Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schumanplan ist eine sehr unpathetische, nüchterne Angelegenheit der Wirtschaftspolitik. Das Pathos ist von deutscher Seite in die Diskussion hineingetragen worden. Das ist wohl ein Beweis dafür, daß wir es notwendig haben. Man erinnert sich wohl auch an die den Deutschen eigene Bereitschaft, mit einem pathetischen Appell die Stimme der Vernunft zu übertönen.
Man hat nicht einmal Hemmungen dagegen empfunden, die Toten der Weltkriege heraufzubeschwören,
weil man offenbar in ihnen eine tiefgreifende Mahnung zum Abschluß der Montan-Union sieht. Wir haben soviel Ehrfurcht vor dem Opfertod von Millionen, daß wir ihn nicht zur Argumentation für ein sachlich nicht ausreichend begründetes Vertragswerk benutzt sehen wollen.
An die Stelle der nüchternen Abwägung der Vor-und Nachteile als realer Grundlage des Willenskonsens tritt auf deutscher Seite der Appell an den Europa-Gedanken in den Vordergrund der Argumentation.
Man verbindet damit — und das ist hier ohne jede Hemmung ausgesprochen worden — die Auffassung, daß die Gegner des Schumanplans auch Gegner des europäischen Zusammenschlusses sind und einer fortschrittlichen Entwicklung im Wege stehen. Auf der anderen Seite sehen sich die Befürworter des Schumanplans mit Stolz als Pfadfinder ins Neuland, als Pioniere des Fortschritts an, und der Kollege Dr. Henle ist sogar in der ersten Lesung des Gesetzes in der ihm gar nicht zu Gesicht stehenden Maske des Revolutionärs aufgetreten.
Es muß nachdenklich stimmen, so konservative
Leute plötzlich unter den Revolutionären zu sehen.
Das Nachdenken führt zu der Vermutung, daß die feurigen Fortschrittler im bürgerlichen Lager eine andere Vorstellung von Europa haben als wir.
Vielleicht bewegen sie auch ganz andere Motive als uns,
und vielleicht rührt daher die Differenz im Tempo und in der Methode.
Wir haben es gar nicht nötig, uns gegen den Vorwurf zur. Wehr zu setzen, schlechtere Europäer zu
sein als die Neo-Europäer des bürgerlichen Lagers.
Wir haben schon nach der internationalen Zusammenarbeit gerufen, als man im bürgerlichen Lager noch stramm national ausgerichtet das Zuchthaus für ,,die vaterlandslosen Gesellen" verlangt hat.
Gerade weil wir Europa wollen, sind wir voll Sorgen über den Weg, der hier beschritten wird. Wir fürchten, daß am Ende dieses Weges nicht die Vereinigten Staaten von Europa, sondern die vereinigten Interessenten von Europa stehen
und daß die Völker sich enttäuscht vom Europa-Gedanken abwenden.
Denn unter Europa verstehen die Massen der europäischen Völker die Übertragung wesentlicher Teile
der nationalen Souveränität an eine übernationale
Autorität, die demokratisch gewählt und kontrolliert wird und die Aufgabe hat, den Lebensstandard der sich zusammenschließenden europäischen
Völker auf ein möglichst hohes Niveau zu heben.
Die organisatorischen Einrichtungen des Schumanplans müssen uns, wenn wir sie mit unserer Zielsetzung in Beziehung bringen, enttäuschen, und es gereicht uns nicht zum Trost, daß es sich beim Schumanplan um eine auf Kohle, Eisen und Stahl beschränkte Integration handelt. Denn wir wissen, daß man sich mit dem Gedanken trägt, die Zuständigkeit der Organe des Schumanplans durch die Übertragung neuer Aufgaben zu erweitern. Der Herr Bundeskanzler hat selbst in seiner Rede vom 12. Juli 1951 anläßlich der ersten Lesung des Gesetzes davon gesprochen und erklärt, man habe bei der Schaffung des Schumanplans daran gedacht,
auch ein Vorbild für weitere wirtschaftliche Integrationsverhandlungen in Europa zu geben.
