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ID0118305500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 183. Sitzung.- Bonn, Donnerstag, den 10. Januar 1952 7651 183. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. Januar 1952. Geschäftliche Mitteilungen . 7651D, 7779A, 7786C Übertritt des Abg. Dr. Fink von der Frak- tion der FU zur Fraktion der CDU/CSU 7652A Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nrn. 2401, 2484, 2950, zu 2950 der Drucksachen; Anträge Nrn. 2971, 2972, 2973, 2974, Umdrucke Nrn. 407, 408, 412) in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten und zweiten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2951 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 409) . . . 7652A Wirtschaftspolitische Fragen: Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes 7652B, 7675A Imig (SPD) 7655B Niebergall (KPD) 7659D Kalbitzer (SPD) 7661B Dr. Preusker ( FDP), als Berichterstatter 7665B Dr. Bertram (FU) 7666C Dr. Nölting (SPD) 7669C Loritz (Fraktionslos) 7677D Paul (Düsseldorf) (KPD) 7685D Müller (Frankfurt) (KPD) 7691D Stegner (FDP) '7697D Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 7702A Kuhlemann (DP) 7705B von Thadden (Fraktionslos) . . . 7706C Sozialpolitische Fragen, Rechtsfragen und allgemeinpolitische Fragen: Albers (CDU) 7710D Birkelbach (SPD) 7714B Harig (KPD) 7716C Grundmann (FDP) 7720D Heix (CDU) 7721D Dr. Wahl (CDU) 7723D Dr. Veit (SPD) 7726B Euler (FDP) 7730C Dr. von Merkatz (DP) 7734D Schoettle (SPD) 7739C Dr. Kreyssig (SPD) 7744A Fisch (KPD) 7747A Fürst zu Oettingen-Wallerstein (FU) 7753D Dr. Mommer (SPD) 7755D Wehner (SPD) 7762A Dr. Tillmanns (CDU) 7765D Dr. Hasemann (FDP) 7769C von Thadden (Fraktionslos) . . . 7771D Frau Strohbach (KPD) 7774B Loritz (Fraktionslos) 7776A zur Abstimmung: Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 7776C Goetzendorff (Fraktionslos) . . . 7777B Mellies (SPD) 7779B Abstimmungen 7777D, 7779C Namentliche Abstimmungen . 7778B, 7779B zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der dritten Beratung: Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 7780B Dr. Semler (CDU) 7784A Schröter (CDU) (zur Geschäftsordnung) 7785D Abstimmungen 7785D Ausschluß des Abg. Dr. Richter (Niedersachsen) wegen gröblicher Verletzung der Ordnung für drei Sitzungstage 7786C Nächste Sitzung 7779A, 7783D, 7786C Zusammenstellung der namentlichen Abstimmungen über Art. I des Entwurfs eines Gesetzes betr. den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2401 der Drucksachen) und über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD (Umdruck Nr. 407) zu dem gleichen Gesetzentwurf betr. Einfügung eines Art. I a 7787A Die Sitzung wird um 9 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Namentliche Abstimmungen 1. über Artikel I des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2401 der Drucksachen), 2. über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Umdruck Nr. 407). Name 1. I 2. Name 1 2. Abstimmung Abstimmung CDU/CSU Dr. Horlacher Ja Nein Horn Ja Nein Dr. Adenauer Ja Nein Huth Ja Nein Albers Ja Nein Dr. Jaeger Ja Nein Arndgen Ja Nein Junglas Ja Nein Bauereisen Ja Nein Kahn Ja Nein Bauknecht Ja Nein Kaiser Ja Nein Dr. Baur (Württemberg) . Ja Nein Karpf Ja Nein Bausch Ja Nein Dr. Kather Ja Nein Becker (Pirmasens) . . . . Ja Nein Kemmer Ja Nein Blank (Dortmund) . . . . Ja Nein Kemper Ja Nein Bodensteiner Ja Nein Kern Ja Nein Frau Brauksiepe Ja Nein Kiesinger Ja Nein Dr. von Brentano Ja Nein Dr. Kleindinst Ja Nein Brese Ja Nein Dr. Köhler Ja Nein Frau Dr. Brökelschen . . . Ja Nein Dr. Kopf Ja Nein Dr. Brönner Ja Nein Dr. Krone (Berlin) (Berlin) Brookmann Ja Nein Kühling Ja Nein Dr. Bucerius Ja Nein Kuntscher Ja Nein Frau Dietz Ja Nein Kunze Ja Nein Dr. Dresbach Ja Nein Dr. Laforet Ja Nein Eckstein — — Dr. Dr. h. c. Lehr . -- Nein Dr. Edert Ja Nein Leibfried Ja Nein Dr. Ehlers Ja Nein Lenz Ja Nein Ehren Ja Nein Leonhard Ja Nein Dr. Erhard Ja Nein ' Lücke Ja Nein Etzel (Duisburg) Ja Nein Majonica Ja Nein Etzenbach Ja Nein Massoth Ja Nein Even Ja Nein Mayer (Rheinland-Pfalz) . Ja Nein Feldmann Ja Nein Mehs Ja Nein Dr. Fink Ja Nein Mensing Ja Nein Dr. Frey Ja Nein Morgenthaler Ja Nein Fuchs Ja Nein Muckermann Ja Nein Dr. Freiherr von Fürsten- Mühlenberg Ja Nein berg Ja Nein Dr. Dr. Müller (Bonn) . . . Ja Nein Fürst Fugger von Glött . . Ja Nein Müller-Hermann Ja Nein Funk Ja Nein Naegel Ja Nein Gengler Ja Nein Neber Ja Nein Gerns . Ja Nein Nellen Ja Nein Dr. Gerstenmaier — — Neuburger Ja Nein Gibbert Ja Nein Nickl Ja Nein Giencke Ja Nein Frau Niggemeyer Ja Nein Dr. Glasmeyer Ja Nein Dr. Niklas — — Gliising entschuld. entschuld. Dr. Oesterle Ja Nein Gockeln Ja Nein Dr. Orth Ja Nein Dr. Götz Ja Nein Pelster Ja Nein Frau Dr. Gröwel Ja Nein Pfender Ja Nein Günther Ja Nein Dr. Pferdmenges Ja Nein Hagge Ja Nein Dr. Povel Ja Nein Frau Heiler Ja Nein Frau Dr. Probst Ja Nein Heix Ja Nein Dr. Pünder Ja Nein Dr. Henle Ja Nein Raestrup Ja Nein Hilbert Ja Nein Rahn Ja Nein Höfler Ja Nein Frau Dr. Rehling Ja Nein Hohl Ja Nein Frau Rösch Ja Nein Dr. Holzapfel Ja Nein Rümmele Ja Nein Hoogen Ja Nein Sabel Ja Nein Hoppe Ja Nein Schäffer Ja Nein Name 1. 2. Name 1. Abstimmung 2. Abstimmung Scharnberg Ja Nein Franke Nein Ja Dr. Schatz Ja Nein Freidhof Nein Ja Schill Ja Nein Freitag Nein Ja Schmitt (Mainz) Ja Nein Geritzmann Nein Ja Schmitz beurlaubt beurlaubt Gleisner Nein Ja Schmücker . . . . . . Ja Nein Görlinger . Nein Ja Dr. Schröder (Düsseldorf) . Ja Nein Graf Nein Ja Schröter Ja Nein Dr. Greve Nein Ja Schüttler Ja Nein Dr. Gülich Nein Ja Schütz Ja Nein Happe Nein Ja Schuler Ja Nein Heiland Nein Ja Schulze-Pellengahr . . . . Ja Nein Hennig Nein Ja Dr. 