Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Feststellungen, die ich hier vorhin zu der wirtschaftlichen Seite des Planes getroffen habe, noch einiges hinzufügen. Ich möchte betonen, daß wir bei Vorhandensein gleicher Voraussetzungen und bei Herstellung einer wirklichen Gleichberechtigung dem Vertrag durchaus zustimmen könnten, und zwar um so mehr, als wir davon überzeugt sind, daß sich die deutsche Wirtschaft bei dem Einbau in das geplante System auf Grund ihres Fleißes recht bald durchsetzen würde.
Wenn man bedenkt, mit welchen Zielen die Alliierten seinerzeit nach Deutschland kamen und wie ungeheuerlich die Zerstörungen durch den Krieg und die Verhältnisse der Nachkriegsjahre waren, dann erscheint es beinahe als ein Wunder, wie unsere Situation heute aussieht. Die Schaffenskraft des deutschen Volkes und der deutschen Wirtschaft ist ungebrochen. Die Tatsache, daß wir fleißiger als manche anderen Völker sind, läßt uns in vieler Beziehung mit Hoffnung in die Zukunft sehen.
Wir Deutschen könnten in den Vertrag durchaus mit der realen Hoffnung einsteigen, uns in der
Montan-Union durchzusetzen. Aber obwohl dies so ist, gibt es doch einen gewichtigen Grund, der uns die Annahme des Vertragswerkes zum gegenwärtigen Zeitpunkt als nicht Möglich erscheinen läßt.
Es ist bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, daß der Schumanplan nur ein erster Schritt auf einem Wege ist, dessen Linie dem Kanzler vielleicht, wenn auch nicht in seiner ganzen Konsequenz, klar ist, über den er sich aber zumindest beharrlich ausschweigt.
-- Wenn wir den Schumanplan annehmen, Herr Kollege Lücke, dann kommt als nächstes der Pleven-Plan, und nach Eingliederung des deutschen Wirtschaftspotentials in den Block des Westens kommt die Eingliederung der deutschen Soldaten in die Verteidigungsstreitkräfte des Westens, und als Abschluß steht dann die Eingliederung Deutschlands in den Atlantikpakt da. Ob wir nun in diesem Atlantikpakt mit Kontingenten einer Europa-Armee oder mit einer Nationalarmee sind, ist sachlich unerheblich; bestehen bleibt zumindest die Tatsache, daß wir bei jedem einzelnen dieser Schritte die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands — zunächst im Rahmen der vier Besatzungszonen — unmöglich machen. Die Wiederherstellung der Einheit der vier Besatzungszonen ist unseres Erachtens die Voraussetzung dafür, daß wir eines Tages die Ostgebiete zurückgewinnen. Der Bundeskanzler hat mehrfach erklärt, daß diese Politik der Wiederherstellung der deutschen Einheit einschließlich der deutschen Ostgebiete, unter denen wir die Gebiete von Memel bis Kattowitz verstehen, seine große Linie sei. An dieser Konzeption des Kanzlers müssen einige Zweifel geäußert werden; denn es würde ja eine Abkehr von einer sattsam bekannten klerikalen Politik bedeuten, die durch den Zustrom weiter protestantischer Teile Deutschlands zweifelsfrei geschwächt würde. Wenn aber der Herr Bundeskanzler diese Politik der Wiederherstellung der Einhut wirklich verfolgt, dann kann er sich aber unmöglich mit Haut und Haaren denen verschreiben, die alles mögliche von uns wollen, aber zweifellos nicht eine Wiederherstellung der Einheit Gesamtdeutschlands. Die Franzosen haben in der Kammer mehrfach ihre Angst vor der wirtschaftlichen Potenz Westdeutschlands bekanntgegeben. Es ist widersinnig, annehmen zu wollen, daß dieselben Franzosen eine Wiederherstellung der Einhut ganz Deutschlands haben möchten, das wirtschaftlich noch stärker ist als das jetzige restliche Westdeutschland. Die Franzosen haben vielmehr durch den Mund ihres Außenministers und anderer maßgeblicher Politiker mehrfach zu erkennen gegeben, daß sie sich diesen deutschen Wünschen nicht anzuschließen gedenken. Und bei den Engländern sind durchaus ähnliche Gedankengänge feststellbar. Auch dort findet man den derzeitigen Zustand außerordentlich prächtig, da man natürlich weiß, daß ein halbes Deutschland ein wesentlich angenehmerer Partner auf dem Weltmarkt ist als ein ganzes Deutschland. Hinsichtlich der Wiederherstellung einer deutschen Einheit werden wir vom Westen in der Zukunft noch viele platonische Erklärungen hören. Niemals werden wir aber eine Unterstützung in dieser Frage finden, die für uns Deutsche die Kernfrage überhaupt ist.
