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    Deutscher Bundestag — 183. Sitzung.- Bonn, Donnerstag, den 10. Januar 1952 7651 183. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. Januar 1952. Geschäftliche Mitteilungen . 7651D, 7779A, 7786C Übertritt des Abg. Dr. Fink von der Frak- tion der FU zur Fraktion der CDU/CSU 7652A Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nrn. 2401, 2484, 2950, zu 2950 der Drucksachen; Anträge Nrn. 2971, 2972, 2973, 2974, Umdrucke Nrn. 407, 408, 412) in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten und zweiten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2951 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 409) . . . 7652A Wirtschaftspolitische Fragen: Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes 7652B, 7675A Imig (SPD) 7655B Niebergall (KPD) 7659D Kalbitzer (SPD) 7661B Dr. Preusker ( FDP), als Berichterstatter 7665B Dr. Bertram (FU) 7666C Dr. Nölting (SPD) 7669C Loritz (Fraktionslos) 7677D Paul (Düsseldorf) (KPD) 7685D Müller (Frankfurt) (KPD) 7691D Stegner (FDP) '7697D Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 7702A Kuhlemann (DP) 7705B von Thadden (Fraktionslos) . . . 7706C Sozialpolitische Fragen, Rechtsfragen und allgemeinpolitische Fragen: Albers (CDU) 7710D Birkelbach (SPD) 7714B Harig (KPD) 7716C Grundmann (FDP) 7720D Heix (CDU) 7721D Dr. Wahl (CDU) 7723D Dr. Veit (SPD) 7726B Euler (FDP) 7730C Dr. von Merkatz (DP) 7734D Schoettle (SPD) 7739C Dr. Kreyssig (SPD) 7744A Fisch (KPD) 7747A Fürst zu Oettingen-Wallerstein (FU) 7753D Dr. Mommer (SPD) 7755D Wehner (SPD) 7762A Dr. Tillmanns (CDU) 7765D Dr. Hasemann (FDP) 7769C von Thadden (Fraktionslos) . . . 7771D Frau Strohbach (KPD) 7774B Loritz (Fraktionslos) 7776A zur Abstimmung: Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 7776C Goetzendorff (Fraktionslos) . . . 7777B Mellies (SPD) 7779B Abstimmungen 7777D, 7779C Namentliche Abstimmungen . 7778B, 7779B zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der dritten Beratung: Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 7780B Dr. Semler (CDU) 7784A Schröter (CDU) (zur Geschäftsordnung) 7785D Abstimmungen 7785D Ausschluß des Abg. Dr. Richter (Niedersachsen) wegen gröblicher Verletzung der Ordnung für drei Sitzungstage 7786C Nächste Sitzung 7779A, 7783D, 7786C Zusammenstellung der namentlichen Abstimmungen über Art. I des Entwurfs eines Gesetzes betr. den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2401 der Drucksachen) und über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD (Umdruck Nr. 407) zu dem gleichen Gesetzentwurf betr. Einfügung eines Art. I a 7787A Die Sitzung wird um 9 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Namentliche Abstimmungen 1. über Artikel I des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2401 der Drucksachen), 2. über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Umdruck Nr. 407). Name 1. I 2. Name 1 2. Abstimmung Abstimmung CDU/CSU Dr. Horlacher Ja Nein Horn Ja Nein Dr. Adenauer Ja Nein Huth Ja Nein Albers Ja Nein Dr. Jaeger Ja Nein Arndgen Ja Nein Junglas Ja Nein Bauereisen Ja Nein Kahn Ja Nein Bauknecht Ja Nein Kaiser Ja Nein Dr. Baur (Württemberg) . Ja Nein Karpf Ja Nein Bausch Ja Nein Dr. Kather Ja Nein Becker (Pirmasens) . . . . Ja Nein Kemmer Ja Nein Blank (Dortmund) . . . . Ja Nein Kemper Ja Nein Bodensteiner Ja Nein Kern Ja Nein Frau Brauksiepe Ja Nein Kiesinger Ja Nein Dr. von Brentano Ja Nein Dr. Kleindinst Ja Nein Brese Ja Nein Dr. Köhler Ja Nein Frau Dr. Brökelschen . . . Ja Nein Dr. Kopf Ja Nein Dr. Brönner Ja Nein Dr. Krone (Berlin) (Berlin) Brookmann Ja Nein Kühling Ja Nein Dr. Bucerius Ja Nein Kuntscher Ja Nein Frau Dietz Ja Nein Kunze Ja Nein Dr. Dresbach Ja Nein Dr. Laforet Ja Nein Eckstein — — Dr. Dr. h. c. Lehr . -- Nein Dr. Edert Ja Nein Leibfried Ja Nein Dr. Ehlers Ja Nein Lenz Ja Nein Ehren Ja Nein Leonhard Ja Nein Dr. Erhard Ja Nein ' Lücke Ja Nein Etzel (Duisburg) Ja Nein Majonica Ja Nein Etzenbach Ja Nein Massoth Ja Nein Even Ja Nein Mayer (Rheinland-Pfalz) . Ja Nein Feldmann Ja Nein Mehs Ja Nein Dr. Fink Ja Nein Mensing Ja Nein Dr. Frey Ja Nein Morgenthaler Ja Nein Fuchs Ja Nein Muckermann Ja Nein Dr. Freiherr von Fürsten- Mühlenberg Ja Nein berg Ja Nein Dr. Dr. Müller (Bonn) . . . Ja Nein Fürst Fugger von Glött . . Ja Nein Müller-Hermann Ja Nein Funk Ja Nein Naegel Ja Nein Gengler Ja Nein Neber Ja Nein Gerns . Ja Nein Nellen Ja Nein Dr. Gerstenmaier — — Neuburger Ja Nein Gibbert Ja Nein Nickl Ja Nein Giencke Ja Nein Frau Niggemeyer Ja Nein Dr. Glasmeyer Ja Nein Dr. Niklas — — Gliising entschuld. entschuld. Dr. Oesterle Ja Nein Gockeln Ja Nein Dr. Orth Ja Nein Dr. Götz Ja Nein Pelster Ja Nein Frau Dr. Gröwel Ja Nein Pfender Ja Nein Günther Ja Nein Dr. Pferdmenges Ja Nein Hagge Ja Nein Dr. Povel Ja Nein Frau Heiler Ja Nein Frau Dr. Probst Ja Nein Heix Ja Nein Dr. Pünder Ja Nein Dr. Henle Ja Nein Raestrup Ja Nein Hilbert Ja Nein Rahn Ja Nein Höfler Ja Nein Frau Dr. Rehling Ja Nein Hohl Ja Nein Frau Rösch Ja Nein Dr. Holzapfel Ja Nein Rümmele Ja Nein Hoogen Ja Nein Sabel Ja Nein Hoppe Ja Nein Schäffer Ja Nein Name 1. 2. Name 1. Abstimmung 2. Abstimmung Scharnberg Ja Nein Franke Nein Ja Dr. Schatz Ja Nein Freidhof Nein Ja Schill Ja Nein Freitag Nein Ja Schmitt (Mainz) Ja Nein Geritzmann Nein Ja Schmitz beurlaubt beurlaubt Gleisner Nein Ja Schmücker . . . . . . Ja Nein Görlinger . Nein Ja Dr. Schröder (Düsseldorf) . Ja Nein Graf Nein Ja Schröter Ja Nein Dr. Greve Nein Ja Schüttler Ja Nein Dr. Gülich Nein Ja Schütz Ja Nein Happe Nein Ja Schuler Ja Nein Heiland Nein Ja Schulze-Pellengahr . . . . Ja Nein Hennig Nein Ja Dr. 'Semler Ja Nein Henßler Nein Ja Dr. Serres Ja Nein Herrmann Nein Ja Siebel Ja Nein Hoecker Nein Ja Dr. Solleder Ja Nein Höhne Nein Ja Spies Ja Nein Frau Dr. Hubert Nein Ja Graf von Spreti Ja Nein Imig Nein Ja Stauch Ja Nein Jacobi Nein Ja Frau Dr. Steinbiß . . . . Ja Nein Jacobs Nein Ja Storch Ja Nein Jahn Nein Ja Strauß Ja Nein Kalbfell Nein Ja Struve Ja Nein Kalbitzer Nein Ja Stücklen Ja Nein Frau Keilhack Nein Ja Dr. Tillmanns (Berlin) (Berlin) Keuning Nein Ja Dr. Vogel . Ja Nein Kinat Nein Ja Wacker Ja Nein Frau Kipp-Kaule Nein Ja Wackerzapp Ja Nein Knothe Nein Ja Dr. Wahl Ja Nein Dr. Koch Nein Ja Frau Dr. Weber (Essen) . Ja Nein Frau Korspeter Nein Ja Dr. Weber (Koblenz) . . . Ja Nein Frau Krahnstöver . . . . Nein Ja Dr. Weiß beurlaubt beurlaubt Dr. Kreyssig Nein Ja Winkelheide Ja Nein Kriedemann Nein Ja Dr. Wuermeling Ja Nein Kurlbaum Nein Ja Lange Nein Ja SPD Lausen krank krank Frau Lockmann Nein Ja Frau Albertz Nein Ja Löbe (Berlin) (Berlin) Frau Albrecht Nein Ja Lohmüller krank krank Altmaier Nein Ja Ludwig Nein Ja Frau Ansorge Nein Ja Dr. Luetkens Nein Ja Dr. Arndt Nein Ja Maier (Freiburg) Nein Ja Arnholz Nein Ja Marx Nein Ja Dr. Baade Nein -Ja Matzner Nein Ja Dr. Bärsch Nein Ja Meitmann Nein Ja Baur (Augsburg) Nein Ja Mellies . . . . . . . . . Nein Ja Bazille krank krank Dr. Menzel Nein Ja Behrisch Nein Ja Merten Nein Ja Bergmann Nein Ja Mertins Nein Ja Dr. Bergstraeßer Nein Ja Meyer (Hagen) Nein Ja Berlin Nein Ja Meyer (Bremen) Nein Ja Bettgenhäuser Nein Ja Frau Meyer-Laule . . . . Nein Ja Bielig Nein Ja Mißmahl Nein Ja Birkelbach Nein Ja Dr. Mommer Nein Ja Blachstein Nein Ja Dr. Mücke Nein Ja Dr. Bleiß ....... Nein Ja Müller (Hessen) Nein Ja Böhm Nein Ja Müller (Worms) Nein Ja Brandt (Berlin) (Berlin) Frau Nadig Nein Ja Dr. Brill Nein Ja Neumann (Berlin) (Berlin) Bromme Nein Ja Dr. Nölting Nein Ja Brünen Nein Ja Nowack (Harburg) . . . . Nein Ja Cramer Nein Ja Odenthal Nein Ja Dannebom Nein Ja _ Ohlig Nein Ja Diel Nein Ja 011enhauer Nein Ja Frau Döhring Nein Ja Paul (Württemberg) . . . Nein Ja Eichler Nein Ja Peters Nein Ja Ekstrand Nein Ja Pohle Nein Ja Erler Nein Ja Dr. Preller Nein Ja Faller Nein Ja Priebe Nein Ja
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    Rede von Herbert Wehner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, zu so vorgeschrittener Stunde Ihre Aufmerksamkeit für eine Reihe von ernsten Fragen in Anspruch nehmen zu müssen. Meine persönliche Auffassung ist, daß es bei einigem Entgegenkommen hätte möglich sein müssen, uns eine solche peinliche Nachtsitzung. in so ernster Sache zu ersparen; denn bitte, meine Damen und Herren, welche Rolle spielt ein Tag, wenn es um fünfzig Jahre geht?