'Semler Ja Nein Henßler Nein Ja Dr. Serres Ja Nein Herrmann Nein Ja Siebel Ja Nein Hoecker Nein Ja Dr. Solleder Ja Nein Höhne Nein Ja Spies Ja Nein Frau Dr. Hubert Nein Ja Graf von Spreti Ja Nein Imig Nein Ja Stauch Ja Nein Jacobi Nein Ja Frau Dr. Steinbiß . . . . Ja Nein Jacobs Nein Ja Storch Ja Nein Jahn Nein Ja Strauß Ja Nein Kalbfell Nein Ja Struve Ja Nein Kalbitzer Nein Ja Stücklen Ja Nein Frau Keilhack Nein Ja Dr. Tillmanns (Berlin) (Berlin) Keuning Nein Ja Dr. Vogel . Ja Nein Kinat Nein Ja Wacker Ja Nein Frau Kipp-Kaule Nein Ja Wackerzapp Ja Nein Knothe Nein Ja Dr. Wahl Ja Nein Dr. Koch Nein Ja Frau Dr. Weber (Essen) . Ja Nein Frau Korspeter Nein Ja Dr. Weber (Koblenz) . . . Ja Nein Frau Krahnstöver . . . . Nein Ja Dr. Weiß beurlaubt beurlaubt Dr. Kreyssig Nein Ja Winkelheide Ja Nein Kriedemann Nein Ja Dr. Wuermeling Ja Nein Kurlbaum Nein Ja Lange Nein Ja SPD Lausen krank krank Frau Lockmann Nein Ja Frau Albertz Nein Ja Löbe (Berlin) (Berlin) Frau Albrecht Nein Ja Lohmüller krank krank Altmaier Nein Ja Ludwig Nein Ja Frau Ansorge Nein Ja Dr. Luetkens Nein Ja Dr. Arndt Nein Ja Maier (Freiburg) Nein Ja Arnholz Nein Ja Marx Nein Ja Dr. Baade Nein -Ja Matzner Nein Ja Dr. Bärsch Nein Ja Meitmann Nein Ja Baur (Augsburg) Nein Ja Mellies . . . . . . . . . Nein Ja Bazille krank krank Dr. Menzel Nein Ja Behrisch Nein Ja Merten Nein Ja Bergmann Nein Ja Mertins Nein Ja Dr. Bergstraeßer Nein Ja Meyer (Hagen) Nein Ja Berlin Nein Ja Meyer (Bremen) Nein Ja Bettgenhäuser Nein Ja Frau Meyer-Laule . . . . Nein Ja Bielig Nein Ja Mißmahl Nein Ja Birkelbach Nein Ja Dr. Mommer Nein Ja Blachstein Nein Ja Dr. Mücke Nein Ja Dr. Bleiß ....... Nein Ja Müller (Hessen) Nein Ja Böhm Nein Ja Müller (Worms) Nein Ja Brandt (Berlin) (Berlin) Frau Nadig Nein Ja Dr. Brill Nein Ja Neumann (Berlin) (Berlin) Bromme Nein Ja Dr. Nölting Nein Ja Brünen Nein Ja Nowack (Harburg) . . . . Nein Ja Cramer Nein Ja Odenthal Nein Ja Dannebom Nein Ja _ Ohlig Nein Ja Diel Nein Ja 011enhauer Nein Ja Frau Döhring Nein Ja Paul (Württemberg) . . . Nein Ja Eichler Nein Ja Peters Nein Ja Ekstrand Nein Ja Pohle Nein Ja Erler Nein Ja Dr. Preller Nein Ja Faller Nein Ja Priebe Nein Ja
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    Rede von Willi Birkelbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Diskussion über die sozialpolitischen Aspekte des Schumanplans ist von den Befürwortern immer wieder auf Art. 3 e) hingewiesen worden. Dort heißt es:
    Die Organe der Gemeinschaft haben ... auf eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter hinzuwirken.
    Das liest sich recht schön. Wenn man aber die einzelnen Bestimmungen des Vertrags, die sich mit sozialpolitischen Fragen befassen, genauer ansieht, dann spürt man, daß gerade das konzediert und festgelegt worden ist, was von der öffentlichen Meinung in allen fortschrittlichen Ländern als eine selbstverständliche Mindestleistung seit langem anerkannt ist. Man kann hier nicht so tun, als ob mit der Abfassung der sozialpolitischen Bestimmungen im Schumanplan so etwas wie eine neue Ära eingeleitet worden sei. Hier. ist gerade eine Mindestforderung angesprochen worden, deren Erfüllung nahezu nirgends eine unmittelbare Verbesserung für die betreffenden Arbeitergruppen bedeutet.
    Zunächst möchte ich auch noch ein wenig auf das eingehen, was Herr Kollege Albers eben gesagt hat, wobei er meiner Auffassung nach doch ein wenig zu optimistisch davon sprach, welchen Anteil die Arbeitnehmervertretung in den SchumanplanOrganen und bei deren Beschlüssen haben würde. Der hauptsächlichste Ausschuß, der hier in Frage kommt — das dürfte der Beratende Ausschuß sein —, entspricht seiner Zusammensetzung nach längst nicht dem, was wir z. B. als .die Erfüllung der Forderung auf Mitbestimmung betrachten würden. Darüber hinaus ist es klar: Die Vollmachten, die diesem Organ zugestanden worden sind, beginnen und enden doch praktisch damit, daß die Hohe Behörde das Recht und manchmal auch die Pflicht hat, diesen Ausschuß anzuhören. Ich möchte sagen, diese Art, eine Mitbestimmung zu vertreten, ist vielleicht dort noch gerechtfertigt, wo es keine starke, selbstbewußte Arbeiterbewegung gibt, die wirklich auf die Zustimmung der Massen zählen kann.
    Eines möchte ich herausstellen: Wir haben in Deutschland nach 1945 eine Arbeiterbewegung entstehen sehen, die ihre Aspirationen und ihre Ansprüche ein wenig höher spannt als das, was hier zugestanden worden ist.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Darum möchte ich gleich anschließend etwas weitergehen und sagen: Was bedeutet es, wenn man davon spricht, daß in der Hohen Behörde auch die Gewerkschaften vertreten sein werden? Das bedeutet, man hat sich darauf geeinigt, beim Beginn der Tätigkeit der Hohen Behörde eine Gewerkschaftspersönlichkeit mit hereinzunehmen, ohne daß irgendwelche Garantien dafür vorhanden sind, daß das auch eine Dauerlösung sei oder .daß das eventuell ausgeweitet würde. Bitte, meine Damen und Herren, wir müssen uns an die Tatsachen halten. Wir haben den Verdacht, daß man hier manchmal dann etwas konzediert, wenn man sich über die wirkliche Machtverteilung von vornherein klar ist.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Die Hohe Behörde hat nun verschiedene Aufgaben zugewiesen bekommen. Wir sehen dabei u. a. auch eine gewisse Vollmacht, sozialpolitische Maßnahmen mehr oder weniger unmittelbar einzuleiten. Dabei ist es nun so: niemand hätte von vornherein den Gedanken haben können, daß z. B. ein unmittelbares Recht auf Lohnsenkung hätte zugestanden werden können. Das ist auch nicht geschehen. Im Gegenteil, man hat der Hohen Behörde die Vollmacht gegeben, darauf hinzuwirken, daß Dumping-Löhne unterdrückt und überwunden werden können. Wir glauben, daß das eine der Selbstverständlichkeiten ist, von denen ich ge-


