Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
setzen unsere Haushaltsberatungen – Tagesordnungs-
punkt 2 – fort:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2010
– Drucksache 17/200 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Für die heutigen Beratungen haben wir gestern eine
Redezeit von achteinhalb Stunden beschlossen.
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
kanzleramtes, Einzelplan 04.
Ich darf als erstem Redner dem Kollegen Anton
Schaaf für die SPD das Wort erteilen.
vhh3uMsteSShnsdteskrejedRedetHerr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Gut 100 Tage ist die Bundes-tagswahl her, knapp 100 Tage, meine Damen und Herrenvon der Regierungskoalition, sind Sie im Amt. Für die-ses Land, um das ganz vorneweg zu sagen, sind die100 Tage, die Sie im Amt agieren bzw. nicht agieren,100 verlorene Tage.
Meine Damen und Herren, Sie haben gesagt, Sie hät-ten Koalitionsverhandlungen geführt. Na ja, am Endevon Koalitionsverhandlungen steht ja ein Ergeeine Perspektive aufgezeigt, die den Menscnung und Zuversicht gibt. Ich sage Ihnen etwben nur einen Fahrplan für Koalitionsverh
Was sind die strittigen Punkte? Das Einzige, was imoment wirklich absehbar ist, ist, dass Sie an Steuer-enkungen festhalten wollen. Da wäre es ja nun wenigs-ns redlich oder ehrlich, den Menschen zu sagen, wieie diese Steuersenkungen finanzieren wollen. Das, wasie jetzt an Geschenken an die Reichen verteilt haben,aben Sie durch Schulden finanziert, in der falschen An-ahme, sie würden sich refinanzieren. Jeder Ökonomagt Ihnen, dass das nicht funktioniert. Aber Sie wolleniese verfehlte Politik der Entlastung der Reichen zulas-n der Armen weitermachen, weil Sie sich davon Wirt-chaftsimpulse erwarten. Sie haben jedoch überhaupteine Ahnung davon, wie Sie das Ganze gegenfinanzie-n wollen. Das lässt der Haushalt auch nicht zu, wedertzt noch in den nächsten Jahren. Sie halten aber trotz-em daran fest.extWir sind in der schwersten Krise unseres Landes inder Nachkriegszeit. Eigentlich erwartet man, dass da Im-pulse für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft gesetztwerden. Der Wirtschaftsminister aber setzt keine Im-pulse, sondern kann nur noch zwei Worte. Auf jedeFrage, die man ihm stellt, lautet die immer gleiche Ant-wort: Steuern senken! Arbeitslosigkeit? – Steuern sen-ken! Wirtschaftswachstum? – Steuern senken! Ich be-fürchte, dass er auch, wenn man ihn nach Afghanistanfragt, sagt: Steuern senken. Er kann nichts anderes, alssich selbst auf Steuersenkungen zu begrenzen.
irtschaftspolitik; vielmehr macht es deut-ser Regierungskoalition gnadenlose Per- herrscht.bnis, wirdhen Hoff-as: Sie ha-andlungenDas ist keine Wlich, dass in diespektivlosigkeit
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1250 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010
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Anton SchaafDer Wahlkampf der Union war völlig inhaltsleer. Erbeschränkte sich auf eine Person: auf die Bundeskanzle-rin. Sie haben keine Idee entwickelt, kein Thema besetzt.So gingen Sie in vermeintliche Koalitionsverhandlungenund wurden von der FDP marktliberal über den Tischgezogen. Genau das ist passiert, meine Damen und Her-ren. In Ihrem sogenannten Koalitionsvertrag stehen nurForderungen der FDP, sonst steht dort nichts.
– In der Tat, so ist es.Frau Bundeskanzlerin, an Ihrer Stelle würde ich nocheinmal sehr gründlich darüber nachdenken, was das zubedeuten hat. Sie haben die Kraft verloren, selber Im-pulse zu setzen. Sie schaffen keine Perspektive für dieMenschen in diesem Land, aber das sehr konsequent.Diese Konsequenz sieht so aus: Sie sagen den Menschenin diesem Lande vor der Nordrhein-Westfalen-Wahlnicht, wie Sie Ihre Steuerpolitik, Ihre Steuersenkungs-politik, finanzieren wollen. Erst danach werden die so-zialen Ungerechtigkeiten, die sozialen Grausamkeitenvon Ihnen formuliert. Sie wollen Rüttgers über denWahltermin im Mai retten. Das ist die Perspektive derKoalition. Das sind weitere 100 verlorene Tage in die-sem Land, in denen wir eigentlich Antworten und Per-spektiven brauchten. Aber diese Regierung liefert sienicht, weil sie Rüttgers vor einer Wahlniederlage schüt-zen will. Ich sage Ihnen: Das wird Ihnen nicht gelingen!
Ich komme ja aus Nordrhein-Westfalen, und ich habebereits die Blaupause dafür, was Schwarz-Gelb bedeutet:Da wird links geblinkt; da wird der gnadenlose Sozial-politiker gegeben, allerdings ohne jede Initiative imBundesrat, ohne jede selbstgestaltete Initiative. Ganz imGegenteil: Wenn es beispielsweise um Arbeitnehmer-rechte geht, ist Rüttgers ein Paradebeispiel. Mit derAmtsübernahme von Schwarz-Gelb in Nordrhein-West-falen wurden erst einmal das Landespersonalvertre-tungsgesetz und die Mitbestimmung geschleift. Das istdie Realität von Rüttgers und übrigens auch Ihre Reali-tät. Sie werden im Mai dieses Jahres an die Sozialetatsherangehen, weil Sie überhaupt keine andere Wahl ha-ben, wenn Sie Ihre Versprechen tatsächlich umsetzenwollen. Das ist die Realität dieser Regierung.Herr Westerwelle, Sie haben sich ja gestern bei demThema Spenden sehr echauffiert. Es gab die eine oderandere Forderung aus unseren Reihen, dass Sie dieSpende zurückgeben. Ich bin allerdings der festen Über-zeugung, dass Sie sich diese Spende aufgrund dessen,was Sie an Steuersenkungen für Reiche vereinbart ha-ben, redlich verdient haben, meine Damen und Herrenvon der FDP.
ie sind auch ziemlich skrupellos, was die entspre-hende Benennung angeht.Herr Koppelin, Sie waren jahrelang dafür zuständig,ier Sparbücher vorzulegen. Dieses Sparbuch der FDPabe ich in diesem Jahr vermisst. Das ist ja auch keinunder. Sie hätten es nur dann vorlegen können, wennie zumindest die Seiten herausgerissen hätten, auf de-en es um das Entwicklungshilfeministerium und dieinsparung von Parlamentarischen Staatssekretären undtaatssekretären geht. Aber Sie wollten nicht mehr ein-paren, weil Sie jetzt selbst an der Macht partizipierenönnen. Es ist auch kein Wunder, dass das Thomas-ehler-Haus, die FDP-Zentrale, kaum noch besetzt ist;enn alle sind in der Regierung. Darum kommt der Ge-eralsekretär, den Sie gesucht haben, jetzt aus NRW,ämlich der Kollege Lindner.Durch Herrn Lindner wird noch einmal sehr deutlichnd offenbar, welches Staatsverständnis Sie haben.enn Herr Lindner vom Staat als einem „teurenchwächling“ spricht – ausgerechnet Herr Lindner, dertzt 31 Jahre alt ist und schon mit 21 Jahren im Parla-ent war, also bereits seit zehn Jahren von den Steuer-ahlern bezahlt wird, stellt den Staat infrage! –, dann istas schon bezeichnend für das, was dahintersteckt.
Wir haben ein grundsätzlich anderes Staatsverständ-is, und das ist begründet. Ihre Klientel ist mitverant-ortlich für die Wirtschafts- und Finanzkrise, die wirtzt zu bewältigen haben. Wir Sozialdemokraten sindoh, dass wir in den letzten Jahren einen starken, hand-ngsfähigen Staat hatten, der das Schlimmste verhindertat. Ohne einen starken Staat wäre dies nicht möglichewesen.Übrigens gilt – das ist bei Ihnen noch nicht angekom-en; mit dieser Feststellung werde ich schließen –:
ur die Reichen, also Ihre Klientel, können sich einenchwachen Staat leisten. Die allermeisten Menschen iniesem Lande brauchen einen handlungsfähigen Staat.Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun die Bundeskanzlerin, Frau
r. Angela Merkel.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Daslte Jahrzehnt endete mit einer internationalen Finanz-nd Wirtschaftskrise und in der Bundesrepublik
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel: Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelDeutschland mit einem Einbruch der Wirtschaft von5 Prozent – ein einmaliger Vorgang in der Geschichteunseres Landes. Das neue Jahrzehnt beginnt hier im Par-lament in der Tat mit der Debatte über einen Bundes-haushalt mit der höchsten Neuverschuldung mit über85 Milliarden Euro – auch das natürlich ein Vorgang vongroßer Bedeutung. Ich sage Ihnen: Wer nicht sieht, dassdas eine mit dem anderen direkt verknüpft ist, wer nichtsieht, dass eine Antwort auf minus 5 Prozent Wachstum,die eine geringere Neuverschuldung mit sich bringenwürde, eine falsche Antwort im Geiste der 30er-Jahrewäre und dass wir aus der Geschichte gelernt haben, derbraucht an dieser Debatte gar nicht weiter teilzunehmen.
– Ich rede hier zu allen, Frau Künast, natürlich auch zuIhnen.
Ich sage Ihnen: Sosehr wir uns alle eine andere Situa-tion wünschen würden, so sehr sind wir dazu verpflich-tet, der Realität ins Auge zu sehen.
Die Welt hat 2008/2009 am Abgrund gestanden. Wir ha-ben es geschafft – wenn ich „wir“ sage, dann meine ichauch die, die damals in der Großen Koalition Mitverant-wortung getragen haben, und dann meine ich auch dieFDP als damalige Opposition –, international und natio-nal in diesem Hause die richtigen Lehren daraus zu zie-hen, das Richtige zu tun und den Absturz in den Ab-grund zu verhindern. Das war richtig, das war wichtig,und das war ein Beitrag zur internationalen Stabilität.
Aber mit dem, was wir getan haben, ist die Krise nochnicht vorbei. So wie wir klug den Abschwung gedämpfthaben, so geht es jetzt darum, klug aus dem Tal wiederherauszukommen. Ich sage Ihnen: Das wird sicherlichkontroverse Debatten hervorrufen. Aber es wird vor al-len Dingen neues Denken erfordern.
Das ist nicht etwas – auch das will ich gleich ankündigen –,worüber wir nur im Januar des Jahres 2010 debattieren,sondern dieser Wirtschaftseinbruch wird uns über weiteTeile dieser Legislaturperiode beschäftigen. Wenn wires geschafft haben – so besagen es jedenfalls die Pro-gnosen –, im Jahr 2013 wieder das Vorkrisenniveau zuerreichen, dann haben wir nach heutigem Stand gute Ar-beit gemacht. Das ist die Dimension der Aufgabe, vorder wir stehen.
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ir sehen, dass andere Ressourcen, die wir in frühereneiten für uns für reserviert hielten, zum Beispiel Infor-ation und Wissen, heute mit allen geteilt werden müs-en. Das bedeutet, dass kein Land mehr alleine seinenohlstand erhalten kann, dass kein Land mehr alleineicherheit gewährleisten kann und dass wir in eine im-er stärkere Abhängigkeit voneinander geraten.Die dritte Entwicklung ist eine Suche nach Zusam-enhalt und Schutz. Es gibt die Hoffnung der Men-chen, dass der eigene Lebensentwurf im schnellen Wan-el nicht umgeworfen wird,
ass Gemeinschaften zusammenbleiben, die Sehnsuchtach Heimat, Vertrautheit und Sicherheit.Wenn wir die richtigen Antworten auf diese Krise fin-en wollen, wenn wir wirklich stärker aus dieser Kriseerauskommen wollen, dann müssen wir diese Entwick-ngen nicht nur verstehen, sondern sie auch als Chancer unser Land begreifen. Auf diesem Fundament ma-hen wir unsere Politik.
Dabei setzt die christlich-liberale Koalition auf Frei-eit in Verantwortung. Unser Land ist durch Offenheitnd Freiheit in seiner 60-jährigen Geschichte erfolgreicheworden. Unser Land ist immer dann erfolgreich gewe-en, wenn es Vertrauen in den Einzelnen gesetzt hat, ineine Fähigkeiten, seine Fertigkeiten und seinen Willen,twas zur Gemeinschaft beizutragen. Unser Land wurderfolgreich, weil es die Ordnung von Freiheit in Verant-ortung in das Gesellschaftsmodell der sozialen Markt-irtschaft umgesetzt hat.
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Das ist das Fundament des solidarischen Miteinanders inunserer Gesellschaft.Unsere Vorstellung von Freiheit und Verantwortunghat uns in Bündnisse mit gemeinsamen Wertefundamen-ten geführt, wie die Europäische Union und die NATO.Sie machen unser Land in einer vernetzten Welt auch inZukunft erfolgreich.Heute stehen wir vor der Aufgabe, in schwierigenZeiten und in neuen Zusammenhängen genau diese Stär-ken weiterzuentwickeln und dabei das zu bewahren, wasuns stark gemacht hat, aber da zu erneuern, wo Erneue-rung notwendig ist. Das ist die Aufgabe.
Ich möchte die Arbeit der christlich-liberalen Koali-tion an Beispielen deutlich machen, da, wo wir erneuernwerden.
Die christlich-liberale Koalition wird die Wirtschafts-kraft unseres Landes
erneuern
durch nachhaltiges Wachstum; genau darüber könnenwir streiten. Aber wir werden das tun, und ich glaube,wir werden es gut machen.
Meine Damen und Herren, das beginnt mit den So-fortmaßnahmen in der Krise. Viele von ihnen haben wirgemeinsam beschlossen. Aber wir haben in den erstenTagen unserer gemeinsamen neuen Regierung etwas da-zugesetzt:
Wir haben das Wachstumsbeschleunigungsgesetz verab-schiedet. Ich sage Ihnen: Das ist eine wichtige Ergän-zung dessen, was wir an konjunkturpolitischen Maßnah-men im vergangenen Jahr gemacht haben.
Wir haben erstens wichtige Korrekturen an der Un-ternehmensteuerreform vorgenommen, die nach derMeinung jedes Fachmanns oder jeder Fachfrau – dasweiß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ganzgenau – prozyklische Effekte, also verstärkende krisen-hafte Effekte, hatte. Diese wurden jetzt durch unsereMnsfäGwissedRWÜdBAsremgtanskDKdbdgmfü
agen, dass durch diese Maßnahme keine Einnahmeaus-lle stattfinden, sondern dass dadurch überhaupt dierundlage dafür gelegt wird, dass in den Kommunenieder Gewerbesteuereinnahmen fließen können. Dast die Wahrheit.
Wir haben zweitens Korrekturen bei der Erbschaft-teuerreform vorgenommen. Wir sind uns, glaube ich,inig, dass wir die kleinen und mittleren Unternehmen,ie Familienunternehmen, in unserem Lande als dasückgrat unserer Wirtschaft bezeichnen können.
enn wir die gemeinsame Auffassung haben, dass derbergang von einer Generation auf die andere bezüglicher Erbschaftsteuer so gestaltet werden sollte, dass manetrieben nicht mit Misstrauen, dass sie bestimmt nurrbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlassen wollen,ondern mit ein bisschen Vertrauen – das ist das Erfolgs-zept der sozialen Marktwirtschaft – begegnet, dannusste man die Änderungen in der Erbschaftsteuer soestalten, wie wir es gemacht haben. Das haben wir ge-n.
Als dritten Punkt will ich die Entlastung von Familienennen. Dass man im Steuerrecht aus steuersystemati-chen Gründen Kinder wie Erwachsene behandelnönnte, ich glaube, darüber sollte es keinen Streit geben.ass jetzt aber die Maßnahmen zur Verbesserung deraufkraft, die wir gemeinsam eingeleitet haben,
ie Erhöhung des Kindergeldes für Familien,
ei der Sozialdemokratie plötzlich mit dem Wechsel voner Regierungsverantwortung in die Opposition sozusa-en zu einer nicht vernünftigen Sache mutiert, damitüssen Sie fertig werden und nicht wir. Wir haben etwasr Familien getan, und das war notwendig.
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Was ist passiert? Wir hatten die Steuerschätzung imMai 2009, und wir hatten die Steuerschätzung im No-vember 2009. Es ist dieser Bundesregierung gelungen,einen Haushaltsentwurf vorzulegen, durch den dasWachstumsbeschleunigungsgesetz verabschiedet werdenkonnte, ohne dass die Neuverschuldung höher ist als das,was wir in der Großen Koalition im Sommer miteinan-der verabredet haben.
Warum ist das möglich gewesen? Das ist möglich ge-wesen, weil genau das eingetreten ist, was wir wollten.Wir haben gehandelt. Wir haben Konjunkturpaketeund Maßnahmen zum Kurzarbeitergeld verabschiedetund Steuerveränderungen im Mittelstandsbereich veran-lasst. Wir haben weitere Kaufkraftstimulierungen ange-regt. Genau daraus ist eine bessere Wirtschaftsentwick-lung bis November entstanden, so wie wir das wollten.
Die hat uns Spielräume eröffnet, den nächsten Impuls zusetzen, um für die Steuerschätzung im Mai wieder einebessere Entwicklung zu haben. Das ist unsere Philoso-phie. Wer diese Art, zu denken, nicht aufbringt, der musswirklich in sich gehen.
Es ist notwendig, dass wir diesen Kurs fortsetzen, dasswir weiter auf Wachstum setzen und uns gleichzeitig mitder Haushaltskonsolidierung befassen.Meine Damen und Herren, natürlich spiegelt dieserHaushalt – ich habe es am Anfang gesagt – die Sondersi-tuation wider. Wenn Sie sich einmal redlich die europäi-schen Daten anschauen, dann merken Sie, dass fürFrankreich 2010 ein Defizit von minus 8,2 Prozent vo-raussagt wird – so tut es jedenfalls die EU –, Großbritan-nien 12,9 Prozent, Japan 8,9 Prozent und die USA13 Prozent. Das, was wir hier zu bewältigen haben, istmit minus 5 Prozent nicht einfach, aber es zeigt auch,dass wir gar nicht so schwach, sondern stark in dieseKrise hineingegangen sind und damit dieser Krise bessertrotzen können, wenn wir das Richtige tun.
Wenn es um die Frage geht, wer wie mit Geld umge-hen kann, möchte ich daran erinnern, dass wir, bevor wir2005 als Union in die Regierungsverantwortung kamen,drei Jahre hintereinander, also 2003, 2004 und 2005, dieSituation hatten, dass die rot-grüne Bundesregierung dieStabilitätskriterien des Maastricht-Vertrages nicht einge-halten hat. Bei minus 0,2 Prozent hatten Sie ein DefizitvusgKbtiDdhisgStimEaGSsfuwdmledzvflWsbtigtileBBdzd
Wir sichern mit unseren Maßnahmen die Grundla-en des Aufschwungs. Wir haben die Regelung für dieurzarbeit verlängert. Wir lassen die automatischen Sta-ilisatoren weiter wirken – im Übrigen einer der wich-gsten Posten in diesem Haushalt. Wir sind von einemarlehen für die Bundesagentur zu einem Zuschuss fürie Bundesagentur übergegangen, was nichts andereseißt – damit das für die Bürgerinnen und Bürger klart –, als dass wir die Beitragszahler nicht mit den Fol-en der Krise alleine lassen, sondern die Gesamtheit derteuerzahler die Folgen dieser Krise trägt. Das ist rich-g, das ist solidarisch, und deshalb haben wir das ge-acht.
in Zuschuss von 16 Milliarden Euro für die Bundes-gentur für Arbeit und knapp 4 Milliarden Euro für denesundheitsbereich, das sind 20 Milliarden Euro zurtabilisierung der sozialen Sicherungssysteme und eineolidarische Maßnahme aller Steuerzahler zur Bekämp-ng der Krise.
Wir führen die Kredit- und Bürgschaftsprogrammeeiter, die Investitionen ermöglichen. Wir wissen, dassie Versorgung der Wirtschaft, vor allem der kleinen undittleren Unternehmen, mit Krediten ein wichtiger, viel-icht der existenzielle Punkt dieses Jahres sein wird, umen Aufschwung auch wirklich in die richtigen Bahnenu lenken. Wir haben dazu die staatlichen Warenkredit-ersicherungen aufgestockt, das KfW-Sonderprogrammexibilisiert und einen Kreditmediator eingesetzt.
ir werden auch mit den Banken beständig im Gesprächein, um die Entwicklung weiterzuverfolgen und gege-enenfalls weitere Maßnahmen durchzusetzen.Mit unserem Haushaltsentwurf und unserer Koali-onsvereinbarung haben wir vor allen Dingen deutlichemacht, dass es notwendig ist, in die Zukunft zu inves-eren, weil wir stärker aus der Krise hervorgehen wol-n. Deshalb gehen wir wichtige Schritte hin zu einerildungsrepublik.
ei aller Notwendigkeit, Ausgaben zu begrenzen, wer-en wir in dieser Legislaturperiode 12 Milliarden Eurousätzlich in Bildung und Forschung investieren.
Wir sind davon überzeugt, dass das Ziel, 10 Prozentes Bruttoinlandprodukts für Forschung und Bildung
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkelauszugeben – 3 Prozent für Forschung und 7 Prozent fürBildung –, richtig ist und über die Zukunft unseres Lan-des entscheidet.
Deshalb ist der Bund bereit – so haben wir es im Übri-gen mit allen Ministerpräsidenten verabredet –, einengrößeren Anteil als den normalen Anteil zu zahlen, umdie Lücke zwischen den heutigen Bildungsausgaben undden 7 Prozent zu füllen. Normalerweise beträgt der An-teil des Bundes an den Bildungsausgaben 10 Prozent.Wir haben gesagt: Wir sind bereit, bis zu 40 Prozent zugeben, um die Lücke zu füllen. Wir werden bis zumSommer mit den Ländern darüber verhandeln, wie wirdas sinnvoll und vernünftig tun können.
– Im Gegensatz zu Ihnen waren die Ministerpräsidentenaller Bundesländer mit diesem Weg einverstanden.
Ich habe von neuem Denken gesprochen. Das heißtauch: Die Art unseres Wachstums wird sich ändern. Esgeht um nachhaltiges Wachstum.
Dabei sage ich ausdrücklich: Deutschland muss an seineStärken anknüpfen. Das heißt, Deutschland wird seinenWohlstand nur sichern können, wenn es weiter einestarke Exportnation bleibt. Alle Aussagen, wir brauchtenjetzt nicht mehr so viel zu exportieren, halte ich fürfalsch. Vielmehr muss das, was unsere Stärken ausge-macht hat – Chemie, Automobilindustrie, Medizintech-nik, Verkehrstechnik –, weiterentwickelt und nachhalti-ger gemacht werden, aber darf niemals aufgegebenwerden. Das ist unsere Philosophie.
Deshalb setzen wir vor allen Dingen in den BereichenForschung und Innovation in Kombination mit unserenklassischen Stärken auf die Informationsgesellschaft.Wir werden die Breitbandstrategie zielstrebig umsetzen.Dazu wird es noch vieler Anstrengungen bedürfen. Wirwerden den Bereich E-Government deutlich stärken. Wirwerden insbesondere darauf achten, dass die Freiheitdurch die neuen Möglichkeiten des Internets nicht einge-schränkt wird. Arbeitnehmerdatenschutz, Stiftung Da-tenschutz und Datenschutz-Audit, all das sind Stich-punkte dazu.Ein großer Schwerpunkt unserer Politik wird dasThema Energie sein. Das ist ein Thema, bei dem esohne Kontroversen sicher nicht geht. Diese Frage mussin einem Industriestandort aber notwendigerweise gelöstwerden. Wir brauchen ein in sich schlüssiges berechen-bares Energiekonzept für die nächsten Jahre oder Jahr-zehnte. Anders wird der Industriestandort Deutschlandnicht erhalten werden können.mgDndnskcDlemwwlaDKakELkndWninGWbd
Die christlich-liberale Koalition setzt darauf, dass wiröglichst schnell das Zeitalter der regenerativen Ener-ien erreichen.
azu ist es dann aber auch notwendig, dass die dazu be-ötigte Infrastruktur erzeugt wird. Dazu ist es notwen-ig, dass wir die benötigten Brücken bauen, weil wiricht von heute auf morgen unmittelbar zu einer aus-chließlichen Versorgung durch regenerative Energienommen können, ohne dass sich die Preise so entwi-keln, dass die Industrie aus Deutschland verschwindet.
as ist unsere Überzeugung. Genau das werden wir tun.Für diese Brücken brauchen wir auch moderne Koh-kraftwerke. Jeder, der behauptet, dass das nicht seinuss, der sorgt dafür, dass die alten Kohlekraftwerkeeiterbetrieben werden, dass unsere EVUs Kohlekraft-erke in Polen kaufen werden und dafür aus Deutsch-nd verschwinden.
as kann nicht die Antwort sein. Wir setzen auf neueohlekraftwerke, und wir setzen darauf, dass das dannuch ein Exportschlager in andere Teile der Welt werdenann.
Wir werden im Sinne dieses in sich geschlossenennergiekonzepts darüber sprechen, ob wir verlängerteaufzeiten – ich sage: ja, wir brauchen das – für Kern-raftwerke brauchen,
atürlich unter Berücksichtigung aller Sicherheitsstan-ards. Aber es hat keinen Sinn, dass wir hier nicht derahrheit ins Auge sehen.
Wir werden ein neues Forschungsprogramm für er-euerbare Energien entwickeln: Speichertechnologien,telligente Netztechnik und Biokraftstoffe der zweiteneneration.
ir wollen, dass Deutschland Leitmarkt für Elektromo-ilität wird. Die Bundesregierung wird dazu am 3. Maiieses Jahres einen Gipfel durchführen
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mit Vertretern der Wirtschaft, der Arbeitnehmer und derWissenschaft. Ich glaube, das ist richtig. Sie sollten mituns gemeinsam ein Interesse daran haben, dass wir hierwieder führend sind, dass auch das Auto des 21. Jahr-hunderts ein Auto ist, das in Deutschland gebaut wird, sowie es mit den Autos des 20. Jahrhunderts war.
Nachhaltiges Wachstum heißt natürlich auch Fort-schritte im internationalen Klimaschutz. Ich glaube, wirsind uns einig, dass die Ergebnisse, die wir in Kopen-hagen erreicht haben, enttäuschend waren. Deshalb sageich: Europa wird seine Vorreiterrolle weiterführen. Ichsage auch: Deutschland hat sich bereits – das zeigt auchdie Koalitionsvereinbarung – entschlossen,
dass wir bis 2020 unsere CO2-Emissionen um 40 Pro-zent reduzieren werden. Aber ich sage auch: Ich bin sehrdafür, dass die Europäische Union auf 30 Prozent geht.Das kann nur passieren, wenn andere europäische Mit-gliedstaaten das 30-Prozent-Ziel genauso unterstützen,wie die Bundesrepublik Deutschland das tut. Was ichnicht zulassen werde – ich glaube, darüber sollten wiruns einig sein –, ist, dass wir von 30 auf 40 Prozent ge-hen, andere ihre Position nicht verändern und wir an-schließend etwas versprechen sollen, was wir zumSchluss realistischerweise nicht halten können. Deshalbarbeiten wir daran, dass Europa sein Reduktionsangebotvon 30 Prozent gegebenenfalls, wenn die Mitgliedstaa-ten mitmachen, dann auch ohne dass andere folgen, un-terfüttern kann. Solange wir das nicht können, sage ich:30 Prozent Reduktion für Europa ja, aber nur wenn an-dere Teile der Welt genauso ambitionierte Verpflichtun-gen eingehen. Alles andere hilft dem Klima auf der Weltnicht weiter.
Kopenhagen hat ein viel schwierigeres Thema aufge-worfen. Das werden Sie durch die Beschimpfung vonRegierungen allein nicht lösen. Dieses Thema heißt: Istes auf der Welt möglich, gibt es die Bereitschaft, dassandere Länder bindende Vereinbarungen eingehen, sowie wir das im Kioto-Protokoll getan haben? Wir, dieEuropäische Union und auch andere entwickelte Indus-trieländer – die Vereinigten Staaten haben es nicht ge-macht –, sind bindende internationale Verpflichtungenim Rahmen der Klimarahmenkonvention eingegangen.Die eigentliche Enttäuschung in Kopenhagen war, dassdie Schwellenländer gesagt haben, dass sie sich zum ers-ten Mal mit Verpflichtungen im Sinne der Verbesserungder Energieeffizienz beschäftigen, aber unter keinen Be-dingungen zustimmen, dass die Verpflichtungen bindendim internationalen Sinne sind. Das hat das indische Par-lament beschlossen. Das ist die starke Meinung vonChina. Man ist nicht einmal bereit, eine internationaleÜdswtinwZzpbDKEWKndruEZsaludbhvDmdadnabesAleb
urch Stärkung der Eigenverantwortung, damit Siche-ng der Handlungsfähigkeit des Staates und dadurchrhaltung der Solidarität in der Gesellschaft. Das ist derusammenhang. Wer nicht auf die Eigenverantwortungetzt, wird nur noch Mangel verwalten. Ohne Eigenver-ntwortung werden wirkliche Solidarität und ein hand-ngsfähiger Staat nicht möglich sein.
Deshalb setzen wir in allen Lebensbereichen darauf,ass, wo immer das möglich ist, Entscheidungsfreiheitesteht. Das beginnt bei der Familienpolitik. Wahlfrei-eit ist das Credo. Wir schreiben den Menschen nichtor, wie sie leben sollen.
eshalb wird der Bund weiter seiner Aufgabe nachkom-en, den Ausbau der Betreuung von Kindern unterrei Jahren fortzusetzen.
Ich sage, an die Kommunen gerichtet, allerdingsuch: Es ist nicht nachvollziehbar, wenn geäußert wird,ass das vereinbarte Geld nicht ausreicht. Die Kommu-en rechnen jetzt so, als würden sie den Rechtsanspruchb dem ersten Lebensjahr für das erste und zweite Le-ensjahr so auslegen, als wenn jedes Kind ganztägig ininer Betreuungseinrichtung untergebracht wäre. Das er-cheint uns nicht realistisch.
ber wir werden darüber im Gespräch bleiben. Wir wol-n das.Jetzt ein Wort zum Betreuungsgeld. Ich sehe die Pro-leme, die damit verbunden sind.
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
Wir haben dieses Thema noch nicht abschließend behan-delt. Wir wollen das Betreuungsgeld im Übrigen erst2013 einführen.
Aber dass aus der Bezuschussung der Betreuung vonKleinkindern, die nicht zu Hause betreut werden, imSinne der Wahlfreiheit vielleicht auch der Gedanke er-wächst, Familien zu unterstützen, die sich ganz selbstbe-wusst für die Betreuung zu Hause entscheiden,
kann im Sinne der Wahlfreiheit nicht grundsätzlichfalsch sein.
Deshalb werden wir einen Weg finden, der auf der einenSeite falsche Effekte vermeidet
und auf der anderen Seite die Wahlfreiheit stärkt.
Im Verhältnis von Bürger und Staat spielt das ThemaBürokratie eine zentrale Rolle.
Viele Menschen fühlen sich entmutigt. Deshalb werdenwir die Arbeit des Normenkontrollrates nicht nur fortset-zen und nicht nur die Berichts- und Statistikpflichten um25 Prozent reduzieren,
sondern wir werden auch in umfassenden Pilotprojektenmit den Ländern bei Elterngeld und Wohngeld Erfahrun-gen sammeln: Wie kann man Bürokratie, auch für dieBürger fassbar, reduzieren? Dadurch werden wir auchdie Arbeit des Normenkontrollrates stärken.Das Thema „Bürger und Staat“ wird natürlich ganzwesentlich auch durch die Steuerpolitik bestimmt.Icle–pImsuJs–nIrgsCdpwgSG–gbIc
h finde, es ist eine sehr merkwürdige Entwicklung dertzten drei Monate, dass der Steuerzahler – –
Nein. Dazu muss ich wirklich sagen: Die Wahl-rogramme waren transparent.
Gegensatz zu den Sozialdemokraten, die das schoneit zehn Jahren nicht mehr gemacht haben, halten wirns an unsere Wahlprogramme.
eder wahlberechtigte Bürger in Deutschland konnte le-en, was die Union vorhatte.
Ich glaube, der Vorsitzende der SPD kommt sonsticht oft zu Wort.
gendwie hat man den Eindruck, er hat in der SPD nichtenug Möglichkeiten, zu reden.Zu Ihrer großen Freude konnten Sie im Wahlkampfogar verfolgen, dass es leichte Differenzen zwischenDU und CSU gab. Sie haben auch gesehen, dass sichas FDP-Programm von den Programmen der Unions-arteien unterschieden hat. Aber in allen Programmenar Steuersenkung ein Thema, und zwar nicht ir-endeine Steuersenkung, sondern vor allen Dingen eineteuerstrukturreform, verbunden mit einer einfacherenestaltung unseres Steuersystems
nach 60 Jahren erkennbar kein so einfaches Unterfan-en – und mit dem Willen, gerade die Ungerechtigkeitenei kleinen und mittleren Einkommen abzubauen.
h kann, ehrlich gesagt, nur schwer verstehen,
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkeldass Parteien, die sich allen Bereichen der Bevölkerungverpflichtet fühlen, überhaupt nicht mehr darüber spre-chen.
Alles, was wir hier vereinbaren – ob wir die erneuer-baren Energien fördern, ob wir das Rentensystem unter-stützen, das Gesundheitssystem oder sonst etwas –, be-ruht auf Steuereinnahmen des Staates. Deshalb brauchenwir motivierte Bürgerinnen und Bürger, die wissen, wa-rum sie Steuern zahlen, und die finden, dass es dabei ge-recht zugeht. Davon bin ich zutiefst überzeugt.
Es liegt in der Natur der Sache, dass man darüberstreitet. Wir sind jedenfalls davon überzeugt, dass es imEinkommensteuersystem Ungerechtigkeiten gibt, diebeseitigt werden müssen, und dass Entlastungen möglichsind, notwendig sind und sogar Wachstum schaffen. Dasist unsere Überzeugung.
Wir werden zwischen November und Mai tun, waswir zwischen dem letzten Mai und dem November getanhaben: Wir werden auf die Steuerschätzung warten.Jetzt sagen manche: Wir wissen doch, was heraus-kommt, wenn wir wissen, wie das Wachstum ist. – Dasist, wenn man nur auf das Wachstum schaut, im Prinziprichtig. Die Überraschung, die wir zwischen Mai undNovember erlebt haben, kam gerade daher, dass keinerin der Lage ist, bei einem Wachstum von minus5 Prozent die Entwicklung des Arbeitsmarktes zu pro-gnostizieren. 100 000 Arbeitslose mehr oder weniger be-deuten für den Haushalt eine Differenz von 2 MilliardenEuro. So können sich erhebliche Verschiebungen erge-ben, die Veränderungen im Haushalt nach sich ziehen.Die Wachstumsprognosen sind völlig klar, die Auswir-kungen auf den Arbeitsmarkt, die Wirkung der automati-schen Stabilisatoren und vieles andere aber nicht. Des-halb warten wir die Steuerschätzung ab – sie findetbekanntermaßen noch vor der NRW-Wahl statt –, unddann werden wir den Gesetzentwurf für den Haushalt2011 vorbereiten. Die Steuerstrukturreform bleibt weiterauf der Tagesordnung.Von der Entlastung im Umfang von 24 MilliardenEuro, die wir vereinbart haben, haben wir mit demWachstumsbeschleunigungsgesetz bereits einen Teil um-gesetzt. Warten wir die Steuerschätzung ab; dann wissenwir, was für Aufgaben noch vor uns liegen.Ein weiterer Punkt – das müssen wir zusammenbrin-gen; das ist das Schwierige an unserer Arbeit – ist, dassdas Verhältnis der Bürger zum Staat geprägt wird vonder Frage, ob wir nachhaltige, solide Finanzen haben.Bei der Schuldenbremse war die Sozialdemokratie nunwirklich nicht der Treiber – ich würde mal sagen, dieTreiber der Schuldenbremse sitzen eher hier bei uns –;aw–DdinAgcsDDwbdgVfüdnoevinrüGwBuvnawsDmtäeedEggDnE
Der Schuldenbremse.Wir haben – parteiübergreifend; sonst kann man ineutschland die Verfassung nicht ändern – eine Schul-enbremse in das Grundgesetz aufgenommen. Jeder, der diesem Hause sitzt, weiß, dass man nicht sehendenuges gegen ganz spezifische Festlegungen des Grund-esetzes verstoßen kann. Das wissen wir alle; da brau-hen Sie uns nicht zu verklagen. Die Schuldenbremse isto etwas wie eine Leitplanke unserer gesamten Arbeit.ie Schuldenbremse beginnt 2011 zu wirken.
ie politische Kunst – zu dieser Art von Politik sindahrscheinlich nur wir fähig, so wie wir jetzt regieren –
esteht darin, Wachstum und solide Finanzen miteinan-er zu vereinbaren. Das ist unsere Aufgabe. Diese Auf-abe ist nicht einfach; aber wir werden sie lösen.Die internationale Krise hat gezeigt, dass der Staaterpflichtungen hat. Wenn Freiheit und Verantwortungr die Bürgerinnen und Bürger erlebbar sein sollen,ann bedarf es Regeln. Regeln haben auf den internatio-alen Finanzmärkten gefehlt; da herrschte Freiheithne Verantwortung, das waren Exzesse. Deshalb gehts jetzt darum, die Regeln, soweit sie im G-20-Prozessereinbart sind, in diesem Jahr umzusetzen. Einiges ist Gang gekommen; Wolfgang Schäuble hat gestern da-ber gesprochen. Es geht – das gilt insbesondere für die-20-Treffen, die in Kanada und in Südkorea stattfindenerden – darum, Wege zu finden, zu verhindern, dassanken so groß sind oder so verflochten sind, dass siens immer wieder sozusagen erpressen können. Es gibterschiedene Modelle. Auch Deutschland wird mit ei-em Modell in die Debatte gehen. Wir müssen daraufchten – das ist die größte Herausforderung bei der Be-ältigung der Krise –, dass wir eine international abge-timmte Exit-Strategie finden. Es nützt nichts, wenneutschland die Schuldenbremse hat, und es nützt im-er noch nichts, wenn sich ganz Europa an den Stabili-ts- und Wachstumspakt hält, wenn zugleich in den Ver-inigten Staaten von Amerika, in Japan oder anderswoine völlig andere Politik betrieben wird. Was hat unsie Krise denn gezeigt? Sie ist nicht vorrangig vonuropa ausgegangen. Sie hat uns gezeigt: Wenn sich einroßer Spieler in dem globalen Wettbewerb nicht an Re-eln hält, dann müssen alle für die Folgen aufkommen.eshalb wird es eine der herausragenden Aufgaben sein,icht nur mit der Europäischen Zentralbank und deruropäischen Kommission eine Exit-Strategie zu verein-
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkelbaren und nicht nur das zu tun, was Deutschland einzig-artig in seinem Grundgesetz verankert hat, sondern auchdafür zu sorgen und alles daranzusetzen, so schwierig esauch ist, dass andere dem folgen.Ich nenne einen dritten Punkt, dem sich die christlich-liberale Koalition verpflichtet fühlt.
Wir müssen den Zusammenhalt in unserer Gesell-schaft erneuern: zwischen Jung und Alt, zwischen Kran-ken und Gesunden,
zwischen Ärmeren und Wohlhabenderen, zwischen Ein-heimischen und Zugewanderten, zwischen Ost undWest. Auch geht es um den internationalen Zusammen-halt in unseren Bündnissen.
Nur durch diesen Zusammenhalt ist Solidarität in unse-rer Gesellschaft möglich.Dazu gehört natürlich die Frage, wer Hilfe leistet undwer der Hilfe bedarf.
Da ist die Diskussion über die Frage natürlich essenziell,wie wir das Arbeitslosengeld II, bekannter unterHartz IV, gestalten. Ich sage ganz deutlich: Ich glaube,dass die rechtlichen Rahmenbedingungen, was denZwang, die Aufgabe oder die Notwendigkeit der Ar-beitsaufnahme anbelangt, eindeutig ausreichend sind.
Wer eine zumutbare Arbeit nicht annimmt, hat heuteSanktionen zu befürchten.
– Heute rede ich hier, Herr Gabriel.Die Frage, ob die Umsetzung unserer rechtlichen Re-gelungen überall ausreichend erfolgt, muss man sich im-mer wieder anschauen. Da gibt es zwei Aufgaben:Die eine ist, möglichst viele Arbeitsangebote zurVerfügung zu stellen. Da wird immer wieder über Optio-nen diskutiert, zum Beispiel in vielen neuen Bundeslän-dern über sogenannte Bürgerarbeit oder anderes. DieseDiskussion werden wir fortsetzen. Aber es gelingt unsheute noch nicht – das muss man ganz einfach sagen –,jedem, der Arbeit sucht, wirklich eine Arbeit anzubieten.Wir müssen dabei aber auch aufpassen, dass wir nicht ineine Situation geraten, in der wir den mittelständischenUnternehmen Arbeit wegnehmen, weil wir zu viel staat-lich geförderte Arbeit anbieten. Auch diese Diskussionmuss geführt werden; wir führen sie ja auch schon seitvielen Jahren.aredkdwresDjeebh–hEhincag–AsarülomeWhtereRAdvRk
Wir haben das Schonvermögen vergrößert; dies wirdtzt im Parlament debattiert werden. Ich glaube, das warine richtige Entscheidung, zu der viele sehr lange nichtereit waren. Wir müssen gerade auch für Alleinerzie-ende durch Kinderbetreuung – –
Okay, dann muss ich vier Jahre nicht richtig hingehörtaben, wenn mich der tägliche Ruf aus der SPD nach derrhöhung des Schonvermögens nicht erreicht hat. Diesalte ich allerdings für relativ unwahrscheinlich.Wir müssen darüber diskutieren, wenn es um Armut unserem Lande geht, ob die Frage von gleichen Chan-en immer eine Frage nur von Geld ist oder ob sie nichtuch eine viel kompliziertere Frage ist. Ich sage Ihnenanz eindeutig: Wir werden uns nicht damit abfinden – –
Es geht nicht ohne Geld; Geld ist sogar sehr wichtig.ber wer glaubt, er könne das Problem nur mit Geld lö-en und es gebe sonst kein anderes Problem zu lösen, derrbeitet an der Aufgabe vorbei. So einfach ist das. Da-ber brauchen wir uns auch gar nicht aufzuregen.
