Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem die Debatte nun einigermaßen fortgeschritten ist und die Argumente nahezu erschöpfend behandelt wurden, kann ich mich erfreulicherweise etwas kürzer als die Vorredner fassen.
Meine Damen und Herren, die Situation Westeuropas, eingespannt zwischen zwei große Blöcke, „Ost" und „West", rechtfertigt zweifelsfrei alle Maßnahmen, j a, fordert alle Maßnahmen zur Stärkung dieses Rest europas. Es ist angesichts eines einheitlichen Willens im Osten, der sich auch auf wirtschaftlichem Gebiet, auf Gebieten der Planung eindeutig auswirkt, dringend notwendig, nun auch hier im Westen die traurige Zerrissenheit der Wirtschaft in Einzelglieder, mit festen nationalstaatlichen Zäunen drum herum, zu beenden und zu einer wirtschaftlichen Einigung zu kommen. Der Gedanke der Montanunion, diesen Zustand trauriger Zerrissenheit Westeuropas zu überwinden, kann daher nur begrüßt werden. Man redet immer von Europa. Wir sind auch der Auffassung, daß ein Zusammenleben auf wirtschaftlichem Gebiet am ehesten die Voraussetzungen dafür schafft, daß man auch auf politischem Gebiet eines Tages an einem gemeinsamen Strick zieht.
Die Struktur des Planes, des Vertragswerks, ist zweifelsfrei kompliziert und schwierig und ist beeinflußt von Rücksichtnahmen nach den verschiedensten Seiten. Sie ist aber, so scheint uns, in ihrer ursprünglichen Anlage durchaus diskutabel, ja vielleicht sogar praktikabel. Die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Marktes — das ist mehrfach hier hervorgehoben worden und das muß man um der Gerechtigkeit willen hier wohl hervorheben — bietet für uns Deutsche auf lange Sicht gesehen mancherlei Vorteile. Die Tendenz der Bundesregierung, nach dem verlorenen Kriege nun mit den Westmächten zu irgendeinem d'accord zu kommen, ist ebenfalls richtig. Aber, meine Damen und Herren, wir bezweifeln, ob es richtig ist, dieses d'accord dadurch zu erreichen, daß man von deutscher Seite aus Vorleistungen trifft, die über das Maß des Notwendigen weit hinausgehen. Wir glauben, es ist eine erhebliche Vorleistung, wenn wir eines unserer Hauptkapitalien, nämlich die deutsche Kohle, in die Hände von Staaten geben, die n u r ein Interesse daran haben, diese deutsche Kohle zu einem möglichst niedrigen Preis in einer möglichst großen Menge unter einer festen Garantie zu erhalten. Wir geben damit eines unserer wesentlichen Machtmittel aus der Hand.
Man wird nun einwenden — es klang hier schon von seiten der Regierung mehrfach an —, so schlimm sei das alles nicht. Entsprechende Bemerkungen wurden auch in der französischen Kammer gemacht, wo man die Angst vor dem deutschen Wirtschaftspotential auch sehr klar zu erkennen gab und davor warnte, sich zu sehr auf uns zu verlassen, und darauf hinwies, daß
wir Deutschen schon Möglichkeiten hätten, wenn wir wollten, auch unter dem Vertrag mit unserer Kohle eines Tages etwas zu machen, was den Franzosen nicht ganz paßt. Wir sehen aber in dem Schumanplan mancherlei Präjudizierung für Dinge, die noch gravierender als der Schumanplan sind und die uns bevorstehen.
Es kann nicht bestritten werden, daß der Schumanplan, verglichen mit der Situation, in der sich Deutschland heute, also unter dem reinen Besatzungsrecht befindet, in sachlicher Beziehung einen Fortschritt bedeutet und uns einige Vorteile bringt. Aber was hatten wir denn bisher? Wir hatten bisher den Zustand der totalen Ausbeutung und Ausplünderung, einen Zustand, der von seiten der Westmächte nicht deswegen abgeändert und modifiziert wird, weil man uns um unserer schönen blauen Augen willen einen Dienst erweisen will, sondern deshalb, weil man genau weiß, daß der Generalissimus im Kreml durch seine bloße Existenz keine andere Entwicklung zuläßt.
