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    Deutscher Bundestag — 183. Sitzung.- Bonn, Donnerstag, den 10. Januar 1952 7651 183. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. Januar 1952. Geschäftliche Mitteilungen . 7651D, 7779A, 7786C Übertritt des Abg. Dr. Fink von der Frak- tion der FU zur Fraktion der CDU/CSU 7652A Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nrn. 2401, 2484, 2950, zu 2950 der Drucksachen; Anträge Nrn. 2971, 2972, 2973, 2974, Umdrucke Nrn. 407, 408, 412) in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten und zweiten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2951 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 409) . . . 7652A Wirtschaftspolitische Fragen: Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes 7652B, 7675A Imig (SPD) 7655B Niebergall (KPD) 7659D Kalbitzer (SPD) 7661B Dr. Preusker ( FDP), als Berichterstatter 7665B Dr. Bertram (FU) 7666C Dr. Nölting (SPD) 7669C Loritz (Fraktionslos) 7677D Paul (Düsseldorf) (KPD) 7685D Müller (Frankfurt) (KPD) 7691D Stegner (FDP) '7697D Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 7702A Kuhlemann (DP) 7705B von Thadden (Fraktionslos) . . . 7706C Sozialpolitische Fragen, Rechtsfragen und allgemeinpolitische Fragen: Albers (CDU) 7710D Birkelbach (SPD) 7714B Harig (KPD) 7716C Grundmann (FDP) 7720D Heix (CDU) 7721D Dr. Wahl (CDU) 7723D Dr. Veit (SPD) 7726B Euler (FDP) 7730C Dr. von Merkatz (DP) 7734D Schoettle (SPD) 7739C Dr. Kreyssig (SPD) 7744A Fisch (KPD) 7747A Fürst zu Oettingen-Wallerstein (FU) 7753D Dr. Mommer (SPD) 7755D Wehner (SPD) 7762A Dr. Tillmanns (CDU) 7765D Dr. Hasemann (FDP) 7769C von Thadden (Fraktionslos) . . . 7771D Frau Strohbach (KPD) 7774B Loritz (Fraktionslos) 7776A zur Abstimmung: Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 7776C Goetzendorff (Fraktionslos) . . . 7777B Mellies (SPD) 7779B Abstimmungen 7777D, 7779C Namentliche Abstimmungen . 7778B, 7779B zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der dritten Beratung: Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 7780B Dr. Semler (CDU) 7784A Schröter (CDU) (zur Geschäftsordnung) 7785D Abstimmungen 7785D Ausschluß des Abg. Dr. Richter (Niedersachsen) wegen gröblicher Verletzung der Ordnung für drei Sitzungstage 7786C Nächste Sitzung 7779A, 7783D, 7786C Zusammenstellung der namentlichen Abstimmungen über Art. I des Entwurfs eines Gesetzes betr. den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2401 der Drucksachen) und über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD (Umdruck Nr. 407) zu dem gleichen Gesetzentwurf betr. Einfügung eines Art. I a 7787A Die Sitzung wird um 9 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Namentliche Abstimmungen 1. über Artikel I des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2401 der Drucksachen), 2. über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Umdruck Nr. 407). Name 1. I 2. Name 1 2. Abstimmung Abstimmung CDU/CSU Dr. Horlacher Ja Nein Horn Ja Nein Dr. Adenauer Ja Nein Huth Ja Nein Albers Ja Nein Dr. Jaeger Ja Nein Arndgen Ja Nein Junglas Ja Nein Bauereisen Ja Nein Kahn Ja Nein Bauknecht Ja Nein Kaiser Ja Nein Dr. Baur (Württemberg) . Ja Nein Karpf Ja Nein Bausch Ja Nein Dr. Kather Ja Nein Becker (Pirmasens) . . . . Ja Nein Kemmer Ja Nein Blank (Dortmund) . . . . Ja Nein Kemper Ja Nein Bodensteiner Ja Nein Kern Ja Nein Frau Brauksiepe Ja Nein Kiesinger Ja Nein Dr. von Brentano Ja Nein Dr. Kleindinst Ja Nein Brese Ja Nein Dr. Köhler Ja Nein Frau Dr. Brökelschen . . . Ja Nein Dr. Kopf Ja Nein Dr. Brönner Ja Nein Dr. Krone (Berlin) (Berlin) Brookmann Ja Nein Kühling Ja Nein Dr. Bucerius Ja Nein Kuntscher Ja Nein Frau Dietz Ja Nein Kunze Ja Nein Dr. Dresbach Ja Nein Dr. Laforet Ja Nein Eckstein — — Dr. Dr. h. c. Lehr . -- Nein Dr. Edert Ja Nein Leibfried Ja Nein Dr. Ehlers Ja Nein Lenz Ja Nein Ehren Ja Nein Leonhard Ja Nein Dr. Erhard Ja Nein ' Lücke Ja Nein Etzel (Duisburg) Ja Nein Majonica Ja Nein Etzenbach Ja Nein Massoth Ja Nein Even Ja Nein Mayer (Rheinland-Pfalz) . Ja Nein Feldmann Ja Nein Mehs Ja Nein Dr. Fink Ja Nein Mensing Ja Nein Dr. Frey Ja Nein Morgenthaler Ja Nein Fuchs Ja Nein Muckermann Ja Nein Dr. Freiherr von Fürsten- Mühlenberg Ja Nein berg Ja Nein Dr. Dr. Müller (Bonn) . . . Ja Nein Fürst Fugger von Glött . . Ja Nein Müller-Hermann Ja Nein Funk Ja Nein Naegel Ja Nein Gengler Ja Nein Neber Ja Nein Gerns . Ja Nein Nellen Ja Nein Dr. Gerstenmaier — — Neuburger Ja Nein Gibbert Ja Nein Nickl Ja Nein Giencke Ja Nein Frau Niggemeyer Ja Nein Dr. Glasmeyer Ja Nein Dr. Niklas — — Gliising entschuld. entschuld. Dr. Oesterle Ja Nein Gockeln Ja Nein Dr. Orth Ja Nein Dr. Götz Ja Nein Pelster Ja Nein Frau Dr. Gröwel Ja Nein Pfender Ja Nein Günther Ja Nein Dr. Pferdmenges Ja Nein Hagge Ja Nein Dr. Povel Ja Nein Frau Heiler Ja Nein Frau Dr. Probst Ja Nein Heix Ja Nein Dr. Pünder Ja Nein Dr. Henle Ja Nein Raestrup Ja Nein Hilbert Ja Nein Rahn Ja Nein Höfler Ja Nein Frau Dr. Rehling Ja Nein Hohl Ja Nein Frau Rösch Ja Nein Dr. Holzapfel Ja Nein Rümmele Ja Nein Hoogen Ja Nein Sabel Ja Nein Hoppe Ja Nein Schäffer Ja Nein Name 1. 2. Name 1. Abstimmung 2. Abstimmung Scharnberg Ja Nein Franke Nein Ja Dr. Schatz Ja Nein Freidhof Nein Ja Schill Ja Nein Freitag Nein Ja Schmitt (Mainz) Ja Nein Geritzmann Nein Ja Schmitz beurlaubt beurlaubt Gleisner Nein Ja Schmücker . . . . . . Ja Nein Görlinger . Nein Ja Dr. Schröder (Düsseldorf) . Ja Nein Graf Nein Ja Schröter Ja Nein Dr. Greve Nein Ja Schüttler Ja Nein Dr. Gülich Nein Ja Schütz Ja Nein Happe Nein Ja Schuler Ja Nein Heiland Nein Ja Schulze-Pellengahr . . . . Ja Nein Hennig Nein Ja Dr. 'Semler Ja Nein Henßler Nein Ja Dr. Serres Ja Nein Herrmann Nein Ja Siebel Ja Nein Hoecker Nein Ja Dr. Solleder Ja Nein Höhne Nein Ja Spies Ja Nein Frau Dr. Hubert Nein Ja Graf von Spreti Ja Nein Imig Nein Ja Stauch Ja Nein Jacobi Nein Ja Frau Dr. Steinbiß . . . . Ja Nein Jacobs Nein Ja Storch Ja Nein Jahn Nein Ja Strauß Ja Nein Kalbfell Nein Ja Struve Ja Nein Kalbitzer Nein Ja Stücklen Ja Nein Frau Keilhack Nein Ja Dr. Tillmanns (Berlin) (Berlin) Keuning Nein Ja Dr. Vogel . Ja Nein Kinat Nein Ja Wacker Ja Nein Frau Kipp-Kaule Nein Ja Wackerzapp Ja Nein Knothe Nein Ja Dr. Wahl Ja Nein Dr. Koch Nein Ja Frau Dr. Weber (Essen) . Ja Nein Frau Korspeter Nein Ja Dr. Weber (Koblenz) . . . Ja Nein Frau Krahnstöver . . . . Nein Ja Dr. Weiß beurlaubt beurlaubt Dr. Kreyssig Nein Ja Winkelheide Ja Nein Kriedemann Nein Ja Dr. Wuermeling Ja Nein Kurlbaum Nein Ja Lange Nein Ja SPD Lausen krank krank Frau Lockmann Nein Ja Frau Albertz Nein Ja Löbe (Berlin) (Berlin) Frau Albrecht Nein Ja Lohmüller krank krank Altmaier Nein Ja Ludwig Nein Ja Frau Ansorge Nein Ja Dr. Luetkens Nein Ja Dr. Arndt Nein Ja Maier (Freiburg) Nein Ja Arnholz Nein Ja Marx Nein Ja Dr. Baade Nein -Ja Matzner Nein Ja Dr. Bärsch Nein Ja Meitmann Nein Ja Baur (Augsburg) Nein Ja Mellies . . . . . . . . . Nein Ja Bazille krank krank Dr. Menzel Nein Ja Behrisch Nein Ja Merten Nein Ja Bergmann Nein Ja Mertins Nein Ja Dr. Bergstraeßer Nein Ja Meyer (Hagen) Nein Ja Berlin Nein Ja Meyer (Bremen) Nein Ja Bettgenhäuser Nein Ja Frau Meyer-Laule . . . . Nein Ja Bielig Nein Ja Mißmahl Nein Ja Birkelbach Nein Ja Dr. Mommer Nein Ja Blachstein Nein Ja Dr. Mücke Nein Ja Dr. Bleiß ....... Nein Ja Müller (Hessen) Nein Ja Böhm Nein Ja Müller (Worms) Nein Ja Brandt (Berlin) (Berlin) Frau Nadig Nein Ja Dr. Brill Nein Ja Neumann (Berlin) (Berlin) Bromme Nein Ja Dr. Nölting Nein Ja Brünen Nein Ja Nowack (Harburg) . . . . Nein Ja Cramer Nein Ja Odenthal Nein Ja Dannebom Nein Ja _ Ohlig Nein Ja Diel Nein Ja 011enhauer Nein Ja Frau Döhring Nein Ja Paul (Württemberg) . . . Nein Ja Eichler Nein Ja Peters Nein Ja Ekstrand Nein Ja Pohle Nein Ja Erler Nein Ja Dr. Preller Nein Ja Faller Nein Ja Priebe Nein Ja
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    Rede von Dr. Karl Mommer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich im Namen meiner Fraktion sagen, daß wir in keiner Weise von der Antwort befriedigt sind, die der Herr Staatssekretär auf die Erklärungen meines Freundes Dr. Kreyssig eben gegeben hat. Wir halten seine Ausführungen zu diesem Punkt für völlig unzulänglich; wir wollen aber diese Debatte zur Übersetzung des französischen Textes an dieser Stelle nicht fortführen.
    Ich möchte einiges über ein Problem sagen, das, wenn man von Europa und von deutschfranzösischen Beziehungen spricht, von kapitaler Bedeutung ist, nämlich zum Problem „Saar im Schumanplan". Ein kleines Zitat:
    Voraussetzung für den Zusammenschluß der europäischen Nationen ist aber die Beseitigung des jahrhundertealten Gegensatzes zwischen Frankreich und Deutschland.
    Dieser schöne Satz steht in der Geburtsurkunde des Schumanplans, in der Erklärung der französischen Regierung vom 9.. Mai 1950. Nun, wer wird leugnen, daß der Streit um die Saar die letzte Inkarnation des deutsch-französischen Gegensatzes ist und daß die Saarfrage als Haupthindernis für eine wirkliche und echte Aussöhnung mit dem