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und ganz rechts. — Zuruf von der Mitte: Seit Juni!)

    Doch zur Sache. Der Herr Berichterstatter des Ausschusses für Wirtschaftspolitik hat die Entscheidung, die mit dem Ratifikationsgesetz zur Montan-Union vom Bundestag gefällt werden soll, als eine Entscheidung von, wie er sagte, ungewöhnlicher Bedeutung bezeichnet. Der Bericht, der mit dem Antrag schließt, das Ratifikationsgesetz unverändert anzunehmen, nennt die damit vom Bundestag geforderte Entscheidung die schwerwiegendste unter allen, die er bisher zu fällen gehabt hat. Ehe wir durch unsere Stimmabgabe diese Entscheidung treffen, müssen wir uns über die Auswirkungen dieses Gesetzes auf Leben und Zukunft unseres Volkes ganz klar werden. Auch diel enigen unter Ihnen, d; e entschlossen sein sollten, dem Gesetz unter allen Umständen ihre Zustimmung zu geben, sollten noch einmal die Argumente der Opposition, die wir Ihnen heute hier vorgetragen haben und noch vortragen, wägen. Es kann auch Ihnen nichts schaden.
    Der Herr Berichterstatter des Ausschusses für Wirtschaftspolitik zitiert in seinem schriftlichen Bericht aus der Erklärung des französischen Außenministers Robert Schuman den Satz — ich zitiere Schuman —:
    Das Zusammenlegen der Kohle- und Stahlerzeugung wird zwangsläufig zur ersten Etappe des europäischen Staatenbundes, der sofortigen Schaffung gemeinsamer Grundlagen für den Ausbau der Wirtschaft und zu einem Wandel im Geschick dieser Länder führen.
    Soweit Herr Schuman. Das Vertragswerk über die Montan-Union wird also mit diesen Worten des französischen Außenministers als erstes Glied einer Kette von dann zwangsläufig folgenden Ereignissen gekennzeichnet. Ein Grund mehr, sorgfältig zu prüfen, ob diese Zwangsläufigkeit unserem Volk und Land dienlich sein kann. Ein Grund mehr, auch sorgfältig zu prüfen, ob der beabsichtigte angekündigte zwangsläufige Wandel im Geschick der in der Montan-Union zusammengeschlossenen Länder unserem Land zum Segen gereichen kann.
    Der Herr Bundeskanzler hat während der Ausschußberatungen Wert darauf gelegt, der Kritik der Sozialdemokratischen Partei mit der Erklärung zu begegnen, wir kämen nicht an der Tatsache vorbei, daß wir den Krieg nicht gewonnen hätten. Dèshalb müsse man — so sagt Herr Bundeskanzler — bei der Kritik des vorliegenden Schumanplans davon ausgehen, inwiefern die deutsche Lage gegenüber dem, was jetzt ist, gebessert werde. Diese Argumente des Herrn Bundeskanzlers haben sich j a auch in dieser Debatte von gestern und heute einige Male wiederholt.
    Hinsichtlich der wirtschaftlichen und der wirtwirtschaftspolitischen Tatbestände ist hier vieles gesagt worden. Lassen Sie mich nun ein wenig bei den Zwangsläufigkeien verweilen, die sich aus den wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Tatbeständen, die die Montan-Union schafft, für unser Land, für das Schicksal Deutschlands ergeben. Auch diejenigen unter Ihnen, die ,dem Herrn Bundeskanzler zu folgen bereit sind und aufzurechnen versuchen, was sich durch die MontanUnion zum Vorteil Deutschlands ändere, werden nicht umhin können, die Natur der Zwangsläufigkeiten, die sich aus der Montan-Union ergeben, in Rechnung zu stellen, — in Ihr e Rechnung zu stellen! Wenn wir erst einmal in die Kettenreihe dieser Zwangsläufigkeiten eingeschlossen sind, ergibt es sich vielleicht, daß sich für unser Land, gerade für unser Land, ein Wandel — um das Wort des französschen Außenministers zu gebrauchen — im Geschick herausstellt, der in schroffem und nicht zu lösendem Gegensatz zu den Zielen der Bundesrepublik steht. Kohle und Stahl haben ihr eigenes spezifisches Gewicht. Das SchumanplanVertragswerk trägt an und für sich die Merkmale eines tiefen operativen Einschnitts in unser gesamtes Wirtschaftsleben. Wenn wir aber den Schumanplan, wie es auch die Regierung wünscht, als ein erstes oder nächstes Stück auf einem Wege betrachten, der als ein Ganzes begrffen werden soll, dann muß man doch den Überblick über das Ganze haben. Wer sich für oder gegen dieses Gesetz entscheiden soll, muß das Ganze kennen, von dem die Montan-Union nur ein Teil ist.
    Die Bundesrepublik soll den Schumanplan-Vertrag ratif .zieren, ohne im Besitz der Souveränität zu sein. Die Bundesrepublik soll, wie es in der Begründung des Vertragswerkes heißt, in ein „Gebilde verfassungsrechtlicher Gattung" eingeschlossen werden. In der von der Bundesregierung vorgelegten Begründung des Vertragswerks heißt es ausdrücklich — ich zitiere —:
    Die durch den Vertrag auf einem beschränkten, aber entscheidenden Wirtschaftsgebiet begründete Rechtsordnung verdrängt die partikularen innerstaatlichen Ordnungen. Sie bindet sowohl die Mitgliedstaaten als auch unmittelbar die einzelnen Bürger, insbesondere die einzelnen Unternehmen, im Raume der Gemeinschaft.
    Soweit die Begründung der Bundesregierung. Meine Frage ist nun: Sind diese Bindungen von einer Art, die im Gegensatz zur Zielsetzung unseres Grundgesetzes steht oder einen solchen Gegensatz heraufbeschwören kann? Erschwert uns der Einschluß in den, wie es heißt, „Raum der Gemeinschaft" die Vereinigung mit den Teilen unseres Volkes, die außerhalb dieses Raumes bleiben müssen? Besteht die Gefahr, daß das deutsche Volk in verschiedene, scharf voneinander


