diese Haager Avantgardisten haben das
Wunder — es ist ein Wunder — fertiggebracht, daß
schon ein Jahr später der Europapakt beschlossen wurde.
Wir wissen sehr wohl — und wenn Sie noch so
brüllen, die Tatsachen können Sie nicht totbrüllen —, daß dieses Kind Europa, der Straßburger Europarat, schon bei seiner Geburt stranguliert wurde. Wir wissen, daß, wenn der ursprüngliche Plan einer europäischen Konstituante
nicht verwirklicht werden konnte, wenn lediglich
eine Beratende Versammlung entstand, dies daran
lag, daß dort Kräfte am Werke waren, die wohl
von Europa sprachen, aber nicht bereit waren, für
Europa etwas Entscheidendes, etwas Reales zu tun.
Diese gleichen Kräfte sind auch hier wieder am Werke.
Ich will nicht sagen, daß weiteste Kreise der Sozialdemokratie antieuropäisch wären. Das wäre falsch. Das kann ich nicht sagen, weil ich aus hundert Gesprächen mit Sozialdemokraten weiß, daß weite Kreise der Sozialdemokratie durchaus europäisch gesinnt sind und auch durchaus bereit sind, entscheidende Schritte in Richtung auf Europa zu tun. Deshalb stelle ich fest, daß die Bonner Opposition gegen den Schumanplan nicht etwa eine Opposition der Sozialdemokratischen Partei schlechthin gegen den Schumanplan ist.
Sie, meine Herren, wollen angeblich Europa. Auch Sie, Herr Henßler, haben es gesagt. Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Ich könnte Ihnen ein langes Schuldregister von dem aufmachen, was Sie unterlassen haben, bei der Aufgabe, Europa zu ermöglichen. Sie haben nicht mitgeholfen, daß aus der konsultativen Versammlung eine Konstituante wurde, Sie haben nicht geholfen, daß ein europäischer Bundespakt oder auch nur Verhandlungen darüber zustande kamen. Sie haben sich nicht an einem Gespräch über ein Kerneuropa beteiligt, weil dieser Torso, wie Sie es nannten, dieses Rumpfeuropa ohne England geschaffen werden müßte. Sie wissen genau wie wir, daß Sie England nicht für Europa gewinnen können. Wer nicht bereit ist, wenigstens den ersten Schritt ohne England zu tun, wird auf Europa ganz verzichten müssen. Haben Sie doch den Mut, entweder zu sagen, wir wollen Europa gar nicht oder wir wollen Europa nicht, weil Bundeskanzler Adenauer dieses Europa mitbaut, oder sagen Sie, wir wollen dieses Europa nicht, solange es nicht sozialistisch ist; aber decken Sie Ihre Konzeption auf. Die platonischen und papiernen Bekenntnisse zu Europa, hinter denen keine Realität steht, nützen uns und dem deutschen Volk nichts.
— Ach, was verstehen Sie davon! Sie verstehen etwas von Rußland, aber nicht von Europa.
Meine Damen und Herren, in diesem Hause ist so oft die deutsche Jugend angesprochen worden. Wenn Sie mit der deutschen Jugend einmal über den Schumanplan und Europa gesprochen haben, werden Sie wissen, daß die Jugend Europa will und den Schumanplan als einen ersten Schritt auf dem Wege zu Europa begrüßt.
Sie wissen auch, daß die Jugend politisch noch sehr stark abseits steht.
Und weshalb? Weil die Enge und Plattheit insbesondere Ihrer politischen Doktrinen
und Ihr politisches Taktieren nicht vermocht haben, die Jugend für die Politik zu erwärmen. Die Jugend will und kann aber nicht ohne einen großen Gedanken und ohne Ideal leben, an das sie Hirn und Herz hängen kann. Da meine ich, daß Europa durchaus ein erstrebenswertes Ideal für die Jugend sein kann. Diese Liebe zu Europa verträgt sich sehr wohl mit der Liebe zum angestammten Mutterland. Ein deutscher Patriot kann durchaus ein guter europäischer Patriot sein. Wenn ich das Wort vom europäischen Patriotismus in diesem Hause ruhig einmal gebrauche, weiß ich mich von dem Verdacht frei, daß ich es etwa im Sinne eines europäischen Imperialismus meine, wie Sie es uns unterschieben wollen; ich meine dabei die Herren von ganz links. Von solchen imperialistischen Gedanken sind wir völlig frei, aber Sie selbst leben so tief in diesen Gedanken, daß Sie auch uns das einfach unterstellen. Wir wollen Europa nicht mit imperialistischen Hintergedanken, sondern erfüllt von einem neuen Ethos, von einem Gefühl einer neuen europäischen Gemeinschaft, für die zu leben es sich lohnt.
Wir wissen genau, daß uns das deutsche Volk auf diesem Weg folgt.
Haben Sie nicht den Mut, diesen Weg mitzugehen, dann werden Sie vor dem deutschen Volk vielleicht einmal Rechenschaft darüber ablegen müssen.
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Feststellungen, die ich hier vorhin zu der wirtschaftlichen Seite des Planes getroffen habe, noch einiges hinzufügen. Ich möchte betonen, daß wir bei Vorhandensein gleicher Voraussetzungen und bei Herstellung einer wirklichen Gleichberechtigung dem Vertrag durchaus zustimmen könnten, und zwar um so mehr, als wir davon überzeugt sind, daß sich die deutsche Wirtschaft bei dem Einbau in das geplante System auf Grund ihres Fleißes recht bald durchsetzen würde.
Wenn man bedenkt, mit welchen Zielen die Alliierten seinerzeit nach Deutschland kamen und wie ungeheuerlich die Zerstörungen durch den Krieg und die Verhältnisse der Nachkriegsjahre waren, dann erscheint es beinahe als ein Wunder, wie unsere Situation heute aussieht. Die Schaffenskraft des deutschen Volkes und der deutschen Wirtschaft ist ungebrochen. Die Tatsache, daß wir fleißiger als manche anderen Völker sind, läßt uns in vieler Beziehung mit Hoffnung in die Zukunft sehen.
Wir Deutschen könnten in den Vertrag durchaus mit der realen Hoffnung einsteigen, uns in der
Montan-Union durchzusetzen. Aber obwohl dies so ist, gibt es doch einen gewichtigen Grund, der uns die Annahme des Vertragswerkes zum gegenwärtigen Zeitpunkt als nicht Möglich erscheinen läßt.
Es ist bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, daß der Schumanplan nur ein erster Schritt auf einem Wege ist, dessen Linie dem Kanzler vielleicht, wenn auch nicht in seiner ganzen Konsequenz, klar ist, über den er sich aber zumindest beharrlich ausschweigt.
-- Wenn wir den Schumanplan annehmen, Herr Kollege Lücke, dann kommt als nächstes der Pleven-Plan, und nach Eingliederung des deutschen Wirtschaftspotentials in den Block des Westens kommt die Eingliederung der deutschen Soldaten in die Verteidigungsstreitkräfte des Westens, und als Abschluß steht dann die Eingliederung Deutschlands in den Atlantikpakt da. Ob wir nun in diesem Atlantikpakt mit Kontingenten einer Europa-Armee oder mit einer Nationalarmee sind, ist sachlich unerheblich; bestehen bleibt zumindest die Tatsache, daß wir bei jedem einzelnen dieser Schritte die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands — zunächst im Rahmen der vier Besatzungszonen — unmöglich machen. Die Wiederherstellung der Einheit der vier Besatzungszonen ist unseres Erachtens die Voraussetzung dafür, daß wir eines Tages die Ostgebiete zurückgewinnen. Der Bundeskanzler hat mehrfach erklärt, daß diese Politik der Wiederherstellung der deutschen Einheit einschließlich der deutschen Ostgebiete, unter denen wir die Gebiete von Memel bis Kattowitz verstehen, seine große Linie sei. An dieser Konzeption des Kanzlers müssen einige Zweifel geäußert werden; denn es würde ja eine Abkehr von einer sattsam bekannten klerikalen Politik bedeuten, die durch den Zustrom weiter protestantischer Teile Deutschlands zweifelsfrei geschwächt würde. Wenn aber der Herr Bundeskanzler diese Politik der Wiederherstellung der Einhut wirklich verfolgt, dann kann er sich aber unmöglich mit Haut und Haaren denen verschreiben, die alles mögliche von uns wollen, aber zweifellos nicht eine Wiederherstellung der Einheit Gesamtdeutschlands. Die Franzosen haben in der Kammer mehrfach ihre Angst vor der wirtschaftlichen Potenz Westdeutschlands bekanntgegeben. Es ist widersinnig, annehmen zu wollen, daß dieselben Franzosen eine Wiederherstellung der Einhut ganz Deutschlands haben möchten, das wirtschaftlich noch stärker ist als das jetzige restliche Westdeutschland. Die Franzosen haben vielmehr durch den Mund ihres Außenministers und anderer maßgeblicher Politiker mehrfach zu erkennen gegeben, daß sie sich diesen deutschen Wünschen nicht anzuschließen gedenken. Und bei den Engländern sind durchaus ähnliche Gedankengänge feststellbar. Auch dort findet man den derzeitigen Zustand außerordentlich prächtig, da man natürlich weiß, daß ein halbes Deutschland ein wesentlich angenehmerer Partner auf dem Weltmarkt ist als ein ganzes Deutschland. Hinsichtlich der Wiederherstellung einer deutschen Einheit werden wir vom Westen in der Zukunft noch viele platonische Erklärungen hören. Niemals werden wir aber eine Unterstützung in dieser Frage finden, die für uns Deutsche die Kernfrage überhaupt ist.
Von seiten der Koalition wird nun geltend gemacht, gerade die Eingliederung Westdeutschlands in das System des Schumanplans und der folgenden Militärunion biete die Voraussetzungen für die Wiederherstellung dieser deutschen Einheit. Meine Damen und Herren, wenn wir uns aber in der vorgesehenen Form in das System des Schumanplans eingliedern, verlieren wir automatisch jede Möglichkeit, mit dem Osten über Wirklichkeiten einer Wiedervereinigung zu sprechen. Herr Dr. Tillmanns hat sehr richtig gesagt, daß dies nur möglich ist, wenn sich beide Teile irgendwie über diese Dinge verständigen.
Unsere deutsche Kohle und unser deutscher Stahl gehen in einem Pakt auf, der seiner ganzen ursprünglichen Bestimmung nach nichts anderes sein kann als ein erster Schritt zu einer großen Aufrüstung. Die Sowjetunion — und das möchte ich Herrn Dr. Tillmanns sagen — hat sicherlich keinerlei Interesse daran, uns in. dieser Kernfrage irgendwelche Zugeständnisse zu machen, wenn wir fest mit den Westmächten verklammert sind, ohne Möglichkeiten eines eigenen Handelns — durchaus auf einer allgemeinen westlichen Linie—zu haben. Beides ist durchaus zu vereinbaren. Die Sowjets haben um so weniger Interesse an Zugeständnissen zur Wiederherstellung einer deutschen Einheit, als sie natürlich auch wissen, daß die Westmächte es mit ihren Beteuerungen, daß ja sie die Einheit Deutschlands wollten, nicht ernst meinen.