— Richtig, Herr von Merkatz, der sollte immer die Vertragsgrundlage sein. Er ist es aber nicht.
Gegen die Argumente, die hier von Sprechern der Sozialdemokratie als in der französischen Kammer gefallen vorgebracht wurden, kann man eine gleich große Anzahl von Argumenten stellen, die genau das Gegenteil besagen. Das ist sicher. Entscheidend ist aber, daß die bisher zitierten Argumente nicht die Meinung irgendwelcher Privatleute, sondern die Meinung hochverantwortlicher französischer Politiker darstellen, die damit zu verstehen gaben, wie sie sich die Anwendung dieses Vertrags in der Zukunft vorstelle n.
Es scheint uns auch so, als ob wir in dem Montanvertrag nicht unserem Gewicht entsprechend vertreten wären. Deutschland produziert heute über 51 % des gesamten europäischen Kohleaufkommens, Deutschland produziert über 30 % des gesamten europäischen Stahlaufkommens.
Und das ist noch zu wenig. Wir kennen unsere wirtschaftliche Situation und die Notwendigkeiten der Produktionsausweitung. Wenn sich verschiedene Geschäftspartner zu einer Union zusammenschließen wollen, zu einer Aktiengesellschaft, dann tun sie es dergestalt, daß sie ,dem Gewicht entsprechend im Aufsichtsrat vertreten sind, das sie
in die gemeinsame Firma einbringen. Hiervon kann aber beim Montanvertrag nicht die Rede sein.
Was den Sektor Kohle anlangt, so fallen wir unter die Räuber, die möglichst gierig möglichst viel aus uns herausholen wollen. Der Abgeordnete André fragte: „Was geschieht, wenn Deutschland im Falle größeren Eigenbedarfs nicht mehr die Kohle liefert, die Frankreich braucht?" Darauf bekam er von Außenminister Schuman eine sehr präzise Antwort. Dieser sagte: „Im Falle der Knappheit wird die Kohle ohne Rücksicht auf die geographische Lage der Gruben aufgeteilt."
Meine Damen und Herren, wir müssen wohl angesichts einer sich noch steigernden Rüstungskonjunktur damit rechnen, daß der momentane Status der Knappheit zumindest so lange aufrechterhalten bleibt, wie wir mit den gröbsten Schwierigkeiten bei uns in Deutschland zu kämpfen haben. Diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die wir bei uns hier haben, wirken sich ja in einer trostlosen Art vor allen Dingen auf sozialpolitischem Gebiet aus.
Des weiteren wird von uns verlangt, daß wir die Defizite anderer bezahlen. Die Endsumme, die Dr. Preusker mit 195 Millionen nannte und die wir zum Ausgleich den belgischen Gruben 'zu bezahlen haben, ist natürlich, verglichen mit unserem Wirtschaftsvolumen, nicht so riesenhaft, daß man furchtbar über sie schreien müßte. Wenn man sich aber in einer Situation wie bei uns befindet und wenn man einmal an die Nöte denkt, die der Finanzminister uns im letzten halben Jahr am laufenden Band, zum Teil mit sehr viel Berechtigung vorgetragen hat, dann frage ich mich doch: Woher wollen wir diese Dinge nehmen?
— Ich habe auch etwas Positives zu sagen, und zwar daß die Franzosen den Plan nicht so propagiert haben würden, wenn sie sich für sich selbst nicht so massive Vorteile davon versprächen, wie dies der Fall ist.
— Ich bin der Auffassung, daß die Sicherung Europas, und um die geht es ja auch 'beim Schumanplan, in erster Linie dadurch erreicht wird, daß man die Verhältnisse dort, wo sie am schlechtesten sind — und das sind sie, wenn wir einmal den Gesamtkomplex betrachten, zweifelsfrei in Deutschland, das sich außerdem noch an der Grenze befindet —, am schnellsten bessert. Wir können aber unsere wirtschaftliche Situation — Vertriebene, Arbeitslosigkeit usw. — nur dann bessern, wenn wir unsere Möglichkeiten aber bis zum TZ völlig ausnutzen. Wir haben keine Möglichkeit, gegenüber einem noch im Nebel befindlichen Europa mit einer großen Geste Dinge zu verschenken, die wir selber dringend brauchen.
