Rede von
Dr.
Robert
Tillmanns
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter den vielen Argumenten, die im Verlaufe der Auseinandersetzungen mit so großem Eifer gegen den Schumanplan gesammelt und vorgebracht worden sind, ist wohl die Behauptung, die Montan-Union hindere die Wiedervereinigung Deutschlands, von besonderer Bedeutung. Wenn sie nämlich richtig wäre, könnte keiner von uns an ihr vorbeigehen; denn in dem festen Willen zur Wiedervereinigung unseres Landes in Freiheit sind wir alle einig.
Mein Vorredner, Herr Kollege Wehner, hat heute diesen Einwand aus angeblichen Zwangsläufig-
keiten des Vertragswerkes hergeleitet. Er hat behauptet, die Vorläufigkeit der Bundesrepublik verbiete ihr, langfristige Verträge abzuschließen. Er hat bemängelt, daß Berlin nicht erwähnt und die Sowjetzone ausgeschlossen sei; ja, er hat die Behauptung aufgestellt, daß der Abschluß des Montanvertrages vor der Wiederherstellung der deutschen Einheit mindestens dem Geiste des Grundgesetzes widerspreche.
Für diese ganze Gruppe von Einwänden ist zunächst festzustellen, daß sie in der Debatte über den Schumanplan, die ja nun seit mehr als einem Jahre im Gange ist, sehr spät auftauchen.
Gleich nach der Unterzeichnung des Vertrags im April des vorigen Jahres hat Herr Dr. Schumacher in ausführlicher Erklärung das Nein der SPD begründet und sieben Punkte aufgezählt, deren Erfüllung die Voraussetzung für eine sozialdemokratische Zustimmung sei. Die Frage der Rückwirkung des Schumanplans auf die Wiederherstellung der deutschen Einheit ist dabei gar nicht erwähnt.
Am 26. Juni 1951 hat im Abgeordnetenhaus von Berlin eine Debatte über den Schumanplan stattgefunden; und gerade hier wäre doch der Ort gewesen, bestehende Bedenken im Hinblick auf die deutsche Einheit besonders stark zum Ausdruck zu bringen.
Das ist aber mit keinem Wort geschehen.
Weder in der Erklärung des Senats Berlins noch in der Rede des Sprechers der SPD ist dieser Gesichtspunkt überhaupt genannt.
Im Gegenteil, der Senat Berlins, an dem doch die
SPD beteiligt ist, hat damals folgendes erklärt: Der Vertrag vom 18. April 1951 über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der Schumanplan, soll der Sicherung des Friedens, der Wiederherstellung des Wohlstandes Europas und der Festigung der Zusammenarbeit der westlichen Welt dienen, mit der Berlin untrennbar verbunden ist. Die Verwirklichung des Schumanplans kann darüber hinaus einen bedeutsamen Schritt auf dem Wege der politischen und wirtschaftlichen Einigung Europas darstellen. In Anerkennung dieser Ziele nimmt der Senat gegenüber der von der Bundesregierung gemachten Vorlage eine positive Stellung ein.
Es folgen dann einige Vorbehalte zu verschiedenen Fragen. Aber irgendein Bedenken aus gesamtdeutschen Gesichtspunkten sucht man auch in diesem Dokument vergeblich.
Es wird vom Senat lediglich erklärt, daß sich das Land Berlin entsprechend seinem schon früher geäußerten Wunsche, beim Abschluß internationaler Verträge berücksichtigt und mit einbezogen zu werden, beim Abschluß des von der Bundesregierung vorgelegten Vertrages von dieser mit vertreten betrachtet. Ich komme auf diesen Punkt noch zurück.
Schließlich haben wir doch hier in diesem Hause am 12. Juli vorigen Jahres die erste Lesung des Montanvertrages abgehalten; und auch bei dieser Gelegenheit haben die Redner der SPD, die Herren Kollegen Schmid und Henßler, an diese doch außerordentlich wichtige Frage der Wiedervereinigung offenbar gar nicht gedacht.
Um so schärfer ist sie nun in den letzten Wochen behandelt worden und nicht zuletzt auch in einem Artikel, den Herr Professor Schmid im Berliner „Telegraf" veröffentlicht hat und in dem er, wenn auch in Frageform, behauptet, daß durch die Montan-Union die Pflöcke des Eisernen Vorhanges tiefer eingerammt würden.
