Rede von
Heinrich
Imig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der -Erwähnung des Schumanplans, des jetzigen Planes für die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, ist über kein Problem so ausgiebig geredet und verhandelt worden wie über das Bestehen oder Nichtbestehen des Deutschen Kohlenverkaufs. Was sich hier getan hat an Bildungen .von Kommissionen mit Unterausschüssen, an Verhandlungen, an Beschlußfassungen, das hat kein anderes Problem des Schumanplans erfahren. Aber wir stehen vor der Tatsache, daß dieses Problem heute immer noch nicht gelöst ist. Ich möchte hier gerade Herrn Dr. Henle ansprechen, der von der Kulanz des Kaufmanns gesprochen hat. Herr Dr. Henle, hier wäre eine Gelegenheit gewesen, diesen „kulanten Kaufmann" in seinem Gebaren zu zeigen. Ich stimme mit Ihnen vollständig überein, wenn Sie sagen: ,Wenn man schon einmal ein- Geschäft machen will, dann muß man auch etwas hineinstecken, um das, was man haben will, herausholen zu können. Das ist mit einem gewissen Risiko verbunden. Abo, ich stimme mit Ihnen in dieser Betrachtungsweise vollständig überein. Aber, Herr Dr. Henle, wenn diese Kulanz nur von einer Seite verlangt wird, dann grenzt sie manchmal an Dummheit. Und, Herr Dr. Henle, bei aller Kulanz — —
— Ach, Herr Etzel, sehen Sie mal, Sie sind immer im Irrtum. 'Sie haben gestern schon mal von einer kriegsstarken Gruppe von Infanterie gesprochen.
Ich darf Ihnen sagen: ich war beim Luftschutz, ich war gar nicht bei der Infanterie,
und mein Fraktionsfreund Henßler war anderweitig verhindert, der konnte auch nicht eingezogen werden. Also wir sind doch gar nicht von der Infanterie, wir sind gar nicht so blutrünstig.
Also, Herr Henle, hier war das geeignete Feld! Aber eben bei aller Kulanz, die Sie zeigen, werden auch Sie nicht über »das zulässige Maß hinausgehen! Darauf kommt es letzten Endes doch an. Ich will sogar noch über das hinausgehen, was Sie selbst argumentiert haben. Ich könnte mir vorstellen, daß man bei Zustandekommen eines Planes in diesem Ausmaße unter Umständen mehr geben muß, als vielleicht der Partner gibt. Auch dafür haben wir Verständnis. Aber dann muß dieses Mehr im Sinne des Planes liegen und für ihn zweckmäßig sein. Sonst kommt man zu anderen Resultaten.
Ich gehe jetzt auf das Thema selbst ein. Wenn -wir diesen Plan mit dem vergleichen, was sich in den Verhandlungen über den DKV getan hat, dann müssen wir folgendes feststellen. Alle Gründe, die die Gegner gegen den DKV vorbringen: einmal monopolartiger Charakter, Preisfestsetzung, und zum anderen willkürliche Verteilung der Kohle so, wie sie gerade jetzt den deutschen Interessen entspricht, sind doch durch den Plan selbst schon zunichte gemacht. Innerhalb dieses Planes besteht gar keine Möglichkeit dafür, diese Manipulationen vorzunehmen. Wenn nun diese beiden hauptsächlichen Argumente gegen den Kohleverkauf fallen, dann muß man sich doch unwillkürlich die Frage vorlegen: Ja, welches sind denn nun die Argumente, die jetzt noch gegen den Kohleverkauf sprechen?
— Ich freue mich, Herr Preusker, daß Sie mit mir übereinstimmen,
— Einen Moment, ich komme darauf zurück. — Denn diese Antwort kann doch sehr schnell gefunden werden, Herr Etzel. Es bleibt dann gar keine andere Antwort übrig als die, daß der Deutsche Kohlenverkauf an sich gar nicht in der Lage ist, diese Manipulationen vorzunehmen. Dennoch muß er zerschlagen werden, weil er unter Umständen — na, sagen wir mal — für die deutsche Wirtschaft nützlich sein könnte. Und alles, was für die deutsche Wirtschaft nützlich ist, liegt nicht im Interesse der Gegenseite und muß daher zerschlagen werden.
