Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte hat bisher leider nicht das Ergebnis gehabt, das einen in der Zuversicht bestärken könnte, die Plattform für das, was wir hier zu tun uns anschicken, könnte verbreitert werden. Aber wir werden trotzdem bis zum letzten Moment, möchte ich sagen, nicht ablassen, die Argumente herauszustellen, von denen wir glauben, daß sie auf die Dauer ihren Effekt auch auf die Opposition in diesem Hause nicht verfehlen werden. Wir werden aber gleichzeitig nicht zulassen können und dürfen, daß sich hier etwa falsche Thesen verhärten. Wenn Herr Kollege Henßler gestern nachmittag sehr stolz darauf war, daß das, was er für seine Fraktion vorgetragen hat, eine gradlinige Fortsetzung ihrer bisherigen Haltung sei, so, glaube ich, nehmen wir für uns mit nicht weniger Stolz als er in Anspruch, daß das, was wir hier tun, eine konsequente geradlinige Fortsetzung unserer bisherigen Haltung ist.
Und wenn wir uns mit der Forderung beschäftigen, die er dabei aufgestellt hat, nämlich das Ziel seiner Fraktion und seiner Argumentation sei die volle deutsche Gleichberechtigung, so glaube ich, daß wir uns auch in der Forderung nach der vollen deutschen Gleichberechtigung von keiner Seite in diesem Hause werden übertreffen lassen. Die Opposition, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird sich wohl kaum schmeicheln, von uns als gründlicher, als gewissenhafter, als besorgter und als patriotischer angesehen zu werden, als wir selbst glauben, darauf Anspruch erheben zu können.
Was Herr Kollege Henßler gestern hier vorgetragen hat, läßt im wesentlichen eine längst überholte Melodie wieder aufklingen, eine Melodie, die in diesem Hause ebenso abgestanden sein sollte wie die der Opposition in der französischen Kammer.
Das, was dort als die Furcht vor der deutschen Gefahr als These aufleuchtet, findet sich hier umgekehrt wieder in der sozialistischen These vom Mangel der Gleichberechtigung.
Und wenn Herr Kollege Henßler glaubte, auf frühere Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers
damals noch Fraktionsführer unserer Land-
tagsfraktion in Nordrhein-Westfalen -- zurückgreifen zu können, so dürfte das ein Griff in die historisch falsche Kiste gewesen sein.
Herr Kollege Stegner hat es zwar gerade abgelehnt, und, ich glaube, ganz mit Recht abgelehnt, von seiner Fraktionsstellung aus, wenn ich so sagen darf, die Regierung und speziell vielleicht den Herrn Bundeskanzler in diesem Punkte zu kommentieren oder gar zu verteidigen. Aber in der Aufnahme dieses Arguments, daß sich damals der Herr Bundeskanzler gegen wirtschaftliche Annexionen als gegen das Naturrecht verstoßend gewandt hat, ist Herrn Henßler doch ein sehr großer Fehlschluß unterlaufen. Denn das grundsätzlich andere in dieser Situation ist, daß es sich dann überhaupt nur um gegenseitige wirtschaftliche Annexionen handeln könnte, wenn es eine Bezeichnung dieser Art gäbe. Ich glaube, eine solche These verkennt grundsätzlich das Wechselseitige.
Wenn man sich die Mühe macht, die These der sozialdemokratischen Fraktion zu analysieren, so läuft sie im Grunde — und hier stimme ich Herrn Kollegen Stegner völlig zu — in einem kurzfristigen und auch vielleicht kurzschlüssigen Denken darauf hinaus, hier nur eine neue Allianz gegen Deutschland zu sehen, also im Grunde eine Befürchtung umgekehrt aufzugreifen, wie sie in gewisser abständiger französischer Argumentation der letzten Zeit noch eine unbedeutende Rolle gespielt hat. Wäre es in der Tat so, meine Damen und Herren, daß sich hier eine neue Allianz gegen Deutschland abzeichnete — ich glaube, niemand von Ihnen wird doch im Ernste annehmen wollen, daß wir einer neuen Allianz gegen Deutschland etwa eine Rechtsgültigkeit durch unsere Unterschrift würden geben wollen.