Meine Damen und Herren, das Ziel der Franzosen ist, wie in der Kammer sehr klar und sehr eindeutig gesagt worden ist, Frankreich völlig unabhängig zu machen. Frankreich will in großem Umfang deutsche Kohle erhalten, um &ne hektisch, nur künstlich hochgebrachte Stahlindustrie am Laufen zu erhalten, mit dem freundlichen Hintergedanken, die deutsche Stahlindustrie mit Maßnahmen niederzuhalten, die man aus der Besatzungszeit in die Zukunft hinüberzunehmen gedenkt, und das Geschäft zu machen.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie — und auch das ist in der französischen Kammer gesagt worden —: Womit sollen wir z. B. die Schwedenerze bezahlen, wenn wir unsere Kohle auf Grund des Montanpakts total in der Montanunion verteilen müssen?
— „Total" steht nicht drin; aber soviel Kohle produzieren wir im Augenblick noch gar nicht.
— Wir werden dankbar sein, wenn wir sie loswerden?
Meine Damen und Herren, in den nächsten vier, fünf Jahren — —
— In zwei Jahren spätestens? Dafür ist aber Voraussetzung, daß wir keinen Rüstungsboom mehr haben. Diese Hoffnung habe ich leider nicht.
Meine Damen und Herren, nun etwas, was den Geist und auch den Wortlaut des Vertrags anlangt. Die „Times" hat darüber kürzlich eine Betrachtung angestellt, die unseres Erachtens den Nagel auf den Kopf trifft. Die „Times" steht nicht im Verdacht, die Dinge durch die deutsche Brille zu sehen; aber sie bringt leider sehr zutreffende Sätze, wenn sie schreibt, daß die umständliche Struktur, die im Schumanplan und Pleven-Plan beschrieben wird, weniger auf dem Wunsche beruht, sich mit Deutschland zu vereinigen, als auf der natürlichen Furcht Frankreichs vor einem deutschen Wiederaufstieg. Das ist das „Drama des deutschen Wiederaufstiegs", das Herr Kurlbaum hier zitierte. In diesem Satz von der natürlichen Furcht Frankreichs vor einem deutschen Wiederaufstieg könnte man höchstens das Wort „natürlich" ersetzen, indem man sagt, daß diese Furcht zwar angesichts der raten Angriffswalze völlig widersinnig, aber trotzdem .und leider vorhanden ist. Im übrigen kann man diese Stellungnahme als eine der klarsten Definitionen des Europaproblems bezeichnen, die ein englisches Blatt bisher gebracht hat.
Die Sprecher der Regierungskoalition und der Regierung haben sich eifrig Mühe gegeben. Aber die Auswirkungen des Gesetzes Nr. 27, dessen Auslaufen überhaupt nicht abzusehen ist, auch nicht nach der gestrigen Regierungserklärung, die zweifelsfrei mancherlei Fortschritte vor Augen führte, empfinden wir als außerordentlich negativ und den deutschen Interessen schädlich. Diese Entwicklung läuft unter dem Namen „Entflechtung". Sie wurde in Frankreich als ein ganz besonderes Positivum bezeichnet, das man aufrechterhalten wolle und müsse, wenn man die deutsche Wirtschaft unter der gewünschten Kontrolle erhalten wolle. Unter dem Stichwort Entflechtung und Gesetz 27 haben sich in Deutschland vornehmlich Amerikaner betätigt, die es als notwendig bezeichneten, Maßnahmen dagegen zu treffen, daß wirtschaftliche Macht in einem Übermaß in einer Hand vereinigt sei. In dieser Argumentation sind sie — das soll man heute ruhig erwähnen — von seiten der Linken in den letzten Jahren leider manchmal unterstützt worden. Aber was gab es denn überhaupt früher in Deutschland an Kartellen und Konzernen? Es gab doch nur zwei, die diese Namen verdienen, nämlich die Vereinigten Stahlwerke und die IG. Wenn wir einmal die Vereinigten Stahlwerke herausgreifen, so sind sie im Vergleich mit einigen Unternehmungen in Amerika ein Zwerg. Die Vereinigten Stahlwerke produzierten weniger als ein Drittel von dem, was die „United Steel" herstellen. Wir haben den Eindruck, meine Damen und Herren, daß, wenn Amerikaner von der Entflechtung und von der notwendigen Konzernauflösung reden, dies genau dasselbe ist, als wenn Toreros oder Stierkampfarrangeure sich über die Notwendigkeit des Aufbaues des Tierschutzwesens auslassen.