Meine Damen und Herren! Man fragt sich, warum diese Befürchtungen erst jetzt zu so später Stunde laut werden. Hat man vielleicht bei der sozialdemokratischen Fraktion die Besorgnis, daß all die anderen Argumente für ihr Nein allmählich abgenutzt sind
und ihre Wirkung verloren haben,
Oder möchte man wohl erreichen, daß die vielen SPD-Mitglieder, die sich besonders in Berlin offen zum Schumanplan bekannt haben,
mit diesem Argument auf die Parteilinie zurückgebracht werden sollen?
Oder will die Sozialdemokratische Partei auch diese
Debatte benutzen, um den so oft klar bekundeten
gesamtdeutschen Willen der Bundesregierung in
Zweifel zu ziehen und um den Verdacht zu nähren,
als bedeute der Zusammenschluß Europas einen
Verzicht auf die Wiedervereinigung Deutschlands?
Meine Damen und Herren! Es mag dahingestellt bleiben, welches von all diesen Motiven bestimmend war. Forschungen nach Motiven sind bekanntlich wenig ersprießlich. Wahrscheinlich waren alle diese Beweggründe nebeneinander wirksam.
Mir kommt es darauf an, zunächst einige Dinge richtigzustellen, zuerst die Behandlung Berlins. Dem, was der Herr Bundeskanzler gestern in seiner Erklärung gesagt hat, habe ich nur wenig hinzuzufügen.
Berlin ist nicht besonders genannt. Es gehört nämlich nach Art. 23 des Grundgesetzes zu dessen
Geltungsbereich. Soweit der ,bekannte Vorbehalt
der Besatzungsmächte die Ausübung der Funktionen der Bundesrepublik für Berlin hemmt, können diese Hemmungen nicht durch den Schumanplan,
sondern .nur durch neue Vereinbarungen mit den drei Besatzungsmächten beseitigt werden.
Das sollte klar sein. Wir wissen, im Rahmen des Generalvertrags wird darüber verhandelt, und wir können mit Bestimmtheit erwarten, daß der Wunsch des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses, das Land Berlin beim Abschluß internationaler Verträge zu berücksichtigen und mit einzubeziehen, in sehr naher Zukunft in Erfüllung geht.
Damit findet dann Art. 79 Anwendung. Aber ich denke, mit Berlin verbindet uns noch sehr viel mehr als die Wahrnehmung auswärtiger Beziehungen. Ich betrachte es deswegen — ich muß schon sagen — als eine groteske Verkennung der Situation, hier zu wagen, unser Verhältnis zu Berlin mit dem zu San Marino und Monaco auf eine Stufe zu stellen.
Sein Bedarf an Kohle und Stahl ist Bedarf der Bundesrepublik. Daran kann kein Zweifel bestehen, zumal in dieser Hinsicht eindeutige Erklärungen der Hohen Kommissare vorliegen. Der Montanvertrag ändert nichts an dieser Sachlage.
Auch der Status der Sowjetzone wird in keiner Weise geändert.
Wir halten selbstverständlich an dem Anspruch fest, daß die Bundesrepublik für Gesamtdeutschland spricht und handelt,
nur ist sie zur Zeit faktisch daran gehindert, ihre Souveränität dort auszuüben.
Dieser Tatsache muß Rechnung getragen werden. das ist aber nicht in der Form geschehen, wie von verschiedenen Rednern, auch von denen der KP, behauptet wurde, daß die Sowjetzone im Vertrag als Ausland behandelt ist, sondern dadurch, daß man an die Stelle der Bestimmungen, die die Beziehungen der Schumanplan-Länder zu dritten Ländern regeln, die Ausnahmebestimmung des § 22 des Übergangsabkommens gesetzt hat.
Diese Bestimmung, wonach der Warenaustausch mit der Sowjetzone durch die Bundesregierung im Einvernehmen mit der Hohen Behörde geregelt wird,
gilt solange,
bis die Sowjetzone ein Teil der Bundesrepublik geworden ist.