Eine Ratifizierung des Schumanplans in dieser Situation bedeutet nichts anderes, als daß wir Mitteldeutschland, die Sowjetzone, von den Ostgebieten ganz zu schweigen, auf unabsehbare Zeit abschreiben. Wenn erst eine Eingliederung Deutschlands in der vorgesehenen Form erfolgt ist, dann gibt es wahrscheinlich keine Möglichkeit mehr, diese Dinge auf friedlichem Wege rückgängig zu machen. Im Augenblick ist offenbar alles auf die Theorie zugeschnitten, daß eine, Eingliederung Deutschlands in die Aufrüstungspläne Amerikas das Heil der Welt bedeute. Es muß hier aber eines einmal ganz klar herausgestellt werden: daß es die deutsche Wehrmacht, die vor einigen Jahren vor den Toren Moskaus erschien, heute nicht mehr gibt. Zu ihrer Wiederherstellung fehlen auf psychologischem und materiellem Gebiet unseres Erachtens vorerst sämtliche Voraussetzungen. Ich glaube, daß die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes diese Dinge recht gut erkannt hat.
Deutschland gehört in seiner Grundhaltung, in seiner Kultur, in allem seinem Wesen absolut und, unverrückbar zum westlichen Kreise. Dies sollte man vor allen Dingen immer wieder Amerikanern' sagen, die ständig von Rapallo-Ängsten geplagt sind. Konkrete Maßnahmen und ein konkreter Druck auf die Westmächte zur Wiederherstellung einer Einheit zunächst der vier Besatzungszonen nützen dem weiteren Gang der Dinge mehr als 12 Divisionen, die im Ernstfalle allein das Schicksal eines Krieges von Deutschland auch nicht abwenden können.
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Propagierung der deutschen Einheit vom Osten her von A bis Z erlogen ist. Denn wir wissen auch, was Sie sich unter dieser Einheit vorstellen. Vergessen wir aber nicht, daß es neben den Drahtpuppen und kommandierten Schreihälsen des Kreml auch noch durchaus reale politische Interessen des Ostens gibt, Interessen, für die man offenkundig bereit ist, taktische Zugeständnisse zu machen. Taktische Zugeständnisse ließen sich je-
doch, wenn die westdeutsche Regierung dazu in der Lage wäre, d. h. wenn sie so gerissen wäre, wie es der Kreml ist,
was füglich zu bezweifeln ist, zu politischen Vorteilen ausgestalten.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat in dieser Beziehung — das ist hier mehrfach gesagt worden — —
— Ich bin nie der Anwalt von Herrn Renner gewesen, ich habe niemals Beziehungen zur KPD unterhalten. Viele Leute von Ihnen haben noch vor einem Jahr mit Mitgliedern der KPD in gemeinsamen Ausschüssen — nun, das Thema ist erledigt — zusammengesessen.
— Sie haben es schon bereut?
— Ich halte mich nicht zurück. Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, daß ich mich nicht zurückhalte; Ihnen gegenüber ganz bestimmt nicht!
Mein Damen und Herren, das Gesetz des Handeins war bisher immer noch bei anderen, aber nicht bei uns, die wir uns hier in Elogen ergangen haben Dies ist um so schlimmer, als die Hilfstruppen Moskaus in der Ostzone und auch hier Freund Renner gar keine Berechtigung haben, über diese Dinge ein Wort mitzureden. Notorische Landesverräter können zu diesem Komplex sowieso keine Erklärungen abgeben.
Meine Damen und Herren, wir sehen aber in der Verfolgung des Wegs, den der Herr Bundeskanzler eingeschlagen hat,
auch eine Entlastung der Westmächte von einer Verantwortung, die sie zu tragen haben:
Für den derzeitigen beklagenswerten Zustand unserer Situation
ist der Kreml keineswegs allein verantwortlich;
denn die Verantwortung des Westens führt von Jalta über Potsdam in einem geraden Wege bis heute. Beim Kreml weiß man, daß er grundsätzlich etwas Böses will,
beim Westen hört sich manches gut an, ist aber in bezug auf unsere nationalen Interessen häufig genau so böse gemeint.
Es ist erforderlich, zu erkennen, daß die Spanne, die uns heute von Jalta-Deutschland trennt, noch sehr, sehr klein ist.
Anläßlich der letzten außenpolitischen Debatte haben wir darauf hingewiesen, daß wir, wenn wir uns jede Möglichkeit direkter Maßnahmen und direkter Handlungen gegenüber dem Osten abschneiden, uns mitschuldig machen, wenn das terroristische System der Freunde des Herrn Renner in der Sowjetzone noch stärker ausgebaut wird und die Eingliederung der Sowjetzone, also Mitteldeutschlands, für alle Zeiten in den Machtblock des Kreml erfolgt.
Wie wollen Sie diesen Zustand jemals beseitigen? Ich habe noch keinerlei verbindliche Zusage von den Westmächten gehört, daß sie unsere Interessen im Osten als die ihren betrachten. Bisher war es— —
— Das überlasse ich Ihnen. Sie haben zweifelsfrei das a) größere Alter und b) richtigere Parteibuch.
Meine Damen und Herren, wie will man diesen Zustand jemals beseitigen? Ich habe gesagt, daß die Westmächte, insonderheit Frankreich, gar keine Interessen an einer deutschen Einheit haben. Um so mehr sollten wir aber dieses Interesse zum Leitfaden und zum bestimmenden Maßstab für alle Verhandlungen mit den Westmächten machen.
Die von der Bundesregierung bisher eingeschlagene Politik der Vorleistungen in der Hoffnung darauf, daß der Westen sie honorieren möge, nimmt uns nacheinander alle Trümpfe aus der Hand. Unsere einseitige Politik gibt auch einer au fond total verlogenen Propaganda des Ostens handfestes Material in die Hand.
— Ich fasse diese Bemerkung von dem „handfesten Material" so auf, daß Sie mit einem handfesten Gegenstand hier heraufkommen wollen, um mich herunterzujagen. Ich kann nur sagen, daß mein linker Arm kaputtgeschossen ist, mein rechter aber funktionsfähig ist.
Den Gebrauch von Brachialgewalt anzudrohen, ist hier nicht üblich.
Das wurde mir aber angedroht, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren, wir glauben, daß der Schumanplan aus dem Gesamtkomplex der Verträge, die vor uns stehen und über die der Bundeskanzler momentan verhandelt, nicht herauszulösen ist, daß er der logische erste Bestandteil &nes Gesamtwerkes ist, das nur in seiner Gesamtheit irgendwie Hand und Fuß haben kann.
Meine Damen und Herren — —
— Ich bin sofort fertig.
Über die letzte Etappe des Generalvertrags nämlich besteht wohl auch beim Herrn Bundeskanzler noch mancherlei Unklarheit.
Solange aber die Dinge, die in dem Generalvertrag als letzte Etappe kommen und von diesem ersten Schritt nicht zu trennen sind, noch nicht bekannt sind, können wir dem Vertrag nicht zustimmen.
Um ein nochmaliges Reden zur Geschäftsordnung zu vermeiden, möchte ich gleich den Antrag, der an sich zur Geschäftsordnung, der aber auch hierher gehört, vorbringen, der wie folgt lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Abstimmung über die Drucksache Nr. 2950 in Verbindung mit Drucksache Nr. 2401 wird ausgesetzt bis zur Vorlage der Generalverträge, die die Bundesregierung mit den Regierungen der Westmächte abzuschließen beabsichtigt.
— Was? — Das habe ich nicht geklaut, der SPD-
Antrag ist anders.
Der Abschluß der gesamten Verhandlungen der Regierung muß abgewartet werden, ehe man uns zumuten kann, zu diesem Vertrag ein freudiges Ja zu sagen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Strohbach.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr von Thadden, der Vorwurf „notorische Landesverräter", den Sie uns während Ihrer Rede — ohne einen Einspruch des Herrn Präsidenten — gemacht haben, ist vor vielen Jahren schon von anderen Politikern in Deutschland gemacht worden. Diese anderen Politiker haben mit diesem Vorwurf das deutsche Volk in die größte Katastrophe seiner Geschichte geführt. Wer die notorischen Landesverräter sind, Herr von Thadden, das wird sich, denke ich, in kurzer Zeit herausstellen.
Ich bedauere außerordentlich, daß zu dem Problem des Schumanplans keine Frau in diesem Hause Stellung genommen hat.
Ich bin der Meinung, daß es dazu auch von unserem Gesichtspunkt aus einiges zu sagen gibt, wenn es auch nicht gerade eine Stunde in Anspruch nehmen wird.
Es ist zu Beginn der Debatte von einem der Redner gesagt worden, man müsse den Schuman-plan in seinen Auswirkungen untersuchen. Bisher ist er von fast allen Rednern allerdings nur in seinen Auswirkungen für die Rüstungsindustriellen untersucht worden. Ich bin aber der Meinung, daß wir als Vertretung der westdeutschen Bevölkerung in erster Linie zu fragen haben: Welche Auswirkungen hat dieser Schumanplan auf unser Volk?
Sie haben um das entscheidende Problem des Schumanplans in Ihrer Mehrheit so vollständig herumgeredet, als ob es überhaupt nicht da wäre. Einzig der Herr Bundeskanzler hat dieses Problem angedeutet, indem er festgestellt hat, daß Kohle und Stahl für die Aufrüstung entscheidend sind. Und Präsident Truman hat die Freundlichkeit besessen, in seinem Neujahrsaufruf ebenfalls den Zusammenhang klarzulegen, in dem der Schumanplan insgesamt gesehen werden muß, indem er feststellte, daß die Vereinigten Staaten von Amerika die Rüstung verdreifachen werden und daß sie dabei auf die Unterstützung durch den Schumanplan und den Plevenplan rechnen.
Es ist ein sehr schlechtes Zeichen, wenn Sie so tun, als ob Ihnen nicht bekannt wäre, daß dieser Schumanplan in erster Linie und einzig und allein auf Geheiß der Vereinigten Staaten von Amerika zum Zwecke der beschleunigten und verstärkten Kriegsvorbereitungen in Europa geschaffen wurde.
Unsere Bevölkerung jedenfalls ist sich darüber durchaus im klaren. Das beweisen uns die vielen, vielen Zuschriften aus den Betrieben und von den Gewerkschaftsorganisationen. Das beweisen uns die vielen, vielen Zuschriften, vor allem auch von den Jugendverbänden und Vereinigungen.
— Ich kann sie Ihnen gerne bringen, wenn Sie sie nicht selbst bekommen haben sollten.