Er hat auch im gleichen Zusammenhang von der
dynamischen Kraft des Schumanplans gesprochen.
Es ist also damit zu rechnen, daß dieses Muster einer europäischen Integration entweder durch Ausdehnung seiner Zuständigkeit oder als Modell für weitere Integrationen das Gesicht des vereinigten Europas bilden wird, und wir finden, daß dieses Gesicht häßliche und unausgeglichene Züge trägt. Betrachten wir es im einzelnen!
Oberste Verwaltungsinstanz ist die Hohe Behörde. Sie soll eine über den Nationen stehende Behörde sein, also kein internationales koordinierendes, sondern ein supranationales regierendes oder mindestens verwaltendes Gremium. Der supranationale Charakter der Hohen Behörde ist zwar in den Vertragsbestimmungen festgelegt, und die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, diesen Charakter zu achten und nichts zu unternehmen, um die Mitglieder der Hohen Behörde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu beeinflussen. Mein Parteifreund Carlo Schmid hat schon bei der ersten Lesung mit überzeugenden Argumenten darauf hingewiesen, daß der supranationale Charakter der Hohen Behörde in Frage gestellt ist. Er wird nicht mehr sein als ein vertraglich festgelegter Wunsch. Ohne den guten Willen der Mitglieder der Hohen Behörde in Zweifel zu ziehen, wird man voraussagen können, daß nach den Erfahrungen mit international zusammengesetzten Gremien kaum jemand über seinen nationalen Schatten springen wird. Das wird man mit um so mehr Recht prophezeien können, als die Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen der Hohen Behörde häufig mit weittragenden Folgen für die Wirtschaft der vertragschließenden Völker verbunden sein werden und kein Mitglied die Folgen für seine Nation bei seiner Entschließung außer acht lassen oder beiseite schieben wird.
Wenn man das bei wechselnden Interessenlagen und daraus folgenden wechselnden Mehrheitsbildungen vielleicht noch hinnehmen könnte, so ist aber die Situation bei der Verwaltung von Kohle, Stahl und Eicen unerträglich; denn hier sind in den meisten Fällen die Interessen der anderen Teilnehmerstaaten einheitlich gegen die deutschen Interessen gerichtet, so daß der Berichterstatter bei der Debatte über den Schumanplan in der französischen Kammer, worauf schon hingewiesen worden ist, mit Recht gesagt hat, die Zusammensetzung der Hohen Behörde für Frankreich sei nicht ungünstiger als die der Internationalen Ruhrbehörde. Der Vertrag macht keinen Versuch, durch die Bildung der Hohen Behörde dem einzelnen Mitglied die ohnehin nicht leichte Zurückstellung nationaler Rücksichten zu erleichtern; denn die Mitglieder der Hohen Behörde werden nicht etwa von der Gemeinsamen Versammlung gewählt, sondern im wesentlichen von den Regierungen ernannt und müssen Mitglieder der vertragschließenden Staaten sein. Das gibt den Regierungen die Möglichkeit, standfeste Vertreter ihrer Interessen auszuwählen. Die Möglichkeit, nach Ablauf der Amtszeit wiedergewählt zu werden, sowie die Wiederwahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten, die ebenfalls nach dem Vertrag möglich sind, sind auch nicht gerade ein Anreiz für das Mitglied, sich mit der Regierung, die es berufen hat und die es wieder berufen soll, zu überwerfen. Es scheint mir deshalb keine Übertreibung zu sein, in der Bezeichnung der Hohen Behörde als übernationales Organ eine Fiktion zu sehen, die für Deutschland verhängnisvoll werden kann,
weil das ganze Vertrauen, das man auf die europäische Funktion des Schumanplans setzt 'und auch von uns verlangt, auf dieser Fiktion aufgebaut ist. Denn dieser Behörde werden für die Entwicklung unserer Volkswirtschaft entscheidende Befugnisse übertragen. Sie entscheidet über die Verteilung finanzieller Hilfe, über die Investitionen — wobei das immer unbenommene Recht der Selbstfinanzierung eines Unternehmens für uns bei der Finanzlage vieler unserer Unternehmen, ihrem Zustand, ihrem Nachholbedarf kein Trost sein kann —, über die Regelung der Erzeugung, über die Maßnahmen im Falle von Krisen durch Überproduktion oder bei Mangellagen, über die diskriminierenden Preise und die Einführung von Höchst- oder Mindestpreisen.