    (Birkelbach)

    sprochen habe. Ich möchte sagen, wenn es bei dieser Art von Mindestbestimmungen, von Minimalgrenzen nach unten geblieben wäre, dann wäre wenig zu dem zu bemerken, was hier sonst an Sozialpolitik in Frage steht. Es ist aber doch so, daß z. B. im Art. 68 unter Hinweis auf den Zusammenhang mit dem Art. 67 des Vertrags Möglichkeiten eröffnet sind, die wir als alles andere denn als günstig für die Arbeitnehmer bezeichnen können.
    Wenn auch heute in dieser Debatte und gestern in der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers dargelegt worden ist, daß die Hohe Behörde kein unmittelbares Recht habe, Anweisungen z. B. auf dem Gebiet der Sozialversicherung zu geben, so müssen wir doch festhalten, daß die Bestimmungen, die sich im Art. 68 finden, immerhin eine Einwirkung auf die Bewegungsfreiheit, auf die Freiheit der Gesetzgeber überhaupt und auch auf die Freiheit der Lohnpolitik seitens der Tarifvertragspartner bedeuten. Es heißt in Art. 68 unter Ziffer 5:
    Falls in einem der Mitgliedstaaten eine Änderung der Vorschriften über die Finanzierung der Sozialversicherung oder der Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und ihrer Wirkungen oder eine Änderung der Löhne die in Artikel 67 Paragraphen 2 und 3 genannten Wirkungen hat, kann die Hohe Behörde die Vorschriften jedes Artikels anwenden.
    Die Vorschriften des Art. 67 geben der Hohen Behörde die Vollmacht, dann, wenn gewisse Maßnahmen schädliche Auswirkungen auf die Kohle-und Stahlindustrie innerhalb oder außerhalb der Hoheitsgebiete haben, eine Empfehlung an die betreffende Regierung zu richten, Ausgleichsmaßnahmen zu verfugen. Was bedeutet das? Das bedeutet doch, daß man in den betreffenden Ländern bei der Neugestaltung der Sozialversicherung z. B. oder bei Lohnverhandlungen davon Kenntnis hat, daß spätere Möglichkeiten bestehen, wonach die Regierung etwas unternehmen muß. Das bedeutet doch: Bereits im vorbereitenden Stadium, im Stadium der Verhandlungen, der Ausschußberatungen und wie Sie es sonst nennen wollen, wird diese Möglichkeit im Auge behalten, so daß das doch die Freiheit des Gesetzgebers beeinträchtigt. Weil das so ist, glaube ich, kann man nicht ohne weiteres davon sprechen, daß die Bedenken, die im Bundesrat in bezug auf die Beeinträchtigung, die Behinderung einer Sozialversicherungsreform oder auch die Behinderung der Tarifvertragsfreiheit aufgetaucht sind, durch den Text dieses Vertrags widerlegt sind.

    (Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz.)