Die Arbeiterschaft will all die Pläne, die hier aufgestellt worden sind, den Schumanplan usw. nicht, weil sie in Frieden leben will. Denn was soll nach den Artikeln des Plans mit dieser Arbeiterschaft geschehen? In Art. 69 des Schumanplans heißt es — vorausgesetzt, daß die Übersetzung stimmt —:
Soweit es sich um Gruppen von Arbeitnehmern handelt, die in den vorstehenden Ab- \\sätzen nicht genannt sind, und falls die Entwicklung der Erzeugung in der Kohle- und Stahlindustrie durch Mangel an geeigneten Arbeitskräften gehemmt wird, haben sie außerdem ihre Einwanderungsbestimmungen in dem zur Beseitigung dieses Zustandes erforderlichen Umfange
— und nur in diesem Umfange —
zu ändern.
Was heißt das? Das heißt, daß genau dasselbe Fremdarbeitersystem eingeführt werden soll, wie es auch im zweiten Weltkrieg unter Hitler bestanden hat.
Nach den Europareisen der amerikanischen Generale im vergangenen Sommer hat die Stuttgarter „Deutsche Zeitung" eine zusammenfassende Äußerung dieser Kriegsherren veröffentlicht, in der es u. a. heißt:
Die amerikanischen Generale haben sich dahin ausgedrückt, daß wir keine Zeit mehr haben für nationale und soziale Sentimentalitäten.
Darauf hat man offenbar im Schumanplan bereits Rücksicht genommen. Es gibt keine Sentimentalitäten in bezug auf die Zerreißung der Arbeiterfamilien! Die Arbeiter sollen dorthin geschickt werden, wo die Kriegsinteressen es erfordern, ohne Rücksicht auf soziale Sentimentalitäten. Heute in
der Debatte ist das schamhaft mit Freizügigkeit bezeichnet worden.
Was wird denn den Arbeitern anderes übrig bleiben, wenn sie mit ihren Familien nicht hungern wollen, als dorthin zu gehen, wo man ihnen die Arbeit anbieten wird! Sie nennen das Freizügigkeit! Wir nennen das ein System, wie wir es im zweiten Weltkrieg erlebt haben, ein System der Zwangsverschickung.
Und das vertritt eine Partei, die sich christlich und sozial nennt und die bei der Durchführung der Wahlen vor allem den Frauen versprochen hatte, für die Erhaltung der Familie einzutreten.
Ähnliches hat vor kurzem der sozialdemokratische Gewerkschaftsführer Freytag während des hessischen Metallarbeiterkampfes vorgeschlagen.
Die Frauen in Westdeutschland denken darüber anders. Sie haben nach der totalen Katastrophe 1945 voller Vertrauen mit eingegriffen, haben sich voller Vertrauen ins politische Leben mit eingeschaltet. Sie waren bereit, mitzuarbeiten. Sie waren auch bereit. Opfer 'zu 'bringen, von denen auch heute schon mehrfach gesprochen worden ist. Aber sie waren dazu bereit unter der einzigen Bedingung, daß diese Opfer dem Wiederaufbau eines normalen Lebens und der Sicherung des Friedens dienen. Der Schumanplan und das, was er uns bringen soll, ist aber das genaue Gegenteil davon. Er bringt mit Sicherheit Tausenden Arbeiterfamilien das Schicksal der Erwerbslosigkeit. Er reißt die Familien auseinander. Er bringt der deutschen Bevölkerung kein Gramm der so dringend benötigten Kohle für die Wirtschaft, für die Haushaltungen, für die Schulen, für die Krankenhäuser. Er führt geradeswegs in einen neuen Krieg, in dem unsere Jugend, unsere Söhne für die Interessen der Kanonenkönige in Westdeutschland und in den anderen Ländern dès Westens verbluten sollen.
— Das haben wir von Ihnen gelernt, meine Herren, da haben Sie allerdings recht! — Anstatt solche Kriegspläne auszuarbeiten, wie sie uns heute vorliegen, müßte die Bundesregierung alles tun, um dafür zu sorgen, daß unsere deutsche Kohle in Deutschland bleibt, daß unsere deutsche Jugend, von der 'heute schon gesagt worden ist, daß sie mißtrauisch beiseite steht, Lehrstellen bekommt, eine ordentliche Berufsausbildung erhält. Denn daran krankt es; darum ist die deutsche Jugend mißmutig und steht sie passiv beiseite, weil sie keine Zukunft sieht in dieser Konzeption, weil sie gezwungen wird, passiv beiseite zu stehen, weil sie nicht einmal in die Lage versetzt wird, eine ordentliche Berufsausbildung durchzumachen. Das Bayerische Staatsministerium hat für das laufende Jahr 1952 errechnet, daß von den 155 000 Schulentlassenen nur etwa 90 000 Berufsanwärter sind und daß zusammen mit den bereits im Vorjahr ohne Lehrstellen verbliebenen Jugendlichen 75 000 Jugendliche bleiben, die nicht wissen, was sie mit sich anfangen sollen, für die es keine Berufsausbildung geben wird. Schon lange Jahre ist diese Not der deutschen Jugend bekannt, und man hat versucht, mit ganz billigen Pflästerchen dieser Not der Jugend zu begegnen, und hat keine grundlegende Hilfe geleistet.
Sie haben heute schon verschiedentlich sehr heftige Angriffe gegen die Deutsche Demokratische Republik geführt. Ich kann Ihnen sagen: dort hat die Jugend Lehrstellen,
dort hat die Jugend Arbeit, dort hat die Jugend eine Zukunft, und deswegen auch steht sie dort nicht passiv beiseite, sondern arbeitet tätig mit
am Aufbau eines neuen Lebens.
— Weil ich mir das angesehen habe; und ich möchte Ihnen sehr empfehlen, sich selbst einmal davon zu überzeugen,
.
anstatt hier immer nur Behauptungen aufzustellen, für die Sie keinen Beweis erbringen können.
Alles, was in der Jugend Westdeutschlands gut und lebensbejahend ist, wehrt sich dagegen, als Fremdenlegionäre im eigenen Lande eingespannt zu werden.
Sie werden erleben, daß die Jugend bei Ihrer Remilitarisierung und Rekrutierung nicht mitmachen wird. Deswegen auch haben Sie ja die Freie Deutsche Jugend verboten, weil Sie wissen, daß sie der Organisator dieses Widerstands der Jugend gegen die Remilitarisierung und gegen die Rekrutierung ist. Aber Sie werden sich täuschen. Dieses Verbot wird nicht dazu führen können, daß die Jugend in Westdeutschland ihren Kampf einstellt. Es führt im Gegenteil dazu, daß die Jugend in Westdeutschland immer deutlicher merkt, daß sie sich stärker wehren muß, daß sie wirklich etwas tun und sich zusammenfinden muß im Kampf gegen Remilitarisierung, gegen Schumanplan, gegen die Rekrutierungsabsichten.
In diesem Kampf der Jugend werden wir Mütter an ihrer Seite stehen und werden ihr dabei helfen. Denn wir haben nicht die Absicht, unsere Söhne noch einmal zu opfern. Wir haben nicht die Absicht, unsere Heimat zu opfern. Wir haben nicht die Absicht, unsere Familien dem Untergang preiszugeben. Deshalb fordern wir Mütter mit der Jugend, mit denen, die jetzt von der Rekrutierung bedroht sind: Gehen Sie, Herr Bundeskanzler! Machen Sie einer Regierung Platz, die durch gesamtdeutsche Beratungen
zur Einheit Deutschlands gelangt und so die Voraussetzungen dafür schafft, daß die Jugend leben kann und daß wir alle leben können. Nicht der Schumanplan ist das, was wir brauchen, sondern die Einheit Deutschlands als erste Voraussetzung dafür, daß unser Volk leben kann.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Richter. — Er ist nicht im Saal. Dann hat das Wort Herr Abgeordneter Hedler.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Goetzendorff.
-- Dann hat das Wort Herr Abgeordneter Loritz.
Meine Damen und Herren! Auf die konkreten Fragen, die ich heute in meiner Rede an die Regierungsvertreter gestellt habe, inwiefern sich die Artikel, die ich genau zitierte, mit den klaren Bestimmungen unserer Verfassung vereinbaren lassen, inwieweit sich die von mir zitierten Artikel vereinbaren lassen mit den Erklärungen, mit den Beschwichtigungspillen, die von Herrn Dr. Hallstein genau so wie von Herrn Dr. Adenauer an uns verabreicht wurden, — auf alle diese konkreten Fragen habe ich leider nicht eine einzige Antwort erhalten!
Weitaus die interessanteste Rede, die heute von Vertretern der Regierungsparteien gehalten wurde, war die Rede des Abgeordneten Dr. von Merkatz. Er war fast der einzige Redner der Regierungsparteien, der versuchte, das unerhörte Unrecht, das der Schumanplan für uns bringt, und die unerhörten Torheiten, die darin bestehen, diesen Plan trotz des darin enthaltenen Unrechts anzunehmen, uns juristisch zu unterbauen und juristisch schmackhaft zu machen. Gerade das, was er sagte, zeigt aber, wieweit die Dinge heute schon zum Unheil gediehen sind. Er sprach einen Satz aus, der nicht unwidersprochen bleiben soll und bleiben darf. Er sprach von der Evolution des Rechts, von der Evolution der Verfassung, von der Möglichkeit der Annahme von Bestimmungen selbst dann, wenn die Verfassung — die deutsche . Verfassung meine ich — diesen entgegensteht. D a s ist der unheilvolle Weg, vor dessen Beschreitung ich Sie nochmals warne!
Wenn Bestimmungen im Schumanplan enthalten sind, die der Verfassung widersprechen, dann gibt es nur einen Weg für die Regierung. Dieser Weg heißt: zu suchen, eine Zweidrittelmehrheit zu bekommen. Denn nur dann haben Sie die Möglichkeit, diese Bestimmungen durchzudrücken. Diese Zweidrittelmehrheit aber wird Ihnen, meine Herren von den Regierungsparteien, versagt bleiben, heute und für immer! Diese juristischen Probleme, um die es sich dreht, sind dermaßen wichtig, daß ich hiermit den Antrag stelle, es mögen auf alle Fälle alle Projekte, sowohl der Hauptvertrag wie die Zusatzabkommen zum Schumanplan, dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht des Deutschen Bundestages zugeleitet werden, bevor das Hohe Haus überhaupt mit der dritten Lesung dieser Schumanplan-Bestimmungen befaßt werden darf.
Bis heute sind alle diese Gesetzentwürfe — es sind ja auch innerdeutsche Gesetzentwürfe — noch nicht dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht des Bundestages vorgelegt worden.
Ich stelle daher formell diesen Antrag
und bitte, darüber abstimmen zu lassen.
Er wird Ihnen hiermit von mir schriftlich überreicht.
Machen Sie keine Verletzung der Verfassung! Ich warne Sie davor!
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Ich stehe jetzt vor einer Entscheidung, bei der ich das Haus befragen möchte. Ich habe zur Abstimmung kiingeln lassen, nachdem die Rednerliste erschöpft war und während der letzte Redner sprach. Drei Redner waren nicht zugegen, als sie aufgerufen wurden.
Sie haben sich nun nachträglich zum Wort gemeldet. -
Ich möchte das Haus befragen, ob es der Ansicht ist, daß die Herren noch nachträglich das Wort erhalten?