Ich sage ganz eindeutig: Wir finden uns mit Arbeits-sigkeit nicht ab. Wir wollen und glauben auch, dass esöglich ist, im nächsten Jahrzehnt Vollbeschäftigung zurreichen.
ir wollen jedem eine Chance geben, weil sich die frei-eitliche Entfaltung des Menschen durch selbstverdien-s Geld viel besser vollziehen kann. Das wollen wir er-ichen.Wir wollen Solidarität in unserer Gesellschaft: imentensystem, im Gesundheitssystem und in der Pflege.ber wer an dem demografischen Wandel, an den Verän-erungen des Altersaufbaus unserer Gesellschaft einfachorbeisieht, wer so tut, als müsse und könne man dieente mit 67 Jahren rückgängig machen, wer so tut, alsönne man die Lohnzusatzkosten einfach an die Arbeits-
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel: Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkelkosten gekoppelt lassen, wer so tut, als brauche mankeine Kapitaldeckung in der Pflege, der lebt nicht imSinne eines nachhaltigen Lebens, sondern der lügt sichin die Tasche. Das ist die Wahrheit.
Deshalb werden wir sowohl das Thema der Kapital-deckung in der Pflege angehen als auch uns die Fragestellen, wie wir langfristig unser Gesundheitssystemweiterentwickeln.
Ich sage ganz deutlich: Diese christlich-liberale Koali-tion steht dafür, dass es keine Zweiklassenmedizin gibt,
dass jeder, der medizinische Leistungen braucht, sieauch bekommt, aber in einer Art und Weise, die die Be-schäftigungsmöglichkeiten in unserem Lande nicht un-terminiert. Dieser Aufgabe stellen wir uns.
Wir werden sie lösen, so wie wir als Koalition aus Unionund FDP die großen Sozialsysteme dieses Landes aufden Weg gebracht haben.
Auch das ist die Wahrheit. In dieser Tradition bewegenwir uns.
Wir werden der Integration von Zugewanderten in un-serem Lande weiter eine große Bedeutung zumessen.Wir haben als eine der ersten Maßnahmen dafür gesorgt,dass die Anerkennung von Berufsabschlüssen auslän-discher Mitbürgerinnen und Mitbürger verbessertwird, ein Thema, das schnell angegangen werden muss.Wir werden im 20. Jahr der deutschen Einheit die Soli-darität zwischen Ost und West weiterentwickeln.
Der Solidarpakt gilt – ich sage das ausdrücklich –, weildie strukturellen Probleme der neuen Bundesländer nachwie vor andere sind als in den alten Bundesländern.Wir werden natürlich auch den Zusammenhalt nichtnur in unserer Gesellschaft, sondern insgesamt auch inunserer Außen- und Sicherheitspolitik deutlich machen.Ich werde nächste Woche in einer Regierungserklärungzu Afghanistan darlegen, wie wir uns die nächste Etappedes Afghanistan-Einsatzes vorstellen. Wir werdenschwierige Verhandlungen mit dem Iran führen, bei de-nen es um Sanktionen gehen wird. Wir werden eine neueStrategie der NATO auszuarbeiten haben. Aber wir wer-den unseren Bündnisverpflichtungen gerecht werden.DmtesdeKFP2Dli2insfo2mmzdGfahgkdukDjeKvudfeBte
nd wir glauben, wir können das schaffen.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gregor Gysi für
ie Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habestgestellt, dass Sie sich nach dem völligen Fehlstart derundesregierung wirklich lange Beifall klatschen muss-n, um sich aufzumuntern. Aber das ändert nichts daran.
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Dr. Gregor GysiFangen wir doch mit Ihrer Militäraußenpolitik an,also mit Afghanistan. Was mich in den letzten Wochenentsetzt hat, ist der Umgang mit der Vorsitzenden derEvangelischen Kirche in Deutschland, Frau Käßmann.
Ich sage Ihnen auch, warum. Herr Klose hat gesagt,wenn man die Truppen der NATO aus Afghanistan ab-zöge, dann hätten neun Wochen später die Taliban wie-der die Macht. Wenn das stimmt, lieber Herr Gabriel,dann frage ich Sie, was Sie eigentlich neun Jahre langgemacht haben, wenn sich nichts geändert hat und nachneun Wochen wieder die alten Kräfte die Macht hätten.Wozu wurde dann neun Jahre dieser Krieg geführt? Dasist doch skandalös.
Ein weiterer Punkt ist, dass Ralf Fücks von den Grü-nen, Herr Robbe von der SPD und auch Unionsabgeord-nete auf eine Art und Weise über Frau Käßmann herge-fallen sind, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte,und zwar aus einem Grunde: Wenn sich nicht einmalmehr eine führende Kraft einer christlichen Kirche fürden Frieden engagieren darf und Sie ihr vorwerfen, dasssie nicht für Krieg ist, dann ist das ein einzigartigerSkandal.
Ich verlange von einem christlichen Menschen, dass ersich besonders für Frieden engagiert.Im Übrigen kennen wir inzwischen den NATO-Bericht vollständig. Herr zu Guttenberg, wenn Sie ihngelesen haben – den wollen Sie ja gelesen haben –, dannist mir völlig schleierhaft, wie Sie den Kunduz-Einsatzjemals als angemessen bezeichnen konnten. Aus demBericht geht ganz klar hervor, dass er völlig unangemes-sen war, und zwar sowohl moralisch als auch völker-rechtlich.
Der Präsident von Afghanistan, Karzai, will eine poli-tische Versöhnung selbst mit bestimmten Taliban. Erwill einen politischen Prozess. Ohne einen politischenProzess werden die Probleme in Afghanistan auch nichtzu lösen sein. Ihre ewige Debatte darüber, die Zahl derSoldaten aufzustocken, hilft Afghanistan nicht. Wirbrauchen endlich zivile Hilfe, und deshalb muss die Ar-mee – das gilt für unsere wie auch für die anderen Ar-meen – aus Afghanistan abziehen.
Eines hat die Linke erreicht, nämlich dass jetzt alleüber den Abzug debattieren. Das war noch in der letztenLegislaturperiode anders. Wenn Sie alle über einen Ab-zug debattieren, dann muss man allerdings genau hinhö-ren. Herr Bundesaußenminister Westerwelle, ich höreIhnen, wie Sie wissen, genau zu. Sie haben gesagt, dassinSüuoZJg1RisdgdGFbZumggngjegsEagdIcdspDgcDsdndg2Dcu
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Frau von der Leyen ist jetzt verpflichtet, die Rente ab 67u überprüfen. Sie hat schon gesagt, sie wird sie zwarberprüfen, aber es wird dabei bleiben. Frau von dereyen, wenn Sie schon mit dem Ziel überprüfen, dass al-s dabei bleibt, dann können Sie es auch gleich bleibenssen.
Es wird immer gesagt, die Älteren müssten länger ar-eiten. Wissen Sie aber, wie viele der 63- bis 64-Jähri-en heute beschäftigt sind? – 7,4 Prozent! Über 90 Pro-ent sind ohne Beschäftigung. Und Sie sagen diesenber 90 Prozent, sie sollten gefälligst zwei Jahre längerrbeiten. Das ist in einer leicht altersrassistischen Gesell-chaft geradezu ein Hohn!
Wir haben gerade eine Kindergelderhöhung erlebt.err Schäuble hat sich sehr aufgeregt, als ich gesagtabe, dass die Hartz-IV-empfangenden Eltern für ihreinder nicht einen Cent mehr bekommen. Er hat gesagt,ie bekämen einen anderen Kinderzuschlag. Man darfber nicht vergessen, dass dieser gar nicht erhöht wordent. Wenn Sie das Kindergeld für alle erhöhen, warum er-öhen Sie dann nicht wenigstens auch den Kinderzu-chlag für Hartz-IV-Empfänger? Dazu habe ich keinerklärung gehört. Das Ganze liegt jetzt beim Bundesver-ssungsgericht. Ich hoffe und glaube, dass das Bundes-erfassungsgericht Ihnen bescheinigen wird, dass dieegelsätze für Kinder von Hartz-IV-Empfängern zuiedrig und daher verfassungswidrig sind. Sie sprechenon Chancengleichheit für Kinder, sorgen aber dafür,ass so viele Kinder in Armut aufwachsen, dass von
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Dr. Gregor GysiChancengleichheit nicht einmal im Ansatz die Rede seinkann.
Im Übrigen brauchen wir endlich die Rentenanglei-chung zwischen Ost und West; dazu werde ich ein ande-res Mal etwas sagen.Frau Bundeskanzlerin, Sie haben erklärt, dass Siekeine Zweiklassenmedizin wollen. Ich habe aber denEindruck, Sie wollen eine Dreiklassenmedizin. Was or-ganisieren Sie eigentlich? – Sie wollen eine Kopfpau-schale. Ich bitte Sie! Sie wollen, dass die Lidl-Verkäufe-rinnen und Herr Ackermann den gleichen Betrag in dieVersicherung einzahlen. Ist Ihnen schon mal aufgefallen,dass eine Lidl-Verkäuferin etwas weniger verdient alsHerr Ackermann und dass man das deshalb anders orga-nisieren muss?
Außerdem haben Sie über Bildung gesprochen. Siehaben Recht, bei Bildung geht es nicht nur um Geld.Aber uns fehlen jährlich 40 Milliarden Euro. Ihr Hin-weis, die Kommunen sollten darauf hoffen, dass Sie ih-nen jetzt das Geld wegnehmen, damit später etwas zu-rückkommt, nutzt den Schülerinnen und Schülernabsolut gar nichts.Wenn Sie es mit der Chancengleichheit, von der Siegeredet haben, ernst meinen, muss endlich die sozialeAusgrenzung bei der Bildung aufhören. Wer die Kinder,wie zum Beispiel in Bayern, nach der vierten Klassetrennt, der betreibt nicht anderes als soziale Ausgren-zung. Wir kämpfen für Gemeinschaftsschulen, damitalle Kinder in Deutschland eine Chance auf eine guteBildung haben.
– Ich weiß, dass Sie das nicht wollen. Sie wollen immerdie Eliteförderung. Das Professorenkind soll ganzschnell von dem Hartz-IV-Empfänger-Kind getrenntwerden. Wir wollen das nicht. Wir wollen, dass auch dasHartz-IV-Empfänger-Kind eine Chance bekommt.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, dass Sie al-les Notwendige gegen die Krise getan haben. Aber auchSelbstüberschätzung muss doch Grenzen haben.
Nicht eine einzige Regulierungsmaßnahme für die Fi-nanzmärkte ist eingeführt worden. Der größte Skandalin Ihrer Rede war, dass Sie gesagt haben, die Kosten derKrise müssten von allen Steuerzahlerinnen und Steuer-zahlern bezahlt werden, und dass Sie das gerecht finden.Die Krise wurde aber von den Managern der Banken undden verantwortlichen Politikern angerichtet. Und jetztsagen Sie der Lidl-Verkäuferin, sie solle dafür mit ihrenSteuern bezahlen. Das finde ich grob ungerecht, und da-her schlagen wir andere Lösungen vor.
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Nun sagen Sie zu Recht: Auch andere Parteien kriegenpenden. – Die Allianz ist ein tolles Beispiel. Dieiester-Rente wurde eingeführt. Seitdem bekommenDU, CSU, FDP, SPD und Grüne jährlich je 60 000 Euroon der Allianz. Ich habe mich sehr über das geärgert,as Herr Schäuble gestern gesagt hat. Das will ich be-ründen. Er hat hier am Pult gesagt, dass er es als einenkandal empfindet, dass wir das öffentlich machen, weilir damit die parlamentarische Demokratie gefährden.as war seine Aussage. Ich sage Ihnen: Das ist eine Un-erschämtheit. Die Spenden und die Annahme der Spen-en gefährden die parlamentarische Demokratie, nichtie Tatsache, dass man etwas dagegen tut.
Die Politik gerät doch immer stärker in den Ruf, kor-pt zu sein, käuflich zu sein. Wenn wir das nicht wol-n, dann lassen Sie uns doch gemeinsam eine Verständi-ung darüber herbeiführen, dass Spenden von größerennternehmen, von Versicherungen, von Banken und vonirtschaftsverbänden an die Parteien verboten sind. Lie-er würde ich die staatlichen Mittel erhöhen,
ls von Spenden abhängig zu werden, wie Sie es inzwi-chen sind, und dann die Politik derjenigen zu betreiben,ie spenden.
Herr van Essen, wie soll das denn enden? Wollen wirerträge schließen? Dann schließen wir Verträge mit be-timmten Unternehmen und bringen anschließend ent-prechende Anträge ein, und Sie machen dasselbe mitnderen Unternehmen. Wo leben wir denn hier? Wir sindie Repräsentanten des Volkes und nicht die irgendwel-her Lobbyisten. Das muss deutlich werden.
Herr Bundesminister Rösler, auch Sie pflegen dies,dem Sie einen Lobbyisten der privaten Krankenversi-herungen einstellen, der Ihnen die Gesetze entwerfenoll. Auch das kennen wir schon seit längerer Zeit. Wasoll denn eigentlich dabei herauskommen? Ich kenneesetzentwürfe, die britische Anwaltskanzleien ge-chrieben haben. Sie wissen noch, das war in der letztenegislaturperiode. Wo soll denn das Ganze enden? Wozuezahlen wir eigentlich die Beamtinnen und Beamten,enn sie nicht einmal mehr einen Gesetzentwurf schrei-en dürfen? Ich sage Ihnen: So geht das nicht. Wenn wirie Demokratie diesbezüglich stärken wollen, müssenir hier andere Regelungen treffen. Es geht nicht darum,ass der Einzelne annimmt oder nicht annimmt. Wir
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Dr. Gregor Gysimüssen das unterbinden. Anders werden wir nicht glaub-würdig.
Nun haben Sie gesagt, die Steuersenkungen seien sowichtig und würden so viel bringen. Sie treiben dieKommunen in die Pleite, das stimmt. Sie schaden insge-samt der Binnenwirtschaft, weil Ihre Vorstellungen, be-stimmte Steuern zu senken, dazu führen, dass Sie genaudiejenigen schwächen, auf die wir dringend angewiesensind, wenn wir zum Beispiel mehr Vollbeschäftigung or-ganisieren wollen.Lassen Sie mich zu einem Beispiel kommen, demStufentarif. Das ist eine Lieblingsidee der FDP. 10 Pro-zent, 25 Prozent und 35 Prozent Steuern je nach Höhedes Einkommens, das ist Ihre Vorstellung. Ich stelle fest:Für die unteren Steuerzahlerinnen und Steuerzahler be-deutete das eine Einsparung von 1 Prozent, für die Top-verdiener von 16,8 Prozent. Finden Sie das nicht ein biss-chen ungerecht? Darf ich mal daran erinnern, dass derSpitzensteuersatz bei der Einkommensteuer unter demChristdemokraten Kohl bei 53 Prozent lag, dass er vomSozialdemokraten Schröder auf 42 Prozent gesenkt undvon der Großen Koalition für die Spitzeneinkommenwieder auf 45 Prozent erhöht wurde? Und jetzt wollenSie auf 35 Prozent runter? Sie können den Besserverdie-nenden gleich sagen, sie sollten überhaupt keine Steuernbezahlen. Wie wollen Sie denn auf dieser Basis jemalsSteuergerechtigkeit herstellen? Das ist doch überhauptnicht mehr nachzuempfinden.
Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben von dem größtenDefizit in Höhe von 86 Milliarden Euro gesprochen. Dasverstößt natürlich gegen die Maastricht-Kriterien. Auchmit der künftigen Schuldenbremse, die Sie fälschlicher-weise beschlossen haben, hat das nichts zu tun.Nun kommt eine Sache, die wir Ihnen nicht durchge-hen lassen können. Sie sagen, was Sie vorhaben, könn-ten Sie leider erst nach der Steuerschätzung im Mai2010 erklären. Für wie doof halten Sie denn die Leute?Die merken doch alle, dass Sie ihnen erst nach derNRW-Wahl sagen werden, was auf sie zukommt. Das istein Wahlbetrug mit Ansage. Das ist überhaupt nicht hin-nehmbar.
Alle Kernzahlen sind Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, dochbekannt. Sie müssen doch keine Steuerschätzung abwar-ten, die im Übrigen sowieso noch nie gestimmt hat. Siekönnen sich darauf gar nicht verlassen. Sie haben dochjetzt alle Kernzahlen, um sagen zu können, was Sie ei-gentlich vorhaben. Immerhin, Herr Schäuble hat es an-gedeutet. Er sprach davon, dass kein Politikbereich aus-genommen sei, dass es keine Besitzstandswahrung gebe,dass Einschnitte in Leistungsgesetze zu erwarten seien.Welche denn? Warum sagen Sie das den Leuten nicht?Ich empfinde das als höchst unehrlich. Seien Sie so offenund sagen Sie jetzt, was Sie vorhaben, damit wir uns imRahmen der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen da-mddbuuRuWbsmBMhlireWshssmSMzdsghDFnIcmvEkogfoshhEhri
Stichwort „Steuergerechtigkeit“: Wir können gerneal über Steuergerechtigkeit diskutieren. Wir sind zumeispiel dafür, dass diejenigen, die bis zu 6 000 Euro imonat verdienen, in Zukunft weniger Steuern zahlen alseute. Diejenigen, die mehr verdienen, sollen aber end-ch mehr zahlen. Auch das gehört nämlich zur Steuerge-chtigkeit.
ir haben Ihnen gesagt: Wir wollen eine Börsenumsatz-teuer, auch zur Eindämmung der Spekulationen. Wiraben Ihnen gesagt: Wir wollen endlich eine Vermögen-teuer als Millionärsabgabe. Was ist denn daran sochlimm, dass jemand, der mehr als1 Million Euro Ver-ögen hat, darauf eine Steuer zahlt? Warum verweigernie sich denn? Mein Gott, es gibt sogar eine Gruppe vonillionären, die fordern, endlich mal Steuern bezahlenu können. Richten Sie sich nach denen und nicht nachen anderen!
Wir haben gesagt: Wir wollen eine höhere Erbschaft-teuer bei großen Erbschaften und natürlich auch eineerechte Körperschaftsteuer. Wie ich schon gesagtabe, ist trotz der Finanzkrise so gut wie nichts passiert.er amerikanische Präsident hat eine Idee, die ich Ihnen,rau Bundeskanzlerin, einmal erläutern muss. Ich weißicht, wann Sie das letzte Mal mit ihm telefoniert haben.h habe von seiner Idee gelesen. Sie scheinen sich da-it zu wenig zu beschäftigen.
Was hat Obama gemacht? Obama hat gesagt, er wolleon den Banken etwa 120 Milliarden Dollar kassieren.r wolle jeden Cent zurück, den die Banken dem ameri-anischen Volk direkt oder indirekt schuldeten. „Direktder indirekt“, das ist sehr spannend. Eine solche Ab-abe, nämlich die „Finanzkrisenverantwortungsgebühr“,rdern wir, und zwar deshalb, weil die Banken inzwi-chen wieder riesige Bonuszahlungen leisten; dagegenaben Sie nichts unternommen. Die Deutsche Bank etwaat darüber hinaus einen Gewinn von 10 Milliardenuro angekündigt. Das ist doch der Gipfel! Wir zahlenier täglich riesige Summen, die Banken erwirtschaftenesige Gewinne, leisten Bonuszahlungen, und Sie zie-
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Dr. Gregor Gysihen die Banken mit keiner einzigen Steuer zur Bezah-lung des Ganzen heran.
Um es klar zu sagen: Bei den direkten und indirektenZahlungen geht es, lieber Herr Kauder, um die Aufwen-dungen der Steuerzahler zur Bankenrettung. Es geht umden Ausgleich für Steuermindereinnahmen; durch Ab-schreibungen ihrer Verluste haben die Banken nämlichdeutlich weniger Steuern gezahlt. Es geht darum, dasswir für die Rettung der HRE 12,8 Milliarden Euro anForderungen gesichert haben. Wenn wir diese Forde-rungen nicht mit staatlichen Mitteln gesichert hätten,dann wären sie abgeschrieben worden. Damit wärenwieder Steuerverluste verbunden gewesen. Es geht alsoauch – ich muss das ganz deutlich sagen – um indirekteVerluste. Wenn der Präsident der Vereinigten Staatenvon Amerika den Mumm hat, seine Banken zur Kasse zubitten, dann erklären Sie mir, warum Ihnen hier inDeutschland dieser Mumm fehlt.
Wir fordern doch nur genau das, was dort geschieht.Im Übrigen planen auch Frankreich und Großbritan-nien die Einführung einer solchen Abgabe; Sie nicht,Frau Merkel. Ich bitte, dass Sie den Bürgerinnen undBürgern erklären, warum Sie immer nur die Bankenschonen, immer nur die Hoteliers schonen, immer nurbestimmte Lobbygruppen schonen, während die anderen– bis hin zu den Verkäuferinnen und Verkäufern, denRentnerinnen und Rentnern – das alles bezahlen müssen.Ich finde das unerträglich.Eines werden Sie verstehen, Frau Bundeskanzlerin – wirhaben hin und her diskutiert; es bleibt dabei –: Wir kön-nen Ihrem Etat leider nicht zustimmen.
Das Wort erhält nun die Kollegin Birgit Homburger
für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirwollen den Wohlstand erhalten, Perspektiven eröffnenund Zukunftsfähigkeit schaffen. Dabei setzen wir nichtzuerst auf den Staat, sondern vor allen Dingen auf dieBürgerinnen und Bürger in diesem Land. Deshalb wol-len wir die Rahmenbedingungen schaffen, durch die esermöglicht wird, dass die Potenziale ausgeschöpft wer-den, die in dieser Gesellschaft stecken. Wir wollen denIdeenreichtum und die Kreativität der Menschen anre-gen. Wir wollen die Leistungsbereitschaft fördern. Jederin diesem Land soll im Rahmen seiner MöglichkeitenVerantwortung übernehmen dürfen und übernehmenkönnen.DtewzDmssEswtueueknwnliDpKWEebWh2Sds
afür haben wir auch einen klaren Wählerauftrag erhal-n. Die Menschen wollen, dass sich etwas ändert. Sieollen vor allen Dingen ein neues Verhältnis des Staatesu seinen Bürgern.
abei muss man insbesondere eines zur Kenntnis neh-en, Herr Trittin: Die Bürgerinnen und Bürger wissenehr genau: Nicht der Staat finanziert seine Bürger,
ondern die Bürgerinnen und Bürger finanzieren mit denrträgen aus ihrer harten Arbeit den Staat. So verhält esich. Deshalb wollen wir, dass in diesem Land endlichieder fair mit den Bürgern umgegangen wird.
Aus genau diesem Grunde haben wir das Wachs-msbeschleunigungsgesetz gemacht. Wir haben damitinen Impuls für Wachstum und Beschäftigung gesetzt,nd wir haben eine Entlastung vorgesehen, und zwarine Entlastung vor allen Dingen für die unteren Ein-ommensgruppen, insbesondere für die Familien mitiedrigem Einkommen. Das zeigt sich allein daran, dassir für die Erhöhung des Kinderfreibetrages 400 Millio-en Euro aufwenden, für das Kindergeld jedoch 4,2 Mil-arden Euro.
as sind die Realitäten. Das zeigt schon, dass diejenigenrofitieren, die wenig Geld haben, nämlich Familien mitindern in unteren Einkommensschichten.
Nun, Herr Gysi, unterhalten wir uns einmal über dieirklichkeit.
s interessiert Sie wahrscheinlich nicht, aber ich werdes Ihnen trotzdem vortragen. Schauen wir uns einmaleispielhaft an, meine Damen und Herren, was dasachstumsbeschleunigungsgesetz für eine alleinste-ende Krankenpflegerin mit einem Gehalt von ungefähr 300 Euro brutto im Monat bedeutet.
ie hat 2010 deutlich weniger Steuern zu zahlen und da-urch 360 Euro mehr. Oder nehmen Sie den Elektroge-ellen,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010 1265
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Birgit Homburgermehrere Berufsjahre, verheiratet, zwei Kinder, ungefähr25 000 Euro Einkommen im Jahr – das sind realistischeZahlen –: Dieser musste bisher Steuern bezahlen, erzahlt jetzt keine Steuern mehr.
Er hat 536 Euro im Jahr mehr, das heißt ungefähr45 Euro mehr im Monat.
– Jetzt schreien Sie nicht dazwischen! Das mag für Siewenig sein, weil Sie nur die Realität hier im Bundestagkennen. Aber für diese Familien ist das viel Geld. DieseRealität müssen Sie endlich mal zur Kenntnis nehmen.
– Herr Kelber, es nützt Ihnen nichts, wenn Sie nurschreien; damit haben Sie noch kein Konzept.Ich sage Ihnen ganz deutlich: All das, was diesechristlich-liberale Koalition jetzt macht, stand in unserenWahlprogrammen.
All das war lange vor dem 27. September 2009 klar. Wirhaben dann einen klaren Wählerauftrag erhalten, nichttrotz, sondern wegen unseres klaren politischen Kurses.Genau den werden wir jetzt auch gemeinsam umsetzen.
Dann lesen wir allenthalben, dass Herr Gabriel, dersich da hinten freundlich unterhält,
vor Wählerbetrug warnt. Herr Gabriel, mich wundert dasnicht. Schauen wir uns einmal an, was die SPD gemachthat: Vor der Wahl 2002 haben Sie gesagt, Sie wollten dieSteuern nicht erhöhen. Nach der Wahl haben Sie sie na-türlich erhöht. Vor der Wahl 2005 haben Sie ganz klargesagt, niemals würden Sie einer Mehrwertsteuererhö-hung zustimmen. Selbstverständlich wurde 2005 dieMehrwertsteuer erhöht, und es folgten weitere 19 Steuer-erhöhungen. Das ist die Realität. Wenn also jemand indiesem Land Erfahrung mit Wählerbetrug hat, dann sindes Sie, Herr Gabriel, und die SPD.
Ich sage Ihnen: Es ticken nicht alle so wie Sie. Wir wer-den weiter Wort halten.DsgduSnDteVemkwUga–geddWskbzhBmdüs
as zeigt dreierlei: Erstens. In konjunkturell guten Zei-n wurde nicht ausreichend gespart. Das lag in Ihrererantwortung, meine Damen und Herren.
Zweitens. Der Staat hat kein Einnahmeproblem, er hatin Ausgabenproblem.
Drittens. Der Glaube, man müsse nur mehr Einnah-en haben, um den Haushalt in Ordnung bringen zuönnen, hat sich nicht bewahrheitet. Deswegen werdenir einen anderen Weg gehen, nämlich den eines fairenmgangs mit den Bürgern. Wir werden Steuerentlastun-en vornehmen und damit auch die Wirtschaft wiedernkurbeln.
Auch das haben wir gerade klargestellt.Entsprechend dem Koalitionsvertrag halten wir an derroßen Steuerstrukturreform fest. Wir wollen auchine weitere Entlastungswirkung erreichen, und zwarurch eine Verbesserung der Leistungsgerechtigkeit undurch die Vereinfachung des Steuerrechts.
ir wollen, dass ein Arbeitnehmer endlich wieder ver-teht, was der Staat von ihm will, und dass er beurteilenann, ob das auch fair ist. Ich sage Ihnen: Wenn ein Ar-eitnehmer mit 30 000 Euro brutto im Jahr von jedemusätzlich verdienten Euro 52 Cent abgeben muss, dannat das nichts mehr mit Fairness im Umgang mit denürgern zu tun, sondern dann ist das Abzocke. Das de-otiviert die Leistungsbereiten, und deshalb werden wiras im Sinne der Mitte dieser Gesellschaft beenden.
Wir wollen damit Impulse geben, um die Krise zuberwinden, und Rahmenbedingungen so setzen, dassozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze erhalten und
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Birgit Homburgerneue geschaffen werden können. Wir wollen einen Auf-bruch für Deutschland.
Dazu ist es auch nötig, dass Einsparungen vorgenommenwerden.
Das haben wir immer gesagt. Haushaltskonsolidierungund Steuerentlastung gehen bei uns Hand in Hand.
Fangen wir beim Haushalt 2010 an. Vielleicht hättenSie sich den einmal anschauen sollen, bevor Sie an die-ser Debatte teilnehmen, meine Damen und Herren. ImHaushalt 2010 ist es nämlich gelungen, mit einer gerin-geren Neuverschuldung,
als noch mit einem SPD-Finanzminister unter der altenRegierung beschlossen, auszukommen, obwohl wir dieBürgerinnen und Bürger und die Unternehmen zum1. Januar dieses Jahres entlastet haben. Das zeigt: Esgeht, wenn man will.
Nun zum Haushalt 2011. Natürlich werden wir dieSchuldengrenze einhalten.
Das ist eine pure Selbstverständlichkeit. Wir werdentrotzdem alles daransetzen, im Haushalt weitere Entlas-tungsspielräume für die Bürgerinnen und Bürger zu erar-beiten.
Dass das harte Arbeit ist, wissen wir. Deshalb werdenwir alle Subventionen auf den Prüfstand stellen.
Deshalb werden wir dafür sorgen, dass der Staat endlicheffizienter arbeitet. Wenn ich mir die strukturellen Defi-zite in diesem Haushalt anschaue, stelle ich fest, dass wirhier erhebliche Einsparpotenziale haben.
Diese Einsparpotenziale werden wir heben und demHaushalt nachhaltig zur Verfügung stellen.
Außerdem werden wir den Bürokratieabbau voran-treiben; denn das ist ein Konjunkturprogramm zum Null-tarif. Auch das wird helfen. Wir werden dafür ein Ge-svHuJ–sIh–g–afighdDisdRVW1nsWIhs
nd der wird wie immer planmäßig im September diesesahres in diesem Hohen Hause debattiert werden.
Es ist schon bemerkenswert, dass vonseiten der Oppo-ition die ganze Zeit hineingebrüllt wird. Ich habe vonnen noch kein einziges Konzept gesehen.
Das geht an die Adresse der SPD, Herr Trittin. Ichlaube nicht, dass Sie die gerade verteidigen wollten.
Das wird sich noch zeigen, Herr Steinmeier. – Es gehtn die Adresse der SPD, weil ich es bemerkenswertnde, wie Sie sich neu aufstellen. Von Ihrer Klausurta-ung wurde berichtet, dass Ihr Parteivorsitzender erklärtabe, der Satz „Erst das Land, dann die Partei“ habe inieser Form für die SPD an Gültigkeit verloren.
as ist Ihre Antwort auf die Krise in diesem Land. Dast ein Offenbarungseid für eine einst so stolze sozial-emokratische Partei. Sie sind von den Wählern zuecht in die Opposition geschickt worden.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir werden auch dieereinfachung des Steuersystems vorantreiben.
ir haben in unserem Koalitionsvertrag bereits9 konkrete Maßnahmen aufgeschrieben. Das kann manachlesen; das brauche ich jetzt nicht vorzulesen. Wirind ja nicht hier, um Ihnen eine Vorlesung zu geben.ir gehen davon aus, dass Sie lesen können. Wir könnennen gerne ein Exemplar des Koalitionsvertrageschenken, wenn Sie noch keines haben.
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Birgit HomburgerIch sage Ihnen sehr deutlich – auch das steht im Ko-alitionsvertrag –: Wir werden das komplizierte Mehr-wertsteuersystem, das undurchschaubar ist,
insgesamt überarbeiten.
Dazu wird eine Kommission eingesetzt; denn das Mehr-wertsteuersystem muss vernünftig vom Kopf auf dieFüße gestellt werden, und zwar in der kompletten Breite.
Dafür braucht man Zeit und eine vernünftige Vorberei-tung. Sie haben das in Ihrer Regierungszeit nicht getan.Wir werden uns dieser Aufgabe jetzt annehmen.
In der Gesundheitspolitik hat uns Ulla Schmidt nichtnur ihren wiedergefundenen Dienstwagen hinterlassen,sondern auch einen völlig maroden Gesundheitsfonds.
Der von der SPD durchgesetzte Gesundheitsfonds hatkeine Stabilität geliefert.
Für 2010, also bereits nach einem Jahr, haben wir einenFehlbetrag von 8 Milliarden Euro.
Die Hälfte muss jetzt durch Steuerzuschüsse ausgegli-chen werden.Wir wollen ein solidarisches Finanzierungssystem,das nicht an der Beitragsbemessungsgrenze endet. Wirwollen den Einstieg in einkommensunabhängige Arbeit-nehmerbeiträge und einen Sozialausgleich durch dasSteuersystem, weil wir davon überzeugt sind, dass es ge-rechter ist, dass es die Arbeit nicht immer teurer machtund dass es vor allen Dingen zukunftsfest ist. Das wer-den wir im Gesundheitswesen umsetzen.
Ich möchte nun auf das zurückkommen, was HerrGysi hier über Hartz IV gesagt hat, und halte zunächsteinmal fest, dass das Sozialste, was man einem Men-schen geben kann, ein Arbeitsplatz ist.
Genau das wollen wir erreichen. Wir wollen, dass wie-der mehr Menschen Chancen auf sozialversicherungs-pflichtige Beschäftigung in Deutschland haben. Einigen,die sich in den letzten Tagen an Diskussionen überHartz IV beteiligt haben, muss man sagen, dass man mitPauschalierungen der Situation der Menschen nicht ge-recht wird. Aus unserer Sicht gibt es – das ist die Hal-tung der kompletten Koalition – keinen Bedarf an ge-setzlichen Änderungen bei den Zumutbarkeitskriterien.DdmtalokdwgdwmHd7sgzbbDruhruDHLnKd
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich möchte den Gedanken erst noch zu Ende führen,
err Präsident.
Wir werden auch beim Schonvermögen etwas än-
ern. Wir werden das Schonvermögen von 250 auf
50 Euro pro Lebensjahr erhöhen, weil wir der Meinung
ind, dass jemand, der das getan hat, was wir ihm die
anze Zeit gepredigt haben, nämlich ein Leben lang vor-
usorgen, und der dann unverschuldet in Hartz IV gerät,
esser gestellt sein muss als derjenige, der in seinem Le-
en nicht vorgesorgt hat.
azu fällt der SPD jetzt nach elf Jahren auf der Regie-
ngsbank ein, dass sie das eigentlich auch gern gemacht
ätte. Sie sind herzlich eingeladen, uns bei diesen Ände-
ngen zu unterstützen.
ie christlich-liberale Koalition wird die Fehler Ihrer
artz-IV-Reformen zum Wohle der Menschen in diesem
and endlich beseitigen.
Frau Kollegin Homburger, darf der Kollege Beck Ih-
en nun eine Zwischenfrage stellen?
Bitte.
Frau Kollegin, Sie haben gerade die Solidarität imrankenversicherungssystem angesprochen. Ich habeazu eine Frage an Sie: Trifft es eigentlich zu, dass die
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Volker Beck
Mitglieder der FDP-Fraktion Sonderkonditionen bei derDKV angeboten bekommen?
Sehr verehrter Herr Beck, ich weiß nicht, wo es Son-
derkonditionen gibt. Fakt ist, dass jeder das Recht hat,
sich selbst zu versichern, und dass wir wollen, dass alle
in diesem Lande das Recht bekommen, ihre Kranken-
kasse frei zu wählen. Das haben Sie in der Vergangen-
heit verhindert. Wir wollen, dass die Menschen in die-
sem Land, die mehr entscheiden können, als Sie ihnen
zutrauen,
endlich die Möglichkeit erhalten, selbst zu entscheiden,
wo sie sich versichern, in welchem Umfang sie sich ver-
sichern und welche Zusatzversicherungen sie abschlie-
ßen. Dazu sind die Menschen selbst in der Lage, und ge-
nau das werden wir auch auf den Weg bringen, Herr
Beck.
Wir werden dieses Land zukunftsfest machen. Des-
halb werden wir 12 Milliarden Euro zusätzlich in Bil-
dung und Forschung investieren. Es ist uns ein ganz
zentrales Anliegen, dass zu Beginn von Bildungskarrie-
ren von Kindern investiert wird. Wir wollen Chancen-
gleichheit beim Start und nicht Ergebnisgleichheit am
Schluss. Wir wollen die Potenziale erschließen, die es
unabhängig von Herkunft, Schicht oder Geschlecht eines
Kindes gibt. Kein Kind darf in diesem Bildungssystem
verloren gehen. Das ist das Ziel. Deshalb werden wir uns
von Bundesseite engagieren. Wir werden ein Stipendien-
wesen aufbauen.
Wir werden genauso Impulse setzen und bei den Län-
dern anregen, dass mehr in frühkindliche Bildung inves-
tiert wird,
weil das der Schlüssel für soziale Gerechtigkeit ist.
Wir wollen Aufstiegschancen durch Bildung. Das
ist das Ziel. Deswegen müssen wir zur Kenntnis neh-
men, dass es Familien gibt, die ihrer Verantwortung ge-
recht werden, und dass es andere gibt, die das offensicht-
lich nicht tun und deren Kinder, wenn sie in die Schule
kommen, nicht in der Lage sind, lesen und schreiben zu
lernen. Diese Defizite müssen beseitigt werden, bei-
spielsweise dadurch, dass im vierten Lebensjahr eine
Sprachstandsdiagnose erhoben wird; in Baden-Württem-
berg ist das bereits flächendeckend der Fall. Wenn dann
Förderbedarf erkennbar ist, folgt zwingend eine Förder-
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Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir werden im Rahmen
es Prinzips „Fordern und Fördern“ nicht nur die Kinder
rdern, sondern müssen auch die Eltern in dieser Ge-
ellschaft fordern. Auch die Eltern müssen in diesem Zu-
ammenhang ihre Verantwortung wahrnehmen. Anders
ird das nicht machbar sein.
Frau Kollegin Homburger, der Kollege Heil würde
erne eine Zwischenfrage stellen.
Ja, bitte.
Frau Kollegin Homburger, können Sie uns in dem Zu-
ammenhang, dass Sie Kinder früher und individueller
rdern wollen, einmal erklären, warum es eine gute Idee
ein soll, eine Prämie an die Eltern eines, sagen wir mal,
chlecht integrierten Kindes in Berlin-Neukölln zu zah-
n, damit das Kind bewusst nicht in die Kinderbetreu-
ng geht, wo es möglicherweise die Chance hätte, vor
er Schule die deutsche Sprache zu lernen? Warum wol-
n Sie als Liberale dieses Betreuungsgeld mit einfüh-
n, das alle Experten ablehnen, wenn Sie das wollen,
as Sie gerade gesagt haben, nämlich Aufstieg durch
ildung?
Zum Ersten. Es gilt auch hier, was ich vorhin zumhema Hartz IV gesagt habe: Mit Pauschalierungenerden Sie den Menschen in diesem Lande nicht ge-cht. Diejenigen, die sich verantwortungsvoll verhalten,aben es nicht verdient, von Ihnen so behandelt zu wer-en.
Zum Zweiten. Wir werden – das habe ich gerade er-utert – 12 Milliarden Euro zusätzlich in dieser Legisla-rperiode in Bildung und Forschung investieren. Dasedeutet, dass wir für die Bildungschancen der jungeneneration deutlich mehr tun, als Sie es in Ihrer Regie-ngszeit getan haben.
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Birgit Homburger
– Stellen wir doch einmal fest: Sie stellen die Fragen, ichgebe die Antwort.
Zum Thema Betreuungsgeld, lieber Kollege, hat dieFrau Bundeskanzlerin gerade das Nötige gesagt.
Man wird ein Konzept erarbeiten. Im Koalitionsvertragsteht im Übrigen auch, dass das gegebenenfalls ein Gut-scheinmodell werden kann.
So wird das Problem, das Sie beschrieben haben, garnicht erst entstehen. Deswegen können Sie ganz gelas-sen und sicher sein: Wir werden auch an diesem Punkt indieser Koalition eine gute Lösung finden, damit es fürmehr Menschen in diesem Land mehr Chancen gibt.
Ich war gerade beim Thema Innovation und For-schung. An dieser Stelle möchte ich unterstreichen, dassdas Energiekonzept für uns von besonderer Bedeutungist, dass wir das Zeitalter erneuerbarer Energien errei-chen wollen und deshalb im Bereich Technologiepolitiketwas tun und in Technologien investieren werden, bei-spielsweise im Bereich der Speichertechnologie, was Siein der Forschungspolitik über lange Zeit verhindert ha-ben, insbesondere unter Rot-Grün.
Wir werden auch darauf setzen, dass es eine größereEnergieeffizienz, dezentrale Energieerzeugung und vir-tuelle Kraftwerke gibt. Wir brauchen einen vernünftigenEnergiemix, einen tragfähigen Energiemix mit einemhöheren Anteil erneuerbarer Energien; erstens aus Kli-magründen und zweitens, weil das großartige Ex-portchancen für die deutsche Wirtschaft eröffnet.
Diese Koalition will Deutschland erneuern. Deswe-gen werden wir auch Änderungen auf dem Finanzmarktherbeiführen.