Diese Maßnahmen, die von den Westmächten unter Zuhilfenahme besatzungsrechtlicher Möglichkeiten praktiziert worden sind, sollen nach allem, was wir bisher gehört haben — es ist zumindest die Auffassung Frankreichs — in aller Zukunft aufrechterhalten bleiben. Es ist für uns Deutsche meines Erachtens nicht möglich, an die Sache mit dem Vorbehalt heranzugehen: Laßt die Dinge nur erst mal kommen, wir modeln das nachher wieder alles um, so wie es uns paßt. Ich glaube, dann ist es zu spät.
Und dies alles will man zu einem Zeitpunkt fortsetzen, wo wir in anderen Ländern genau die gegensätzliche Entwicklung haben.
— Ja, ein Beispiel! . In Frankreich hat man jetzt gerade eine ganze Reihe von Werken zusammengelegt.
Man hätte uns Beweise guten Willens,. wenn man sie im Schumanplan sehen will, in reichlicher Menge geben können.
Gehen wir einmal davon aus, daß die Kompetenzen der Hohen Behörde von Deutschland anerkannt und in Zukunft übernommen werden könnten. Warum löst man dann nicht bereits heute all die Dinge auf, die uns so belasten? Warum löst man nicht heute — es genügen dafür drei Unterschriften — die Kontrollkommissionen, die Ruhrbehörde, das Sicherheitsamt und was da sonst ist, einfach auf und sagt: Schön, wir tun dies jetzt, und wenn nach einem Dreivierteljahr der letzte Staat seine Ratifizierungsurkunde hinterlegt hat und die Sache anläuft, dann übernimmt die Hohe Behörde die ihr zugedachten Funktionen. Dann könnten wir guten Willen anerkennen. Es wird aber überall ausdrücklich hervorgehoben, daß alle diese Dinge, die man eingerichtet hat, um uns zu unterdrücken, erst dann beseitigt und „aufgehoben" werden können, wenn die Hohe Behörde in Funktion tritt. Meine Damen und Herren, da können Sie doch wirklich nicht sagen, daß diese Hohe Behörde hinsichtlich ihrer Kontrollfunktionen etwas so völlig anderes sei als die Institutionen, die im Augenblick am Werke sind und sich gegen uns auswirken, wie wir es vor einigen Wochen ja noch erleben konnten. — Sie schütteln -den Kopf über den „guten Willen"? Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Am 18. April vorigen Jahres wurde der Schumanplan in Paris nach wochenlangen schwierigen Verhandlungen paraphiert. Ganze 15 Tage davor — der Inhalt des Schumanplans war ja damals bekannt, und die Auswirkungen des Schumanplans, die Sie heute
so loben, waren ja auch bekannt —, wurde aber das Dreimächteabkommen über die „Industriekontrollen" geschaffen.
In den letzten zwei Jahren — und seit dieser Zeit läuft die ganze Debatte über die stärkere Heranziehung Deutschlands auf allen Gebieten zur Erhaltung des Westens — hat es so unendlich viele Gelegenheiten gegeben, uns zu zeigen, daß man es gut mit uns meint und daß man uns fördern und nicht drücken will, daß wir heute trotz aller gegenteiligen Beteuerungen nicht daran glauben können, daß sich dieses alles nun binnen Wochenfrist geändert hat und daß man nun überall keinen sehnlicheren Wunsch hat, als uns freundlich gegenüberzutreten und uns Möglichkeiten zu erschaffen.
Meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag hat den Schumanplan am 12. Juli dieses Jahres in erster Lesung behandelt. Noch nachdem dies geschehen ist, haben die Alliierten uns durch das Sicherheitsamt Maßnahmen auferlegt, die mit Form, Inhalt und Geist eben dieses Schumanplans überhaupt nicht zu vereinbaren sind.