Und wenn Sie dafür heranziehen, daß die Hohe Behörde sozusagen das Geschäft der Ruhrbehörde fortsetzen würde, so glaube ich, daß sie das allein deswegen schon nicht kann, weil sie diese Firma keineswegs übernimmt. Es handelt sich erstens einmal um eine totale Liquidierung der Ruhrbehörde, denn hier treten neue Partner mit einer neuen Zielsetzung zusammen und im übrigen mit einem Instrument, von dem gestern und heute hier noch nicht sehr viel die Rede war, das aber von anderen Freunden von uns noch nachdrücklich beleuchtet werden wird, mit dem Instrument einer richterlichen Kontrolle.
Herr Henßler hat mir gestern, als ich ihm das in einem Zwischenruf entgegenhielt, darauf geantwortet, er verfüge über mehr Erfahrung mit Gerichten als ich. Ich kenne die Erfahrungen, die Herr Henßler mit Gerichten gemacht hat, nicht im einzelnen. Ich weiß allerdings, daß er einige schmerzliche Erfahrungen mit Gerichten der nationalsozialistischen Epoche hinter sich hat. Aber soviel ist doch ganz sicher, daß er über Erfahrungen mit einem internationalen Gericht auf einer solchen Plattform sicherlich nicht verfügen wird, und ich glaube, wir tun auch nicht gut daran, meine Damen und Herren, eine solche von uns mitzuschaffende neue Autorität von vornherein durch Mißtrauen zu diskreditieren.
Also wenn man eine neue Allianz gegen Deutschland als die Fortsetzung einer alten Allianz sehen will und das geradezu als eine Allianz der
Räuber bezeichnen möchte, die auf der einen Seite auf unsere Kohle erpicht sind und sich auf der andern Seite hüten werden, Investitionen zuzulassen, die uns günstig sind, so glaube ich, daß man sich damit in der Tat, wie das Herr Kollege Stegner sehr wirkungsvoll ausführte, noch in einer anderen geschichtlichen Epoche befindet.
Meine Damen und Herren, ich stehe nicht an, zu sagen, daß es etwas Erschütterndes an sich hat, wenn man sieht, wie sehr gerade diejenigen, die sich selbst jahrzehntelang als Vorkämpfer des Gedankens internationaler Zusammenarbeit und internationaler Verträge bezeichnet haben, heute grundsätzlich und nachdrücklich jede Institution dieser Art mit tiefstem Mißtrauen zu betrachten scheinen.
In der gestrigen Debatte war aber ein anderer Punkt interessant. Auch das hat mich überrascht, und Sie werden mir erlauben, daß ich diesen Punkt in das richtige Licht der Öffentlichkeit rücke. Ich meine die Stellungnahme zu dem Sozialisierungsvorbehalt, der sich im Schumanplan findet. Ich hätte mir denken können, Herr Henßler, daß man wenigstens auf dieser Basis, von einem sozialistischen Standpunkt aus, in der Lage gewesen wäre, uns einmal das Ideal eines sozialisierten Europas vorzuführen und zumindest die konstruktive Alternative zu zeigen. Aber darauf haben Sie verzichtet. Ich weiß nicht, ob einer Ihrer Freunde das noch wird nachholen wollen.
Ich darf mich nun mit einigen Ausführungen dem zuwenden, was Herr Kollege Dr. Schöne gesagt hat. Er hat auch seinerseits — und das ist ja auch heute immer wieder geschehen — die Gleichheit der Startposition bestritten und hat das im wesentlichen an den Fragen der Verbundwirtschaft und der Unternehmensgrößen zu erläutern versucht. Jemand, der die sehr schwierige Entwicklung und- den sehr schwierigen Nachkriegsbereinigungsprozeß auf diesem Gebiet erlebt hat, weiß, daß -das in der Tat Gegenstände waren, die nicht nur die politischen Parteien, sondern auch viele deutsche Stellen und zuletzt die Bundesregierung selbst laufend beschäftigt haben; eine Beschäftigung, die noch keineswegs ihren Abschluß gefunden hat. Aber ich kann auch hier nicht umhin, auszusprechen, daß von Herrn Dr. Schöne doch sehr viele Argumente gebraucht worden sind, die noch vor wenigen Jahren in einem ganz anderen Lager zu hören waren, und daß hier eine Argumentation aufgenommen worden ist, die diejenigen, welche es zunächst und unmittelbar anging, nun unter dem Gesichtspunkt des Schumanplans glauben ein Stück zurückstecken zu können, nicht etwa zu müssen, sondern zu können. Ich glaube, daß wir in dem zähen Ringen um die optimale Gestaltung unserer Betriebe und ihrer Verbundwirtschaft ein sehr gutes Stück vorwärtsgekommen sind und alle Aussichten haben, gerade unter der Geltung des Schumanplans auch das Letzte, was etwa noch wegzuräumen und auszugleichen sein mag, tatsächlich in Ordnung zu bringen. Wenn auch Herr Schuman gesagt haben mag, für ihn sei der derzeitige Standpunkt in der Frage der Entflechtung der endgültige, — nun gut, auch Herr Schuman kann irren. Aber der Schuman plan irrt nicht, und in ihm steht zu diesem Punkte sowohl im deutschen wie im französischen Text oder lassen
Sie es mich umgekehrt sagen: im französischen Text genau so gut wie im deutschen — etwas anderes.