Von seiten der Koalition wird nun geltend gemacht, gerade die Eingliederung Westdeutschlands in das System des Schumanplans und der folgenden Militärunion biete die Voraussetzungen für die Wiederherstellung dieser deutschen Einheit. Meine Damen und Herren, wenn wir uns aber in der vorgesehenen Form in das System des Schumanplans eingliedern, verlieren wir automatisch jede Möglichkeit, mit dem Osten über Wirklichkeiten einer Wiedervereinigung zu sprechen. Herr Dr. Tillmanns hat sehr richtig gesagt, daß dies nur möglich ist, wenn sich beide Teile irgendwie über diese Dinge verständigen.
Unsere deutsche Kohle und unser deutscher Stahl gehen in einem Pakt auf, der seiner ganzen ursprünglichen Bestimmung nach nichts anderes sein kann als ein erster Schritt zu einer großen Aufrüstung. Die Sowjetunion — und das möchte ich Herrn Dr. Tillmanns sagen — hat sicherlich keinerlei Interesse daran, uns in. dieser Kernfrage irgendwelche Zugeständnisse zu machen, wenn wir fest mit den Westmächten verklammert sind, ohne Möglichkeiten eines eigenen Handelns — durchaus auf einer allgemeinen westlichen Linie—zu haben. Beides ist durchaus zu vereinbaren. Die Sowjets haben um so weniger Interesse an Zugeständnissen zur Wiederherstellung einer deutschen Einheit, als sie natürlich auch wissen, daß die Westmächte es mit ihren Beteuerungen, daß ja sie die Einheit Deutschlands wollten, nicht ernst meinen.
Eine Ratifizierung des Schumanplans in dieser Situation bedeutet nichts anderes, als daß wir Mitteldeutschland, die Sowjetzone, von den Ostgebieten ganz zu schweigen, auf unabsehbare Zeit abschreiben. Wenn erst eine Eingliederung Deutschlands in der vorgesehenen Form erfolgt ist, dann gibt es wahrscheinlich keine Möglichkeit mehr, diese Dinge auf friedlichem Wege rückgängig zu machen. Im Augenblick ist offenbar alles auf die Theorie zugeschnitten, daß eine, Eingliederung Deutschlands in die Aufrüstungspläne Amerikas das Heil der Welt bedeute. Es muß hier aber eines einmal ganz klar herausgestellt werden: daß es die deutsche Wehrmacht, die vor einigen Jahren vor den Toren Moskaus erschien, heute nicht mehr gibt. Zu ihrer Wiederherstellung fehlen auf psychologischem und materiellem Gebiet unseres Erachtens vorerst sämtliche Voraussetzungen. Ich glaube, daß die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes diese Dinge recht gut erkannt hat.
Deutschland gehört in seiner Grundhaltung, in seiner Kultur, in allem seinem Wesen absolut und, unverrückbar zum westlichen Kreise. Dies sollte man vor allen Dingen immer wieder Amerikanern' sagen, die ständig von Rapallo-Ängsten geplagt sind. Konkrete Maßnahmen und ein konkreter Druck auf die Westmächte zur Wiederherstellung einer Einheit zunächst der vier Besatzungszonen nützen dem weiteren Gang der Dinge mehr als 12 Divisionen, die im Ernstfalle allein das Schicksal eines Krieges von Deutschland auch nicht abwenden können.