Es kann mir, niemand erzählen, die Leute, die auf dem Sicherheitsamt in Koblenz sitzen, seien derart weltfremd, daß sie vom Schumanplan und dessen Tendenzen noch nichts gehört hatten, als sie diese Entscheidungen gegen uns trafen.
Ich könnte noch zahlreiche solcher Beispiele anziehen. Ich habe bereits gesagt, daß der Schumanplan gegenüber dem bisherigen Zustand in sachlicher Beziehung einen Fortschritt bedeutet.
Er bringt aber eines nicht, Herr Kollege Müller: Er bringt nicht die Gleichberechtigung Deutschlands, die absolute Voraussetzung ist, wenn man ein Europa zu schaffen gedenkt, das den Anforderungen gewachsen ist, die eines Tages an dieses Europa gestellt werden können.
Des weiteren sehen wir in den Konzessionen, die wir in diesem Schumanplan machen, eine erhebliche Präiudizierung der Dinge, die noch vor uns stehen. Wir geben mit dem Schumanplan eines unserer wesentlichsten wirtschaftlichen Kapitalien aus der Hand. Demnächst sollen wir im Zuge der Beratung des Pleven-Plans dann unser Menschenpotential aus der Hand geben, und zum Schluß sollen wir dann Generalverträgen gegenübergestellt und als Mann des zweiten. Gliedes in den Atlantikpakt hineingesteckt werden. Meine Damen und Herren, auch hierzu haben sich die Franzosen vor einigen Tagen sehr präzise und klar geäußert.
Die Entwicklung, die die Regierungskoalition mit dem Schumanplan offenbar eingeleitet sieht, verläuft logischerweise doch so: Schumanplan, Pleven-Plan, Europa, dieses Europa dann in den Atlantikpakt hinein und Deutschland gleichberechtigter Partner eben dieses Atlantikpaktes. Sie erinnern sich doch hoffentlich an das Geschrei, das in Frankreich erhoben worden ist, als der Staatssekretär Hallstein vor vierzehn Tagen diesen völlig logischen Gedankengang einmal öffentlich aussprach.
Meine Damen und Herren, man möchte uns — und das scheint uns --- —
— Nein, Sie können mich nicht unterbrechen.
Man möchte uns — und das ist vom rein verhandlungstechnischen Standpunkt der a n d e r en aus gesehen, zweifelsfrei richtig — sukzessive unsere großen Pluspunkte einzeln aus der Hand nehmen, um uns dann, nachdem wir diese Dinge aus der Hand gegeben haben, leicht einzukassieren.
— Jetzt werde ich Ihnen sagen, was wir wollen.
— Warum aha?
Meine Damen und Herren, zunächst muß, ich in wenigen Sätzen noch den Antrag begründen, den wir eingebracht haben und der vor Ihnen liegt. Ich habe eingangs gesagt, daß man Form und Inhalt des Vertrags zustimmen könnte, wenn man nicht wüßte, daß die andern ihn andersherum handhaben wollen. Wir schlagen deswegen vor, den Art. I des Vertrags — die Sozialdemokratie bringt einen noch weitergehenden Antrag — —
— In diesem Punkt sind wir uns einig. Es tut in diesem Fall gar nichts zur Sache, wenn zwei politische Richtungen, die sonst wenig miteinander gemein haben, hier nun einmal sachlich einer Meinung sind.
Meine Damen und Herren, wir wollen den Zusatz in Art. I haben, daß der Vertrag von der Bundesregierung nur dann rechtskräftig vollzogen werden kann, wenn die in ihm vorgesehene Geltungsdauer auf höchstens zehn Jahre herabgesetzt wird und wenn — von jedem einzelnen Vertragspartner ein-leitbar — Revisionsverfahren zugelassen sind. Nun sagen Sie, damit lehnen wir also diesen Vertrag ab. — Jawohl! Wenn Deutschland aber diese Revisionsmöglichkeit hätte, läge kein Grund für die Ablehnung des sonstigen Vertragswerkes mehr vor.
Meine Damen und Herren, es ist in den vorhergehenden Stunden dieser langen Debatte das Wort von Europa zahllose Male hier gebraucht worden. Wir sehen in diesem vor uns liegenden Vertragswerk einen Versuch, die trostlose Lage' Europas zu verbessern.