Die Beteiligung der Hohen Behörde ist nach dem Grundgedanken des Vertrags selbstverständlich. Für die übrigen Mitgliedstaaten unterliegt der Handelsverkehr mit der Sowjetzone den Bestimmungen über den Außenhandel, nach denen die
Hohe Behörde noch ein sehr viel stärkeres Mitwirkungsrecht hat.
— Nicht Ausland; Sie verstehen das nicht. Sobald die Sowjetzone wieder mit uns vereinigt ist, erlangt der Montanvertrag Geltung auch für dieses Gebiet. Nach den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen bezüglich der beweglichen Vertragsgrenzen können Verträge, die die Gesamtpolitik beeinflussen oder allgemeine Rechtsnormen enthalten, auch auf das erweiterte Gebiet angewandt werden. Soweit sich die Vertragsgrundlage geändert hat, ist eine Anpassung des Inhalts vorzunehmen. Das wird wahrscheinlich in Form von Übergangsbestimmungen, insbesondere auch für Investitionen, notwendig sein. Zu einer solchen Anpassung besteht eine gegenseitige Verpflichtung der Vertragspartner; gegebenenfalls hätte der Gerichtshof zu entscheiden.
Das Hinzutreten der Sowjetzone ist also nicht als
Beitritt weiterer Staaten behandelt. Infolgedessen
besteht auch keine Einspruchsmöglichkeit Dritter.
Das ist übrigens auch die Auffassung anderer Teilnehmer des Vertrags. In den Verhandlungen der französischen Nationalversammlung sind von verschiedenen Rednern Einwendungen gerade deshalb gemacht worden, weil der Vertrag mit der Bundesrepublik automatisch das wiedervereinigte Deutschland zum Vertragspartner mache, von dem man nicht wissen könne — so wurden diese Bedenken begründet —, welche politischen Kräfte in ihm bestimmend sein würden. Der Schumanplan trennt also nicht ab. Er gibt den Vertragspartnern keine Einwirkungsmöglichkeit auf -die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands.
Diese Frage kann nach wie vor auf friedliche Weise — und das wollen wir alle —
nur gelöst werden, wenn die vier Großmächte sich verständigen.
Dabei bleibt es.
Nun hat aber Herr Wehner heute abend weiter behauptet, -der Montanvertrag widerspreche zum mindesten dem Geist der Präambel des Grundgesetzes, in der die Forderung nach nationaler staatlicher Einheit und der Wunsch, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, nebeneinander aufgeführt sind. Hier sei, so hat Herr Wehner begründet, wenn ich ihn richtig verstanden habe, sozusagen durch Grundgesetz festgelegt: Zuerst die deutsche Einheit und dann Europa. Ich kann es mir, glaube ich, ersparen, dies- als Rechtsfrage zu behandeln; denn es ist aus den gesamten Materialen zum Grundgesetz völlig klar, -daß niemand daran gedacht hat, eine Anweisung in dem Sinne zu geben: Zuerst das eine und rann das andere. In der Präambel sind einfach die deutsche Einheit und die Vereinigung Europas als Kardinalpunkte unseres politischen Wollens nebeneinandergestellt, und nirgendwo findet sich auch nur -der leiseste Anhalt dafür, daß das Grundgesetz etwa verbieten wolle, daß sich die Bundesregierung an internationalen Zusammenschlüssen beteiligt, solange sie nicht ganz Deutschland umfaßt. Im Gegenteil, Art. 24 erklärt ausdrücklich, und zwar ohne eine derartige
Beschränkung, daß die Bundesrepublik dies tun soll, und gibt dafür einen sehr weitgehenden Rahmen.