    Ich weiß, daß Sie bei all dem vielleicht noch darauf hinweisen, daß ja der Herr Bundeskanzler einen doppelten Grund angeführt hat, warum anscheinend für Deutschland die Frage der Maximalbegrenzung von möglichen Sozialleistungen nicht eine große Rolle spielen würde. Er hat gesagt, unsere geologischen Verhältnisse und die Tatsache, daß wir im Vergleich mit anderen Ländern nicht an der Spitze liegen, bedingten, daß wir noch ein ziemliches Feld vor uns hätten. Eben weil wir in Deutschland der-Auffassung sind, daß die Arbeiterbewegung und nicht zuletzt auch die Sozialdemokratische Partei eine Zukunft haben, und weil wir wissen, daß die Sozialleistungen in Deutschland längst nicht dem entsprechen, was bei einer entsprechenden Wirtschafts und Finanzpolitik möglich gemacht werden könnte, deswegen glauben wir, daß wir uns nicht für 50 Jahre hier sozusagen eine Obergrenze in unserem eigenen Haus ziehen lassen sollten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Das ist ein Punkt, der einer näheren Betrachtung durchaus wert ist; es gibt aber sicherlich noch eine Reihe von anderen Punkten. Dabei spielt das eine Rolle, was wir bereits über die Möglichkeiten dargelegt bekommen haben, daß 'die Hohe Behörde z. B. Beihilfen dann gewähren kann, wenn infolge von Standortverlagerungen Erwerbslosigkeit, Betriebsstillegungen oder Betriebseinschränkungen in Frage kommen. Wir sind der Auffassung, daß gerade infolge der verschlechterten Startbedingungen für Deutschland und infolge anderer Dinge, die wir heute angesprochen haben, durchaus die Gefahr gegeben ist, daß derartige Standortverlagerungen in einem gewissen Umfange eintreten. Wir meinen, daß das, was im Schumanplan selbst als Unterstützung für die Arbeitnehmer festgelegt ist, längst nicht dem entspricht, was man gerechterweise verlangen könnte. Die Beihilfen, die z. B. gewährt werden, um eine Wiedereinstellung abzuwarten, eine Beihilfe zu den Umschulungskosten, zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes usw. — Beihilfen, die übrigens nur unter der Voraussetzung gewährt werden, daß ein gleich hoher Betrag von den Regierungen zur Verfügung gestellt wird —, diese Beihilfen sind nicht genügend, um das zusätzliche Risiko abzudecken, das die Arbeitnehmer in Wirklichkeit hier eingehen. Ich möchte Ihnen ein Beispiel dafür geben. Wenn jemand heute in irgendeinem Betrieb z. B. der Stahlindustrie beschäftigt ist und das Alter von 50 oder 55 Jahren erreicht hat, rechnet er mit ziemlicher Sicherheit damit, daß er zu der kärglichen Sozialversicherungsrente 'zusätzlich noch eine Werkspension bekommt. Viele von diesen Menschen würden es überhaupt als unerträglich ansehen müssen, wenn ihnen dieser vermeintliche Anspruch, der zum Teil nicht einmal rechtlich gesichert ist, sondern sich aus der Gewohnheit und aus der langjährigen Übung ergibt, irgendwie entzogen werden oder entgehen könnte. Bieten Sie einem Arbeitnehmer in diesem Alter eine besser bezahlte Stellung an, eine Stellung, in der er vielleicht sogar weniger körperlichen Anstrengungen unterliegt, so werden Sie die Erfahrung machen, daß er es trotz besserer Stundenbezahlung ablehnt, in einen anderen Betrieb zu gehen, weil er auf diese Art Versorgung nicht verzichten will.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    In bezug auf diese Dinge finden Sie hier im Schumanpian nichts. Wir möchten Ihnen sagen, bei allen Verhandlungen und bei allen Betrachtungen wäre es notwendig, gerade dem Problem des Berufswechsels oder des Arbeitsplatzwechsels der älteren Arbeitnehmer besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Wir werden uns mit diesem Problem hier noch zu beschäftigen haben.
    Dabei möchte ich gleich zu einem anderen Punkt übergehen, der in der Debatte auch erwähnt worden ist und hinsichtlich dessen meiner Auffassung nach von den Möglichkeiten z. B. der Freizügigkeit über die Grenzen ein etwas zu optimistischés Bild gezeichnet worden ist. In Art. 69 heißt es:
    Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, jede auf
    die Staatsangehörigkeit gegründete Beschränkung hinsichtlich der Beschäftigung anerkann-


    (Birkelbach)

    ter Kohle- und Stahlfacharbeiter, die Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind, in der Kohle- und Stahlindustrie zu beseitigen.
    Das bedeutet, daß sie in der Kohle- und Stahlindustrie unter diesen Voraussetzungen Beschäftigung finden können. Wie ist es aber, wenn nach einer gewissen Zeit infolge gewisser wirtschaftlicher Umstände eine Erwerbslosigkeit in dem betreffenden Land zu verzeichnen ist und diese Menschen dort aus den neuen Stellungen ausscheiden müssen, nicht weil sie diskriminiert werden, sondern weil auch Franzosen dabei arbeitslos werden, oder sagen wir: Belgier oder Luxemburger, je nachdem, um welches Land es sich handelt? Unter diesen Bedingungen ist längst nicht gesichert, daß z. B. den eingewanderten Kohle- und Stahlfacharbeitern das gleiche Recht wie den einheimischen Arbeitskräften zusteht, in einem andern Wirtschaftszweig Arbeit zu finden oder eine Beschäftigung anzunehmen.

    (Zuruf von der CDU: Das liegt auf einem ganz andern Gebiet!)