Wir geben den Schlüssel zu unserer Volkswirtschaft und damit die Entscheidung über den Lebensstandard und die soziale Entwicklung in der Bundesrepublik — nicht auf Diktat von Siegermächten, sondern freiwillig — aus unserer Hand und legen ihn nicht in die Hände einer europäischen, demokratisch gebildeten und kontrollierten Regierung, sondern in die Hände der Vertreter von Regierungen deren Interessen nur selten mit den unsrigen konform sind.
Auch wir wollen, daß Deutschland seine wirtschaftliche Kraft an der Ruhr nie mehr mißbraucht.
Auch wir sind Gegner jeglichen Totalitarismus.
Auch wir wünschen, daß das Siegerrecht in
Deutschland dem Vertragsrecht weicht. Wir sind
aber nicht bereit, dafür den Kaufpreis der Selbstentmannung der deutschen Wirtschaft zu bezahlen.
Wir sind bereit, unsere wirtschaftliche Kraft unter die Souveränität eines vereinten Europa zu stellen, aber wir sind nicht bereit, die Vereinigung Europas für die anderen Völker dadurch uninteressant zu machen, daß wir unser Einbringen vorher verschenken.
Wenn jemand noch zu hoffen wagte, daß die Hohe Behörde tatsächlich eine übernationale Instanz sei oder sich zu einer solchen entwickeln werde und daß der Schumanplan ein Grundstein zu einer übernationalen europäischen Organisation sei, so mußte durch die Einführung des Ministerrats die letzte Hoffnung schwinden. Die Einführung dieses zweiten Organs, das der Wahrnehmung der nationalen Interessen der Mitgliedstaaten dient, wird eine weitere Erschwerung supranationaler Entscheidungen bringen, zumal dieses Organ nicht nur das Recht auf Anhörung hat, sondern in einer Reihe wichtiger Fälle der Entscheidung der Hohen Behörde zustimmen muß, um sie rechtsgültig zu machen, ja. sogar in einigen Fällen selbst zur Entscheidung berufen ist. Da nicht in allen Fällen der Mitwirkung des Rates einstimmige Beschlußfassung gefordert wird, ist auch hier bei der Unterschiedlichkeit. ja Gegensätzlichkeit der- Interessenlage die Bildung einer Mehrheitsfront gegen Deutschland wahrscheinlich. Bei dieser Interessenlage ist
es wahrhaftig kein Trost für uns, daß Deutschland und Frankreich zusammen nicht von den anderen Mächten überstimmt werden können.
Der Schumanplan ist keine demokratische Organisation. Es besteht zwar nach dem Plan die Einrichtung der Gemeinsamen Versammlung, die sich aus 78 Abgeordneten zusammensetzt. Davon stellt Deutschland 18. Ebenso wie die Hohe Behörde nur scheinbar eine übernationale Organisation ist, ist diese Versammlung nur scheinbar eine demokratische Einrichtung. Wenn man sich die Rechte dieses Organs genauer ansieht, muß man den Mut bewundern, eine solche Einrichtung überhaupt mit dem Begriff der Demokratie in Verbindung zu bringen. Uns erfaßt die Sorge um die demokratische Gestaltung des europäischen Zusammenschlusses, wenn die Anfänge so aussehen. Schon die wesentliche Aufgabe eines Parlaments, die Regierung zu bilden, ist dieser Versammlung entzogen; denn die Hohe Behörde wird bekanntlich im wesentlichen von den Regierungen ernannt. Die Versammlung besitzt aber auch nur ein sehr eingeschränktes, praktisch kaum in Betracht kommendes Recht, die Hohe Behörde durch ein Mißtrauensvotum zu stürzen. Dieses Recht steht der Versammlung, wenn . ich den Art. 24 richtig verstehe, nur für den einen Fall zu, daß auf Grund des Jahresberichts ein Mißtrauensantrag eingebracht wird. Also nur die Kritik an den Berichten über die Geschäftsführung der Vergangenheit, nicht etwa die Kritik an den Zukunftsplänen kann zum Sturz der Hohen Behörde führen. Damit entfällt eine echte Einflußmöglichkeit der Versammlung auf die Politik der Hohen Behörde. Daß die Ausübung dieses kümmerlichen Rechts noch an die Erschwerung einer qualifizierten Mehrheit, nämlich einer Zweidrittelmehrheit der Abstimmenden und der einfachen Mehrheit der Mitglieder der Versammlung, geknüpft ist, gehört zum Bild der Entmachtung des einzigen, scheinbar demokratischen Organs der Montan-Union. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, daß das Mißtrauensvotum den Gesamtrücktritt der Hohen Behörde zur Folge hat, eine Folge, die 'den Entschluß der Versammlung sicher nicht gerade erleichtern wird.