Wir haben eine Finanzmarktkrise erlebt, die mehrereAspekte deutlich gemacht hat. Es gab bisher schon Re-geln, aber wir haben feststellen müssen, dass diese Re-geln an vielen Stellen leider nicht eingehalten wurden.Das hat auch etwas damit zu tun, dass diese Regeln nichtrichtig überwacht werden.wbcUdfüwdssfüEwDghaCZgteEsaRdwbHsedRdgpswtrRsdH
nsere Definition eines starken Staates ist, dass er nurie Gesetze macht, die er wirklich braucht, und dann da-r sorgt, dass die existierenden Gesetze durchgesetzterden. Das ist ein starker Staat.
Genau das werden wir tun. Wir werden die Aufsicht,ie bisher zersplittert war, bei der unabhängigen Deut-chen Bundesbank zusammenführen. Das ist ein Fort-chritt, weil wir dann endlich eine Instanz haben, die da-r zuständig ist, den Banken auf die Finger zu schauen.
s ist wichtig, dass der Finanzmarkt sauber kontrolliertird.Wir brauchen auch neue Regeln. Ich sage in allereutlichkeit: Dass es im Bereich Finanzmarkt Problemeab, lag auch daran, dass diejenigen, die Verantwortungatten, nicht das Risiko getragen haben. Wir haben unsls FDP immer dafür eingesetzt – ich weiß, dass CDU/SU das genauso sehen –, dass es einen unmittelbarenusammenhang zwischen Risiko und Verantwortungibt. Den Fall haben wir beispielsweise bei Familienun-rnehmen, wo ein Unternehmer jeden Tag mit seinerxistenz und der Existenz seiner ganzen Familie dafürteht, dass etwas funktioniert. Genau das müssen wiruch im Finanzmarktbereich schaffen, nämlich dass wirisiko und Verantwortung wieder zusammenbringen,ass die Verantwortung von denjenigen übernommenerden muss, die die Entscheidungsmöglichkeiten ha-en. Das ist das Ziel. Wir brauchen ein verantwortlichesandeln in diesem Bereich. Das wird man nur dadurchchaffen, dass wir wieder die Übernahme von Risikeninfordern.
Ein letzter Punkt in diesem Zusammenhang. Ich biner Auffassung, dass bei den Banken, die damals zuecht mit einem Bankenrettungsschirm versehen wor-en sind, richtig gehandelt wurde. Das war zum damali-en Zeitpunkt notwendig. Wir waren damals in der Op-osition und haben trotzdem erkannt, dass die Situationchwierig war und es notwendig war, dass gehandelturde. Wenn ich die getroffenen Entscheidungen be-achte und die Tatsache berücksichtige, dass wir imückblick wissen, was alles passiert ist und was offen-ichtlich an Fehlern gemacht worden ist, dann bin icher Meinung, dass auch die Frage einer zivilrechtlichenaftung der Verantwortlichen geprüft werden muss.
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Birgit HomburgerDas sind wir den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern indiesem Land schuldig. Genau das werden die Verant-wortlichen an den Stellen, an denen wir Einfluss haben,auch tun.
Alle Gesetzesänderungen, die zur Stärkung der Verant-wortung nötig sind, alle Gesetze, die in elf Jahren sozial-demokratischer Finanzminister nicht auf den Weg ge-bracht worden sind, werden dank der neuen christlich-liberalen Koalition jetzt kommen.
Diese Koalition hat ein anderes Staatsverständnis.
Wir setzen zuerst auf den Bürger und dann auf den Staat.
Wir setzen auf die Schaffenskraft und den Ideenreichtumder Bürgerinnen und Bürger. Diesem Ideenreichtum,dieser Kreativität wollen wir wieder mehr Raum geben,mehr Freiheit lassen.
Diese Seite des Hauses, die christlich-liberale Koali-tion, denkt den Staat vom Bürger her.
Diese Seite des Hauses, die Opposition, setzt viel zu vielauf den Staat und bremst die Bürger aus.
Das ist der zentrale Unterschied. Das macht den Zusam-menhalt dieser Koalition aus. In genau diesem Sinnewerden wir Deutschland erneuern und mehr Chancen fürmehr Menschen in diesem Land schaffen.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Renate Künast für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! FrauMerkel, Sie haben uns viel von neuem Denken erzählt,gesagt, jetzt müsse neu gedacht werden. Ich hätte mir ge-wünscht, man hätte bei Ihrer Rede den Eindruck gehabt,dass Sie tatsächlich gedacht haben, und zwar an alleMenschen in diesem Land, an 1,8 Millionen arme Kin-der in diesem Land, an die Frage, wo eigentlich morgendie Arbeitsplätze für Junge und Alte in diesem Land ent-shIcmgRmHdfi–g„LnLmsShVkvb2s1ee1wtedeSGDwd
h hatte angesichts der Art Ihrer Rede das Gefühl, dassan das Redepult für Sie demnächst in die Kuppel oderar in die Wolken hängen könnte. So ungefähr war Ihredebeitrag, Frau Merkel.
Das Ganze wurde gekrönt von dem üblichen Kla-auk eines Guido Westerwelle, der erst einmal derabsburger k. u. k. Schule entsprechend den Arm umie Kanzlerin legen muss, damit ihn auch jeder fotogra-ert. Herr Merkel – –
Na ja, Frau Merkel, Herr Westerwelle. – Sie brauchenar nicht zu gehen, Herr Westerwelle. Ich weiß, eine18“ unter den Füßen ist nicht immer nur lustig. Diesesand hat ernsthafte Probleme. Was wir brauchen, ist eineues Programm, ein Programm für den Aufbau diesesandes, für eine Neuentwicklung. Dieses Programmuss auch in dem Haushaltsentwurf, der vorgelegt wird,einen Niederschlag finden. Ich stelle fest: Frau Merkel,ie hatten schon einmal vier Jahre Regierungszeit. Sieaben elf Jahre lang behauptet, wenn Sie nach diesererlobungszeit endlich mit Herrn Westerwelle regierenönnten, würde alles gut. Aber Sie haben weder in denergangenen vier Jahren den Mumm gehabt, noch ha-en Sie heute den Mut – das zeigt der Haushaltsentwurf010 –, eine Strukturreform für dieses Land anzufas-en. Dabei hätten wir das eigentlich nötig.
Ich muss einmal sagen: Wir haben in den ersten00 Tagen, in der Schonfrist, in der man normalerweisein bisschen zurückhaltend sein soll und Zeit geben soll,in Programm umzusetzen, gedacht, Sie würden diese00 Tage nutzen, etwas vorzulegen. Stattdessen habenir in den ersten 90 Tagen erlebt, wie sich kleine Möch-gernhäuptlinge, Seehofer und Westerwelle, in den Vor-ergrund stellen und streiten. Herr Westerwelle hat hierinmal in seiner unnachahmlichen Art gesagt: Auf jedemchiff, das dampft und segelt, gibt es einen, der dasanze regelt.
as würde ich an dieser Stelle gerne einmal sehen.Stattdessen sehen wir drei Leute, die Häuptlinge seinollen, drei Parteivorsitzende, die sich, weil schon inen ersten 100 Tagen nichts geht, bei Steak Tatar treffen.
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Renate KünastIch habe mir die Augen gerieben, als ich das gesehenhabe. Ich muss wirklich sagen: So tief ist diese Wunsch-koalition, Ihre Traumkoalition in den ersten 90 Tagenschon gesunken, dass Sie auf archaische Sitten vonStammesfürsten zurückgreifen müssen, nämlich den ge-meinsamen rituellen Verzehr von rohem Fleisch. Aberfür dieses Land ist dabei schon wieder nichts herausge-kommen.
Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit.Frau Merkel, Sie haben hier gerade einen Versuch derBetrachtung der Wirklichkeit unternommen: die Roh-stoffpreise, die Energieknappheit, der wachsende Ener-giehunger, der demografische Wandel, stärker belasteteFamilien, Kinder ohne Bildungschancen, fehlendesFachpersonal in diesem Land und die große Enttäu-schung nach Kopenhagen. Aber es reicht nicht, dieWirklichkeit nur zu betrachten, Frau Merkel, man mussdann auch anfangen, etwas zu tun. Die Wirklichkeit ver-trägt jetzt keine Reaktion von mittelmäßigen, von sichselbst begeisterten und kurzfristigen Lobbyinteressenverpflichteten schwarz-gelben Regierungsmitgliedern.
Auch Ihre Autosuggestion hat uns nicht weiterge-bracht. Das Betrachten der Realität heißt auch, auf dieWirklichkeit zu reagieren. Das würde heißen: Schaffungneuer Strukturen, zum Beispiel im Energiebereich,Schaffung neuer Strukturen und Investitionen im Be-reich Bildung, Schaffung einer neuen Verkehrsinfra-struktur und ein Neuaufbruch bei der Wissenschaft. AberSie sind diesen Herausforderungen faktisch mit Hasen-füßigkeit, mit Klüngelpolitik und mit einer durchschau-baren Notlüge begegnet. Diese durchschaubare Notlügeheißt bei Ihnen, Frau Merkel, schweigen. Moderieren seieine ganz besondere perfide oder auch kreative politi-sche Strategie. Davon haben wir nichts gemerkt. Ichempfinde diese Bundesregierung nach 90 Tagen wiefolgt: Es ist eine Regierung ohne Werte, ohne Ziele,ohne Plan und auch ohne Mut, auf die Herausforderun-gen zu reagieren.
Schauen wir uns Ihren Haushaltsentwurf einmal an.Er wird nicht als Haushaltsentwurf 2010, sondern alsHaushaltsentwurf Rüttgers in die Geschichte der Repu-blik eingehen. Das ist der Beweis: Sie können es nicht.Sie haben angesichts der nun anstehenden Landtags-wahl keinen Mut, jetzt endlich einmal das Zeitfensternach einem Jahr voller Wahlen – die Wahl in Hessen, dieEuropa- und die Bundestagswahl – wieder zu schließenund etwas anzupacken. Sie sagen, dass Sie auf die Steu-erschätzung warten. Da kann ich nur Hermann OttoSolms, sozusagen den Finanzfachmann dieser Regie-rung, zitieren, der gestern gesagt hat:liWStisrisgsDnIcSdsduwngnwuSddgahnEtrreHleredMeWmSrem
Sie müssen sich entscheiden, wie Sie Ihre 130 Mil-arden Euro neue Schulden gegenfinanzieren wollen.ahr ist: Es sind nicht 85, sondern 130 Milliarden Eurochulden, wenn man all die Tricksereien dieser Koali-on einbezieht. Sie sagen bei Ihren Steuersenkungsver-prechen, zum Beispiel Mehrwertsteuer für die Hotelle-e: Wort gehalten. Die FDP hat dies sogar plakatiert. Ichage Ihnen: Dieser Haushalt drückt eines aus, nicht Wortehalten, sondern Hand aufgehalten.
Dieser Haushalt drückt aus, dass bei der Mehrwert-teuer, bei der Erbschaftsteuer mittlerweile Zahltag ist.as Wort Gemeinwohl kommt in diesem Haushalt garicht vor. Wo sind die Sätze zur Gegenfinanzierung?h sage Ihnen: Ich kann nicht akzeptieren, dass Herrchäuble hier wie gestern immer in so einer netten Formes Unbestimmten und umgeben von einer Nebelma-chine warme Worte spricht und uns erzählt, dass wiremnächst den Gürtel enger schnallen müssen.Jetzt müssen Sie sagen, wie Sie Ihre Steuersenkungennd Ihre Neuverschuldung gegenfinanzieren wollen. Woollen Sie den Leuten Geld streichen, welchen Unter-ehmern, bei der Ökosteuer oder bei denen, die ökolo-isch wirtschaften? Wollen Sie den Kindern Geld weg-ehmen? Wollen Sie die Infrastruktur abbauen oderas? Wen von denen, die Verursacher der Krise warennd daran noch verdienen, wollen Sie zur Kasse bitten?ind Sie bereit, eine Vermögensabgabe einzuführen, umamit anzufangen, die Schulden abzuzahlen? Das sindie Fragen und die Herausforderungen. Aber diese Re-ierung hat keine Werte, keine Ziele, keinen Plan unduch keinen Mumm. Sie können es nicht.
Was wir jetzt bräuchten, wäre ein grüner Zukunfts-aushalt, der in Zeiten, in denen alle von Green Eco-omy reden, tatsächlich eine Green Economy, Jobs undinnahmen generiert. Ein Haushalt, der verlässlich,ansparent, wirklich nachhaltig und generationenge-cht ist und die Schulden nicht einfach verschiebt. Einaushalt, der den Klimaschutz verankert und für sozia-n Zusammenhalt, Daseinsvorsorge und Teilhabege-chtigkeit Sorge trägt.Meine Damen und Herren, Ihr Haushalt leistet nichtsavon. Sie predigen uns stattdessen Hoffnung nach demotto: Die Hoffnung stirbt immer zuletzt. Aber so gehts nicht. Sie können nicht einfach einen undefiniertenachstumsbegriff in die Welt setzen und behaupten,an könne so viel Wachstum generieren, dass manchulden abzahlen oder Projekte der Zukunft finanzie-n kann. So wird es nicht sein. Sie werden mit Staats-itteln kein Wachstum forcieren. Außerdem sagen Sie
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Renate Künastnicht, welches Wachstum Sie eigentlich wollen. JederFachmann bestätigt, dass Staatsverschuldung nachweis-lich wachstumsmindernd und nicht wachstumsförderndist. Sie sollten einmal deutlich machen, wie es Ihrer Mei-nung nach in Zukunft aussehen soll.Frau Merkel sagt immer so schön: Wenn wir wiederda sind, wo wir vor der Krise waren. – Das löst bei mirmeistens Unruhe aus. Wo waren wir denn vor der Krise?Vor der Krise hatte unsere Wirtschaft strukturelle Defi-zite. Wir waren umgeben von einem Wachstumsbe-griff, der uns in genau diese Krise geführt hat. Sie schaf-fen es nicht, den Wachstumsbegriff neu auszurichten,sondern verbreiten weiter den Irrglauben, Wachstumkönne ein Allheilmittel sein. Das ist es aber nicht, imGegenteil.
Ich glaube, wir müssen den Mut haben, auszuspre-chen, was in Zukunft geschehen muss: Es gibt Wirt-schaftsbereiche, die massiv schrumpfen müssen, weil sienicht mehr zu begründen sind. Andere Wirtschaftsberei-che brauchen eine Vielzahl von Maßnahmen, Kreativitätund einen Innovationsdruck, den auch der Staat unter-stützen könnte, auch mit einer guten Haushaltspolitik.Andere Wirtschaftsbereiche brauchen einen radikalenInnovationsdruck, damit sie massiv wachsen.Wahr ist: Wir müssen unsere Wirtschaftsweise verän-dern. Wir dürfen nicht mehr auf Kosten anderer, nichtmehr auf Kosten der Umwelt, nicht mehr auf Kosten vonBoden, Wasser und Artenvielfalt leben. Dafür muss manallerdings die entsprechenden Stellschrauben im Haus-halt verankern und darf nicht nur UN-Reden halten, FrauMerkel.
Frau Merkel wurde in der letzten Legislaturperiodezeitweise „Klimakanzlerin“ genannt. Schauen wir unseinmal an, ob Sie die Themen Klima, Umgang mit Roh-stoffen und mit Energie in diesem Haushalt berücksich-tigt haben. Beginnen wir mit dem 40-Prozent-Ziel. FrauMerkel, ich höre immer, wir – das ist ein diffuses „wir“ –hätten bereits vereinbart, die CO2-Emissionen bis 2020um 40 Prozent zu reduzieren. Meine Damen und Herren,ich würde gern bei einer Abstimmung im DeutschenBundestag sehen, wie Sie dazu stehen. Sie können – wirgeben Ihnen mit einem Antrag die Gelegenheit dazu –hier die Hand heben, wenn Sie zu dem Allgemeinplatzstehen, dass Deutschland innerhalb von zehn Jahrenmindestens diese Minus-40-Prozent-Marge erreichenwird. Das wäre die internationale Botschaft, dass wirwirklich bereit dazu sind und alle politischen Maßnah-men, auch jeden Bundeshaushalt, danach ausrichten.Die Wahrheit ist: Da draußen erzählen Sie immer Net-tes;
aber gerade eben haben Sie das Gegenteil gesagt, näm-lich: Minus 30 Prozent in der EU, minus 40 Prozent inDeutschland
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Hier wurden Chancen für unsere wirtschaftliche Ent-icklung vertan. Ich bin davon überzeugt, dass das unse-r wirtschaftlichen Entwicklung massiv schadet. An-ere Länder – China, Indien, Japan, Südkorea –vestieren horrende Summen in die technologische Ent-icklung. Wenn China 40 Prozent seiner Konjunktur-ittel investiert, ist das ein Vielfaches mehr als das, wasir investieren. Selbst wenn die Chinesen noch Dreck-chleudern von Kohlekraftwerken neu bauen, haben sieen Vorteil der technologischen Entwicklung.Ich sage Ihnen, Frau Merkel: Hasenfüßigkeit, keinenlan haben, keinen Mut haben, das schadet der Wirt-chaft in Deutschland und in Europa und verhindert,ass wir diese Arbeitsplätze haben; die Arbeitsplätzentstehen dann woanders.
Sie hätten in Kopenhagen guten Willen zeigen kön-en. Sie reden ständig darüber, wer wann wie wo vor-ärts geht oder nicht und wer Bedingungen stellt. Sien so, als seien Sie selber bereit, die anderen aber nicht.Sie haben Ihr eigenes perfides System: Als es um00 Millionen Euro für Klimaschutzmaßnahmen in Ent-icklungsländern ging, haben Sie nicht sofort gerufen:a, wir sind bereit, weil wir unsere und eure Lebens-rundlagen schützen wollen. – Den Hotels durch die Re-uzierung des Mehrwertsteuersatzes 1 Milliarde Eurointerherzuwerfen, ging dagegen über Nacht. Für dengrardiesel 500 Millionen Euro lockerzumachen, gingbenso über Nacht. Nie haben Sie Bedingungen gestellt,um Beispiel dass bei den Milchbauern etwas ankommtder dass bestimmte Maßnahmen ergriffen werden, zumeispiel dass die Hotels Mindestlöhne zahlen, oder dass Umbauten, in Modernisierung, in neue Arbeitsplätzevestiert wird. Frau Merkel, wir haben Ihr System ver-tanden: Sie reden schön; aber am Ende ist es immer dielte Klientelpolitik der CDU/CSU.
Die Antwort auf die Frage, wie es in der Energiepoli-k weitergehen soll, haben Sie auf den Herbst verscho-en. Das heißt, Sie lassen die Industrie und den Mittel-tand bei Investitionen im wahrsten Sinne des Wortesllein, auch insofern, als morgen Abend die Tricksereiit den Atomkraftwerksbetreibern losgeht. Das mussan sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Ein Ge-etz, das der Deutsche Bundestag in einem offenen undansparenten Verfahren beschlossen hat, wird jetzt vomanzleramtschef unter der Ägide der Bundeskanzlerinermauschelt. Sie können täuschen, tarnen, tricksen –ir wissen, um was es geht, wenn Bezugsrechte hin und
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010 1273
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Renate Künasther geschoben werden: Es geht Ihnen darum, einen trick-reichen Weg zu finden, damit Sie den Deutschen Bun-destag nicht mit einer Änderung dieses Gesetzes befas-sen müssen.Ich sage Ihnen, gerade angesichts der Asse: Die Be-völkerung dieses Landes hat ein Anrecht darauf, dass esin die Zukunft geht, in Richtung 100 Prozent erneuer-bare Energien, und nicht in Richtung einer Absicherungder Oligopole. Die Bevölkerung dieses Landes hat einAnrecht darauf, dass sich die Bundesregierung um diekörperliche Unversehrtheit und die Sicherheit der Bürgerkümmert. Dazu haben Sie bisher kein Wort gesagt, we-der im Zusammenhang mit der Lagerung noch im Zu-sammenhang mit der Laufzeitverlängerung.
Die Nutznießer Ihrer Politik sind die Atomwirtschaftund die Aktieninhaber, sind die Konkurrenten unsererSolarwirtschaft, die die Arbeitsplätze schaffen, die wirhätten haben können. Das, meine Damen und Herren, istnicht Marktwirtschaft, die Sie ja immer beschwören; dasist auch kein Wettbewerb, der ja der Kern der Marktwirt-schaft ist; das ist eher Staatssozialismus alter Prägung:Einige bestimmen das Geschäft.Ich will Ihnen an dieser Stelle auch sagen, dass dieLaufzeitverlängerung, wenn sie käme, Ihrer Umwelt-politik und Ihrem Bundesumweltminister wie ein Klotzam Bein hängen würde. Sie können sich noch so anstren-gen und schöne Reden halten, Herr Röttgen: Wenn Siediese Pläne nicht verhindern, können Sie es auch gleichsein lassen.
Eines geht nicht: immer schöne Reden halten und da-nach das Gegenteil tun. Das können Sie ja weiterma-chen: Herr Röttgen redet so, Frau Merkel wirft auch hinund wieder Klimaschutzblasen, dann kommt FrauAigner und sagt: Wie viel Chemie auch immer dieLandwirtschaft in die Böden einträgt, wie viel fossileEnergie sie auch immer braucht, wir werden nichts än-dern. – Herr Schäuble, Sie hätten doch sagen können:Subventionen werden reduziert, wenn nicht ökologischgewirtschaftet wird. – Oder nehmen wir den Bundesver-kehrsminister: Herr Röttgen oder Frau Merkel, Sie kön-nen noch so viel erzählen, dieser Bundesverkehrsminis-ter redet sich über Schienenverkehr besoffen, am Endegeht aber das ganze Geld wieder in die Straße. So nicht!Ich muss Ihnen sagen: Dieser Haushalt ist ein Ar-mutszeugnis. Er ist auf dem Rücken der Familien undder Kinder sowie auf dem Rücken der Kommunen ge-macht, wo sich bestimmt, wie der Alltag der Menschenaussieht. Schauen wir auf Nordrhein-Westfalen: Essen,Kulturhauptstadt 2010, muss Grundschulen schließen,Städte denken über die Reduzierung der Zahl der Kin-derspielplätze nach, Wuppertal schließt das Theater.In Magdeburg, in einem anderen Bundesland, werdendie monatlichen Kitagebühren um 30 Euro erhöht. Dasist erst der Anfang. Meine Damen und Herren, Sie habennddteHbdzfuzZIngreIndwuksdgndd9WDCgvn
Fazit: Unter Schwarz-Gelb geht es einigen wenigenesser, aber vielen schlechter. Die wahren Leistungsträgerieser Gesellschaft, beispielsweise die unterbezahlten Er-ieherinnen und unterbezahlten Pflegekräfte, brauchennktionierende Kommunen, einen funktionierenden So-ialstaat. Aber diese Regierung hat keine Werte, keineiele, keinen Plan.
diesem Haushaltsplan gibt es keine Erhöhung der Re-elsätze, keine Einstellung von Mitteln für eine Neube-chnung der Kinderregelsätze, keine Maßnahmen zurtegration auf dem Arbeitsmarkt – sie werden einge-ampft –, und die Mittel zur Integration von Migrantenerden nicht erhöht.
Frau Kollegin.
Ich komme zu meinem letzten Satz. – Meine Damen
nd Herren, dieser Haushalt weist uns nicht in die Zu-
unft, sondern rückwärts. An dieser Stelle können Sie
ich noch so viel beweihräuchern, dass Sie Geld in Bil-
ung investieren: Dieser Bildungshaushalt steigt weni-
er als der Gesamthaushalt. Dies ist bezeichnend.
Sie haben keine Antworten auf die Probleme, denken
ur an diejenigen, die die dicken Ellenbogen haben, an
ie Menschen, die Baron von Finck heißen, aber nicht an
ie Menschen, die Otto Normalverbraucher heißen. Am
. Mai haben die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-
estfalen die Chance, Ihnen die rote Karte zu zeigen.
as haben Sie bitter nötig.
Das Wort hat der Kollege Volker Kauder für die
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-en! Mit dem Haushalt 2010 legen wir einen Haushaltor, der Wachstum bringt und die Konsolidierung ernstimmt, einen Haushalt, der das beinhaltet, was uns in
Metadaten/Kopzeile:
1274 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010
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Volker Kauderden nächsten Jahren immer wieder täglich ins Haussteht: die richtige Balance zwischen dem Antreiben vonWachstumskräften und der gleichzeitigen Zurückfüh-rung der Verschuldung, des Staatsdefizits. Das ist eineambitionierte Aufgabe.
Ich habe gestern und heute sehr genau zugehört, wasvonseiten der Opposition kam. Ich muss sagen: ZurFrage, wie Perspektive, Zuversicht, Chancen und die Re-duzierung des Staatsdefizits verbunden werden können,habe ich von Ihnen nichts, aber auch gar nichts gehört,meine sehr verehrten Damen und Herren.
Es verwundert ja auch nicht: Wir haben in der vergan-genen Wahlperiode in der schärfsten Finanz- und Wirt-schaftskrise miteinander in der Regierung und mit derFDP in der Opposition Maßnahmen getroffen, für diewir in ganz Europa und darüber hinaus bewundert wer-den.
Das Ziel war vor allem, zu verhindern, dass die Wirt-schaft zusammenbricht, dass Spareinlagen der Men-schen gefährdet werden und dass aus der Finanz- undWirtschaftskrise eine gigantische Arbeitslosigkeit ent-steht.Meine sehr verehrten Damen und Herren von derSPD, dass Sie 2005 die Union brauchten, zeigt doch: Siehaben eine gigantische Staatsverschuldung produziert.Sie haben die größte Arbeitslosigkeit in Zeiten ohne Fi-nanz- und Wirtschaftskrise verursacht.
2005 waren wir in einer Situation, in der wir heute trotzFinanz- und Wirtschaftskrise nicht sind.
Deswegen finde ich, dass weder Sie von der SPD nochSie von den Grünen ein Recht darauf haben, jetzt zu sa-gen, wie es gehen soll.
Sie konnten es in normalen Zeiten nicht, in Krisenzeitenkönnen Sie es erst recht nicht.
Es kommt also darauf an, Wirtschaft und Wachstumvoranzubringen und neue Chancen zu schaffen.
DdhWEz–dAWtunek–bRjeFenERsinleLAgdd
nstatt ein bisschen stolz auf das zu sein, was wir in derirtschaftskrise miteinander erreicht haben,
n Sie so, als ob all das, was wir heute vorlegen, damitichts zu tun hätte. Der Haushalt ist der Beweis für dierfolgreiche Bekämpfung der Finanz- und Wirtschafts-rise.
Es hat überhaupt keinen Sinn. Es ist ein Teil Ihres Pro-lems, dass Sie nie gewusst haben, was Sie sein wollen:egierung oder Opposition. Ich sage Ihnen: Sie sindtzt Opposition, damit Sie das genau wissen.
rüher haben Sie sich nie entscheiden können, was Sieigentlich wollten.
Es geht jetzt darum, diesem neuen Jahrzehnt eineeue Perspektive zu geben. Dies tun wir.
s geht darum, den Menschen zu sagen: Es gibt eineeihe von Möglichkeiten, euer Leben erfolgreich zu ge-talten. Wir wollen die Freiheit des Einzelnen
die Solidarität der Gemeinschaft einbinden. Wir wol-n, dass der Einzelne frei entscheiden kann, wie er seineben gestaltet.
ber es gibt keine Freiheit ohne Verantwortung. Deshalbilt für diese christlich-liberale Koalition der Grundsatz:ie Freiheit des Einzelnen eingebettet in die Solidaritäter Gemeinschaft.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010 1275
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Volker KauderDas heißt zunächst einmal, dass wir allen eine Chancegeben wollen und müssen, ihr Leben aus eigener Kraftzu gestalten. Es ist für niemanden eine tolle Sache – ichweiß aus Erfahrung, aus meinem früheren Beruf, wovonich rede –, wenn er jeden Tag zum Sozialamt oder zurHartz-IV-Behörde gehen muss, um sich dort sein Geldzu holen.
Der Grundsatz „Die Freiheit des Einzelnen, eingebet-tet in die Solidarität der Gemeinschaft“ heißt: Wir helfendenen, die in Schwierigkeiten sind. Deswegen ist es rich-tig, dass es solche Sozialsysteme gibt. Aber ich kann ei-nes nicht akzeptieren, und das werden wir in der Koali-tion auch nicht akzeptieren: Es geht nicht darum, mitimmer mehr Geld einen sozialen Status abzusichern. Esgeht vielmehr darum, Aufstiegschancen zu schaffen unddie Menschen aus der Abhängigkeit des Sozialstaatesherauszuholen, statt sie darin zu halten.
Von Ihnen war nichts zu der Frage zu hören, wie wirnach dem Grundsatz der Freiheit und Eingebundenheitin die Gemeinschaft die Veränderungen gestalten, die beiden Hartz-IV-Regelungen notwendig sind.
Ich sage Ihnen dazu: Erstens ist der Grundsatz des For-derns und Förderns richtig. Zweitens ist es richtig, dasswir Maßnahmen getroffen haben, damit niemand wiefrüher einfach in der Sozialhilfe bleibt. Stattdessen wirdden Menschen mit einem enormen Aufwand und auchpersönlicher Zuwendung in den kommunalen Beratungs-stellen geholfen.Jetzt kommt es vor allem darauf an, dass wir für Kin-der Chancen schaffen.
– Dazu komme ich jetzt. Ich denke dabei an dieses Ge-rede: Wenn wir mehr Geld in die Hand von Familien gä-ben – Herr Heil, es ist eine Unverschämtheit, welcheFragen Sie hier stellen –, dann würden wir nur dafür sor-gen, dass die Kinder nicht in die Schule oder in irgend-welche Betreuungseinrichtungen kämen. – Ich will Ih-nen sagen, was wir als Herausforderung sehen müssten:Hier in Berlin, wo es noch kein Betreuungsgeld gibt,lässt der rot-rote Senat zu, dass Hunderte von Kindernnicht in die Schule kommen. Es wird nichts unternom-men. Was in Neukölln passiert, ist ein Skandal. Dagegenmuss etwas gemacht werden.
Ich habe mich informiert, und mir ist gesagt worden,dass Familien ihre Kinder nicht in die Schule schicken.Das ist doch keine Frage des Betreuungsgeldes; viel-mehr muss man über geeignete Maßnahmen nachden-ken, um dem entgegenzuwirken.
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elbstverständlich werden wir mit den Ländern darüberprechen, wie das umgesetzt werden soll. Aber einesann ich Ihnen sagen: Die 12 Milliarden Euro werden soingesetzt, dass sie den Kindern nutzen.
Herr Kauder, – –
Wenn wir vorankommen und erreichen wollen, dass
ieses neue Jahrzehnt ein Jahrzehnt neuer Chancen wird,
ann müssen wir auch dafür sorgen, dass Wachstum
öglich ist. Wir sind uns darüber einig – so habe ich Sie
der letzten Debatte verstanden –, dass wir das Niveau
er Wirtschaft nach der Schrumpfung um 5 Prozent
icht beibehalten, sondern wieder zu dem früheren Ni-
eau zurückkehren wollen.
Deswegen kann ich nicht verstehen, Frau Künast
wahrscheinlich haben Sie es nicht richtig kapiert –,
arum Sie die Bundeskanzlerin kritisieren, wenn sie
agt, dass wir 2013 wieder da sein wollen, wo wir 2008
ewesen sind. Das ist eine Perspektive, nicht das, was
ie gesagt haben.
Wir wollen, dass dieses Land nicht auf dem Niveau
er Finanz- und Wirtschaftskrise stehen bleibt, sondern
ass es wieder nach vorne und nach oben kommt.
Herr Kauder, der Herr Kollege Liebich würde Ihnen
erne eine Zwischenfrage stellen.
Dazu gehört auch, dass man die nötigen Vorausset-ungen schafft. Ein Thema, das dafür von Bedeutung ist,t die Energiepolitik, Frau Künast. Wir haben entschie-en, dass wir noch in dieser Legislaturperiode ein Ener-iegesamtkonzept vorlegen. Dieses Konzept wird derinstieg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien sein.
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Volker Kauder
Aber das unterscheidet eine christlich-liberale Koali-tion von Rot-Grün: Wir machen Politik unter realen Ge-sichtspunkten. Wir betrachten die Wirklichkeit, schauenuns an, was ist, und bringen dann die richtigen Lösungenund betreiben keine Umsetzung nackter Ideologie, mitder Sie im Grundsatz gescheitert sind.
Wir werden unser Konzept der erneuerbaren Energienumsetzen. Bis wir das erreicht haben, muss es auch nochKernkraftwerke als Brückentechnologie geben. Wirbrauchen ebenfalls noch Kohlekraftwerke. Wenn es abertechnisch möglich ist – ich bin sehr dafür –, bessereKohlekraftwerke als die alten zu betreiben, dann müssenund werden wir das machen; denn das ist richtige Um-weltpolitik.
Wir betrachten die Wirklichkeit. In diesen Tagen istallenthalben gesagt worden: Wir brauchen noch Zeit, umdas Stromleitungssystem an die neue Zeit heranzufüh-ren. Dafür werden gigantische Investitionen in Höhe von20 Milliarden Euro notwendig sein. Dieses Geld werdendie Stromkonzerne aufwenden müssen. Das wird fürweiteres Wachstum sorgen. Aber eines werden wir nichtmachen, nämlich um der Ideologie willen Kraftwerke,die günstig und sicher Strom erzeugen, abschalten undso die Preise nach oben treiben. Was ist das denn für eineheuchlerische Politik, hier zu jammern, dass die Men-schen belastet werden, und sie dann mit einer aus purerIdeologie betriebenen Energiepolitik zu belasten? Nichtmit uns, Frau Künast!
Wir werden aus diesem neuen Jahrzehnt ein Jahrzehntder Chancen machen. Das heißt, der Zusammenhalt inder Gesellschaft muss gefördert werden; das hat dieBundeskanzlerin klar und deutlich gesagt. Deswegen istein Schwerpunkt die Integration. Wir wollen, dass dieMenschen in diesem Land zusammenleben und gemein-sam einen Beitrag für sich und dafür leisten, dass diesesLand vorankommt. Integration stellt Anforderungen; da-rüber haben wir mehrfach gesprochen. Das Beherrschender deutschen Sprache, der Besuch einer Schule und eineAusbildung sind wichtig, um voranzukommen. Manmuss auch akzeptieren, dass es hier in diesem Land tra-dierte kulturelle Werte gibt, die weitergelebt werden sol-len. Es gibt unsererseits auch Angebote. Selbstverständ-lich soll jeder in diesem Land seine Religion lebenkönnen. Wir von der Union setzen uns dafür ein, dassMuslime in ihren Moscheen beten können. Aber ich er-warte dann, dass die Muslime, die das Glück der Glau-benstoleranz in diesem Land erfahren, mutig sagen: Wirwollen, dass Glaubenstoleranz auch in unseren Heimat-ländern gelebt wird.
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Die Elektromobilität hat aber noch eine ganz andereedeutung. Je besser es uns gelingt, Speichertechnolo-ien zu entwickeln, desto leichter ist es, regional erneu-rbare Energien an die Haushalte weiterzugeben. Sieaben bisher keinen Beitrag dazu geleistet, eine solchepeichertechnologie zu entwickeln.
Es weht ein anderer Geist in dieser Koalition; dasabe ich klar und deutlich gesagt.
ns ist die Freiheit des Einzelnen, eingebunden in dieolidarität der Gemeinschaft, wichtig. Wir nehmen auchnsere Verantwortung in der Welt wahr. Die Kanzlerinat eine Regierungserklärung zu Afghanistan mit an-chließender Debatte für die nächste Woche angekün-igt. Dann wird sich zeigen, ob wir alle bereit sind, Ver-ntwortung zu übernehmen.Es gibt den schönen Satz: Wer sich jemanden mitilfe zu eigen gemacht hat, der ist ihm auch verantwort-ch. Wir können nicht einfach ohne Perspektive undhne eine Konzeption von dort weggehen, wo wir ein-al angefangen haben, Verantwortung zu übernehmen.arüber sprechen wir nächste Woche.Wir tragen mit unserer Entwicklungszusammenarbeituch Verantwortung dafür, dass Staaten in die Lage ver-etzt werden, Aufgaben zu erfüllen. Ich bin dankbar fürie große Spendenbereitschaft für Haiti. Das zeigt wie-er einmal, zu welcher Solidarität die Menschen in die-em Land fähig sind.
as ist großartig. Herzlichen Dank dafür!Aber wir müssen uns schon jetzt Gedanken darüberachen, wie es weitergeht, nachdem die ärgsten Pro-leme behoben sind. Die Menschen in Haiti dürfen nichtieder in die Situation geraten, in der sie vor dieserchrecklichen Katastrophe waren. Wir tragen Verantwor-ng dafür, dass auch sie ein menschenwürdigeres Lebenhren können als bisher. Dazu müssen wir einen Beitragisten.Es erfüllt uns mit Sorge, wie viele Menschen auf die-er Welt bedrängt, eingesperrt und verurteilt werden fürre demokratischen und ihre Glaubensüberzeugungen.as darf uns nicht ruhen lassen. Es gibt Dinge, die den
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Volker Kauderganzen Menschen und nicht nur Kompromisse fordern.Die Menschenrechte sind unteilbar.
Die bedrohteste Glaubensgruppe auf der ganzen Weltsind die Christen, zum Beispiel im Irak, aber auch inanderen Ländern. Gerade eine christlich-liberale Koali-tion darf angesichts dessen nicht zur Tagesordnung über-gehen. Wir müssen mit denjenigen solidarisch sein, dienichts anderes wollen, als sich als Christen zu ihremGlauben zu bekennen. Da erwarte ich einen starken Bei-trag der Bundesregierung sowie von denjenigen, die inunserem Land die Erfahrung von Glaubenstoleranz ma-chen können. Auch das wird ein Anspruch an diese Re-gierungskoalition sein müssen.
Ich freue mich, dass wir in dieser Koalition zusam-mengefunden und uns vorgenommen haben, diesemJahrzehnt den Stempel von mehr Chancen und mehr Per-spektiven aufzudrücken.
Wir wollen den Menschen die Gelegenheit geben, für ihrLeben zu sorgen. Die Freiheit des Einzelnen, eingebun-den in die Solidarität der Gemeinschaft – das zeichnetdiese Koalition aus.
Es gibt eine Kurzintervention des Kollegen Liebich.
Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Kauder, da Sie auf meine Frage
nicht antworten wollten, muss ich mich auf diesem Wege
noch einmal melden. Sie haben Bezug genommen auf
die Bildungspolitik hier in der Hauptstadt, die bekannt-
lich von der SPD und unserer Partei Die Linke regiert
wird. Ich bin es zunehmend leid, die Propaganda, die
hier immer wieder geäußert wird, einfach so im Raum
stehen zu lassen.
Die rot-rote Landesregierung hat trotz der Plünderung
der Haushaltskassen – auch durch die Politik, die mit
diesem Haushalt verfolgt wird –
kostenfreie Kitaplätze für die Kinder von drei bis sechs
Jahren beschlossen.
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Wir haben die Hauptschule und damit das dreiglied-
ge Schulsystem abgeschafft.
ir würden gern – ich weiß, das finden Sie falsch, aber
h will es hier einmal angemerkt haben – in Berlin noch
iel mehr für die Bildungspolitik tun, wenn Sie mit Ihrer
olitik nicht die Hoteliers anstatt die Länder und Kom-
unen entlasten würden.
Vielen Dank.
Ihre Antwort, Herr Kauder.
Herr Kollege, Sie haben zunächst einmal gar keinerage stellen können, weil ich schon geahnt habe, inelche Richtung Sie wollen. Ich kann Ihnen nur sagen:ie haben mein Anliegen überhaupt nicht verstanden.unächst einmal ging es mir gar nicht um die Qualitätes Bildungswesens in Berlin, wenngleich ich zur Quali-t eines Bildungswesens, das die Frechheit besitzt,enschen den Zugang zu einer bestimmten Schule zuerweigern und Gymnasialplätze auszulosen, etwas sa-en könnte. Das ist schon ein Superhammer im Umgangit Bildungschancen.
ber darauf wollte ich gar nicht eingehen.Ich wollte nur sagen: Das hat überhaupt nichts, nullnd nichts mit Geld zu tun, sondern mit der Frage, wieh konkret Politik umsetze. Dass Menschen ihre Kindericht in die Schule schicken und dieser Tatsache einfachugeschaut wird, ist ein Thema, das nichts mit Geld zun hat, sondern mit dem Willen, die richtige Politik zuachen.
h sage Ihnen: Das darf nicht zugelassen werden. Kin-er, die nicht in die Schule gehen, haben keine Lebens-erspektive. Wenn Sie dafür keine Verantwortung tragenollen, dann frage ich mich, warum Sie überhaupt inerlin regieren.
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Jetzt hat der Kollege Frank-Walter Steinmeier für die
SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Den zweiten Tag hören wir sehr intensiv denReden aus der Koalition zu. Ich werde einen Eindrucknicht los: Ein bisschen klingen Ihre Reden wie eine Bitteum Vergebung. Wer genau hinschaut, der sieht doch beiden Rednern der Koalitionsfraktionen die roten Ohren.
Sie wollen so tun, als seien die ersten 100 Tage dieserRegierung so etwas wie Anfängerpech, alles nur einAusrutscher. Das ist das durchgehende Motto dieser Re-gierung. Aber seien Sie sicher: Niemand wird Ihnen dasglauben. Sie werden sich das Jahr über vor dem Zorn derBürger, den Sie hervorrufen, nicht verstecken können.
Millionen von Menschen sind in der Tat schon jetztenttäuscht, auch viele Anhänger der Union und der FDP.Was diese schwarz-gelbe Regierung abliefert, ist nichtnur ein Fehlstart, wie ich in den ersten Tagen dieser Re-gierung gesagt habe, sondern – ich kann es nicht andersnennen – politisches Totalversagen.