    Wir sind der Auffassung, daß nach der Auslegung des Vertrages, so wie er uns hier im Text vorliegt, diese Art von Interessen der Arbeitnehmer nicht geschützt ist, und wir möchten der Regierung die Aufforderung unterbreiten, gerade diesem Punkt besondere Aufmerksamkeit zu widmen und zu entsprechenden Vereinbarungen zu kommen, weil wir aus der Vergangenheit hier eine gewisse Erfahrung haben, die besonders im Falle Frankreichs allzu ungünstig ist. Wir haben feststellen müssen, daß gerade dort, wo in der Kohlenindustrie z. B. immer ein gewisser Bedarf für Fremdarbeiter vorhanden War, diese Fremdarbeiter gleichzeitig so etwas wie einen Krisenpuffer darstellten. Das heißt, daß sie, wenn ein Rückgang der Beschäftigtenziffer unvermeidlich war, zunächst einmal mit bei denen waren, die ihre Beschäftigung verloren. Darüber hinaus war es aber mehr oder weniger geübte Praxis, dafür zu sorgen, daß diese Arbeitskräfte sich in absehbarer Zeit wieder dahin orientieren konnten, woher sie gekommen waren. Wir möchten diese Art von Risiko ausschalten. Das geschieht nicht dadurch, daß man auf die gleichen Rechte z. B. in der Sozialversicherung verweist. Wir möchten vielmehr hier eine echte vertragliche Regelung haben, damit die Risiken, die derartige Arbeitskräfte eingehen, auch wirklich abgedeckt sind.
    Ich möchte noch eine weitere Bemerkung machen, die von dem Grundgedanken ausgeht, daß man die Gesamtentwicklung und auch die Ansprüche, die die Arbeitnehmer stellen können, nur dann vernünftig beurteilen kann, wenn man einen wirklichen Einblick in die Zusammenhänge hat und wenn man die Möglichkeit hat, sich an Hand von konkreten Zahlen zu orientieren. Nun hat die Hohe Behörde entsprechend den Artikeln 46 und 47 des Vertrages durchaus die Möglichkeit, sich entsprechende Aufklärungen zu verschaffen, j a, sie hat sogar die Möglichkeit, eigene Nachprüfungen durchzuführen. Warum hat man nun die Möglichkeit, zum ersten Mal zu international überprüften tatsächlichen Ergebnissen zu kommen, nicht so ausgewertet, daß wirklich die Öffentlichkeit — und hierbei die Arbeitnehmer besonders — den vollen Einblick bekommt? In bezug auf die Publizitätsvorschriften finden wir dabei eine deutliche Unterscheidung. So heißt es z. B. gerade in diesem Art. 46, daß die Hohe Behörde das Recht hat, alle Untersuchungen vorzunehmen und dabei dann auch zu einer Aufstellung von Programmen zu kommen.
    Dabei wird gesagt: Die Hohe Behörde veröffentlicht nach Vorlage beim Beratenden Ausschuß die allgemeinen Ziele und die Programme. — -Anschließend heißt es dann: Die Hohe Behörde kann die oben erwähnten Untersuchungen und Auskünfte veröffentlichen. Diese Auskünfte beziehen sich auf die „Beurteilung der Verbesserungsmöglichkeiten für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterschaft in den zu ihrem Aufgabenkreis gehörenden Industrien und zur Beurteilung der Gefahren . .diese Lebensbedingungen bedrohen." Mit andern Worten, was wir hier fordern müßten, ist ein echter Anspruch auf die Veröffentlichung dieser Unterlagen, wodurch die Möglichkeit eröffnet wird, endlich zu Grundlagen für eine echte übernationale Sozialpolitik, wenn Sie wollen, zu kommen. Ich glaube, daß gerade in dieser Hinsicht der Plan entscheidende Dinge unterlassen hat, daß es gerade dort Möglichkeiten gegeben hätte, nun wirklich aufzuzeigen, ob man eine fortschrittliche Politik betreibt.
    Ich möchte zusammenfassend sagen: bei einer genaueren Betrachtung der sozialpolitischen Bestimmungen muß man leider feststellen, daß der Schutz der Arbeitnehmerinteressen im Bereich der Lohn-und Sozialpolitik nur ein sehr unvollkommener ist.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Harig.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Paul Harig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Rahmen der Debatte über den Schumanplan möchte ich mich in der Hauptsache dem Kapitel VIII, den Artikeln 68 und 69, widmen. Dieses Kapitel ist überschrieben: „Löhne und Freizügigkeit der Arbeitnehmer". Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich sage: vorn Standpunkt der Arbeitnehmerschaft ist schon diese Überschrift ein einziger großer Betrug. Es geht gar nicht um die Löhne und es geht auch nicht um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer! Sagen wir es doch ganz offen: den Herren des Schumanplans geht es um die Profite, und es geht ihnen darum, die sich immer mehr wehrende Arbeiterschaft zu versklaven.
    Es ist einmal notwendig, daß im Rahmen der Unterhaltung über den Schumanplan aufgezeigt wird, welch eine Rolle der Arbeitnehmerschaft in diesem Plan zugedacht ist. Ich erkläre hier: solange für Kriegsvorbereitungen gearbeitet wird, solange gerüstet wird, gibt es keine Besserung der Lebenslage und keine Freizügigkeit der Arbeitnehmer, wenn die Monopolisten ihre Politik durchführen können. Es darf auch keiner sich der Illusion hingeben, es könnten dabei eventuell höhere Löhne herauskommen, mit einer Ausnahme: die Arbeitnehmer erkämpfen sie sich, wie sie es bisher auch tun mußten. In Wahrheit soll eine ungeahnte und ungeheuere Rationalisierung auf Kosten der Arbeitnehmer durchgeführt werden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß es Menschen gibt, die den Arbeitnehmern begreiflich machen wollen, durch die Steigerung der Produktivität sei eine Erhöhung des Lebensstandards möglich. Meine Damen und Herren, was soll denn durch die „Steigerung der Produktivität" produziert werden? Es sollen doch Kanonen, Panzer und Flugzeuge hergestellt werden, und bekanntlich kann man damit den Lebensstandard der Arbeitnehmer nicht bessern.

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Die Leistungen der Arbeitnehmer liegen schon jetzt
    über dem Vorkriegsniveau, die Reallöhne aber sin-
    ken laufend. Wenn es die Herren des Schumanplans


    (Harig)

