Ich bin gern bereit, Herr Präsident, Ihrem Rate zu folgen. — Ich habe jetzt die Absicht, zu dem Thema zu kommen, das ich zu besprechen habe.
— Bitte! Haben wir jemals einem Ihrer Redner hier im Saale etwas in den Weg gelegt, wenn er seine Auffassungen sachlich dartat? Ich glaube, das können Sie kaum behaupten.
— Das ist schließlich die parlamentarische Atmosphäre, die Sie zum Teil selber mit geschaffen haben.
— Gut. Dann sind wir wieder mal einig, Herr Euler, und ich kann jetzt fortfahren.
Der Herr Bundeskanzler hat gestern in seiner Erklärung davon gesprochen, daß es nicht möglich sei, Europa ohne Risiko zu schaffen, und in der Rede des Herrn Kollegen von Merkatz ist es auch angeklungen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, der man zustimmen kann, ganz gleich, ob man Ihren Weg gehen will oder ob man wie wir einen anderen Weg für richtiger hält. Jeder Schritt in die Zukunft — das ist richtig — enthält ein Risiko, und die Abschätzung der Risiken, die Bewertung der Chancen und der Schwierigkeiten ist Sache nicht nur des guten oder schlechten Geschmacks, sondern auch Sache des persönlichen politischen Standorts. Wenn wir uns auf diese Formel einigen könnten, dann hätte die Auseinandersetzung immerhin einen Zweck gehabt, und man würde sich hier nicht gegenseitig Motive unterstellen, die vielleicht nicht ganz einwandfrei sind.
Nun, meine Damen und Herren, es scheint mir die Aufgabe unserer Unterhändler gewesen zu sein, die Risiken, die die Bundesrepublik immerhin aus einer sehr viel ungünstigeren Auslandsposition als die andern Partnerstaaten einzugehen hatte, beim Abschluß eines solchen europäischen Vertrags so gering wie möglich zu halten. Die Frage ist, ob sie damit Erfolg hatten. Ich habe nicht die Aufgabe — das ist selbstverständlich nach 'dem Gang der Debatte —, alle die einzelnen Punkte hier noch einmal aufzuzählen, von denen aus die sozialdemokratische Fraktion kritisch zu diesem Vertragswerk Stellung nimmt. Ich will sie nur mit Stichworten noch einmal zeichnen, um für mich selber den Ausgangspunkt zu haben.
Erstens die ungleichen Startbedingungen. Zweitens die verschiedene Interessenlage der Partner. Das ist einer der wesentlichen Punkte unserer Kritik, nämlich: Deutschland als Kohlenlieferant allen andern gegenübergestellt. Drittens — und für mein Thema das Wesentliche — der Geist unserer Partner, vor allem der Geist des Hauptpartners in diesem Vertrag, nämlich Frankreichs; und zum vierten die geringen Revisionsmöglichkeiten des Vertrags.
Nun, meine Damen und Herren, es ist in diesem Hause sehr viel zitiert worden. Ich möchte diese Zitate nicht um soundsoviele vermehren; aber ich möchte eines sagen: Wenn Sie die Kammerdebatte aufmerksam gelesen haben — und Sie können sie nachlesen in dem Protokoll des „Journal Officiel" in allen Einzelheiten —, dann werden Sie zwar gelegentlich einmal eine Art von europäischem Aufschwung, eine Art von, sagen wir, europäischem Pathos finden, wie es auch hier zitiert worden ist. Aber im ganzen wird Ihnen dann klarwerden, daß die Argumentation in der französischen Kammer nicht europäisch, sondern in erster Linie nationalfranzösisch war. Selbst die scheinbaren europäischen Argumente, die vorgebracht worden sind — und zwar nicht von irgendwelchen Komparsen auf der parlamentarischen Szene, sondern von den - maßgebenden Männern der Regierung und den Berichterstattern der Ausschüsse selbst —, die scheinbaren europäischen Argumente zugunsten des Schumanplans waren Sicherheitsargumente, und zwar Sicherheitsargumente gegenüber dem deutschen Partner. In diesem Punkte waren Abgeordnete und Regierung durchaus miteinander einig.