    (Wehner)

    getrennte Räume eingeschlossen wird? Diese Fragen sind durch die gestrige Erklärung des Herrn Bundeskanzlers leider keineswegs befriedigend beantwortet worden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Verlagerung wirtschaftlicher Schwergewichte, die dem Montanvertrag innewohnt, hat ihre eigene Logik und ihre Folgen hinsichtlich der Substanz, die wir um unserer nationalen und staatlichen Einheit willen behaupten müssen.
    Die Präambel unseres Grundgesetzes sagt, daß das Grundgesetz beschlossen wurde, „um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben". Man darf wohl sagen, daß uns Deutschen bewußt ist, welche Tragik darin legt, daß uns immer noch verwehrt wird, unser Land entsprechend dem Willen der Bevolkerung aller Teile durch eine von allen frei gewählte gesetzgebende Körperschaft und eine ihr verantwortliche Regierung selbst zu regieren. Könnten wir Abgeordnete des ersten frei gewählten Parlaments des größeren Teiles Deutschlands der uns im Grundgesetz gestellten Aufgabe gerecht werden, wenn wir uns dafür entschieden, durch Annahme des Gesetzes über die Montan-Union die Bindungen einzugehen und die Zwangsläufigkeiten auf uns zu nehmen, von denen in der Begründung der Bundesregierung und in der Erklärung des französichen Außenministers die Rede ist? Ist die Bindung an einen für 50 Jahre gültigen Vertrag, mit kaum wirksam werden könnenden Revisionsmöglichkeiten, noch mit der Ordnung des staatlichen Lebens für eine Übergangszeit zu vereinbaren?
    Diese Frage drängt sich besonders auf, wenn wir prüfen, ob die Ausnahmestellung minderen Rechts, die uns schließlich im Gesamtvertragssystem zugedarnt ist — ich meine, auf Grund der durchaus ungleichen Startbedingungen und der verbleibenden Vorrechte der Besatzungsmächte —, in Einklang zu bringen ist mit uns in der Präambel des Grundgesetzes auf den Weg gegebenen Worten:
    von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.
    In der, Nr. 3 des vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung herausgegebenen „Bulletin" vom 8. Januar wird die Lösung des Problems „Schumanplan und deutsche Einheit" gewissermaßen im Handumdrehen zur allseitigen Zufriedenheit versprochen. Es heißt dort, die Bundesregierung werde beide Ziele, also die Einheit Deutschlands und die Einheit Europas, mit der gleichen Vehemenz anstreben. Es gebe, so heißt es weiter in dem „Bulletin", in dieser Hinsicht keine Vorrangfrage. Ist es so, meine Damen und Herren? Und darf man, wie es in dieser offiziösen Verlautbarung geschieht, behaupten, daß diejenigen, die Befürchtungen hinsichtlich der Folgen des Schuman-plans in bezug auf die Bemühungen um die deutsche Einheit aussprechen, der bolschewistischen Propaganda dienen, wie es im „Bulletin" behauptet wird? 'So billig geht es nicht! Sie und alle sollten zur Kenntnis nehmen, daß die sozialdemokratische Kritik am konkreten Schumanplan von der Sorge um das rechte, das fruchtbare Verhältnis Deutschlands zu Europa getragen ist und dem Ziele dient, einen Beitrag zu echter Gemeinschaft der freien Völker Europas und der Welt auf der Grundlage der Gleichberechtigung zu leisten.
    Schließlich war es nicht die SPD, die eine Reihenfolge in diese Diskussion gebracht hat,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    sondern es waren Blätter wie der „Rheinische Merkur" oder „Mann in der Zeit", die der Partei des Herrn Bundeskanzlers nicht ganz fernstehen. Der Herr Bundeskanzler selbst hat leider in seinem in der amerikanischen Wochenschrift „Newsweek" vom 26. November erschienenen Interview der Stufentheorie — d. h. erst Integration, dann Einheit — seinen Tribut gezollt.
    Die Auffassung der SPD deckt sich mit den Sätzen, die in der Erklärung der Hamburger Tagung der Europäischen Bewegung enthalten sind. Ich gestatte mir, sie hier zu zitieren. Es heißt dort:
    Die Europäische Gemeinschaft muß bestrebt
    sein, das ganze Europa zu umgreifen, einschließlich der Länder, die heute ihrer demokratischen
    Freiheiten beraubt sind.

    (Abg. Dr. Preusker: Wann soll das geschehen?) Die Konferenz stellt die Legitimität des Willens aller Deutschen, sich niemals mit einer Teilung ihres Landes abzufinden, fest. Sie erklärt sich mit ihrem Wollen solidarisch. (Abg. Euler: Wie wollen Sie die Teilung

    aufheben?)
    — Sie polemisieren doch, Herr Euler, hoffentlich nicht gegen die Entschließung der Hamburger Konferenz der Europäischen Bewegung, die ich hier noch zitiere?
    Der Zusammenbau Europas und die Einheit Deutschlands dürfen nur in Freiheit und mit friedlichen Mitteln verwirklicht werden. Innerhalb einer europäischen Gemeinschaft
    — so heißt es weiter in dieser Erklärung —muß Deutschland ein Partner sein, der die gleichen Rechte genießt wie die anderen Partner. Seine Souveränität wird in dem Maße wiederaufleben müssen, in dem seine Partner die ihre bewahren wollen.
    Ich habe dieses etwas ausführliche Zitat gebracht, um hier noch einmal klarzustellen: die Sozialdemokratische Partei steht durchaus im Einklang mit den Sätzen, mit der Willenserklärung dieser erst kürzlich durchgeführten Hamburger Tagung.