    (Dr. Mommer)

    französischen Volke zwischen Frankreich und Deutschland steht? Durch jenen Satz, den ich zitiert habe, wurde das Saarproblem als ein solches kapitales Hindernis sozusagen auf die Tagesordnung der Verhandlungen über den Schumanplan gesetzt. Durch diesen Satz wurde auch herausgestellt, daß das Saarproblem nicht nur ein deutschfranzösisches, sondern auch ein europäisches Problem ist. Die Bundesregierung hat früher oft zu erkennen gegeben, daß sie dem Saarproblem diese Bedeutung beimesse. In der Saardenkschrift vom 9. März 1950, die die Unterschrift Dr. Adenauers trägt, lesen wir folgenden Satz:
    Eine Einigung im Geiste gegenseitiger Kompromißbereitschaft müßte auch heute noch ein erster und unentbehrlicher Schritt zu einer weitergehenden deutsch-französischen und darüber hinaus europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit sein.
    Oder über das Verhältnis der Saar zwischen Deutschland und Frankreich in diesem ganzen Europa-Komplex lesen wir im Protokoll der Bundestagssitzung vom 30. Mai des vorigen Jahres:
    Die Saar ist deutsch, und ganz Deutschland
    einschließlich der Saar wird sich mit Frankreich in Europa zusammenfinden.
    Das hat der Herr Bundeskanzler gesagt, und das Protokoll vermerkt lebhaften Beifall bei den Regierungsparteien.
    Als der Herr Bundeskanzler das im Mai des vorigen Jahres sagte, da war der erste Knopf der Saarpolitik der Bundesregierung schon ordentlich falsch geknöpft. Die Bundesregierung hat es akzeptiert, in den Europarat gleichzeitig mit der Saar einzutreten. Sie hat es dadurch ermöglicht, daß dieses Stück Siegerpolitik in diese europäische Institution eingeschleppt wurde.

    (Zuruf von der Mitte: Hätte man das verhindern können?)

    — Das hätte man verhindern können, Herr Kollege, indem man ein wenig mehr Geduld und ein wenig mehr Zähigkeit in der deutschen Politik entwickelt hätte.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Gegenruf rechts: Nächstens machen Sie Politik!)

    — Warten Sie; ich bin da einig mit dem Herrn Bundeskanzler, ich werde ihn gleich zitieren.
    Das gleiche Hindernis mußte die Bundesregierung natürlich beim Montanvertrag auf ihrem Wege vorfinden, und sie wird es übrigens bei allen Verhandlungen über weitere europäische Institutionen immer wieder vorfinden. Immer wieder wird das Saarproblem, das erkennen ja nicht nur die Deutschen — sie erkennen es manchmal gar nicht; die Amerikaner z. B. erkennen es sehr viel besser als manche von ihnen —, die europäischen Verhältnisse und insbesondere die deutschfranzösischen Beziehungen vergiften. Bei den Verhandlungen über den Schumanplan wäre es doch die Aufgabe gewesen, zumindest den Versuch zu machen, dieses Hindernis aus dem Wege zu räumen. Aber wie hat sich die Bundesregierung die Frage gestellt? Sie hat sich die Frage gestellt: Wie können wir um dieses Hindernis schön herumgehen?
    Nun, wenn man schon einen Montanvertrag machen wollte, dann war es klar, daß man die Saar in der einen oder anderen Form mit hineinbringen mußte. Dort ist nun einmal viel von der Montanindustrie. Im Saargebiet wird ein Drittel der Kohle gefördert, die Frankreich fördert. Dort wird ein Fünftel der französischen Stahlmenge produziert. Man hat die Saar in den Montanvertrag hereingebracht. Aber nicht Deutschland, zu dem es nach unser aller. These staatsrechtlich gehört, hat es hereingebracht, sondern Frankreich, das dieses deutsche Gebiet mit Besatzungsgewalt von Deutschland losgerissen hat, das die Losreißung weiterhin aufrechterhält und die Isolierung der Saar und die Umbildung zu einem Protektorat weiterbetreibt, unbekümmert um die Existenz des Europarats und unbekümmert um die Unterschrift unter dem famosen europäischen Plan vom 18. April 1951.
    In Art. 79 des Vertrages heißt es, daß auch die Gebiete zum Unionsgebiet gehören, deren auswärtige Beziehungen von einem der Vertragsstaaten wahrgenommen werden. Bezüglich der Saar, heißt es dann, ist der Briefwechsel vom 18. April dem Vertrag beigefügt und ein Teil des Vertrags geworden. Der Art. 21 nimmt auch Bezug auf die Saar und sagt, daß die Vertreter der Saarbevölkerung in die Zahl der französischen Abgeordneten eingerechnet seien. Kraft welcher Titel tut Frankreich das? Nun, meine Damen und Herren, da gibt es zwei Titel. Da gibt es die Präambel der Saarverfassung vom 15. Dezember 1947, durch die die Saar von Deutschland getrennt und währungsmäßig und wirtschaftlich Frankreich einverleibt wurde. Da sind die Konventionen vom 3. März 1950, die diese Abtrennung und Eingliederung perfekt machen. Gegen diese Konventionen hat dieses Haus einstimmig Verwahrung eingelegt, und auch die Bundesregierung hat diesen deutschen Protest offiziell zum Ausdruck gebracht. Der Vertrag bringt die faktische Anerkennung dieses Verhältnisses und dieses Zustandes.
    Diesen Fakten setzt nun ,die Bundesregierung den Briefwechsel entgegen; jenen Briefwechsel zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem französischen Außenminister vom 18. April 1951. Was steht in diesem Briefwechsel? Nun, Herr Adenauer schreibt, daß die endgültige Regelung im Friedensvertrag , oder einem analogen Vertrag erfolgen müsse und daß seine Unterschrift unter den Vertrag in keiner Weise die Anerkennung des jetzigen Status des Saargebiets bedeute. Herr Schuman antwortet, Frankreich handle auf Grund des gegenwärtigen Status des Saargebiets im Namen der Saar. Im übrigen bestätigt er Herrn Adenauer, daß er in der Unterschrift nicht die juristische Anerkennung des gegenwärtigen Status durch die Bundesregierung erblickt.
    Damals ist der Herr Bundeskanzler von Paris nach Hause gekommen und hat diesen Briefwechsel als einen Erfolg der deutschen Politik gefeiert. Was kann denn hier der Maßstab des Erfolges sein? Der kann doch wohl nur darin gefunden werden, wieweit es der deutschen Politik gelingt, zwei miteinander zusammenhängende wesentliche Ziele in der Saarpolitik zu erreichen. Da ist erstens das Ziel der Wiederherstellung dessen, was in Europa selbstverständlich sein wird: die Wiederherstellung der staatsbürgerlichen Freiheit an der Saar. Das zweite Ziel sollte doch wohl sein, daß zwischen den beiden Staaten, die j a etwas Neues beginnen wollen, sofort Verhandlungen über die Rückkehr der Saar zu Deutschland stattfinden sollen. Das scheint auch das Ziel der Bundesregierung gewesen zu sein. Herr Dr. Adenauer hat es eine Zeitlang so hingestellt, als ob der Briefwechsel die Rechtsgrundlage für die Wiederherstellung der staatsbürgerlichen Freiheiten an der Saar sein könnte. In der Bundestagssitzung vom 30. Mai 1951 hat der Herr Kanzler hier ausgeführt:


    (Dr. Mommer)

    Ich möchte mit diesem Hinweis nicht den Gedanken aufkommen lassen, daß die französische Regierung in der Saarfrage die Politik — mit anderen Worten die Macht — vor das Recht stellen will, im Gegenteil. Ich bin der Auffassung, daß durch den Briefwechsel vom 18. April der Rechtsboden von beiden Regierungen eindeutig und endgültig bezogen wurde.
    Hier verzeichnet das Protokoll den Zuruf: Sehr gut! des Abgeordneten Dr. 'von Brentano.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr gut!)