Sie reden die Lage schön, statt den Menschen zu sagen,was ist. Wir stecken nach wie vor im tiefsten Wirt-schaftseinbruch der Nachkriegszeit. Wir könnten wis-sen, dass uns diese Krise nach wie vor fest im Griff hat.Doch Sie machen denselben Fehler wie zu anderen Zei-ten. Sie vertrauen auf die Nachrichten von den Aktien-märkten, und Sie wollen nicht wissen, dass Aktienkurseheute über die tatsächliche Lage in der Wirtschaft nichtsaussagen. Das ist und bleibt trügerischer Schein. Sieklammern sich an den Schein, und Sie wollen nichtwahrhaben, dass die wahre Krise, die Krise auf dem Ar-beitsmarkt, erst jetzt auf uns zukommt.Millionen von Menschen machen sich Sorgen um dieZukunft. Sie fragen, ob der Wohlstand, den wir habenund hatten, auch noch für ihre Kinder gesichert ist. Dasalles sind große Fragen an eine Regierung; aber dieseRegierung schwebt in den Wolken, faselt von bürgerli-cher Mehrheit wie von einer messianischen Erlösung,von einer geistig-politischen Wende, als ob bis jetzt derAntichrist dieses Land im Würgegriff gehalten hätte. Sokann man inszenieren, sich präsentieren, aber regierenkann man so nicht.
Mit Verlaub, was ich sehe, ist eine Regierung, dienicht regiert, die mit sich selbst beschäftigt ist, die sichinbkKnMfüguUWIhsworutu–resbgssSinWresdDgDddtasdErusHGn
Was heißt „zur Sache“? Nicht wir, sondern Sie selbstden doch von Neustart und Krisengipfel, wie ich gele-en habe. Allerdings weiß ich eines: Einen Neustartraucht man erst, wenn man weiß, dass das, was man be-onnen hat, in Trümmern liegt.Es stimmt: Das schwarz-gelbe Phantasialand, das Sieich gebaut haben – auf der einen Seite sollen die Men-chen kaum noch Steuern zahlen, und auf der andereneite sollen sie besser leben –, hat sich doch in Wahrheit kurzer Zeit in Luft aufgelöst; die Leute spüren das.er Deutschland, das größte Land in Europa, ernsthaftgieren will, der muss mehr bieten als solche Luft-chlösser. Das sage ich insbesondere der FDP. Frau Bun-eskanzlerin, da haben Sie recht: Niemand kann aufauer gegen die Realität regieren. Sie haben heute Mor-en gesagt: Macht die Augen auf vor dieser Realität! –as ist aber nichts, was an dieses Parlament oder gar anie Oppositionsfraktionen adressiert werden sollte. Umas zu sagen, brauchen Sie nicht den Deutschen Bundes-g, Kameras und Mikrofone. Das müssen Sie der FDPagen, und dafür haben Sie das Kabinett. Nutzen Sieiese Möglichkeit!
Herr Vizekanzler, was die Realität angeht, nützen amnde keine markigen Sprüche. Wir bitten herzlich da-m, Herr Westerwelle: Verschonen Sie uns mit all die-en Ankündigungen von der geistig-politischen Wende!
aben Sie es nicht eine Nummer kleiner?Wir wären ja schon froh über die Anwendung derrundrechenarten; aber noch nicht einmal das funktio-iert.
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Dr. Frank-Walter Steinmeier
Sie wollen Steuersenkungen auf Pump, mal 15, mal 20,mal 24 Milliarden Euro; genau wissen wir es noch nicht.Sie wollen das, obwohl Sie wissen, dass kein Geld in derKasse ist – mehr als 300 Milliarden Euro werden biszum Jahr 2012 fehlen –, und obwohl Sie wissen, dassnach den Umfragen die meisten Menschen in Deutsch-land das nicht für vernünftig halten und sagen: Guido,lass das sein! – Sogar die Mehrheit der FDP-Wähler istdieser Meinung.Bisher, Herr Westerwelle, Frau Merkel, haben Sie mitder falschen Vorstellung mancher in diesem Land ganzgut gelebt, Schwarz-Gelb verstehe mehr von Finanzenund Wirtschaft als andere. Das glaubt Ihnen nach denersten 100 Tagen im Amt in Deutschland niemand mehr,und das zu Recht.
Sie haben in den ersten 100 Tagen gezeigt: Sie ver-schleudern das Geld, sodass es hinterher an allen Eckenund Enden fehlt. Schon jetzt ist absehbar, dass die Län-der arm gemacht werden. Die Frankfurter Oberbürger-meisterin – sie gehört bekanntlich nicht der SPD an – hatgesagt: Die Gemeinden werden in den Ruin geführt. –Nie hat eine Regierung den finanz- und wirtschaftspoliti-schen Vertrauensvorschuss, mit dem Sie vor 100 Tagengestartet sind, so schnell verspielt wie diese.
Die Opposition könnte sich darüber freuen; aber das istein Drama für unser Land. Deshalb freut uns das nicht.Aber wir werden Sie mit diesem Thema treiben, dasganze Jahr hindurch. Wir werden Ihnen das nicht durch-gehen lassen.
Dieses Jahr machen Bund, Länder und Gemeinden– Sie wissen das, Herr Schäuble, auch wenn Sie es ges-tern nicht berichtet haben –
alles in allem 145 Milliarden Euro neue Schulden. HerrSchäuble, mit jedem Euro in Ihrem Haushalt machen Sie30 Cent Schulden, die obendrauf kommen. 30 ProzentIhres Haushaltes sind schuldenfinanziert. Das ist dieLage. Schlimm genug, könnte man sagen. Zum Teil,aber eben nur zum Teil, ist das Folge der Krise. Schlimmist jedoch: Sie machen das Problem nicht kleiner, son-dern Sie machen es größer, indem Sie weitere Steuersen-kungen auf Pump machen und damit weitere Schuldenobendrauf packen, indem Sie eine Kopfpauschale ein-führen wollen – das ist ja der Vorschlag von HerrnRösler –, die anschließend notwendigerweise einen So-zialausgleich nach sich zieht, der 35 Milliarden Euro zu-sätzlich kostet. Sie, Herr Kauder, haben gesagt, die SPDsei nicht bei Verstand. Ich sage Ihnen: Wenn Sie denLnDsTBSmbSSSeJjeliwfaegredgPs–VOmdtiNIhFudbm
as Stück, das jetzt gespielt wird – ich wage vorauszu-agen: genau bis zur Landtagswahl in NRW –, hat denitel: Im Himmel ist Jahrmarkt. Danach aber wird dieühne umdekoriert. Dann kommt ein anderes Stück. Dastück hat den Titel: Die Kassen sind leer.Herr Schäuble, wir haben in der Regierung zusam-engearbeitet. Ich schätze Sie und Ihre Arbeit. Sie ha-en über 40 Jahre in der deutschen Politik zugebracht.ie haben sich einen Ruf erarbeitet. Deshalb frage ichie: Warum machen Sie dieses Theater mit?
agen doch wenigstens Sie die Wahrheit, nämlich dasss so nicht geht, und sagen Sie das jetzt und nicht erst imuni dieses Jahres. Darauf kommt es an.Frau Merkel und Herr Westerwelle, Sie versprechentzt einen Neustart. Ich frage mich: Wie soll das eigent-ch gehen? Einen Neustart kann es doch nur geben,enn man erkannt hat, warum man gegen die Wand ge-hren ist. Einen Neustart kann es nur geben, wenn manrkannt hat, dass die Richtung, die man eingeschlagen hat,rundfalsch war. Ein Neustart kann doch nur funktionie-n, wenn man auch die richtigen Leute dazu hat. Genauas unterscheidet aber diese Koalition von der vorheri-en. Vor gut einem Jahr hatten Sie, Frau Merkel, eineneer Steinbrück, der Ihnen ein Konzept für die Banken-anierung auf den Tisch gelegt hat.
Dazu komme ich noch, Herr Trittin. Geduld, Geduld! –or einem Jahr hatten Sie noch einen Arbeitsministerlaf Scholz, der Ihnen Konzepte für wirksame arbeits-arktpolitische Instrumente auf den Tisch gelegt hat,
ie dafür gesorgt haben, dass die Krise bei uns keine soefen Spuren hinterlassen hat wie in den europäischenachbarländern.
nen fehlen nun solche Leistungsträger im Kabinett,rau Merkel, die Vorschläge entwickeln, wie Konjunkturnd Wachstum durch Innovation – genau das ist notwen-ig – gestärkt werden können.Ich sage Ihnen: Die Gefahren der Krise sind nicht ge-annt, aber diesmal sitzt Frau Merkel hier im Bundestagit leeren Händen,
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1280 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010
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Dr. Frank-Walter Steinmeiermit Achselzucken, ohne Idee, ohne Plan. Das ist der Un-terschied zu damals, den die Leute sehr wohl wahrneh-men. Sie merken auch, dass diese Regierung nichts zubieten hat.
Aber dass das so ist, ist aus meiner Sicht kein Zufall;dahinter steckt ein bisschen mehr.
Das hat Gründe, die in der Architektur und in dem We-sen der jetzigen Koalition liegen. Beides lässt sich – dabin ich ganz sicher – nicht ohne weiteres durch bloßeAnkündigungen verändern. All das kann man auch nicht– darauf haben andere schon hingewiesen – mit Proseccound Tatar zukleistern.
Hier wird mit einer FDP regiert, die immer noch unterRealitätsschock steht, die die Wirklichkeit nicht wahrha-ben will, die trotz der tiefsten Krise seit 60 Jahren, seitBeginn der Nachkriegszeit, immer noch daran glaubt,dass die Politik gegen die Krise bereits in ihrem Partei-programm aufgeschrieben sei. Ich habe mir das Partei-programm der FDP angesehen. Dort steht nichts dazu.Man vertraut ein bisschen auf Angebot und Nachfrage.Hier ein Bonbon für die Hotelbesitzer, da ein Zucker-stück für die Unternehmenserben. Dann kommen dieApotheker dran und schließlich noch ein paar andereFreunde. – So funktioniert Regieren nicht. Wer gut re-gieren will, der muss das ganze Volk im Blick haben unddarf nicht nur einzelne Klientelgruppen bedienen.
Noch nie in der Nachkriegsgeschichte, nach meinerErinnerung jedenfalls, hat eine Bundesregierung sich sooffensichtlich in den Dienst von Lobbyinteressen ge-stellt, wie das jetzt der Fall ist.
– Nein. Wir haben von Ihnen etwas übernommen, wasdamals zu Recht Bimbes-Politik und Bimbes-Republikgenannt wurde. Schützen Sie sich selbst davor, eine sol-che Situation erneut herbeizuführen! Das hat Ihnen ge-schadet, und es hat dem Land geschadet.
– Zur CSU komme ich noch.
Wir haben gestern über die Spende aus der Familievon Finck, die Mövenpick-Spende, gestritten, und vielehaben sich verteidigt und gesagt, das sei doch alles inODwASkWIhnBnwdEsedstiSm–DbgIswAkSdteAmingste
ber das macht doch die Sache nicht besser. Was wollenie damit eigentlich sagen? War das sozusagen Vor-asse?
enn Sie so Politik machen, dann wird – das kann ichnen garantieren – die Frage gestellt werden: Sind wirach 100 Tagen dieser Regierung schon wieder in derimbes-Republik?Mein dringender Rat und meine Empfehlung, damiticht wir alle durch diese Spendenpraxis mit geschädigterden, ist: Vermeiden Sie auf jeden Fall den Eindruck,ass Sie dahin zurückkehren wollen! Vermeiden Sie denindruck, dass durch Spendeneinkommen auf die Ge-etzgebung Einfluss genommen wird! Am besten wäres, Sie würden dieses Geld schnellstmöglich auf eineser vielen Konten von Herrn von Finck zurücküberwei-en. Aber das Mindeste ist, dass das Hotelkettenbegüns-gungsgesetz schnellstmöglich wieder aufgehoben wird.ie werden Gelegenheit bekommen, darüber abzustim-en. Das ist der einzige Ausweg. Nutzen Sie ihn!
Ja, die habe ich gefragt. Da können Sie sicher sein.eshalb trete ich hier so selbstbewusst auf.
Ich will dazu gar nicht mehr sagen, weil die Spendeereits im Mittelpunkt vieler Reden gestern und heuteestanden hat. Ich habe mir aber folgende Frage gestellt:t das eigentlich das einzige Vorkommnis, das den Vor-urf von Klientelpolitik in Ihre Richtung rechtfertigt?us meiner Sicht jedenfalls ist genauso schlimm, dass inurzer Zeit, innerhalb von wenigen Tagen, an vielentellen Cheflobbyisten aus deutschen Verbänden undeutschen Unternehmen in Spitzenpositionen der Minis-rien gerückt sind.
Ich weiß nicht, ob Herr Röttgen da ist; ich sehe ihn imugenblick nicht. Aber aufgrund meiner Beschäftigungit Energiepolitik in der Vergangenheit weiß ich, dass es Deutschland eine ganze Reihe von unabhängigen Ener-ieexperten gibt. Keinen von diesen hat Herr Röttgen inein Ministerium geholt.Stattdessen hat er jemanden geholt, der seit Jahrzehn-n aufseiten der Industrie für die Atomkraft gestritten
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010 1281
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Dr. Frank-Walter Steinmeierhat. Herr Hennenhöfer soll jetzt als Spitzenbeamter imBundesumweltministerium die Grundzüge der deutschenEnergiepolitik bestimmen. Herr Röttgen, was haben Siesich eigentlich dabei gedacht? Wenn es noch eines Bei-spiels bedurft hätte: Das ist ein Musterbeispiel erfolg-reichen Lobbyismus in dieser Bundesregierung. Des-halb sage ich: Herr Röttgen, Sie werden sich am EndeIhr Energiekonzept von der deutschen Atomlobby dik-tieren lassen.Was dem Ganzen noch die Krone aufsetzt – ich habees ja nicht fassen können –, ist die Tatsache, dass dieserSpitzenbeamte, den Sie sich eingekauft haben, in denzentralen Genehmigungsentscheidungen, die demnächstin Ihrem Hause anfallen werden, aus Rechtsgründen we-gen Befangenheit nicht einmal mitwirken darf. Das istein Skandal. Herr Röttgen muss der deutschen Öffent-lichkeit erklären, welchen Sinn diese Personalentschei-dung macht.
Herr Rösler, was die grundsätzliche Aufgabe des Ge-sundheitsministers angeht, nämlich dafür zu sorgen, dassjeder in diesem Lande einen Anspruch auf bestmöglicheVersorgung hat, sind wir nicht im Streit. Es gibt da aberein paar Unterschiede, die auch mit dem unterschiedli-chen Einkommen zusammenhängen. Diese drücken sichin der Struktur der Versicherten aus. Wenn Sie wirklichden Anspruch haben, bestmögliche Versorgung für jedenzu garantieren, dann geht das nur, wenn Sie die gesetz-lich Krankenversicherten gegen die Interessen von Lob-byisten verteidigen. Dass das nicht einfach ist, könnenSie von Ulla Schmidt erfahren.
– Sie werden sich noch an meine Worte erinnern. Manbraucht ein breites Kreuz, um den täglichen Druck vonden Akteuren im Gesundheitswesen auszuhalten.
Sie probieren noch nicht einmal, wie viel Druck Sieaushalten, sondern holen sich gleich den Cheflobbyistender privaten Krankenversicherungen in die Grundsatzab-teilung des Gesundheitsministeriums. Das ist nicht ver-boten, werden Sie sagen. Aber in diesem Lande gibt es70 Millionen gesetzlich Versicherte. Sie verstehen nicht,dass die Mehrheit der Menschen in diesem Lande Angsthaben, weil sie befürchten, dass ihre Interessen durchIhre Personalentscheidung untergebuttert werden.
Herr Rösler, Sie nähren mit jeder öffentlichen Äußerungdiese Befürchtung der breiten Masse der Bevölkerung.Deshalb sage ich Ihnen: Mit Ihrer Gesundheitspolitikwerden Sie in der eigenen Koalition noch viel Spaß be-kommen. Den wünsche ich Ihnen. Ich wünsche aber denVersicherten in diesem Lande, dass sie die Gesundheits-versorgung behalten, die sie unter guter sozialdemokrati-scher Führung der letzten Jahre gewohnt sind.vWhHnle–riAKwmGüCWndwwwsBJdEewIcHW–vsins
Ob die CSU Herrn Baron von Finck auch zu Dankerpflichtet ist, wissen wir noch nicht ganz genau.
ahr ist jedenfalls, dass Herr Seehofer, wie wir gehörtaben, ebenfalls schon über Jahre für die Interessen derotelbesitzer stramm gefochten hat. Seehofer ist derje-ige, der bis vor kurzem noch gesagt hat, er sei Chef dertzten wirklichen Volkspartei in Deutschland.
Herr Schröder hat sich da nie beworben, wenn ich daschtig weiß.
Aber dann verstehe ich das Gezappel nicht, das ich imugenblick in der CSU sehe. Als wir noch in der Großenoalition waren, habe ich immer gedacht, das habe et-as mit den Sozis in der Koalition zu tun, weil die CSUit denen besondere Schwierigkeiten habe. Aber dasezappel geht ja weiter. Heute hü, morgen hott undbermorgen eine ganz andere Meinung, so die täglicheSU-Taktik ohne irgendein erkennbares politisches Ziel.enn Sie mich fragen, dann ist die CSU auf der Sucheach sich selbst statt auf der Suche nach Lösungen fürieses Land. Wenn mich nicht alles täuscht, dann könnte,enn ich nach Bayern schaue, Herr Seehofer der Ab-ickler der ehemals stolzen bayerischen Staatsparteierden. Herr Seehofer: „Wer zu spät kommt, den be-traft das Leben“, würde Gorbatschow sagen.
Ich sage das nicht ohne Not. Ich gebe Ihnen jetzt eineegründung dafür. Was die CSU-Politik in den letztenahren in Bayern mit Blick auf das große Börsenkasinoer Bayerischen Landesbank, bei dem 14 Milliardenuro verzockt worden sind, angeht: Die CSU hat in Bay-rn – das nehmen Sie hoffentlich ernst – ihre finanz- undirtschaftspolitische Kompetenz auf Dauer verspielt.
h war am Dreikönigstag im Berchtesgadener Land.err Ramsauer, das ist ganz sicher ein wunderschönerahlkreis; das will ich nicht bestreiten.
Ja, auch das. – Ich habe nach der Veranstaltung mitielen Leuten, auch mit CSU-Leuten, gesprochen. Sieagen: Früher waren wir wirklich stolz auf unsere CSU Bayern. Wir waren stolz, weil wir es besser konnten,agen sie.
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1282 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010
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Dr. Frank-Walter Steinmeier
Dieser Stolz ist weg, sagen einige. Und: Ich schämemich dafür, was die bei der Landesbank mit unseremGeld gemacht haben. Sie haben es einfach verzockt; wegist es.Das Geld, das die kleinen Leute in Bayern erarbeitethaben, ist bei der Bayerischen Landesbank verbrannt.
Ich sage Ihnen voraus: Diese Erbsünde in Bayern wer-den Sie so schnell nicht wieder los. Das ist bitter für dieCSU in Bayern. Aufgrund der Reden hier sage ich an dieCSU gerichtet: Seien Sie zwischendurch einfach mal et-was weniger von oben herab, und zeigen Sie etwas mehrDemut! Auch Sie, meine Damen und Herren von derCSU, sind in der Realität Deutschlands angekommen.
Nun tut die Bundeskanzlerin Frau Merkel so, als hättesie mit dem ganzen Gezeter der Männer links und rechtsum sich herum nichts zu tun.
Einige sagen sogar: Das ist geschickt.
Nur, wahr ist es nicht.
Frau Merkel, Sie haben Ihren aktiven Anteil an dem ak-tuellen Desaster in der Koalition. Sie schauen nämlichdem Treiben zwischen FDP auf der einen Seite und CSUauf der anderen Seite einfach teilnahmslos zu. Sie haltensich einerseits heraus und erklären das andererseits nochzur Methode. Sie spielen Leute von der FDP und derCSU ganz geschickt gegeneinander aus, schlagen sichaber selbst in die Büsche. Beispiele dafür haben wir inden letzten Tagen erlebt.
Die Steuersenkung ist ein Beispiel. Zur Steuersen-kung haben Sie lange nicht das Geringste gesagt. Vorder Wahl in Nordrhein-Westfalen wollen Sie nicht zuge-ben, dass das alles leere Versprechungen sind. Darummusste erst einmal Herr Schäuble ins Rennen.
Er musste erst einmal sagen: Das geht so nicht; es istkein Geld dafür da. – Als er dann einmal öffentlich ge-sagt hatte, was notwendig zu sagen war, sind Sie ihm inden Rücken gefallen
und haben in einem Interview im Handelsblatt öffent-lich erklärt – das haben dann einige zu einem Macht-wort hochstilisiert –: Nein, Herr Schäuble, die FDP hatreUczsFDmbKBuSrenssewbFeAimfadknabadmwim–uKardnsnRDdWfü
Ich nenne als weiteres Beispiel Europa und die Tür-ei. Im Koalitionsvertrag steht dazu auch nichts Ge-aues, es wiederholen sich allenfalls die Formulierungenus früheren Koalitionsverträgen. Herr Westerwelle sagtei seinem Türkeibesuch das eine, die CSU täglich dasndere. Von der Kanzlerin hören wir kein klares Wortazu, wie die Regierung mit dieser Frage umgehen will.Frau Merkel, in Ihrem Kabinett darf nicht nur jederachen, was er will. Sie wollen sogar, dass jeder macht,as er will. Das mag für Sie persönlich, vielleicht sogar Augenblick für die Umfragewerte das Richtige sein es ist jedenfalls nicht negativ –, es ist aber schlecht fürnser Land. Das ist Ihr Anteil am Schlamassel dieseroalition und an dem Drama, das sich in Deutschlandbspielt.
In einem haben Sie recht: In diesem Land ist Erneue-ung notwendig. Neues Denken ist gefragt, und zwarringend. Ja, Frau Merkel, aber was tun Sie? Sie tun ge-au das Gegenteil. Sie reichen altem Denken, ich sageogar uraltem Denken die Hand. Sie reichen die Hand ei-er Politik, die schon bei Frau Thatcher und Herrneagan vor Jahrzehnten gescheitert ist. Müssen wir ineutschland denn auch noch die Erfahrung machen,ass die Verarmung des Staates keine Garantie fürachstum ist? Wenn Sie so weitermachen, dann be-rchte ich, dass das der Fall sein wird.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010 1283
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Dr. Frank-Walter SteinmeierDabei liegen die Themen für die Erneuerung diesesLandes auf der Hand: grüne Revolution, die älter wer-dende Gesellschaft, bessere Bildung, bessere Integra-tion. Aber was hören wir heute Morgen in Ihrer Rede?Wir hören wieder nur Ankündigungen, wieder nur Über-schriften. Wo ist das Konzept dieser Regierung für eineModernisierung der Wirtschaft? Wo ist das Konzept die-ser Regierung für die Arbeit von morgen? Gar nichtshöre ich dazu! Wo ist die Weichenstellung für Bildung,Betreuung und Integration? Stattdessen – Sie haben ebenzugehört – gibt es wieder die Ankündigung von neuenGipfeln: wieder die Ankündigung eines Bildungsgipfels,wieder die Ankündigung eines Integrationsgipfels. Ichfrage Sie: Was sollen all diese neuen Gipfel, wenn Län-der und Gemeinden keine Kohle mehr in ihrer Kasse ha-ben, um daraus Politik zu finanzieren? Wir wollen Tatensehen. Wir wollen Ergebnisse sehen. Die haben Sienicht. Deshalb ist Ihre Politik folgenlos und schädlichfür unser Land.
Wer Erneuerung will, der braucht Geld. Deshalb sageich: Stecken Sie das Geld, das noch zur Verfügung steht– es ist wenig genug –, in Innovation, Forschung undBildung. Dort wird es dringend gebraucht. Stattdessenverplempern Sie mal eben knapp 10 Milliarden Euro mitdem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Siehätten damit die Bildungshaushalte des Bundes verdop-peln können. Wenn jetzt noch 20 Milliarden Euro Steu-ersenkung draufkommen,
dann könnten Sie mit dem Geld, das Sie mit der Gieß-kanne übers Land verstreuen, Ganztagsschulen bauen,Studienplätze schaffen, Forscher einstellen, Labors aus-statten und die Zahl der Patente nach oben treiben.
All das wäre möglich, wenn Sie nicht an dieser blödsin-nigen, an dieser falschen Politik festhielten.
Mit dem, was Sie gegenwärtig auf den Weg bringen,plündern Sie nicht nur die öffentlichen Kassen des Bun-des, der Länder und der Gemeinden, sondern Sie schwä-chen auch das, was gerade in der gegenwärtigen Situa-tion in unserem Land so wichtig ist: die sozialeSicherheit. Wir ahnen und wissen im Grunde genau– einige aus der Koalition sagen es in Interviews ja auchschon öffentlich –: Nach der NRW-Wahl wird der Rot-stift angesetzt, natürlich bei den Schwachen und bei denNormalverdienern. Wir hören schon die zynischen Be-gleitkommentare von Roland Koch und anderen: Treibtdie faulen Säcke endlich einmal zur Arbeit! Der FDP-GNjaIhloremkwBsSMs–dSfümwswNgGfüdsussmdIcinbmtrDgsMSn
Diese Bundesregierung ist zu der Erneuerung, die sieich selbst vorgenommen hat, nicht in der Lage.chwarz-Gelb kann das nicht. Schauen Sie auf Frauerkel. Sie sitzt mit leeren Händen auf dem Kanzler-tuhl.
Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie zu den „leeren Hän-en“ klatschen.
o kann man vielleicht eine Zeit überstehen, aber Politikr die Menschen in unserem Land kann man so nichtachen.Die Quittung dafür wird in diesem Jahr kommen. Dasird für Sie eine bittere Erfahrung sein. Wenn die Men-chen erkennen, dass sie von dieser Regierung getäuschtorden sind, wenn sie erkennen, dass es nicht mehretto vom Brutto, sondern weniger Netto vom Bruttoeben wird, wenn sie erkennen, dass in den Städten undemeinden überall gestrichen wird, dass die Gebührenr Kindergärten, Wasser und Abfall erhöht werden,ass, was in einigen Städten Nordrhein-Westfalenschon jetzt erkennbar ist, Stadtteilbüchereien, Theaternd Schwimmbäder geschlossen werden, wenn die Men-chen erkennen – das hat Frau Künast eben richtig ge-agt –, dass sie trotz einer Kindergelderhöhung nichtehr, sondern weniger Geld im Portemonnaie haben,ann wird das Vertrauen in diese Regierung wegbrechen.h sage Ihnen: Das, was Sie mit den Menschen treiben,sbesondere vor den Wahlen, ist ein falsches Spiel. Daseschädigt das Vertrauen in diese Regierung; da bin ichir sicher. Schlimmer aber ist, dass das auch das Ver-auen in die politischen Institutionen beschädigt.
arum ist das, was Sie in den ersten 100 Tagen Ihrer Re-ierungszeit aufgeführt haben, kein schlechtes Lustspiel,ondern bitterer Ernst.Herr Schäuble, ich habe Ihnen gestern gut zugehört.eine herzliche Bitte ist, dass Sie über einen Satz, denie gestern gesagt haben, noch einmal ganz ernsthaftachdenken. Dieser Satz ist in Ihrer Rede im Zusam-
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Dr. Frank-Walter Steinmeiermenhang mit der Diskussion über die Parteispendenvon Finck gefallen. Sie haben in der Debatte gestern ver-sucht, Kritik an Ihrer Klientelpolitik unter Verweis aufWeimar verstummen zu lassen. Wer sie kritisiert – ichdarf Sie einmal zitieren –, der stehe in den Traditionender „Radikalen von rechts und links“. So haben Sie dasgestern genannt. Herr Schäuble, überlegen Sie noch ein-mal, ob das wirklich ein Satz ist, den Sie an die Adresseder Sozialdemokraten richten wollen. Mit Blick auf dieGeschichte dieser Partei kann das kein ernstgemeinterSatz sein.
Herr Steinmeier, kommen Sie bitte zum Ende.
Ich bin sofort fertig. – Ich halte dem entgegen: Demo-
kratie gefährdet nicht der, der Falsches falsch nennt. Die
wirkliche Gefahr für die Demokratie ist eine Politik, die
sich richtiger Einsicht verweigert,
die das tut, was nur Einzelnen nützt, die das Gemein-
wohl aber vernachlässigt und die Kritik daran Majestäts-
beleidigung nennt. Das darf nicht sein.
Herr Steinmeier, kommen Sie bitte zum Ende.
Die Gefahr für unser Land sind nicht die Kritiker, das
sind Sie selbst. Machen Sie Schluss mit der Klientelpoli-
tik! Machen Sie Schluss mit der Politik sozialer Spal-
tung! Kehren Sie auf den Weg der Verantwortung zu-
rück!
Herzlichen Dank.
Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege
Dr. Hans-Peter Friedrich das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Man konnte nach dieser Rede wirklich nicht da-von ausgehen, dass so lange geklatscht wird.DsDSIhgMsNmSuuSletiFAgBbEIhdsBpBhDs
iese Rede, Herr Steinmeier, war lang, laut und enttäu-chend.
iese Rhetorik, mit der man versucht, ein blutleeresammelsurium und Peinlichkeiten zu überspielen, liegtnen einfach nicht.
Wissen Sie, letztes Jahr waren Sie eigentlich nochanz vernünftig.
it „geistiger Wende“ haben wir nicht gemeint, dass Sieich jetzt in geistiges Unterholz begeben sollen.
ein, mit „geistiger Wende“ haben wir gemeint, dass wirehr Freiheit in diesem Land brauchen. Lieber Herrteinmeier, Ihre Angriffe auf die Bundesregierung warenngerechtfertigt
nd sie waren billig.
ie sollten sich nicht auf dieses Niveau begeben. Viel-icht hätten Sie, wenn es um die Verquickung von Poli-k und wirtschaftlichen Interessen geht, auch über Ihrenreund Gerhard Schröder und Gazprom reden können.
ber auf dieses Niveau möchte auch ich mich nicht be-eben.Ich beglückwünsche Sie, dass Sie bei Ihrem Urlaub inayern offensichtlich noch einige Sozis getroffen ha-en.
s gibt nicht mehr viele davon. Bei den Umfragen liegtre Partei, wenn ich das sagen darf, bei 17 Prozent. Iner letzten Woche haben auf die Frage nach der Wirt-chaftskompetenz der CSU 64 Prozent der bayerischenevölkerung gesagt: Die CSU hat die Wirtschaftskom-etenz. Das liegt nach allen Untersuchungen daran, dassayern die Region mit der größten wirtschaftlichen Frei-eit in Europa ist.
eswegen gibt es auch die meisten Investitionen in die-em Land. Darauf sind wir stolz.
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Dr. Hans-Peter Friedrich
Das ist die Kompetenz, auf die die CSU stolz sein kann.
Die christlich-liberale Koalition legt ihren erstenHaushalt vor; aber es ist nicht der erste Haushalt in einerKrise, sondern bereits der zweite. Den letzten, lieberHerr Steinmeier, haben wir zusammen mit Ihnen verab-schiedet. Wir haben festgestellt, dass die Wirtschafts-krise kein Land in der Welt verschont, sondern überallzuschlägt. Es gibt viele Länder, die am Rand des Erträg-lichen, am Rand des Staatsbankrotts angelangt sind, ei-nige mit Massenarbeitslosigkeit. Unser Land ist bisherrelativ verschont geblieben. Das liegt daran, dassDeutschland, dass die deutsche Volkswirtschaft eine her-vorragende Substanz hat.
Es liegt auch daran, dass vonseiten der deutschen Po-litik, auch hier im Hohen Hause, rechtzeitig, schnell undrichtig reagiert wurde. Wir haben in der Großen Koali-tion zusammen – vielleicht wollen Sie sich nicht mehrdaran erinnern; aber ich erinnere Sie daran – öffentlicheund private Investitionen angestoßen. Ich denke nur andie Wärmesanierung von Gebäuden. Wir haben mit derKurzarbeit eine Brücke von der Krise hinüber in dieNormalzeiten gebaut. Hoffen wir, dass diese Brücke langgenug sein wird. Wir haben gemeinsam, Sie von derSPD und wir, im letzten Jahr Steuerentlastungen in Höhevon 14, 15 Milliarden Euro beschlossen, die zum1. Januar dieses Jahres in Kraft treten. Ich verstehe nicht,wieso Sie sich jetzt von diesen Beschlüssen, die Sieselbst mitgetragen bzw. vorangetrieben haben, verab-schieden wollen.Weil sich diese Krise im Haushalt widerspiegelt, hatder ehemalige SPD-Bundesfinanzminister im Mai letz-ten Jahres einen Haushaltsentwurf für 2010 vorgelegt, indem eine Erhöhung der Neuverschuldung um 86 Mil-liarden Euro vorgesehen war;
das ist die Wahrheit. Das ist das Spiegelbild der Krise.Seit drei Monaten regiert eine christlich-liberale Ko-alition,
die die Politik der Krisenbewältigung des letzten Jah-res weiterentwickelt hat, konsequent und logisch.
Erstens stocken wir den Umfang der Steuerentlastungen,die wir schon im letzten Jahr beschlossen haben, umweitere 8,5 Milliarden Euro auf,
und zwar in allererster Linie – das ist der größte Bro-cken – für Familien. Dazu stehen wir, weil es richtig ist.–tukdteLuehIng7dgSDEfüAWtiskwbdleuletr
Herr Poß, der größte Teil der im Rahmen des Wachs-msbeschleunigungsgesetzes vorgesehenen Steuersen-ungen geht zugunsten der Familien,
er kleinere Teil dient der Entlastung der Unternehmen.Haben Sie von der SPD etwa vergessen, dass die Un-rnehmen die Grundlage für Arbeitsplätze in diesemand sind
nd dass jede Erleichterung für die Unternehmen auchine Verbesserung im Hinblick auf die Wettbewerbsfä-igkeit der Arbeitsplätze ist?
sofern ist auch diese zweite Komponente, wie ichlaube, von großer Bedeutung.Trotz dieser neuen Impulse – wir stellen übrigens50 Millionen Euro zusätzlich für Forschung und Bil-ung bereit – sieht unser Haushaltsentwurf eine gerin-ere Neuverschuldung als der damalige Entwurf desPD-Bundesfinanzministers vor.
as zeigt, dass wir die Dinge solide angegangen sind.Das Zweite ist – auch darauf möchte ich hinweisen –:s gibt in diesem Lande nicht nur einen Schutzschirmr Banken, sondern auch einen Schutzschirm für dierbeitnehmer. Auch dies haben wir zusammen auf deneg gebracht. In der jetzigen Krise ist es nämlich rich-g, dafür zu sorgen, dass die Lohnnebenkosten nichtteigen, weil dadurch Arbeitsplätze gefährdet werdenönnten,
as vielleicht zur Folge hätte, dass Kurzarbeit in Ar-eitslosigkeit umschlägt. Wir haben bei den Mitteln fürie Bundesanstalt für Arbeit 16 Milliarden Euro draufge-gt, die Mittel für die gesetzliche Krankenversicherungm 4 Milliarden Euro erhöht und das Darlehen – ein Dar-hen führt irgendwann zwangläufig dazu, dass die Bei-agszahler dafür aufkommen müssen – in einen verlore-
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Dr. Hans-Peter Friedrich
nen Bundeszuschuss umgewandelt. Auch das ist, wie ichglaube, ein wichtiger Gesichtspunkt.Der Verlauf dieses Jahres und der weitere Verlauf derWirtschaftskrise sind unsicher; darauf wurde zu Rechthingewiesen.Meine Damen und Herren, die Frau Bundeskanzlerinhat heute gesagt: Der Wirtschaftseinbruch in Deutsch-land betrug 5 Prozent. – Die Produktion in Deutschlandist also um 5 Prozent eingebrochen. Ich möchte zu Ver-gleichszwecken daran erinnern, dass wir beim sogenann-ten Ölpreisschock in den 70er-Jahren einen Produktions-rückgang um 0,9 Prozent zu verzeichnen hatten. Derdamalige Rückgang hat zu einer enorm hohen Arbeitslo-sigkeit geführt. Insofern kann man im Vergleich zu da-mals ermessen, was ein Rückgang um 5 Prozent bedeu-tet und wie gut es uns gelungen ist, die Arbeitslosigkeitim Zaum zu halten und sie nicht ausufern zu lassen.
Herr Kollege Friedrich, würden Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Heil zulassen?
Keine Zwischenfragen, danke.
Gefahren lauern allerdings auch in manchen unsererPartnerländer, die finanziell und wirtschaftlich zum Teilschwach auf der Brust sind; auch hier müssen wir unsauf vieles einstellen. Wir wissen nicht, was dieses Jahrbringt. Aber die christlich-liberale Koalition ist auf alleEventualitäten vorbereitet. Unsere Antwort auf die Kriseund auf die Herausforderungen ist die soziale Markt-wirtschaft. Das unterscheidet uns von der rot-rot-grünenOpposition.
Wir setzen auf die Freiheit der Marktwirtschaft.Das wichtigste Kapital unseres Landes sind dasSelbstvertrauen der Menschen, ihr Optimismus, ihreLeistungsbereitschaft und ihre Bereitschaft, Verantwor-tung zu übernehmen. All dies sind Voraussetzungen da-für, dass der Sozialstaat, den wir alle bewahren und ver-bessern wollen, erhalten bleibt.Die Generalsekretärin der SPD wurde dieser Tage ineinem Interview mit der Berliner Zeitung gefragt: Wowürde die SPD denn sparen? Sie hat gesagt: Sparenbraucht man nicht, man muss nur die Steuern erhöhen.Sie hat die Einführung eines neuen Soli und die Erhö-hung von Steuersätzen vorgeschlagen.Meine Damen und Herren, wir wissen, wie erfinde-risch die Linken sind, wenn es um die Einführung neuerSteuern geht. Ich erinnere an die rot-grüne Ökosteuer,die mit dem Wohlfühlwort „Öko“ versehen wurde, abernichts weiter war als das Abkassieren von Menschen.WAdesDledsbmbgwnwgaicdinddrewaicwgkDeabSganAnte
elches Etikett auch immer Sie auf eine Steuer kleben:m Ende müssen die Menschen zahlen. Lassen Sie alsoas mit den Etiketten! Außerdem wissen Sie genau, dasss wahnsinnig schwer ist, Steuern, die einmal eingeführtind, wieder abzuschaffen.
eswegen sind wir bei solchen Vorschlägen – die von al-n Seiten gemacht werden – sehr zurückhaltend.
Wir wollen, dass die Menschen fair behandelt wer-en, die ihr Leben lang gearbeitet haben und zu einempäten Zeitpunkt ihres Arbeitslebens unverschuldet ar-eitslos geworden sind. Es muss ein Unterschied ge-acht werden zwischen denen, die jahrzehntelang gear-eitet haben und dann unverschuldet in Hartz IVeraten, und denen, die noch nie gearbeitet haben. Des-egen, aber auch, um den Leistungsgedanken zu beto-en, war es uns wichtig, dass das Schonvermögen erhöhtird. Die christlich-liberale Koalition hat diesen Schrittetan. Ich glaube, dass diese Entscheidung richtig ist.
Wir werden bei unseren Überlegungen weiter daraufchten, dass die Kommunen – das ist ein Anliegen, dash als Vertreter der CSU besonders hervorheben will;enn wir sind tief verwurzelt in den Kommunen – auch der Zukunft ihre Aufgaben erfüllen können. Wir wer-en auch vonseiten der Bundespolitik darauf achten,ass die Kommunen in ihrer Wirtschaftsdynamik, in ih-r Investitionskraft weiterhin gefestigt und gestärkterden. Das ist einer der wichtigsten Punkte, die wir unsuf die Fahne geschrieben haben. Im Übrigen möchteh darauf hinweisen, dass die Wachstumsdynamik, dieir gemeinsam durch das Wachstumsbeschleunigungs-esetz erhöht haben, auch den Kommunen zugute-ommt.
ie Steuereinnahmen, die durch zusätzliches Wachstumntstehen, kommen nämlich auch bei den Kommunenn.Lassen Sie mich zum Schluss etwas zur Schulden-remse sagen. Wir – FDP, SPD, CDU/CSU – haben diechuldenbremse im vergangenen Jahr in Verantwortungegenüber den nächsten Generationen gemeinsam ver-bredet. Wir stehen zu dieser Verantwortung. Ich kannur immer wieder sagen: Weisen wir gemeinsam allengriffe der Linken – sowohl derer, die sich die Linkenennen, als auch der Linken in den Reihen anderer Par-ien – auf die Schuldenbremse zurück! Freibier für alle
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Dr. Hans-Peter Friedrich
und Schulden machen auf Teufel komm raus ist keineverantwortliche Politik. Deswegen ist die Schulden-bremse richtig.
Diese christlich-liberale Regierung hat einen klarenAuftrag: Wir werden Deutschland aus der Krise führen.Wir werden das Land fitmachen für das neue Jahrzehnt,und wir werden dafür sorgen, dass Deutschland in derWelt an der Spitze steht.Danke schön.
Der Kollege Heil zu einer Kurzintervention, bitte.
Herr Kollege Friedrich, da Sie nicht den Mut gezeigt
haben, eine Zwischenfrage zuzulassen, möchte ich Ihnen
eine ganz einfache Frage stellen.
Aus der Koalition waren unterschiedliche Äußerun-
gen zu vernehmen, als es um die Erhöhung des Arbeits-
losenversicherungsbeitrages ging. Ich will Ihnen hier
und jetzt, in der Reaktion auf meine Kurzintervention,
die Gelegenheit geben, zu Protokoll zu geben, wie sich
das verhält.
Können Sie – auch für die Zeit nach der Landtags-
wahl in Nordrhein-Westfalen – definitiv ausschließen,
dass der Arbeitslosenversicherungsbeitrag in dieser Le-
gislaturperiode über das hinaus erhöht wird, was an Er-
höhung – auf 3 Prozent – zum nächsten Jahr ansteht?