Ich bitte diejenigen, die der Worterteilung zustimmen, die Hand zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die überwältigende Mehrheit. Ich stelle also in diesem Falle als Interpretation der Geschäftsordnung fest, daß dann, wenn die Redner beim Aufrufen nach der Rednerliste nicht anwesend sind, nach dem Abklingeln zur Abstimmung das Wort nicht mehr erteilt wird.
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zur Abstimmung.
— Das Wort zur Abstimmung hat der Abgeordnete Dr. Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht der Tatsache, daß die Sitzung des heutigen Tages sich sehr lange ausgedehnt hat,
muß ich feststellen, daß die Abwesenheit, und zwar die ganz kurze Abwesenheit von einigen Abgeordneten,.
die man um ihr Recht bringen will,
zu einer so wichtigen Sache zu sprechen, als eine äußerst unangenehme Sache ausgelegt werden kann und ausgelegt werden muß.
Man will sich offensichtlich seitens der Regierungsparteien darum drücken,
daß von denen, die nicht dem Schumanplan als der Auslieferung Westdeutschlands
an fremde Interessen ihr Jawort geben,
das deutsche Volk über die Tatsache
des Verrats an Deutschland aufgeklärt wird.
Herr Abgeordneter Richter, Sie können weiterreden, wenn Sie wollen; aber das Mikrophon habe ich ausgeschaltet!
Das habe ich gemerkt, Herr Präsident!
Jawohl! Wenn Sie es gemerkt haben, dann dürften Sie auch gemerkt haben, daß ich geklingelt habe, und , dann sollten
Sie zunächst einmal das Weiterreden unterlassen!
Sie haben sich „zur Abstimmung" zum Wort gemeldet.
— Herr Abgeordneter Richter, ich rufe Sie zur Ordnung!
— Herr Abgeordneter Richter, ich rufe Sie zum zweitenmal zur Ordnung und mache Sie auf die Folgen eines dritten Ordnungsrufes aufmerksam.
Herr Abgeordneter Richter, ich entziehe Ihnen das Wort!
— Herr Abgeordneter Richter, wegen gröblicher Verletzung der Ordnung des Hauses fordere ich Sie auf, den Saal auf die Dauer der Sitzung zu verlassen.
Herr Abgeordneter Richter, ich fordere Sie auf, den Saal zu verlassen.
— Sie sind nicht behindert worden!
seiner Sachen von seinem Platz den
Sitzungssaal.)
Das Wort zur Abstimung hat Herr Abgeordneter Goetzendorff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich den Herrn Präsidenten bitten, daß er Sie, Herr Kollege , wegen ihres unziemlichen und unparlamentarischen Zwischenrufs nicht zur
Verantwortung zieht, weil ich glaube, daß Sie sich nur in aufdringlicher Weise selbst vorgestellt haben, Herr Kollege.
Meine Damen und Herren, ich werde die kürzeste Rede halten, die in diesem Parlament je gehalten worden ist.
Ihr wieherndes Gelächter läßt mich nur Rückschlüsse auf das Niveau des Parlaments ziehen.
Sie haben das ganze Haus beleidigt, ich rufe Sie zur Ordnung.
Ich bitte den Herrn Präsidenten, mir Ruhe zu verschaffen, damit ich reden kann.
Ja, Herr Abgeordneter, es ist kaum möglich, Ihnen Ruhe zu verschaffen, wenn Sie das Haus beleidigen. Außerdem haben Sie sich zur Abstimmung gemeldet und haben zur Abstimmung zu sprechen.
Ich spreche zur Abstimmung. Meine Damen und Herren, ich möchte nur meine Stimmabgabe erklären und möchte das in zwei Sätzen dartun. Ich stimme gegen den Schumanplan, weil er ein Ermächtigungsgesetz darstellt zur Ausbeutung der deutschen' Wirtschaft.
Ich stimme gegen den Schumanplan,
weil er ein Ermächtigungsgesetz 'darstellt zur Torpedierung der Wiedervereinigung Deutschlands.
Meine Damen und Herren, damit künftig keine Zweifel entstehen: Nach der Geschäftsordnung, sowohl nach der alten wie nach der neuen, können Erklärungen nur bed. nichtnamentlichen Abstimmungen abgegeben werden und dann nur schriftlich, nicht mündlich.
Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. — Wir kommen zur Abstimmung. Damit keine Zweifel bestehen: ges liegt vor der Mündliche Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, Drucksache Nr. 2950, der sich mit dem Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und weiterhin mit dem Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 2484 befaßt. Die Anträge der Fraktion der SPD Nrn. 2971, 2972 und 2973 beziehen sich auf die dritte Beratung und werden im Anschluß an die Abstimmungen über den Gesetzentwurf in der zweiten Beratung von Herrn Abgeordneten Professor Schmid zur Geschäftsordnung begründet werden.
Weiter liegt vor der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP Drucksache Nr. 2974. Ich darf diesen Antrag als Entschließungsantrag verstehen, über den am Ende, nach der dritten Beratung, abgestimmt wird.
.
Es liegt weiter vor der Antrag der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 407, der die Einführung eines Art. I a in das Gesetz zum Ziel hat und über den im Rahmen der zweiten Beratung abgestimmt werden muß.
Ferner liegt vor ein Antrag der Abgeordneten Frommhold und von Thadden, Umdruck Nr. 408. Dieser Antrag beinhaltet eine Abänderung des Vertrags. Er ist nach der Geschäftsordnung nicht zulässig und wird von mir nicht zugelassen.
Es liegt welter vor der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der Föderalistischen Union , ein Gesetz betreffend die Durchführung des Gesetzes betreffend den Vertrag über die iGründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zu beschließen. Zur Abstimmung über diesen Gesetzentwurf kommen wir nach der Abstimmung über das Gesetz über den Schumanplan selbst.
Sodann liegt vor ein Antrag der Abgeordneten Frommhold und von Thadden, die Abstimmung über Drucksache Nr. 2950 — das ist der Mündliche Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik in Vembindung mit der Vorlage Drucksache Nr. 2401 — auszusetzen bis zur Vorlage der Generalverträge, die die Bundesregierung mit den Regierungen der Westmächte abzuschließen beabsichtigt.
Schließlich hat der Abgeordnete Loritz den Antrag gestellt, den Schumanplan dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Dieser Antrag geht als Ausschußüberweisungsantrag vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen, zuzustimmmen wünschen, eine Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Frommhold und von Thadden, die Abstimmung bis zur Vorlage der Generalverträgeauszusetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, komme ich zu Art. I des Gesetzentwurfes. Wünscht jemand das Wort? — Offenbar nicht.
— Über die Einfügung eines Art. Ia kann erst abgestimmt werden, wenn Art. I angenommen ist.
Ich darf zwischendurch feststellen, daß die kommunistische Fraktion den Antrag gestellt hat, bei Abschluß der zweiten Beratung über den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Dohle und Stahl namentlich abzustimmen. Nach der Geschäftsordnung ist für eine namentliche Abstimmung eine Unterstützung von 50 Abgeordneten erforderlich. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Antrag auf namentliche Abstimmung zu unterstützen wünschen, um ein Handzeichen. — Das sind mehr als 50 Abgeordnete. Wir müssen also über diesen Antrag namentlich abstimmen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich mit den in Ihren Pulten befindlichen, mit Namen gekennzeichneten Stimmzetteln zu versehen. Soweit Sie keine mit Namen bedruckten Zettel haben, bitte ich, auf die entsprechenden, nicht mit Namen bedruckten Zettel Ihren Namen zu schreiben und die Zettel mit Ja, Nein oder Enthaltung — je nachdem, wie Sie es wünschen — abzugeben.
— Ich bitte einen Augenblick um Ruhe. Darf ich ihr Einverständnis unterstellen, daß dieser Antrag und die Unterstützung des Antrages dahin verstanden wird, daß die namentliche Abstimmung über Art. I gewünscht wird, so daß wir nicht über jeden einzelnen Artikel namentlich abstimmen. Sind Sie damit einverstanden? — Das ist der Fall.
Darf ich fragen, ob noch Mitglieder des Hauses im Saale anwesend sind, die ihr Stimmrecht auszuüben wünschen und ihre Karte nicht abgegeben haben. — Das ist nicht der Fall. Bei dieser Gelegenheit darf ich darauf hinweisen, daß wir im Interesse der Beschleunigung, aber entsprechend der Geschäftsordnung davon abgesehen haben, die Namen einzeln aufzurufen. Ich halte mich mit Ihnen allen für versichert, daß damit keinerlei Mißbrauch getrieben worden ist.
— Er ist nicht notwendig; ich weiß Bescheid. Ich habe gesagt: entsprechend der Geschäftsordnung, Herr Kollege Horlacher.
Damit schließe ich die Abstimmung über Artikel I. Ich schlage Ihnen vor, daß war um der Bedeutung dieser Sache willen die Auszählung abwarten.
•
Meine Damen und Herren, ich möchte von vornherein eine Zweifelsfrage klären. Einige Mitglieder des Hauses haben ihre Namenskarten nicht zur Verfügung und haben ihren Namen auf die weißen Karten, die ihnen zur Verfügung standen, geschrieben und dazu das Wort Ja — oder Nein; das ist ja gleichgültig.
Ich darf 'unterstellen, daß die Stimmabgabe nicht von der Farbe der Karten abhängig ist.
•
Meine Damen und Herren, darf ich zwischendurch im Hause die Frage klären, wann Sie beabsichtigen, mit der heutigen neuen Sitzung zu beginnen?
— Das widerspricht der Vereinbarung, die getroffen ist. Es handelt sich lediglich um die Frage, ob um 8 Uhr 30, 9 Uhr 30 oder 10 Uhr begonnen werden soll. Ich möchte diese Frage gern in dieser Form stellen.
Meine Damen und Herren, es ist mir nicht möglich, aus dieser Willensäußerung etwas Klares zu erkennen. Ich bitte die Damen und Herren, die für 8 Uhr 30 sind, eine Hand zu erheben. Ich bitte die Damen und Herren, die für 9 Uhr 30 sind, eine Hand zu erheben. — Das sind weniger. — Ich bitte die Damen und Herren, die für 10 Uhr sind, eine Hand zu erheben.
Ich muß sagen, daß eine Stimmabgabe sowohl für 8 Uhr 30 wie für 10 Uhr Heuchelei ist.
'
— Zweifellos war die Mehrheit für 10 Uhr. Wir
werden dann mit der Sitzung um 10 Uhr beginnen.
Meine Damen und Herren! Ich gebe das vorläufige Ergebnis *) der Abstimmung bekannt. Es sind abgegeben worden 373 Stimmen, davon mit Ja 225, mit Nein 144; Enthaltungen 4. Damit ist Art. I angenommen.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 407, einen Art. I a einzufügen.
— Herr Abgeordneter Mellies, bitte, zur Abstimmung!
Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion beantrage ich auch über diesen Antrag namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, der Antrag ist geschäftsordnungsmäßig gestellt. Ich bitte, sich in gleicher Weise mit den Stimmzetteln zu versorgen, und bitte die Herren Schriftführer, diese einzusammeln. Ich werde in der Zwischenzeit in der weiteren Abstimmung fortfahren. Ich nehme an, daß dagegen keine Bedenken bestehen.