    (Abg. Dr. Tillmanns: Dabei hat der Vertreter der SPD, Herr Luetkens, dagegen gestimmt!)

    Bei den Schumanplan-Verhandlungen hat das Problem der Einheit Deutschlands als solches offenbar keine Rolle gespielt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    — Herr Tillmanns, Sie sprechen j a nach mir; Sie können sich noch ausführlich zu diesen Dingen äußern.
    Auf die in diesen Zusammenhang gehörenden Fragen zum Status des Saargebiets ist schon eingegangen worden. Berlin ist — das hat sich bei den Ausschußberatungen wohl herausgestellt — weder erwähnt worden, noch wurde seiner besonderen Lage Rechnung getragen. Die sowjetische Besatzungszone wird im Vertragswerk lediglich, wie schon gesagt worden ist, in § 22 der Übergangsbestimmungen erwähnt. Dort heißt es in dem Teil, der die Beziehungen der Gemeinschaft zu dritten Ländern regelt: •
    Der Warenaustausch auf dem Gebiet von Kohle und Stahl zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der sowjetischen Besatzungszone wird, soweit es sich um die Bundesrepu-


    (Wehner)

    blik Deutschland handelt, unbeschadet des Ablaufs der Übergangszeit durch die deutsche Bundesregierung im Einverständnis mit der Hohen Behörde geregelt.
    Der Herr Berichterstatter Dr. Preusker hat die Auffassung vertreten, durch § 22 der Übergangsbestimmungen erkenne der Vertrag eindeutig an, daß die sowjetische Besatzungszone im Verhältnis zur Bundesrepublik nicht als Ausland anzusehen sei. Für Berlin gelte — so ist gesagt worden — nach Auffassung der Bundesregierung mindestens das gleiche, wenn hier nicht sogar noch die Bestimmungen des Art. 79 verstärkend im Sinne einer noch engeren Bindung wirken.
    Bezüglich Berlins möchte ich darauf aufmerksam machen, daß sich im Laufe der Ausschußberatungen drei verschiedene Erklärungen ergeben haben, die man uns dargeboten hat. Einmal hieß es, Berlin sei nicht erwähnt worden, weil dort weder Kohle gefördert noch Eisen und Stahl erzeugt werde. Zum anderen hieß es, Berlin werde j a durch den § 22 der Übergangsbestimmungen mit gedeckt. Und zum dritten hieß es, die Bundesregierung vertrete nach Art. '79 des Vertrages Berlin außenpolitisch, deshalb erübrige sich eine besondere Erwähnung Berlins. — Es wäre besser, wir hätten eine statt drei Erklärungen bekommen!
    Zur ersten Erklärung möchte ich sagen, daß sie weder die tatsächliche Stahlproduktion Berlins noch die Rolle Berlins als Verbraucher und Verarbeiter berücksichtigt, woraus sich bei Mangellage im Sinne des Vertrages schwerwiegende nachteilige Folgen ergeben könnten.
    Zur zweiten Erklärung darf ich wohl die Frage stellen, ob eine solche Auslegung von den Vertragspartnern geteilt wird und welche schlüssige Auskunft uns in dieser Beziehung gegeben werden kann.
    Zur dritten Erklärung schließlich möchte ich darauf aufmerksam machen, daß der Art. 79 das Verhältnis der in Frage kommenden Regierungen vertragschließender Länder zu Ländern wie San Marino und Monako meint. Auch das Verhältnis, das die französische Regierung einseitig zum Saargebiet geschaffen hat, wird durch diesen Artikel, wie schon gesagt wurde, gedeckt. Wir aber möchten nicht das Verhältnis der Bundesrepublik zu Berlin in Parallele zum Verhältnis der entsprechenden Regierungen zu San Marino und Monako und auch nicht zum Saargebiet setzen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Erklärungen, die uns der Herr Bundeskanzler gestern hinsichtlich Berlins gegeben hat, sind noch unbefriedigend. Sie sind zwar ein Versuch, ein Versäumnis während der Vertragsverhandlungen durch neue Interpretation zu korrigieren. Aber das Versäumnis wird damit nicht aus der Welt geschafft, und es bleibt die Frage, wie die anderen Vertragschließenden zu dieser Interpretation stehen. Wenn der Herr Berichterstatter Dr. Preusker gemeint hat:
    Die Eingliederung der sowjetischen Besatzungszone nach einer Wiedervereinigung Deutschlands wird Gegenstand besonderer Anpassungsmaßnahmen sein müssen, die durch Zusatzverträge zu regeln sein. werden,
    so erhebt sich die Frage, ob die Vertragspartner denn durch den Vertrag oder durch besondere Vereinbarungen, die mit dem Vertrage in Verbindung stehen, gebunden sind und sich gebunden halten, solchen Anpassungsmaßnahmen ihre Zustimmung
    zu geben oder überhaupt in solche Verhandlungen einzutreten. Der Vertrag gibt dafür keine Anhaltspunkte. Von einer Sonderregelung hat die Regierung während der Ausschußberatungen und auch jetzt im Plenum nichts verlauten lassen. Bei den Ausschußberatungen aber wurde durch einen juristischen Sachverständigen der Regierung gesagt, wenn die Vertragspartner sich nicht einigten, entstehe eine Situation, über die der Jurist schweige.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die entscheidende Frage aber ist, ob die Vertragspartner oder einige unter ihnen die Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands oder die Überwindung der Spaltung Deutschlands als in ihrem Interesse liegend betrachten. In dem Augenblick, in dem man sich anschickt, einen Teil Deutschlands für 50 Jahre in den Raum einer Gemeinschaft einzugliedern, deren Partner sich weder im Vertrag noch in einer Erklärung zum Vertrag zu dieser Frage eindeutig im Sinne unserer, sich für uns aus dem Grundgesetz ergebenden Zielsetzung erklärt haben, ist es notwendig, klaren Bescheid zu geben, um so mehr als bezüglich des Saargebiets schon festgestellt wurde, daß die Bundesregierung einerseits und die französische Regierung andererseits an ihren entgegengesetzten Rechtsauffassungen festhalten.
    Wenn wir uns, wie es im Laufe dieser Debatte geschehen ist, mit der in vieler Hinsicht aufschlußreichen Debatte in der französischen Nationalversammlung befassen, so können wir auch in der von mir behandelten. Beziehung einige Tendenzen finden, die unsere Aufmerksamkeit verdienen. Aufmerksamkeit; meine ich, verdient z. B., in welcher Weise diejenigen Sprecher, die. sich in der französischen Nationalversammlung für die Ratifikation des Vertrages eingesetzt haben, die Bindung der deutschen Kohle an die stahlerzeugende Industrie des Westens auslegen. Der Berichterstatter CosteFloret, der schon einige Male zitiert wurde, hat die hervorragende Bedeutung der Tatsache betont, daß die — wie er es nannte — Bevorrechtigung der deutschen Verarbeiter bei der Belieferung mit deutscher Kohle unterdrückt werde. Der andere Berichterstatter, der hier schon zitiert wurde, hat auf den interessanten Ausspruch des Generaldirektors der Renaultwerke hingewiesen, der die Freude zum Gegenstand hat, die dieser Herr darüber empfindet, daß man, wenn es einen Schumanplan gibt, in Deutschland nicht mehr die Stahlerzeugnisse, so wie sie dort gebraucht werden, ins Volkswagenwerk liefern kann, sondern daß sie von anderer Seite verlangt werden können. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, welche Bedeutung das Volkswagenwerk für ein großes Gebiet im Bereich des Grenzgürtels der sowjetischen Besatzungszone hat.
    Gestatten Sie mir, im Zusammenhang damit auch auf die Sätze des Finanzministers René Mayer hinzuweisen, die der Stahlindustrie in diesem Zonengrenzgebiet gelten. Der Finanzminister sieht als Tendenz des Vertrages den — wie er es nennt — Kampf gegen die deutsche Autarkie an, und als wesentlich und neu bezeichnet er die mit dem Schumanplan gegebene Möglichkeit, gewisse deutsche Produktionsmöglichkeiten zu unterbinden. Er ließ keinen Zweifel darüber, meine Damen und Herren, daß nach französischer Auffassung z. B. die Demontage von Watenstedt-Salzgitter endgültige Tatsachen geschaffen habe.
    Im Lichte solcher Auffassungen bekommen die Begriffe „antiökonomisch" und „autarkisch", auf die bei den Ausschußberatungen hingewiesen wor-