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Propagierung der deutschen Einheit vom Osten her von A bis Z erlogen ist. Denn wir wissen auch, was Sie sich unter dieser Einheit vorstellen. Vergessen wir aber nicht, daß es neben den Drahtpuppen und kommandierten Schreihälsen des Kreml auch noch durchaus reale politische Interessen des Ostens gibt, Interessen, für die man offenkundig bereit ist, taktische Zugeständnisse zu machen. Taktische Zugeständnisse ließen sich je-
doch, wenn die westdeutsche Regierung dazu in der Lage wäre, d. h. wenn sie so gerissen wäre, wie es der Kreml ist,
was füglich zu bezweifeln ist, zu politischen Vorteilen ausgestalten.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat in dieser Beziehung — das ist hier mehrfach gesagt worden — —
— Ich bin nie der Anwalt von Herrn Renner gewesen, ich habe niemals Beziehungen zur KPD unterhalten. Viele Leute von Ihnen haben noch vor einem Jahr mit Mitgliedern der KPD in gemeinsamen Ausschüssen — nun, das Thema ist erledigt — zusammengesessen.
— Sie haben es schon bereut?
— Ich halte mich nicht zurück. Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, daß ich mich nicht zurückhalte; Ihnen gegenüber ganz bestimmt nicht!
Mein Damen und Herren, das Gesetz des Handeins war bisher immer noch bei anderen, aber nicht bei uns, die wir uns hier in Elogen ergangen haben Dies ist um so schlimmer, als die Hilfstruppen Moskaus in der Ostzone und auch hier Freund Renner gar keine Berechtigung haben, über diese Dinge ein Wort mitzureden. Notorische Landesverräter können zu diesem Komplex sowieso keine Erklärungen abgeben.
Meine Damen und Herren, wir sehen aber in der Verfolgung des Wegs, den der Herr Bundeskanzler eingeschlagen hat,
auch eine Entlastung der Westmächte von einer Verantwortung, die sie zu tragen haben:
Für den derzeitigen beklagenswerten Zustand unserer Situation
ist der Kreml keineswegs allein verantwortlich;
denn die Verantwortung des Westens führt von Jalta über Potsdam in einem geraden Wege bis heute. Beim Kreml weiß man, daß er grundsätzlich etwas Böses will,
beim Westen hört sich manches gut an, ist aber in bezug auf unsere nationalen Interessen häufig genau so böse gemeint.
Es ist erforderlich, zu erkennen, daß die Spanne, die uns heute von Jalta-Deutschland trennt, noch sehr, sehr klein ist.
Anläßlich der letzten außenpolitischen Debatte haben wir darauf hingewiesen, daß wir, wenn wir uns jede Möglichkeit direkter Maßnahmen und direkter Handlungen gegenüber dem Osten abschneiden, uns mitschuldig machen, wenn das terroristische System der Freunde des Herrn Renner in der Sowjetzone noch stärker ausgebaut wird und die Eingliederung der Sowjetzone, also Mitteldeutschlands, für alle Zeiten in den Machtblock des Kreml erfolgt.
Wie wollen Sie diesen Zustand jemals beseitigen? Ich habe noch keinerlei verbindliche Zusage von den Westmächten gehört, daß sie unsere Interessen im Osten als die ihren betrachten. Bisher war es— —
— Das überlasse ich Ihnen. Sie haben zweifelsfrei das a) größere Alter und b) richtigere Parteibuch.
Meine Damen und Herren, wie will man diesen Zustand jemals beseitigen? Ich habe gesagt, daß die Westmächte, insonderheit Frankreich, gar keine Interessen an einer deutschen Einheit haben. Um so mehr sollten wir aber dieses Interesse zum Leitfaden und zum bestimmenden Maßstab für alle Verhandlungen mit den Westmächten machen.
Die von der Bundesregierung bisher eingeschlagene Politik der Vorleistungen in der Hoffnung darauf, daß der Westen sie honorieren möge, nimmt uns nacheinander alle Trümpfe aus der Hand. Unsere einseitige Politik gibt auch einer au fond total verlogenen Propaganda des Ostens handfestes Material in die Hand.
— Ich fasse diese Bemerkung von dem „handfesten Material" so auf, daß Sie mit einem handfesten Gegenstand hier heraufkommen wollen, um mich herunterzujagen. Ich kann nur sagen, daß mein linker Arm kaputtgeschossen ist, mein rechter aber funktionsfähig ist.