Nun, Sie werden -sagen, unter der praktischen Wirkung des Vertrags würde sich das ändern, und Sie werden auf Ihre eigenen Beispiele hinweisen. Schließlich sind ja manche von Ihnen auch vom Irrtum zur Wahrheit gereist. Warum soll das nicht in Frankreich im Laufe der Wirksamkseit des Schumanplans auch der Fall sein? Darüber läßt sich schwer streiten.
Wir gehenur von den Gegebenheiten des Vertrags aus, und da ist doch zu sagen: Der Vertrag ist so gebaut, daß er unsern Partnern jeden Zwang erspart, ihre geistige Ausgangsposition gegenüber Deutschland wesentlich zu ändern. Sie bekommen auf Grund des Vertrags alles das, was sie von uns brauchen. Ihre Gegenleistung — ich darf ein Wort des Ministerpräsidenten Pleven zitieren —: Die Gegenleistung für Deutschland ist, daß wir geschützt werden vor totalitären Bestrebungen, woher sie auch kommen, vielleicht sogar von Herrn de Gaulle in Frankreich, — wer weiß, was alles im Schoße der Zukunft liegt.
Ich glaube, das ist eine relativ schwache Gegenleistung. Sie müßte schon durch den Vertrag und durch seine Praxis in vielen realen Dingen erheblich ergänzt werden, damit sie von uns wirklich als eine echte Gegenleistung betrachtet werden kann.
Und nun gehen wir eine Bindung für fünfzig Jahre ein. Ich bin mir klar darüber — und ich glaube, alle meine Freunde sind in diesem Punkt mit mir einig —, eine echte europäische Föderation, wie wir Sozialdemokraten sie uns vorstellen —
und auch wir sind uns klar darüber, daß man nicht mit einem Sprung in diese europäische Föderation hineingerät —, eine echte europäische Föderation im Sinne einer umfassenden Union würde wahrscheinlich eine unbefristete Bindung erfordern; denn sonst hätte ja die Föderierung europäischer Staaten wenig Sinn. Aber der Montanvertrag ist ja schließlich keine solche Föderation. Über seinen Charakter gehen die Ansichten sehr auseinander, auch die Ansichten in den Reihen der Befürworter des Schumanplans. Herr Professor Wahl hat gelegentlich der Debatten im Auswärtigen Ausschuß davon gesprochen, einerseits sei der Vertrag ein Baustein für ein künftiges Europa, dann hat er ihn wieder als völkerrechtlichen Vertrag bezeichnet. Heute ist uns gesagt worden, daß er ein Verfassungselement des künftigen Europa sei. Andere sagen wieder: Was heißt hier völkerrechtlicher Vertrag? Hier ist ein Vertrag über fünfzig Jahre, der ist so gut wie ewig; das ist bei-, nahe genau so, wie wenn man früher Verträge über 99 Jahre abgeschlossen hat. In diesem Hause ist davon gesprochen worden, schließlich hätten die Deutschen auch Tsingtau für 99 Jahre gepachtet, und was sei schließlich daraus geworden? Nun, ich glaube, der Vergleich ist nicht ganz passend; denn daß Tsingtau als Veine ehemalige deutsche Pachtung zwar auf 99 Jahre in deutscher Hand war, daß es aber infolge „höherer Gewalt" eben dieser Hand entglitten ist, das wissen wir alle, und wir hoffen, daß Verträge, die die Bundesrepublik in Zukunft abschließt, nicht auf eine ähnliche Weise ein Ende nehmen.
Nun darf man in diesem Zusammenhang doch darauf hinweisen, daß langfristige Verträge, die Staaten miteinander abschließen, ganz gleich, welches ihr materieller Inhalt und ganz gleich, welches ihre rechtliche Konstruktion im einzelnen ist, eine nicht unerhebliche Gefahr in sich schließen, wenn solche Verträge ohne ausreichende Revisions- und Korrekturmöglichkeiten abgeschlossen werden. Es gibt eine maximale Grenze, innerhalb deren sich auch die Gegebenheiten in einzelnen Vertragsstaaten in dem Rahmen von Verträgen bannen lassen, wenn sie im Laufe einer bestimmten Periode eine gewisse Grenze der Entwicklung erreichen. Wenn dann nicht die Möglichkeit einer echten Revision besteht, der Nachprüfbarkeit des gesamten Vertragswerks auf Verträglichkeit auch' mit den regionalen, in diesem Fall mit den Partnerinteressen, dann ist die Gefahr des Entstehens revisionistischer Strömungen gegeben, mit all ihren Nachteilen und mit all ihren Schwierigkeiten für die Existenz des Vertragswerks und für den Frieden unter den Vertragspartnern. Ich meine jetzt „Frieden" nicht im Sinne des Gegenteils vom Kriege, sondern im Sinne des guten Einvernehmens zwischen den Vertragspartnern.