    (Wehner)

    den ist, im Zusammenhang mit der Investitionsfrage, eine Bedeutung, die für uns jedenfalls keineswegs beruhigend ist. Als „antiökonomisch" und „autarkisch" könnten ja z. B. Vorhaben und Werke gekennzeichnet werden, die für uns volkswirtschaftlich und nationalpolitisch erstrangige Bedeutung haben.
    Herr Dr. Preusker meinte in seinem mündlichen Bericht, der Vertrag gehe ja davon aus, als ob Deutschland schon eine Einheit wäre. Aber selbst wenn wir die Gewißheit haben dürften, daß es so sei, so könnten wir damit nicht beruhigt sein. Denn worauf es ankäme, wäre, daß in einem solchen Vertrag und in der Art, in der er gehandhabt wird, unserer besonderen Lage Rechnung getragen wird, die es erfordert, daß wir nicht zur Verlagerung industrieller und wirtschaftlicher Schwergewichte nach Lothringen und weiter nach dem Westen beitragen und dadurch den Gürtel an der sowjetischen Besatzungszonengrenze veröden helfen.
    Die wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Tendenzen des Vertragswerks geben Deutschland Grund zur Beunruhigung, weil sie — um auf das Wort des französischen Außenministers von den Zwangsläufigkeiten zurückzukommen — uns in unserem Bemühen stören und schwächen, wirtschaftlich und sozial magnetisch auf die sowjetische Besatzungszone wirken zu können.

    (Abg. Rische: Mit diesem Magnet ist es jetzt aus!)

    Der Herr Bundeskanzler hat gestern auf den sogenannten Generalvertrag hingewiesen, um unsere Befürchtungen hinsichtlich des Verhältnisses zur sowjetischen Besatzungszone zu zerstreuen. Dieser Hinweis des Herrn Bundeskanzlers gibt mir Anlaß, meinerseits auf eine Kritik hinzuweisen, die der Vizepräsident des amerikanischen Gewerkschaftsbundes, der American Federation of Labor, in einem Briefwechsel mit dem amerikanischen Außenministerium an der Deutschlandpolitik der Alliierten und an deren neuesten Plänen geübt hat und damit an den Plänen seiner eigenen Regierung im Hinblick auf die Behandlung Deutschlands. Aus dem Briefe des Vizepräsidenten Matthew Woll zitiere ich:
    Die Westmächte sollten tatkräftig und ständig eine Politik zugunsten der Wiedervereinigung Deutschlands auf einer wirklich demokratischen Grundlage verfolgen. In der oben erwähnten Septembererklärung
    — gemeint ist das Kommuniqué der Washingtoner Außenministerkonferenz —
    wird jedoch
    — so sagt die American Federation of Labor — eine Regelung vorgeschlagen, die den Alliierten das Recht vorbehält, alle Entscheidungen hinsichtlich der Wiedervereinigung Deutschlands zu bestimmen. Eine solche Regelung zeugt eher von einem ehrfürchtigen Respekt vor dem Geiste der Potsdamer Beschlüsse von 1945 als von einer festen Entschlossenheit, den Notwendigkeiten der im Jahre 1951 vorhandenen kritischen Situation Rechnung zu tragen. Warum müssen
    — so fragt der amerikanische Gewerkschaftsbund — die westlichen Alliierten, die sich auf eine Politik der Wiedervereinigung Deutschlands auf einer wirklich demokratischen Grundlage verpflichtet haben, auf der Forderung beharren, daß ihnen in dieser Frage ein Vetorecht eingeräumt werde? Diese Beharrlichkeit
    — so tadelt die American Federation of Labor die Regierungen der Westmächte —
    ruft nur Zweifel an der Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit dieser alliierten Verpflichtung hervor. Es ist an der Zeit,
    — so betont der Vizepräsident des amerikanischen Gewerkschaftsbundes abschließend —
    daß die Demokratien erkennen, daß es ein unveräußerliches Recht des deutschen Volkes ist, selbst darüber zu entscheiden, was es als das überragende Problem seiner Organisation und seines Lebens als Nation betrachtet.
    Diesen Sätzen ist nichts hinzuzufügen. Wir in Deutschland können uns darüber freuen, daß der Sprecher einer so großen und einflußreichen Organisation so warm und überzeugend als Anwalt unseres Rechts auftritt. Der Herr Bundeskanzler und Außenminister sollte Wert darauf legen, von seinen Beamten auch solche Stellungnahmen ausländischer Persönlichkeiten zu unseren Lebensfragen vorgelegt zu bekommen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Abschließend darf ich also sagen: Den im Schumanplan und in den dazugehörigen Verträgen und Auflagen der Besatzungsmächte liegenden Zwangsläufigkeiten können wir uns nicht anpassen. Der Wandel, den sie im Geschick unseres Landes herbeiführen würden, käme auf eine Erschwerung unserer Hauptaufgabe hinaus, auf eine Erschwerung der Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit und Frieden. Das hieße eine Erschwerung der Befreiung der 18 Millionen in der sowjetischen Besatzungszone. Es ist eine der vornehmsten Aufgaben der Bundesregierung, in neuen Verhandlungen mit den Signatarmächten des Schumanplans und in den Verhandlungen mit den Siegermächten diese Gesichtspunkte zur Geltung zu bringen. Es wäre nicht zuletzt eine für die demokratische Welt folgenschwere Fehlleistung, den Versuch zu europäischer Zusammenarbeit von vornherein mit dem Konstruktionsfehler zu belasten, die Bundesrepublik Deutschland an der Erfüllung ihrer wichtigsten und wahrhaft europäischen Aufgabe zu hindern.
    Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren, am 27. September 1951 hat der Bundestag die Herstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit mit friedlichen Mitteln als die vordringlichste politische Forderung des ganzen deutschen Volkes bezeichnet. Tragen Sie dieser „vordringlichsten politischen Forderung" bei der Entscheidung über ein Gesetz, dessen Zwangsläufigkeiten uns für Jahrzehnte binden sollen, Rechnung! Damit würden Sie zugleich einen Beitrag zur europäischen Verständigung leisten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Tillmanns.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Robert Tillmanns


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter den vielen Argumenten, die im Verlaufe der Auseinandersetzungen mit so großem Eifer gegen den Schumanplan gesammelt und vorgebracht worden sind, ist wohl die Behauptung, die Montan-Union hindere die Wiedervereinigung Deutschlands, von besonderer Bedeutung. Wenn sie nämlich richtig wäre, könnte keiner von uns an ihr vorbeigehen; denn in dem festen Willen zur Wiedervereinigung unseres Landes in Freiheit sind wir alle einig.
    Mein Vorredner, Herr Kollege Wehner, hat heute diesen Einwand aus angeblichen Zwangsläufig-


    (Dr. Tillmanns)

    keiten des Vertragswerkes hergeleitet. Er hat behauptet, die Vorläufigkeit der Bundesrepublik verbiete ihr, langfristige Verträge abzuschließen. Er hat bemängelt, daß Berlin nicht erwähnt und die Sowjetzone ausgeschlossen sei; ja, er hat die Behauptung aufgestellt, daß der Abschluß des Montanvertrages vor der Wiederherstellung der deutschen Einheit mindestens dem Geiste des Grundgesetzes widerspreche.
    Für diese ganze Gruppe von Einwänden ist zunächst festzustellen, daß sie in der Debatte über den Schumanplan, die ja nun seit mehr als einem Jahre im Gange ist, sehr spät auftauchen.