— Sie sagen: Den ersten vernünftigen Versuch. Wir sehen in dem uns vorliegenden Vertragswerk aber keine Möglichkeit, die grundsätzlichen Schwierigkeiten zu beheben, die hier bei uns vorhanden sind.
Auf das Problem der Auswirkungen einer Ratifizierung des Schumanplans auf den Osten will ich jetzt noch nicht eingehen; es gehört nicht in diesen Zusammenhang. Aber eins sollte festgehalten werden: Es ist ausgeschlossen, ein Europa mit dem Ziel zu bauen, es widerstandsfähig zu erhalten gegenüber der Gefahr, die uns allen droht, wenn man gleichzeitig dem Lande, das am meisten von dieser Gefahr bedroht ist und am `meisten unter der Auswirkungen des letzten Krie-
ges zu leiden hat, die Beseitigung der Schäden dieses letzten Krieges — eben durch eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Position — derart erschwert. Und das ist in diesem Vertrage für die nächsten Jahre ohne weiteres gegeben. Herr Kollege Etzel, Sie mögen recht haben, wenn Sie sagen, daß diese Sachen in fünf Jahren, wenn die gegenwärtigen Mangellagen usw. nicht mehr vorhanden sind, anders aussehen können.
Ich bin der Auffassung, wir müssen unsere Produktion noch ganz erheblich ausweiten, nicht zuletzt deswegen — —
— Wie ich es machen will? Das werde ich Ihnen sagen. Nur ein kleines Beispiel, Herr Kollege; hören Sie einen kleinen Moment her: Es ist geradezu jämmerlich, wenn man von Produktions- ausweitungen redet und dann sagt: zunächst einmal müssen wir unsere Kohlenförderung ordentlich steigern, um dann ein Investitionshilfegesetz zusammenzuschustern, das die lächerliche Summe von einer Milliarde DM auf die Beine stellen soll. Das ad eins.
Die Notwendigkeit einer Ausweitung unseres Industrievolumens kann doch schon deswegen nicht bestritten werden, weil — wie auch Sie wissen — es in Deutschland noch Hunderttausende von Menschen gibt, die nicht auf Grund irgendwelcher konjunktureller Auswirkungen arbeitslos sind, sondern deswegen, weil sie seit Beendigung dieses Krieges überhaupt noch keinen richtigen Arbeitsplatz gehabt haben; es müssen vielmehr erst welche geschaffen werden.
— Doch, das ging aus dem Generaltenor Ihrer Äußerungen zweifelsfrei hervor,
um so mehr, wenn Sie mir sagen: Ist es denn möglich, ist es denn notwendig, die Produktion zu erweitern?
— Nein! Die ganze Situation wird sich für uns
— für Sie auch nicht, Herr Schütz — nach unserer Auffassung nicht bessern, wenn man uns, Deutschland, zu dem auch Sie gehören, Herr Schütz,
nicht die Möglichkeiten läßt, unsere Dinge hier in einer Art zu regeln, wie sie auf Grund der Besonderheiten geregelt werden müssen, die sich aus den Kriegsauswirkungen ergeben, denen andere nicht unterliegen. Herr Kollege Schütz, Sie, der Sie im Vertriebenenausschuß und im Lastenausgleichsausschuß tätig sind, wissen j a ein besonderes Lied davon zu singen, wie dringend notwendig es ist, daß gerade auf diesem Gebiet neue Möglichkeiten der wirtschaftlichen Betätigung geschaffen werden. Diese Ausweitung unseres Feldes, auf dem wir uns wirtschaftlich betätigen können, läuft aber — und das ist in der französischen Kammer die Generallinie gewesen — den Interessen Frankreichs einigermaßen entgegen.
Wenn Sie meine Redezeit mit denen meiner Vorredner vergleichen, z. B. mit den kommunistischen Filibustern, komme ich noch einigermaßen gut dabei weg.
Zum Schluß folgende Feststellung: Dem Vertrag, wie er hier vorliegt, können wir unsere Zustimmung nicht geben.
Wir hoffen, daß Sie dafür unserem Abänderungsantrage zustimmen, der uns die Möglichkeit öffnet, aus diesem Konzept in dem Augenblick auszuscheiden, wo wir feststellen, daß es für uns nicht zu verantworten wäre.