    Weiter hat der Herr Bundeskanzler in einer noch offizielleren Verlautbarung, und zwar in der Note vom 29. Mai 1951 an die drei -demokratischen Westmächte folgendes geschrieben:
    In diesem Briefwechsel, der einen integrierenden Bestandteil des Vertragswerkes bildet, sind die beiden Regierungen übereingekommen, daß die endgültige Regelung des Status der Saar nur durch einen Friedensvertrag oder einen gleichartigen Vertrag erfolgen kann. Diese Vereinbarung schließt weiter in sich, daß an der Saar nichts geschehen darf, was der Regelung im Friedensvertrag vorgreift, und diese so zu einer inhaltlosen Geste macht.
    Ich wiederhole das letzte: „.... was der Regelung
    im Friedensvertrag vorgreift und diese so zu einer
    inhaltlosen Geste macht." Darin wird bewertet, was
    von der französischen Formel, daß die endgültige
    Regelung im Friedensvertrag gefunden werden
    müsse, wirklich zu halten ist. Die Note besagt
    weiter:
    Die Regierung der französischen Republik, die sich in dem Briefwechsel vom 18. April ihren eigenen Standpunkt bewahrt hat, würde nicht nach den Grundsätzen des Briefwechsels vom 18. April handeln, wenn sie die Bestrebungen der Saarregierung unterstützen würde, die darauf hinauslaufen, jede Erörterung über die endgültige Lösung der Saarfrage im Friedensvertrag durch die Bevölkerung des Saargebiets V 9r dem Zustandekommen des Friedensvertrags zu unterbinden.
    Und dann hat der Herr Kanzler in jener Sitzung noch mit Nachdruck erklärt:
    Hier möchte ich noch einen grundsätzlichen Punkt herausstellen. Wenn die Saarfrage im Friedensvertrag gelöst werden soll, so darf die Bundesregierung ' hinsichtlich der Geltendmachung ihrer Auffassung im Saargebiet nicht schlechter gestellt sein als die französische Regierung.

    (Sehr richtig! Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Ich kann mich hier den Regierungsparteien nur anschließen.

    (Zuruf von der CDU: Na also!)

    Dieses letztere und jene Bemerkung von der inhaltlosen Geste ist doch die Erkenntnis, daß die deutsche 'Bundesregierung die geprellte ist, wenn nichts an Aktuellem geändert und die inhaltlose Formel gebraucht wird, daß die endgültige Regelung der Saarfrage im Friedensvertrag oder einem analogen Vertrag erfolgen soll.

    (Abg. Dr. von Merkatz: Das ist sehr gefährlich, was Sie da sagen!)

    — Ich habe den Herrn Bundeskanzler zitiert, und ich hoffe, daß Sie auch heute noch mit ihm einer Meinung sind.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. von Merkatz: Daß Sie das jetzt sagen!)

    In jener Sitzung ,hat der Herr Bundeskanzler, der damals einen sehr lichten Tag hatte, noch eine weitere Erkenntnis gehabt. Ja, ich kann verstehen, daß Sie das heute nicht mehr gern hören. Ich komme nämlich gleich auch noch darauf zu sprechen, was der Herr Bundeskanzler gestern gesagt hat; das hört sich allerdings ganz anders an. Nun, noch eine Erkenntnis hat er gehabt, nämlich die, wie schwach Interpretationen und Rechtsverwahrungen gegen alte, verhärtete französische Machtpolitik sind, und er hat das auch zum Ausdruck gebracht, indem er sehr zart, sehr vorsichtig andeutete, daß die Ratifikation des vorliegenden Vertrags ein Mittel sein könnte, um jenes europäische Minimum staatsbürgerlicher Freiheiten an der Saar zu erzwingen. Der Herr Bundeskanzler hat da gesagt — lassen Sie mich vorlesen —:
    Bis dahin
    — er meinte die 'Ratifikation hier im Bundestag — wird es sich zeigen müssen, ob der durch das Verbot der Demokratischen Partei des Saargebietes
    — das war damals der Gegenstand unserer Debatte —
    ohne unsere Schuld durch die Saarregierung aufgeworfene Konflikt bereinigt werden kann. Wir werden uns auch auf allen uns zur Verfügung stehenden anständigen Wegen darum bemühen. Es wird uns auch eine Gewähr dafür gegeben werden müssen, daß das Recht der freien Meinungsäußerung über alle im Friedensvertrag zu lösenden Fragen für die Saarbevölkerung uneingeschränkt gewährleistet wird und daß damit unsere Auffassung von der Bedeutung des Briefwechsels vom 18. April Anerkennung findet.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Der Herr Bundeskanzler sprach davon, es werde uns vor der Ratifikation des Vertrags eine Gewähr dafür gegeben werden müssen. Vergleichen Sie damit, was Sie uns heute als 'Antrag zur Saarfrage vorgelegt haben!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Ich komme auf Ihren Antrag auch gleich noch zu sprechen. Ich frage: Wo ist heute die Gewähr? Ich werde gleich noch manches dazu zu sagen haben, vor allem von den Fakten aus, die inzwischen geschaffen worden sind.
    Gestern hat der Herr Bundeskanzler natürlich ganz anders gesprochen. Da sagte er, es war nicht die Aufgabe des Schumanplans, die Saarfrage zu lösen. Nun, es war gewiß nicht die Aufgabe des Schumanplans, sie zu lösen, und ich glaube auch nicht, daß man sie in einem Tage lösen kann. Aber das, was der Herr Bundeskanzler am 30. Mai 1951 hier gesagt hat, das war ja im Grunde eine sehr bescheidene Forderung, nämlich nur die Forderung, daß im Saargebiet die anständige deutsche Meinung für deutsche Menschen an der Saar ebenso frei und nicht unter Strafe gestellt sein soll, wie die französische Meinung an der Saar frei ist. Dieses bescheidene Ziel, das er sich damals gesteckt hatte und das er in den Briefwechsel, ich glaube, hineininterpretierte, hat er inzwischen gänzlich aufgegeben. Er sagte gestern: „Die übrigen Probleme um die Saar sind offengeblieben und erfahren durch den Schumanplanvertrag keinerlei Änderungen". Ich werde darauf zu sprechen kommen, ob sie keinerlei Änderungen erfahren. Sie erfahren nämlich sehr wesentliche Änderungen, und zwar in einer Verschlechterung der deutschen Situation in bezug auf die Saar,


    (Dr. Mommer)

    Die französische Regierung hat
    — sagte er gestern
    — und das möchte ich hier ausdrücklich betonen — zu keinem Zeitpunkt der Verhandlungen über den Schumanplan irgendeine Forderung hinsichtlich der Anerkennung des gegenwärtigen Status an der Saar an die Bundesregierung gestellt.
    Sie hat vielmehr ausdrücklich anerkannt, daß in unserer Unterschrift keine Anerkennung des Status enthalten ist. Wie bescheiden der Herr Bundeskanzler geworden ist! Er rechnet es als Erfolg, daß man ihn nicht aufgefordert habe, den gegenwärtigen Status an der Saar anzuerkennen. Von der staatsbürgerlichen Freiheit an der Saar oder gar von Verhandlungen über die Rückkehr der Saar zu Deutschland ist überhaupt keine Rede mehr.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Nun, die blitzartige Erkenntnis, die der Herr Bundeskanzler am 30. Mai von dem politischen Wert der Ratifikation dieses Vertrags in bezug auf die Saar hatte, — diese Erkenntnis war eben in bezug auf die Dauer nur blitzartig. Er hat den Standpunkt des europäischen Minimums für die Saar nicht aufrechterhalten und nach unserer Kenntnis keinen ernsthaften Versuch gemacht, dieses Minimum bei den Verhandlungen durchzudrücken.
    Unser Antrag auf der Drucksache Nr. 2971 zu diesem Punkt tut nichts anderes, als den Gedanken des Herrn Bundeskanzlers aus jener Sitzung zu konkretisieren. Er sagt im Gegensatz zu dem Antrag, den Sie, meine Damen und Herren von der CDU, uns hier unterbreiten, daß man zwischen der Ratifikation und jener Forderung in bezug auf die Saar ein Junktim schaffen muß. Nur dann besteht für ein derartiges Bemühen einige Aussicht auf Erfolg! Der Antrag, den Sie uns vorlegen, — nun, ich kann mir vorstellen, welches Gelächter er bei den Machtpolitikern in Paris und bei ihren Agenten in Saarbrücken auslösen wird. Der Bundestag muß für die Deutschen an der Saar mehr tun; als papierne Proteste vom Stapel lassen. Wir müssen, wenn wir einmal einen Trumpf in der Hand haben, mit diesem Trumpf arbeiten, um unseren Brüdern und Schwestern an der Saar die Freiheit zurückzugewinnen und damit die Voraussetzung für die endgültige Lösung der Saarfrage in unserem Sinne zu schaffen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Brookmann: Das ist doch eine Redensart, Herr Mommer!)

    — Redensart? Ich glaube, ich habe sehr konkret gesprochen, Herr Kollege.

    (Abg. Brookmann: Nein, gar nicht!)

