Rede von
Paul
Harig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Ich spreche über die Freizügigkeit 'der Arbeiter. Was sind denn die Ziele der Steigerung dieser Produktivität? Was sind denn diese Ziele? Gestatten Sie mir, daß ich hier einen Amerikaner zitiere. Die amerikanische Marshallplan-Zeitschrift veröffentlichte einen Artikel von Professor Jean Fourastier, dem Spezialpropagandisten der Kampagne für die Produktivität, in dem er schreibt:
... Die große Entdeckung unserer Zeit ist, daß man die Produktivität ohne Steigerung der Investitionen beträchtlich entwickeln kann . . . Von 1930 bis 1939 ist die industrielle Ausrüstung pro Arbeiter in den USA um etwa 20 % gesunken, während die Produktivität um 40 % gestiegen ist.
Das ist das Ziel und das ist der Sinn dieser Produktivitätsausschüsse, die da gebildet werden sollen. Ich sage Ihnen: solange die betroffenen Länder Sklaven der Elends- und der Kriegswirtschaftspolitik bleiben, die einen Bestandteil der Kriegspläne und -verträge mit Namen Marshall-, Atlantik- und Schumanplan darstellen, kann die Erhöhung der Produktivität durch Antreibung des Arbeitsrhythmusses niemals dazu dienen, die Reallöhne der werktätigen Massen zu verbessern. Unter den augenblicklichen Verhältnissen können die wahren Ziele und das Resultat jeder Steigerung der Produktivität nach der Auffassung der Monopolisten nur sein: erstens, den Industriellen die Möglichkeit zu geben, mehr Produktion zu billigeren Preisen in weniger Zeit mit weniger Personal zu erzielen; zweitens, die kapitalistischen Überprofite drastisch zu vermehren, die Kriegs- und Polizeibudgets sowie die Budgets der arbeiterfeindlichen und antisowjetischen Kriegspolitik zu nähren; drittens, durch Überflüssigwerden eines Teils des Personals die Vorkämpfer der Arbeiterklasse aus den Fa-
briken zu entlassen, um die Arbeiterbewegung zu brechen und um die größtmögliche Zahl von Werktätigen in bewaffnete Einheiten zu pressen; viertens, in kürzester Frist die Pläne der Waffenproduktion durchzuführen; und fünftens, die Wanderungen von Arbeitskräften von einem Land in das andere je nach den strategischen Erfordernissen der Herren der Atlantikkoalition zu fördern.
Das ist dasjenige, was man bezweckt. Ich frage: sind das etwa Aufgaben der deutschen Gewerkschaften? Das ist das Gegenteil von dem, was sie tun sollten, das ist ein Verstoß gegen alle internationalen Beschlüsse der Gewerkschaftsbewegung, das ist ein Verstoß gegen die Interzonenbeschlüsse, und das ist selbst ein Verstoß gegen die Satzungen der Organisation.
Ihre Aufgabe wäre es, den Kampf der 61/2 Millionen Mitglieder einzusetzen gegen diesen Mammuttrust, der da entstehen soll, gegen die Versklavung der Arbeiter, gegen die Antreiberei, gegen die Rüstung, die der Vernichtung in der Hauptsache unserer Nation, unseres Volkes dient, gegen die Kriegsvorbereitungen. Es wäre notwendig und im Bereich ihrer Aufgabe gelegen, sich für den Frieden und für die Völkerverständigung einzusetzen, für die Einheit Deutschlands, für die Einheit aller Schaffenden, für die Einheit, die dann Arbeit und Brot garantiert. Aber statt dessen werden alle diejenigen, die mit dieser Politik nicht einverstanden sind, aus den Gewerkschaften entfernt, alle diejenigen, die sich noch gewerkschaftliches Denken bewahrt haben. August Bebel sagte einmal, zu den Gewerkschaftsführern gewandt: „Ihr wandelt einen gefährlichen Weg, an dessen Ende euer eigener Untergang stehen wird!"