Unsere Freunde von links haben ihre Argumentation im Grunde auf der Mangellage aufgebaut. Dabei sollten sie aber nicht vergessen — und das ist eine Erkenntnis, die Ihnen nicht fernliegen kann, weil sie sich sehr leicht vermitteln läßt —, daß wir in der wirtschaf tsgeschichtlichen Entwicklung kein Beispiel dafür haben, daß eine Mangellage, etwa bei der Kohle, sich in unserem Bereich über einen sehr langen Zeitraum erstreckt. Wir sind im Gegenteil der Überzeugung, daß wir diese Mangellage in einiger Zeit überwinden können und überwinden werden.
Schließlich ist noch der Grundsatz des Schuman-plans, die Investitionen an der günstigsten Stelle vorzunehmen, bezweifelt und erklärt worden, diesen Grundsatz könne man in dem Vertragswerk nicht finden. Demgegenüber möchte ich auf Art. 2 hinweisen, in welchem dieses Prinzip deutlich ausgesprochen ist.
Meine Damen und Herren, in der Debatte ist nun die Aussprache in der französischen Kammer bis zum Überdruß zitiert worden, und wir waren auch schon vorher mit einer kleinen Denkschrift beglückt worden, in der eine Reihe von Zitaten zusammengestellt waren, wie ich glaube, in recht einseitiger Weise zusammengestellt waren.
— Aber eine kleine Überlegung, Herr Kalbitzer, müßte alles, was dort an Material sorgfältig exzerpiert war, und zwar auch gerade von einem negativen Standpunkt her, ad absurdum führen können; denn das wirkliche Bild der französischen Kammerdebatte ist wesentlich anders und wesentlich eindrucksvoller gewesen.
Dort ist nämlich der Schumanplan nicht geradezu auf einer Welle der Begeisterung in diese Allianz der Räuber verwandelt worden, sondern man hat dort dreimal die Vertrauensfrage stellen müssen, um dieses Vertragswerk dann gegen schwere Widerstände unter Dach und Fach zu bringen,
nicht zuletzt gegen Widerstände der französischen Industrie, die sich vielleicht darüber wundern wird, wie sie auf der deutschen Seite unterstützt wird.
Nun wage ich nicht, den Ausgang der Verhandlungen in diesem Hause im einzelnen vorherzusagen; aber ich glaube, daß wir dieses Problem werden bewältigen können, ohne dreimal zum Stellen der Vertrauensfrage Zuflucht nehmen zu müssen.
— Also das ist etwas ganz Neues,. Herr Blachstein, und ich habe darauf gewartet, daß ich in dieser Beziehung über das Grundgesetz belehrt werden könnte.
In der Tat spiegelt das aber doch nur wider, daß hier eine geradlinige Politik, auf die wir ebenso stolz sind wie Sie auf Ihre geradlinige Opposition, eine genügende Resonanz für die entscheidenden Akte hat, die sie im Interesse des deutsches Volkes, ihrer Verantwortung entsprechend, für geboten hält.
Meine Damen und Herren! Herr Imig hat sich vorzugsweise mit der Frage des Deutschen Kohlenverkaufs beschäftigt, und ich kann dazu nur erklären, daß wir in diesem Punkte den Standpunkt der Bundesregierung vollauf teilen, ein Standpunkt, der Ihnen bekannt ist und der dahin geht, daß die Bundesregierung auch die zuletzt gefundene Übergangslösung ablehnt und statt dessen eine weitere Verbesserung herbeizuführen wünscht. Wir werden sie in diesem Bestreben unterstützen, und Sie sind freundlichst gebeten, dabei mitzuwirken, indem Sie der Ziffer 2 unseres Antrages zustimmen. Im übrigen glaube ich aber, Herr Imig, sagen zu können, daß die Bedeutung des DKV oder seiner Nachfolgeorganisation in dem Maße abnehmen wird, in dem sich die deutsche Kohlenförderung ausweiten wird, in dem Maße nämlich, in dem gerade der von uns erwartete Effekt des Schuman-plans eintreten wird.
