Rede von
Dr.
Victor-Emanuel
Preusker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Herr Kalbitzer, ich möchte doch zu den Artikeln 58 und 59 an Hand des Vertrags selbst einige Ihrer Ausführungen jetzt als Berichterstatter widerlegen. Sie sagten, was gibt die Garantie, daß nicht in einer Mangellage etwa über Algier Ausfuhren vorgenommen werden. Diese Garantie gibt nach dem effektiven Wortlaut des Vertrags Art. 59 Abs. 5, wo es heißt, daß in sämtlichen Mitgliedstaaten Beschränkungen für die Ausfuhr nach dritten Ländern eingeführt werden können. Algier rechnet nach dem Art. 79 des Vertrags in diesem Falle, weil es außerhalb der Montan-Union steht, genau so als drittes Land wie irgendeine andere fremde Macht, etwa Schweden oder Großbritannien oder welche es sonst sein mag. Der Ausdruck „dritte Länder" ist nach dem Vertrag unter allen Umständen nicht dahin zu begreifen: Ausland — Inland, sondern als ein vertragsrechtlicher Begriff dahin zu verstehen: zum Vertragsgebiet gehörig oder nicht zum Vertragsgebiet gehörig.
— Aber gern. In Art. 79 heißt es:
Dieser Vertrag findet auf die europäischen Gebiete der Hohen Vertragschließenden Teile Anwendung. Er findet ebenso auf die europdischen Gebiete Anwendung, deren auswärtige Angelegenheiten ein Unterzeichnerstaat übernimmt; . . .
Die Saar brauche ich in dem Zusammenhang nicht aufzuführen.
— Das hat ja damit gar nichts zu tun; ich glaube, über das Problem denken wir genau so. — Algier ist kein europäischer Teil; folglich finden auf ihn die Bestimmungen über „dritte Länder" Anwendung.
Dann die Frage des Art. 58, die Krisenlage. Sie sprachen davon, nach dem Vertrag sei nicht gesichert, daß „angemessene Quoten" eine Benachteiligung Deutschlands ausschließen. Ich darf aus dem Vertrag zitieren, daß bei Festsetzung angemessener Quoten „die in den Art. 2, 3 und 4 genannten Grundsätze zu berücksichtigen" sind. Der wesentlichste Grundsatz des Art. 4 ist der der Nicht-Diskriminierung; denn da heißt es in 4 b): „Maßnahmen oder Praktiken, die eine Diskriminierung zwischen Erzeugern oder Käufern oder Verbrauchern herbeiführen". In Art. 3 ist unter allen Buchstaben das gleiche zum Ausdruck gebracht worden. In Art. 2 ist im Schlußsatz weiter ausdrücklich als Pflicht festgelegt, „zu vermeiden, daß im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten tiefgreifende und anhaltende Störungen hervorgerufen werden". Es ist also auf alle Fälle im Vertrag selbst durch die Zitierung der Art. 2, 3 und 4 in dem gleichen Satz, in dem über die Festsetzung der angemessenen Quoten gehandelt wird, justitiabel sichergestellt, daß eine Diskriminierung unterbleibt.
Zum zweiten sprachen Sie davon, daß die Produktionsquoten eine gewisse Starrheit besitzen und uns deshalb in unserer handelspolitischen Entwicklung behindern könnten. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß der Vertrag die Quotenüberschreitung ausdrücklich gestattet und daß in diesem Fall nur eine Ausgleichszahlung geleistet werden muß. Daran knüpfte sich ja im Ausschuß noch die Diskussion, ob es möglich ist, Quotenkäufe vorzunehmen. Da insbesondere in der Krise die Ausfuhr und ebenso in der Mangellage die Einfuhr außerhalb der Funktionen der Hohen Be-
hörde bleibt, ist also mit Hilfe der zulässigen Quotenüberschreitungen entsprechend den handelspolitischen Chancen die Ausnutzung aller Ausfuhrmöglichkeiten gewährleistet.
— In die Vertragsstaaten?! Das ist ja gerade das deutsche Interesse in der Krise, wie ich gestern ausführen durfte, daß die Marktanteile, wie sie vorher bestanden haben, weiterhin gesichert sind, daß Deutschland gegen, eine Abschließung seines Marktes vom französischen in dem Falle geschützt bleibt, in dem etwa die Franzosen ausschließlich ihre Kohlenförderung hochhalten wollten, oder in dem Falle in dem die französischen Eisenbahnen nicht mehr wie früher deutsche Kohle beziehen wollten. Die Franzosen sind in dem Falle des Art. 58 vertraglich verpflichtet, genau die gleichen Einschränkungen auf sich zu nehmen, wie das Deutschland innerhalb der Montan-Union auch tun muß.
Lassen Sie mich Ihnen zum Schluß in bezug auf den Vertrag noch etwas zur Antwort geben. Sie sagten: Ja, die Vergleichsrechnung der Preise basiert auf fiktiven Börsenkursen. Das ist sicherlich zum Teil richtig. Wenn auch diesen Preisvergleichen nicht die amtlichen Börsenkurse, sondern die effektiven Ausfuhrkurse, die ja von den ersten diff erieren, zugrunde gelegt worden sind, so ist immerhin selbst in der französischen Kammer — ich darf auch einmal hier als Zitator auftreten — erklärt worden, daß, bei den Franzosen die Kosten der Stahlproduktion zur Zeit um 25 % höher als in Deutschland liegen. Aber wenn eine Währungsabwertung in Frankreich oder in Belgien jetzt erfolgt, was durchaus im Bereich der Möglichkeit liegt, weil die Zahlungsbilanz Frankreichs zur Zeit weniger gut ausgeglichen ist als die Deutschlands, dann gibt der Art. 67 des Vertrages gerade für den Fall einer solchen Maßnahme der Hohen Behörde das Recht, vielmehr, er legt ihr sogar die Verpflichtung auf, Frankreich aufzufordern, die Auswirkung dieser Währungsabwertung auf Kohle und Stahl, Erze und Schrott, also auf alle Dinge, die dem Montan-Union-Vertrag unterliegen, durch andere Maßnahmen auszugleichen. Das heißt: in dem Falle müßte die Hohe Behörde etwa die Anweisung geben, .daß Frankreich seine Preise für Kohle und Stahl in einem ähnlichen Verhältnis heraufsetzt, in dem es die Währungsabwertung vorgenommen hat.
— Herr Kalbitzer, ich durfte gestern im Bericht feststellen, daß das zweifellos der schwächste Punkt des ganzen Vertrags ist und daß — je nach unserer verschiedenen Auffassung — im Ausschuß zum Ausdruck kam, wie man die Lösung suchen will, nämlich durch weitere Integration — ich freue mich, daß Sie den Maschinenbau und die Elektroindustrie genannt hatten, da bin ich auch sofort dafür —, oder aber indem man alles zurückdreht — dafür war die Mehrheit nicht. Aber die Verpflichtung zu Ausgleichsmaßnahmen, wenn einseitig Währungsabwertungen erfolgen, ist in den drei schematisch konstruierten Fällen des Art. 67 niedergelegt. .