Welche Wirkung hat nun dieses einmalige Recht, das Mißtrauen auszusprechen? Wie schon gesagt, muß die Hohe Behörde zurücktreten. Sie führt aber die Geschäfte bis zur ihrer Ablösung durch eine neue Hohe Behörde weiter. Die neue Hohe Behörde wird wiederum von den beteiligten Regierungen, nicht von der Versammlung ernannt. Das kann bedeuten, daß die Regierungen dieselben Personen, die eben zurückgetreten sind, erneut in die Hohe Behörde berufen. Wenn gelegentlich der Erörterung dieser Frage darauf hingewiesen worden ist, daß eine solche Möglichkeit auch in gewissen anderen demokratischen Ordnungen theoretisch bestehe und daß es in einem solchen Falle eben Sache des Parlaments sei, eine solche Mißachtung seines' Willens mit einem erneuten Mißtrauensantrag zu beantworten, so ist zu bemerken, daß dieser Vergleich hier nicht gestattet ist. Denn dieses Recht eines echten Parlaments, einer Mißachtung seines Willens durch ein zweites Mißtrauensvotum zu trotzen, steht der Versammlung der Montan-Union nicht zu. Sie hat nur ein einmaliges Recht auf ein Mißtrauensvotum auf Grund des Geschäftsberichts den Behörde über das vergangene Jahr. Sie hat kein Recht, einer erneut gebildeten Hohen Behörde — und wenn es dieselbe ist, der sie gerade das Mißtrauen ausgesprochen hat! ein erneutes Mißtrauen auszusprechen. Damit muß sie warten, bis nach einem Jahr die neue Hohe Behörde — in Wirklichkeit die alte Hohe Behörde — wieder einen Geschäftsbericht vorlegt. Dann kann sich das Spiel ad infinitum wiederholen.
Bedenkt man schließlich noch, daß die Versammlung ja nur einmal im Jahr zusammentritt — abgesehen von dem Recht auf außerordentliche Sitzungen —, daß ihr keinerlei Initiativrecht und ein Legislativrecht geradezu bemitleidenswerten Ausmaßes nur im Falle der sogenannten kleinen Revision übertragen ist, daß ihr das entscheidende Recht jedes Parlaments, das Etatsrecht fehlt, dann wird man mir nicht widersprechen können, wenn ich feststelle: das ist kein Parlament, das ist eine Empfangsstation für Jahresberichte,
das ist keine Demokratie, sondern eine falsche Flagge, unter der sich die Interessenten europäischer Länder zusammengeschlossen haben und unter der sie sich der demokratischen Kontrolle im eigenen Land weitgehend entziehen werden.
Im Interesse Europas und seiner echten demokratischen Integration müssen wir unsere Zustimmung versagen, daß am Anfang des Weges nach Europa zur Täuschung der Völker eine scheindemokratische Attrappe aufgestellt wird.
Hier wird nicht, wie es euphemistisch ausgedrückt worden ist, ein europäischer Teilbundesstaat errichtet, sondern hier handelt es sich, wie es schon einmal brutal ausgesprcohen worden ist, um den Zusammenschluß nationaler Manager mit Berichterstattungspflichten. Die Hoheitsaufgaben, die ihnen durch die vertragschließenden Staaten übertragen werden, werden der nationalen Kontrolle entzogen, ohne gleichzeitig einer übernationalen demokratischen Kontrolle unterworfen zu werden.