Ich bin eben gerade dabei, Herr Kollege von Merkatz, von diesen Ventilen zu sprechen.
Herr Staatssekretär Hallstein hat auf die Einwände gegen die lange Vertragsdauer und die Schwierigkeiten der Revision in einem Ausschuß erklärt, eine zu kurze Vertragsdauer hätte keine Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb der Montan-Union gewährleistet und die Mitgliedstaaten vielleicht veranlaßt, darauf zu achten, daß bei allen Maßnahmen der Gemeinschaft keine solchen Veränderungen der Wirtschaftsstruktur entstehen, die eine unabhängige Wirtschaftspolitik nach Ablauf des Vertrages gefährden könnten. Eine Vertragsdauer von fünf Jahren sei ohnehin sinnlos, da dieser Zeitraum schon für die notwendige Anpassung für erforderlich gehalten würde.
Meine Damen und Herren! Wenn man dieses letztere Argument für richtig halten wollte, dann muß man schon sagen: Die Revisionsmöglichkeiten, wie sie Art. 95 Abs. 3 bietet, sind geradezu kümmerlich und dazu noch mit Hypotheken belastet, die es für die Bundesrepublik in ihrer besonderen Situation außerordentlich schwer machen, eine Revision wesentlicher Punkte des Vertragswerks zu erreichen.
Herr Professor Hallstein hat in diesem Zusammenhang in der erwähnten Debatte auf die Möglichkeit der Erweiterung der Kompetenzen der Versammlung hingewiesen.
Ich vermag aus dem Text des Vertrages nicht zu ersehen, wo diese Möglichkeiten der Kompetenzerweiterung für die Versammlung bestehen. Ich sehe aus dem Vertragstext nur eines: daß Art. 95 keine Veränderung des Sinnes des Vertrages möglich macht; das werden Sie akzeptieren.
Wenn Sie den Vertrag so interpretieren, daß sein Sinn die Höherentwicklung der gesamten europäischen Wirtschaft im Interesse der Verbraucher ist, dann gestatten wir uns, gegenüber diesem angeblichen Sinn des Vertrages erhebliche Zweifel zu äußern, und wir halten uns da mehr an die Realitäten, wie sie nicht nur in der Kammerdebatte in Frankreich ausgesprochen sind, wo es schließlich ganz einfach und schlicht darum ging, daß Frankreich mehr Kohle zu günstigen Bedingungen erhalten solle. Es hat einmal in der Literatur ein böses Wort von den .Engländern gegeben, das hieß: Sie sagen Gott und meinen Kattun! — Man ist bei manchen Reden in der französischen Kammer versucht zu sagen: Sie sagen Europa und meinen Kohle!
Das ist eine Interpretation, die nach allem, was in dieser Kammerdebatte gesagt worden ist, gar nicht weit hergeholt worden ist. Ich will nicht bestreiten, daß vom Standpunkt der französischen Interessen der Wunsch nach günstigen Bedingungen für den Einkauf deutscher Kohle durchaus legitim ist. Vom Standpunkt der deutschen Interessen scheinen mir allerdings diese Ansprüche an die deutsche Wirtschaft nicht so legitim zu sein, wie es die französischen Parlamentarier angenommen haben.
Wie steht es nun mit dem Vertragstext bezüglich der Revision? Art. 95 Abs. 3 schließt vor allem — und das scheint mir entscheidend zu sein — vom Standpunkt der Kontrollmöglichkeiten der Organe des Schumanplans eine Veränderung der Kompetenzverteilung zwischen den Organen der Montan-Union schlichtweg aus.