    — Ich komme gleich wieder mit konkreten Geschichten; warten Sie! Der Herr Bundeskanzler hat damals eine sehr optimistische Periode gehabt. Ich weiß nicht, ob das auf Grund jener, wie soll ich sagen, glaubenserfüllten Interpretation des Briefwechsels der Fall war. Am 6. Juli 1951 hat er uns von dieser Stelle aus gesagt:
    Ich bin der Auffassung, daß wir die ganze
    Saarfrage in gar nicht so langer Zeit so gelöst sehen werden, wie wir es wünschen.
    Also sprach der Herr Bundeskanzler Anfang Juli.
    Sie sehen, welche Wandlung der Herr Bundeskanzler von da an durchgemacht hat bis zu dem, was er uns gestern gesagt hat. Gestern sagte er, daß hier in Verbindung mit dem Schumanplan nur eines für die Saar herausschaue, nämlich eine
    Entschärfung des Problems der 'Saar. Ich komme darauf zu sprechen, was es mit dieser sogenannten Entschärfung auf sich hat.
    Nun die Fakten, die im „neuen Geiste" seit der Unterschrift unter den Schumanplan am 18. April in Frankreich und an der Saar entstanden sind. Sie sprechen eine sehr beredte Sprache darüber, was es mit dem „neuen europäischen Geist" auf sich hat, der von diesem Vertrag ausgehen soll. Darf ich Ihnen einige Fakten ins Gedächtnis rufen. Am Tage nach der Paraphierung wurde angekündigt, daß Paris mit Saarbrücken Gesandte austauschen werde und daß damit das französische Bestreben, der Saar eine größere Autonomie zu geben und aus ihr so etwas wie ein zweites Luxemburg zu machen, noch , mehr unterstrichen werden sollte. Inzwischen sind auch schon die Botschaftsgebäude in Saarbrücken gekauft bzw. im Entstehen — sehr großartig —, und Herr Grandval, dieser kleine französische Macchiavelli in Saarbrücken; ist als Botschafter vorgesehen; ganz außergewöhnlicher Botschafter, mit Verordnungsgewalt und mit Vetorecht gegen saarländische Gesetze und alles mögliche. Herr Strauß von der Saar ist als Botschafter für Paris vorgesehen. Ich beneide unsere Diplomaten nicht, wenn sie demnächst bei Neujahrsempfängen oder anderen Gelegenheiten mit dem Herrn Strauß zusammentreffen; — Sie sind nicht gemeint, Herr Strauß; es ist ein anderer. Die Bestallung der Botschafter ist bisher noch nicht erfolgt. Man hat da in sehr zarter .Weise auf den Deutschen Bundestag Rücksicht genommen. Wenn der Deutsche Bundestag den Montan-Vertrag jetzt ratifiziert, dann werden Sie es erleben, daß nächste Woche die Bestallung der beiden Botschafter endgültig erfolgen wird. So wie man damals mit der Ankündigung wartete, bis der Vertrag paraphiert war, so wartet man jetzt mit der endgültigen Erledigung, bis der Vertrag ratifiziert ist.
    Dann kam das Faktum vom 9. Mai 1951, der Brief des französischen Außenministers, der seinen Namen für diesen Plan hergegeben hat, an den Herrn Hoffmann in Saarbrücken. Dieser Brief sagt von der Demokratischen Partei dès Saarlandes, daß sie die deutsch-französischen Beziehungen störe, daß sie die Autonomie des Saargebiets leugne und dadurch der Regelung der Saarfrage im Friedensvertrag vorgreifen, und 'ermuntert den Herrn Hoffmann, eine so nichtsnutzige Partei zu verbieten. Herr Hoffmann hat sich das nicht zweimal sagen lassen und hat die Demokratische-Partei prompt verboten. Das war die Partei, die es gewagt hatte, die französische Stellung in der Saarpolitik nicht einfach zu akzeptieren und als die endgültige Lösung der Saarfrage anzusehen.
    Dann kam ein noch schwererer Schlag für den Herrn Bundeskanzler. Es war die Antwort der drei Regierungen auf seine Note vom 29. Mai 1951, die den Herrn Bundeskanzler am 3. August 1951 erreichte. Darin ging man nun sogar so weit, daß man der Bundesregierung die Kompetenz absprach, sich überhaupt mit Saarproblemen zu befassen. Man sagte ihr, das gehe sie nichts an,

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    die Saar liege außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes. Nach Informationen, die man sich so hat beschaffen können, wäre das noch viel drastischer ausgefallen, wenn nur die französische Regierung, die hier so europa-begeistert auftritt, die Note verfaßt hätte. Die beiden anderen haben noch ein wenig mäßigend auf diese traurige Note


    (Dr. Mommer)

    eingewirkt, traurig, weil damit ja auch etwas gesagt wird über die Kompetenzen der Bundesregierung in bezug auf die anderen Gebiete Deutschlands, die nicht zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gehören.
    Ich darf vielleicht auch ein kleines Kuriosum von der Saar erwähnen, das immerhin bezeichnend ist. Die Saarregierung brachte es im vorigen oder vorvorigen Monat fertig, eine Zeitung zu verbieten, die noch gar nicht bestand.

    (Abg. Brookman: Was hat das mit dem Schumanplan zu tun? — Gegenruf von der SPD: Schwätzer! — Gegenruf des Abg. Sabel.)

    — Das hat sehr viel damit zu tun, Herr Kollege.
    Der Herr Bundeskanzler behauptet, daß durch den Schumanplan die Saarfrage entschärft werde. Er behauptet, der Briefwechsel enthalte dafür die Garantie, daß jetzt an der Saar Recht vor Macht gehe, und ähnliche Dinge mehr. Deswegen hat das etwas mit dem Schumanplan zu tun. Sie beschwören doch immer den europäischen Geist des Schumanplans und sagen, das ist gerade das Wichtigste daran. Nun, was es mit diesem Geist auf sich hat, das wird Ihnen an der Saar vor exerziert.

    (Beifall hei der SPD.)

    Wenn Sie wollen, auch noch konkreter: So schlimm wie die Fakten sind, so schlimm sind die Erklärungen, die offiziellen französischen Erklärungen zur Saarpolitik seit der Unterzeichnung des Vertrags. Am 24. April, also wenige Tage nach der Unterzeichnung, hat Herr Außenminister Schuman im Rat der Republik folgendes gesagt:
    Wenn die französische Regierung erklärt, daß sie ihrer bisherigen Saarpolitik im ganzen Umfange treu bleibt, so ist damit auch gesagt, daß die französische Regierung das Ziel weiter verfolgt, das sie in der Sitzung vom 20. Februar umrissen hat, nämlich die Entwicklung des Status der Saar im Sinne der Erweiterung der äußeren Souveränität der Saar.
    Sie sehen: Herr Adenauer sagt: Der Vertrag entschärft die Saarfrage und es wird besser gehen; Herr Schuman sagt: Es wird alles weitergehen, und die französische Politik wird bis zum Ende durchgeführt. Auch im Friedensvertrag wird sich nach französischer Meinung nichts an der Saarfrage ändern.
    Zum vierten Jahrestag der sogenannten Saarverfassung am 15. Dezember 1951 sprach als Vertreter der französischen Regierung in Saarbrücken Herr Pierre Schneiter. Er. sagte folgendes:
    Ich weiß, daß der legitime Charakter des Statuts von gewissen Leuten bestritten wird. Ich will Ihnen an dieser Stelle ausdrücklich erklären, daß es sich dabei für Frankreich um eine grundlegende Frage seiner Politik handelt und daß es bei allen Friedensverträgen, die wir aufstellen werden, seine bisher eingenommene Stellung behaupten wird.
    Behaupten wird. Herr Finanzminister René Mayer war ebenso zuversichtlich bei der Debatte in der Nationalversammlung über die Ratifizierung des Vertrags. Er antwortete auf die Ausführungen des Herrn Palewski, der sagte, daß, wenn das Saargebiet zu Deutschland zurückkehre, die deutsche Produktion auf 42 % steigen und die französische auf 27 % sinken werde: „Wir verwalten für 50 Jahre die Bodenschätze der Saar".

    (Hört! Hört! bei der SPD.) Ich weiß dabei nicht, worauf Herr René Mayer mehr vertraut, ob auf den Zeitpunkt des Friedensvertrags, den Sankt-Nimmerleins-Tag, oder auf die Lösung, die in diesem Vertrag gefunden werden soll.

    Herr Adenauer sagt, die Saarfrage sei ein wenig uninteressant geworden, weil jetzt Frankreich über den Montanvertrag zu der Kohle komme, die das Hauptinteresse Frankreichs in seiner Saarpolitik gewesen sei. Nun hören Sie einmal zu, was dazu Herr Gilbert Grandval, der französische Hochkommissar und Botschafter der nächsten Wochen 'gesagt hat. Er hat in einer Sondernummer des „Daily Mail" vom November, eine übrigens ziemlich üble Propagandaschrift, die sinnigerweise auch im Europarat verteilt wurde, gesagt: „Die Anwendung des Schumanplans, weit entfernt davon, irgendwelche Elemente des Programms zu ändern, stellt noch deutlicher die logische Notwendigkeit für diese Wirtschaftsunion heraus". Er führt dann aus, daß jetzt Frankreich mit der Saar zusammen 34 % der Produktion in die Union mitbringe, Deutschland 35 %. Komme die Saar zu Deutschland zurück, so sei das Verhältnis 27 zu 42 %.
    Auch in der französischen Nationalversammlung ist dieser Gedanke angeklungen. Auch dort ist man der Meinung gewesen, daß wegen des Gleichgewichts zwischen Frankreich und Deutschland in der Montan-Union die Saar bei Frankreich bleiben müsse.
    Aus diesen Tatsachen, die ich angeführt habe, und aus den Erklärungen offizieller französischer Stellen geht hervor, daß sich die Saarfrage seit der Unterzeichnung des Vertrags nicht entschärft, sondern verschärft hat,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    daß die französischen Schrauben noch enger angezogen worden sind. Es ist doch auch nicht wahr, daß Frankreich nur wirtschaftliche Interessen und innerhalb der wirtschaftlichen Interessen nur Kohleinteressen an der Saar habe. Es geht doch da auch um eine alte territoriale Expansionspolitik, es geht auch um die Expansion der politischen Macht, es geht auch um kulturelle Expansion. An dieser Stelle haben auch Redner Ihrer Fraktionen schon oft von der Saar-Universität gesprochen, die im wesentlichen französisch ist, vom FranzösischUnterricht in der zweiten Volksschulklasse und ähnlichen Dingen mehr. Auch in der Wirtschaft geht es keineswegs nur um die Kohle, sondern es geht auch um Eigentümerinteressen. Man wird praktisch Eigentümer der Gruben, man versucht, Eigentümer der Hüttenwerke zu werden. Das ist schon weitgehend gelungen, und man ist dabei, diesen Prozeß zu Ende zu führen. Sie haben jetzt dieser Tage in den Zeitungen lesen können, wie man versucht, die letzten Hüttenwerke in französischen Mehrheitsbesitz zu bekommen, und wie man diese Aktion noch beschleunigt, schnell, ehe die Hohe Behörde vielleicht in Funktion tritt.
    Es geht auch um finanzielle Interessen. Frankreich bekommt die Marshallplan-Kredite für die Saar zugeteilt, aber das Verhältnis der Beträge für die Saar und für Frankreich ist ebenso schlecht wie das Verhältnis zwischen dem, was Deutschland bekommt, und dem, was Frankreich im Vergleich dazu erhält, wie das schon der Herr Berichterstatter gestern anführte. Die Saar sieht sehr wenig von den Marshallplangeldern.
    Das Statut erlaubt es auch, die Kohlenfelder im Warndt von Frankreich aus abzubauen. Die ge-