Wenn man schließlich bedenkt, daß es in Art. 48 Abs. 3 der Hohen Behörde geradezu zur Pflicht gemacht worden ist, sich zur Durchführung ihrer Aufgaben der Erzeugerverbände zu bedienen, so wird der Optimismus des Herrn Kollegen Henle und sein Mut zu Neuem, zu dem er uns auffordert, verständlich, und man begreift, warum er sich die Jakobinermütze der Revolution aufs Haupt zieht. Aber es ist eine Revolution nach rückwärts, die sich unter Vorantragen der Europafahne vollziehen soll.
An dieser Stelle drängen sich die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes auf. Dazu folgende Erwägungen. Der demokratische Charakter d'er Bundesrepublik ist in Art. 20 des Grundgesetzes verankert, er ist durch Art. 79 des Grundgesetzes sogar der Verfassungsänderung entzogen. Selbst wenn man einmal unterstellt, daß die Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 24 an über-\
ationale oder zwischenstaatliche Einrichtungen auch in diesem Falle zulässig ist, ist eine solche Übertragung nach dem unabänderlichen Grundsatz der demokratischen Gestaltung der Bundesrepublik
doch nur an eine zwischenstaatliche demokratische Einrichtung zulässig.
Die Organe der Montan-Union sind aber, wie ich glaube nachgewiesen zu haben, auch bei weitester Auslegung des Begriffs nicht als demokratisch zu bezeichnen.
Es erscheint mir mit dem Grundgesetz nicht vereinbar zu sein, daß wir den demokratischen Charakter der Bundesrepublik durch Übertragung bisher demokratisch kontrollierter Hoheitsrechte an undemokratische internationale Einrichtungen verfälschen.
Ein zweites Argument gegen die Verfassungsmäßigkeit: Das Grundgesetz garantiert den föderativen Charakter der Bundesrepublik. Die Zuständigkeiten der föderierten deutschen Länder sind im Grundgesetz festgelegt und können nicht durch einfaches Gesetz geändert werden. Immer die Anwendbarkeit ides Art. 24 des Grundgesetzes vorausgesetzt, bedeutet die Übertragung der nationalen Hoheitsrechte an die Hohe Behörde die Übertragung von Länderkompetenzen, z. B. der konkurrierenden Gesetzgebung,
der Aufgaben auf dem Gebiet der Verwaltung und der Rechtsprechung. Man soll hier den Anfängen widerstehen.
Das Beispiel könnte gefährliche Folgen haben, mit der Wirkung, daß durch zunehmende Aushöhlung der Länderkompetenzen der föderative Charakter der Bundesrepublik gestört, wenn nicht zerstört wird.
Es gibt Parteien in diesem Hause, 'die von der Wahrung der Länderinteressen leben. Sie sollen achtgeben, daß sie sich nicht durch Zustimmung zum Schumanplan die Grundlagen ihrer Existenz nehmen.
Ein drittes Argument will ich der Vollständigkeit halber nur erwähnen; es wird ausführlicher von meinem Parteifreund Wehner behandelt werden. Es ist die Unvereinbarkeit des Schumanplans mit der sich aus dem Grundgesetz ergebenden Vorstellung von der fortdauernden Existenz des Deutschen Reiches und der sich daraus ergebenden Aufgabe der faktischen Wiedervereinigung.
Schließlich ein letztes Argument für die Verfassungswidrigkeit. Der Art. 24 des Grundgesetzes gestattet die Übertragung von Hoheitsrechten an zwischenstaatliche Einrichtungen. Damit können nur solche Hoheitsrechte gemeint sein, die dem Bund zustehen, schon nach dem :Rechtssatz, daß niemand mehr Rechte übertragen kann, als er selbst besitzt. Daß Art. 24 nur Bundeshoheitsrechte meint, ergibt sich auch aus dem Abs. 2 dieses Artikels, der ausdrücklich von Rechten Ides Bundes spricht und nach den Kommentaren lediglich als Unterfall des Absatzes 1 des Art. 24 anzusehen ist. Schließlich ergibt sich die Auslegung, daß hier nur Bundesrechte gemeint sein können, aus dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik und der verfassungsmäßigen Garantierung dieses Aufbaues.