Ich frage danach, weil das für die Planbarkeit im Hin-
blick auf Personal, für wirtschaftliche Investitionen, für
den Faktor Arbeit sehr wichtig ist. Meine Frage ist ganz
einfach – Sie müssen nicht lang antworten –: Ja oder
Nein? Wird diese Koalition, um ihre Steuergeschenke zu
finanzieren, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag erhö-
hen und damit dafür sorgen, dass den Arbeitnehmern
weniger Netto vom Brutto bleibt?
Diese Frage ist offen, weil in der Koalition schon über
eine Erhöhung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages
auf 4,5 Prozent diskutiert wird. Herr Friedrich, Ja oder
Nein: Werden Sie den Beitrag auf mehr als 3 Prozent er-
höhen? Sagen Sie: Read my lips!
Herr Kollege Friedrich.
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llein die Frage ist schon Unfug.
Natürlich ist dies eines der wichtigsten Ziele unserer
irtschaftspolitik überhaupt. Wir verstehen Wirtschafts-
olitik nicht wie andere, die Genossen der Bosse, als
lientelpolitik für die Großkonzerne. Unser Ansatz ist
irtschaftspolitik für die mittelständischen Unterneh-
en, für das Handwerk, für die landwirtschaftlichen Be-
iebe.
ort sind die Erhöhungen von Lohnnebenkosten schäd-
ch, und deswegen werden wir uns einer solchen Politik
er Erhöhung von Lohnnebenkosten entgegenstellen.
Nun hat Brigitte Zypries für die SPD-Fraktion das
ort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenamen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Deraushalt des Beauftragten für Kultur und Medien siehtuf den ersten Blick gut aus: Es gibt keine Kürzungen iner Kultur- und Medienpolitik des Bundes. Ja, es gibtogar eine moderate Steigerung, die aber hoffentlichicht nur an der tarifvertraglich bedingten Erhöhung derersonalkosten liegt.Die schlechte Nachricht allerdings ist: In Wahrheitndet natürlich doch eine Kürzung bei den wichtigstenkteuren der Kultur in unserem Lande statt, nämlich beien Kommunen. Dies liegt nun nicht am Haushalt desKM, sondern an den sonstigen Entscheidungen, dieiese Regierungskoalition in den ersten hundert Tagenereits umgesetzt hat. Durch das sogenannte Wachs-
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Brigitte Zypriestumsbeschleunigungsgesetz werden den Kommunenmindestens 1,6 Milliarden Euro pro Jahr in den Kassenfehlen, und zwar zusätzlich zu den ohnehin schon vor-handenen Mindereinnahmen aufgrund der Wirtschafts-und Finanzkrise.Deshalb können viele Kommunen heute schon nichtmehr freiwillige Leistungen in dem Umfang anbieten,wie sie es gern täten. Gerade die freiwilligen Ausgabenprägen das Leben in der Kommune. Bibliotheken,Schwimmbäder, Theater, freie Kulturszenen, all das istein Stück Lebensqualität und ein Kernstück kommunalerSelbstverwaltung.Wenn Sie heute in die Feuilletons der Zeitungen se-hen, finden Sie an jedem Tag Auflistungen zu den Über-legungen der Kommunen, was künftig noch bei ihneneingespart werden kann. Diese Liste reicht von Theater-schließungen – das markanteste Beispiel ist Wuppertal –über zahlreiche Einschränkungen bei den kulturellenFörderungen verschiedenster Art bis hin zur Schließungvon Musikschulen.
Dazu hat Otto Schily bei seiner Amtsübernahme 1998gesagt:Wer Musikschulen schließt, gefährdet die Innere Si-cherheit.
Damit hat er exemplarisch deutlich gemacht, welche Be-deutung die Kultur für unsere Gesellschaft hat. Es gehteben nicht nur um das sogenannte Bildungsbürgertum,das sich bei den Theaterpremieren der Stadt trifft. Nein,es geht vor allen Dingen auch darum, dass man kleine,alternative Kulturangebote in der Kommune machenkann, die den Jugendlichen Alternativen zum Internetund zum Fernsehen am Nachmittag aufzeigen.
Es geht auch um Angebote, die ihnen deutlich ma-chen, welche Bedeutung das Spielen eines Instrumentshaben kann. Ich denke etwa an die wunderbare Initiative„Ein Musikinstrument für jedes Kind“. Es geht auch umdie freien Theaterprojekte wie das Projekt der „Atriden“in meinem Wahlkreis, bei dem 90 Menschen aus 14 ver-schiedenen Nationen ein antikes Stück aufgeführt unddabei gemeinsam gelernt haben, dass dieses Zusammen-spielen viel mehr als „nur“ Theaterspielen ist. All diesewichtigen Aufgaben von Kulturarbeit gehen verloren,wenn wir die Kommunen finanziell ausbluten. Es wirdschwer sein, diese kulturelle Substanz wieder aufzu-bauen. Auch deshalb ist das sogenannte Wachstumsbe-schleunigungsgesetz in seinen Auswirkungen so verhee-rend.
Diese Überlegungen zur Kultur sind ein Grund für dieSPD, sich für die Einführung eines Staatsziels Kulturin die Verfassung einzusetzen. Dazu lesen wir leider imKoalitionsvertrag nichts.dreisIcHdEcnbhedzDdDmWsrudWsKdgssgsdimDwMmNVDe
Es zeigt sich: Nicht nur in der Steuerpolitik gibt es fürie Koalition nach knapp 100 Tagen im Amt ein verhee-ndes Zeugnis. Auch in der Kultur- und Medienpolitikt der Start missraten.
h erinnere an den Fall Brender, Chefredakteur im ZDF.err Staatsminister, hier hätten Sie die Unabhängigkeites Rundfunks achten und verteidigen müssen.
in anderes Beispiel ist das wirklich unwürdige Gescha-here um die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöh-ung“. Das Verhalten des BdV und seiner Präsidentinelastet das deutsch-polnische Verhältnis erheblich. Esat inzwischen auch die Stiftung nachhaltig geschädigt.
Wir als Sozialdemokraten sehen in diesem Haushaltinzelne Kritikpunkte in den einzelnen Titeln, die wir inen Ausschussberatungen diskutieren werden. So sindum Beispiel im Haushalt keine Mittel für die geplanteigitalisierung der Kinos vorgesehen. Wir wollen aber,ass die kleinen Kinos unterstützt werden.Wir alle wissen: Kunst ohne Künstler geht gar nicht.eshalb ist die Förderung von Projekten und Program-en durch die Kulturstiftung des Bundes sehr wichtig.ir meinen, die Mittel dieser Stiftung sollten aufge-tockt werden. Wir möchten gerne von Ihnen die Erklä-ng, dass Sie bei der Künstlersozialversicherung nichten Weg der schwarz-gelben Landesregierung Baden-ürttembergs einschlagen und diese Künstlersozialver-icherung einstampfen wollen. Hier möchten wir gernelarheit.Ich komme zum Thema Internet. Der Vorschlag fürie Einsetzung einer Enquete-Kommission ist zwarrundsätzlich gut. Wir meinen aber, dass da noch we-entliche Aspekte fehlen. Bei dieser Enquete-Kommis-ion fehlt bisher zum Beispiel völlig die derzeitigeesellschaftliche Debatte um das Internet: Welche politi-chen und welche soziologischen Auswirkungen hatenn das Internet auf unsere Gesellschaft? Was hat sich Denken geändert, seit wir das Internet benutzen?iese Fragen, die jetzt auch in Amerika breit diskutierterden, müssen wir hier unbedingt erörtern.In diesen Zusammenhang gehören die Stärkung deredienkompetenz und der informationellen und kom-unikativen Selbstbestimmung in den neuen sozialenetzwerken ebenso wie die Frage der Sammlung underwertung von Daten durch Unternehmen wie Google.azu gehört für uns auch die Debatte, ob es Sinn macht,xtra eine Suchmaschine für Kinder zu finanzieren, oder
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010 1289
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Brigitte Zypriesob nicht Kinder im Rahmen der Stärkung von Medien-kompetenz lernen sollten, mit den Angeboten des Inter-nets umzugehen, statt dass man sie auf extra für sie ent-worfene Suchmaschinen verweist.
Frau Zypries, bitte kommen Sie zum Schluss.
Das, Frau Präsidentin, waren meine Überlegungen.
Die SPD wird im Ausschuss konstruktiv mitdiskutieren
und zusehen, dass in unserem Sinne noch Veränderun-
gen stattfinden.
Jetzt spricht für die Bundesregierung der Kollege
Bernd Neumann.
B
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LiebeFrau Zypries, an sich ist es schade, dass Sie sich in IhrerJungfernrede im Bereich der Kultur eigentlich gar nichtdem Kulturhaushalt, den wir heute zu diskutieren haben,zugewendet haben. Sie haben ihn kurz angesprochen,damit meine ich: gelobt. Insofern gehe ich erst einmaldavon aus, dass die SPD-Opposition mit dem, was wirhier vorgelegt haben, völlig einverstanden ist.
Wir haben in der letzten Legislaturperiode die Ausga-ben des Bundes für die Kultur Jahr für Jahr kontinuier-lich erhöht.
Auch im vorliegenden Haushalt – Kollegin Zypries hatdarauf hingewiesen – hat die Bundesregierung eine mo-derate Steigerung vorgesehen. Hinzu kommen dieSchritt für Schritt vorgenommene Realisierung des Son-derinvestitionsprogramms zum Erhalt des kulturellen Er-bes – in 2010 mehr als 50 Millionen Euro – sowie dieMittel aus dem Konjunkturpaket II, wodurch wir bis2011 die Chance haben, für die Verbesserung der Infra-struktur in der Kultur bis zu 100 Millionen Euro auszu-geben. Auch in der Finanz- und Wirtschaftskrise gilt:Kulturförderung ist keine Subvention, sondern eine un-verzichtbare Investition in die Zukunft unserer Ge-sellschaft.
Damit aus der wirtschaftlichen Krise nicht auch nocheine geistige wird, bedarf unsere Gesellschaft eines trag-fähigen geistigen Fundaments. Dieses Fundament ist dieKultur. Deshalb ist es aus gesellschaftspolitischer SichtkdDPzswhZhDreKMtuntumbzreföSEzincsHSuhzzddddsm
enn Kultur ist leider keine gesetzlich verankerteflichtaufgabe. Dennoch sollte es unsere Pflicht sein, sieu schützen und ihre Rahmenbedingungen zu verbes-ern.
Gerade im Bereich der kulturellen Bildung dürfenir nicht sparen. Im Gegenteil: Wir wollen mehr als bis-er unsere Verantwortung für dieses Schlüsselthema derukunft wahrnehmen und mit gutem Beispiel vorange-en.
urch die Einrichtung eines neuen Fördertitels für kultu-lle Vermittlung und weitere Schwerpunktsetzungen derulturstiftung des Bundes planen wir in diesem Jahrittel in Höhe von über 12,5 Millionen Euro für die kul-relle Bildung ein. Außerdem wird eine Fülle von Maß-ahmen über die von uns ohnehin geförderten Einrich-ngen und Fonds initiiert und finanziert.Für uns gilt: Der Zugang zur Kultur muss jedermannöglich sein. Dort, wo es Barrieren gibt, sind sie abzu-auen. Kulturelles Miteinander ist die beste Methodeur Integration.
Es ist eine unserer wichtigsten Aufgaben, das kultu-lle Erbe zu bewahren, wie dies in vielen vom Bund ge-rderten Einrichtungen geschieht. Stellvertretend sei dietiftung Preußischer Kulturbesitz genannt. Mit derröffnung des Neuen Museums im Oktober 2009 sindum ersten Mal seit 1939 alle Häuser auf der Museums-sel wieder für das Publikum geöffnet. Die hohen Besu-herzahlen bestätigen das große Interesse an diesem En-emble.Für das Jahr 2010 ist von der Bundesregierung imaushaltsentwurf vorgesehen, die Betriebsmittel für dietiftung Preußischer Kulturbesitz gemeinsam mit Berlinm 5 Millionen Euro auf 138 Millionen Euro zu erhö-en. Daneben stellen wir, der Bund, als alleiniger Finan-ier bei Investitionen 92 Millionen Euro allein in 2010ur Verfügung. Das heißt, wir tun etwas für den Erhaltes kulturellen Erbes trotz finanziell schwerer Zeiten.
Die Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses mitem Humboldt-Forum ist eine einmalige Chance fürie Kulturnation Deutschland. Wir errichten im Herzener Hauptstadt ein Schaufenster der Weltkulturen undchließen eine schmerzliche Lücke im Stadtbild. Zusam-en mit der Museumsinsel entsteht ein Ensemble von
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1290 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010
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Staatsminister Bernd Neumann: Staatsminister Bernd NeumannAusstellungshäusern, das weltweit seinesgleichen su-chen wird.
Die vom Deutschen Bundestag beschlossene Reali-sierung des Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlinwollen wir in dieser Legislaturperiode zügig fortsetzen.Ein neuer internationaler Einladungswettbewerb mit ei-nem vorgeschalteten offenen Bewerberverfahren soll imFebruar starten. Ich bin zuversichtlich, dass im20. Jubiläumsjahr der deutschen Einheit die Jury einenangemessenen und eindrucksvollen Entwurf nominiert,der dann zügig realisiert wird.Mir ist bewusst, dass wir uns auch haushaltsmäßig inschwierigen Zeiten bewegen. Ich hoffe gleichwohl, dasswie in der Vergangenheit auch zukünftig parteiübergrei-fend der für die Kultur notwendige Konsens bestehenbleibt.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Die Kollegin Dr. Lukrezia Jochimsen spricht jetzt für
die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Kultur gehört in den Haushalt der Kanzlerin. Es ist
nicht ausgemacht, ob das für die Kultur gut oder schlecht
ist.
Einerseits wird dadurch auf die nationale Verantwortung
für die Kultur in unserem föderalen Staat hingewiesen.
Andererseits wird die Kultur dadurch zum kleinen
Anhängsel in der großen Haushaltsdebatte. Eine grund-
sätzliche Auseinandersetzung, wie wichtig Kultur für
dieses Land ist und wie bedroht sie gerade jetzt ist, lässt
sich in einer Anhängseldebatte zur Haushaltsdebatte lei-
der nicht führen.
Hätten wir doch jetzt den Satz in unserer Verfassung:
Der Staat schützt und fördert die Kultur. Wenn wir die
Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankert hätten,
könnten wir gerade in dieser Zeit Signale setzen.
Staatsminister Neumann hat neulich im Ausschuss für
Kultur und Medien gesagt, man müsse sich der Verant-
wortung bewusst sein, die man auf nationaler Ebene
trage; der Bund habe Vorbildfunktion. Großartig gespro-
chen! Aber was heißt das konkret? Konkret heißt das,
dass diese Regierung ein Wachstumsbeschleunigungsge-
setz beschließt, das die Kommunen finanziell zuneh-
mend in den Ruin treibt, wohl wissend, dass es die Kom-
munen zusammen mit den Ländern sind, die die
Hauptkosten für die Kultureinrichtungen tragen. Des-
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Wenn Sie schon nicht auf uns hören, verehrter Staats-
inister, dann hören Sie doch auf die Hilferufe der
tädte, des Städtetages und der Organisationen der Kul-
rschaffenden. Vom Kulturrat über den Bundesverband
ildender Künstlerinnen und Künstler bis zum Deut-
chen Bühnenverein, alle fordern jetzt einen Notfonds
es Bundes. Genau das fordert auch die Linke in dieser
aushaltsdebatte.
a, wir fordern ein Hilfsprogramm zur Erhaltung der kul-
rellen Infrastruktur in unserem Land, einen Schutz-
chirm für die Kultur, 1 Milliarde Euro. Diesen Vor-
chlag bringen wir ein.
ir wollen uns nicht damit begnügen, dass hier und da
in paar Symptome behandelt werden.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bei Katastrophen sei es folgerichtig,enn Bund, Land und Kommunen gemeinsam Hilfs-nds für die Kultur einrichteten. Ich frage: Ist dieserise keine Katastrophe, und ist die Krise plus Wachs-msbeschleunigungsgesetz dieser Regierung nicht gera-ezu eine doppelte Katastrophe für die Kultur?
Die Kultur gehört in den Haushalt der Kanzlerin. Alsouss die Kanzlerin – sie ist leider nicht anwesend – auchandeln. Sie wird dadurch Wachstum schaffen; dennultur- und Kreativwirtschaft sind eine Wachstumsbran-he. Wenn man dieser Branche aber das Fundamentimmt – die Orchester, die Theater, die Museen, die Bi-liotheken und vor allem die kulturelle Bildung der Kin-er –, dann wird diese Zukunftswirtschaft verkümmernnd nicht wachsen. Schaffen Sie also einen Schutz-chirm für die Kultur! Das ist nicht nur unsere Forde-ng. Das ist die Forderung der Stunde.
Nun noch ein paar Fragen zu den nationalen Prestige-rojekten der Bundeskultur in Berlin. Das Stadtschlossowie das Freiheits- und Einheitsdenkmal sind sehr um-tritten, von Pannen begleitet und sehr teuer. Der Staats-inister hat leider kein Wort zum Dokumentations-entrum „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“efunden. Dürfen wir einmal erfahren, lieber Staats-inister, wie es weitergeht? Wird das Institut aus demistorischen Museum ausgegliedert? Wird der Bundes-g mit einem neuen Stiftungsgesetz befasst? Verzichtetie Regierung auf das Berufungsrecht? Gibt es nochehr Stiftungsratsmitglieder des Bundes der Vertriebe-en, wie es von Frau Steinbach gefordert wurde? Im De-ember letzten Jahres ist der einzige polnische Vertreter wissenschaftlichen Beraterkreis der Stiftung zurück-etreten. Danach habe ich die Bundesregierung gefragt,ie denn nun die polnische Sichtweise bezüglich der
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Dr. Lukrezia JochimsenNachkriegsaussiedlung der Deutschen in Polen in derStiftung gewährleistet werden soll. Die Antwort lautete:Die Bundesregierung legt weiterhin großen Wert aufeine polnische Beteiligung. – Sehr schön! Aber wie?Gibt es einen Nachfolger für Professor Szarota? Suchtman überhaupt einen? Sieht man denn nicht, dass dieAufgabe der Versöhnung bei diesem Projekt zunehmendin den Hintergrund tritt?Kanzlerin, übernehmen Sie!
Machen Sie Schluss mit dieser Art von Erinnerungskul-tur in der Verantwortung der Bundesregierung! Das täteder politischen Kultur in unserem Land gut. Geld ließesich dabei übrigens auch sparen.Vielen Dank.
Jetzt hat der Kollege Reiner Deutschmann für die
FDP-Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Zu Recht schauen wir mit Stolz aufdie vielfältige Kulturlandschaft in Deutschland. Sieweist eine hohe Dichte auf, ist durch öffentliches undprivates Engagement geprägt, und sie findet in den un-terschiedlichsten Bereichen statt. Allein unsere Museenwerden jährlich von über 105 Millionen Menschen be-sucht. Kultur hat in Deutschland zu Recht einen beson-deren Stellenwert. Ich bin froh, dass auch wir vonseitendes Bundes einen kleinen Teil dazu beitragen könnenund dürfen, dass die Kulturlandschaft Deutschlandweiter blüht.Zurzeit präsentiert sich Deutschland mit der Kultur-hauptstadt Ruhr 2010 in besonderer Weise als Kultur-nation. Diese Kulturhauptstadt steht für Kultur im Zei-chen des Strukturwandels. Industriebrachen werden fürdie Kultur neu entdeckt und für die Menschen erschlos-sen. Dies zeigt, welche Kraft und Kreativität im Kultur-sektor stecken. Dabei steht Kultur nicht nur für ideelleWerte. Kulturförderung ist auch eine Investition in dieZukunft. Viele Gutachten zeigen, dass jeder so inves-tierte Euro als Kulturrendite im Wirtschaftskreislaufbereits jetzt verdoppelt wird. Nicht umsonst spielt inzwi-schen die Kultur- und Kreativwirtschaft in einer Liga mitder Chemie- und Automobilindustrie.
Ich glaube, dass wir darin übereinstimmen, dass dieBedeutung der Kultur nicht stark genug betont werdenkann. Attraktive Kultureinrichtungen und Kulturange-bote prägen entscheidend die Lebensqualität in unserenStädten und Gemeinden. Sie sind damit identitätsstif-teawlefedmbgddregSredHfümkWZdtegggDKsADfetuaLthgin
Dem Bundesbeauftragten für Kultur und Medien,taatsminister Bernd Neumann, ist es in den letzten Jah-n, auch mit Unterstützung unserer Fraktion, gelungen,en Stellenwert der Kulturförderung des Bundes in denaushaltsberatungen deutlich herauszustellen und sogarr einen Aufwuchs des Kulturetats zu sorgen. Dafüröchte ich dem Kulturstaatsminister ausdrücklich dan-en.
Nun befinden wir uns in der größten Finanz- undirtschaftskrise, die dieses Land seit dem Ende desweiten Weltkrieges erlebt hat. Geld muss gespart wer-en. Erfahrungsgemäß wird der Rotstift in solchen Zei-n gern bei den verhältnismäßig kleinen Kulturetats an-esetzt. Gerade in den Ländern und Kommuneneschieht dies, weil die Kultur nur als freiwillige Auf-abe eingestuft ist. Pflichtaufgaben haben dann Vorrang.ass es anders geht, zeigt zum Teil Sachsen. Dort istulturförderung Pflichtaufgabe und im Kulturraumge-etz geregelt. Darüber hinaus hat die Kultur durchrt. 11 der Landesverfassung Verfassungsrang.
er mit dem Kulturraumgesetz verbundene Solidaref-kt schafft Planbarkeit und Sicherheit nicht nur für Kul-rdezernenten, sondern durchaus auch für Vereine undndere Körperschaften. Allerdings muss die sozialeage vieler Künstlerinnen und Künstler noch viel stärkerematisiert werden.Ich will die Kultur nicht per se aus den Sparbemühun-en ausschließen. Aber nach 18 Jahren als Beigeordneter der kommunalen Kulturpolitik weiß ich, dass noch
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Reiner Deutschmannkein Haushalt durch Einsparungen im Kulturetat saniertworden ist.
Aber schon so manches abgerissene Haus hat dauerhafteine hässliche Baulücke hinterlassen. Das darf uns imKulturbereich nicht passieren.
– Dann sollen sie lieber das halbe Ordnungsamt schlie-ßen, als bei der Kultur zu sparen. – Trotz der klar verteil-ten Kompetenzen möchte ich den Ländern und Kommu-nen von massiven Einschnitten abraten. Gerade inKrisenzeiten sind Streichungen im Kulturbereich kontra-produktiv.
Wie gesagt, die Kompetenzen sind in Deutschlandklar verteilt. Kultur ist Ländersache. Die Bundesländersind gefordert, ihre jeweiligen Landesgesetze so zu ge-stalten, dass die Kulturförderung auch in der Krise finan-ziell abgesichert bleibt. Ich hoffe, dass die Kultur bald inallen Bundesländern ganz selbstverständlich zu denPflichtaufgaben gehört.Dabei wäre die Verankerung der Kultur als Staats-ziel sehr hilfreich. Es wäre ein Zeichen dafür, was dieKultur unserer Nation wirklich wert ist. Ich will aber En-gagement nicht nur von den Ländern fordern, sondernauch vom Bundestag. Ich stehe dazu, dass wir weiterhinden Bundesbeauftragten für Kultur und Medien unter-stützen, wenn es um die Kulturförderung vonseiten desBundes geht.Danke schön.
Jetzt hat die Kollegin Agnes Krumwiede für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Das Streben nach Leistung, Wachstum undWohlstand beherrscht unsere Gesellschaft. Ein Bild ma-len, Theater spielen oder Musizieren ist bei uns keineLeistung, sondern im besten Fall Talent, das in der Frei-zeit gepflegt werden darf. Auch für die Kommunen istKultur keine Pflicht, sondern Kür, eine freiwillige Leis-tung. Es ist eine Tatsache, dass die sogenannten freiwilli-gen Aufgaben den Kürzungen als Erstes zum Opfer fal-len, wenn den Kommunen das Geld ausgeht. Die stehenvor dem finanziellen Kollaps. Ihre verfehlte Steuerpoli-tik mit großzügigen Geschenken an eine großzügige Kli-entel wird die Situation noch verschlimmern.
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er politische Wille konnte Banken retten. Für den Er-alt kleiner kultureller Institutionen wäre nur ein Bruch-il dieser Mittel notwendig. Die Rettung der Hypo Realstate hat so viel Geld verschlungen, wie der vierfacheetrag aller öffentlichen Kulturausgaben pro Jahr ineutschland ausmacht. Im Haushaltsplan der Regierungeht es in erster Linie um die Sicherung etablierter Aus-ängeschilder. Aber, Herr Neumann, solange der Bundicht gleichermaßen Verantwortung für die Förderungleiner Projekte und Institutionen übernimmt, riskiert erotzdem eine Verödung unserer Kulturlandschaft;
enn Generationengerechtigkeit bedeutet nicht nur, denchuldenberg zu reduzieren und unser kulturelles Erber nachfolgende Generationen zu bewahren, es ist ge-auso wichtig, Kreativität zu fördern, die Entstehungon Neuem zu fördern und die Fantasie zu fördern. Dasedeutet vor allem, die Rahmenbedingungen für kul-relle Bildung zu verbessern.Doch was macht die Bundesregierung? Sie kürzt dieuwendungen für die Kulturstiftung des Bundes. Wirlle kennen die Bedeutung der Kulturstiftung im Bereicher kulturellen Bildung. Neuerdings ist im Haushalts-lan 1 Million Euro für „kulturelle Vermittlung“ vorge-ehen. Mir kommt es sehr fragwürdig vor, Gelder für dieulturstiftung zu kürzen und gleichzeitig in ein Phantomit dem Namen „kulturelle Vermittlung“ zu investieren,on dessen Existenz die Opposition zum ersten Malurch den Haushaltsplan erfahren hat.
ir sind gespannt, welche inhaltlichen Konzepte sichahinter verbergen und helfen auch gerne mit Ideen.Wir helfen auch gerne bei der Medienpolitik. Dieoalition hat groß angekündigt, die digitale Spaltung deresellschaft verhindern zu wollen, aber es genügt nicht, jedem Haushalt einen Breitbandzugang zu legen. Not-endig sind mehr Projekte zur Förderung von Medien-ompetenz. Entscheidend ist auch hier die Förderung derleinen Initiativen, in denen Kindern, Jugendlichen undrwachsenen die digitale Welt mit all ihren Chancen kri-sch nähergebracht wird. Ich glaube, wir brauchen einen
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Agnes KrumwiedeParadigmenwechsel in unserer Gesellschaft. EinemWachstumsbeschleunigungsgesetz möchte ich die For-derung nach Entschleunigung entgegensetzen.
Alle, gerade Kinder und Jugendliche, sind auf Zeit zumWachsen und zum Spielen angewiesen. Geistige Ent-wicklung braucht Zeit. Da lässt sich nichts beschleuni-gen.Wir müssen Abschied nehmen vom Leistungswahnund in die Bildung investieren, Räume und Freiräumeschaffen für kreative Inhalte. Das Wohlergehen der Men-schen in unserem Land hängt nicht ab von materiellemWachstum zugunsten einer privilegierten Schicht, son-dern von lebensfreundlichen Bedingungen. Ein besseresLeben für viele ist für uns Grüne wichtiger als mehrGeld für wenige.
Das heißt, es darf Ihnen als Regierung nicht in ersterLinie darum gehen, die schillernde Oberfläche unsererKulturnation zu polieren, Stichwort „Berliner Stadt-schloss“. Wenn die Kommunen vor dem Aus stehen,kann der Bund nicht tatenlos zusehen.
Wir dürfen unsere kommunalen Kultureinrichtungennicht dem Beschleunigungswahnsinn opfern.Es ist unsere Pflicht, zukünftigen Generationen keinegeistige Verarmung zu hinterlassen. Der Weg zu einemneuen Denken – wir meinen damit etwas anderes alsFrau Merkel –, zu einem besseren Leben ist ohne einneues Bewusstsein für kulturelle Werte nicht möglich.Vielen Dank.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegennicht vor.Wir kommen zum Geschäftsbereich des AuswärtigenAmtes, Einzelplan 05.Als erster Redner hat das Wort der Kollege Dr. GuidoWesterwelle für die Bundesregierung.Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-wärtigen:Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutsche Au-ßenpolitik ist Friedenspolitik. Diese Kontinuität zuwahren, das gehört nach Auffassung der christlich-libe-ralen Bundesregierung zum Wertvollsten, was wir Deut-sche an politischem Inventar zu bieten haben. Weil deut-sche Außenpolitik Friedenspolitik ist, setzen wir aufAbrüstung.dnkHHShbdkdfewgdrüsndüdsisBtuSmlimZdsrücfegRsRzgriWhkuhtumim
Wer die Chancen der Globalisierung sieht, erkenntatürlich auch die Gefahren. Ich will nicht, so wie ichas früher in Generaldebatten vormittags oft getan habe,ber die innenpolitischen, wirtschaftspolitischen und bil-ungspolitischen Fragen der Globalisierung sprechen,ondern über die außenpolitischen. Die Globalisierungt chancenreich; aber sie hat auch Schattenseiten, zumeispiel die Weiterverbreitung von Massenvernich-ngswaffen. Der internationale Terrorismus, auch derumpf von radikalen Ideologien in der Welt und nichtehr nur in Regionen, das Vernetzen von Fundamenta-smus, Radikalismus, Menschenverachtung und Un-enschlichkeit, all das ist natürlich eine Geißel unserereit, ein Ergebnis des technologischen Fortschritts under Globalisierung. Wer die Globalisierung mit realisti-chem Optimismus begrüßt, der muss zugleich auf Ab-stung setzen, um die globalisierte Welt sicherer zu ma-hen.
Der amerikanische Präsident Barack Obama hat inso-rn ein Fenster der Gelegenheit, wie man es nennt, auf-estoßen. Ich meine damit nicht in erster Linie seineede in Kairo – die auch –,
ondern vor allen Dingen, Frau Kollegin Roth, seineede in Prag, eine Rede, die meiner Meinung nach vielu wenig beachtet worden ist. Hier sehen wir, dass ehr-eizige, visionäre Ziele formuliert werden können. Es istchtig, dass wir den amerikanischen Präsidenten beimort nehmen. Damit wir uns auch hier nicht missverste-en: Wir wollen nukleare Abrüstung nicht, um leichteronventionelle Kriege führen zu können, sondern fürns als christlich-liberale Bundesregierung und, wie ichoffe, auch für das ganze Haus gehen nukleare Abrüs-ng und konventionelle Abrüstung Hand in Hand. Dasüssen wir allen waffenreichen Regionen in der Weltmer wieder ins Stammbuch schreiben.
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Bundesminister Dr. Guido Westerwelle: Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
Wir sprechen mit unseren Partnern und Verbündetenüber Abrüstung. Das stand vielleicht bei den Berichtenüber eine Reihe von Antrittsbesuchen auf meinen erstenAuslandsreisen, die ich machen durfte, zum Teil ja auchin Begleitung von Kolleginnen und Kollegen, nicht so-fort ganz vorne auf den Titelseiten, aber es ist gleich-wohl ein Kernanliegen unserer Politik. Wir wollen näm-lich, dass auslaufende oder auch nie ratifizierte Verträgeüber Rüstungskontrolle wirksam bleiben bzw. wirksamwerden. Wir sprechen also mit unseren Partnern undVerbündeten über Abrüstung; das habe ich gerade erstauch in Japan getan, wohin mich verschiedene Kollegennahezu aller Fraktionen dieses Hauses begleitet haben.Wir wollen mit unseren Verbündeten auch darübersprechen, dass die letzten in Deutschland stationiertenNuklearwaffen abgezogen werden.
Wir setzen auf die Friedensdividende. 20 Jahre nach un-serer Wiedervereinigung – dieses wunderbare Jubiläumfeiern wir ja dieses Jahr – ist es an der Zeit, dass wir unsalle gemeinsam diese Friedensdividende politisch erar-beiten. Die Welt friedlicher zu machen, das ist auch eineAntwort auf die Globalisierung unserer Zeit.
Aber wir sind nicht naiv. Deswegen vergessen undignorieren wir nicht die Gefahren, die es gibt. Ich mussden kundigen und interessierten Kolleginnen und Kolle-gen dieses Hohen Hauses, die jetzt bei dieser Debatte da-bei sind, nicht viel über die großen Herausforderungenund Gefahren sagen. Wir hatten schon gestern Gelegen-heit, darüber zu sprechen. Es gibt viele Sorgen. Denkenwir an den Jemen oder an Afghanistan. Darüber wurdehier schon oft diskutiert. Wir alle wissen, was eine ato-mare Bewaffnung des Iran an Destabilisierung insbe-sondere für die Region, aber auch für die Welt bedeutet.Natürlich wissen wir auch, dass wir beim Nahostkonfliktneue Impulse brauchen, um Gesprächsfähigkeit wieder-herzustellen. Deswegen drängen wir alle da, wo wir eskönnen, darauf, dass die Friedensgespräche wieder auf-genommen werden.Ich will hier aber genauso klar sagen, meine Damenund Herren, weil das aus Sicht der Bundesregierung Teilder Staatsräson ist: Zur Sicherung des Friedens gehörtausdrücklich auch die Anerkennung des ExistenzrechtsIsraels als jüdischer Staat in sicheren Grenzen. Ich sagedas vor dem Hintergrund der gerade eben stattgefunde-nen deutsch-israelischen Regierungskonsultationen, dieangesichts unserer eigenen Geschichte ein bemerkens-wertes Ereignis waren. Man sollte bedenken, dass diesesdunkelste und grausame Kapitel unserer Geschichte we-niger als ein Menschenleben her ist. Es ist deswegen fürdie Bundesregierung völlig klar – das möchte ich hier auchohne Wenn und Aber noch einmal festhalten –: Israel hatdas Recht auf eine sichere Existenz, auf Sicherheit dereigenen Bürgerinnen und Bürger in sicheren Grenzen.WzssicleEsewvbusdrunneüedSasinbwareddRddMPaAwnhFnmmFmh
Dass wir für die Zweistaatenlösung werben, das mussh, weil es auch Teil der Staatsräson ist und Politik dertzten Regierungen war, eigentlich gar nicht erwähnen.s versteht sich von selbst. Natürlich gehört zur Zwei-taatenlösung zugleich das Recht der Palästinenser aufinen eigenen lebensfähigen Staat.Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen all das des-egen in großer Klarheit gesagt, weil ich nach meinenielen Gesprächen in den letzten Wochen und Monatenefürchte, dass die Zeit der Entscheidung kommen wird,nd zwar in den nächsten Wochen. Wir müssen uns ent-cheiden, wie wir als Teil der Völkergemeinschaft aufie Gesprächsverweigerung des Iran reagieren.Deswegen sage ich hier für die deutsche Bundesregie-ng in großer Klarheit: Für uns ist eine atomare Bewaff-ung des Iran in keiner Weise akzeptabel. Wenn der Iranicht zu Gesprächsfähigkeit zurückfindet, wenn er nichtndlich wieder verhandelt, wenn er nicht seinen selbstbernommenen internationalen Verpflichtungen wiederntspricht, dann werden wir notfalls auch bereit sein, iner internationalen Gemeinschaft eine Ausweitung deranktionen zu beschließen. Wir werden jedenfalls einertomaren Bewaffnung des Iran mit Sicherheit nicht zu-chauen, ohne irgendetwas dagegenzusetzen. Niemand diesem Hause könnte das verantworten.
Wir werden in der nächsten Woche eine große De-atte über Afghanistan führen. Erlauben Sie mir, weilir alle in Vorbereitung auf die Afghanistan-Konferenzuch in den jeweiligen Fraktionen beraten und diskutie-n, was zu tun ist, einige Worte dazu zu sagen. Wir wer-en nächste Woche eine Regierungserklärung der Bun-eskanzlerin hören. Das ist das selbstverständlicheecht des Parlaments. Zugleich ist es aber auch aus-rücklich die Absicht und der Wunsch der Regierung;enn wir haben ein Interesse an einer möglichst breitenehrheit in diesem Hause bezüglich der Afghanistan-olitik. Ich rechne nicht mit jedem, aber ich setze auflle und ihre Vernunft.Meine Damen und Herren, wir dürfen dem Terror infghanistan keinen neuen Rückzugsraum geben. Wirollen bitte nicht vergessen: Millionen Frauen und Män-er in Afghanistan setzen auf uns. Sie haben etwas Frei-eit erringen können, zum Beispiel für Mädchen undrauen. Das ist der wahre Grund, warum wir in Afgha-istan sind: um unsere eigene Gesellschaft vor Terroris-us zu schützen, aber zugleich auch, um unserer mit-enschlichen Verpflichtung nachzukommen, damitrauen nicht ermordet werden, nur weil sie so lebenöchten, wie wir es bei uns als selbstverständlich anse-en, damit Brunnen gebohrt werden können, damit es
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Bundesminister Dr. Guido Westerwelle: Bundesminister Dr. Guido Westerwelleeine Perspektive für dieses Land gibt. Die Völkerge-meinschaft kann es sich nicht leisten, dass dieser Staatstrauchelt oder sogar fällt. Das ist eine Herausforderungfür die ganze Wertegemeinschaft und hat mit einer Mili-tarisierung von Außenpolitik nichts, aber auch gar nichtszu tun. Wer jetzt kopflos aus Afghanistan abziehenwürde, ließe Millionen Menschen im Stich und schickteviele von ihnen in den sicheren Tod durch Taliban-Hen-ker. Das muss einmal ausgesprochen werden.
Ich habe Anfang dieses Jahres dazu fünf Punkte vor-geschlagen, die die breite politische Agenda in Londonprägen sollen. Ich brauche das an dieser Stelle nichtnoch einmal vorzutragen. Nur so viel: Für uns ist völligklar – ich hoffe, dass wir im Deutschen Bundestag der-selben Überzeugung sind –, dass wir zunächst einmalüber unsere Ziele in Afghanistan reden müssen, darüber,was wir an Aufbau und Stabilisierung der guten Regie-rungsführung schaffen wollen, darüber, wie wir wirt-schaftliche und soziale Perspektiven für die Menschendort schaffen können und was wir tun können, um demTerrorismus den Boden zu entziehen. All das gilt es zu-nächst einmal zu besprechen und zu diskutieren. Erstdann kann es um Weiteres gehen.Ich habe entgegen manchem Zeitungsbericht nie ge-sagt, dass eine Aufstockung zum Beispiel unserer Aus-bildungskapazitäten bei der Bundeswehr auf keinen Fallinfrage komme. Ich habe auch nie gesagt, dass wir das injedem Fall machen. Ich habe nur auf die Reihenfolge Wertgelegt – dabei bleibe ich auch für die Bundesregierung; ingenau dieser Reihenfolge wollen wir das beraten –: Zu-nächst einmal geht es um die Ziele, um die Perspektivefür Afghanistan; dann kommt lange nichts, und danngeht es um den militärischen Schutz. So ist die Reihen-folge: Strategie, dann Instrumente, und erst dann geht esum die Frage der Truppen und des militärischen Schut-zes. Das ist die richtige Reihenfolge. Deswegen bleibenwir dabei. London muss einen breiten politischen Ansatzhaben und darf keine Truppenstellerkonferenz sein. Dasist die Haltung der gesamten Bundesregierung.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen, wir setzen dabei natürlich auch auf die Stär-kung der zivilen Institutionen. Wir haben – das ist garkeine Frage – natürlich auch einen Dank auszusprechen;das möchte ich an dieser Stelle tun. Ich möchte mich– ich vermute, das gilt für das gesamte Hohe Haus – fürdie Arbeit der zivilen Helfer überall auf der Welt, aberauch ausdrücklich für die Arbeit der Frauen und Männerder Bundeswehr herzlich bedanken. Wenn wir hier überauswärtige Politik reden, dann ist dieser Dank des Ho-hen Hauses angebracht. Wir sind stolz auf die Arbeit, diegeleistet wird, und wir sind dankbar dafür, dass Männerund Frauen international tätig sind – sei es in Afghanis-tan, auf dem Balkan oder an anderer Stelle. HerzlichenDank dafür!
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Deutsche Außenpolitik ist interessengeleitet underteorientiert. Deswegen sehen wir keinen Gegensatzarin, dass wir uns einerseits Märkte eröffnen wollennd andererseits auf die Einhaltung von Menschenrech-n drängen. Für uns ist das kein Widerspruch, sondernr uns gehört dies zusammen. Interessengeleitet underteorientiert: Ich habe bei meinen Reisen nach Chinand in die arabische Region gesehen, dass das sehr wohliteinander vereinbar ist. Wir wollen unsere Wirt-chaftsinteressen auch in anderen Ländern der Weltahrnehmen. Wie können wir sonst Exportweltmeisterein und Wohlstand in unserem eigenen Lande schaffen?ber wir werden deswegen zu keiner Zeit auf Werte, aufenschenrechte, auf Bildung, auf Religionsfreiheit, aufluralität und auf Minderheitenschutz verzichten. Wirachen in der Sache der Menschenrechte keine Kom-romisse. Denn wir wissen: Werteorientierung und Inte-ssenleitung gehören beide zum Kompass einer guteneutschen Außenpolitik.