Auf Herrn Kalbitzer hat im wesentlichen schon der Herr Berichterstatter geantwortet. Ich möchte dem nur zwei Punkte hinzufügen. Wenn Herr Kalbitzer sehr bedauert hat, daß wesentliche Gebiete, auch wesentliche Gebiete im französischen Machtbereich aus dieser Regelung herausgeblieben sind, so kann ich nur sagen, daß wir es ebenso bedauern, meine Damen und Herren, daß leider große Teile des deutschen Gebietes noch nicht in diese Regelung einbezogen werden konnten. Wir hoffen, daß der Tag nicht fern ist, an dem es möglich sein wird, diese Teile endgültig einzubeziehen.
Und wenn er weiter gesagt hat, daß das Ganze nicht recht wirksam werden könnte, ohne daß dieser gemeinsame Markt auf Maschinen, Elektrogeräte usw. ausgedehnt würde, so kann ich nur sagen: In diesem Punkt, daß es nämlich erstrebenswert sei, diese Ausdehnung so schnell wie möglich vorzunehmen, hat er unsere volle Unterstützung. Ich darf hinzufügen, daß ich mich auf den Tag freue, an dem es möglich sein wird, diese Erweiterung des Schumanplans mit allen Stimmen, jedenfalls mindestens zusätzlich mit der Stimme von Herrn Kalbitzer, in diesem Hause zu beschließen.
Herr Professor Nölting glaubt, daß sich die Demokratie in einem Rückzugsgefecht befinde. Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß die Mehrheit dieses Hauses Anlaß hat, diese Auffassung zu teilen. Ich glaube im Gegenteil, daß sich hier für diese gewiß nicht leichte, für diese gewiß gefahrenreiche Politik einmal zeigt, daß sich eine solide demokratische Politik nicht im Rückzugsgefecht, sondern hier durchaus in der Offensive befindet,
Wenn er eine Teilintegration als ein Ausweichmittel offenbar der Franzosen angesehen hat, so, glaube ich, brauchen wir nur noch einmal zu bestätigen, daß es uns auf keinen Fall auf eine Teilintegration, sondern auf eine Gesamtintegration Europas ankommt. Wir sind aber überzeugt, an irgendeiner Stelle damit anfangen zu müssen und nicht darauf warten zu dürfen, daß uns eines Tages etwa — ich weiß nicht, von wem — eine Gesamtintegration beschert werden könnte.
Herr Professor Nölting hat aber nebenbei ein sehr interessantes Eingeständnis gemacht, wenigstens indirekt, nämlich das Eingeständnis, daß er sich in seiner Prognose über die Langlebigkeit der Ruhrbehörde doch offensichtlich getäuscht hat. Ich kann mich — es ist etwas länger als zwei Jahre her — daran erinnern, daß uns in diesem Hause prophezeit wurde, daß wir mit dem Eintritt in die Ruhrbehörde nun wieder den Grundstein für eine — ich weiß nicht, wie lange — zusätzliche deutsche Versklavung gelegt hätten.
Und jetzt, nachdem diese Ruhrbehörde nur noch eine Frage von ganz wenigen Wochen oder Monaten ist, wird uns plötzlich gesagt: Ja, diese Ruhrbehörde wären wir sowieso in ganz kurzer Zeit losgeworden: die hätte sich nicht halten können; aber nun geht ihr in die Hohe Behörde!
Die Logik dieser Politik können wir leider nicht teilen. Ich kann nur wieder sagen, daß man, wenn man auf dieser Art von Geradlinigkeit beharren will, schwerlich am richtigen Ziel ankommen wird.
Ich glaube auch nicht, daß die französische Konkurrenz, wie Professor Nölting es so schön ausdrückte, geradezu Triumphgesänge singt. Sie singt heute keine Triumphgesänge, und ich bin der Überzeugung, daß sie auch in Zukunft keine Triumphgesänge singen wird. Es kommt uns überhaupt nicht darauf an, meine Damen und Herren, daß hier irgend jemand einen Triumphgesang sollte singen können, sondern darauf, daß alle Teilnehmer in einer möglichst loyalen und auf Zusammenarbeit gerichteten Weise aus diesem Vertrage befriedigt werden können.