    (Dr. Mommer)

    fügige Saarregierung hat vor, diese Felder für dauernd zu verpachten und damit der Saarbevölkerung diese wesentliche Lebensgrundlage zu entziehen. Eine Reihe von Saargruben kommt in 10 bis 20 Jahren zum Erliegen. Einige zehntausend Bergarbeiter werden erwerbslos, wenn keine neuen Schächte abgeteuft werden. Wenn aber die Kohlen an der Warndt von Frankreich aus abgebaut werden, dann gibt es an der Saar keine Kohlenreserven mehr, die nicht abgebaut werden, und dann ist die Lebensdauer der Saargruben von 150 auf 100 Jahre reduziert.
    Frankreich hat Interesse an der Saarwirtschaft auch wegen seiner Devisenbilanz. Der Exportüberschuß der Saar verbessert die französische Devisenbilanz.
    Und dann, meine Damen und Herren, haben Sie hier auch schon selbst diese typisch koloniale Seite des Problems dargestellt. Wenn Sie mal untersuchen, wo an der Saar die Franzosen zu finden sind und was die Deutschen tun, dann werden Sie feststellen, was Sie immer im Gefolge von Eroberungen sehen können: für das Herrenvolk sind die guten Posten und Pfründen, und für die Eingeborenen ist die einfache Arbeit. Das wissen Sie und das haben Sie selbst gesagt. Die Montan-Union ändert an all diesem gar nichts. Sie läßt es bestehen. Für einige Punkte wird nur ein erhöhtes Interesse Frankreichs an der Saar begründet.
    Lassen Sie mich jetzt auch einiges von der Stellung der Saar im Text des Vertrages sagen. Auch da finden Sie keineswegs eine Schwächung der französischen Position; diese wird im Gegenteil dadurch gestärkt, daß man die faktische Position Frankreichs anerkennt. Die französische Delegation umfaßt die saarländischen Vertreter. Da ist die Frage erlaubt: Warum sind sie eigentlich nicht in der deutschen Delegation? Ich glaube, für die Saarbevölkerung sind sehr wesentliche und wichtige Interessen zu vertreten. Diese wären von Deutschen zumindest ebenso gut wahrgenommen worden, wie es durch die Vertreter geschehen kann, die Herr Hoffmann bezeichnen wird. Ich möchte auch die Forderung aufstellen, daß wir, wenn die Montan-Union zustande kommen sollte und wir in die Organe der Union Vertreter entsenden, dann daran denken, daß die Interessen der Saarbevölkerung auch von uns mit vertreten werden müssen; sonst sind sie nämlich nicht gut vertreten, sonst werden sie nur von den Vertrauensleuten Frankreichs vertreten, und Frankreich beutet die Saar nach Strich und Faden aus.
    Ich habe Ihnen einige Fragen angedeutet, die dort gerade bestehen: die Unterversorgung der Saarindustrie mit Investitionsmitteln und die Warndt-Frage. Das alles, meine Damen und Herren, muß an dieser Stelle einmal eingehend besprochen werden. Ich kann das jetzt nicht tun. Meine Fraktion behält sich vor, sehr bald darauf zurückzukommen.
    In den Ausschußberatungen hat ein Regierungsvertreter gesagt, die Union bestehe aus sechs Staaten und unter den sechs Staaten gebe es auch keinen, der seinerseits wieder aus einem Staat und einem anderen staatsähnlichen Gebilde zusammengesetzt sei. Außenminister Schuman war da anderer Meinung. Er hat dazu in der französischen Nationalversammlung gesagt, die Politik der französischen Regierung habe sich an der Saar seit dreieinhalb Jahren nicht verändert — das ist heute hier schon zitiert worden —, die französische Politik basiere auf zwei Dingen: auf der Vertretung der außenpolitischen Interessen der Saar durch Frankreich und auf der Wirtschaftsunion zwischen der Saar und Frankreich. Und dann sagt er: „Diese zwei Tatsachen beherrschen den Vertrag" — diese zwei Tatsachen, die Tatsachen, die wir nicht anerkennen und gegen die wir Protest erhoben haben —, beherrschen den Vertrag, der Ihnen heute zur Ratifikation vorgelegt wird. Wenn er auch nur die Unterschrift Frankreichs trägt, so hat diese Unterschrift gleichwohl einen doppelten Charakter, und die deutsche Regierung weiß das. Sie sehen, wie der stille Teilhaber — der, Saarstaat, dieses komische Gebilde, das fast die Rolle eines assoziierten Mitgliedes spielt — nicht außerhalb des Vertrags ist, sondern wie dieses Gebilde durch die Ratifikation, die auch im Saarparlament vorgenommen wird, und durch die Beschickung der Organe der Union wieder hineinkommt. Herr Schuman sagte dazu vor der Nationalversammlung:
    Ein Übereinkommen zwischen der französischen und der saarländischen Regierung, über das wir zur Zeit verhandeln, wird die Bedingungen festlegen, unter denen das Saargebiet in den verschiedenen Organisationen vertreten sein soll. Es wird nicht nur in der Versammlung, sondern auch in anderen Organen, zumindest in dem Beratenden Ausschuß, vertreten sein.
    Sie sehen, die Saarregierung mit ihrem Landtag ratifiziert, sie entsendet Vertreter. Auf Grund welcher Titel tut sie das? Auf Grund jener Präambel und auf Grund jener Konventionen, gegen die wir hier ausdrücklich Verwahrung eingelegt haben. Wir erheben Protest gegen die Konventionen; aber wir anerkennen ihre Wirkungen und arbeiten mit ihren Wirkungen.
    In Art. 79 ist nur die Rede von auswärtigen Beziehungen, die zu der Vertretung der Saar durch Frankreich führen. Die Durchführung des Montanvertrags setzt aber selbstverständlich auch die Wirtschaftsunion voraus. Die Wirtschaftsunion und auch die außenpolitische Wahrnehmung der saarländischen Interessen setzen jene Konventionen vom 3. März 1950 voraus, gegen die hier Verwahrung eingelegt worden ist. Man protestiert; aber man hilft Fakten schaffen und hilft Fakten im Gebrauch und mit der Zeit erhärten.
    Ich darf auf eine weitere Gefahr hinweisen, die durch den Montanvertrag entsteht: Die Hohe Behörde — in ihr sind auch Deutsche — wird, wenn sie an der Saar irgend etwas, was durch die Montan-Union notwendig wird, durchführen muß, natürlich über Paris und wieder auf Grund jener Konventionen und der Präambel mit Saarbrücken verkehren müssen. Dieses Faktum, daß man praktisch mit diesem Zustand arbeitet, und das Faktum, daß wir Deutschen in den Organen der Union neben den Vertretern, die der Herr Hoffmann entsandt hat, sitzen werden, wird uns erneut als praktische Anerkennung des gegenwärtigen Zustandes ausgelegt werden.
    Die Bundesregierung kommt dagegen mit Rechts-verwahrungen. Was haben die Rechtsverwahrungen da für einen Wert? Ich erinnere an das, was wieder Herr Außenminister Schuman am 20. Februar 1951 vor dem Rat der Republik gesagt hat. Er hat gesagt, die Bundesregierung anerkenne zwar nicht das Statut der Saar, aber das Bestehen des De facto-Zustandes habe sie schon deshalb anerkannt, weil ihre Vertreter auf den Bänken des


    (Dr. Mommer)

    Europarats neben den Vertretern der Saarregierung Platz genommen hätten.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Meine Damen und Herren, wie erheben Rechtsverwahrungen, und auf der anderen Seite macht man nach wie vor Machtpolitik. Die Bundesregierung hätte eine ausgezeichnete Ausgangsposition für gute Verhandlungen gehabt. Man spricht in diesem Vertrag von Europa, und in jener Geburtsurkunde, von der ich gesprochen habe, sagt man, daß die Streitigkeiten zwischen Deutschland und Frankreich ausgeräumt werden müssen als Voraussetzung für einen europäischen Zusammenschluß.
    Die Saar ist in den letzten Jahren nach dem Kriege doch nicht entstanden aus europäischer Politik, sondern aus alter expansionistischer Machtpolitik.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Die Aufgabe war, dieses Problem nicht auszuklammern, nicht zu übertünchen, wie die Bundesregierung es in diesem Montanvertrag getan hat, sondern es zu lösen oder wenigstens einen Anfang mit seiner Lösung zu machen.

    (Abg. Euler: Sie hat aber noch mehr dazu getan!)

    Wenn Sie schon von europäischen Zuständen sprechen — am Anfang stand die ureuropäische Annexion des Saargebiets, die faktische Annexion; das können Sie auch in Ihrer eigenen Denkschrift nachlesen, daß es sich um nichts weniger als das handelt. Und aus der Annexion folgt die uneuropäische Polizeistaatlichkeit dieses Gebiets zwischen Deutschland und Frankreich.
    Gegenüber dieser Machtpolitik sucht die Bundesregierung sich in Rechtsverwahrungen, in Interpretationen zu flüchten und immer wieder in den Glauben an Europa, in den Glauben, daß nun alles anders werde und daß man einen Anfang machen müsse, und wie die Redensarten alle sind, die Sie hier vorgetragen haben.

    (Abg. Frau Dr. Weber [Essen] : Wie wollen Sie es denn machen?)

    — Wie ich es machen will, Frau Weber? Nun, ich würde, wenn ich die Trümpfe in der Hand hätte, diese nicht erst ausspielen und dann mit Ihrem Antrag kommen, sondern ich würde die Trümpfe in der Hand behalten, den Antrag stellen und dann abwarten, was geschieht. Sie machen es umgekehrt. Sie ratifizieren hier, bringen diesen Ihren Antrag auf Umdruck Nr. 412 und stellen ihn in keine Verbindung mit der Ratifikation. Der Herr Bundeskanzler hat Ihnen am 30. Juni eine Handhabe geboten, etwas mehr zu tun. Er hat darauf hingewiesen, daß der Briefwechsel eine Rechtsgrundlage sein könnte; und auf Grund von Rechtsgrundlagen kann man ja Forderungen stellen.
    Ich darf noch etwas zu Ihrem Antrag sagen, der diesen kapitalen Fehler hat, daß er nicht mit der Ratifikation verbunden ist. Er hat auch große andere Fehler. Sie sind so bescheiden geworden in Ihrer Saarpolitik. In diesem Antrag ist nur von der Freiheit an der Saar die Rede. Das ist gewiß ein sehr wichtiger Punkt, aber es ist doch bei Gott nicht der einzige Punkt. Wenn an der Saar die Deutschen deutsch reden und auch politisch deutsch handeln dürfen, dann ist damit eigentlich erst das Selbstverständliche erreicht.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Und dann kommt doch erst das Saarproblem, nämlich die Frage der staatsrechtlichen Zugehörigkeit des Gebiets.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sie merken auch alles!)