Ich würde mich freuen, wenn zu dieser Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes 'diesmal der zuständige Minister und nicht ein Beamter des Bundeskanzleramtes, wie in den Fragen der Wirtschaftspolitik, Stellung nehmen würde.
Wer schon bereit ist, sich über alle hier vorgetragenen, von der Regierung nicht abgestrittenen Bedenken gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen des Schumanplans hinwegzusetzen, der sollte vor den Schranken haltmachen, die wir uns im Grundgesetz selbst gezogen haben.
Nun noch ein Wort zur Frage der Mitwirkung der Arbeitnehmer in den Organen des Schumanplans. In diesem Hause ist das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Betrieben von Kohle und Stahl beschlossen worden, weil das Parlament von der Notwendigkeit der Beteiligung der Arbeitnehmer auch an den wirtschaftspolitischen Entscheidungen dieser Betriebe überzeugt war. Im Schumanplan ist von diesem neuen Geist, ohne den Europa auf die Dauer nicht wirksam integriert werden kann, kaum ein Hauch zu verspüren. Nur im Beratenden Ausschuß der Hohen Behörde, dessen Bedeutungslosigkeit schon der Name ausdrückt, ist von einer Beteiligung der Arbeitnehmer mit ganzen 25 % die Rede. Auch hier zeigt sich, daß die Vorstellung von Europa bei denen, die den Schumanplan wollen, von der unsrigen grundverschieden ist.
Mit besonderem Nachdruck wird gegenüber den Einwendungen und Hinweisen auf die Deutschland drohenden Gefahren von den Anhängern des Schumanplans auf den Gerichtshof verwiesen, der dazu berufen sei, über die Verwirklichung des Vertragsinhaltes zu wachen. Wir vermögen uns mit diesem Hinweis nicht zu beruhigen. Die gleichen Bedenken, die von mir gegen die supranationale Funktion der Hohen Behörde vorgetragen sind, gelten auch für die Mitglieder des Gerichtshofes, ohne daß damit der ehrliche Wille zur Objektivität in Zweifel gezogen werden will; aber auch diese Richter werden kaum über ihren nationalen Schatten springen können und werden nie die erheblichen Auswirkungen ihrer auf wirtschaftlichem Gebiet liegenden Entscheidungen auf ihre eigene Nation aus den Augen verlieren.
Es kommt hinzu, daß im Schumanplan dem Gericht Aufgaben übertragen werden, die gar nicht Aufgaben eines Gerichtes sein können.
Gerichte sind berufen, Tatbestände unter Rechtssätze zu subsumieren. Wenn aber ein Gericht angerufen wird, schwierige wirtschaftspolitische Entscheidungen nicht nur auf die Kompetenz oder Formgerechtigkeit, sondern auch auf etwaigen Ermessensmißbrauch zu untersuchen, so hat es das Gericht viel schwerer, mit einer solchen Aufgabe fertigzuwerden; denn wo nimmt ein solches Gericht die Maßstäbe her? Selbst wenn ihm bei der Prüfung des Ermessensmißbrauchs ausnahmsweise die Würdigung der auf wirtschaftlichen Tatsachen und Umständen beruhenden Verhältnisse gestattet ist, so weiß doch jeder, der mit wirtschaftlichen Fragen vertraut ist, wie unterschiedlich wirtschaftliche Verhältnisse zu beurteilen sind, so daß in der Vielzahl der Fälle ein Mißbrauch des Ermessens einfach nicht feststellbar ist, oder aber es werden nationalwirtschaftspolitische Maßstäbe bei der Prüfung des Ermessens sich einschleichen. Man soll also die Hoffnung auf den Gerichtshof nicht
überbewerten; er wird nicht in der Lage sein, die Mängel der Konstruktion und die Gefahr einer deutschen Majorisierung zu beseitigen.