— Ja, aber diese Bastelkünstler machen doch den Schumanplan! Darauf kommt es doch letzten Endes an.
— Aber, Herr Etzel, die Einwirkung dieser Bastelkünstler ist immer noch weitgehender als die unsere.
— Sehen Sie, Herr Etzel, der Start zur Belieferung des gemeinsamen Marktes, von dem eben die Rede war, wird für Deutschland infolge der großen Lücke im Nachholbedarf sowieso verspätet anlaufen. Darin stimmen wir auch überein. Wenn aber dieses Nachhinken — na, sagen wir mal — im Namen des europäischen Geistes noch weiter erschwert werden kann, dann wird das von der Gegenseite mit allen Mitteln versucht.
Auch Herr Staatssekretär Dr. Hallstein hatte eben das wohllöbliche Bemühen, die Dinge auf ein nach seiner Meinung richtiges Maß zurückzuführen. Aber wenn man jetzt schon argumentiert: Wir arbeiten darauf hin, daß die Fesseln fallen, dann wollen doch Sie genau so wenig wie wir, daß diese fallenden Fesseln durch noch stärkere Fesseln ersetzt werden. Das ist doch der Gegensatz zwischen Ihnen und uns.
— Das ist doch der Gegensatz zwischen Ihnen und uns!
— Ich sage Ihnen nochmals, daß das in keinem Falle so deutlich zu Tage getreten ist wie in den Verhandlungen über den Deutschen Kohlenverkauf.
Sehen Sie, wenn schon im Art. 3 unter a von einer geordneten Versorgung des gemeinsamen Marktes die Rede ist, so ist das doch gerade der Grund, die gemeinsame Verkaufsorganisation beizubehalten! Es stimmt auch nicht, wenn von alliierter Seite behauptet wird, daß der DKV von den Alliierten gebildet sei und auch von ihnen aufgelöst werden könne. Der DKV oder eine ähnliche Institution besteht schon seit beinahe sechs Jahrzehnten. Diese Gründung war eben bedingt durch die unterschiedlichen geologischen Verhältnisse, durch die Regelung der Sortenfrage und der damit verbundenen Abbaumöglichkeiten sämtlicher Kohlevorkommen. Vergleiche, etwa mit dem amerikanischen Bergbau, sind da überhaupt nicht möglich. Der Abbau der amerikanischen Kohle geht infolge der günstigen Lagerung, die sie nun einmal hat, unter wesentlich anderen Umständen vonstatten als in Deutschland. In Amerika sind zeitweilige Stilllegungen und vor allen Dingen schnelle Rufschließungen möglich. Im deutschen Kohlenbergbau geht das nicht, und zwar infolge der Verhältnisse, wie sie nun einmal bei uns sind und die uns zwingen, eine gewisse Dauerbeschäftigung zu garantieren. Eine einmal stillgelegte Schachtanlage wird absaufen, und das würde für uns einen Substanzverlust bedeuten, den wir uns nicht erlauben können. Außerdem haben wir wohl alle Ursache, die damit verbundenen sozialen Spannungen zu vermeiden.
Ich habe bereits eines der Probleme angeschnitten, die zu der Gründung einer gemeinsamen Verkaufsorganisation geführt haben, nämlich die Verhinderung von Stillegungen und Kurzarbeit durch eine gleichmäßige Verteilung der Aufträge. Dazu gehört auch der Sorten- und Artenausgleich, der ja beim DKV soweit geht, daß die Abteilung für Wärmewirtschaft und Feuertechnik sogar den Kunden berät. Alles Vorteile, die selbstverständlich auch dem ausländischen Kunden zustatten kommen.
Dadurch wird eben vermieden, daß in Zeiten des Überflusses Raubbau getrieben wird, d. _h. daß nur gute Flöze abgebaut werden. Für uns hat das deswegen eine ganz besondere Bedeutung, weil mit dem Abbau oder dem Raubbau nur guter Flöze die Frage der Grubensicherheit akut wird. Ich möchte noch als Aufgabe des Kohlenverkaufs z. B. die Ermittlung des besten und billigsten Versandweges für den Kunden und die Bereitstellung der notwendigen Mittel herausstellen.