    Davon, daß die Saar, die wir ja staatsrechtlich als zu uns gehörig betrachten, auch zu uns zurückkommen muß, ist in Ihrem Antrag überhaupt nicht mehr die Rede.
    Der Herr Bundeskanzler hat kürzlich in London in einer Pressekonferenz von Geduld gesprochen. Man müsse Geduld haben, man müsse die Dinge. reifen lassen. Nun, Herr Bundeskanzler, spätestens im Dezember dieses Jahres wird es an der Saar Wahlen geben, es wird ein neuer Landtag gewählt. Wenn dieser unter den gegenwärtigen Bedingungen gewählt wird — und es sieht ganz so aus, und wenn Sie die Trümpfe nicht ausnutzen, die Sie haben, dann wird es so sein —, dann wird mit diesem neuen Landtag wieder ein neues, sehr hartes separatistisches Faktum geschaffen. Sie werden wieder eine Gelegenheit versäumt haben, etwas Effektives zur Lösung der Saarfrage in unserem Sinne zu tun.
    Es gibt auch noch andere gute Gründe, nicht zu sehr reifen zu lassen. Herr Bundeskanzler, lassen Sie sich unterrichten über die Stimmung der Saarbevölkerung und insbesondere der Arbeiterschaft an der Saar! Diese Dinge des Ausverkaufs der Saarwirtschaft an Frankreich, das Warndt-Problem, die Inflation, die die Löhne der Arbeiter entwertet, das alles hat eine Stimmung an der Saar geschaffen, die zunächst einmal zu Protesten und Generalstreikandrohungen geführt hat, die aber auch zu Schlimmerem und wirklichen Explosionen führen kann. Da könnte es passieren, daß Ereignisse eintreten, die eine sehr ernste Trübung des deutschfranzösischen Verhältnisses herbeiführen könnten, eine Trübung, die gewiß niemand von ums wünschen kann.
    Der Herr Bundeskanzler hat hier in einer Sitzung im Juli gesagt, er habe die Absicht, die Saarfrage im Ministerrat des Europarats zur Sprache zu bringen. Wir wissen, daß er diese Absicht auch jetzt noch hat. Der Ministerrat soll, wie ich. höre, Ende dieses Monats oder im nächsten Monat zusammentreten. Was der Herr Bundeskanzler da für eine Lösung der Saarprobleme in unserem Sinne erreichen kann, wird von großer Bedeutung für die zukünftige Stellung der Saar im Montanvertrag sein.

    (Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz.)

    Der Herr Bundeskanzler hat gesagt — ich habe ihn zitiert —, daß, wenn bis zum Friedensvertrag nicht Gleichheit der Chancen an der Saar garantiert werde, auch der Friedensvertrag nur eine leere Geste im Sinne der deutschen Saarpolitik werde, und das sei für uns unakzeptabel. Wenn man das nicht erreicht, wird damit präjudiziert, daß im Friedensvertrag die Saar endgültig im französischen Wirtschaftsbereich erscheint und politisch von uns abgetrennt bleibt.
    Es ist deshalb von kapitaler ' Bedeutung für unsere Beurteilung des Montanvertrags, wie die Sache in Straßburg ausgehen wird. Deshalb schlägt Ihnen unser Antrag vor, dieses Ergebnis abzuwarten und erst dann die dritte Lesung des Vertrags vorzunehmen. Wir sollten nicht schon den Trumpf aus der Hand geben, sondern uns vorher dieses europäische Minimum an der Saar garan-


    (Dr. Mommer)

    tieren lassen und erst dann den Vertrag vielleicht ratifizieren. Der Bundestag kann dadurch, daß er die dritte Lesung aussetzt, etwas mehr für unsere deutschen Brüder an der Saar tun, als leere Proteste von sich zu geben. Er hat in dieser Frage das Glück, daß er nicht nur deutsche Interessen vertritt, sondern daß er etwas tun kann für die Stärkung der Pfeiler, auf denen Europa allein errichtet werden kann. Diese Pfeiler müssen doch heißen: Freiheit, Selbstbestimmung, Fairneß und Gleichheit für alle Europäer!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zuruf rechts.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, zu so vorgeschrittener Stunde Ihre Aufmerksamkeit für eine Reihe von ernsten Fragen in Anspruch nehmen zu müssen. Meine persönliche Auffassung ist, daß es bei einigem Entgegenkommen hätte möglich sein müssen, uns eine solche peinliche Nachtsitzung. in so ernster Sache zu ersparen; denn bitte, meine Damen und Herren, welche Rolle spielt ein Tag, wenn es um fünfzig Jahre geht?

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und ganz rechts. — Zuruf von der Mitte: Seit Juni!)

    Doch zur Sache. Der Herr Berichterstatter des Ausschusses für Wirtschaftspolitik hat die Entscheidung, die mit dem Ratifikationsgesetz zur Montan-Union vom Bundestag gefällt werden soll, als eine Entscheidung von, wie er sagte, ungewöhnlicher Bedeutung bezeichnet. Der Bericht, der mit dem Antrag schließt, das Ratifikationsgesetz unverändert anzunehmen, nennt die damit vom Bundestag geforderte Entscheidung die schwerwiegendste unter allen, die er bisher zu fällen gehabt hat. Ehe wir durch unsere Stimmabgabe diese Entscheidung treffen, müssen wir uns über die Auswirkungen dieses Gesetzes auf Leben und Zukunft unseres Volkes ganz klar werden. Auch diel enigen unter Ihnen, d; e entschlossen sein sollten, dem Gesetz unter allen Umständen ihre Zustimmung zu geben, sollten noch einmal die Argumente der Opposition, die wir Ihnen heute hier vorgetragen haben und noch vortragen, wägen. Es kann auch Ihnen nichts schaden.
    Der Herr Berichterstatter des Ausschusses für Wirtschaftspolitik zitiert in seinem schriftlichen Bericht aus der Erklärung des französischen Außenministers Robert Schuman den Satz — ich zitiere Schuman —:
    Das Zusammenlegen der Kohle- und Stahlerzeugung wird zwangsläufig zur ersten Etappe des europäischen Staatenbundes, der sofortigen Schaffung gemeinsamer Grundlagen für den Ausbau der Wirtschaft und zu einem Wandel im Geschick dieser Länder führen.
    Soweit Herr Schuman. Das Vertragswerk über die Montan-Union wird also mit diesen Worten des französischen Außenministers als erstes Glied einer Kette von dann zwangsläufig folgenden Ereignissen gekennzeichnet. Ein Grund mehr, sorgfältig zu prüfen, ob diese Zwangsläufigkeit unserem Volk und Land dienlich sein kann. Ein Grund mehr, auch sorgfältig zu prüfen, ob der beabsichtigte angekündigte zwangsläufige Wandel im Geschick der in der Montan-Union zusammengeschlossenen Länder unserem Land zum Segen gereichen kann.
    Der Herr Bundeskanzler hat während der Ausschußberatungen Wert darauf gelegt, der Kritik der Sozialdemokratischen Partei mit der Erklärung zu begegnen, wir kämen nicht an der Tatsache vorbei, daß wir den Krieg nicht gewonnen hätten. Dèshalb müsse man — so sagt Herr Bundeskanzler — bei der Kritik des vorliegenden Schumanplans davon ausgehen, inwiefern die deutsche Lage gegenüber dem, was jetzt ist, gebessert werde. Diese Argumente des Herrn Bundeskanzlers haben sich j a auch in dieser Debatte von gestern und heute einige Male wiederholt.
    Hinsichtlich der wirtschaftlichen und der wirtwirtschaftspolitischen Tatbestände ist hier vieles gesagt worden. Lassen Sie mich nun ein wenig bei den Zwangsläufigkeien verweilen, die sich aus den wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Tatbeständen, die die Montan-Union schafft, für unser Land, für das Schicksal Deutschlands ergeben. Auch diejenigen unter Ihnen, die ,dem Herrn Bundeskanzler zu folgen bereit sind und aufzurechnen versuchen, was sich durch die MontanUnion zum Vorteil Deutschlands ändere, werden nicht umhin können, die Natur der Zwangsläufigkeiten, die sich aus der Montan-Union ergeben, in Rechnung zu stellen, — in Ihr e Rechnung zu stellen! Wenn wir erst einmal in die Kettenreihe dieser Zwangsläufigkeiten eingeschlossen sind, ergibt es sich vielleicht, daß sich für unser Land, gerade für unser Land, ein Wandel — um das Wort des französschen Außenministers zu gebrauchen — im Geschick herausstellt, der in schroffem und nicht zu lösendem Gegensatz zu den Zielen der Bundesrepublik steht. Kohle und Stahl haben ihr eigenes spezifisches Gewicht. Das SchumanplanVertragswerk trägt an und für sich die Merkmale eines tiefen operativen Einschnitts in unser gesamtes Wirtschaftsleben. Wenn wir aber den Schumanplan, wie es auch die Regierung wünscht, als ein erstes oder nächstes Stück auf einem Wege betrachten, der als ein Ganzes begrffen werden soll, dann muß man doch den Überblick über das Ganze haben. Wer sich für oder gegen dieses Gesetz entscheiden soll, muß das Ganze kennen, von dem die Montan-Union nur ein Teil ist.
    Die Bundesrepublik soll den Schumanplan-Vertrag ratif .zieren, ohne im Besitz der Souveränität zu sein. Die Bundesrepublik soll, wie es in der Begründung des Vertragswerkes heißt, in ein „Gebilde verfassungsrechtlicher Gattung" eingeschlossen werden. In der von der Bundesregierung vorgelegten Begründung des Vertragswerks heißt es ausdrücklich — ich zitiere —:
    Die durch den Vertrag auf einem beschränkten, aber entscheidenden Wirtschaftsgebiet begründete Rechtsordnung verdrängt die partikularen innerstaatlichen Ordnungen. Sie bindet sowohl die Mitgliedstaaten als auch unmittelbar die einzelnen Bürger, insbesondere die einzelnen Unternehmen, im Raume der Gemeinschaft.
    Soweit die Begründung der Bundesregierung. Meine Frage ist nun: Sind diese Bindungen von einer Art, die im Gegensatz zur Zielsetzung unseres Grundgesetzes steht oder einen solchen Gegensatz heraufbeschwören kann? Erschwert uns der Einschluß in den, wie es heißt, „Raum der Gemeinschaft" die Vereinigung mit den Teilen unseres Volkes, die außerhalb dieses Raumes bleiben müssen? Besteht die Gefahr, daß das deutsche Volk in verschiedene, scharf voneinander