Ich gestatte mir, an Hand von zwei Beispielen nachzuweisen, wie heute schon, bevor der Schumanplan unter Dach und Fach ist, die Produktivität in den Betrieben der Eisen- und Stahlindustrie gesteigert wird. Ich las authentische Zahlen in einer Zeitung über einen namhaften Betrieb der Eisen- und Stahlindustrie. Danach ist im Jahre 1951 die Belegschaft um 61/2 % gestiegen. In der gleichen Zeit ist die Produktion allein an Walzwerks-Erzeugnissen um 19,6 % gestiegen.
Rechnen Sie sich selbst aus, welch hohe Profite und welch hohe Gewinne durch die Antreibermethoden, durch die Steigerung der Ausbeutung hier den Unternehmern in den Schoß gefallen sind! Ein anderer großer Betrieb, der weit mehr als 10 000 Menschen beschäftigt, hat vor einigen Wochen dien Versuch unternommen, den sogenannten „gleitenden Sonntag" einzuführen. Man wollte dazu übergehen, den Arbeitern den Sonntag zu nehmen. Man will der Bevölkerung damit den Sonntag nehmen. Man will den Arbeitern den freien Tag nehmen, den sie noch hatten, sich auszuruhen. Das Wesentliche oder das Außergewöhnliche, das ich an dieser Tatsache festzustellen in der Lage bin, ist doch, daß einige sogenannte Gewerkschaftsfunktionäre eine traurige Rolle in dieser Frage gespielt haben. Gott sei Dank ist dieser Anschlag durch die Aktionseinheit der Arbeiter dieses Betriebes abgewehrt worden.
Die raffiniertesten Methoden werden angewandt, die Arbeiter in ihrer Arbeitsintensität noch weiter zu steigern. und noch weiter auszubeuten. Die raffiniertesten Methoden werden als Lockmittel benutzt. Z. B. spielt da in den Gehirnen gewisser Unternehmer die Frage der Gewinnbeteiligung eine Rolle. Dabei ist es doch nur Lockmittel, . dabei wollen sie doppelt und dreifach das wieder einheimsen, was sie da an Almosen herausschmeißen. So spielt die Frage der Prämiensysteme und der Anteilsysteme als Lockmittel ebenso eine Rolle. Herausholen will man aus den Knochen der Arbeiterschaft — mit und ohne Zwang —, was man herausholen kann.
Es wird noch schlimmer kommen, wenn der Schumanplan erst auf vollen Touren laufen sollte. Es ist aber notwendig, daß die Arbeiterschaft schon die ersten Auswüchse des Schumanplans bekämpft. Gegenwärtig ist der Kampf gegen alle Formen der Überausbeutung und der Antreiberei ein Kampf gegen die Kriegswirtschaft und gegen die Kriegspolitik. Daher ist dieser Kampf, den die Arbeiterschaft um höheren Lohn sowie gegen die Verschlechterung ihrer Lebensweise und ihrer Arbeitszeit führt, gleichzeitig ein Kampf um die Unabhängigkeit und den Frieden, weil es ein Kampf gegen die Kriegsmaßnahmen ist. Es ist daher gleichzeitig ein nationaler Kampf, den die Arbeiterschaft führt.
Der Schumanplan bringt erhöhte Ausbeutung, er bringt doppelte Ausbeutung. Der Schumanplan versklavt die Arbeitnehmer. Er beseitigt die gewerkschaftlichen Rechte, vom Achtstundentag angefangen bis zum Mitbestimmungsrecht. Er beseitigt die Errungenschaften der Arbeiter. Er ist dazu da, die Löhne der Arbeiter zu senken und zu halbieren.
Aber ich sage Ihnen von dieser Stelle: Die Arbeiter Europas werden sich wehren; sie werden es sich nicht gefallen lassen. Die Arbeiter Deutschlands aber werden in diesem Kampf keine Zuschauerrolle spielen. Und was wir als Kommunisten dazu beitragen können, daß der Kampf enorme Formen annimmt, das werden wir tun.