Rede von
Alfred
Loritz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(Fraktionslos)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)
Meine Damen und Herren! Als ich gerade die Rede des Herrn Staatssekretärs hörte, da dachte ich, ich könnte vielleicht nicht mehr lesen. Aber ich habe mich unterdessen davon überzeugt, daß anscheinend der Herr Staatssekretär Hallstein das nicht mehr kann und daß e r die einzelnen Bestimmungen des Schumanplans nicht genügend im Kopfe hat. Ich habe mir wortwörtlich mitgeschrieben, was er sagte. Er sagte während seiner Ausführungen, „es sei der Hohen Behörde nicht gestattet, durch Befehle oder Verbote" — ich habe wörtlich mitgeschrieben — „in den Absatzvorgang einzugreifen". Lesen Sie sich doch bitte, Herr Dr. Hallstein, einmal die ausdrücklichen Bestimmungen des Schumanplans hier durch! Lesen Sie mal, was da drin steht!
Fangen wir gleich mal mit dem Art. 47 an, der einer der Hauptpfeiler des Absatzes „Wirtschafts-und Sozialbestimmungen" ist. Lesen Sie doch hier zuerst die Generalklausel:
Die Hohe Behörde kann die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Auskünfte einholen. Sie kann die erforderlichen Nachprüfungen vornehmen lassen.
Und so weiter.
— Warten Sie nur in Ihrem jugendlichen Ungestüm! Sie werden den nächsten Satz gleich hören: Diejenigen, die das nicht tun, riskieren, daß die Hohe Behörde gegen Unternehmen, die ihren Verpflichtungen aus Entscheidungen, die in Durchführung der Bestimmungen des Artikel erlassen worden sind, nicht nachkommen, Strafen bis zum Betrag von 1 % des Jahresumsatzes festsetzt und Zwangsgelder bis zum Höchstbetrag von 5 % des durchschnittlichen Tagesumsatzes für jeden Tag des Verzugs. Ist das keine Hinderung der betreffenden Unternehmen? Ist das kein Eingriff in die Produktion?
Herr Staatssekretär, ich weiß bald nicht mehr, was ich dazu noch sagen soll,
wenn ein prominenter Vertreter der Regierung
wie Sie uns diesen Artikel absichtlich nicht zitiert.
Oder nehmen Sie mal den /Art. 66 vor, in dem es heißt, daß die Hohe Behörde Geldbußen bis zum Betrag von 3 oder 10 oder 15 % der Höhe der Vermögenswerte festsetzen kann. Die Hohe Behörde kann Durchführungsmaßnahmen ergreifen, wenn die Beteiligten ihren angeblichen Verpflichtungen nicht nachkommen; sie kann einen Treuhänder für jede einzelne private Fabrik ernennen lassen, sie kann einen Zwangsverkauf für jedes private Unternehmen vornehmen. Damit verstößt sie gegen die Grundsätze unserer Bundesverfassung, die für jeden das Recht des Eigentums garantiert, das nur durch Richterspruch aberkannt werden kann. Sie — die Schumanplan-Behörde — kann alle Rechtsgeschäfte, die von irgendeinem Unternehmen vorgenommen worden sind, für nichtig erklären.