Damit kommen wir an ein Kapitel, von dem man vielleicht nicht gerne Kenntnis nimmt. Ich meine die Bereitstellung von Mitteln für die Investitionsplanung und den möglichst billigen Ausgleich in bezug auf den Zahlungsausgang, hauptsächlich bei den Lohnzahlungsterminen. Ich betone nochmals: die Regelung dieser organisatorischen Fragen ist nicht nur dem Inlandsverbrauch, sondern auch dem Verbrauch des Auslands zugute gekommen.
Und nun komme ich zu etwas anderem. Es wird uns hier immer wieder gesagt: Das Gesetz Nr. 27 ist ein Ding an sich und der Schumanplan ist ein Ding an sich. Wie ist es denn überhaupt innerhalb des Schumanplans zu den Verhandlungen über die Auflösung des DKV gekommen? Im Gesetz Nr. 75 hat diese Frage eine eindeutige Regelung gefunden. Nach Art. 2 Abs. 7 sollte die deutsche Kohlenbergbauleitung in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden, und als Tochtergesellschaften sollten der Deutsche Kohlenverkauf und die Bergbaubeschaffungszentrale verbleiben. Und jetzt kamen diese Bastelfritzen wieder, Herr Etzel. Diese Bastelfritzen sind im Gesetz Nr. 27 sehr gut zum Zuge gekommen. Da wurde diese eindeutige Regelung sofort beseitigt. Man hat eine Formulierung gefunden, die alle Möglichkeiten offenließ. Ich darf das hier wörtlich anführen; dort heißt es:
Die Organisation ist Aufgabe der deutschen
Kohlenbergbauleitung und des Deutschen
Kohlenverkaufs. Seine Rechtsnachfolger werden
durch Ausführungsbestimmungen oder Anordnungen, die etwa von der Alliierten Hohen
Kommission erlassen werden, bestimmt.
Und darin sahen eben die Alliierten — vor allen Dingen die Amerikaner — die Rechtsgrundlage zur Auflösung des DKV. Ich glaube bestimmt, Herr Professor Hallstein, Sie werden mit mir einer Meinung sein: Hätten wir das Gesetz Nr. 27 nicht gehabt, so glaube ich kaum, daß im Rahmen des Schumanpians der Deutsche Kohlenverkauf diese Rolle gespielt hätte, wie er sie nun einmal im Zusammenhang mit dem Gesetz Nr. 27 gespielt hat; denn erst das Eingreifen dieser amerikanischen Kreise — ich nenne hier Herrn Professor Bowil — brachte die Wendung in dieser Sache.
Herr Staatssekretär, seit Januar des vergangenen Jahres sind diese Verhandlungen geführt worden. Da muß ich darüber staunen welche Sachverständigen Sie zunächst zu dieser Verhandlung über die Auflösung des DKV mitgenommen haben.
Ich werfe hier den Namen des Herrn Dr. Walter
Bauer in die Debatte, ein Mann, der aus dem
Kohlengroßhandel der Petschek-Gruppe kommt. Glauben Sie, daß Herr Dr. Walter Bauer auch nur das geringste Interesse daran gehabt hat, den Deutschen Kohlenverkauf zu erhalten.
Da waren Sie bei der Auswahl Ihrer Sachberater sehr schlecht beraten. Ich glaube ganz bestimmt, daß es Herrn Dr. Walter Bauer als Beauftragtem der Petschek-Gruppe sehr willkommen war, bei den Verhandlungen mitzuwirken. Es taucht dann die Frage auf, zu wessen Nutzen das geschehen ist. Sie waren offensichtlich zunächst mit dieser Haltung einverstanden. Hier darf ich etwas erwähnen
— ich weiß, daß es auf Ihrer Seite nicht allzugern gehört wird —: Erst das Eingreifen der Gewerkschaftsvertreter hat eine Änderung der Einstellung zu dieser Frage bewirkt. Durch dieses Eingreifen ist jedenfalls die deutsche Öffentlichkeit zuerst auf diese Zusammenhänge aufmerksam geworden. Dann trat geradezu eine Katastrophe ein, als das Memorandum der Bundesregierung vom 14. März zu dieser Frage erschien. Die Bundesregierung hatte es mit der Auflösung bzw. mit der Liquidation des DKV noch viel eiliger als die Alliierten selbst.