Wir sind hier beim Kernpunkt des Problems: Verhindert der Zusammenschluß Europas, oder konkreter, verhindert und erschwert die MontanUnion als erster Schritt hierzu tatsächlich die Wiedervereinigung Deutschlands? Zunächst darf ich daran erinnern, daß dieses Hohe Haus am 26. Juli 1950 mit allen gegen vier Stimmen, also fast einstimmig eine Entschließung gefaßt hat, in der der Abschluß eines europäischen Bundespaktes gefordert wird. Es heißt in diesem Beschluß:
Dieser europäische Bundespakt soll eine übernationale Bundesgewalt schaffen, die sich auf
allgemeine, unmittelbare und freie Wahlen
gründet und über gesetzgebende, ausübende
und richterliche Kompetenzen verfügt. Damals hat die SPD offenbar kein Bedenken gehabt, daß ein solcher Europapakt der Wiedervereinigung Deutschlands hinderlich sein könnte, sonst hätte sie nicht zustimmen können. Wenn aber — so frage ich — eine Gesamtföderation, also die stärkste Form eines Zusammenschlusses gutgeheißen wird, wie kann man dann eine partielle Vereinbarung, die sich nur auf ein Teilgebiet der Wirtschaft beschränkt, als schädlich betrachten? Das scheint mir ein unauflöslicher Widerspruch zu sein.
Wenn die SPD davon spricht — und auch Herr Ollenhauer hat das in seiner Rundfunkrede vom 4. Januar angedeutet —, daß zunächst die Wiedervereinigung Deutschlands herbeigeführt werden müsse, bevor ein europäischer Zusammenschluß in Frage komme, dann muß sie uns doch sagen, wie auf diese Weise überhaupt die Einheit Deutschlands realisiert werden soll.
Die Dinge liegen doch leider so, daß einstweilen noch der Machtwille des Bolschewismus auf das ganze Deutschland zielt,
daß er eben nicht unsere Einheit in Freiheit, d. h. in der Gemeinsamkeit der freien Völker will. Noch liegen keine Anzeichen dafür vor, daß die Sowjetunion bereit wäre, auch nur den ersten Schritt, nämlich wirklich freie gesamtdeutschen Wahlen
in der Weise zuzulassen, daß die äußere und innere — und innere! — Freiheit der Stimmabgabe gewährleistet ist.
Wenn wir uns in dieser Situation dazu bringen ließen, auf unsere Teilnahme am Aufbau eines vereinigten Europas zu verzichten, dann würde das letzten Endes bedeuten, daß wir uns geradezu dem politischen Willen des Kommunismus unterwerfen.
Denn das ist doch sein beherrschendes Ziel: den
Zusammenschluß der europäischen Länder und
damit ihre Gesundung zu verhindern. Der Korn- I munismus will doch die Uneinigkeit, die Schwäche und den Zerfall Europas, damit er um so sicherer seine Ziele verwirklichen kann.
Deswegen doch sein erbitterter Kampf gegen den Schumanplan!
Deswegen doch sogar beschwörende persönliche Briefe des Herrn Reimann an die Abgeordneten dieses Bundestages!
Deswegen scheut man sich doch nicht einmal davor, einen alten ehemaligen Politiker, Herrn Dr. Wirth, der vielleicht wohlmeinend aber ahnungslos ist, für diesen Zweck zu mißbrauchen.
Daraus folgt unausweichlich, daß es kein wirksameres Mittel gegen die Absichten des Bolschewismus gibt als die entschlossene Förderung der europäischen Einigung.
Die europäische Einigung bedeutet lediglich eine Erschwerung der bolschewistischen Einheit Deutschlands;
aber sie bedeutet die stärkste Förderung des großen Zieles, in dem wir uns allerdings, Herr Wehner, nach wie vor einig sind, nämlich wie es im ersten Satz der Regierungserklärung vom 27. September 1951 heißt, die Wiederherstellung der deutschen Einheit in einem freien und geeinten Europa. Wir alle haben mit Ausnahme der KP dieser Entschließung zugestimmt.
Ein Einwand gegen die Montan-Union wäre unter gesamtdeutschen Gesichtspunkten vielleicht möglich, wenn man nachweisen könnte — und das hat Herr Wehner versucht —, daß die Partner die Wiedervereinigung Deutschlands nicht wollen, daß sie den Vertrag dazu benutzen könnten, diesen' Willen geltend zu machen. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß der Vertrag nicht einmal andeutungsweise eine Handhabe dafür enthält.