    0 mit der Verbesserung der Lebenslage der Arbeitnehmer ehrlich meinten, — nun, die deutschen Monopolisten hätten gewiß Gelegenheit gefunden, die Lebenslage ihrer Arbeiter zu verbessern, indem sie Lohnforderungen stattgegeben hätten, die bei den Aktienkursen, bei den ungeheueren Gewinnen doch möglich gewesen wären.
    Aber das Gegenteil war doch der Fall. Um Pfennige haben die Arbeitnehmer kämpfen müssen. Es sind eine ganze Reihe von Arbeitsniederlegungen erfolgt, bloß um Pfennigsätze! Solange auf Kosten der Friedensindustrie Stahl für Kanonen hergestellt wird, solange für kostspielige Kriegspläne, wie auch der Schumanplan einer ist, die Leistungen gesteigert werden, so lange bessert sich das Schicksal der Massen nicht.
    Der § 3 des Art. 68 behandelt eine Frage, die ich die Frage der „Lohnsenkungen" betiteln möchte. Wenn auch der Kollege Albers diesem Artikel, dem Art. 68, einige Vorzüge unterstellt, so gestatte ich mir, da anderer Meinung zu sein. Es heißt nämlich in diesem Art. 68:
    Diese Vorschrift findet keine Anwendung
    a) auf die von einem Mitgliedstaat zur Wiederherstellung seines außenwirtschaftlichen Gleichgewichts getroffenen Gesamtmaßnahmen.....,
    d. h. also, die Länder, die ihre außenwirtschaftlichen Zahlungsbilanzen in Ordnung bringen wollen — und dazu gehören die Bundesrepublik und auch andere Länder —, können die Löhne senken, und auf sie finden die Maßnahmen des Art. 68 im Anfang keine Anwendung. Wenn dann unter c) gesagt wird, diese Vorschrift findet keine Anwendung „auf Lohnsenkungen, die durch eine Senkung der Lebenshaltungskosten hervorgerufen werden", na, so gestatten Sie mir, daß ich da Mißtrauen hege, denn es wird statistisch jeweils nachgewiesen werden, daß die Lebenshaltungskosten gesunken sind. Ich weiß aus der Praxis, daß man mit Statistiken alles begründen kann. Gerade in der Vergangenheit haben wir des öfteren erfahren, daß man bei steigenden Preisen statistisch eine sinkende Tendenz der Lebenshaltungskosten nachgewiesen hat. Und wenn dann unter dem Buchstaben d) davon die Rede ist, daß die Vorschrift keine Anwendung findet „auf Lohnsenkungen, die ungewöhnliche Erhöhungen berichtigen, welche sich auf Grund außergewöhnlicher, inzwischen wirkungslos gewordener Umstände früher ergeben haben", so liegt es auch nur im Ermessen der Hohen Behörde, dies festzustellen.
    Abs. 4 des Art. 68 sagt dann:
    Abgesehen von den unter a) und b) im vorstehenden Paragraphen erwähnten Fällen ist jede Lohnsenkung, von der die Gesamtheit oder ein beträchtlicher Teil der Arbeiterschaft eines Unternehmens betroffen wird, der Hohen Behörde zur Kenntnis zu bringen.
    Was das heißt: „zur Kenntnis zu bringen", das braucht man hier wohl nicht zu erläutern. Ich glaube, „zur Kenntnis zu bringen" ist das Billigste, was man sagen konnte, genau so billig, wie es heißt, daß den einzelnen Unternehmungen Empfehlungen übermittelt werden. Empfehlungen sind billig und verpflichten zu gar nichts. Damit will man der Arbeitnehmerschaft doch nur Sand in die Augen streuen. Es ist doch gerade das Wesen der Monopole, günstige Bedingungen zur Vermehrung ihrer Profite durch Niedrighaltung der Löhne zu schaffen.

    (Sehr richtig! links.)

    Aber nicht nur niedrige Löhne sind die Folger des Schumanplans, sondern auch große Arbeitslosigkeit wird eine Folge dieser nun einzuleitenden Maßnahmen des Schumanplans sein. Haber wir bei uns in der Bundesrepublik nicht schor genug Notstandsgebiete? Es jammert einen da$ Elend an, wenn man durch dis Gebiete hindurch fährt,

    (Zuruf rechts: Im Osten!)

    hauptsächlich an dem sogenannten Eisernen Vor-
    hang vorbei, ob ich da in Wilhelmshaven anfange
    und über die Arbeitslosigkeit in Hamburg nach dem
    Gebiet Watenstedt-Salzgitter gehe oder in den
    Bayerischen Wald komme. Überall grinst einen das
    Elend in dieser Bundesrepublik an. Das muß man
    sehen.
    Dieses Elend wird durch die Vorhaben des Schumanplans betreffend Stillegung sogenannter unrentabler Betriebe vermehrt. An dieser Tatsache als Interessenvertreter der Arbeitnehmer vorbeizusehen, wäre eine Sünde. Die Arbeitslosigkeit wird durch die Durchführung des Schumanplans ungeheuer gesteigert. Aber damit verfolgt man ja auch ein Ziel. Es ist heute schon des öfteren darüber gesprochen worden, und ich will im einzelnen nicht mehr darauf eingehen, aber ich will Ihnen sagen, daß man die arbeitenden Massen für das reif-machen will, was ihnen blüht. Man will sie für den Zwangsexport reifmachen, für den modernen Sklavenhandel, der im Schumanplan vorgesehen ist.
    So heißt es z. B. im Art. 69 Abs. 1: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, jede auf die Staatsangehörigkeit gegründete Beschränkung" sofort zu beseitigen, und in Abs. 2 „ . . . und die technischen Möglichkeiten erforschen, durch die innerhalb der Gemeinschaft Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt miteinander in Verbindung gebracht werden können". Das wird also im Art. 69 dieses Schumanplan-Vertrags gesagt.
    Nun habe ich so etwas nachgeblättert — es wurde zwar gesagt, es sei zuviel zitiert worden weil wir immer Zitate aus Ihren Reihen gebrauchen, um das, was wir vortragen, glaubhaft zu machen. Ich habe da die Zeitschrift „Europa-Archiv" gefunden, die zu dieser Frage folgendes sagt: „Die Wiederaufrüstung Westeuropas und seine Wirtschaftseinheit" ist die Überschrift. Dann gibt es. eine Unterüberschrift: „Freizügigkeit der Arbeitskräfte". Ich weiß nur nicht, was das Nachfolgende mit Freizügigkeit der Arbeitskräfte zu tun hat. Es heißt da nämlich:
    Die europäische Wiederaufrüstung muß ebenso wie die gesamte Wirtschaft vom Grundsatz der größten Leistungsfähigkeit geleitet werden.
    Dann:
    Abweichungen von diesem Grundprinzip leiten sich aus der Notwendigkeit ab, bei der Rüstungsindustrie eine Streuung der Standorte einzuführen, um der Gefahr einer allgemeinen Lähmung durch einen örtlichen Ausfall vorzubeugen.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Daraus schließt dann diese Zeitschrift:
    Die durch politische Zugehörigkeit mit gewissen europäischen Staaten verbundenen Überseegebiete können militärische Einrichtungen und Rüstungsindustrien besonders leistungsfähig und sicher aufnehmen.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)