— Ja, ich komme noch auf die große Revision in Art. 96.
Das heißt praktisch, meine Damen und Herren, daß die Versammlung auf dem Wege der Revision nach dem Wortlaut des Vertrages nicht zu einer echten Kontrollinstanz für die übrigen Organe der Montan-Union umgebaut werden kann, auch wenn die Notwendigkeit klar gegeben wäre.
Der Mechanismus der Revisionsartikel ist überhaupt so kompliziert, daß dié Revision zu unseren
Gunsten gegen die begünstigten Partner praktisch kaum zu erreichen ist.
In der Versammlung sind drei Viertel der abgegebenen Stimmen und zwei Drittel der Mitglieder notwendig, um eine Revision zu erreichen.
Wenn man sich nun fragt, was denn die Gründe für Revisionsansprüche sein könnten, dann ist es doch angesichts des Gegenstandes des Vertrages, nämlich Kohle und Eisen, in der Regel wahrscheinlich so, daß die Ansprüche der Partner auf eine gewisse Bevorzugung oder auf die Abwehr von Benachteiligungen beim Bezug der Güter, die Gegenstand der Montan-Union sind, Inhalt eines solchen Revisionsgesuchs sein werden. Mit anderen Worten: Es stehen sich also in der Regel Nehmende und Gebende gegenüber, und das wird die Fronten in diesen Organen bestimmen und die Mehrheiten zustande kommen lassen. Ich glaube, man sollte hier ganz nüchtern sein und den Dingen ins Auge sehen, wie sie sind.
Art. 96, der die sogenannte große Revision möglich macht — ja, dieser Artikel läßt nach Ablauf der Übergangszeit zu, daß jeder der Teilnehmerstaaten eine Anpassung des Vertragswerks an die inzwischen gesammelten Erfahrungen beantragt. Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie den Art. 96 genau lesen, dann sehen Sie, daß auch hier der Mechanismus sehr kompliziert ist; zwar im Äußeren scheint er nicht schwer zu handhaben, aber in der Sache und seinem Gehalt nach spricht er infolge der ihm innewohnenden Zwangsläufigkeit in der Regel gegen eine Revision, d. h. gegen das Zustandekommen einer Verständigung über Wünsche eines Partners, so daß auch hier kaum damit zu rechnen ist.
Jedenfalls ist zu sagen, daß für eine Revision gewisse Schwierigkeiten in Art. 95 und 96 vorliegen. Denn man muß ja auch unterstellen, daß durch die Gesamtentwicklung, die, wie Sie annehmen, durch den Montanvertrag herbeigeführt wird, sehr schnell, und wie wir annehmen, durch das innere Gewicht der Vertragsbestimmungen auf jeden Fall gewisse Verschiebungen in den Kräfteverhältnissen zwischen den einzelnen Vertragspartnern eintreten werden, die es erwünscht sein lassen könnten, daß wirklich eine gründliche' Revision durchgeführt wird. Und ich kann nicht sehen, daß eine solche gründliche Revision, vor allem wenn sie zugunsten eines Vertragspartners, wie Deutschland, vorgenommen werden sollte, durch die Bestimmungen des Vertrages sehr einfach gemacht wird — ich will es ganz vorsichtig ausdrücken, um nicht zu sagen: beinahe ausgeschlossen ist.