Meine Damen und Herren, ich darf fragen, ob Klarheit über den Inhalt der Abstimmung besteht.
— Es wird abgestimmt über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 407, einen Art. I a hinter Art. I einzufügen.
— Der Antrag ist gestern verteilt worden.
*) Vergl. das endgültige Ergebnis Seite 7790.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Sind noch Abgeordnete vorhanden, die ihre Stimme nicht abgegeben haben und ihre Stimme 'abzugeben wünschen?
— Herr Abgeordneter Stech, wollen Sie so lebenswürdig sein, sich im Interesse der Beschleunigung nach vorn zu bemühen? — Ich bitte einen der Herren Schriftführer, die Abstimmungskarte des Herrn Abgeordneten Stech noch abzuholen.
— Ja, man soll sich immer auf halbem Wege begegnen; das ist das Einfachste!
Damit, meine Damen und Herren, schließe ich die Abstimmung zu Art. I a.
Während der Auszählung darf ich in der Abstimmung fortfahren. Ich darf aufrufen Art. II, — Art. III, — Einleitung und Überschrift des Gesetzes. — Ich bitte 'die Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu 'erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei — wenn ich recht sehe — drei Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU, dem sich die Fraktion der Föderalistischen Union angeschlossen hat, Drucksache Nr. 2951. Meine Damen und Herren, ich brauche wohl nicht besonders hervorzuheben: wir hatten uns darüber geeinigt, daß die erste Beratung dieses Gesetzentwurfs mit der zweiten Beratung des Schumanplan-Gesetzentwurfs verbunden war.
Die erste Beratung ist mit der zweiten Beratung des Hauptgesetzes geschlossen.
Ich komme zur Abstimmung über Art. I.
-- Ich bin gern bereit, noch lauter zu sprechen. Wir befinden uns bereits längere Zeit in der zweiten Beratung, Herr Abgeordneter, und ich lasse abstimmen in der zweiten Beratung über Art. I, — Art. II, — Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln, Einleitung und Überschrift des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Darf -ich die Damen und Herren, die gegen diese Artikel sind, bitten, sich von ihren Plätzen zu erheben. — Meine Damen und Herren, der Vorstand ist sich nicht völlig einig über das Ergebnis. Ich darf Sie, damit wir alles ausprobiert haben, bitten, die Abstimmung im Wege des Hammelsprungs vorzunehmen. Ich darf ausdrücklich darauf aufmerksam 'machen, daß die Tür „Ja" sich jetzt in der Mitte befindet, die Tür „Enthaltung" rechts — von hier aus gesehen — und -die Tür „Nein" links. Wir stimmen also ab über den Gesetzentwurf auf Drucksache Nr. 2951. Ich bitte die Damen und Herren, freundlichst den Saal zu verlassen.
— Meine Damen und Herren, darf ich mit Rücksieht auf die vorgeschrittene Tageszeit bitten, den Saal möglichst schnell zu verlassen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte die Abstimmung zu beschleunigen. — Ich bitte die Abstimmung zu schließen.
Meine Damen und Herren! Ich gebe die Ergebnisse der beiden Abstimmungen bekannt, zunächst das im Wege des Hammelsprungs ermittelte Ergebnis .der Abstimmung über die Drucksache Nr. 2951. Mit Ja haben 184 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 188 bei 2 Enthaltungen. Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt.
Weiter gebe ich das vorläufige Ergebnis *) der Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Art I a bekannt. Es sind 375 Stimmen abgegeben worden, davon 144 Ja- und 226 Nein-Stimmen bei 5 Enthaltungen. Damit ist Art. Ia abgelehnt worden.
Inzwischen sind die übrigen Artikel durch unsere Abstimmung erledigt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, Ziffer 2 der Drucksache Nr. 2950, die Ziffern 1 bis 4 der Drucksache Nr. 2484 durch die Erklärungen der Bundesregierung im Laufe der Ausschußberatungen und durch den Beschluß zu Ziffer 1 für erledigt zu erklären und Ziffer 5 abzulehnen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage des Ausschusses zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Damit sind die Abstimmungen der zweiten Beratung erledigt.
Zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der dritten Beratung wünscht der Abgeordnete Dr. Schmid das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe namens meiner Fraktion die Anträge Drucksachen Nrn. 2971 und 2972 einzubringen und zu begründen. Der Zweck dieser Anträge ist, die Bundesregierung zu verpflichten, dem Hause die Ergebnisse gewisser internationaler Verhandlungen vorzulegen, die zusammen mit dem Schumanplan das politische System darstellen werden, das den Status Deutschlands bestimmen wird und bestimmen soll, und wir beantragen weiter, daß bis zur Ausführung dieses Auftrags die dritte Beratung ausgesetzt wird.
Wir halten die Aussetzung aus einer Reihe von Gründen für notwendig. Erstens: Bei den Verhandlungen über den Schumanplan ist versäumt worden, das rechtliche Verhältnis Berlins zur Montan-Union zu regeln. Im Auswärtigen Ausschuß ist von den Vertretern der Regierung zugegeben worden, daß Berlin Unionsausland ist. Man hat eine Reihe von Begründungen angeführt, um dies plausibel zu machen. Das sind, wie ich fürchte, Verlegenheitsbegründungen, die niemanden zu überzeugen vermögen. Berlin ist offenbar schlicht vergessen worden. Der Vertragstext ist klar. Darüber ist schon gesprochen worden, und ich will die Ausführungen darüber nicht ausdehnen.
Im Ausschuß für Auswärtiges hat der Herr Staatssekretär schlicht erklärt, daß auch seiner Auffassung nach die Einfügung Berlins in die Mon-
*) Vergleiche das endgültige Ergebnis Seite 7790 tan-Union durch eine zusätzliche Vereinbarung mit den Vertragspartnern bewerkstelligt werden müsse. Wir sind der Meinung, daß man sich durch eine sorgfältigere Verhandlungsführung diese nachträgliche Mühe hätte ersparen können. Da aber der Fehler begangen ist, muß er korrigiert werden; denn er hat rechtliche und politische Auswirkungen. Man muß ihn korrigieren, weil nichts geschehen darf, das den Grad der Abtrennung Berlins von dem Lebenskreis der Bundesrepubik erhöhen könnte. Auch dort, wo es sich um den bitteren Tropfen handelt, sind wir der Meinung, daß hüben und drüben aus einem Becher getrunken werden muß. Das ist ja auch der Grund dafür, weswegen wir auch dort, wo wir der Meinung sind, daß Berlin bessere Gesetze hat als die Bundesrepublik, dafür eintreten, daß die vom Bundestag beschlossenen Ordnungen in Berlin mit zu gelten haben.
Hinsichtlich von Kohle und Stahl erfüllt sich das Schicksal der Bundesrepublik im Wirkungsbereich des durch die Montan-Union geschaffenen gemeinsamen Marktes. Berlin steht außerhalb dieses Marktes. Darum muß die Bundesregierung die Eingliederung Berlins in den Wirtschaftsraum erreichen, dem die Bundesrepublik nun eingefügt werden soll. Für uns alle — auf allen Seiten dieses Hauses — wird das Verhalten unserer Vertragspartner in dieser Frage ein Prüfstein dafür sein, wieviel Gewicht ihrer Versicherung zukommt, daß die Herstellung der deutschen Einheit auch ihnen am Herzen liege.
Denn auch hier beweisen nur Taten und nicht Worte die Ernsthaftigkeit der Absicht. Schon manche Zusage ist auf dem Papier stehen geblieben.
Unserer Meinung nach hängt aber die politische Bewertung der Montan-Union in erheblichem Maße davon ab, ob uns die Westmächte durch ihr konkretes Verhalten davon zu überzeugen vermögen, daß auch in ihren Augen der Schumanplan ein Mittel ist, die deutsche Einheit überall dort zu verwirklichen, wo dies faktisch möglich ist, oder ob sie uns wieder einmal zeigen wollen, daß auf Worte nicht unbedingt die adäquaten Taten folgen müssen. Wir sind darum der Meinung, daß man vor der Ratifikation des Schumanplans die Probe auf dieses Exempel machen müsse. Deswegen stellen wir den Antrag, den Sie auf der angeführten Drucksache unter Ziffer 1 finden.
Zweitens: Im Mai vorigen Jahres hat der Herr Bundeskanzler diesem Hause erklärt, daß er im Ministerausschuß des Europarates die durch das Verhalten der Regierung des Saargebietes geschaffenen Rechtswidrigkeiten und dabei auch das Verhältnis des Saargebietes zu Deutschland und der Bundesrepublik zur Diskussion stellen werde. Es wird uns immer wieder versichert, daß die durch die Montan-Union geschaffenen Veränderungen der ökonomischen Herrschaftsverhältnisse die machtpolitischen Vorhaben Frankreichs an der Saar gegenstandslos machten, mit anderen Worten, daß Frankreich nach Inkrafttreten des Schumanplans kein Interesse mehr daran haben werde, das Saargebiet von Deutschland getrennt zu halten, und daß Frankreich und die anderen Staaten Europas dann keinen zureichenden Grund — ja nicht einmal mehr einen Vorwand — haben würden, sich gegen die Verwirklichung des Rechts an der Saar zu stemmen.
Das Verhalten der europäischen Mächte, insbesondere der Signatarmächte des Montanpaktes, in dieser Sache scheint uns ein Prüfstein für den Grad ihrer Fähigkeit, europäisch zu denken, und ihrer Bereitwilligkeit, europäisch zu handeln, zu sein. Dieses Verhalten wird also ein Prüfstein sein für das Vorhandensein oder das Nichtvorhandensein des Geistes, ohne den auch nach Auffassung der Bundesregierung der Schumanplan nicht die Wirkungen haben könnte, um derentwillen sie glaubt, dem deutschen Volk die Verzichte zumuten zu können, die dieser Vertrag von ihm fordert. Darum hängt nach unserer Meinung die politische Bewertung des Montanpaktes in ganz besonderem Maße davon ab, ob die Außenminister der Signatarstaaten uns durch ihr konkretes Verhalten hinsichtlich des Saarproblems davon zu überzeugen vermögen, daß der Abschluß des Montanpaktes, d. h. der Verzicht der Deutschen auf die Verfügung über ihre Kohle, es ihnen ermöglicht und sie verpflichtet, auch die Angelegenheiten des deutschen Volkes unter gesamteuropäischen Gesichtspunkten zu behandeln.
Den ersten Beweis für ihre Bereitschaft hierzu könnten sie in der Sitzung des Ministerausschusses liefern, in der der Herr Bundeskanzler mit ihnen unsere Anliegen hinsichtlich der Saar besprechen wird. Fällt die Probe negativ aus, dann fällt eine entscheidende Prämisse der politischen Beweisführung der Bundesregierung,
pler Schumanplan sei der Anfang europäischen Denkens und Handelns auch hinsichtlich der Saar. Erst nach Vorlage dieses angeforderten Berichts wird sich das Haus eine Meinung über diesen für das Schicksal Deutschlands so bedeutenden Aspekt der politischen Tragweite des Schumanplans bilden können.