    (Wehner)

    getrennte Räume eingeschlossen wird? Diese Fragen sind durch die gestrige Erklärung des Herrn Bundeskanzlers leider keineswegs befriedigend beantwortet worden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Verlagerung wirtschaftlicher Schwergewichte, die dem Montanvertrag innewohnt, hat ihre eigene Logik und ihre Folgen hinsichtlich der Substanz, die wir um unserer nationalen und staatlichen Einheit willen behaupten müssen.
    Die Präambel unseres Grundgesetzes sagt, daß das Grundgesetz beschlossen wurde, „um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben". Man darf wohl sagen, daß uns Deutschen bewußt ist, welche Tragik darin legt, daß uns immer noch verwehrt wird, unser Land entsprechend dem Willen der Bevolkerung aller Teile durch eine von allen frei gewählte gesetzgebende Körperschaft und eine ihr verantwortliche Regierung selbst zu regieren. Könnten wir Abgeordnete des ersten frei gewählten Parlaments des größeren Teiles Deutschlands der uns im Grundgesetz gestellten Aufgabe gerecht werden, wenn wir uns dafür entschieden, durch Annahme des Gesetzes über die Montan-Union die Bindungen einzugehen und die Zwangsläufigkeiten auf uns zu nehmen, von denen in der Begründung der Bundesregierung und in der Erklärung des französichen Außenministers die Rede ist? Ist die Bindung an einen für 50 Jahre gültigen Vertrag, mit kaum wirksam werden könnenden Revisionsmöglichkeiten, noch mit der Ordnung des staatlichen Lebens für eine Übergangszeit zu vereinbaren?
    Diese Frage drängt sich besonders auf, wenn wir prüfen, ob die Ausnahmestellung minderen Rechts, die uns schließlich im Gesamtvertragssystem zugedarnt ist — ich meine, auf Grund der durchaus ungleichen Startbedingungen und der verbleibenden Vorrechte der Besatzungsmächte —, in Einklang zu bringen ist mit uns in der Präambel des Grundgesetzes auf den Weg gegebenen Worten:
    von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.
    In der, Nr. 3 des vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung herausgegebenen „Bulletin" vom 8. Januar wird die Lösung des Problems „Schumanplan und deutsche Einheit" gewissermaßen im Handumdrehen zur allseitigen Zufriedenheit versprochen. Es heißt dort, die Bundesregierung werde beide Ziele, also die Einheit Deutschlands und die Einheit Europas, mit der gleichen Vehemenz anstreben. Es gebe, so heißt es weiter in dem „Bulletin", in dieser Hinsicht keine Vorrangfrage. Ist es so, meine Damen und Herren? Und darf man, wie es in dieser offiziösen Verlautbarung geschieht, behaupten, daß diejenigen, die Befürchtungen hinsichtlich der Folgen des Schuman-plans in bezug auf die Bemühungen um die deutsche Einheit aussprechen, der bolschewistischen Propaganda dienen, wie es im „Bulletin" behauptet wird? 'So billig geht es nicht! Sie und alle sollten zur Kenntnis nehmen, daß die sozialdemokratische Kritik am konkreten Schumanplan von der Sorge um das rechte, das fruchtbare Verhältnis Deutschlands zu Europa getragen ist und dem Ziele dient, einen Beitrag zu echter Gemeinschaft der freien Völker Europas und der Welt auf der Grundlage der Gleichberechtigung zu leisten.
    Schließlich war es nicht die SPD, die eine Reihenfolge in diese Diskussion gebracht hat,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    sondern es waren Blätter wie der „Rheinische Merkur" oder „Mann in der Zeit", die der Partei des Herrn Bundeskanzlers nicht ganz fernstehen. Der Herr Bundeskanzler selbst hat leider in seinem in der amerikanischen Wochenschrift „Newsweek" vom 26. November erschienenen Interview der Stufentheorie — d. h. erst Integration, dann Einheit — seinen Tribut gezollt.
    Die Auffassung der SPD deckt sich mit den Sätzen, die in der Erklärung der Hamburger Tagung der Europäischen Bewegung enthalten sind. Ich gestatte mir, sie hier zu zitieren. Es heißt dort:
    Die Europäische Gemeinschaft muß bestrebt
    sein, das ganze Europa zu umgreifen, einschließlich der Länder, die heute ihrer demokratischen
    Freiheiten beraubt sind.

    (Abg. Dr. Preusker: Wann soll das geschehen?) Die Konferenz stellt die Legitimität des Willens aller Deutschen, sich niemals mit einer Teilung ihres Landes abzufinden, fest. Sie erklärt sich mit ihrem Wollen solidarisch. (Abg. Euler: Wie wollen Sie die Teilung

    aufheben?)
    — Sie polemisieren doch, Herr Euler, hoffentlich nicht gegen die Entschließung der Hamburger Konferenz der Europäischen Bewegung, die ich hier noch zitiere?
    Der Zusammenbau Europas und die Einheit Deutschlands dürfen nur in Freiheit und mit friedlichen Mitteln verwirklicht werden. Innerhalb einer europäischen Gemeinschaft
    — so heißt es weiter in dieser Erklärung —muß Deutschland ein Partner sein, der die gleichen Rechte genießt wie die anderen Partner. Seine Souveränität wird in dem Maße wiederaufleben müssen, in dem seine Partner die ihre bewahren wollen.
    Ich habe dieses etwas ausführliche Zitat gebracht, um hier noch einmal klarzustellen: die Sozialdemokratische Partei steht durchaus im Einklang mit den Sätzen, mit der Willenserklärung dieser erst kürzlich durchgeführten Hamburger Tagung.

    (Abg. Dr. Tillmanns: Dabei hat der Vertreter der SPD, Herr Luetkens, dagegen gestimmt!)

    Bei den Schumanplan-Verhandlungen hat das Problem der Einheit Deutschlands als solches offenbar keine Rolle gespielt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    — Herr Tillmanns, Sie sprechen j a nach mir; Sie können sich noch ausführlich zu diesen Dingen äußern.
    Auf die in diesen Zusammenhang gehörenden Fragen zum Status des Saargebiets ist schon eingegangen worden. Berlin ist — das hat sich bei den Ausschußberatungen wohl herausgestellt — weder erwähnt worden, noch wurde seiner besonderen Lage Rechnung getragen. Die sowjetische Besatzungszone wird im Vertragswerk lediglich, wie schon gesagt worden ist, in § 22 der Übergangsbestimmungen erwähnt. Dort heißt es in dem Teil, der die Beziehungen der Gemeinschaft zu dritten Ländern regelt: •
    Der Warenaustausch auf dem Gebiet von Kohle und Stahl zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der sowjetischen Besatzungszone wird, soweit es sich um die Bundesrepu-


    (Wehner)