Bei der Würdigung der Bedeutung des Gerichtshofs ist ferner zu beachten, daß die ihm zur Verfügung stehenden Zwangsmittel außerordentlich bescheiden sind. Der Herr Berichterstatter hat mit besonderem Nachdruck auf die Möglichkeit von Schadensersatzforderungen hingewiesen und sieht darin offenbar ein besonders wirksames Vollstreckungsmittel. Demgegenüber ist zunächst darauf zu verweisen, daß Schadensersatzansprüche nach Art. 40 grundsätzlich nur im Falle von Dienstfehlern bestehen. Nur im Falle der Aufhebung der Entscheidung der Hohen Behörde im Wege der Nichtigkeitsklage kann allgemein Schadensersatz gefordert werden, wenn die Behörde nicht die notwendigen Maßnahmen ergreift. Das gilt aber — und da unterscheide ich mich vom Herrn Berichterstatter — nicht in dem besonders wichtigen Fall des Art. 37, der die Anfechtung im Falle der Störung der Wirtschaft eines Mitgliedstaates behandelt. In diesem Fall ist, wie mir scheint, ein Schadensersatzanspruch im Gegensatz zu Art. 34 nicht gegeben; und gerade in diesem Fall hat der Herr Berichterstatter zu unserer „Beruhigung" auf die Möglichkeit der Schadensersatzforderung hingewiesen.
Im übrigen frage ich, aus welchen Mitteln die Gemeinschaft Schadensersatzforderungen begleichen will.
— Ja, einen Augenblick. Sie hat als Finanzierungsquelle nach Art. 49 nur die Umlage und die Anleihen. Die Anleihen dürfen nur zur Gewährung von Krediten verwendet werden. Die Umlagen aber, die durch die Belastung der Erzeugnisse erhoben werden, treffen am stärksten die Bundesrepublik, so daß wir keinen Grund haben, das Zwangsmittel des Schadensersatzes als eine besondere Beruhigung zu empfinden.
Der Herr Abgeordnete Stegner hat dargetan, der Unterschied in der Diskussion und in der Stellungnahme zum Schumanplan ergebe sich daraus, daß die Opposition und die Regierungsparteien den Schumanplan von verschiedenen Standpunkten aus betrachten, die Opposition vom Standpunkt einer statischen, d' e Regierungsparteien vom Standpunkt einer dynamischen Betrachtung aus. Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist gerade umgekehrt;
denn wenn man von einer statischen Betrachtung
ausgeht, wie das der Opposition unterstellt wird,
dann muß man j a zu dem Ergebnis kommen, daß
die Einrichtungen, die hier zum Nachteil Deutschlands bestehen. unabänderlich sind, daß die Ruhrbehörde, daß die Kontrollorgan'sationen, und was
immer an Einrichtungen geschaffen worden ist, unabänderliche Tatsachen sind, die nur durch die
Außenpolitik der Bundesregierung beseitgt werden können. Wir gehen von einer ganz anderen Erwägung aus. Wir sind der Auffassung, daß die
Fortschritte, über die sich der Herr Kollege
Stegner heute ausgesprochen hat, die ihm vor
sechs Jahren noch völlig unwahrscheinlich erschienen sind, nicht auf die „dynamische" Außenpolitik der Bindesregierung, sondern auf die Dynamik der Verhältnsse in der Welt zurückzuführen sind; diese hat uns diese Vorteile verschafft.
Wenn wir auf diese Dynamik weiter vertrauen — und darauf vertrauen wir mehr als auf die Dynamik der Außenpolitik der Bundesregierung —, dann wird uns manches in den Schoß fallen, was wir heute mit dem Schumanplan unter Aufgabe wichtiger wirtschaftspolitischer Souveränitäten in unserem Land erreichen wollen.
Deswegen warne ich davor, sich mit dem von Herrn Abgeordneten Stegner entwickelten Gedankengang für den Schumanplan auszusprechen. Warten Sie die Entwicklung ab! Die Dinge werden ebenso reifen, wie die anderen Dinge herangereift sind,
und wir werden auf diesem Wege nicht nur Deutschland, sondern Europa einen Dienst erweisen.