Meine Damen und Herren, für diese Politik ist es na-rlich auch wichtig, dass wir die auswärtige Kultur-nd Bildungspolitik ausbauen. Darüber wird zwaraum gesprochen. Aber etwa ein Viertel des Etats, denir heute beraten, geht in die auswärtige Kultur- undildungspolitik. Das ist übrigens etwas, das ich fortset-en möchte. Denn da hat die Politik meines Amtsvor-ängers aus unserer Sicht die Weichen richtig gestellt.ir werden diese Politik fortführen. Die auswärtige Kul-r- und Bildungspolitik wird also ein wichtiger Be-tandteil unserer Außenpolitik sein.Wir wollen einen engen Dialog mit allen Ländern iner Welt, insbesondere mit unseren unmittelbaren Nach-arn sowie mit Russland und mit China. Aber wir ver-essen nicht die Balance, von der ich eben gesprochenabe.
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Bundesminister Dr. Guido Westerwelle: Bundesminister Dr. Guido WesterwelleWir kennen unsere fundamentalen eigenen Interessen.Auch das darf nicht verschwiegen werden. Unsere Au-ßenpolitik ist vor allen Dingen durch Werte geprägt, diein unserer Verfassung stehen. Die Würde des Menschenist unantastbar: Das ist natürlich auch der Maßstab fürunsere Außenpolitik. Wir Deutsche sind verlässlichePartner in der Welt. Ich sage dies nachdrücklich. Wirhalten Wort. Ich habe das gerade erst in der Türkei wie-der deutlich gemacht.Zur deutschen Außenpolitik zählt auch die transatlan-tische Freundschaft. Die Vereinigten Staaten von Ame-rika und uns verbindet eine enge Freundschaft und nichtnur eine transatlantische Partnerschaft. Das hindert unsaber nicht daran, auch andere Regionen stärker in denaußenpolitischen Fokus zu nehmen, als dies vielleichtbisher der Fall gewesen ist. Wir werden in diesem Jahrbeginnen, ein besonderes Augenmerk auf Lateiname-rika zu legen. Wir glauben, da liegt ein in den außen-politischen und innenpolitischen Debatten enorm un-terschätztes Potenzial. Natürlich gilt unsere Hilfe undunsere Solidarität Afrika, nicht nur weil es unser Nach-barkontinent ist, sondern auch, weil es natürlich unseremitmenschliche Verpflichtung ist.Meine Damen und Herren, wir haben eine große Er-folgsgeschichte in der deutschen Außenpolitik seitGründung der Republik, und zwar unabhängig davon,wer regiert hat. Kontinuität ist in Wahrheit keine Ein-fallslosigkeit, sondern ist etwas sehr Wertvolles, auch inder Außenpolitik. Dazu zählt, dass wir natürlich auch inEuropa kooperativ handeln und arbeiten wollen. Dazuzählen auch gute nachbarschaftliche Verhältnisse. Ichsage das hier als jemand, der sich noch an Willy Brandtund Walter Scheel erinnert. Ich sage das als jemand, dervom Deutsch-Französischen Jugendwerk in Bad Honnefgeprägt ist. Ich bin im Rheinland groß geworden. Ichsage das als jemand, der den Jugendaustausch als Schü-ler noch als Mittel der Völkerfreundschaften begriffenhat. So wie es uns gelungen ist, unsere tiefe Freundschaftzu unseren westlichen Nachbarländern zu verankern, soist es die Aufgabe unserer Zeit, diese tiefe Freundschaftzu unseren östlichen Nachbarländern zu schaffen. Wirwollen daran arbeiten und das vollenden, was andere voruns begonnen haben.
Meine Damen und Herren, ich schließe mit einemDank – denn ich habe von Werteorientierung gespro-chen – an die Mitmenschlichkeit unserer Bürgerinnenund Bürger. Wir haben eine furchtbare Katastrophe ver-folgen können. Wir haben sie gesehen; aber wir sehenzugleich die enorme Solidarität unserer Bürgerinnen undBürger, nicht nur gestern Abend bei einer herausragenderfolgreichen Spendengala im Zweiten Deutschen Fern-sehen. Wir sehen sie auch bei vielen anderen Initiativen.Dafür wollen wir uns bedanken.Erlauben Sie mir, darauf hinzuweisen – denn ich habeauch in Ihrem Namen sofort nach dem Erdbeben mit un-seren deutschen Botschaftsangehörigen und unseremdeutschen Botschafter in Haiti telefoniert –, was dieseMenschen leisten. Sie sind mit dem Leben davongekom-muddDhrigstetencaVreDLdpSHdläfowLacßgisrenremdwgd
Das Wort hat nun Kollege Rolf Mützenich für die
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Außenminister, ich möchte für die SPD-Fraktionas aufgreifen, was Sie zum Schluss gesagt haben. An-sslich einer Diskussion über außenpolitische Heraus-rderungen muss man sich immer vergegenwärtigen,as Haiti zum jetzigen Zeitpunkt durchmacht – einand, das ohnehin größte Probleme hat. Ich glaube, dassngesichts dieser Katastrophe im Erdbebengebiet man-hes, was wir hier in Überschriften über innere und äu-ere Katastrophen beschreiben, etwas kleiner wird. Ichlaube, gerade anlässlich einer außenpolitischen Debattet das angemessen.Ich bedanke mich ebenfalls für die große Spendenbe-itschaft der Bundesbürger, aber ich danke auch denje-igen Deutschen, die dorthin gereist sind und die nochisen werden, die manchmal unbezahlten Urlaub neh-en und dort helfen, Verschüttete zu finden und auch beier Aufbauhilfe tätig zu sein. Dies sind Dinge, für dieir auch vonseiten des Deutschen Bundestages Dank sa-en müssen an die einzelnen Helfer und insbesondere anie Organisationen, die diese Hilfe bündeln.
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Dr. Rolf MützenichIch glaube, es ist manchmal leicht, von hier aus ge-genüber dem einen oder anderen Ressort Kritik an einerschleppenden internationalen Aufbauhilfe zu äußern.Dennoch glaube ich, dass man auch daran erinnernmuss, dass die Vereinten Nationen schreckliche Verlustean Menschenleben, an Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern – es sind mindestens 50, wahrscheinlich sogar bis zu300 – erlitten haben. Die Vereinten Nationen sind jeneOrganisation, die nach meinem Dafürhalten wieder dieinternationale Aufbauarbeit wird leisten müssen. Natür-lich können die USA das zum jetzigen Zeitpunkt schaf-fen, aber es wäre gut, wenn wir uns auch vonseiten Euro-pas darauf konzentrierten, dass insbesondere dieVereinten Nationen als internationale Hilfsorganisationdaran mitwirken müssen, den notwendigen AufbauHaitis zu unterstützen. Deswegen noch einmal: Herr Au-ßenminister, auch wir haben großen Respekt vor denMitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Botschaft, vor ih-rem unermüdlichen Einsatz vor Ort, gerade angesichtsder schrecklichen Bilder, die sie unmittelbar erlebt ha-ben.Umso mehr ist – wenn wir uns den außenpolitischenProblemen stellen – ein Unterschied zu Haiti zu benen-nen. Wir haben viele internationale Probleme zu lösen.Aber wir können diese internationalen Probleme mit klu-ger Politik und Vernunft regeln. Naturkatastrophen, wieHaiti sie erlebt hat, sind nicht beherrschbar. Aber wirkönnen die internationalen Probleme mit einer klugenPolitik lösen. Wir vonseiten der sozialdemokratischenBundestagsfraktion, vonseiten der Opposition, wollendaran mitwirken. Dies ist gar keine Frage.Wo Kritik notwendig ist, wollen wir sie üben. Deswe-gen würde ich gerne an dieser Stelle ein paar Punkte an-sprechen. Herr Außenminister, Sie haben es erwähnt: Inder nächsten Woche werden wir im Deutschen Bundes-tag noch einmal eine wichtige Afghanistan-Debatte füh-ren. Ich bin dankbar, dass die Bundeskanzlerin für dieBundesregierung etwas zur Afghanistan-Politik und zurKonferenz in London sagen will. Es hat nach meinemDafürhalten lange gedauert, bis sie sich dazu bereit er-klärt hat. Ich glaube, das hat auch etwas damit zu tun,dass das gesamte Haus an die Bundesregierung appel-liert hat, vor der Konferenz in London sehr deutlich zumachen, in welche Richtung die Bundesregierung gehenwill. Vielleicht hat sie etwas zu lange gezögert, aber im-merhin macht sie es.Dennoch will ich zwei Punkte ansprechen, die ausmeiner Sicht notwendig sind. Wir vonseiten der SPD ha-ben sehr frühzeitig über die Afghanistan-Politik gespro-chen, nicht nur in der Regierung, sondern auch währenddes Wahlkampfes. Frank-Walter Steinmeier hat als Kan-didat für den 27. September ein sehr umfassendes Pro-gramm vorgestellt. Wir werden am Freitag in einer hoch-rangigen Afghanistan-Konferenz noch einmal darüberberaten, wie notwendig dieser Weg ist.Dennoch stellen sich aus meiner Sicht, wenn wirnächste Woche darüber beraten, bereits heute zwei Fra-gen. Der Verteidigungsminister hat uns in den vergange-nen Tagen und Wochen immer wieder über Veröffentli-chungen in Medien mitgeteilt, dass aus seiner Sicht dieinMdnzihgEsrucOccsuVbwtehBsWKsg„frsEhASSvkeDsmbssAdddwmgn
er, wenn nicht die Kirche, muss über die Frage vonrieg und Frieden diskutieren? Das steht ihr gut zu Ge-icht, aber dann muss sie es auch aushalten, wenn Fragenestellt werden. Wenn Frau Käßmann zum Beispiel sagt:Nichts ist gut in Afghanistan“, dann dürfen wir auchagen: Was ist der Maßstab für diese Aussage?Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinwei-en, dass die ARD bzw. die BBC vor etwa 14 Tagen diergebnisse einer interessanten Umfrage veröffentlichtat, die ein sehr differenziertes Bild zutage brachte: Diefghanen selbst haben gesagt, dass sie auf der eineneite große Probleme haben, dass sie auf der andereneite aber einen besseren Zugang zu Strom, Wasser undielen anderen Dingen haben als vor einem Jahr. Das isteine Bestätigung für die Afghanistan-Politik, sondernher eine Ermunterung, auf diesen Ansatz zu bauen.ennoch müssen wir die Frage stellen: Welchen Maß-tab legen wir an Afghanistan an? Deswegen noch ein-al: Es ist gut, dass sich die Kirchen an dieser Debatteeteiligen. Sie tun das sehr differenziert. Wir vom Deut-chen Bundestag sollten uns darüber nicht beklagen,ondern diese kritische Diskussion mit führen.Wenn wir heute über den Einzelplan des Auswärtigenmtes sprechen, lohnt es, dass wir uns zehn Jahre nacher Jahrtausendwende vergewissern, in welche Richtungiese Welt geht, nach welchen Rahmenbedingungen wirie internationale Politik werden aufbauen müssen. Ichill schlagwortartig auf ein paar Aspekte aufmerksamachen, auf die sich die deutsche Außenpolitik, wie ichlaube, wird einstellen müssen:Erstens. Die Weltfinanzkrise, über die wir hier aus in-enpolitischen Gründen zu Recht immer wieder disku-
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Dr. Rolf Mützenichtieren – auch heute Morgen –, hat natürlich insbesondereinternationale Auswirkungen. Ich glaube, dass die Welt-finanzkrise den Unterschied zwischen armen und rei-chen Ländern, zwischen entwickelten, sich entwickeln-den und den Ländern, in denen die Menschen in Armutleben, noch verschärfen wird. Das wird eine große He-rausforderung für die deutsche und die europäische Au-ßenpolitik, aber auch für die einzelnen Ressorts der Bun-desregierung sein.Zweitens. Die Bedeutung der Schwellenländer wirdzunehmen. Die G 7 und die G 8 werden in Zukunftwahrscheinlich nicht mehr der Rahmen für die Lösunginternationaler Probleme sein, sondern die G 20 oder an-dere internationale Organisationen. Nach meinem Dafür-halten muss aber auch die Bundesregierung auf dieseFrage Antworten finden. Insbesondere, wenn wir einevertrags-, normen- und regelgeleitete Politik machenwollen, werden wir überlegen müssen, ob diese interna-tionalen Organisationen legitimiert sind, ob wir ihneneine Legitimation verschaffen können und in welcherKonkurrenz sie stehen.Drittens. Der Klimawandel wird auch die Sicherheits-fragen in der internationalen Politik verschärfen. Es istbitter, dass es in Kopenhagen nicht zu einer besseren Lö-sung gekommen ist. Umso mehr große Herausforderun-gen wird der Klimawandel, so glaube ich, für die inter-nationale Gemeinschaft im Hinblick auf die Sicherungder Lebensbedingungen in den vom Klimawandel be-sonders betroffenen Ländern liefern.Der vierte Punkt ist die Frage der Aufrüstung, den Sieeben angesprochen haben, Herr Bundesaußenminister.Ich nenne an dieser Stelle auch die Frage von Religionund Politik. Ich glaube, das ist keine Leitidee der inter-nationalen Politik. Wir dürfen diese Idee auch nicht im-mer bedienen. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nichtimmer wieder verleiten lassen, die Religion als Ursachefür internationale Konflikte anzusehen, da sie doch eherals Instrument von dem einen oder anderen genutzt wird.Ich glaube, gerade heute sollte man sagen: Kein Landder Welt wird diese internationalen Herausforderungenalleine bewältigen können, aber wir werden die USA zurRegelung dieser Probleme brauchen. Dass PräsidentObama mit seiner Demokratischen Partei eine entschei-dende Niederlage erlitten hat, ist gar keine Frage. Ichwarne aber davor, auf Präsident Obama herumzureitenund zu sagen: „Er löst das alles nicht“, auch wenn das inder veröffentlichten Meinung zurzeit schick zu seinscheint. Von dieser Stelle aus sage ich: Wir werden kei-nen besseren amerikanischen Präsidenten bekommen. Ergeht die internationalen Probleme an, zum Beispieldurch seine Reden in Kairo und Prag – Sie haben das ge-sagt –, und versucht, die innenpolitischen Verhältnissezu verändern. Deswegen haben Deutschland und Europaein großes Interesse daran, die Politik dieses amerikani-schen Präsidenten zu unterstützen. Ich glaube, die Bun-desregierung ist dazu aufgerufen, dies nicht nur in denPartnerschaften, die wir mit den USA entwickelt haben,sondern auch im ganz konkreten Miteinander zu tun.Nach meinem Dafürhalten ist aus Sicht der USA dasVerhältnis zu Russland das Thema, bei dem wir inEheDgsdwWdwwRwdmmkswteisHGdntusAlaWSdebzwddisuaCdRVuuksjew
Weil es nach meinem Dafürhalten gerade an diesertelle der Debatte darum geht, andere Verantwortliche iner internationalen Politik zu benennen, möchte ich nochinmal auf China zu sprechen kommen. Die Volksrepu-lik China wird das Land sein, das wir mehr und mehrur Regelung internationaler Konflikte brauchen. Des-egen fanden wir es sehr angemessen und zeitgerecht,ass Sie nach China und Japan gereist sind und dort auchie Frage der Menschenrechte angesprochen haben. Est immer richtig, Kritik zu üben; aber ich glaube, es istmso notwendiger, auch zu sagen, dass China Lehrenus der internationalen Politik zieht. Die Volksrepublikhina wird mehr und mehr ein verlässlicher Akteur iner internationalen Politik, insbesondere im asiatischenaum. Deswegen ist es gut, wenn wir sagen: Ja, dieolksrepublik China muss Verantwortung übernehmennd nach Regeln und Normen der internationalen Politikmsetzen.Zum Schluss. Wir sollten uns über die Rolle Europaslar werden. Sie haben Europa eben als Friedensgemein-chaft beschrieben, wo im Grunde genommen Krieg fernden Gedankens ist. Das ist vollkommen richtig. Aberir sollten uns hier in Deutschland klarmachen, dass
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Dr. Rolf Mützenichsich Gemeinschaftsbildung, wie sie in Europa geschieht,mittlerweile in der ganzen Welt entwickelt. Dort ist Ge-meinschaftsbildung auf der regionalen Agenda. Ich habeeben über Asien gesprochen; das betrifft auch viele an-dere Regionen.Umso wichtiger ist, dass wir Perspektiven für andereLänder in Europa benennen, wenn es zur StabilitätEuropas beiträgt. Deswegen unterstützen wir Ihre Tür-keipolitik. Wir fanden es gut, dass dieses Thema imKoalitionsvertrag so aufgenommen worden ist wie da-mals zu Zeiten der Großen Koalition. Ich sage gleichzei-tig: Insbesondere dabei, dass Sie für Minderheitenrechtein der Türkei plädieren, haben Sie unsere volle Unter-stützung. Auch wir glauben, dass ohne die Türkei wich-tige Herausforderungen in dieser Region nicht bewältigtwerden können.Sie haben schließlich den Iran angesprochen. Wirvonseiten der Opposition, vonseiten der SPD unterstüt-zen Sie auch in der Iranpolitik. Ich glaube, ein solchesLand muss sich darüber klar werden, dass sich die Welt-gemeinschaft, wenn es gegen internationale Normenverstößt, auf friedliche internationale Sanktionen ver-ständigt. Bitte sorgen Sie mit dafür, dass die internatio-nale Gemeinschaft zusammenbleibt. Denn das ist,glaube ich, die einzige Antwort, die der Iran versteht.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Kollege Andreas Schockenhoff,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Lassen Sie mich mit einer ungewöhnlichen und deswe-gen aufrüttelnden Anklage beginnen: „Die EU schadetder Europa-Idee“. Das sagt kein Gegner der EU, sondernkein Geringerer als der frühere Bundespräsident RomanHerzog, ein Freund und Förderer eines Europas der Bür-ger.
Die EU, so mahnt er, verliere an Akzeptanz, weil sieüber die Köpfe der Bürger hinweg immer mehr zentraleVorschriften für Dinge erlasse, die mindestens ebensogut lokal oder regional geregelt werden könnten. Ernennt dafür zahlreiche Beispiele. Roman Herzog hatrecht. Gerade wir als Europafreunde müssen gegen eineAushöhlung des Subsidiaritätsprinzips Widerstand leis-ten. Auch weil wir uns als Bundestag wichtige Gestal-tungsmöglichkeiten erhalten müssen, haben wir eine be-sondere Wächteraufgabe. Mit dem Begleitgesetz zumLissaboner Vertrag haben wir die dafür notwendigen In-strumente geschaffen.Eine entscheidende Kontroll- und Gestaltungsmög-lichkeit ist das Recht zu einer Stellungnahme, ehe derAAAuhdwEkluVsfoRbadGnvBDdgsnVmmkndswtoSdaMsrubimlishdgZnüw
ie einfach im Sande verlaufen zu lassen, wäre unwür-ig und entspräche nicht unserem besonderen Interessen einer Vertiefung der Beziehungen zur Türkei. Da dieodernisierung der Türkei in unserem Interesse liegt,tellt sich für uns die Frage, ob dieser innere Modernisie-ngsprozess bereits unumkehrbar ist und was wir gege-enenfalls für seine Fortsetzung tun müssen.Die Türkei spielt im Nahen und Mittleren Osten einemer wichtigere und immer konstruktivere Rolle – dasegt in unserem Sicherheitsinteresse –, doch in strategi-cher Hinsicht ist diese Region für uns zu wichtig. Des-alb stellt sich die Frage, wie wir am ehesten ein eng miter EU abgestimmtes Handeln der Türkei in dieser Re-ion erreichen. Dazu gehört auch die uneingeschränkteusammenarbeit mit der Türkei in Energiefragen; ichenne nur das Stichwort Nabucco.Nicht zuletzt: Wenn in der Türkei jetzt gelegentlichber die sogenannte Norwegen-Lösung gesprochenird, dann muss man das richtig verstehen. Gemeint ist
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Dr. Andreas Schockenhoffnicht nur eine enge Anbindung an die EU durch den eu-ropäischen Wirtschaftsraum. Gemeint ist auch, dass esNorwegen war, das Nein zur EU-Mitgliedschaft gesagthat, nicht die EU. All dies sind strategische Fragen desweiteren Vorgehens, die wir nicht mit einfachen Formelnbeantworten können.Lieber Herr Außenminister, ein wichtiger Schwer-punkt Ihrer Rede war, den Abrüstungsbemühungen neueDynamik zu verleihen. Das gilt – Sie haben es gesagt –insbesondere für die schwierige Frage, wie der Weiter-verbreitung von Massenvernichtungswaffen wirksamEinhalt geboten werden kann. Ich sage, auch für dieUnion: Ein nuklear bewaffneter Iran würde unsere Si-cherheit bedrohen und im Nahen und Mittleren Osten ei-nen neuen atomaren Rüstungswettlauf mit katastropha-len Folgen auslösen. Das muss verhindert werden.Deswegen sind auch wir, wenn es notwendig ist, zu här-teren gemeinsamen Sanktionsmaßnahmen bereit.
Um eine neue Dynamik der Rüstungskontroll- undAbrüstungsvereinbarungen zu erreichen, unterstützenwir Sie, Herr Außenminister, nachdrücklich in Ihren Be-mühungen, eine internationale Abrüstungsinitiative aufden Weg zu bringen. In diesem Zusammenhang werdenauch die in Deutschland stationierten amerikanischenNuklearwaffen eine wichtige Rolle spielen. Wir wollennicht nur auf weitere Abrüstungsschritte drängen, son-dern einen konkreten Beitrag leisten – so wie wir es ge-meinsam in unserer Koalitionsvereinbarung festgehaltenhaben.Konkret heißt das: Wir setzen uns für den Abzug dieserWaffen ein. Dieser soll aber nicht einseitig geschehen,sondern im Zusammenhang mit Abrüstungsvereinbarun-gen; denn auch anderswo in Europa, beispielsweise in Ka-liningrad, sollten taktische Atomwaffen abgerüstet wer-den. Zudem soll dies im Zuge der Ausarbeitung desneuen strategischen Konzepts der NATO geschehen;denn auch in diesem Zusammenhang muss die künftigeRolle der Nuklearwaffen geklärt werden. Nicht zuletztmuss der Abzug dieser Waffen im Bündnis abgestimmtwerden. Mit anderen Worten: nicht einseitig, sondern imZusammenhang mit Abrüstung, im strategischen Kon-zept der NATO und im Bündnis abgestimmt. Das ist derWeg, um einen weiteren Schritt in Richtung einer nuklear-waffenfreien Welt zu gehen und gleichzeitig Vertrauenim Bündnis zu wahren.
Wir werden uns – das ist bereits gesagt worden – amnächsten Mittwoch ausführlich mit der Londoner Afgha-nistan-Konferenz befassen. Im Rahmen der Haushalts-beratungen muss man jedoch ein Wort zu Afghanistansagen; denn Afghanistan ist nicht nur eine der größtenaußenpolitischen Herausforderungen, der Afghanistan-Einsatz ist auch einer der kostenintensivsten Posten indem Etat, über den wir diskutieren.Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, die Vorausset-zungen dafür zu schaffen, dass im Laufe der nächstenzazkdAdnrofasteasgmszAdmdwWrdwnDtistetuzmuhdßrubtüksnA
Was ist zu tun? Erstens. Neben der Aufgabe, weiter zutabilisieren, muss es darum gehen, die Ausbildung af-hanischer Soldaten und Polizisten zu beschleunigen. Jeehr Ausbilder wir nach Afghanistan schicken, destochneller ist die erforderliche Anzahl Soldaten und Poli-isten ausgebildet und desto früher werden wir mit dembzug unserer Soldaten beginnen können. Der Leitge-anke muss also lauten: Wer früher raus will, muss jetztehr Ausbilder für Militär und Polizei entsenden. Werazu nicht bereit ist, trägt die Verantwortung dafür, wennir länger bleiben müssen.
ir wollen das nicht.Zweitens muss es darum gehen, eine effektive Regie-ungsführung zu erreichen. Dafür brauchen wir in Lon-on klare Zusagen der afghanischen Regierung. Daserden wir dem afghanischen Präsidenten Karzaiächste Woche bei seinem Besuch in Berlin auch sagen.ies gilt insbesondere für die Bekämpfung der Korrup-on; wir brauchen aber auch eine bessere Balance zwi-chen der Zentralmacht und den Regionen und eine brei-re politische Partizipation in den Regionen.Drittens muss es darum gehen, in unserem Verantwor-ngsbereich, im Norden, mehr für den Wiederaufbauu tun: Grundversorgung mit Energie und Trinkwasser,ehr Infrastruktur im Transportbereich, mehr Schulennd Lehrer, mehr Arbeitsplätze.Im Hinblick auf die Äußerungen von Herrn Gysieute Morgen – ich bin Ihnen dankbar, Herr Mützenich,ass Sie darauf eingegangen sind – will ich zu den Äu-erungen von Frau Käßmann sagen: Es geht auch da-m, das viele Gute, das die Aufbauhelfer und Soldatenereits erreicht haben, auszubauen und zu vertiefen. Na-rlich haben die Kirchen das Recht, sich an dieser Dis-ussion zu beteiligen,
ie müssen es sogar.Ist aber wirklich nichts gut in Afghanistan? Nach ei-er aktuellen BBC-Umfrage sehen 70 Prozent derfghanen ihr Land auf einem guten Weg. 2001 gab es
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Dr. Andreas Schockenhofffast keine Schulen mehr. Heute gehen in AfghanistanMillionen Kinder in die Schule. 3 500 neue Schulge-bäude wurden gebaut. 2001 gab es praktisch keine wei-terführende Bildung mehr. Heute studieren 50 000 jungeAfghanen an Universitäten, weitere 10 000 besuchenBerufsschulen. 2001 galten Frauen und Mädchen alsMenschen zweiter Klasse. Heute ist die Gleichberechti-gung in der afghanischen Verfassung festgeschrieben,können Mädchen wieder zur Schule gehen.2001 gab es keine Gesundheitsversorgung mehr.Heute hat der größte Teil der Bevölkerung Zugang zumedizinischer Basisversorgung. 2001 gab es keine In-frastruktur mehr. Heute sind in Afghanistan 14 000 Ki-lometer Straße neu gebaut oder repariert worden.Ist das alles wirklich nicht gut? Ist es nicht so, wie esder Kölner Erzbischof Kardinal Meisner kürzlich ge-sagt hat, dass der Einsatz der Bundeswehr einen Schutz-schild bietet, um zivile Strukturen aufzubauen? Ist eswirklich nicht gut, dass in Afghanistan aufgrund unsererStabilisierungsbemühungen das PRT Faizabad im Laufedes zweiten Halbjahres 2010 an die afghanischen Sicher-heitskräfte übergeben werden kann und sich die deut-schen Sicherheitskräfte von dort zurückziehen können?Ja, es ist richtig: Das alles reicht bei Weitem nochnicht aus. Deshalb müssen wir unsere Anstrengungenverstärken. Aber wer wie die EKD-Vorsitzende, und seies nur als Predigtkunstgriff, mit Überzeugung behauptet,nichts sei gut in Afghanistan, der erweckt doch den Ein-druck, als seien die bisherigen Aufbau- und Friedensan-strengungen nicht der Rede wert. Dies ist falsch, und eseröffnet dem Land keine Perspektiven.
Die Mahnung, mehr für den Aufbau zu tun und dieArt unseres Einsatzes zu überdenken, ist voll berechtigt,und das müssen wir auch annehmen. Aber dabei darfnicht ignoriert werden, was unsere Entwicklungshelfer,die Soldaten der Bundeswehr, Polizisten und Diploma-ten bereits erreicht haben. Sonst lässt man die Menschenin Afghanistan allein, statt ihnen – gerade auch im seel-sorgerischen Sinne – Mut zu machen. Daher will ich ne-ben dem großen Dank, den der Außenminister zu Rechtdenjenigen ausgesprochen hat, die sich jetzt unter soschwierigen Umständen in Haiti einsetzen, erneut, wiees in diesem Hause schon wiederholt geschehen ist, de-nen danken, die dafür Sorge getragen haben und weiter-hin dafür Sorge tragen, dass in Afghanistan vieles schonbesser geworden ist und Weiteres besser werden wird.Sie haben unsere Unterstützung bei ihren Bemühungen,dass Afghanistan so weit zur Stabilität kommt, dass esdort auch ohne die ständige Präsenz von Militärs eineselbsttragende Sicherheit gibt.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Michael Leutert für die Fraktion
Die Linke.
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– Das kann okay sein, aber ich möchte gerne wissen,über welche Polizeikräfte wir sprechen. Wir alle wissen,dass in diesen Ländern Polizeikräfte zum Teil paramili-tärischen Charakter haben. Ich gehe davon aus, dass wirhier nicht bloß über Verkehrspolizisten sprechen.
Noch deutlicher wird es beim vierten Beispiel – dashat es im Etat des Auswärtigen Amtes so noch nicht ge-geben, nämlich einen Titel mit direktem militärischemBezug, der ganz ungeschminkt so benannt wird –: „Un-terstützung des Aufbaus afghanischer Sicherheitskräftedurch die NATO“. Mit diesen Sicherheitskräften – daskann man in der Erklärung nachlesen – ist ausschließlichdie afghanische Armee gemeint. Das hat in dem Haus-halt des Auswärtigen Amtes überhaupt nichts zu suchen.Ich kann schon jetzt ankündigen, dass wir die Streichungdieses Titels fordern.
Es ist völlig klar: Der Etat des Auswärtigen Amtes isteigentlich nicht der klassische Punkt, an dem man dieKritik an der immer stärker werdenden Militarisierungder Außenpolitik vorbringt.
Ich weiß im Übrigen auch aus vielen Gesprächen mitvielen Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes, dass siesich selber als Teil der zivilen Komponente der deut-schen Außenpolitik verstehen. Aber die von mir hiervorgetragenen Beispiele machen deutlich, dass sich derEtat des Auswärtigen Amtes in dem Spannungsfeld vonziviler und militärischer Komponente in der Außenpoli-tik mehr und mehr in Richtung militärische Komponentebewegt.Im zivilen Bereich – ich kann dafür zwei Beispielenennen – sieht es nicht besser, sondern schlechter aus.Dort werden nämlich die Mittel gestrichen. Die Mittelfür Maßnahmen zur Sicherung von Frieden und Stabili-tät zum Beispiel werden um 14 Millionen Euro gekürzt.Der sehr wichtige Titel „Für humanitäre Hilfsmaßnah-men im Ausland“ – wir hatten eben das Thema Haiti –wird um 7,5 Millionen Euro gestrichen.Letztendlich bleibt nur Folgendes festzustellen: Dieschwarz-gelbe Bundesregierung ist de facto in der Logikmilitärischer Außenpolitik. In Afghanistan, in der eige-nen Logik des Krieges, ist sie gefangen. Es ist Fakt, dasszivile Projekte, untersetzt durch den Haushalt, zu einemTeil dieser militärischen Logik werden und immer mehran den Rand gedrängt werden. Das kann man in demvorgelegten Haushalt nachlesen. Das widerspricht allenErklärungen und Ankündigungen, dass man zum Bei-spiel in Afghanistan mehr für den zivilen Wiederaufbautun möchte. Schon aus diesem Grund wird die Linke die-sen Haushalt ablehnen.Vielen Dank.
BNHKLbläduussraabdNutusEmdsgdwgsgdpsdruluruinwTg
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Außenminister, im November haben wir hier denoalitionsvertrag diskutiert. Damals habe ich unseremand gewünscht, dass das Handeln von Schwarz-Gelbesser wird, als das der Text des Vertrages befürchtensst. Diese Hoffnung hat sich bislang nicht erfüllt.In den letzten Wochen standen große Zukunftsfragener Vereinten Nationen auf der Tagesordnung. Es gingnd geht um einen Durchbruch beim Klimaschutz undm die Bekämpfung von Hunger und Armut trotz Wirt-chaftskrise. Es ging um Deutschlands Rolle bei der Lö-ung der großen Menschheitsfragen. Es ging darum, vo-nzugehen. Aber diese Regierung hat durch den Mangeln politischen Initiativen viel Ansehen unseres Landesereits verspielt.
Die Konferenz von Kopenhagen ist ein Beispiel füras Scheitern Ihrer Diplomatie.
ach dem Klimagipfel reicht es eben nicht, auf Chinand die USA zu zeigen. Sie tragen selbst Mitverantwor-ng für eine falsche Verhandlungsstrategie der Europäi-chen Union. Sie haben konkrete Finanzzusagen an dientwicklungsländer im Vorfeld der Konferenz genausoitverhindert wie eine Erhöhung der europäischen Min-erungsziele auf 30 Prozent.
Sie haben an entscheidender Stelle vorher blockierttatt voranzugehen. Das ist – auch wenn Sie das nichterne hören – ein Versagen deutscher Außenpolitik, undann helfen danach auch alle schönen Worte des Um-eltministers nichts.Auch bei der internationalen Bekämpfung von Hun-er und Armut wird diese Regierung zur Bremserin,tatt eine Vorreiterrolle einzunehmen. Ban Ki-moon haterade wieder verstärkte Anstrengungen zur Erreichunger Millenniumsziele eingefordert. Was ist die außen-olitische Antwort Deutschlands? Sie kündigen mit die-em Haushalt einseitig den Ausstieg Deutschlands ausem europäischen Stufenplan zur Entwicklungsfinanzie-ng an. Das ist keine nachgeordnete Frage der Entwick-ngspolitik; es ist ein Affront gegen zentrale Vereinba-ngen der UNO und der Europäischen Union.
Sie haben sich mit diesem Haushalt von den bisherigenternationalen Zusagen Deutschlands verabschiedet, ob-ohl 2 Milliarden Menschen von weniger als 2 Dollar amag leben und über 1 Milliarde Menschen weltweit hun-ern. Diese Regierung hat zwar 1 Milliarde Euro jährlich
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Dr. Frithjof Schmidtfür Hotelbesitzer, findet aber nur 44 Millionen Euromehr, um die deutschen Versprechungen zur Bekämp-fung von Hunger, Armut und Krankheit zu erfüllen. Dasist eine Schande für unser Land.
Ich fordere Sie auf: Halten Sie die deutschen Ver-pflichtungen international ein! Stehlen Sie sich nicht soschäbig davon!Der Mangel an politischen Initiativen zeigt sich aucham Beispiel Afghanistan. Eine klare Strategie für Af-ghanistan haben Sie uns wenige Tage vor der Afghanis-tan-Konferenz immer noch nicht vorgelegt.Wir fordern von Ihnen ein klares Konzept für einenmassiven Polizeiaufbau mit mindestens 500 deutschenPolizisten, eine Aufbaustrategie, die endlich die wach-sende Schere zwischen dem Hilfsbedarf einerseits undden Umsetzungs- und Abflussproblemen bei der Mittel-verwendung andererseits schließt, und ein konkretesKonzept, um die Spirale der Gewalt im Norden Afgha-nistans zu durchbrechen. Außerdem fordere ich Sie auf,dem Bundestag einen verbindlichen Abzugsplan vorzu-legen, der gemeinsam mit unseren Verbündeten abge-stimmt und umgesetzt wird.Bisher haben Sie auf diese zentralen Punkte keineklaren Antworten, weil Sie in der Koalition keine Einig-keit haben. Das ist der Grund, weshalb Sie uns heutewieder nichts dazu gesagt haben.
Stattdessen versucht diese Regierung mit Haus-haltstricks, der Öffentlichkeit Sand in die Augen zustreuen. Es wird angekündigt, die Zahl der deutschenPolizisten in Afghanistan solle verdoppelt werden. DieWahrheit ist aber: Damit lösen Sie nur das alte Planzielder Großen Koalition ein. Das war schon viel zu wenig,und es ist auch heute noch viel zu wenig.
Die Entwicklungsfinanzierung soll angeblich ver-doppelt werden. Ein Blick auf die Fakten zeigt aber, dassSie auch hier nur weitgehend die Versprechen vonSchwarz-Rot erfüllen. Auch das ist keine neue LeistungIhrer Regierung und Ihres Haushalts. Hören Sie auf zutricksen! Hören Sie auf mit der Verneblungstaktik, undschaffen Sie Klarheit über den weiteren Kurs in Afgha-nistan!Wirklich beunruhigt haben mich in diesem Zusam-menhang die Äußerungen von Herrn Niebel, der eineenge Kooperation mit der Bundeswehr zur Bedingungfür die Mittelvergabe an Entwicklungsorganisationenmachen will.
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Diese Äußerungen aus dem Kabinett zeigen generellin hochproblematisches Verständnis deutscher Außen-nd Entwicklungspolitik. Wir brauchen keine einseitigeerengung auf das Militär. Auslandseinsätze dürfenben auch nicht, wie das Herr zu Guttenberg Ende letz-n Jahres gefordert hat, zur Selbstverständlichkeit wer-en, ganz im Gegenteil. Nach mehr als zehn Jahrenrfahrung mit Auslandseinsätzen brauchen wir eine öf-ntliche Debatte über deren Wirkungsmächtigkeit. Wirüssen Fehler ehrlich analysieren, politische und zivilelternativen ins Zentrum stellen und militärische Gewaltls Ultima Ratio und nicht als Selbstverständlichkeit ver-tehen. Ich bin der Ratsvorsitzenden der Evangelischenirche in Deutschland, Frau Käßmann, sehr dankbar,ass sie diese Debatte mit einem Impuls deutlich inang gesetzt hat.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Ihreundesregierung hat mit ihrer Diplomatie beim Klima-ipfel Schiffbruch erlitten. Sie ist bei der Bekämpfungon Armut und Hunger wortbrüchig geworden, und siendet keine klare Antwort auf die Situation in Afghanis-n. Das ist die Bilanz von zwölf Wochen Schwarz-Gelb der internationalen Politik. Bei einem solchen Startag man sich die nächsten Monate gar nicht ausmalen.Danke.
Ich erteile das Wort Kollegen Rainer Stinner für die
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Ich möchte zu Beginn etwas machen, was wironst bei anderen Debatten gerne tun, nämlich in diesemall nicht den Soldaten, sondern den Diplomaten dan-en. Das ist auch der Situation in Haiti geschuldet; der
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Dr. Rainer StinnerMinister hat darauf hingewiesen. Wir können mit Stolzsagen, dass die Bundesrepublik Deutschland einen sehrprofessionellen und sehr motivierten diplomatischenDienst hat. Zum Teil verrichten unsere Diplomaten ihrenDienst im Ausland unter sehr schwierigen Bedingungen.Es gibt nicht nur die Glamourbotschaften in Genf, Parisund New York. In den meisten Hauptstädten dieser Weltarbeiten unsere Diplomaten unter – auch persönlich –sehr eingeschränkten Lebensbedingungen. Auch ange-sichts der Situation in Haiti sind wir unseren Diplomatensehr zu Dank und Anerkennung verpflichtet.Außenminister Westerwelle hat in seinen Reden seitder Amtsübernahme zwei Dinge in den Vordergrund ge-stellt. Erstens. Er sieht sich in der Kontinuität deutscherAußen- und Sicherheitspolitik. Zweitens. Er wird eigeneAkzente setzen. Beides hat er in den letzten fast drei Mo-naten sehr deutlich bewiesen.
Wir als FDP-Fraktion stehen nicht an, zu sagen: Ja-wohl, wir stehen in der guten Tradition deutscher Au-ßen- und Sicherheitspolitik. Wir sind stolz auf unsere ei-genen liberalen Außenminister. Gleichwohl sehen wir,dass auch die nichtliberalen Außenminister – solche gabes in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland –
die Kontinuität in der deutschen Außenpolitik gewähr-leistet haben; darauf möchten wir rekurrieren. Das wer-den wir weiterhin so sehen.Der Herr Außenminister hat deutlich gemacht – dasist auch die Meinung meiner Fraktion –, dass uns sehrdaran gelegen ist, den Konsens der deutschen Außen-und Sicherheitspolitik auch in Zukunft weitestgehend zuerhalten.
Wir halten das für ein hohes Gut, sowohl innenpolitischals auch außenpolitisch. Wir kennen die Konfliktsitua-tionen – auch inhaltlicher Art – und die parteipolitischenProfilierungsnotwendigkeiten sehr genau. Aber es istwichtig, dass wir in Deutschland auf einer gemeinsamenWerte- und Interessenbasis Außen- und Sicherheitspoli-tik betreiben. Das wollen wir sehr gerne weiterhin tun.Deshalb stehe ich nicht an, lieber Kollege Mützenich,Ihnen für Ihre heutige Rede ganz herzlich zu danken. Ichhoffe, es schadet Ihnen bei Ihren Parteigenossen nicht,wenn ich als Liberaler so etwas sage. Aber das ist dieArt, wie wir gerne zusammenarbeiten würden. Sie ak-zentuieren die Unterschiede völlig zu Recht. In manchenDingen geben Sie Ansatzpunkte zum Nachdenken. Aberwir können erkennen, dass wir hier eine gemeinsameBasis haben, auf der wir weiterhin zusammenarbeitenwollen.Ich sage im Namen meiner Fraktion ausdrücklich: Esist unser Ziel, in den nächsten Wochen diesen Konsensbei dem uns allen wichtigen Thema Afghanistan so weitwie möglich zu erhalten. Wir reichen die Hand auch Ih-nunsimzRWPBHrüfaehgjeredZmeSssddadsMWSArenKtaledsreBdgdc
Nun versucht man in den ersten Wochen der neuenegierung krampfhaft, sich an Außenministeresterwelle abzuarbeiten. Dieses Bemühen eint einigeublikationen sowie einige Stimmen hier im Deutschenundestag. Manche der innerhalb und außerhalb diesesohen Hauses geäußerten Kritikpunkte kann ich nur alshrende Bemühungen bezeichnen; denn sie treffen ein-ch nicht. Der Außenminister hat sehr klar gesagt, dassr eigene Akzente setzen wird, und das hat er in den bis-erigen knapp drei Monaten auch getan.Schon in seinem Reiseplan hat er deutliche Akzenteesetzt: Warschau, Brüssel, dann Paris – und zwar ohnede Verstimmung, ja sogar mit Zustimmung Frank-ichs –, die Türkei, Tokio und China. Außerdem setzt ereutliche Akzente bei seiner Art der parlamentarischenusammenarbeit. Wir hatten gestern Abend im Rah-en der Obleuterunde zum zweiten Mal das Vergnügenines gemeinsamen Essens mit dem Außenminister.
ie können Ihre Kollegen, die dabei waren, fragen, undie werden Ihnen bestätigen, dass nicht nur das Essen,ondern auch die Diskussion sehr gut war.Außenminister Westerwelle gelingt es sehr gut, aufer einen Seite die deutschen Interessen zu vertreten, aufer anderen Seite aber nicht die deutliche, im Ton durch-us moderate Benennung der Wertebasis, die wir mit dereutschen Außenpolitik erhalten wollen, zu vernachläs-igen. Das sind wichtige Akzente, die er in den erstenonaten gesetzt hat. Daran ist auch beim schlechtestenillen der Opposition nichts auszusetzen. Daher solltenie dem beschriebenen Verfahren zustimmen.