Und nun, meine Damen und Herren, möchte ich noch eine Bemerkung zu gewissen Begründungen der Montan-Union und gewissen Anregungen machen, die teils aus der deutschen Diskussion stammen, teils auch von außen in diese Diskussion hineingetragen worden sind. Ich meine, man sollte nicht nur von seinem Glauben an die der MontanUnion innewohnenden Möglichkeiten sprechen, man sollte nicht nur den Geist beschwören, und man sollte auch nicht unter allen Umständen auf die gelegentlichen Hinweise von jenseits des Atlantik auf das große amerikanische Vorbild des Zusammenschlusses des 13 Kolonien Neuenglands hereinfallen. Hier wird uns ja doch aus' ganz bestimmten politischen Gründen der Schritt in die Montan-Union nahegelegt; und wenn man schon einen solchen Schritt unternimmt, sollte man die historischen Realitäten nicht völlig übersehen und sollte nicht historische Parallelen akzeptieren, die offenkundig mit dem, was jetzt getan werden soll, gar nichts zu tun haben. Die Europa-Romantiker diesseits und jenseits des Atlantik weisen uns auf die Geschichte der Vereinigten Staaten hin. Aber die Geschichte der Vereinigten Staaten ist ja etwas ganz anderes als die Geschichte des europäischen Kontinents. Schließlich haben sich die 13 Kolonien Neuenglands in der Abwehr und bei der Vertreibung eines kolonialen Oberherrn, der gleichsprachiger Herkunft war, auf einem völligen Neuland zusammengefunden. Sie standen sozusagen voraussetzungslos am Anfang ihrer Geschichte, und sie haben einen wesentlichen Teil nicht nur ihrer Geschichte, sondern auch ihrer Verfassungsgeschichte geschrieben in der Expansion über die alten Grenzen hinaus. Das hat gar nichts zu tun mit dem, was jetzt in Europa vor sich gehen soll;
und deshalb, glaube ich, sollte man da nicht von falschen Voraussetzungen ausgehen, und auch unsere großen Lehrmeister in der Demokratie sollten gelegentlich mit ihren' Ratschlägen etwas zurückhaltend sein.
— Der wirtschaftliche Vergleich, Herr Kollege Euler, ist nicht richtig. Denn in Europa sind die Grenzen der wirtschaftlichen Möglichkeiten und Hilfsquellen im wesentlichen bekannt; in Amerika bewegte man sich in ein völlig unbekanntes und neuartiges Gebiet hinein. In Europa haben wir festgefügte Staatsorganisationen, die sich miteinander föderieren müssen, Staaten, die auf eine lange Geschichte mit vielen historischen Traditionen — man kann auch sagen, historischen Hypotheken — zurückblicken und zugleich über eine solide Wirtschafts- und Sozialstruktur verfügen.
So etwas zu föderieren, ist etwas anderes, als 13 Kolonien zusammenzuschließen, die noch nicht einmal eine echte staatliche Struktur erlangt haben, sondern die vielfach noch mit ihren Grenzen mitten in die Wildnis hineinreichen.
— Ich wollte Ihnen, Herr Kollege Freudenberg, nur sagen, daß wir nicht jedem Ratgeber blindlings folgen sollten, der uns gelegentlich auch unter einen nicht immer sehr sanften Druck setzt, wenn er seine eigenen politischen Zwecke erreichen möchte.
Was ich ferner damit sagen wollte, meine Damen und Herren, ist, daß die Spannungselemente in Europa bei jedem Schritt, den man in der Richtung auf eine echte Integration der europäischen Län' der geht, von vornherein sehr viel starker sind als bei jedem anderen geschichtlichen Vorbild und daß deshalb die Notwendigkeit ständiger Überprüfung des Getanen viel stärker ist als irgendwo.
In diesem Sinne, meine Damen und Herren, scheinen uns einmal die Vertragsdauer und zum anderen die Revisionsmöglichkeiten des Vertrages nicht ausreichend, um eine Garantie dafür zu ge-
ben, daß zwar nicht von dem imaginären Geist des Vertrages her, sondern von den ökonomischen und politischen Realitäten Europas her dieser Vertrag mit dem Inhalt erfüllt wird, den ihm seine Befürworter — sozusagen als Vorschußlorbeeren — von vornherein zuschreiben. Wir Sozialdemokraten sind — und wir werden Ihnen das im Verlauf dieser Debatte noch praktisch zeigen — nicht gegen Europa, und wir verwahren uns gegen die Unterstellung, daß unsere Stellungnahme zu diesem Vertragswerk eine Stellungnahme gegen Europa sei.
Wir weigern uns nur, einen Weg mitzumachen, den wir für falsch halten, und eines Tages, meine Damen und Herren, werden Sie vielleicht froh sein, daß es in diesem Bundestag eine Opposition gegeben hat, die den Gegenstandpunkt bezogen hat, damit wir bei Revisionsmöglichkeiten, wenn Sie schon diesen Schritt tun, einen vernünftigen Ausgangspunkt haben.