Wenn es also so wäre, daß man bei den anderen Ländern die Wiedervereinigung nicht will, dann würde sich durch den Abschluß dieses Vertrages zunächst überhaupt nichts ändern. Nun aber, meine Damen und Herren, ist die Wiederherstellung unserer staatlichen Einheit in der letzten Zeit wiederholt erklärt und dokumentiert worden. Ich erinnere .an die Note der drei Westmächte vom 15. Oktober 1951, in der diese zusichern, daß sie die Wiedervereinigung Deutschlands stets unterstützt haben und unterstützen werden, sobald sie nach demokratischen Grundsätzen stattfinden kann, welche die Schaffung eines freien Deutschlands sichern. Ich erinnere vor allem an die Verhandlungen vor den Vereinten Nationen in Paris über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für die beiden Gebiete Deutschlands, in denen das Bekenntnis zur deutschen . Einheit geradezu als ein Anliegen der gesamten freien Welt zum Ausdruck gekommen ist.
Und was das Wichtigste ist: Die Verhandlungen über den Generalvertrag haben dazu geführt, daß die Wiedervereinigung Deutschlands als gemeinsames Ziel der vier Partner vertraglich festgelegt wird.
Dort ist die Verpflichtung festgelegt, daß die drei Mächte und die Bundesrepublik bis zum Abschluß einer friedensvertraglichen Regelung zusammenwirken werden, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel eines wiedervereinigten Deutschlands zu erreichen, das eine freiheitliche demokratische Verfassung hat und in die westeuropäische Gemeinschaft integriert ist.
Herr Wehner: das Gegenteil vom Vetorecht, das genaue Gegenteil!
Das ist doch gerade einer der großen Erfolge der Europapolitik der Bundesregierung, daß die Bedenken gegen die deutsche Wiedervereinigung im Ausland mehr und mehr geschwunden sind.
Aber selbst wenn hier und dort noch Hemmungen vorhanden sind — würde man diese Hemmungen im Ausland gegen die Wiedervereinigung Deutschlands etwa durch die Nichtunterzeichnung des Schumanplans beseitigen?
Mit Sicherheit würde das Gegenteil erreicht werden. Diese Hemmungen würden enorm wachsen und vielleicht unüberwindlich werden.
Wie stellt man sich denn dann die Wiedervereinigung Deutschlands vor?
Lassen wir doch endlich hier die fruchtlose Diskussion darüber, was zuerst kommen müsse, die Einheit Deutschlands oder die Integration Europas! Das kann doch niemand wissen. Arbeiten wir mit aller Kraft an dem Neubau eines geeinten Europas und tun wir gleichzeitig alles, daß die Einheit Deutschlands in Freiheit bald Wirklichkeit wird! Beides gehört zusammen, beides bedingt und fördert sich gegenseitig.
Ein westdeutsches Nachrichtenmagazin hat kürzlich in einem langen Artikel zu beweisen versucht, daß der Schumanplan ein Lebewohl für die Brüder im Osten, d. h. für die Deutschen in der Sowjetzone sei. Tatsächlich zeigt dieser Artikel nur, daß der Schumanplan dem bolschewistischen Zugriff auf Deutschland, insbesondere auf das Ruhrgebiet, einen Riegel vorschiebt.
Der Verfasser schreibt, daß die Sowjetunion jedes Interesse an der deutschen Einheit verlieren würde, wenn Kohle und Stahl Westdeutschlands in die Montan-Union einbezogen würden. Er bezeichnet übrigens die Montan-Union als Rüstungspool, was seine politische Herkunft deutlich kennzeichnet. Totalitäre Mächte pflegen Friedenswerke der anderen immer als Aggression zu bezeichnen.
Aber aus diesen Ausführungen geht doch eins hervor: daß offenbar das sowjetische Interesse an einem einigen Deutschland identisch ist mit dem
Interesse an der Ruhrkohle. Deutlicher kann man allerdings das Ziel der sowjetischen Deutschlandpolitik nicht enthüllen.
Die Erreichung dieses Zieles wird allerdings durch die Montan-Union verhindert, und das ist der Wille der überwältigenden Mehrheit des ganzen deutschen Volkes auch in der Sowjetzone. Ich bin sicher, daß unsere Brüder im Osten den Schumanplan nicht als Lebewohl empfinden, sondern daß sie ihn als rettende Hand begrüßen, als ein Zeichen dafür, daß auch für sie der Tag der Freiheit naht.
Wir handeln für sie mit; in ihrem Sinn und in ihrem Namen werden wir zu der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ein klares Ja sagen.