Es gibt einige Themen, die die außenpolitischegenda in den nächsten Wochen und Monaten dominie-n werden. Ich kann sie jetzt nicht alle abarbeiten; zu ei-igen Punkten ist auch schon viel gesagt worden. Herrollege Schmidt, Ihre Kritik im Hinblick auf Afghanis-n gleitet an uns ab, denn wir haben sehr für einen intel-ktuell integren Prozess geworben. Wir haben gesagt,ass die Konferenz in London wichtig ist und die deut-che Bundesregierung mit eigenen Ideen in diese Konfe-nz gehen muss. Diese werden nächste Woche von derundeskanzlerin hier vorgetragen werden. Wir wartenie Konferenz in London ab und gehen dann in der fol-enden Reihenfolge vor: erst die Ziele festlegen, dannie Strategien und schließlich Maßnahmen und Ressour-en zuordnen. In dieser Reihenfolge wird die Bundesre-
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Dr. Rainer Stinnergierung vorgehen, und dabei werden wir sie als FDP-Fraktion kritisch, aber positiv begleiten.
Lassen Sie mich ganz kurz auf den Nahostkonflikt,der uns alle beschäftigt, eingehen. Ich möchte für meineFraktion noch einmal betonen, welch unglaubliche histo-rische Dimension die israelisch-deutschen Regierungs-konsultationen haben. Sie haben eine symbolische Be-deutung, die wir uns vor einigen Jahren nicht vorstellenkonnten. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir alsDeutsche sagen, dass es uns auf der Basis der gefestigtendeutsch-israelischen Beziehungen als Freunden Israelsmöglich ist, kritische Positionen offen anzusprechen,zum Beispiel die Siedlungspolitik, die wohl alle imDeutschen Bundestag mit einer gewissen Skepsis be-trachten.Wir als FDP-Bundestagsfraktion erwarten, dass dieBundesregierung bei allen inhaltlichen Punkten der deut-schen Außen- und Sicherheitspolitik deutsche Positionensehr deutlich definiert und international vorträgt.Lassen Sie mich in der mir verbleibenden Minutenoch etwas zum Haushalt ausführen. Lieber HerrLeutert, zu Ihnen kann ich nur sagen: Für jemanden, dernur einen Hammer hat, sieht alles wie ein Nagel aus.
Ihrer Kritik, es würde krampfhaft eine Militarisierunghervorgerufen werden, kann ich nur mit einer gewissenBelustigung begegnen. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis,dass sich ein Akzent des Außenministers, nämlich dieAbrüstung, in diesem Haushalt unmittelbar nieder-schlägt. Die Mittel für die Abrüstung sind um 21 Prozentgesteigert worden. Das entspricht der Akzentsetzungdieses Außenministers.
Wir müssen uns aber fragen – das ist mein abschlie-ßender Gedanke, Herr Präsident –, ob die Mittelzuwei-sungen an die Außenpolitik auf Dauer genügen. Ichweise darauf hin, dass die auswärtigen Dienste ver-gleichbar großer Länder wie Frankreich oder Großbri-tannien wesentlich größer sind als unserer. Masse istnicht alles, aber es ist ein Indiz.Ich sage Ihnen: Wir müssen uns auch Gedanken überdie Lebens- und Arbeitsbedingungen unserer Diploma-ten und Diplomatinnen machen.
Eines interessiert uns dabei besonders, nämlich wie wirden diplomatischen Dienst auch für Familien attraktivermachen können. Wir haben hier ein Problem. Das istnicht Sozialpolitik im Interesse der Diplomaten, sonderndas ist Interessenpolitik; denn die Wirksamkeit und dieSchlagkraft des diplomatischen Dienstes hängen davonab, dass wir genügend fähige Leute finden, die auch insAusland gehen können.GbLinahBSLLdDtuKmtadmeRüDDicwshnnz
Das Wort hat nun Kollegin Angelica Schwall-Düren,
PD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!iebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Außenminister! Derissabonner Vertrag ist nun zum Glück in Kraft, undie institutionellen Debatten können ein Ende finden.er Weg ist jetzt frei, wieder intensiver über die Gestal-ng der Europäischen Union nachzudenken. Lieberollege Schockenhoff, Sie haben im Zusammenhangit der Subsidiaritätskontrolle des Deutschen Bundes-ges insbesondere das Thema der EU-Erweiterung umie Türkei angesprochen. Mich treibt die Sorge um, dassanchmal eher der Versuch unternommen wird, hierine Verhinderungspolitik zu betreiben.Heute wollen wir nicht über die zum Glück gestärktenechte des Deutschen Bundestages sprechen, sondernber die Europapolitik der Bundesregierung; denneutschland hat eine ganz wichtige Rolle und vor alleningen eine große Verantwortung in Europa. Da frageh doch, Herr Stinner, ob neben der Kontinuität, die ichahrnehme und sehr begrüße, die eigenen Akzente tat-ächlich schon Wirklichkeit geworden sind. Ich habeeute von Frau Bundeskanzlerin Merkel so gut wieichts zur Europapolitik gehört und leider auch von Ih-en, Herr Westerwelle, wenig. Ich sehe ein, Ihre Rede-eit war begrenzt;
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Dr. Angelica Schwall-Dürenaber wir müssen schon erwarten, dass zu Beginn derAmtszeit einer Regierung diese Dinge deutlich werden.Da muss ich Ihnen sagen: Reisen allein genügt nicht. Esgeht, wenn es stimmt, dass wir eine Wertegemeinschaftsind, um die Erarbeitung gemeinsamer Positionen; esgeht um die praktische Umsetzung dieser Werte; es gehtum konkrete Politik.Was passiert gerade mit unseren Nachbarn? Ichmöchte als Erstes sagen, dass auch ich Ihnen, HerrWesterwelle, sehr dankbar bin, dass Sie zunächst inPolen waren und dass Sie Frankreich besucht haben.Auch Frau Staatsministerin Pieper ist schon in Polen ge-wesen. Dieses und auch die Äußerungen, die Sie dort ge-tan haben, kann ich nur begrüßen. Ich freue mich sehr,dass Premierminister Tusk der Karlspreis verliehen wird,weil er in der Tat auf der polnischen Seite die Persön-lichkeit ist, die sehr viel dazu beigetragen hat, dass diedeutsch-polnischen Beziehungen wieder verbessert wer-den.An dieser Stelle muss ich in Richtung der Frau Bun-deskanzlerin sagen, vor allen Dingen weil ich ihre Ver-antwortung sehe: Sie muss in diesem Feld einen Streitaus der Welt schaffen.
Es geht nicht, dass die Frage Steinbach dieses Verhältnisweiter belastet. Ich will mit aller Deutlichkeit sagen: Ichhabe keinerlei Verständnis dafür, dass man in der Koali-tion meint, darüber Verhandlungen beginnen zu können.Wir haben ein gültiges Gesetz, und es gibt niemanden,der Bedingungen zu stellen hat, wie dieses Gesetz umge-setzt werden soll. Das muss ich ganz klar und eindeutigzurückweisen.
Hier ist der Außenminister gefragt, damit wir in der be-schworenen Kontinuität, Herr Westerwelle, fortsetzenkönnen, was für Willy Brandt ganz wichtig war: dass wirein Volk von guten Nachbarn sind.
Wir haben gemeinsam mit Polen wichtige Fragen an-zupacken. Ich verweise auf die östliche Partnerschaft; dawarte ich auf Initiativen.Wir haben im Übrigen zusammen mit Frankreichwichtige Initiativen zu ergreifen; ich denke etwa an dieMittelmeerunion. Palästina, Israel, der Nahe Osten sindangesprochen worden. Wenn wir hier nicht vorankom-men, dann wird diese Union für das Mittelmeer nichtvon Erfolgen gekrönt sein, und dann werden auch diepositiven praktischen Initiativen ins Leere laufen. Viel-leicht ist der Deutsch-Französische Tag, den wir in zweiTagen feiern, für Sie ein Anlass, die eine oder andere Ini-tiative bekannt zu geben, Herr Außenminister.Ich frage mich aber auch: Wo ist das stimmige Kon-zept der Regierung in Bezug auf die Erweiterungspoli-tik? Zu Kroatiens Beitritt sagt man Ja. Bezüglich derwestlichen Balkanstaaten wissen wir schon nicht, wieddwroreauddUdkdgAcdmfrzgdgddgApweAahzxewgMzMesPfüdDofePiswh
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010 1307
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enn Sie dieser Linie in Ihrer Europapolitik folgen,ann werden die Sozialdemokraten an Ihrer Seite sein.enn – um mit Willy Brandt zu sprechen – wir wollenehr Europa und nicht weniger.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Thomas Silberhorn für die Fraktion
er CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir ste-en nach dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages undor dem Beginn der Amtszeit einer neuen Kommissionn einem Punkt, an dem wir eine europapolitische Be-
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Thomas Silberhornstandsaufnahme machen sollten. Zwei Beobachtungengeben aus meiner Sicht Anlass zu Schlussfolgerungen:Einerseits sehen wir uns im Zuge der weltweiten Ver-netzung, der Globalisierung, einem verschärften inter-nationalen Wettbewerb ausgesetzt. Trotz ihrer Wirt-schaftskraft findet die Europäische Union bei dengroßen, grenzüberschreitenden Fragen – von der Klima-politik über die Finanzmarktregulierung bis zur Welt-handelsrunde – kein ausreichendes Gehör, wenn es ihrnicht gelingt, mit einer Stimme zu sprechen. Hier sindwir noch nicht am Ende unserer Möglichkeiten ange-langt.Andererseits müssen wir feststellen, dass die Bürgerder Europäischen Union, die eine Wertegemeinschaft ist,sich zunehmend auf ihre lokale, regionale oder nationaleVerwurzelung konzentrieren. Das ist offenbar ein gegen-läufiger Prozess zur Globalisierung.Damit steht die Europäische Union in den nächstenJahren vor zwei zentralen Herausforderungen: Zum ei-nen muss das Gewicht Europas nach außen gestärkt wer-den. Zum anderen brauchen wir innerhalb der Europäi-schen Union den Mut zu mehr Vielfalt und wenigerGleichmacherei. Vieles ist in dieser Beziehung aus demGleichgewicht geraten. Das ist wohl auch der Grund,weshalb die europäische Integration für viele Bürgerihren Reiz eingebüßt hat.Bundespräsident Horst Köhler hat das vor gut vierWochen, am 20. Dezember 2009, anlässlich des 60. Jah-restages des Karlspreises deutlich umschrieben, indemer gesagt hat – ich zitiere –:Die Bürger sollen schlicht die Erfahrung machen,dass Europa ihnen dient. Zu oft erleben sie heutedas institutionelle Europa vor allem als Ärgernis.Das ist ein Grund für das vielfach zu geringe Ver-trauen, das der Europäischen Union und ihren Institutio-nen entgegengebracht wird.Was sind die Lehren für die aktuelle Politik? Was denKlimaschutz angeht, hat die Europäische Union in Ko-penhagen bei weitem nicht die Erwartungen unsererBürger und der internationalen Öffentlichkeit erfüllenkönnen. Stattdessen beschäftigt sich die EuropäischeKommission mit der Mobilität in Innenstädten, mit ei-ner Frage also, für die bei uns die Kommunen zuständigsind. Es ist ein eklatantes Missverhältnis, wenn sich dieEuropäische Union mit Kleinigkeiten, mit Nebensäch-lichkeiten befasst und einen erklecklichen Eifer in derBevormundung und Drangsalierung der Bürger entwi-ckelt, aber dort, wo wir ein starkes Europa und die Vor-reiterrolle der Europäischen Union in der internationalenKlimaschutzpolitik bräuchten, nicht das erreicht, was siewill.
Meine Damen und Herren, hier müssen wir die Dingewieder vom Kopf auf die Füße stellen. Die Vorschlägeder Kommission zur Mobilität in den Innenstädten habenüberhaupt nichts mit grenzüberschreitenden Fragen zutupnpgsgedcemgBskbsgmGcinVdwsrüwecrebEkGEuwKdasMzdSMmdles
Es gibt jährlich einen Subsidiaritätsbericht derommission. Ich denke, der bevorstehende Amtsantritter neuen Kommission wäre eine geeignete Gelegenheit,lle laufenden Vorhaben neu zu bewerten und, bittechön, die Vorhaben zurückzuziehen, die bisher keineehrheit in Europa gefunden haben. Es wäre ein Beitragu mehr Demokratie und Bürgernähe, dass nicht alles inen Schubladen verbleibt, bis irgendwann das Rad eintück weiter gedreht werden kann. Vorschläge, die keineehrheit finden, sollten auch einmal vom Tisch genom-en werden.Wir müssen unsere Rolle als Deutscher Bundestag iniesen Fragen deutlich stärken. Wir haben während dertzten Legislaturperiode alle Voraussetzungen dafür ge-chaffen. Jetzt müssen wir dazu übergehen, europäische
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010 1309
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Thomas SilberhornVorhaben in unseren Ausschüssen nicht einfach nur zurKenntnis zu nehmen, sondern uns zu positionieren undStellung zu beziehen. Wir müssen uns auch auf europäi-scher Ebene stärker mit den Kolleginnen und Kollegenin den anderen nationalen Parlamenten vernetzen. Wirwerden früher oder später wohl auch die Gelegenheit be-kommen, die Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzesdurch den Europäischen Gerichtshof überprüfen zu las-sen. Nach den Vorschlägen und Beschlüssen, die manaus Brüssel bekommt, zu urteilen, wird das nicht langeauf sich warten lassen. Ich freue mich darauf, dass derEuropäische Gerichtshof die Gelegenheit erhält, seineneue Rolle als Wächter der Subsidiarität auszuüben.Lassen Sie mich zum Thema der europäischen Au-ßen- und Sicherheitspolitik einige Sätze sagen. Wir ha-ben hier Spielraum für eine stärkere Rolle der Europäi-schen Union. Wir haben deshalb ganz bewusst imKoalitionsvertrag vereinbart, dass wir eigene Planungs-und Führungsfähigkeiten der Europäischen Union in die-sem Bereich haben wollen.Wenn wir die Tragödie in Haiti betrachten, dann wirdaugenfällig, dass wir in der Tat auch auf europäischerEbene besser zusammenarbeiten müssen. Es sind zwarbereits beträchtliche Hilfen angelaufen. Aber es darfnicht sein, dass bei einem Erdbeben dieses gewaltigenAusmaßes die Europäer zu einem guten Teil sozusagennebeneinander laufen. Hier sind Verbesserungen nötig.Um in einer solchen Krise schnell helfen zu können, istdie Koordinierung das Wichtigste. Die Bewältigung sol-cher Krisen ist eine gigantische Koordinierungsaufgabe.Wir sollten daher einen Teil der Koordinierung in derEuropäischen Union bewerkstelligen. Deswegen halteich den Vorschlag, den der neue ständige EU-Ratspräsi-dent Van Rompuy gemacht hat, nämlich eine humanitäreEingreiftruppe der Europäischen Union zu schaffen, fürsehr überlegenswert. Ich denke, dass wir genau in dieserRichtung weiterarbeiten müssen.Meine Damen und Herren, im Rahmen der Außen-und Sicherheitspolitik wird der Europäische Auswär-tige Dienst in den nächsten Jahren eine große Rolle spie-len. Die Außen- und Sicherheitspolitik bleibt zu weitenTeilen eine Domäne der Mitgliedstaaten. Deswegen istes richtig, wenn die auswärtigen Dienste der Mitglied-staaten in diesem Europäischen Auswärtigen Dienststark vertreten sind. Aber ich denke, dass dieser Europäi-sche Auswärtige Dienst nur dann Sinn macht, wenn dieSynergieeffekte, die in einer gemeinsamen Arbeit aufeuropäischer Ebene liegen, auch tatsächlich zum Tragenkommen.
Es kann doch nicht sein, dass der Europäische Auswär-tige Dienst auf die bestehenden nationalen Dienste ein-fach obendraufgesattelt werden soll. Im Gegenteil: Dabesteht Potenzial für Personaleinsparungen auf europäi-scher Ebene genauso wie auf nationaler Ebene. Ich rateuns sehr, dieses Potenzial zu nutzen; denn sonst schaffenwir Doppelstrukturen, die uns im Ergebnis nicht helfen,sondern die Dinge eher komplizieren.mKaaDHwkedscDDekosSndSbvnsFVSZmzntefüs
enn dann könnte man auch im Ausland noch stärker fürine Werteorientierung werben. Ganz nebenbei, die FDPönnte einen guten Zug machen – dann wäre die Werte-rientierung wieder vorhanden –: Um von diesemchlechten Beigeschmack wegzukommen, sollte sie diepende in Höhe von 1,1 Millionen Euro an die FDPach Haiti weiterleiten.
Bei den Haushaltsberatungen im letzten Jahr befan-en wir uns noch mitten in der Krise. Milliarden vonteuergeldern wurden zur Rettung von Banken ausgege-en. Heute, ein Jahr später, ist die Krise noch lange nichtorbei. Aber die Banken zocken schon wieder, als wäreichts passiert.Was tun die Bundesregierung und die EU-Kommis-ion, um diese hochriskanten und teilweise kriminelleninanzgeschäfte zu unterbinden? Eigentlich nichts. Einerbot von Hedgefonds wie vor 2005 – Fehlanzeige.anktionen gegen Steueroasen – Fehlanzeige. Einwang zur stärkeren Unterlegung von riskanten Invest-ents mit Eigenkapital – Fehlanzeige. Eine Rückkehrur gesetzlichen Rente – Fehlanzeige. Auch bei der Fi-anztransaktionsteuer versteckt sich die Regierung hin-r dem Abwarten auf den IWF-Bericht, anstatt sich klarr eine europaweite Einführung dieser Steuer auszu-prechen.
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1310 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010
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Alexander UlrichWarum tut die Regierung angesichts der schwerstenWirtschafts- und Finanzkrise seit den 30er-Jahren nichtsgegen kriminelle Finanzgeschäfte?
Nun, dafür gibt es zwei Erklärungen: Die Regierungglaubt, die Finanzmärkte funktionieren; man müsse sienur besser beaufsichtigen. Stellen Sie sich vor: EineBank öffnete nachts die Türen und den Tresor, aber in-stallierte mehr Kameras in der Hoffnung, so Bankräuberabzuhalten. So viel Naivität möchte selbst ich der Regie-rung nicht unterstellen.Oder die Regierung dient nicht der Bevölkerungs-mehrheit, sondern Herrn Ackermann und seinen Freun-den.
Entscheiden Sie selbst!
Die neue europäische Aufsicht wird kleinteilig unddamit machtlos. Es gibt eine für Wertpapiere und einefür Versicherungen. Die EZB hat im Rat für Systemrisi-ken den Hut auf. Dies alles findet natürlich hinter ver-schlossenen Türen statt. Kein Parlamentarier, kein Bür-ger wird erfahren, welche Risiken in der Wirtschaftexistieren und warum. Dabei geht es doch angeblich ummehr Transparenz und das Wohl der Allgemeinheit.Wann immer es an der Börse kracht, wird die EZB nichtdie Spekulanten an die Leine nehmen, sondern die Zin-sen hochsetzen. Damit beendet man aber keine Spekula-tion auf einzelnen Märkten, sondern würgt die kompletteWirtschaft ab.Verstehen Sie mich nicht falsch: Auch die regierungs-nahe Aufsicht etwa der BaFin hat nicht funktioniert;denn es fehlte erstens an Regeln, zweitens an Mittelnund drittens am Willen. Finanzaufseher waren inDeutschland so etwas wie Bankangestellte, sie warenschlecht informiert und hatten nichts zu melden. DieseProbleme werden nun aber nicht gelöst, sondern ver-schleppt.Das Gleiche gilt für die allgemeine Koordinierungder Wirtschaftspolitik in der EU. Die bisherige Koor-dination ging schief und die Antwort ist: mehr von denalten falschen Rezepten. Mit der Lissabon-Strategiesollte die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirt-schaftsraum der Welt werden, mit mehr und besseren Ar-beitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammen-halt.Diese Strategie ist grandios gescheitert. Wir befindenuns im Jahr 2010, Herr Westerwelle, aber wir sind nichtder wettbewerbsfähigste Wirtschaftsraum der Welt, undwir haben auch nicht mehr Arbeitsplätze, sondern weni-ger, bessere schon gar nicht. Wir haben im Jahr 2010keinen größeren sozialen Zusammenhalt, sondern mehrArmut und mehr soziale Ausgrenzung.
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Scheinbar kapieren Sie nicht, dass Europapolitik im-er auch Innenpolitik ist. Das müssen wir auch der FDPndlich beibringen.
Die Lissabon-Strategie ist grandios gescheitert. Wasassiert? Denkt man darüber nach, was an der alten Stra-gie falsch war? Denkt man darüber nach, ob Wettbe-erbsfähigkeit alleine wirklich ein sinnvolles Ziel ist?enkt man darüber nach, ob die Instrumente vielleichtinfach nicht geeignet waren? Die Antwort ist Nein. Dieffentliche Konsultation der Kommission dauerte nichtinmal acht Wochen, und auch die bisherigen Entwürfeer neuen Agenda 2020 lassen nichts Gutes erwarten.Es muss endlich Schluss sein mit der Politik der Dere-ulierung, Flexibilisierung und Privatisierung. In der EUuss endlich wieder der Mensch in den Mittelpunkt ge-tellt werden und nicht die Rendite.
s reicht nicht, wenn man dieses Jahr zum „Europäi-chen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ aus-ft. Herr Westerwelle, Sie haben sehr wenig zumhema Europa gesagt. Sie haben auch wenig über diesesEuropäische Jahr gegen Armut und soziale Ausgren-ung“ gesagt. Das passt auch; denn Armut und derampf gegen Armut ist kein Thema für die FDP.
Wir brauchen keine Sonntagsreden, wir brauchen Ta-n. Das heißt: Wir brauchen dringend die soziale Fort-chrittsklausel. Binnenmarktfreiheiten dürfen die er-ämpften sozialen Grund- und Arbeitnehmerrechte inen Mitgliedstaaten nicht aushebeln. Gewerkschaften zuchadenersatz zu verklagen, wenn sie gegen Lohndum-ing kämpfen – wie bisher fast unbemerkt infolge desaval-Urteils geschehen –, ist absolut inakzeptabel.
Wir, Die Linke, werden weiterhin für eine solidari-che, friedliche und nachhaltige EU kämpfen. Dies istbrigens nicht antieuropäisch, sondern zutiefst euro-äisch; denn wenn die Interessen der Arbeitnehmerinnennd Arbeitnehmer, der Bürgerinnen und Bürger nichtndlich ernst genommen werden, dann wird die europäi-che Idee scheitern.Vielen Dank.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010 1311
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Das Wort hat nun Gunther Krichbaum, CDU/CSU-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Ulrich, ich bin Ihren Ausführungen gefolgt.
Es stellt sich die Frage, ob Sie im richtigen Film sind.
Wenn es eine Errungenschaft in Europa gibt, dann istes die des Friedens, aber auch der Freiheit. Erst in die-sem Rahmen hat sich der wirtschaftliche und damit auchder soziale Wohlstand entwickelt. Ohne den wirtschaftli-chen Erfolg wären soziale Wohltaten gar nicht möglich.Wie sehr sich dieses Europa zu einem sozialen Europawandelt, erkennen Sie, wenn Sie das Programm der spa-nischen Präsidentschaft durchlesen.Herr Außenminister Westerwelle, Sie haben zu Be-ginn Ihrer Ausführungen darauf hingewiesen, dassEuropa mit dem Vertrag von Lissabon seine Handlungs-fähigkeit zurückgewinnt. Nach den Turbulenzen derletzten Tage kann man festhalten, dass auch die Kom-mission handlungsfähig wird. Die Anhörungen neigensich dem Ende zu. Nebenbei ist zu bemerken, dass vorallem der designierte deutsche Kommissar, Ministerprä-sident Günther Oettinger, diese Anhörung mit Bravourgemeistert hat.
Das gibt auch zu erkennen, dass er die Aufgabe als deut-scher Kommissar hervorragend ausfüllen und damitauch ein Schwergewicht in der Kommission darstellenwird, woran wir ein Interesse haben dürften. Lassen Siemich das an dieser Stelle erwähnen.Ich erwähne es auch deswegen, weil Frau KolleginSchwall-Düren in ihrer Rede auf die Idee zu sprechenkam, eigene Einnahmequellen für die EU zu schaffen.Der designierte Haushaltskommissar, Herr JanuszLewandowski, wurde genau danach gefragt und hat dieEU-Steuer ins Spiel gebracht. Dieses Thema wird an Be-deutung gewinnen, weil die neue Kommission dieFinanzielle Vorausschau für die Jahre 2014 bis 2020 vor-legen wird. Ich kann Ihnen an dieser Stelle nur sagen:Die Union und die FDP werden sich strikt dagegen wen-den, dass die EU eine eigene Steuer einführt, weil dasnicht dazu geeignet ist, die Steuerlast der Bürger zu sen-ken. Ganz im Gegenteil: Wer die Büchse der Pandoraaufmacht, der wird den Geist nicht zurückdrängen kön-nen. Deswegen sage ich: Nein, das ist mit Deutschlandnicht zu machen.
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Nein, das ist ein Prozess, und es ist gut, dass das einrozess ist. Wenn das Ende schon feststünde, wo be-tünde denn dann noch die Möglichkeit, durch Reformenuf das Land einzuwirken? Deswegen macht es weniginn, das ständig infrage zu stellen.Ich glaube, es ist gut – das kann man festhalten –,ass sich die Türkei in vielen Bereichen auf die Europäi-che Union zubewegt hat. Es gibt Bewegungen in derurden-Frage, auch in der Armenien-Frage. Auf der an-eren Seite muss man aber auch sagen, dass im Fall Tür-ei noch vieles zu tun bleibt. Das betrifft zum einen na-rlich die Frage der religiösen Minderheiten. Wirrwarten eine Toleranz gegenüber den christlichen Kir-hen. Zudem sind die Einschränkungen bei der Presse-eiheit nicht tolerabel, nicht hinnehmbar.
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1312 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010
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Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Montag?
Ich gestatte die Zwischenfrage.
Ich danke Ihnen, Herr Kollege Krichbaum. Sie waren
in Ihrer Rede schon ein wenig weiter, aber ich konnte
mich nicht rechtzeitig beim Präsidium bemerkbar ma-
chen.
Ich will Sie etwas zu Ihren Ausführungen zur Türkei
fragen. Sie betonen, wie glasklar die Koalitionsvereinba-
rung sei, und dass darin stehe, dass die Verhandlungen
mit der Türkei ergebnisoffen geführt werden. Das ist
eine schiere Selbstverständlichkeit für alle Beitrittsver-
handlungen.
Es ist doch völlig klar, dass Verhandlungen begonnen
werden, egal wer den Beitritt wünscht, dass zum
Schluss, wenn sie beendet werden, das Ergebnis bewer-
tet und danach entschieden wird, ob die Kriterien erfüllt
sind oder nicht.
Verstehen Sie, dass viele Menschen sich fragen, wa-
rum das bei der Türkei immer so betont wird? Der Sub-
text ist doch das Problem. Verstehen Sie, dass sich viele
denken, dass etwas dahinterstecken muss? Mich würde
interessieren, was dahintersteckt, dass Sie das bei der
Türkei immer wieder so betonen.
Herr Kollege Montag, es geht weniger um den Sub-text als um den Kontext.
Aufgrund der Erfahrungen aus den bisherigen Beitritts-verhandlungen mit anderen Staaten muss man der Ehr-lichkeit halber sagen, dass am Schluss der Verhandlun-gen der politische Discount eine maßgebliche Rollegespielt hat. Wir wissen und freuen uns darüber, dassheute auch Länder wie Bulgarien und Rumänien Mit-gliedstaaten der Europäischen Union sind.
Es trägt auch in erheblichem Maß zur Stabilisierung ei-ner ganzen Region bei. Deswegen sei, weil es in Zweifelgezogen wurde, hier an dieser Stelle erwähnt, dass natür-lich auch die Länder des westlichen Balkans eine Bei-trittsperspektive zur Europäischen Union haben, allenvoran Serbien, und wir das unterstützen. Denn es gehtum die Stabilität.Aber dieser politische Discount ist in Zukunft so nichtmehr möglich. Wir haben es im Falle der Türkei immer-hin mit einer Bevölkerung von 70 Millionen Menschenzu tun. Die Demografie ist anders als bei uns; die Bevöl-kerungszahl ist eher im Steigen begriffen. Deswegen istesswspGFhan–d–frkDgksvwfrpinwMoimsMlezTzdGbWfäsvre
Entschuldigung, ich habe das akustisch nicht verstan-en.
Gut.Eine weitere Verpflichtung der Türkei ist, die Presse-eiheit zu respektieren. Ohne Pressefreiheit gibt eseine Demokratie.
ie jüngsten Verschärfungen des Steuerstrafverfahrensegen die Dogan-Gruppe lassen ernste Besorgnis auf-ommen. Die Kommission hat dies im jüngsten Fort-chrittsbericht thematisiert. Wir müssen ohne Schaumor dem Mund darauf hinweisen, welche Erwartungenir an die Türkei haben. Die Respektierung der Presse-eiheit gehört dazu. Es wäre ein verheerendes Signal fürotenzielle Investoren, die davon abgeschreckt werden, der Türkei Investitionen vorzunehmen, wenn derartillkürlich mit Steuerstrafverfahren agiert wird, um einedienunternehmen mit regierungskritischen Presse-rganen letztlich mundtot zu machen. Das kann so nicht Raum stehen bleiben und muss auch hier im Deut-chen Bundestag für Widerstand sorgen.Lassen Sie mich noch ein Wort zu unserem südlichenitgliedstaat, zu Griechenland sagen. In der Tat – Kol-ge Montag, ich gebe Ihnen an der Stelle recht – kon-entrieren wir unsere Betrachtungen sehr häufig auf diehematik der Türkei, ohne Griechenland in den Fokusu nehmen. Das ist inakzeptabel, gerade wenn man aufie Stabilitätskriterien achtet.
egenwärtig gibt es dort eine Staatsverschuldung, dieei 125 Prozent liegt, und ein Defizit von 13 Prozent derirtschaftleistung. Der Umstand, dass immer wieder ge-lschte Zahlen an Brüssel weitergegeben werden, ist be-orgniserregend. Das ist nicht akzeptabel.
Ich nähre nicht die Diskussion über den Ausschlusson Mitgliedern aus der Euro-Gruppe, weil dies auchchtlich zumindest fragwürdig, wenn nicht vielleicht
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010 1313
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Gunther Krichbaumsogar unmöglich wäre. Diese Diskussion sollte schnellbeendet werden. Gleichsam muss man aber darauf hin-weisen: Wer Zahlen fälscht, begeht Betrug an den Bür-gern der Europäischen Union. Wir haben nur diesen ei-nen Euro, und dieser Euro hat gerade jetzt, in der Finanz-und Wirtschaftskrise, eine sehr stabilisierende Wirkung.Es ist wichtig, dass an dieser Stabilität nicht gerütteltwird. Griechenland muss interne Reformen durchführen,die sicherlich schmerzlich sein werden.Wenn ich manche Meldungen vom heutigen Tage,beispielsweise in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung,lese, muss ich sagen: Das kann so nicht weitergehen. Eskann keine Lösung sein, bei der Statistikführungspflichteinseitig Kompetenzen an Brüssel abzugeben; dagegenwehren sich auch andere Mitgliedstaaten zu Recht. Da-rüber müssen wir mit unseren griechischen Freundennoch ein ernstes Wort reden.Zum westlichen Balkan habe ich bereits Ausführun-gen gemacht. Ich glaube, dass gerade wir, der DeutscheBundestag, in Anbetracht des Vertrages von Lissabonund der Begleitgesetzgebung eine besondere Verantwor-tung haben, diese Prozesse in der Zukunft aktiver zu be-gleiten.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Manuel Sarrazin für das Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichmöchte den Ball, den die Kollegen Schockenhoff undSilberhorn von der CDU/CSU in ihren Ausführungengespielt haben, aufnehmen.
Wenn wir die Aussage, dass wir in einer neuen Zeitleben, wirklich ernst nehmen, dann, so glaube ich, müs-sen wir auch bereit sein, mit neuen Antworten in dieseZeit zu gehen, uns neue Antworten zu überlegen. DieBeiträge, die Roman Herzog zum europäischen Integra-tionsprozess geleistet hat, sind unbestritten; er ist einerder Väter der Europäischen Menschenrechtscharta. Aberdie Beiträge, die er zuletzt in der Auseinandersetzungum die Frage: „Wie sollte das Verhältnis zwischenEuGH und Bundesverfassungsgericht ausgestaltet sein?“geleistet hat – Herr Schockenhoff, Sie haben ihnzitiert –, habe ich nicht als Beiträge empfunden, die unsweiterbringen, wenn wir über die Zukunft des neuen Eu-ropas reden.
Vielleicht kann man hier ansetzen: Wenn wir sagen,dass uns der Vertrag von Lissabon und die Begleitgesetz-gebung in eine neue Zeit geführt haben, dann sollten wirvon zwei grundlegenden Erkenntnissen unserer Politikausgehen.EZ–nSdwwoBdEnVsicgUwVdwLnudspTsEadfeBPdEEeZLnliVslövSdfüMA
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1314 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010
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Die nächste Rednerin ist Katrin Werner für die Frak-
tion Die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Die schwarz-gelbe Bundesregierung singt
in ihrem Koalitionsvertrag das Hohelied der Menschen-
rechte. Ihr Haushaltsentwurf spricht eine andere Spra-
che: Ausgerechnet bei den Menschenrechten kürzt sie
die ohnehin nicht üppigen Mittel von rund 22 Millionen
Euro auf nur noch 19 Millionen Euro – so viel, wie die
Bundesregierung für gerade einmal zehn Tage Krieg in
Afghanistan ausgibt. Das ist ein Skandal.
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Dieser stiefmütterliche Umgang mit den Menschen-
chten ist nicht wirklich neu. Er zeigt sich nicht zuletzt
unserem eigenen Land: Die Bundesregierung lässt
inderjährige Roma-Flüchtlinge in den Kosovo abschie-
en, trotz der erschreckenden Verhältnisse dort. Sie
ollte sich Art. 1 des Grundgesetzes in Erinnerung rufen,
dem steht:
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
lüchtlinge besitzen dieselben Menschenrechte; denn
ein Mensch ist illegal.
Kaum besser ist es hierzulande um die sozialen Men-
chenrechte bestellt. Vielen Kindern bleibt seit der Ein-
hrung von Hartz IV nichts anderes übrig, als in eine
uppenküche zu gehen, wenn sie eine warme Mahlzeit
m Tag bekommen wollen. 2 Millionen Kinder leben in
rmut. Halten Sie dies für vereinbar mit Art. 25 der All-
emeinen Erklärung der Menschenrechte, dem Recht auf
inen gewissen Lebensstandard oder mit dem Grundge-
etz? Meine Damen und Herren, derartige Zustände in
uncto Menschenrechte sind für ein reiches Land wie die
undesrepublik Deutschland ein Armutszeugnis.
Wer den Menschenrechten schon im eigenen Land so
enig Aufmerksamkeit schenkt, der wird auch im inter-
ationalen Maßstab hinterherhinken.
Die Herausforderungen sind riesig: Rund 1 Milliarde
enschen weltweit hungern. Circa 37 Millionen Men-
chen waren 2008 weltweit auf der Flucht. Ebenso ster-
en jährlich Millionen Menschen an eigentlich heilbaren
rankheiten. Die Pharmakonzerne stellen aus reinem
rofitinteresse lebenswichtige Medikamente nicht zu
ünstigeren Preisen zur Verfügung. Die Politik hat dies
leriert.
Die Linke sagt: Selbstverständlich müssen globale
erausforderungen auch durch die internationale Staa-
ngemeinschaft gemeistert werden. Fest steht jedoch,
ass die wohlhabenden Industrienationen, darunter auch
ie Bundesrepublik, hierzu einen größeren Beitrag leis-
n können und müssen.
ieser Haushaltsentwurf der Bundesregierung wird dem
icht gerecht. Daher lehnt die Linke ihn ab.
Frau Werner, das war Ihre erste Rede im Deutschenundestag. Dazu gratuliere ich Ihnen im Namen des ge-amten Hauses. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010 1315
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Vizepräsidentin Katrin Göring-EckardtZu diesem Geschäftsbereich liegen keine weiterenWortmeldungen vor.Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums der Verteidigung, Einzelplan 14.Ich gebe das Wort dem Bundesminister der Verteidi-gung, Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg.
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-desminister der Verteidigung:Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Die Bundeswehr wird Tag für Tag mit vielfälti-gen Erwartungen, aber auch mit einem sehr breiten Ein-satzspektrum konfrontiert. Unsere Soldaten sind da,wenn es bei Schnee und Eis zu größeren Katastrophenkommt; gottlob sind wir heuer weitestgehend davon ver-schont geblieben. Wir haben mit Blick auf Haiti unver-züglich ein Angebot zur Unterstützung abgegeben. Un-sere Soldaten sind da, wenn etwa, wie in Afghanistan,nach Ausbildern gerufen wird.An den Einsatz unserer Streitkräfte sind hohe Erwar-tungen geknüpft, und der Einsatz ist gefährlich. Er ist ri-sikobeladen, um etwas aufzugreifen, was heute Morgendiskutiert wurde. Dies hat uns das Jahr 2009 aufschmerzliche Weise gelehrt. Auch im vergangenen Jahrhatten wir Gefallene und Verwundete zu beklagen. Dasist die traurige Wahrheit. Gerade deshalb lasse ich es mirnicht nehmen, diese Wahrheit offen anzusprechen.Meine Damen und Herren, wir denken an ihre Fami-lien, und wir ehren zu Recht unsere Soldaten. In diesemZusammenhang danke ich Franz Josef Jung von Herzen,der für diese Ehrung Großes geleistet hat.