Drittens: Alle Sachverständigen sind sich darüber einig, daß eine Organisation für den einheitlichen Kohlenverkauf eine Lebensnotwendigkeit für das Ruhrgebiet ist. Der DKV soll aufgelöst werden, an seine Stelle soll eine Ersatzorganisation treten. Wir wissen, daß man sich bisher auf eine vorläufige Regelung geeinigt hat. Wir wissen aber auch, daß diese Regelung von allen Beteiligtèn und auch von der Bundesregierung als ungenügend angesehen wird. Sie ist zu schwerfällig, sie ist zu teuer, sie vermag nicht zu leisten, was im Interesse des Ausgleichs der Verschiedenheiten in den Produktionsbedingungen an der Ruhr und im Interesse der Stabilität der Preise geleistet werden muß. Das bedeutet aber nichts anderes, als daß ein funktionsfähiger Ersatz für den DKV noch nicht geschaffen werden konnte. Wir können diesen funktionsfähigen Ersatz nur erhalten, wenn unsere Vertragspartner sich mit uns in vernünftiger Weise einigen. Eine Wahrscheinlichkeit, daß sie das tun werden, ist aber nur gegeben, wenn sie im Falle ihrer Weigerung Nachteile für sich befürchten müssen. Diese Nachteile brauchen sie aber von dem Augenblick an, da der Schumanplan von uns ratifiziert sein wird, nicht mehr zu befürchten. Wir sind darum der Meinung, daß man es darauf nicht ankommen lassen und daß man die Verhandlungen eher in der günstigen als in der ungünstigen Verhandlungsposition führen sollte.
Weiter sollte man so den Vertragspartnern Gelegenheit geben, durch ein konkretes Verhalten zu zeigen, wie nah oder wie fern ihnen das Wohlergehen der deutschen Montanindustrie in der Praxis steht. Je nach dem, was sie tun werden, werden wir uns ein Bild von ihren wahren Absichten machen können. Darum meinen wir, daß vor der Ratifikation des Montanpaktes die endgültige Neuregelung des einheitlichen Kohlenverkaufs ausgeh andelt werden sollte, und darum stellen wir den Antrag unter Ziffer 3 der Drucksache.
Viertens: Es wird für die Auswirkung des Paktes auf die deutsche Wirtschaft entseheidend sein, ob hüben und drüben die gleichen Startbedingungen bestehen, insbesondere ob die deutsche Wirtschaft sich technisch und organisatorisch so frei für den Wettbewerb rüsten kann, wie die Wirtschaften anderer Länder dies tun können. Darüber ist heute schon ausgiebig gesprochen worden. Es ist auch ausgiebig dargetan worden, inwieweit durch das Gesetz 27 diese Gleichheit der Startbedingungen aufgehoben ist. Dieses Gesetz 27 will ja nicht nur die deutsche Schwerindustrie so atomisieren, daß sie nur sehr schwer wird rationell produzieren können — sie zerschlägt die Verbundwirtschaft in einer Weise, die sie bei Vorliegen von Mangellagen praktisch völlig aufhebt. Die Hohe Behörde wird an das Gesetz 27 gebunden sein; denn dieses Gesetz 27 gilt ja bei den Besatzungsmächten als internationale Vereinbarung, und die Hohe Behörde soll an bestehende internationale Vereinbarungen gebunden sein. Selbst bei gutem Willen der Mitglieder der Hohen Behörde könnte es einmal deren Auffassung sein, daß es nicht in ihrer Zuständigkeit liege, das Gesetz 27 und seine gewollten Auswirkungen zu beseitigen. Die Spekulationen gewisser Kronjuristen über die automatischen Auswirkungen des Gleichheitssatzes und des Axioms der größten Wirtschaftlichkeit auf die Bedingungen, unter denen wir produzieren werden, sind nicht ernst zu nehmen. Sophismen können Realitäten vernebeln, aber nicht beseitigen. Soll die deutsche Wirtschaft unter der Herrschaft gleicher Chancen innerhalb der Montan-Union zum Wettbewerb antreten können, so muß die Geltung und so muß die Weiterwirkung des Gesetzes 27 beseitigt werden. Es müssen insbesondere die Beschränkungen fallen, die den deutschen Gesetzgeber bisher daran hindern, die deutsche Schwerindustrie in der jeweils zweckmäßigsten Weise zu organisieren und technisch auszustatten.
Wer den Schumanplan vor der Verwirklichung dieser Voraussetzungen in Kraft treten lassen will, nimmt es auf sich, daß die deutsche Wirtschaft in Fesseln zum Wettbewerb mit den fremden Industrien antreten muß, mit Industrien, die auf das dichteste konzentriert worden sind — und zwar gerade im Hinblick auf den Schumanplan — und deren Ausrüstung auf den modernsten Stand gebracht wurde. Das kann nicht die Absicht des Deutschen Bundestages sein, und es ist auch nicht die Absicht von irgend jemand in diesem Hause. Das wissen wir. Aber eine Chance des Erfolgs der Bemühungen um den Abbau dieser Fesseln, den auch Sie wollen, ist nur gegeben, wenn zu einem Zeitpunkt verhandelt wird, an dem die Würfel noch nicht gefallen sind! Am Tage der Ratifikation werden die Würfel gefallen sein, und darum stellen wir den Antrag, den Sie unter Ziffer 4 der Drucksache finden.
Fünftens: Die Bundesregierung hat uns schon zu wiederholten Malen gesagt, daß der Schumanplan nicht nur eine Sache von Kohle und Stahl sei, sondern daß durch ihn das politische und rechtliche Statut Deutschlands in hohem Maße mitbestimmt
werde. Man hat uns gesagt, daß der Schumanplan ein Stück „europäischer Verfassung" sei. Ich glaube, daß diese Auffassung richtig ist — aber damit wird der Schumanplan, wenn er in Kraft treten sollte, auch ein Stück deutsche Verfassung! Ich bezweifle, daß es möglich ist, diese Eigenschaft des Schuman-plans und damit seinen politischen Wert oder Unwert isoliert zu betrachten. Der Status Deutschlands wird nicht nur durch den Schumanplan und das heute bestehende Besatzungsrecht bestimmt; vielmehr wird der Grad, in dem der Schumanplan dies tut, bestimmt durch eine Reihe anderer Verträge und Institutionen, mit denen er sich verzahnt oder die ihn überlagern, wie etwa heute das Besatzungsstatut. Morgen wird es der sogenannte Generalvertrag und, vielleicht noch mehr, das europäische Verteidigungsabkommen sein, über die gegenwärtig verhandelt wird.
Was der Schumanplan politisch bedeutet, wird man ganz und zuverlässig erst wissen können, wenn man weiß, was Generalvertrag und europäisches Verteidigungsabkommen bestimmen sollen. Erst wenn wir wissen, was diese Verträge an Einschränkungen unserer Selbstbestimmung beibehalten, erst wenn wir wissen werden, welche Erweiterungen unserer Freiheiten sie uns wirklich oder vielleicht nur fiktiv bescheren, erst dann werden wir beurteilen können, ob dieses Parlament vor unserem Volk verantworten kann, was der Pakt über die Montan-Union ihm an Verzichten auf die Möglichkeit zumutet, sich um die Wiederherstellung seiner freien Verfügungsrechte über den letzten wirtschaftlichen Aktivposten, der ihm verblieben ist, zu bemühen.
Der Schumanplan bildet mit dem Generalvertrag, mit dem Verteidigungsabkommen und mit einer ganzen Reihe einseitiger und vertraglicher Bestimmungen ein politisches Ganzes. Er ist ein Element eines geschlossenen Systems, dessen Urhebern nicht nur die selbstlose Schaffung Europas durch Übernahme gleicher Opfer und Gewährung gleicher Chancen am Herzen lag. Sie wollten zumindest nebenbei einen politisch-technischen Mechanismus schaffen, der den Deutschen die eigenständige Verfügung über ihre Kohle und über andere Potentiale nehmen sollte. Ich will nicht diskutieren, ob solche Absichten gut oder schlecht sind, aber ehe man sich für einen Teil dieses Problems so oder anders entscheidet, muß man doch das ganze System kennen!
Solange wir den Generalvertrag nicht kennen, sind wir außerstande, die politische Tragweite des Montanpakts im ganzen zu überschauen; und ehe wir genau wissen, was Generalvertrag und Verteidigungsabkommen uns an Beschränkungen unserer Handlungsfreiheit, an Beschränkungen der Freiheit einer möglichen deutschen Wirtschaftspolitik bringen, werden wir nicht beurteilen können, welches die wirkliche Tragweite ist. Darum können wir die letzte Entscheidung solange nicht treffen, als wir die in der Verhandlung begriffenen Verträge nicht kennen. Aus diesem Grunde besonders beantragen wir, die dritte Beratung auszusetzen, bis uns die zur Ablösung des bisherigen Besatzungsstatuts geschlossenen und abzuschließenden Verträge dieser Phase unserer Geschichte vorgelegt worden sind.
Man wird nun sagen, wir brauchten den Abschluß dieser Verträge nicht abzuwarten, die Regierung wisse schon heute, daß die Sicherheitsbehörde fallen werde. Sie wisse auch, welches die
Kompetenzen der Verteidigungsbehörde sein würden, und sie wisse heute schon genau, was uns der Generalvertrag alles bringe. Nun, die Regierung mag in diesen Dingen einen festen Glauben haben; dem Parlament aber ziemt es, die Grundlagen dieses Glaubens zu prüfen.
Einiges, was sich in den letzen Wochen ereignet hat, und vieles, was sich in den einzelnen Phasen der Verhandlungen des letzten Jahres ereignet hat, läßt es angezeigt erscheinen, diesem Hause zu raten, sich seine Meinungen auf Grund abgeschlossener Verträge zu bilden und nicht auf Grund von Wünschen, Erwartungen und Ausdeutungen.
Wenn uns gesagt wird, dieser und jener im Vertragstext verwandte Begriff erlaubte uns, auf die Absicht und den festen Willen unserer Vertragspartner zu schließen, sich künftig in einer bestimmten Weise zu verhalten, so ist dazu zu sagen, daß man mit der Methode der Rückschlüsse in dieser Welt der harten Tatsachen leider fast immer hereinfällt. Verbrieftes erlaubt ein sicheres politisches Urteil darüber, wie weit sich ein Verhandlungspartner gebunden wissen will.