    (Harig)

    I Sie knüpft daran die Forderung auf Schaffung einer intereuropäischen Stelle für Arbeitslenkung und meint dazu:
    Schließlich könnten bestimmte Summen dem Wohnungsbau zugeführt werden, um die Ansiedlung von Arbeitskräften da zu erleichtern, wo Industrien an Orten errichtet werden, die keine ausreichenden Unterbringungsmöglichkeiten bieten.
    Ich will nicht allzulange bei diesem Thema verbleiben, will Ihnen aber sagen, was damit gemeint ist: Es gibt Mitgliedstaaten, die Kolonien haben; aus strategischen Gründen ist es gut, wenn wir bestimmte Industriezweige in diese Kolonien verlagern, und wenn dort keine Wohnungen sind, bauen wir Baracken; und wenn dort keine Leute sind —, na, wir haben ja eine intereuropäische Stelle für Arbeitslenkung und bereiten den Boden durch die Not der Arbeitslosigkeit vor und exportieren dann diese Arbeiter, die bei uns frei und über werden, in diese Kolonien.

    (Abg. Müller [Frankfurt]: Hört! Hört!) Sehen Sie, auch das kann man daraus lesen, und sehr wahrscheinlich trifft es den Nagel auf den Kopf. Barackensiedlungen in den französischen und belgischen Kolonien. Und über die Notwendigkeit solcher Maßnahmen entscheiden nicht etwa die Deutschen selber, sondern darüber entscheidet die Hohe Behörde.

    Wenn sich Herr Professor Dr. Hallstein hier hinstellt und erklärt: „wir wollen Wanderungsbestrebungen", dann denkt er sehr wahrscheinlich zuerst an die sogenannten Umsiedler oder an die sogenannten Flüchtlinge. Die Regierung hat den ganz großen Wunsch und ist immer bestrebt, diese Leute loszuwerden. Watenstedt-Salzgitter kann sich gratulieren. Ich kann nicht verstehen, wie auch Herr Dr. Schröder erklärt, es werde vielleicht noch eine Weile dauern, bis Watenstedt-Salzgitter wieder vollbeschäftigt werde. Gewiß wird es noch eine Weile dauern; aber Sie drückten in Ihren Ausführungen, Herr Schröder, die Hoffnung aus, daß dieser Zeitpunkt sehr bald kommt. Ich kann dazu nur sagen: das ist sehr naiv gedacht; denn der Sicherheitsausschuß in Koblenz — das ist ja heute schon einmal zum Ausdruck gebracht worden — hat ja auch eine Ahnung vom Schumanplan gehabt, als er das Verbot der Errichtung eines Stahl- und Walzwerks in Watenstedt-Salzgitter ausgesprochen hat.
    Es wird aber nicht nur der Bevölkerung in Watenstedt-Salzgitter so gehen, sondern auch der anderer Gebiete. Es ist heute schon in den Ausführungen sehr oft zum Ausdruck gekommen, daß wir eine ganze Reihe solcher Gebiete haben. Ich erinnere da an die Bergbaugebiete in Bayern, an die gesamte Wirtschaft in Niederbayern, in dem Land, das gerade als Aufmarschgebiet angesprochen werden kann.
    Vielleicht will man aber auch die deutschen Arbeiter, die durch diese Stillegungen über werden, hinter die Pyrenäen nach Spanien, nach dem faschistischen Spanien verfrachten. Vielleicht! Denn wie lange wird es dauern, und Spanien wird auch Mitglied dieser Schumanplan-Verwaltung sein! Das muß man doch sehen.
    Warum gibt es überhaupt einen Art. 23 in den Übergangsbestimmungen? Warum spricht man überhaupt von Stillegungen? Weil Stillegungen größeren Ausmaßes schon vorgesehen sind und weil mit den Stillegungen größeren Ausmaßes auch die Zwangsexporte von Arbeitern, von anständigen deutschen Arbeitern in Verbindung stehen. Deshalb sträubt sich in uns alles gegen diesen Schumanplan.
    Aber ich will Ihnen noch etwas sagen, meine Herrschaften. Es hat von einigen Wochen einen großen Streik gegeben,

    (Zuruf von der FDP: Da seid ihr ja Spezialisten, dafür!)

    und zwar den Streik der hessischen Metallarbeiter. Anläßlich dieser Streikbewegung hat einer der Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Metall einmal die Frage aufgeworfen: Wie sieht's aus, wenn wir die jugendlichen Facharbeiter auswandern lassen?! Er wollte damit einen Druck gegen die sture Haltung der hessischen Unternehmer ausüben. Mir kommt da der Gedanke, ob nicht diese Drohung, die damals von Ihnen sehr brüsk zurückgewiesen worden ist, schon gewisse Verbindung hatte mit den Maßnahmen, die laut Schumanplan noch zu erwarten sind.

    (Abg. Müller [Frankfurt]: Sehr gut!)