Wir wissen sehr wohl, meine Damen und Herren, daß es noch ein langer Weg ist, den wir zu gehen haben, bis die letzten Folgen der Demontage auf deutschem Gebiet ausgeglichen sind. Wir wissen, daß nicht von heut auf morgen, sondern erst nach vieler schwieriger Arbeit die August-ThyssenHütte wieder etwa 11/2 oder 2 Millionen t Stahl prodùzieren wird. Wir wissen, daß es eine Zeitlang dauern wird, bis Watenstedt-Salzgitter wieder so arbeiten kann, wie wir uns das vorstellen, und daß es noch eine weitere Zeit dauern wird, bis alle unsere Walzenstraßen erneuert sind. Aber wir können das Mögliche nur mit den Schritten und in dem Tempo tun, in dem wir es aus eigener Kraft schaffen; wobei wir hier allerdings die Hoffnung haben, daß dieser eigenen Kraft auch eine Unterstützung der freien Welt zu Hilfe kommen wird. Wir haben mit der Investitionshilfe dafür einen sehr guten Anfang gemacht. Wir sind der Überzeugung, wenn sich deren Effekt erst einmal zeigen kann, dann sind zwar nicht alle Probleme gelöst — das sicher nicht —, aber auf diesem Wege wird es dazu kommen, auch fremde Unterstützung herbeizuziehen.
Sehen Sie, in den Tagen, in denen wir hier diskutieren, hat ein vielleicht etwas optimistischer amerikanischer Betrachter, aber durchaus in einer amtlichen Funktion, nämlich Mr. Harris, gesagt, daß nach seiner Auffassung Deutschland etwa ein Jahr, nachdem die Hohe Behörde ins Leben getreten sei und der Mechanismus des Schumanplans zu wirken anfange, auf einer Stahlproduktion von 19 bis 20 Millionen t angekommen sein würde. Diese Prophezeiung ist gewiß eine persönliche, und sie hat auch manchen Widerspruch gefunden angesichts der relativ knappen Investitionsmittel, die wir greifbar vor uns sehen. Aber, meine Damen und Herren, wir haben ja alle das letzte Stück der deutschen Entwicklung miterlebt, und Sie werden sich an die Zeit erinnern können, wo man uns die
u Erreichung einer Produktion von 11,1 Millionen t Rohstahl pro Jahr erst für einen sehr fernen Zeitpunkt prophezeit hat.
Wir haben das vergangene Jahr mit einer Produktion von 13,5 Millionen t Rohstahl abgeschlossen. Ich bitte Sie, das doch einmal zu der übrigen europäischen Stahlproduktion in ein durchaus angemessenes und realistisches Verhältnis zu setzen. Dann werden Sie mir auch in der Auffassung zustimmen müssen, daß wir auf die Tüchtigkeit sowohl unserer Unternehmer wie unserer Arbeiter werden zählen können, wenn wir für die deutsche Produktion eine optimistische Prognose haben.
Der Herr Bundeskanzler hat gestern hier gesagt, alles Große sei ein Wagnis. Vor dem Wagnis, meine Damen und Herren, steht selbstverständlich das Wägen. Sie können versichert sein, und ich glaube, der Aufwand, der in der Diskussion um dieses Thema doch nun schon beinahe anderthalb Jahre getrieben worden ist, beweist es, daß hier sehr viel gewogen worden ist und daß es sehr kühle Köpfe waren, die hierbei gewogen haben. Ich möchte aber mit allem Nachdruck und mit großer Befriedigung hervorheben: zu diesen Köpfen haben in hervorragendem Maße die Vertreter der organisierten Arbeiterschaft gehört. Bis in die wissenschaftlichen Stellen gerade der Arbeiterschaft hinein wurden die Wagnisse, die vor uns liegen, sorgfältig gewogen und mindestens in ihren langfristigen Prognosen als durchaus tragbar angesehen.
Meine Damen und Herren, wir werden dieses Unternehmen wagen, und wir sind sicher, daß uns dabei weder die deutschen Unternehmer noch die deutschen Arbeiter im Stich lassen werden.
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