Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wird vermutlich morgen ihre Stimme gegen die Montanunion abgeben. Die kommunistische Fraktion wird ebenfalls ihre Stimme gegen die Montanunion abgeben. Diese Übereinstimmung entspricht den Erwartungen von Millionen deutscher Arbeiter, von Millionen Menschen draußen im Lande, die die verhängnisvolle Rolle des Schumanplans erkannt haben und sich mit ihrer ganzen Kraft dagegen wehren, daß er zu einem deutschen Gesetz gemacht wird. Trotz dieser Übereinstimmung in der Stimm, abgabe sehe ich mich genötigt, mich mit einigen Argumenten der sozialdemokratischen Fraktion auseinanderzusetzen, weil ich sie nicht für. geeignet halte, den Widerstand der Bevölkerung wachzurufen und den Schumanplan unmöglich zu machen.
Die Kritik der sozialdemokratischen Fraktion ist auf eine Linie ausgerichtet, die den entscheidenden Charakter der Montanunion außer acht läßt. Sie wendet sich gegen die angebliche Benachteiligung der deutschen Kohle- und Stahlherren gegenüber den französischen. Die Herren Schoettle und Henßler haben sich mit großem Aufwand an Argumenten gegen den sogenannten Nationalegoismus gewandt, wie er in den Reden verschiedener französischer Kammerabgeordneten zum Ausdruck gekommen sei. Herr Henßler hat sich darüber hinaus gegen die Diskriminierung, wie er sagte, der deutschen Kohle- und Stahlindustrie gewandt, die er im Fortbestehen des Gesetzes Nr. 27 sieht, was er als eine Fortsetzung der Strafpolitik der westlichen Alliierten gegenüber Westdeutschland bezeichnet. Schließlich wandten sich sowohl Schoettle wie Henßler gegen die mögliche Ausbeutung der westdeutschen Spitzenproduktion an Steinkohle und gegen die Gefahr, daß sich aus dieser Produktionssituation ein Nachteil für die deutsche und ein Vorteil für die französische Wirtschaft ergebe. Herr Kollege Schöne hat sich gegen die, wie er sagte, übermäßige Dekonzentration auf dem Gebiete der deutschen Kohle-, Eisen- und Stahlindustrie gewandt und hat sie mit dem Prozeß der fortlaufenden Konzentration dieser Industrien in Frankreich verglichen. Er hat uns die in Frankreich und in anderen Ländern der Montanunion in den letzten Jahren vollzogene Konzentration als ein Beispiel dargestellt, dem nachzueifern Westdeutschland bisher versagt geblieben sei. Schließlich hat der Kollege Imig die vorgesehen Auflösung des westdeutschen Kohlenverkaufssyndikats beanstandet und sie als ein großes Unrecht bezeichnet. Er verwies auf die große Tradition dieses Syndikats, auf die sechs Jahrzehnte seines Bestehens, und ich meine, es hätte nur noch gefehlt, daß er auch der glorreichen Vergangenheit des Ruhrkohlensyndikats in der Zeit der unmittelbaren Vorbereitung des Hitlerregimes gedacht hätte, jener Zeit also, in der sich die Mitglieder des Ruhrkohlensyndikats verpfiichtet hatten, pro Tonne geförderter Kohle 5 Pfennige für die Parteikasse Adolf Hitlers abzuführen.
Ich kann auch die Kritik des Herrn Kollegen Dr. Veit nicht als auf den Kern der Sache gerichtet anerkennen. Seine Kritik an der undemokratischen Struktur der Organe der Montanunion ist zwar berechtigt, doch genügt es nicht, bei einer Kritik an den Organen stehenzubleiben, sondern man muß prüfen, zu welchem höheren politischen, wirtschaftlichen und militärischen Zweck diese Organe geschaffen und warum sie gerade in derart undemokratischer Weise konstruiert worden sind.
Ich meine, diese Argumente haben eine merkwürdige Übereinstimmung mit den Forderungen des sozialdemokratischen Antrags, den die Regierungsparteien jetzt als überholt bezeichnen. Ich meine z. B. ihre Bedingung für die Annahme des Schumanplans, die in der Forderung bestand, daß das Ruhrstatut zu fallen habe. Nun, die Herren Erfinder der Montanunion hätten sich gar nichts vergeben, wenn sie schon früher dieser Forderung der Sozialdemokraten nachgegeben hätten; denn was sie jetzt mit der Hohen Behörde geschaffen haben, ist zehnmal wirksamer als das Ruhrstatut. Es bringt den eigentlichen Urhebern der Montanunion, den amerikanischen Imperialisten, zusätzlich noch den Vorteil ein, daß die bisherigen britischen Mitsprecher in dem Lenkungsorgan für die westeuropäische Montanindustrie nunmehr ausgeschaltet werden.
Gegenüber dieser halben Kritik der sozialdemokratischen Fraktion halte ich einige Feststellungen für angebracht. Erstens: was will man eigentlich mit dieser bewegten Klage gegen die französischen Konzernherren und ihre politischen Advokaten in der französischen Kammer? Sozialisten oder ehemalige Sozialisten sollten doch der historisch erwiesenen Tatsache eingedenk sein, daß sich imperialistische Räuber gegenseitig betrügen und totzuschlagen versuchen, selbst dann, wenn sie sich zeitweilig in einem Kartell zusammenfinden.
Im Prinzip sagen Sie zu diesem System j a. Im Prinzip haben ja auch die französischen Parteifreunde der sozialdemokratischen Fraktion ja gesagt. Ich wundere mich, warum in der Kritik der sozialdemokratischen Abgeordneten die Haltung der Fraktion der SFIO, der sozialdemokratischen Partei, in der französischen Kammer bei der Abstimmung über den Schumanplan nicht erwähnt worden ist.
Zweitens: was soll die Aufzählung der triumphierenden Zitate aus der Debatte der französischen Kammer? Herr Abgeordneter Henßler — —