    (Abg. Dr. Mommer: Immer noch früh genug!) Gleich nach der Unterzeichnung des Vertrags im April des vorigen Jahres hat Herr Dr. Schumacher in ausführlicher Erklärung das Nein der SPD begründet und sieben Punkte aufgezählt, deren Erfüllung die Voraussetzung für eine sozialdemokratische Zustimmung sei. Die Frage der Rückwirkung des Schumanplans auf die Wiederherstellung der deutschen Einheit ist dabei gar nicht erwähnt.

    Am 26. Juni 1951 hat im Abgeordnetenhaus von Berlin eine Debatte über den Schumanplan stattgefunden; und gerade hier wäre doch der Ort gewesen, bestehende Bedenken im Hinblick auf die deutsche Einheit besonders stark zum Ausdruck zu bringen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr gut!)

    Das ist aber mit keinem Wort geschehen.

    (Hört! Hört! bei der CDU.)

    Weder in der Erklärung des Senats Berlins noch in der Rede des Sprechers der SPD ist dieser Gesichtspunkt überhaupt genannt.

    (Abg. Dr. Wuermeling: In Berlin kann man das auch nicht sagen!)

    Im Gegenteil, der Senat Berlins, an dem doch die
    SPD beteiligt ist, hat damals folgendes erklärt: Der Vertrag vom 18. April 1951 über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der Schumanplan, soll der Sicherung des Friedens, der Wiederherstellung des Wohlstandes Europas und der Festigung der Zusammenarbeit der westlichen Welt dienen, mit der Berlin untrennbar verbunden ist. Die Verwirklichung des Schumanplans kann darüber hinaus einen bedeutsamen Schritt auf dem Wege der politischen und wirtschaftlichen Einigung Europas darstellen. In Anerkennung dieser Ziele nimmt der Senat gegenüber der von der Bundesregierung gemachten Vorlage eine positive Stellung ein.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparparteien. — Zuruf rechts: Für die SPD sehr blamabel!)

    Es folgen dann einige Vorbehalte zu verschiedenen Fragen. Aber irgendein Bedenken aus gesamtdeutschen Gesichtspunkten sucht man auch in diesem Dokument vergeblich.

    (Hört! Hört! rechts.)

    Es wird vom Senat lediglich erklärt, daß sich das Land Berlin entsprechend seinem schon früher geäußerten Wunsche, beim Abschluß internationaler Verträge berücksichtigt und mit einbezogen zu werden, beim Abschluß des von der Bundesregierung vorgelegten Vertrages von dieser mit vertreten betrachtet. Ich komme auf diesen Punkt noch zurück.

    (Abg. Kunze: Also!)

    Schließlich haben wir doch hier in diesem Hause am 12. Juli vorigen Jahres die erste Lesung des Montanvertrages abgehalten; und auch bei dieser Gelegenheit haben die Redner der SPD, die Herren Kollegen Schmid und Henßler, an diese doch außerordentlich wichtige Frage der Wiedervereinigung offenbar gar nicht gedacht.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Später entdeckt!)

    Um so schärfer ist sie nun in den letzten Wochen behandelt worden und nicht zuletzt auch in einem Artikel, den Herr Professor Schmid im Berliner „Telegraf" veröffentlicht hat und in dem er, wenn auch in Frageform, behauptet, daß durch die Montan-Union die Pflöcke des Eisernen Vorhanges tiefer eingerammt würden.
    Meine Damen und Herren! Man fragt sich, warum diese Befürchtungen erst jetzt zu so später Stunde laut werden. Hat man vielleicht bei der sozialdemokratischen Fraktion die Besorgnis, daß all die anderen Argumente für ihr Nein allmählich abgenutzt sind

    (Sehr richtig! rechts)

    und ihre Wirkung verloren haben,

    (Sehr richtig! bei der CDU. — Gegenruf des Abg. Wehner: Zu billig, Herr Tillmanns!)


    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: „Nachschieben" ist gut!)

    Oder möchte man wohl erreichen, daß die vielen SPD-Mitglieder, die sich besonders in Berlin offen zum Schumanplan bekannt haben,

    (Lachen bei der SPD. — Abg. Wehner: Zerbrechen Sie sich den Kopf anderer Leute?)

    mit diesem Argument auf die Parteilinie zurückgebracht werden sollen?

    (Erneutes Lachen bei der SPD.)

    Oder will die Sozialdemokratische Partei auch diese
    Debatte benutzen, um den so oft klar bekundeten
    gesamtdeutschen Willen der Bundesregierung in
    Zweifel zu ziehen und um den Verdacht zu nähren,
    als bedeute der Zusammenschluß Europas einen
    Verzicht auf die Wiedervereinigung Deutschlands?

    (Abg. Rische: Wo ist das Gesetz über die gesamtdeutschen Wahlen? — Gegenruf rechts: Im Bundesrat! — Erneuter Zuruf von der KPD: Das ist die Beerdigung vierter Klasse! — Zurufe rechts: Ruhe in Moskau!)

    Meine Damen und Herren! Es mag dahingestellt bleiben, welches von all diesen Motiven bestimmend war. Forschungen nach Motiven sind bekanntlich wenig ersprießlich. Wahrscheinlich waren alle diese Beweggründe nebeneinander wirksam.
    Mir kommt es darauf an, zunächst einige Dinge richtigzustellen, zuerst die Behandlung Berlins. Dem, was der Herr Bundeskanzler gestern in seiner Erklärung gesagt hat, habe ich nur wenig hinzuzufügen.

    (Zuruf von der SPD: Das ist klar! — Abg. Rische: Das kann ich Ihnen auch nur raten!)

    Berlin ist nicht besonders genannt. Es gehört nämlich nach Art. 23 des Grundgesetzes zu dessen
    Geltungsbereich. Soweit der ,bekannte Vorbehalt
    der Besatzungsmächte die Ausübung der Funktionen der Bundesrepublik für Berlin hemmt, können diese Hemmungen nicht durch den Schumanplan,


    (Dr. Tillmanns)

    sondern .nur durch neue Vereinbarungen mit den drei Besatzungsmächten beseitigt werden.

    (Abg. Renner: Mit den drei?)

    Das sollte klar sein. Wir wissen, im Rahmen des Generalvertrags wird darüber verhandelt, und wir können mit Bestimmtheit erwarten, daß der Wunsch des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses, das Land Berlin beim Abschluß internationaler Verträge zu berücksichtigen und mit einzubeziehen, in sehr naher Zukunft in Erfüllung geht.

    (Abg. Renner: Das ist einer Eurer Witze!) Damit findet dann Art. 79 Anwendung. Aber ich denke, mit Berlin verbindet uns noch sehr viel mehr als die Wahrnehmung auswärtiger Beziehungen. Ich betrachte es deswegen — ich muß schon sagen — als eine groteske Verkennung der Situation, hier zu wagen, unser Verhältnis zu Berlin mit dem zu San Marino und Monaco auf eine Stufe zu stellen.


    (Lebhafter Beifall bei der CDU. — Zuruf von der Mitte: Unerhört!)


    (Abg. Renner: Ja!)

    Sein Bedarf an Kohle und Stahl ist Bedarf der Bundesrepublik. Daran kann kein Zweifel bestehen, zumal in dieser Hinsicht eindeutige Erklärungen der Hohen Kommissare vorliegen. Der Montanvertrag ändert nichts an dieser Sachlage.
    Auch der Status der Sowjetzone wird in keiner Weise geändert.