Man wird weiter sagen, das möge vielleicht alles richtig sein — aber wir müßten doch der Welt durch eine rasche Ratifikation zeigen, daß wir Vertrauen verdienten und daß wir gute Europäer seien. Nun, das Vertrauen der Welt ist eine gute und eine notwendige Sache, und man muß es sich verdienen. Aber für die Zukunft der Demokratie in Deutschland ist das Vertrauen des deutschen Volkes durch das Vertrauen der „Welt" nicht zu ersetzen,
— das Vertrauen des deutschen Volkes, das von uns erwartet, daß wir seine Angelegenheiten wahrnehmen, und zwar die Angelegenheiten des ganzen deutschen Volkes, auch der Deutschen jenseits des Eisernen Vorhangs,
auch der Deutschen, die wissen, daß Schumanplan und alles, was damit zusammenhängt, auch ihr Schicksal so oder so bestimmen, zum mindesten aber es präjudizieren werden. Und das deutsche Volk möchte haben, daß wir unser Ja oder Nein zum Schumanplan in genauer Kenntnis des ganzen politischen Systems aussprechen, das die äußere Verfassung unseres Volkes sein wird.
Im übrigen, was den Eindruck auf das Ausland anbetrifft: Es ist ja soeben abgestimmt worden! Das Ausland weiß, daß die Mehrheit dieses Hauses den Schumanplan bestätigen will. Auf dieses Ja können sie heute schon Wechsel ziehen, und sie können diese Wechsel sogar schon politisch diskontieren.
Auf der anderen Seite aber steht doch fest, daß zumindest Belgien den Schumanplan nicht vor dem Frühjahr ratifizieren wird. Nach Art. 99 kann er aber erst in Kraft treten, wenn a 11e Vertragspartner ihn ratifiziert haben.
So werden doch auch jene, die den Vertrag möglichst bald in Kraft sehen möchten, durch die Annahme unseres Aussetzungsantrags nichts versäumen, und es wird auch im Sinne Ihrer Wünsche und dessen, was Sie für notwendig und richtig halten, kein Schade entstehen.
Die Debatte hat gezeigt, daß auch jene Parteien, die für die Annahme des Schumanplans sind, Sorgen haben und daß sie dringend wünschen, daß gewisse Unzuträglichkeiten, auf die auch sie hingewiesen haben, beseitigt werden, Unzuträglichkeiten, die auch Sie sehr ernst und wichtig nehmen.
Ratifizieren wir aber vor Erledigung der Aufgabe, diese Dinge ins Reine zu bringen, dann haben wir doch praktisch keine Chance mehr, daß diese Aufgabe noch in befriedigender Weise wird gelöst werden können! Setzen wir aber die dritte Lesung in der von uns beantragten Weise aus, dann schaffen wir eine echte Chance, diese Dinge in Ordnung zu bringen. Denken Sie doch daran, daß manche Fessel, die in der Zwischenzeit_gefallen ist, nicht gefallen wäre, wenn wir den Schumanplan, wie die Regierung es wollte, noch im Sommer ratifiziert hätten!
Sie sagen, man solle hier auf die Entwicklung vertrauen. Gewiß muß man das tun! Aber die Entwicklung läuft bei diesen Dingen doch in bestimmten festen Geleisen! Sie kann nur in bestimmten Richtungen laufen, weil diese Richtungen in dem Vertrag und durch vollendete Tatsachen festgelegt sind. Solche Festlegung ist doch der Sinn eines solchen Vertrages. Da kann man mit Worten — hie Statiker, dort Dynamiker — nichts beweisen.
Man hat uns doch Fesseln angelegt! Sie haben das selber angesprochen. Mit diesen Fesseln gehen wir in den Wettbewerb hinein, und da helfen uns auch die mutigsten und optimistischsten Dynamiker nichts!
Herr Kollege Henle, Sie lächeln mich so freundlich an. Ich sehe Sie schon als dynamischen Entfesselungskünstler, der sich wird sehr abstrampeln müssen, um seine dynamischen Erwartungen wahr-zumachen,
wenn einmal der Schumanplan Wirklichkeit geworden sein wird! Sie werden sehen, Herr Kollege, daß dies keine so leichte Sache sein wird, wie darüber zu reden.
Wenn wir die geforderte Pause eintreten lassen, dann erst geben wir der Regierung doch die starke Verhandlungsposition, die sie braucht, um an das Ziel zu kommen, das sie sich selber gesetzt hat.
Sie haben eine Reihe von Anträgen gestellt. Aber diese Anträge genügen nicht, um den Zweck zu erreichen, den Sie damit erreichen wollen. Was wollen Sie denn tun, meine Damen und Herren, wenn die Vertragspartner der Bundesregierung, wenn sie mit Ihren Beschlüssen vor sie treten sollte, die kalte Schulter zeigen? Welches Interesse sollten denn diese Vertragspartner nachher, nach Annahme des Schumanplans, daran haben, in die Aufhebung und Änderung von Verhältnissen einzuwilligen, die dem Schumanplan erst den rechten Wert für sie geben? Man muß sich über die Umstände, unter denen ein Vertrag ausgeführt werden soll, v o r dem Abschluß des Vertrages verständigen, also zu einem Zeitpunkt, wo es noch möglich ist, nein zu sagen und die Dinge zu gestalten.
Ihre Anträge, meine Damen und Herren, sind ein Messer ohne Heft und Klinge! Auch wenn Ihre Anträge zum Beschluß erhoben werden sollten, werden sie an den Verhältnissen, die Sie beseitigen wollen, nichts ändern. Diese Beschlüsse werden ein bloßer Augentrost sein, und für einen bloßen Augentrost ist die Lage zu ernst und die Verantwortung, die auf uns lastet, zu groß.
Wenn Sie sich von Ihren Anträgen überhaupt etwas versprechen wollen, dann müssen Sie zusätzlich wollen, daß der Beschluß, den Sie erstreben, zusammen mit der Ratifikation den Vertragspartnern notifiziert wird.
Meine Damen und Herren! Schumanplan, Generalvertrag, europäisches Verteidigungsabkommen und einige Dinge mehr werden die Verfassungswirklichkeit in Deutschland so sehr bestimmen, wie das bisher durch das Besatzungsstatut geschieht — auf andere Weise, aber mit derselben Intensität. Jedes dieser Abkommen ist für diese Phase unserer Geschichte ein Kapitel einer Art von internationaler Oberverfassung, die die Möglichkeiten unserer inneren Verfassungswirklichkeit bestimmen. wird.
Diese Oberverfassung wird insbesondere mitbestimmen, was für die Wiedervereinigung Deutschlands noch wird getan und was vielleicht nicht mehr wird getan werden können. Sie wird auch möglicherweise eine Ursachenreihe in Bewegung setzen, die die Gefahr in sich trägt, aus der Bundesrepublik, die aus guten Gründen als Provisorium gewollt wurde, ein Definitivum zu machen, indem sie ihr den Charakter einer Organisation gesamtdeutscher Staatsgewalt auf einem Teil des gesamtdeutschen Staatsgebiets nimmt und sie zu einem partikulär integrierten Staat macht — gegen Ihren Willen, aber aus der Logik der Dinge heraus —, zu einem Staat, dem gegenüber alles andere Deutschland zu rechtlichem und politischem Ausland werden könnte. Mag das so sein oder nicht — über eine Verfassung kann man nicht kapitelweise abstimmen; man kann über sie endgültig nur im ganzen abstimmen.
Darum müssen wir vor der endgültigen Abstimmung über dieses Kapitel unserer künftigen Oberverfassung, die j a Ihrer Meinung nach eine Art vorläufige europäische Gesamtverfassung werden soll, über dieses Kapitel, das Schumanplan heißt, die anderen Kapitel kennen; und weil wir sie nicht kennen, kann dieses Haus die endgültige Beschlußfassung über den Schumanplan nicht verantworten. Weil wir aber möchten, daß es seine Entscheidung
— so oder anders — in voller Kenntnis aller bestimmenden Faktoren trifft, deswegen bitten wir Sie, unserem Antrag auf Aussetzung der dritten Lesung zuzustimmen.
Meine Damen und Herren! Zur Frage der Tagesordnung der nächsten Sitzung wünscht Herr Abgeordneter Preusker zu sprechen.
Sie wollen als Berichterstatter das Wort nehmen, Herr Abgeordneter Preusker? — Bitte!
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, die Ausführungen des Herrn Berichterstatters doch morgen entgegenzunehmen.
Es handelt sich jetzt um die Frage, ob es bei der Tagesordnung für morgen verbleiben soll.
— Herr Abgeordneter Semler wünscht das Wort.
— Zu diesem Thema?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte im Namen meiner Freunde, den Vertagungsantrag abzulehnen.
Zu. der Frage Berlin, die mein Herr Vorredner angeschnitten hat, wird morgen der Herr Berichterstatter Stellung nehmen. Ich darf soviel sagen, daß es selbstverständlich auch unser Wunsch ist, daß die von meinem Herrn Vorredner angeschnittene Frage tunlichst bald geklärt und einer deutschen Lösung, die auch für uns selbstverständlich ist, zugeführt wird.
Im übrigen haben wir genau wie die Herren Antragsteller den Wunsch, daß die von meinem Herrn Vorredner angeschnittenen Fragen von der Bundesregierung zur Verhandlung aufgenommen werden, daß Klarheit über sie erzielt wird und daß Lösungen gefunden werden, die von uns allen in der Diskussion des heutigen Tages als notwendig bezeichnet sind. Aber wir sind nicht der Meinung, daß es politisch zweckmäßig oder gar notwendig wäre, diese Fragen zu klären, bevor wir unsere Zustimmung zur Ratifikation dieses Vertragswerkes gegeben haben.
Es wurde in der Debatte eindeutig klargestellt, daß durch das Inkrafttreten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl die Regelung keiner einzigen der Fragen, auf die mein Herr Vorredner Gewicht gelegt hat, präjudiziert wird. Demnach kann es sich lediglich um eine Frage der Verhandlungstaktik handeln. Und da allerdings unterscheiden sich die Auffassungen meiner Freunde grundlegend von der meines Herrn Vorredners. Hier sind wir allerdings der Ansicht, daß Deutschlands Stellung bei diesen künftigen Verhandlungen durch den Beitritt zur Kohle- und Stahlunion nicht schlechter sein wird, sondern im Gegenteil wesentlich stärker.
Wir sind nicht der Ansicht, daß es der Stellung der Bundesrepublik in diesem Augenblick entspricht, einen Katalog ultimativer Forderungen aufzustellen, und wir sind nicht der Meinung, daß die Stellung der Bundesregierung in diesen Verhandlungen dadurch erleichtert wird, daß ein solcher Katalog von diesem Hohen Hause zur Voraussetzung der Ratifikation gemacht wird.
Die Formel „Do ut des" ist eine alte Formel, und wir alle wissen, daß sie auch auf dem Gebiet der internationalen Politik gerade in den vergangenen Jahrzehnten von deutscher Seite als besonders gescheit und klug angesehen wurde. Aber wir haben die Erfahrung machen dürfen — und jeder, der sich der Geschichte dieser Jahrzehnte erinnert, weiß es —, daß diese Formel „Do ut des" in der internationalen Politik keineswegs die einzige, jedenfalls keineswegs immer die erfolgreichste gewesen ist.