    blik Deutschland handelt, unbeschadet des Ablaufs der Übergangszeit durch die deutsche Bundesregierung im Einverständnis mit der Hohen Behörde geregelt.
    Der Herr Berichterstatter Dr. Preusker hat die Auffassung vertreten, durch § 22 der Übergangsbestimmungen erkenne der Vertrag eindeutig an, daß die sowjetische Besatzungszone im Verhältnis zur Bundesrepublik nicht als Ausland anzusehen sei. Für Berlin gelte — so ist gesagt worden — nach Auffassung der Bundesregierung mindestens das gleiche, wenn hier nicht sogar noch die Bestimmungen des Art. 79 verstärkend im Sinne einer noch engeren Bindung wirken.
    Bezüglich Berlins möchte ich darauf aufmerksam machen, daß sich im Laufe der Ausschußberatungen drei verschiedene Erklärungen ergeben haben, die man uns dargeboten hat. Einmal hieß es, Berlin sei nicht erwähnt worden, weil dort weder Kohle gefördert noch Eisen und Stahl erzeugt werde. Zum anderen hieß es, Berlin werde j a durch den § 22 der Übergangsbestimmungen mit gedeckt. Und zum dritten hieß es, die Bundesregierung vertrete nach Art. '79 des Vertrages Berlin außenpolitisch, deshalb erübrige sich eine besondere Erwähnung Berlins. — Es wäre besser, wir hätten eine statt drei Erklärungen bekommen!
    Zur ersten Erklärung möchte ich sagen, daß sie weder die tatsächliche Stahlproduktion Berlins noch die Rolle Berlins als Verbraucher und Verarbeiter berücksichtigt, woraus sich bei Mangellage im Sinne des Vertrages schwerwiegende nachteilige Folgen ergeben könnten.
    Zur zweiten Erklärung darf ich wohl die Frage stellen, ob eine solche Auslegung von den Vertragspartnern geteilt wird und welche schlüssige Auskunft uns in dieser Beziehung gegeben werden kann.
    Zur dritten Erklärung schließlich möchte ich darauf aufmerksam machen, daß der Art. 79 das Verhältnis der in Frage kommenden Regierungen vertragschließender Länder zu Ländern wie San Marino und Monako meint. Auch das Verhältnis, das die französische Regierung einseitig zum Saargebiet geschaffen hat, wird durch diesen Artikel, wie schon gesagt wurde, gedeckt. Wir aber möchten nicht das Verhältnis der Bundesrepublik zu Berlin in Parallele zum Verhältnis der entsprechenden Regierungen zu San Marino und Monako und auch nicht zum Saargebiet setzen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Erklärungen, die uns der Herr Bundeskanzler gestern hinsichtlich Berlins gegeben hat, sind noch unbefriedigend. Sie sind zwar ein Versuch, ein Versäumnis während der Vertragsverhandlungen durch neue Interpretation zu korrigieren. Aber das Versäumnis wird damit nicht aus der Welt geschafft, und es bleibt die Frage, wie die anderen Vertragschließenden zu dieser Interpretation stehen. Wenn der Herr Berichterstatter Dr. Preusker gemeint hat:
    Die Eingliederung der sowjetischen Besatzungszone nach einer Wiedervereinigung Deutschlands wird Gegenstand besonderer Anpassungsmaßnahmen sein müssen, die durch Zusatzverträge zu regeln sein. werden,
    so erhebt sich die Frage, ob die Vertragspartner denn durch den Vertrag oder durch besondere Vereinbarungen, die mit dem Vertrage in Verbindung stehen, gebunden sind und sich gebunden halten, solchen Anpassungsmaßnahmen ihre Zustimmung
    zu geben oder überhaupt in solche Verhandlungen einzutreten. Der Vertrag gibt dafür keine Anhaltspunkte. Von einer Sonderregelung hat die Regierung während der Ausschußberatungen und auch jetzt im Plenum nichts verlauten lassen. Bei den Ausschußberatungen aber wurde durch einen juristischen Sachverständigen der Regierung gesagt, wenn die Vertragspartner sich nicht einigten, entstehe eine Situation, über die der Jurist schweige.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die entscheidende Frage aber ist, ob die Vertragspartner oder einige unter ihnen die Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands oder die Überwindung der Spaltung Deutschlands als in ihrem Interesse liegend betrachten. In dem Augenblick, in dem man sich anschickt, einen Teil Deutschlands für 50 Jahre in den Raum einer Gemeinschaft einzugliedern, deren Partner sich weder im Vertrag noch in einer Erklärung zum Vertrag zu dieser Frage eindeutig im Sinne unserer, sich für uns aus dem Grundgesetz ergebenden Zielsetzung erklärt haben, ist es notwendig, klaren Bescheid zu geben, um so mehr als bezüglich des Saargebiets schon festgestellt wurde, daß die Bundesregierung einerseits und die französische Regierung andererseits an ihren entgegengesetzten Rechtsauffassungen festhalten.
    Wenn wir uns, wie es im Laufe dieser Debatte geschehen ist, mit der in vieler Hinsicht aufschlußreichen Debatte in der französischen Nationalversammlung befassen, so können wir auch in der von mir behandelten. Beziehung einige Tendenzen finden, die unsere Aufmerksamkeit verdienen. Aufmerksamkeit; meine ich, verdient z. B., in welcher Weise diejenigen Sprecher, die. sich in der französischen Nationalversammlung für die Ratifikation des Vertrages eingesetzt haben, die Bindung der deutschen Kohle an die stahlerzeugende Industrie des Westens auslegen. Der Berichterstatter CosteFloret, der schon einige Male zitiert wurde, hat die hervorragende Bedeutung der Tatsache betont, daß die — wie er es nannte — Bevorrechtigung der deutschen Verarbeiter bei der Belieferung mit deutscher Kohle unterdrückt werde. Der andere Berichterstatter, der hier schon zitiert wurde, hat auf den interessanten Ausspruch des Generaldirektors der Renaultwerke hingewiesen, der die Freude zum Gegenstand hat, die dieser Herr darüber empfindet, daß man, wenn es einen Schumanplan gibt, in Deutschland nicht mehr die Stahlerzeugnisse, so wie sie dort gebraucht werden, ins Volkswagenwerk liefern kann, sondern daß sie von anderer Seite verlangt werden können. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, welche Bedeutung das Volkswagenwerk für ein großes Gebiet im Bereich des Grenzgürtels der sowjetischen Besatzungszone hat.
    Gestatten Sie mir, im Zusammenhang damit auch auf die Sätze des Finanzministers René Mayer hinzuweisen, die der Stahlindustrie in diesem Zonengrenzgebiet gelten. Der Finanzminister sieht als Tendenz des Vertrages den — wie er es nennt — Kampf gegen die deutsche Autarkie an, und als wesentlich und neu bezeichnet er die mit dem Schumanplan gegebene Möglichkeit, gewisse deutsche Produktionsmöglichkeiten zu unterbinden. Er ließ keinen Zweifel darüber, meine Damen und Herren, daß nach französischer Auffassung z. B. die Demontage von Watenstedt-Salzgitter endgültige Tatsachen geschaffen habe.
    Im Lichte solcher Auffassungen bekommen die Begriffe „antiökonomisch" und „autarkisch", auf die bei den Ausschußberatungen hingewiesen wor-


    (Wehner)

    den ist, im Zusammenhang mit der Investitionsfrage, eine Bedeutung, die für uns jedenfalls keineswegs beruhigend ist. Als „antiökonomisch" und „autarkisch" könnten ja z. B. Vorhaben und Werke gekennzeichnet werden, die für uns volkswirtschaftlich und nationalpolitisch erstrangige Bedeutung haben.
    Herr Dr. Preusker meinte in seinem mündlichen Bericht, der Vertrag gehe ja davon aus, als ob Deutschland schon eine Einheit wäre. Aber selbst wenn wir die Gewißheit haben dürften, daß es so sei, so könnten wir damit nicht beruhigt sein. Denn worauf es ankäme, wäre, daß in einem solchen Vertrag und in der Art, in der er gehandhabt wird, unserer besonderen Lage Rechnung getragen wird, die es erfordert, daß wir nicht zur Verlagerung industrieller und wirtschaftlicher Schwergewichte nach Lothringen und weiter nach dem Westen beitragen und dadurch den Gürtel an der sowjetischen Besatzungszonengrenze veröden helfen.
    Die wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Tendenzen des Vertragswerks geben Deutschland Grund zur Beunruhigung, weil sie — um auf das Wort des französischen Außenministers von den Zwangsläufigkeiten zurückzukommen — uns in unserem Bemühen stören und schwächen, wirtschaftlich und sozial magnetisch auf die sowjetische Besatzungszone wirken zu können.

    (Abg. Rische: Mit diesem Magnet ist es jetzt aus!)

    Der Herr Bundeskanzler hat gestern auf den sogenannten Generalvertrag hingewiesen, um unsere Befürchtungen hinsichtlich des Verhältnisses zur sowjetischen Besatzungszone zu zerstreuen. Dieser Hinweis des Herrn Bundeskanzlers gibt mir Anlaß, meinerseits auf eine Kritik hinzuweisen, die der Vizepräsident des amerikanischen Gewerkschaftsbundes, der American Federation of Labor, in einem Briefwechsel mit dem amerikanischen Außenministerium an der Deutschlandpolitik der Alliierten und an deren neuesten Plänen geübt hat und damit an den Plänen seiner eigenen Regierung im Hinblick auf die Behandlung Deutschlands. Aus dem Briefe des Vizepräsidenten Matthew Woll zitiere ich:
    Die Westmächte sollten tatkräftig und ständig eine Politik zugunsten der Wiedervereinigung Deutschlands auf einer wirklich demokratischen Grundlage verfolgen. In der oben erwähnten Septembererklärung
    — gemeint ist das Kommuniqué der Washingtoner Außenministerkonferenz —
    wird jedoch
    — so sagt die American Federation of Labor — eine Regelung vorgeschlagen, die den Alliierten das Recht vorbehält, alle Entscheidungen hinsichtlich der Wiedervereinigung Deutschlands zu bestimmen. Eine solche Regelung zeugt eher von einem ehrfürchtigen Respekt vor dem Geiste der Potsdamer Beschlüsse von 1945 als von einer festen Entschlossenheit, den Notwendigkeiten der im Jahre 1951 vorhandenen kritischen Situation Rechnung zu tragen. Warum müssen
    — so fragt der amerikanische Gewerkschaftsbund — die westlichen Alliierten, die sich auf eine Politik der Wiedervereinigung Deutschlands auf einer wirklich demokratischen Grundlage verpflichtet haben, auf der Forderung beharren, daß ihnen in dieser Frage ein Vetorecht eingeräumt werde? Diese Beharrlichkeit
    — so tadelt die American Federation of Labor die Regierungen der Westmächte —
    ruft nur Zweifel an der Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit dieser alliierten Verpflichtung hervor. Es ist an der Zeit,
    — so betont der Vizepräsident des amerikanischen Gewerkschaftsbundes abschließend —
    daß die Demokratien erkennen, daß es ein unveräußerliches Recht des deutschen Volkes ist, selbst darüber zu entscheiden, was es als das überragende Problem seiner Organisation und seines Lebens als Nation betrachtet.
    Diesen Sätzen ist nichts hinzuzufügen. Wir in Deutschland können uns darüber freuen, daß der Sprecher einer so großen und einflußreichen Organisation so warm und überzeugend als Anwalt unseres Rechts auftritt. Der Herr Bundeskanzler und Außenminister sollte Wert darauf legen, von seinen Beamten auch solche Stellungnahmen ausländischer Persönlichkeiten zu unseren Lebensfragen vorgelegt zu bekommen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Abschließend darf ich also sagen: Den im Schumanplan und in den dazugehörigen Verträgen und Auflagen der Besatzungsmächte liegenden Zwangsläufigkeiten können wir uns nicht anpassen. Der Wandel, den sie im Geschick unseres Landes herbeiführen würden, käme auf eine Erschwerung unserer Hauptaufgabe hinaus, auf eine Erschwerung der Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit und Frieden. Das hieße eine Erschwerung der Befreiung der 18 Millionen in der sowjetischen Besatzungszone. Es ist eine der vornehmsten Aufgaben der Bundesregierung, in neuen Verhandlungen mit den Signatarmächten des Schumanplans und in den Verhandlungen mit den Siegermächten diese Gesichtspunkte zur Geltung zu bringen. Es wäre nicht zuletzt eine für die demokratische Welt folgenschwere Fehlleistung, den Versuch zu europäischer Zusammenarbeit von vornherein mit dem Konstruktionsfehler zu belasten, die Bundesrepublik Deutschland an der Erfüllung ihrer wichtigsten und wahrhaft europäischen Aufgabe zu hindern.
    Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren, am 27. September 1951 hat der Bundestag die Herstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit mit friedlichen Mitteln als die vordringlichste politische Forderung des ganzen deutschen Volkes bezeichnet. Tragen Sie dieser „vordringlichsten politischen Forderung" bei der Entscheidung über ein Gesetz, dessen Zwangsläufigkeiten uns für Jahrzehnte binden sollen, Rechnung! Damit würden Sie zugleich einen Beitrag zur europäischen Verständigung leisten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)