    (Lachen bei der KPD.)

    Wir halten selbstverständlich an dem Anspruch fest, daß die Bundesrepublik für Gesamtdeutschland spricht und handelt,

    (Zuruf von der KPD: Für den Mond auch!) nur ist sie zur Zeit faktisch daran gehindert, ihre Souveränität dort auszuüben.


    (Abg. Rische: Das ist aber eine Frage!)

    Dieser Tatsache muß Rechnung getragen werden. das ist aber nicht in der Form geschehen, wie von verschiedenen Rednern, auch von denen der KP, behauptet wurde, daß die Sowjetzone im Vertrag als Ausland behandelt ist, sondern dadurch, daß man an die Stelle der Bestimmungen, die die Beziehungen der Schumanplan-Länder zu dritten Ländern regeln, die Ausnahmebestimmung des § 22 des Übergangsabkommens gesetzt hat.

    (Abg. Rische: Also doch dritte Länder!)

    Diese Bestimmung, wonach der Warenaustausch mit der Sowjetzone durch die Bundesregierung im Einvernehmen mit der Hohen Behörde geregelt wird,

    (Zuruf von der KPD: Aha!)

    gilt solange,

    (Abg. Renner: Im Einvernehmen!)

    bis die Sowjetzone ein Teil der Bundesrepublik geworden ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der KPD: Das wollt ihr ja gar nicht!)

    Die Beteiligung der Hohen Behörde ist nach dem Grundgedanken des Vertrags selbstverständlich. Für die übrigen Mitgliedstaaten unterliegt der Handelsverkehr mit der Sowjetzone den Bestimmungen über den Außenhandel, nach denen die
    Hohe Behörde noch ein sehr viel stärkeres Mitwirkungsrecht hat.

    (Abg. Rische: Also doch Ausland!)

    — Nicht Ausland; Sie verstehen das nicht. Sobald die Sowjetzone wieder mit uns vereinigt ist, erlangt der Montanvertrag Geltung auch für dieses Gebiet. Nach den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen bezüglich der beweglichen Vertragsgrenzen können Verträge, die die Gesamtpolitik beeinflussen oder allgemeine Rechtsnormen enthalten, auch auf das erweiterte Gebiet angewandt werden. Soweit sich die Vertragsgrundlage geändert hat, ist eine Anpassung des Inhalts vorzunehmen. Das wird wahrscheinlich in Form von Übergangsbestimmungen, insbesondere auch für Investitionen, notwendig sein. Zu einer solchen Anpassung besteht eine gegenseitige Verpflichtung der Vertragspartner; gegebenenfalls hätte der Gerichtshof zu entscheiden.

    (Lachen bei der KPD.)

    Das Hinzutreten der Sowjetzone ist also nicht als
    Beitritt weiterer Staaten behandelt. Infolgedessen
    besteht auch keine Einspruchsmöglichkeit Dritter.
    Das ist übrigens auch die Auffassung anderer Teilnehmer des Vertrags. In den Verhandlungen der französischen Nationalversammlung sind von verschiedenen Rednern Einwendungen gerade deshalb gemacht worden, weil der Vertrag mit der Bundesrepublik automatisch das wiedervereinigte Deutschland zum Vertragspartner mache, von dem man nicht wissen könne — so wurden diese Bedenken begründet —, welche politischen Kräfte in ihm bestimmend sein würden. Der Schumanplan trennt also nicht ab. Er gibt den Vertragspartnern keine Einwirkungsmöglichkeit auf -die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands.

    (Zuruf von der ,KPD: Ach, sind Sie klug und weise!)

    Diese Frage kann nach wie vor auf friedliche Weise — und das wollen wir alle —

    (Zuruf von der KPD: So!)

    nur gelöst werden, wenn die vier Großmächte sich verständigen.

    (Abg. Rische: Bravo! Bravo! — Gegenrufe von der Mitte.)

    Dabei bleibt es.
    Nun hat aber Herr Wehner heute abend weiter behauptet, -der Montanvertrag widerspreche zum mindesten dem Geist der Präambel des Grundgesetzes, in der die Forderung nach nationaler staatlicher Einheit und der Wunsch, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, nebeneinander aufgeführt sind. Hier sei, so hat Herr Wehner begründet, wenn ich ihn richtig verstanden habe, sozusagen durch Grundgesetz festgelegt: Zuerst die deutsche Einheit und dann Europa. Ich kann es mir, glaube ich, ersparen, dies- als Rechtsfrage zu behandeln; denn es ist aus den gesamten Materialen zum Grundgesetz völlig klar, -daß niemand daran gedacht hat, eine Anweisung in dem Sinne zu geben: Zuerst das eine und rann das andere. In der Präambel sind einfach die deutsche Einheit und die Vereinigung Europas als Kardinalpunkte unseres politischen Wollens nebeneinandergestellt, und nirgendwo findet sich auch nur -der leiseste Anhalt dafür, daß das Grundgesetz etwa verbieten wolle, daß sich die Bundesregierung an internationalen Zusammenschlüssen beteiligt, solange sie nicht ganz Deutschland umfaßt. Im Gegenteil, Art. 24 erklärt ausdrücklich, und zwar ohne eine derartige


    (Dr. Tillmanns)

    Beschränkung, daß die Bundesrepublik dies tun soll, und gibt dafür einen sehr weitgehenden Rahmen.

    (Abg. Rische: Und was steht in Abs. 2? — Gegenruf rechts: Davon verstehen Sie gar nichts! — Zuruf von der KPD: Acheson wird Ihnen schon beibringen, den Text zu lesen!)

    Wir sind hier beim Kernpunkt des Problems: Verhindert der Zusammenschluß Europas, oder konkreter, verhindert und erschwert die MontanUnion als erster Schritt hierzu tatsächlich die Wiedervereinigung Deutschlands? Zunächst darf ich daran erinnern, daß dieses Hohe Haus am 26. Juli 1950 mit allen gegen vier Stimmen, also fast einstimmig eine Entschließung gefaßt hat, in der der Abschluß eines europäischen Bundespaktes gefordert wird. Es heißt in diesem Beschluß:
    Dieser europäische Bundespakt soll eine übernationale Bundesgewalt schaffen, die sich auf
    allgemeine, unmittelbare und freie Wahlen
    gründet und über gesetzgebende, ausübende
    und richterliche Kompetenzen verfügt. Damals hat die SPD offenbar kein Bedenken gehabt, daß ein solcher Europapakt der Wiedervereinigung Deutschlands hinderlich sein könnte, sonst hätte sie nicht zustimmen können. Wenn aber — so frage ich — eine Gesamtföderation, also die stärkste Form eines Zusammenschlusses gutgeheißen wird, wie kann man dann eine partielle Vereinbarung, die sich nur auf ein Teilgebiet der Wirtschaft beschränkt, als schädlich betrachten? Das scheint mir ein unauflöslicher Widerspruch zu sein.

    (Sehr richtig! bei der CDU. — Zuruf von der SPD: Ihnen!)

    Wenn die SPD davon spricht — und auch Herr Ollenhauer hat das in seiner Rundfunkrede vom 4. Januar angedeutet —, daß zunächst die Wiedervereinigung Deutschlands herbeigeführt werden müsse, bevor ein europäischer Zusammenschluß in Frage komme, dann muß sie uns doch sagen, wie auf diese Weise überhaupt die Einheit Deutschlands realisiert werden soll.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Die Dinge liegen doch leider so, daß einstweilen noch der Machtwille des Bolschewismus auf das ganze Deutschland zielt,

    (Zurufe von der KPD)

    daß er eben nicht unsere Einheit in Freiheit, d. h. in der Gemeinsamkeit der freien Völker will. Noch liegen keine Anzeichen dafür vor, daß die Sowjetunion bereit wäre, auch nur den ersten Schritt, nämlich wirklich freie gesamtdeutschen Wahlen

    (Abg. Rische: Sie leben wirklich auf dem Mond!)

    in der Weise zuzulassen, daß die äußere und innere — und innere! — Freiheit der Stimmabgabe gewährleistet ist.