    In Verbindung damit kann noch etwas gesagt werden. Wir haben einen Großteil der Bevölkerung, der der Regierung und, wie man wohl sagen kann, uns allen große Sorge macht; das sind die Umsiedler. Die Umsiedler, arm wie eine Kirchenmaus, ohne Heimat, werden im Bundesgebiet und sonstwo eingesetzt werden. Dann werden sie, durch die Not bedingt, zum Lohndrücker gegenüber der Arbeiterschaft, die bodenständig ist, gebraucht. Das muß man alles in Betracht ziehen.
    Nun erklärt aber der Beirat des DGB, daß keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Schumanplan bestehen. Der Vorsitzende des DGB, Herr Fette, sagt sogar, daß er persönlich dafür sei. Ich erwähne das hier, weil ich der Meinung bin, daß es heute hier in diesem Hause eine SchumanplanDebatte nicht gäbe, wenn man sich nicht vorher die Zustimmung des DGB-Vorstandes gesichert hätte; -

    (Abg. Renner: Sehr gut! Sehr richtig!)

    denn ohne die Zustimmung des DGB-Vorstandes, gegen den Willen der im DGB vereinigten 61/2 Millionen organisierten Arbeiter, könnte ein Schuman-plan niemals Wirklichkeit werden.
    Aus diesem Grunde bin ich gezwungen, auch den DGB hier in etwa anzugreifen. Diese Stellungnahme des DGB widerspricht der deutschen gewerkschaftlichen Tradition, sie widerspricht den Aufgaben der deutschen Gewerkschaften, den Aufgaben der internationalen Gewerkschaften, und sie widerspricht dem Willen der 61/2 Millionen Mitglieder hier in der Bundesrepublik. Solange die Gewerkschaften kleinen und mittleren Unternehmern gegenüberstanden, so lange war es möglich, bessere Lohn- und Gehaltsbedingungen und bessere Arbeitsbedingungen zu erzielen. Aber Monopolgebilde sind brutale Widerparte der Gewerkschaften; das dürfte allen Gewerkschaftlern klar sein.
    Ich will nur ganz leise daran erinnern, daß sich in der Vergangenheit gerade die Monopole und die Konzerne der Pinkerton-Garden erkauften die Streikbrecherkolonnen finanzierten und organisierten, die Aussperrungen durchführten, um den Forderungen der Gewerkschaften zu begegnen. Daran darf man wohl erinnern. Aber ich frage: seit wann ist es denn Aufgabe der Gewerkschaften, sich für die Monopolbildung der Imperialisten zu interessieren?

    (Sehr gut! bei der KPD.)



    (Harig)

    1 Seit wann ist es Aufgabe der Gewerkschaften, solche Monopolgebilde von nie gekanntem Ausmaß zu unterstützen? Das widerspricht doch jedem gewerkschaftlichen Denken!

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Die Montan-Union ist doch ein Mammutgebilde, wie es in der Welt nie eines gegeben hat. Diese Montan-Union hat im Gegensatz zu früher, wo man die Regierungen nur indirekt beéinflußte, direkte Rechte, die früher nur der Staat in der Hand hatte. Und da kommt dann der DGB-Vorstand und erklärt: Grundsätzlich haben wir nichts gegen ein solches Gebilde einzuwenden. Ich weiß nicht, — da kommt eben kein anständiger Gewerkschaftler mehr mit!

    (Sehr gut! bei der KPD.)

    Aber ich will Ihnen etwas sagen: das ist noch nicht der Weisheit letzter Schluß! Im Gegenteil, man ist dabei, einen sogenannten Produktivitätsausschuß zu bilden.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Dieser Produktivitätsausschuß soll dann dafür sorgen, daß die Leistung der Arbeiter, die Produktivität, ohne große Investierungssummen ungeheuer entwickelt wird, und er soll dann später umgebildet werden in den Rüstungsausschuß oder in den Rüstungsrat — seligen Angedenkens von Hitler.
    Der DGB bringt in seinem Presse- und Informationsdienst vom 7. Januar ein Dementi, das gar kein Dementi ist. Es wird in diesem sogenannten Dementi gesagt:
    Die Mitteilung des Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes, daß den Gewerkschaften das vom Vizekanzler Blücher am 4. Januar 1952 in Bad Godesberg verkündete neue Programm zur Produktionssteigerung und zur Bildung eines Produktionsrates bisher nicht bekannt gewesen sei, ist am 6. Januar 1952 vom ERP-Ministerium zurückgewiesen worden.
    Und auf der anderen Seite sagen sie dann — wohlverstanden: der DGB-Vorstand —:
    Die Gewerkschaftsvertreter erklärten sich am 11. Oktober 1951 Mr. Harris gegenüber grundsätzlich zur Mitarbeit an Maßnahmen bereit, die geeignet sind, die Produktivität zu steigern.

    (Abg. Renner: Hört! Hört!)

    Aus dieser Haltung, die der DGB eingenommen hat, ist dann auch dieser Artikel in der letzten Nummer des „Spiegels" entstanden. In diesem Artikel wird gesagt — ich zitiere, wenn's auch manchmal jemandem nicht gefällt —:
    Die Verpflichtung von Christian Fettes Gewerkschaftsbund und der Industrie auf das Programm der MSA hat Harris, selbst CIO-Gewerkschaftler, als erste der neuen Aufgaben in Angriff genommen. Da die MSA-Gelder hauptsächlich der direkten Rüstungsfinanzierung dienen werden, drängte er außerdem in Bonn auf die Verwirklichung eines Programmpunktes, der zunächst mit den Restbeträgen des Marshallplanes verwirklicht werden soll.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Letzte Woche bereiteten im Beisein von Harris in der Godesberger „Redoute" die Chefs der Bonner Fachministerien zusammen mit 30 westdeutschen Industriellen die Gründung
    eines sogenannten „Produktivitätsausschusses"
    vor, in dem auch der DGB mitarbeiten soll.

    (Hört! Hört! bei der KPD.)

    Gestatten Sie mir, zum Abschluß noch zu zitieren:
    Die Delegation der deutschen Industriellen unter Führung von Vizepräsident Wilhelm Menne . . . gab Harris zu dem neuen Programm ihre Zustimmung. Der Deutsche Gewerkschaftsbund dagegen dementierte Meldungen, nach denen er sich schon in einer früheren Besprechung grundsätzlich mit den neuen Zielen einverstanden erklärt haben sollte.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus diesen Feststellungen ist klar ersichtlich, wohin der Weg des DGB führt. Also an dem Produktivitätsausschuß der Monopolisten wollen sich die Gewerkschaften der Jetztzeit hier im Westen Deutschlands beteiligen. Seit wann ist es Aufgabe der Gewerkschaften gewesen, sich an der Erhöhung der Ausbeutung der Arbeiter zu beteiligen?

    (Zuruf von der SPD: Der Ostzone!)

    Seit wann ist es Aufgabe der Gewerkschaften, sich an Programmen zu beteiligen, die dem erhöhten Profit der Monopolisten dienen?