Nicht blindes Vertrauen veranlaßt uns zu dieser Stellungnahme, kein unbegründeter Optimismus, sondern die feste Zuversicht, daß das Vertrauen, welches sich Bundesregierung und Bundestag bisher erworben haben, unendlich gestärkt wird, wenn dieses Hohe Haus sich heute endgültig entschließt, dem Vertragswerk seine Zustimmung zu erteilen.
Es gab eine Zeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, da Sie die heute von uns vertretene Auffassung auch Ihrerseits aus voller Überzeugung bejahten. Allerdings, diese Periode liegt heute ein Vierteljahrhundert zurück. Nicht nur mir wird bei der heutigen Beratung auch Locarno in den Sinn gekommen sein. Damals handelte es sich darum, ein von Deutschland unterschriebenes Vertragswerk abzuändern, und die Position, in der sich die Reichsregierung damals befand, als ein anerkannter internationaler Vertrag zu ändern war, war eine grundlegend andere, als die Situation heute, wo Verhandlungen notwendig sind — darin stimmen wir Ihnen bei —, Verhandlungen, die aber durch das Ja zu diesem Vertragswerk in gar keiner Weise behindert oder aufgehalten werden. Freilich, damals unterstützten Sie, meine sehr geehrten Herren, eine Politik der Reichsregierung, die dem friedlichen gegenseitigen Verstehen der ehemaligen Feinde gewidmet war. Diese Politik wurde nicht nur von Ihnen, sondern auch von vielen meiner älteren Freunde in diesem Hause geteilt, und für uns, die wir damals junge Menschen waren, bedeutete es etwas, daß diese Friedenspolitik der Verständigung, die die Reichsregierung damals einschlug, von einer Partei getragen wurde, die — auch damals — nicht der Koalition angehörte.
Mag es sich insoweit noch um eine unterschiedliche Betrachtung einer zweckvollen Verhandlungstaktik handeln, so muß ich mich doch mit Entschiedenheit gegen die Auffassung meines Herrn Vorredners wenden, insoweit er die Verbindung der Ratifikation dieses Vertragswerkes mit dem Generalvertrag oder gar dem Entwurf eines künftigen deutschen Verteidigungsbeitrags verlangt. Zu leicht könnte dieses Verlangen mißverstanden werden. Ich glaube nicht, daß wir Sie mißverstanden haben, Herr Kollege Schmid. Aber wir möchten nicht, daß der Eindruck entsteht, die Zustimmung zum Schumanplan werde davon abhängig gemacht, daß der Generalvertrag oder ein deutscher Verteidigungsbeitrag den Beifall dieses Hohen Hauses findet.
— Ich weiß es. I c h sage es, Herr Kollege Schmid. Sie haben es nicht gesagt. Aber es kommt nicht immer nur darauf an, was man sagt, sondern es kommt darauf an, wie es verstanden wird, und wir möchten nicht, daß diese Worte so verstanden werden, wie ich es eben schildere. Denn auch meine Freunde wünschen den Generalvertrag und eine Vorlage für den deutschen Verteidigungsbeitrag mit kühlem Kopf eingehend und kritisch zu prüfen. Wir wünschen nicht, daß irgendwo, auch nicht auf alliierter Seite, ein Zweifel darüber aufkommen möchte, daß unser Ja zum Schumanplan in keiner Weise schon ein vorweggenommenes Ja zum Generalvertrag oder zu einem künftigen deutschen Verteidigungsbeitrag ist.
Insoweit sind wir mit Ihnen, meine verehrten Herren, durchaus einig. Aber es darf nicht draußen der Eindruck entstehen, und dieser Eindruck könnte entstehen, als handelte es sich darum, den Schumanplan zu einem Handelsobjekt gegen den Generalvertrag oder einen Verteidigungsbeitrag zu machen.
Doch auch aus einem anderen Grunde legen wir Wert darauf, diese Dinge sauber getrennt zu halten. Wir alle wissen, daß Millionen Deutsche und vor allem Millionen junge Deutsche nichts sehnlicher wünschen, als daß ein vereintes Europa bald zustande kommt. Wir erblicken in dem Beitritt zur europäischen Kohle- und Stahlgemeinschaft den ersten Schritt in das vereinte Europa. Wir wün-
schen, diesen Schritt aus freien Stücken zu tun, nicht belastet mit der Liquidation einer Vergangenheit, die notwendigerweise bei uns Deutschen — und nicht nur bei uns Deutschen — nur zu- viele bittere Gefühle hinterlassen hat.
Wir wissen dem Herrn Bundeskanzler Dank dafür, daß es ihm gelungen ist, diese Dinge zu trennen. Dadurch wird es uns heute möglich, in freier und unabhängiger Entschließung unser Ja zu diesem Vertragswerk und damit zu Europa auszusprechen. Jawohl, meine Damen und Herren, unser Ja soll diese Bedeutung haben. Dieses Ja ist der Schritt über den Rubikon.
— Lieber Herr Professor, wir werden es j a erleben, ob Sie, Fabius Cunctator, eher in Rom sind als wir.
Doch nicht aus dem Überschwang des Gefühls sagen wir j a zu dieser Vorlage. Die Diskussion hat zur Genüge dargetan, welche Bedenken zu vielen Punkten des Vertragswerkes auch auf unserer Seite bestehen. Wenn wir j a sagen, so tun wir dies einmal, weil uns ein gemeinsamer europäischer Markt für Kohle und Stahl eine unbedingte Notwendigkeit zu sein scheint,
zum anderen aber, weil wir der Überzeugung sind, daß sich aus der Dynamik der Europäischen Kohle-und Stahlgemeinschaft heraus der gemeinsame Markt sehr bald auf weitere Gebiete des wirtschaftlichen Lebens ausdehnen soll und wird. Denn nur mit Entsetzen können wir feststellen, daß jener wirtschaftliche Widersinn auch heute noch besteht, der in zwei Dezennien zwischen den beiden Weltkriegen in der Vielzahl hochgeschützter nationaler Volkswirtschaften in Europa Platz gegriffen hatte. Was hätte in jenen Jahren bereits erspart und verdient und zu Nutz und Frommen des sozialen Aufstiegs der europäischen Völker verwandt werden können, wenn nicht dieser wirtschaftliche Kampf aller gegen alle geführt worden wäre und wenn schon damals die europäischen Völker einsichtig genug gewesen wären, statt sich auf Tod und Leben zu bekämpfen, Hand in Hand miteinander die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ihrer Länder zu fördern!
Nach den Erklärungen meines Herrn Vorredners werden wir wohl leider damit rechnen müssen, daß die Sozialdemokratische Partei bei Ablehnung des Vertagungsantrags auch in dritter Lesung ihre Zustimmung zum Inkrafttreten des Vertragswerkes verweigern wird.
Die Situation, die sich bei einer Ablehnung der Vorlage in diesem Hohen Haus ergeben würde, ist nur am Rande gestreift worden, und doch ist sie für die Entscheidung, meine Damen und Herren, die wir alle jetzt zu treffen haben, von höchster Bedeutung. Ich bitte Sie daher, Herr Präsident, mir noch einige wenige Minuten für diese Betrachtung zu gewähren.
Nehmen wir einmal an, Sie würden mit Ihrer Auffassung durchdringen, meine Herren, die Mehrheit dieses Hauses würde die Vorlage ablehnen, und Sie würden nunmehr vor die Aufgabe gestellt, nach Ihren Ideen die deutsche Wirtschaftspolitik zu führen. Sie sind sich sicher nicht klar darüber, daß die Bundesrepublik in diesem Augenblick vollständig isoliert dastehen würde und nicht damit rechnen könnte, von ihren westeuropäischen Nachbarn oder von den Vereinigten Staaten bei den Bemühungen um den Wiederaufbau auch nur die geringste Hilfe zu bekommen.
Und, meine Damen und Herren, ich könnte Ihnen eine Tatsache nach der anderen anführen und Ihnen die Frage stellen, die kürzlich im umgekehrten Sinne ein von mir verehrter Kollege Ihrer Partei in einer Zeitung gestellt hat, und ich würde umgekehrt dieselbe Antwort geben. Ich würde den Satz aufnehmen und sagen: Soviel Fragen, soviel offengebliebene Antworten. Nein, meine Herren, es bedarf keiner weiteren Gründe mehr, um jeden Einsichtigen zu überzeugen, welche Folgen für Deutschland ein Nein zum Schumanplan heraufbeschwören müßte. Daran wollen wir auch denken, meine Herren, und Sie werden diese Frage Ihrerseits ja auch bedacht haben.
Meine Freunde sind nicht bereit, das deutsche Volk und die deutsche Wirtschaft dieser Gefahr auszusetzen. Dieses Risiko wünschen wir nicht dem deutschen Volk aufzuerlegen. Wir werden daher Ihren Antrag ablehnen und unser Ja zum Schumanplan heute noch aussprechen.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Schröter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner politischen Freunde stelle ich den Antrag auf Schluß der Besprechung.
Meine Damen und Herren, der Antrag auf Schluß der Besprechung ist zulässig. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Schluß der Besprechung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses; die Besprechung ist geschlossen.
Ich komme zur Abstimmung über die Anträge. Ich darf das Einverständnis der Antragsteller voraussetzen, — —
— Ich bin in der Abstimmung!
— Ich bin in der Abstimmung! Herr Abgeordneter Renner, ich stelle Ihnen anheim, Ihre Anträge morgen zu stellen.
Ich darf das Einverständnis der Antragsteller damit annehmen, daß ich über die Drucksachen Nrn. 2971 und 2972 gemeinsam abstimmen lasse. Oder wünschen Sie getrennte Abstimmung?
— Ich bin in der Abstimmung, Herr Abgeordneter Renner! Anträge zur Abstimmung können nur vor der Abstimmung gestellt werden, auch nach der Geschäftsordnung.
— Es ist getrennte Abstimmung gewünscht worden.
— Das Wort zur Geschäftsordnung erteile ich nach meinem Ermessen. Ich erteile es Ihnen nicht, Herr Abgeordneter Renner.
— Meine Damen und Herren, ich bitte doch freundlichst, daß wir uns heute morgen nicht mit Beifallskundgebungen aufhalten.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 2971, und zwar Ziffer I.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag unter Ziffer I zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Diese Ziffer des Antrages ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer II des Antrags Drucksache Nr. 2971. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die
Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 2972. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; auch dieser Antrag ist abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, verbleibt es bei der für heute 10 Uhr einberufenen Sitzung mit der bekanntgegebenen Tagesordnung.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß die Christ-
liche Morgenfeier um 9 Uhr 40 stattfindet
und daß der Volkswagenomnibus zur Reutersiedlung fährt.
Meine Damen und Herren, ich bitte noch einen Augenblick um Gehör. Ich habe die Sitzung noch nicht geschlossen. —
Im Namen des Herrn Vizepräsidenten Dr. Schäfer habe ich dann noch bekanntzugeben, daß entsprechend der Geschäftsordnung der Abgeordnete Dr. Richter -wegen gröblicher Störung der Ordnung für drei Sitzungstage ausgeschlossen ist.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste, die 184. Sitzung auf heute, Freitag, den 11. Januar, 10 Uhr und schließe die 183. Sitzung.