    (Abg. Rische: Wo sind denn die freien Wahlen?)

    Wenn wir uns in dieser Situation dazu bringen ließen, auf unsere Teilnahme am Aufbau eines vereinigten Europas zu verzichten, dann würde das letzten Endes bedeuten, daß wir uns geradezu dem politischen Willen des Kommunismus unterwerfen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Denn das ist doch sein beherrschendes Ziel: den
    Zusammenschluß der europäischen Länder und
    damit ihre Gesundung zu verhindern. Der Korn- I munismus will doch die Uneinigkeit, die Schwäche und den Zerfall Europas, damit er um so sicherer seine Ziele verwirklichen kann.

    (Zurufe von der KPD.)

    Deswegen doch sein erbitterter Kampf gegen den Schumanplan!

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Deswegen doch sogar beschwörende persönliche Briefe des Herrn Reimann an die Abgeordneten dieses Bundestages!

    (Zurufe von der KPD.)

    Deswegen scheut man sich doch nicht einmal davor, einen alten ehemaligen Politiker, Herrn Dr. Wirth, der vielleicht wohlmeinend aber ahnungslos ist, für diesen Zweck zu mißbrauchen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Stürmische Zurufe von der KPD.)

    Daraus folgt unausweichlich, daß es kein wirksameres Mittel gegen die Absichten des Bolschewismus gibt als die entschlossene Förderung der europäischen Einigung.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP.)

    Die europäische Einigung bedeutet lediglich eine Erschwerung der bolschewistischen Einheit Deutschlands;

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    aber sie bedeutet die stärkste Förderung des großen Zieles, in dem wir uns allerdings, Herr Wehner, nach wie vor einig sind, nämlich wie es im ersten Satz der Regierungserklärung vom 27. September 1951 heißt, die Wiederherstellung der deutschen Einheit in einem freien und geeinten Europa. Wir alle haben mit Ausnahme der KP dieser Entschließung zugestimmt.
    Ein Einwand gegen die Montan-Union wäre unter gesamtdeutschen Gesichtspunkten vielleicht möglich, wenn man nachweisen könnte — und das hat Herr Wehner versucht —, daß die Partner die Wiedervereinigung Deutschlands nicht wollen, daß sie den Vertrag dazu benutzen könnten, diesen' Willen geltend zu machen. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß der Vertrag nicht einmal andeutungsweise eine Handhabe dafür enthält.

    (Zuruf von der KPD: Ihr müßt ihn richtig lesen!)

    Wenn es also so wäre, daß man bei den anderen Ländern die Wiedervereinigung nicht will, dann würde sich durch den Abschluß dieses Vertrages zunächst überhaupt nichts ändern. Nun aber, meine Damen und Herren, ist die Wiederherstellung unserer staatlichen Einheit in der letzten Zeit wiederholt erklärt und dokumentiert worden. Ich erinnere .an die Note der drei Westmächte vom 15. Oktober 1951, in der diese zusichern, daß sie die Wiedervereinigung Deutschlands stets unterstützt haben und unterstützen werden, sobald sie nach demokratischen Grundsätzen stattfinden kann, welche die Schaffung eines freien Deutschlands sichern. Ich erinnere vor allem an die Verhandlungen vor den Vereinten Nationen in Paris über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für die beiden Gebiete Deutschlands, in denen das Bekenntnis zur deutschen . Einheit geradezu als ein Anliegen der gesamten freien Welt zum Ausdruck gekommen ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der KPD.)



    (Dr. Tillmanns)

    Und was das Wichtigste ist: Die Verhandlungen über den Generalvertrag haben dazu geführt, daß die Wiedervereinigung Deutschlands als gemeinsames Ziel der vier Partner vertraglich festgelegt wird.

    (Abg. Renner: Mit euren zehn Divisionen!) Dort ist die Verpflichtung festgelegt, daß die drei Mächte und die Bundesrepublik bis zum Abschluß einer friedensvertraglichen Regelung zusammenwirken werden, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel eines wiedervereinigten Deutschlands zu erreichen, das eine freiheitliche demokratische Verfassung hat und in die westeuropäische Gemeinschaft integriert ist.


    (Zuruf links: Aber da muß man schnell handeln!)

    Herr Wehner: das Gegenteil vom Vetorecht, das genaue Gegenteil!

    (Abg. Euler: Das weiß ja auch Herr Wehner ganz! genau!)

    Das ist doch gerade einer der großen Erfolge der Europapolitik der Bundesregierung, daß die Bedenken gegen die deutsche Wiedervereinigung im Ausland mehr und mehr geschwunden sind.

    (Rufe rechts: Oh! — Lachen bei der KPD.) Aber selbst wenn hier und dort noch Hemmungen vorhanden sind — würde man diese Hemmungen im Ausland gegen die Wiedervereinigung Deutschlands etwa durch die Nichtunterzeichnung des Schumanplans beseitigen?


    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Mit Sicherheit würde das Gegenteil erreicht werden. Diese Hemmungen würden enorm wachsen und vielleicht unüberwindlich werden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wie stellt man sich denn dann die Wiedervereinigung Deutschlands vor?

    (Abg. Rische: Mit Divisionen!)

    Lassen wir doch endlich hier die fruchtlose Diskussion darüber, was zuerst kommen müsse, die Einheit Deutschlands oder die Integration Europas! Das kann doch niemand wissen. Arbeiten wir mit aller Kraft an dem Neubau eines geeinten Europas und tun wir gleichzeitig alles, daß die Einheit Deutschlands in Freiheit bald Wirklichkeit wird! Beides gehört zusammen, beides bedingt und fördert sich gegenseitig.
    Ein westdeutsches Nachrichtenmagazin hat kürzlich in einem langen Artikel zu beweisen versucht, daß der Schumanplan ein Lebewohl für die Brüder im Osten, d. h. für die Deutschen in der Sowjetzone sei. Tatsächlich zeigt dieser Artikel nur, daß der Schumanplan dem bolschewistischen Zugriff auf Deutschland, insbesondere auf das Ruhrgebiet, einen Riegel vorschiebt.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Der Verfasser schreibt, daß die Sowjetunion jedes Interesse an der deutschen Einheit verlieren würde, wenn Kohle und Stahl Westdeutschlands in die Montan-Union einbezogen würden. Er bezeichnet übrigens die Montan-Union als Rüstungspool, was seine politische Herkunft deutlich kennzeichnet. Totalitäre Mächte pflegen Friedenswerke der anderen immer als Aggression zu bezeichnen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Aber aus diesen Ausführungen geht doch eins hervor: daß offenbar das sowjetische Interesse an einem einigen Deutschland identisch ist mit dem
    Interesse an der Ruhrkohle. Deutlicher kann man allerdings das Ziel der sowjetischen Deutschlandpolitik nicht enthüllen.
    Die Erreichung dieses Zieles wird allerdings durch die Montan-Union verhindert, und das ist der Wille der überwältigenden Mehrheit des ganzen deutschen Volkes auch in der Sowjetzone. Ich bin sicher, daß unsere Brüder im Osten den Schumanplan nicht als Lebewohl empfinden, sondern daß sie ihn als rettende Hand begrüßen, als ein Zeichen dafür, daß auch für sie der Tag der Freiheit naht.

    (Zuruf von der KPD: Was denken die Brüder im Westen?)

    Wir handeln für sie mit; in ihrem Sinn und in ihrem Namen werden wir zu der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ein klares Ja sagen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der KPD: Tillmans will den Bruderkrieg! — Weitere Zurufe von der KPD.)