Wir brauchen gerade für die Ereignisse in den Ein-satzgebieten, insbesondere für den in Afghanistan, eineklare Sprache: eine Sprache, die die Menschen verste-hen, und eine Sprache, die nicht allein taktisch geprägtist. Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten ihrenDienst. Sie erfüllen ihren gefährlichen, ja auch riskantenAuftrag, und wir können uns auf sie verlassen. Das istein leicht gesagtes Wort, aber trotzdem eines mit einertiefen Bedeutung.Aber unsere Soldaten haben damit ein Anrecht darauferworben, dass sie sich auch auf uns verlassen können.Dies muss miteinander in einem Wechselspiel stehen.An dieser Stelle danke ich auch im Namen unserer Sol-datinnen und Soldaten Ihnen, den Mitgliedern des Deut-schen Bundestages, für Ihre große Unterstützung geradebei der Beschaffung des notwendigen Materials, insbe-sondere geschützter Fahrzeuge, die zunehmend bedeut-samer werden. Sie sind im wahrsten Sinne des Worteslebenswichtig, überlebenswichtig. Diesen Dank ver-binde ich mit der Bitte, hierbei auch weiter auf Ihre Un-terstützung zählen zu dürfen.asBetidubrendGdrududzdretiEggsnMssshtrkrameuBtidvgktimpZRghWIcg
In Afghanistan, wo derzeit rund 4 500 Frauen undänner der Bundeswehr für unser Land in einer sehrchwierigen Mission stehen, sehen wir gerade dies in be-onderer Weise. Dort werden die drei zentralen Eigen-chaften der Herausforderungen unserer Sicherheit voneute deutlich: Das Erste ist das, was man mit Asymme-ie umschreibt. Sie wird viel beschrieben, aber seltenorrekt. Das ist zum Zweiten die globale Natur der He-usforderungen, die keinen Halt mehr vor Grenzenacht, und zum Dritten die zwingende Notwendigkeitines umfassenden, ja, vernetzten Ansatzes aller Akteurend deren Mittel. Wie sehr wurde über Jahre über denegriff „vernetzte Sicherheit“ gespottet, und wie wich-g und wie bedeutsam ist gerade dieser Ansatz gewor-en. Im Verständnis unserer Bündnispartner, aber auchieler anderer Partner auf dieser Erde hat er sich nieder-eschlagen.Auf der Afghanistan-Konferenz am Donnerstag derommenden Woche wollen wir die Strategie der interna-onalen Gemeinschaft notwendigerweise gemeinsamit unseren afghanischen Freunden anpassen. Im Mittel-unkt der Diskussion stehen dabei die gemeinsameniele. In diesem Verständnis gilt es, mit der afghanischenegierung die Anpassung an unsere gemeinsame Strate-ie voranzubringen. Es versteht sich von selbst – das ge-ört sich –, dass wir den Deutschen Bundestag mit denegen und Mitteln des weiteren Engagements befassen.h will noch einmal betonen – das habe ich in den ver-angenen Wochen oft gesagt –: Wir dürfen uns nicht in
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Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenbergeiner intellektuell überschaubaren Diskussion, einer rei-nen Truppenstellerdebatte, verlieren. Das würde den An-forderungen nicht gerecht werden.Zur Klarheit gehört ohnehin die Erkenntnis, dassSoldaten allein den Frieden und die Sicherheit in Afgha-nistan nicht wiederherstellen können. Der Schlüssel, ge-rade im Bereich Sicherheit, liegt in der Ausbildung derafghanischen Kräfte, der Armee, aber auch der Polizei,die in den letzten Jahren stärker, wirksamer gewordensind. Wir sind aber noch nicht an dem Ziel, das wir unsvorstellen. Wir können dies nur gemeinsam auf einerressortübergreifenden Grundlage erreichen. Wir brau-chen dafür klare Benchmarks, wie man das heute neu-deutsch nennt. Wir brauchen aber auch klare Zeitlinienund entsprechende Zeitfenster, um den Ausbildungser-folg, aber auch den Aufbauerfolg messen zu können undum daraus die notwendige Abzugsperspektive zu entwi-ckeln. Wir wollen beim Thema Abzugsperspektivenicht hinter anderen zurückstehen, die sich dazu bereitsgeäußert haben.Die afghanische Sicherheit braucht – das mag banalklingen – ein afghanisches Gesicht. Wir würden einer Il-lusion erliegen, wenn wir glaubten, dass die internatio-nale Gemeinschaft das alleine erreichen kann. Dieses af-ghanische Gesicht der Sicherheit muss klarer erkennbarwerden. Dem versuchen wir auch konzeptionell nachzu-kommen. Gerade mit dem Konzept des sogenanntenPartnering wird bereits jetzt in Afghanistan mit unter-schiedlicher Intensität dafür Sorge getragen, dass sichdie Voraussetzungen für die Sicherheit des Landes konti-nuierlich fortentwickeln.Kerngedanke ist, dass Ausbildung und Schutz zusam-mengehören und untrennbar miteinander verbundensind. In dem Sinne heißt Partnering richtig verstandennicht entweder Sicherheit oder Ausbildung jeweils fürsich allein, sondern es bedeutet, dass beides einander be-dingt und Teil eines Konzeptes sein soll und muss. DieseNeuerung ist allerdings noch nicht überallhin durchge-drungen. Es ist wichtig, dass wir offen darüber diskutie-ren.Afghanistan ist nur einer von gegenwärtig zehn Aus-landseinsätzen. Auch darauf darf man immer wieder hin-weisen. Die Bundeswehr ist heute ganz ohne Zweifeleine Armee im Einsatz. Wir haben heute schon einmalan dieser Stelle darüber gestritten, was das heißt. Ist dasetwas, was Routine werden darf? Mit Sicherheit nein.Das soll und darf es nicht. Ist es aber Realität? Ja, unddieser Realität haben wir uns zu stellen. Dafür haben wirunsere Verpflichtungen zu erfüllen.Wir stehen diesbezüglich auch zu unserer Verantwor-tung, aber wir wollen keine Weltpolizei sein. Das könn-ten wir auch nicht, weil es ebenso anmaßend wie uto-pisch wäre.Es bleibt sicherlich auch ein grundlegendes Dilemma– diesen Ansatz sollten wir vielleicht noch etwas stärkerdiskutieren –, dass wir, die Maßstäbe unseres Engage-ments in Afghanistan zugrunde gelegt, uns leider nichtin allen nahezu vergleichbaren Regionen dieser Erde en-gagieren können. Das ist manchmal auch eine Gratwan-dfüwbEmCzfärutidkfrBhEbnwtuwAnzadclaBBDvsintigsdfadRPruudRhn
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Ich will in diesem Kontext letztlich nichts Geringeres,als dass die Bundeswehr für eine stets erneuerte Kulturder Offenheit und des Vertrauens steht. Wir brauchenauch unkonventionelle Lösungen. Deshalb wird sich un-mittelbar nach Vorliegen der Analyse eine Kommissionmit den Defiziten befassen, eine Kommission, die politi-sche, militärische, administrative, wirtschaftliche undrechtliche Expertise in sich vereinen wird.
Ihr Kernauftrag wird darin bestehen, zügig Vorschlägezu einer effizienten und einsatzorientierten Spitzen-struktur des Bundesministeriums der Verteidigung undder Bundeswehr zu erarbeiten. Zur Überprüfung derStrukturen durch die Kommission wird auch gehören,sich Gedanken über die Rolle, die Funktion und auchdie Kompetenzen herausgehobener Spitzenpositionen zumachen. Dazu gehört nicht nur der militärische, sonderngerade auch der zivile Bereich. Der Einsatz ist Richt-schnur, wenn wir dann Kompetenzen ressourcensparendzusammenfassen, überlappende Zuständigkeiten beseiti-gen und unnötige Redundanzen abbauen wollen.Seit ihrer Gründung im Jahr 1955 hat sich die Bun-deswehr oft solchen Anpassungsprozessen stellen müs-sen. Dieser Transformationsprozess, der begonnen hat,wird uns sehr fordern. Die bestehenden Strukturen sollenGegenstand der Betrachtung und nicht Grundlage sein.Dabei wird auch das ambitionierte Ziel der Verkürzungdes Grundwehrdienstes auf sechs Monate eine gewich-tige Rolle spielen. Wir müssen es schaffen, dass ein Ge-fühl der Gerechtigkeit des Dienens entsteht und herrschtund dass jeder einzelne Grundwehrdienstleistende dasGefühl hat, gebraucht zu werden. Das muss weiterhinder Maßstab sein, wenn wir dieses Ziel erreichen wollen.
Ich sehe der Debatte darüber und den Ergebnissen dieserDebatte mit einer gewissen Spannung entgegen, insbe-sondere weil ich alle Fraktionen des Bundestages an die-ser Debatte beteiligen will. Ich bin sehr gespannt, welcheVorschläge gemacht werden.Die Bundeswehr muss ein attraktiver Arbeitsplatzbleiben. Das hängt auch davon ab, inwieweit wir dieVereinbarkeit von Familie und Dienst ermöglichen,Handlungsfelder identifizieren und entsprechend han-deln. Das reicht von Kinderbetreuungsmöglichkeiten bishin zu einem flexibleren Laufbahnrecht. Das sind ehr-geizige und schwierig zu erreichende Ziele. Aber siesind richtig und wichtig.
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Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Dr. Hans-Peter
artels das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassenie mich mit den Korrekturen des Bundesverteidigungs-inisters beginnen. Nicht, dass Sie mich falsch verste-en: Ich will den Minister nicht korrigieren, sondernöchte darauf hinweisen, dass er sich selbst immer wie-er korrigiert, und zwar ein bisschen oft, wie ich finde.as ist nicht ehrenrührig, aber gewiss nicht optimal fürie Bundeswehr und unser Land.
Als Kurt Beck vor zwei Jahren davon sprach, dassan versuchen müsse, mit moderaten Taliban zu verhan-eln, gab es Hohn und Spott, auch vom heutigen Vertei-igungsminister.
zwischen fordert er selber das. Willkommen in derirklichkeit! Er sprach von kriegsähnlichen Zuständen Afghanistan und hat den Eindruck erweckt – dasurde öffentlich so kommuniziert –: Da ist Krieg. Die-em Eindruck ist er – zu Recht – sofort wieder entgegen-etreten. Natürlich handelt es sich nicht um Krieg. Wiraben noch nicht die richtige Begrifflichkeit dafür. Dieitiative, dass das Kabinett klären soll, worum es sich
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Dr. Hans-Peter Bartelshandelt, hat offenbar noch nicht zu einem Ergebnis ge-führt.Als es um den Luftschlag bei Kunduz ging, hieß esvonseiten des neuen Ministers erst, dieser Luftschlaghätte unter allen Umständen erfolgen müssen. Vier Wo-chen später hieß es: Das war nicht angemessen. – HerrGuttenberg, Sie sagten, Sie seien an Aufklärung inte-ressiert. Das sind wir auch. Aber Sie sind es doch, derauf allen Akten und Informationen sitzt und keinen Be-richt darüber abgibt, was tatsächlich geschehen ist. DieRegierung ist im Vorteil und kann sagen, was in ihremVerantwortungsbereich geschehen ist. Sie müssen nichtauf einen Untersuchungsausschuss verweisen, der inanderthalb oder zwei Jahren einen Abschlussbericht vor-legt und Ihnen erzählt, was in Ihrem Haus und in derBundeswehr, für die Sie Verantwortung tragen, vorge-gangen ist.
Die Bundeskanzlerin hat am 8. September 2009 lü-ckenlose Aufklärung versprochen. Auch das Wort „scho-nungslos“, das Sie eben verwendet haben, fiel in diesemZusammenhang. Geschehen ist aufseiten der Bundesre-gierung bis heute nichts. Sie schieben das Thema vorsich her und hoffen, dass es sich durch Zeitablauf erle-digt.
Wenn ich an die nächsten Monate und den Untersu-chungsausschuss denke, dann glaube ich, Sie werdensich noch zwei weitere Male korrigieren müssen. Ers-tens. Sie sagen, dass Sie den geheimen NATO-Berichtvor Ihrer Pressekonferenz am 6. November 2009 zu demLuftschlag selbst gelesen haben. Dann mussten Sie aberwissen, dass dieser Bericht zu dem Schluss kommt, dieBombardierung habe nicht im Einklang mit der Wei-sungslage und Absicht der NATO in Afghanistan gestan-den. Entweder wussten Sie das und haben die Öffent-lichkeit falsch unterrichtet, oder Sie haben den Berichtgar nicht gelesen. Es ist Zeit für Korrekturen.
Zweitens. Sie haben die Schuld für Ihre Fehleinschät-zung und die Falschinformation der Öffentlichkeit demGeneralinspekteur Schneiderhan und dem StaatssekretärWichert gegeben. Das war nicht besonders honorig vonIhnen. Das war ein Abschieben der Verantwortlichkeit,und das werden Sie hoffentlich auch bald korrigieren.Ich weiß nicht, ob es auch aus Ihrer Sicht Korrektur-bedarf beim Haushalt gibt. Dass der Verteidigungsetatreal und nominal schrumpft, statt wenigstens die jährli-chen Kostensteigerungen auszugleichen, hätte die Bun-deswehr von Ihnen nicht erwartet. Da werden Steuerge-schenke an Hoteliers und Firmenerben per Eilgesetzdurchgepaukt, und die Neuverschuldung treibt in unge-ahnte Höhen, aber die Bundeswehr muss Geld abgeben.Das ist die Schwerpunktsetzung Ihrer Koalition. Dashalten wir für falsch.LnfüdwsnudaCWsnzasnLtutezBRgrusGvdnJmwmawIhWznd
Es gibt vier Punkte, in denen wir im Interesse unseresandes mit der Regierung übereinstimmen.Wir Sozialdemokraten wollen den Erfolg in Afgha-istan. Das heißt: mehr für den zivilen Aufbau und mehrr die Armee- und Polizeiausbildung tun. Gehen Sie iniese Richtung, und wir gehen mit! Wir haben Verant-ortung übernommen, und wir bleiben dabei: Wir müs-en das, was wir mit vielen Nationen gemeinsam begon-en haben, gemeinsam anständig zu Ende bringen.Wir Sozialdemokraten halten an der Wehrpflicht festnd freuen uns, dass Sie es auch tun. Aber wir wissen,ass eine Ausmusterungsquote von beinahe 50 Prozentbsurd ist. Deshalb wollen wir eine Reform, die neuehancen der Freiwilligkeit mit den Grundlagen unsererehrpflicht verbindet. Das ist intelligenter als diechlichte Verkürzung auf sechs Monate. Lassen Sie unsoch einmal – Sie haben das angeboten – über unser so-ialdemokratisches Modell diskutieren.
Wir wollen, dass der Dienst in unseren Streitkräftenttraktiver wird. Das beginnt bei der Kasernenqualitätowie bei Besoldung und Zuschlägen, und es endet nochicht bei der Familienfreundlichkeit, der Planbarkeit deraufbahn und modernerer Ausrüstung. Da gibt es viel zun. Lassen Sie uns die Gemeinsamkeiten suchen.Wir Sozialdemokraten haben Vorschläge für die Wei-rentwicklung der Bundeswehrstruktur gemacht, undwar über das Ziel der Transformation 2010 hinaus. Dieundeswehr braucht mehr infanteristische Kräfte, mehredundanz und Reserven in der Truppe – nicht nur we-en der Auslandseinsätze – und eine schlankere Füh-ngsstruktur. Verzichten können wir auf die amerikani-chen Atombomben in Deutschland und das Tornado-eschwader zur nuklearen Teilhabe.
Gleichzeitig gehören uralte Standortentscheidungenielleicht noch einmal auf den Prüfstand. 1991 wurdeer Umzug des Marinefliegergeschwaders 5 von Kielach Nordholz beschlossen. Jetzt schreiben wir dasahr 2010, und das Geschwader ist nach 19 Jahren im-er noch in Kiel, aber soll immer noch umziehen. Maneiß manchmal gar nicht, wem man zurufen soll: Neh-en Sie Vernunft an! – Staatssekretäre dürfen ja nichtsnnehmen, und im Moment haben wir ja auch keinen.Wir Sozialdemokraten werden die anstehenden not-endigen Reformen konstruktiv begleiten. Wenn Sie fürre drei angekündigten Reformkommissionen zurehrpflicht, zur Attraktivität und zur Struktur noch eineentrale steuernde Superkommission brauchen, dannehmen Sie – Stichwort: Parlamentsarmee – den Vertei-igungsausschuss. Da werden wir das diskutieren.Vielen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Jürgen Koppelin für die
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wenn wir heute in erster Lesung den Verteidigungsetatdiskutieren, dann wünsche ich mir eigentlich, dass wiruns alle mehr um das Herausstellen der Gemeinsamkei-ten bemühen.
Eben – Kollege Bartels, das muss ich leider sagen – warmir das zu viel Kraut und Rüben. Vielleicht können dienachfolgenden Redner der Sozialdemokraten das zu-rechtrücken.Ich denke, an die erste Stelle gehört bei einer solchenDebatte, dass wir unseren Soldatinnen und Soldaten imAusland genauso wie denen hier in Deutschland unserenDank aussprechen. Ich möchte stellvertretend den Solda-ten danken, die oben auf der Tribüne sitzen, und sieherzlich im Deutschen Bundestag willkommen heißen.
Wenn wir diesen Etat diskutieren, dann geht es dochum die angemessene Finanzausstattung der Bundes-wehr – da kann jeder seine Schwerpunkte setzen; darü-ber können wir diskutieren –; denn die Bundeswehr ist –das sollten wir gerade bei einer solchen Debatte heraus-streichen – unsere Armee, sie ist eine Parlamentsarmee.Wir sollten uns alle zusammen daher in erster Linie, obwir im Verteidigungsausschuss oder im Haushaltsaus-schuss sind, aufgefordert fühlen, uns um den Zustand derBundeswehr zu kümmern, welche Aufgaben wir auchimmer sonst in diesem Parlament haben.Wenn ich mir den Etat ansehe, dann weiß ich genau,dass sich vieles um die Auslandseinsätze dreht. Der Mi-nister hat es angesprochen; der Haushalt spiegelt das wi-der. Ich will an dieser Stelle im Rahmen der Haushalts-beratungen gerade für die FDP sagen: Wir werden allestun, damit unsere Soldaten, die im Ausland sind, das Ge-fühl haben, dass der Bundestag zu ihnen steht, nachdemder Beschluss zum Einsatz mit Mehrheit gefasst wurde,und sie das beste Material bekommen, das zur Verfü-gung steht. Dieses Gefühl müssen sie haben; sonst kön-nen sie ihren Dienst nicht tun.
Sie müssen sich auf uns verlassen können.Herr Minister, Sie haben Gott sei Dank die Einschrän-kung gemacht, es gebe Nachsteuerungsbedarf. Den gibtes wirklich in vielen Bereichen. Ich finde, dass manches– dabei bleibe ich; das habe ich in der Opposition gesagt,und das sage ich auch jetzt – viel zu schleppend läuft, bisdie Soldaten das beste Material bekommen. Ich bitte dasMinisterium, etwas zügiger zu verfahren und nicht zublasletisswihgliSWduSdfüg–FddeasVGimDctugnEtrkwluwguDstrn
Wir brauchen – davon sind wir überzeugt – eine leis-ngsfähige nationale Wehrtechnik. Aber bei den gerin-en Stückzahlen, die wir oft bestellen, ist die internatio-ale Zusammenarbeit mit unseren Partnern, vor allem inuropa, notwendig. Ich hoffe, dass es, wenn wir Auf-äge vergeben, zu einer Zusammenarbeit in Europaommt. Bei der Gelegenheit will ich etwas sagen, weilir alle manchmal Briefe bekommen, die auf die Bestel-ng von Flugzeugen und Schiffen Bezug nehmen. Ichill hier in aller Deutlichkeit zum Verteidigungsetat sa-en – auch ich bin ein Freund der Marine, des Schiffbausnd der Werften –:
er Bundesverteidigungsminister ist nicht für die Lö-ung von strukturpolitischen Problemen zuständig. Auf-äge kann er nur vergeben, weil es für die Bundeswehrotwendig ist, ein bestimmtes Material zu bekommen.
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Dr. h. c. Jürgen KoppelinDer Bundesverteidigungsminister ist nicht für Werften-hilfe und auch nicht für Luft- und Raumfahrt zuständig;das sind andere Häuser.Wir Freien Demokraten werden das verwirklichen,was wir in allen früheren Debatten gesagt haben: Wirwerden die großen Projekte auf den Prüfstand stellen.Ich sage Ihnen: Es ist dringend erforderlich, MEADS zuüberprüfen. Wir Freien Demokraten haben dieses Pro-jekt immer kritisch gesehen. Ich sage Ihnen auch: DasProjekt „Herkules“, wie es sich im Augenblick darstellt– inzwischen sind wir da bei fast 7 Milliarden Euro –, istso nicht mehr zu akzeptieren. Da muss wirklich mit demBesen durchgegangen werden.
Das ist Geld des Steuerzahlers, Herr Minister, und wirachten sehr auf dieses Geld; denn die Bundeswehrbraucht es dringend für ihre Einsätze.Herr Minister, Sie haben angeboten, mit dem Parla-ment über den Airbus A400M zu sprechen. Ein solchesGespräch können Sie sehr schnell bekommen. Das Par-lament hat die Beschaffung des A400M beschlossen.Wir als FDP haben, was die Stückzahl angeht, Kritik ge-übt. Wir wissen, dass wir ein Transportflugzeug brau-chen. Wir akzeptieren aber nicht, dass EADS uns in derÖffentlichkeit droht und sagt, welchen Preis wir zu zah-len hätten. Es ist ein Vertrag geschlossen worden. EADSist vertragsbrüchig geworden. Man könnte es auch soformulieren: Der Vertrag ist ausgelaufen. Wir sind aufder besseren Seite. Drohungen von EADS beeindruckenmich überhaupt nicht.
Wir haben das Geld der Steuerzahler sparsam einzuset-zen. Diese Verträge müssen eingehalten werden. MehrGeld gibt es nicht. Suchen Sie das Gespräch mit demParlament! Das Parlament hat diese Entscheidung ge-troffen, und das Parlament wird Änderungen beschlie-ßen, sofern es nicht die Entscheidung trifft, dieses Pro-jekt zu beenden.Meine letzte Bemerkung gilt dem, was in Afghanistangeschehen ist; dazu hat der Kollege Bartels vorhin vielgesagt. Ich verweise auf den Rückhalt durch dieses Par-lament, den unsere Soldaten brauchen. Liebe Kollegin-nen und Kollegen, es ist sehr einfach, hier in Berlin vorlaufenden Kameras Urteile abzugeben. Lassen Sie unsdiesen Untersuchungsausschuss durchführen, und las-sen Sie uns in Ruhe untersuchen. Denken Sie aber im-mer daran, dass in Afghanistan Soldaten sind, diemanchmal in kürzester Zeit Entscheidungen treffen müs-sen. Ich weiß nicht, ob mancher von uns unbedingt mitdiesen Soldaten tauschen möchte.
Herr Koppelin, kommen Sie bitte zum Ende.
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ie Bombennacht von Kunduz hat vielen endgültig dieugen geöffnet. Der Minister hat gesagt, dass wir einelare Sprache brauchen: Dort sind über 100 Menschenezielt getötet worden. Der verantwortliche Offizier hatogar von „vernichten“ gesprochen. Dieses Ereignis hatezeigt: Dort wird Krieg geführt, und dort sind wir in ei-er Gewaltspirale, aus der wir so schnell wie möglicherausmüssen.
Bischöfin Käßmann hat gewiss recht, wenn sie sagt,ass es darum geht, nicht vor der Logik des Krieges zuapitulieren, und dass das klare Zeugnis gegen Gewaltnd Krieg nach Mut und Fantasie verlangt, wie Kon-ikte anders als gewaltförmig gelöst werden können.as ist die Aufgabe, die ansteht. Es reicht jetzt nicht, zuagen: Gut, dass wir mal darüber gesprochen haben. –as nun wirklich nicht geht, ist, dass jetzt alle über Ab-ugsperspektiven sprechen, hier aber dann das Gegenteileschlossen oder befürwortet wird.Wir werden nach der Konferenz in London erleben,ass die Bundeswehr bei der Aufstockung der Truppen dieser Prozess läuft woanders schon – nachzieht. Nein,ir sagen: Abzug heißt Abzug! Und wir fordern: Abzugoch in diesem Jahr!
ugleich muss in diesem Zeitrahmen ein innerafghani-cher Aussöhnungsprozess befördert werden, umchnellstmöglich zu einem Waffenstillstand zu kommen,
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Paul Schäfer
der ja erst die Bedingungen für den zivilen Wiederauf-bau schafft.Meine Damen und Herren, es geht nicht allein um ei-nen Abzug aus Afghanistan. Leider ist der ganze Rüs-tungsetat von der Idee durchdrungen, die Bundeswehrfür weitere Einsätze dieser Art fit zu machen. Deshalbmuss auch darüber gestritten werden, ob wir Streitkräftefür globale militärische Interventionen vorhalten wol-len oder nicht. Die Haltung der Linken ist eindeutig: Wirwollen es nicht.
Wir haben die Umgestaltung der Bundeswehr zu einerArmee im Einsatz immer abgelehnt und bleiben dabei.Wenn man dem folgte, ließen sich viele Milliarden Euroeinsparen und für sozial nützlichere Dinge aufwenden.Wenden wir uns jetzt einmal dem vorliegenden Haus-haltsentwurf konkret zu. Es fällt auf, dass der Etatscheinbar stagniert. Aber mein Mitleid mit dem HerrnMinister hält sich an der Stelle in engen Grenzen.
Ich glaube, auch die Sammelbüchse kann im Schrankbleiben. Erstens hatten wir in den letzten Jahren kräftigeZuwächse; seit 2006 wurde der Rüstungsetat um mehrals 3 Milliarden Euro erhöht. Zweitens liegt der Gesamt-etat jetzt bei über 31 Milliarden Euro. Man hätte sich zuBeginn der letzten Legislaturperiode überhaupt nichtvorstellen können, dass man über die Schallmauer von30 Milliarden Euro springt. Drittens sei nur am Randeerwähnt: Selbst am Konjunkturpaket II durfte der Minis-ter der Verteidigung mitnaschen. Einerseits wurden250 Millionen Euro für die Sanierung von Liegenschaf-ten bereitgestellt – das ist in Ordnung –, andererseitsaber auch 220 Millionen Euro für Beschaffungsprojekte.Das war zwar eine schöne Finanzspritze für die Rüs-tungskonzerne, aber volkswirtschaftlich war das eineFehlzündung. Rüstung gehört zu den Wirtschaftsberei-chen, die nur eine geringe Sogwirkung entfalten.
Mit anderen Worten: Für dasselbe Geld hätte man pro-duktivere und nachhaltigere Arbeitsplätze schaffen kön-nen, und dann hätte man Produkte, die keine Werte zer-stören, sondern aufbauen. Deshalb sind wir dagegen.
Die Ausgaben für die Bundeswehr bleiben mit einemGesamtvolumen von über 31 Milliarden Euro – nachNATO-Kriterien sind es 34 Milliarden Euro – auf be-trächtlicher Höhe. Das ist immerhin ein Anteil von circa10 Prozent des Gesamthaushaltes. Diese Aufblähung desWehretats ist die unabweisbare Folge des Umbaus derBundeswehr zu einer global einsetzbaren Interventions-armee. Herr Minister, es tut mir leid, aber das, was dortstattfindet, kann man als nichts anderes denn als militäri-sche Interventionen bezeichnen.WpbahfaKnRsHwpdAwtusHmBsashKDSAskbSshBaEPhiczhSwGwksAD
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1322 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010
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Zeiten der Rekordverschuldung gilt es, für jeden Ein-elplan eines Ministeriums die Ausgaben genau zu über-rüfen und die Frage zu beantworten, ob mit möglichsteringen Mitteln möglichst viel erreicht wird. Dieserufgabe müssen Sie sich, Herr Minister, der Sie einener größten Einzelhaushalte im Bundeshaushalt zu ver-ntworten haben, stellen. Ihr Haushalt macht deutlich,ass es an vielen Stellen grundsätzliche Strukturfragenibt, die wir angehen müssen, um diesen Haushalt wie-er verträglich zu gestalten.Ich verstehe, dass Sie in den ersten Monaten Ihrermtszeit vordringlich mit Selbstverteidigung und Perso-alfragen beschäftigt waren.
h sage Ihnen ganz offen: Gehen Sie schnell in den Un-rsuchungsausschuss, und beantworten Sie die Fragen,ie auf dem Tisch liegen! Wenn die Belastung durch denntersuchungsausschuss der Grund dafür ist, dass Sie anie großen Strukturfragen im Moment nur in Form vonommissionen heranrobben, dann muss ich Ihnen sa-en: Schaffen Sie Klarheit, um sich dieser Fragen anneh-en zu können.
Sie haben heute eine Kommission angekündigt; daslang gut und sehr tiefgründig. Interessant ist, dass dieommission im Ministeriumsspott als Abteilungsleiter-ränzchen bezeichnet wird. Ich bin gespannt, was dabeitsächlich herauskommt und wie viele Fragen aus dieserrundsätzlichen Betrachtung ausgeklammert werden.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010 1323
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Alexander BondeIch bin überzeugt, dass es richtig wäre, die Sicherheits-politik und die Struktur der Bundeswehr endlich grund-sätzlich zu diskutieren und angesichts der bestehendenEinsätze an falsche Strukturen heranzugehen.Die Realität sieht doch so aus: Die Bundeswehr befin-det sich in Stabilisierungseinsätzen unter UN-Mandat.Aber ein Großteil der Ressourcen an der Heimatfront istnach wie vor so ausgelegt, die Rote Armee zurück-zuschlagen. Wir leisten uns eine Bundeswehr mit350 000 Angehörigen, wenn ich die zivilen Mitarbeiterund die Reservisten zu den 250 000 Militärs hinzu-rechne, und stoßen bei den Auslands- und Stabilisie-rungseinsätzen an eine Grenze, wenn wir 6 982 dieser350 000 Bundeswehrangehörigen einsetzen.Sie beschaffen auch in diesem Haushalt wieder teureund schwere Waffensysteme für Konflikte, die wir zumGlück seit Jahrzehnten nicht mehr erleben. Dies geht na-türlich zulasten der Einsatzrealität; denn bei diesen Ein-sätzen treffen wir nicht auf Gegner, die mit Panzern be-waffnet sind und eine eigene Luftwaffe haben. Es gehtzulasten der Mechanismen der zivilen Konfliktlösung,von denen wir alle wissen, dass sie nicht ausreichendentwickelt sind. Es geht zulasten der Steuerzahlerinnenund Steuerzahler und nicht zuletzt auch zulasten der Sol-datinnen und Soldaten im Einsatz, denen mit diesen fal-schen Strukturen zum Teil unlösbare Aufgaben mit aufden Weg gegeben werden.
Ich will mich im Namen meiner Fraktion ausdrück-lich bei all denjenigen bedanken, die trotz dieser fal-schen Strukturen diese Aufgabe für uns und für unserLand bewältigen.
Sie verteidigen diese Strukturen. Ich bin gespannt, obIhre Kommissions-Arie zum Schluss dazu führen wird,die Bereitschaft zu entwickeln, den Anspruch aufzuge-ben, die Bundeswehr solle grundsätzlich alles können,was zu dem Resultat führt, dass sie von allem ein biss-chen kann. Das wird immer unter dem schönen Bundes-wehrbegriff „Anfangsbefähigung“ versteckt. Was solldie Bundeswehr können, und welche Aufgaben soll sieübernehmen? Das ist die zentrale Frage, über die wirsprechen und diskutieren müssen. Weitere drängendeFragen sind: Welche real existierenden Konflikte gibt es,und welche Rolle spielt heute dabei das Militär? Was be-deutet dies für die einzusetzenden Gerätschaften? Wiekann man sich dabei um die kümmern, die im Rahmendieser Einsätze ihre Gesundheit und ihr Leben riskieren,seien sie nun Militärs oder wie in vielen Konflikten zi-vile Mitarbeiter, die wir dringend brauchen? Ich binüberzeugt, wir wären besser aufgestellt mit einer Bun-deswehr mit nur 200 000 Soldatinnen und Soldaten, diesich aber gut ausgerüstet und ausgebildet auf die von unsPolitikern zu definierenden Aufgaben konzentrieren.Übrigens machen Sie in der Frage der Wehrpflichteinen Schritt, der es verhindert, in diese Richtung voran-zukommen. Es ist ja eine interessante Situation: DieFDP hat versprochen, die Wehrpflicht abzuschaffen oderaFMtidsddmbDdreKtrmWsdDdWkdKngscSmsdSd0a
Herr Kollege Koppelin, ich kenne die Situation,ompromisse machen zu müssen. Ich sage Ihnen nur ei-es: Es macht keinen Sinn, sich hinzustellen und zu sa-en, man wolle, dass kein junger Mann einen Eingriff ineine Freiheit erdulden muss, wenn hierdurch keine si-herheitspolitische Kapazität geschaffen wird. Nachdemie gefordert haben, dass keiner mehr Wehrdienst leistenuss, kommt nun ein Kompromiss heraus, der dafürorgt, dass noch mehr Wehrpflichtige eingezogen wer-en.
ie sind da noch mehr umgefallen als die SPD, die sichamals bei der Frage, ob die Mehrwertsteuer um 2 oder Prozentpunkte angehoben werden soll, mit der Unionuf einen Aufschlag von 3 Prozentpunkten geeinigt hat.
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1324 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010
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Alexander BondeHerr Koppelin, bei Ihnen ist es jetzt wie damals bei derMehrwertsteuer:
Dieser Kompromiss übertrifft selbst die Forderung desKoalitionspartners und macht es noch schlechter. Das isteine weitere Wahrheit über die Liberalen in der Koali-tion.
Es steht eine Grundsatzentscheidung an. Wir sehenschon heute an Afghanistan, dass die Frage ziviler Fä-higkeiten dabei eine Rolle spielen muss. Wir habenheute wieder viel über Polizisten und Ähnliches gehört.Am 30. November vergangenen Jahres waren nach Aus-kunft der Bundesregierung 29 deutsche Polizisten an derEU-Mission beteiligt; an der nationalen Mission waren113 Polizisten beteiligt. Spannend wird es, wenn mannachfragt, wie viele davon wirklich praktische Polizei-ausbildung betreiben: Das sind noch 73. HerzlichenGlückwunsch! Wir sind gespannt, ob Sie in Bezug aufden deutschen Beitrag mit ähnlich jämmerlichen Zusa-gen aus London zurückkehren. Sie haben, was die Be-deutung dieser Konferenz angeht, die Hürde hoch gelegt.Wir werden Sie konkret daran messen, was für den Wie-deraufbau, für Mechanismen der zivilen Konfliktbewäl-tigung herauskommt, auch im Hinblick auf die Frage,wie wir denjenigen, die vor Ort Hilfe leisten, und denje-nigen, die vor Ort Unterstützung erhalten, eine konkretePerspektive aufzeigen können, die endlich vom militäri-schen Weiter-so Abstand nimmt.Ich habe bereits die finanziellen Realitäten und dieDinosaurierstrukturen dieses Haushalts benannt. Es istübrigens spannend, dass der Verteidigungsminister, derdas Amt mit großem ordnungspolitischem Nimbus ange-treten hat, zu einer brandaktuellen Frage überhaupt nichtStellung bezogen hat. Mich würde schon interessieren,was der Marktwirtschaftler und Ordnungspolitiker Karl-Theodor von und zu Guttenberg eigentlich dazu sagt,dass die Bundesrepublik einen eindeutigen Vertrag miteinem Rüstungshersteller geschlossen hat, der seit Wo-chen massiv erklärt, weshalb Verträge für ihn nicht gel-ten. Es geht um den A400M. Es ist unbekannt, welcheZahl, welche Leistung und welcher Preis herauskommensollen.Es ist schon interessant, wie dort agiert wird. Auf-grund der Politik, die seit Jahren im Bereich des Bundes-verteidigungsministeriums, des Einzelplans 14, betrie-ben wird, ist es aber folgerichtig: Der A400M warimmer umstritten. Es gab Alternativen, die technolo-gisch besser zu beherrschen gewesen wären.
Diese Alternativen kamen deshalb nicht zum Zug, weildie EADS dieses Angebot auf den Tisch gelegt hat, weilsie zugesichert hat, dass es technisch beherrschbar ist,weil sie zugesagt hat, dass diese Leistungen zum festge-leswEtenAHtrGsszdgvfazstrehlekcInsdcliwnUg
usdruck der industriepolitischen Ausrichtung diesesauses ist, dass die Themen Arbeitsplätze und Indus-iepolitik wieder das Faustpfand dafür sind, um daseld aus dem Etat des Ministeriums herauszuziehen,tatt es in die Ausrüstung der Bundeswehr zu stecken.
Ich bin davon überzeugt, dass die Strategie, aus die-em Etat Industrieförderung zu bezahlen und nicht dasu beschaffen, was die Bundeswehr braucht, nicht nuren Steuerzahler Geld kostet, dem keine Leistung ge-enübersteht, sondern auch Arbeitsplätze und die Inno-ationsfähigkeit der für uns durchaus wichtigen Luft-hrtindustrie massiv gefährdet. Das ist die Wahrheitum Thema Arbeitsplätze, wenn es um die Auseinander-etzung mit EADS geht.
Ich will Sie darin bestärken, Herr Minister, dass Ver-ag Vertrag ist. Ich erwarte, dass die Bundesregierungine klare Haltung einnimmt. Es kann nicht darum ge-en, mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzah-r Beschaffungen für die Bundeswehr fortzusetzen, dieeinem helfen, der für uns in Einsätze geht, die keine Si-herheit schaffen, sondern die dazu dienen, bestimmtedustriezweige zu subventionieren und künstlich jen-eits des Bedarfes zu unterstützen.
Herr Kollege Bonde, achten Sie bitte auf die Zeit.
Das ist eine wichtige Fragestellung, wenn man be-
enkt, wie sich die Strukturen Ihres Haushaltes entwi-
keln. Wir schauen genau hin, ob Sie Ihren ordnungspo-
tischen und sicherheitspolitischen Ansprüchen gerecht
erden. Auch in dieser Hinsicht hat dieser Einzelplan
och einen weiten Weg vor sich.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Ernst-Reinhard Beck für die
nionsfraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-innen und Kollegen! Der vorliegende Verteidigungs-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010 1325
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Ernst-Reinhard Beck
haushalt ist der erste, den die christlich-liberale Koali-tion im Deutschen Bundestag vorlegt. Die Botschaft isteindeutig: Wir halten Kurs. An der Sicherheit Deutsch-lands und seiner Soldatinnen und Soldaten im Einsatzwird nicht gespart. Die Bundeswehr ist auch nicht derFinanzsteinbruch des Bundeshaushaltes.
Mit dem auf dem Vorjahresniveau konsolidiertenEtatansatz können alle wichtigen Zukunftsprojekte beiPersonal, Ausrüstung und Unterbringung realisiert wer-den. Dies ist gerade vor dem Hintergrund der Weltwirt-schaftskrise eine Kraftanstrengung, für die ich dem Ver-teidigungsminister an dieser Stelle ausdrücklich danke.Als Verteidigungspolitiker kommt es mir ganz beson-ders darauf an, Leib und Leben unserer Soldatinnenund Soldaten im Einsatz optimal zu schützen. Dennwir Abgeordnete tragen ungeachtet aller Partei- undFraktionsgrenzen eine gemeinsame Verantwortung fürdie Bundeswehr als Parlamentsarmee. Ich möchte andieser Stelle ausdrücklich daran erinnern.Ich möchte auch daran erinnern, dass hinter all dennüchternen fiskalischen Daten Menschen stehen, die inunserem Auftrag und im Namen unseres Landes für Si-cherheit und Frieden in der Welt kämpfen. Die Soldatin-nen und Soldaten stehen mit ihrem Leben und ihrer Ge-sundheit für diesen Auftrag, den wir ihnen erteilt haben,ein.Ich möchte die Gelegenheit nutzen – nicht nur, weilauf der Tribüne Marinekameraden sitzen –, im Namenmeiner Fraktion unseren Soldatinnen und Soldaten, denzivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundes-wehr ein herzliches Dankeschön zu sagen. Sie erfüllenihren Einsatz unter gefährlichen Rahmenbedingungenund stehen für die Sicherheit Deutschlands ein. Mein be-sonderer Dank gilt auch den Familienangehörigen, dieden Soldatinnen und Soldaten bei der Aufgabenerfüllungzur Seite stehen. Es ist sehr wohl klar, welch entschei-denden Anteil diese daran haben. Ich bin auch der Auf-fassung, dass sie von uns oft nicht in ausreichenderWeise gewürdigt werden.
Mir ist es unverständlich, dass einige versuchen, die-sen Einsatz zu diskreditieren. Natürlich kann Militär al-lein keinen staatlichen Aufbau gewährleisten – das sagteigentlich auch niemand, der seine sieben Sinne beiei-nander hat –, aber Militär schafft einen notwendigen Si-cherheitsschirm, unter dem ziviler Aufbau vorangetrie-ben werden kann. Im Kosovo – das wird klar, wenn wiruns die Dinge dort näher anschauen – führte genau die-ses Vorgehen zum Erfolg. Darum unterstützen wir dieBundesregierung und insbesondere den Verteidigungs-minister zu Guttenberg in seinen Bemühungen, die af-ghanische Regierung stärker in die Pflicht zu nehmenund dem militärischen Mandat eine zeitliche Perspektivezu geben.
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it rund 31,4 Milliarden Euro bleibt der Verteidigungs-tat gegenüber dem Vorjahr nahezu stabil. Damit ist si-hergestellt, dass die wichtigsten Projekte der Transfor-ation und der materiellen Modernisierung fortgeführterden können.Besonders hervorheben möchte ich die Anstrengun-en im Bereich Vereinbarkeit von Familie und Berufder von Familie und Dienst. Die Bundeswehr steht iner Mitte der Gesellschaft und darf von familienför-ernden Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden.ieser Aspekt ist zunehmend wichtig für die Entschei-ung junger Menschen bezüglich Familie und Soldaten-eruf. Deshalb rege ich an, dass die Verantwortlichen derundeswehr ihre Anstrengungen in diesem Bereich wei-r steigern.Eng mit der Attraktivität von Streitkräften verbundent auch eine gute Sanitätsversorgung. Deshalb mussie Lage im Einsatz und im klinischen Bereich auf ho-em Niveau erhalten werden. Zu diesem Komplex derürsorge gehört auch die Erkennung und Behandlungon posttraumatischen Belastungsstörungen. Hierbeieht es nicht nur um die einsatznahe Nachbehandlung,ondern auch um die Langzeitbehandlung und die Einbe-iehung von Angehörigen in die Therapie. Ich bin daherankbar, dass CDU/CSU und FDP diese Problematik inieser Legislaturperiode schwerpunktmäßig angehenollen.Erfreulich ist, dass die Personalkosten aufgrund desbbaus bei zivilen Arbeitnehmern weiter leicht gesun-en sind. Umso wichtiger bleibt es, dass die Bundes-ehrangehörigen auch aufgabenbezogen bezahlt wer-en. Die Schere zwischen Dienstposten auf der einennd Besoldung auf der anderen Seite muss schnellst-öglich geschlossen werden. Ich bin zuversichtlich,ass der vorliegende Haushaltsentwurf auch in diesemereich die nötigen Spielräume eröffnet.Ebenso kann die dringend notwendige Renovierunger Kasernen im Westen unserer Republik fortgesetzterden. Als attraktiver Arbeitgeber muss die Bundes-ehr über zeitgemäße Infrastruktur verfügen. Das be-ifft die Unterbringung ebenso wie den Zugang zu mo-ernen Kommunikationsmitteln. Bei dieser Gelegenheitarf ich vielleicht darauf hinweisen, dass auch die Unter-ringung in den Einsatzländern deutlich verbessert wer-en konnte. Der Standard unserer Feldlager gehört imternationalen Vergleich, wie ich meine, zur Spitzen-ruppe.Die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten iminsatz und damit die Attraktivität unserer Bundeswehrängen entscheidend von der Qualität und der Moderni-t der Ausrüstung ab. Daher begrüße ich es ausdrück-ch, dass trotz der geringen Abstriche im Bereich der in-
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vestiven Ausgaben die Beschaffung der wichtigenAusrüstung fortgeführt werden kann.Das Heer als Hauptträger unserer Einsätze benötigtweitere geschützte Fahrzeuge. Vertrauen in das eigeneGerät ist Voraussetzung für die Auftragserfüllung durchunsere Soldatinnen und Soldaten. Mit dem in diesemEtat erstmalig veranschlagten Schützenpanzer Puma ver-fügt das Heer in Zukunft über ein leistungsfähiges undhochgeschütztes Gefechtsfahrzeug für den Einsatz in al-len denkbaren Szenarien.Eminent wichtig für die Einsatzfähigkeit der Bundes-wehr ist und bleibt die strategische Lufttransportka-pazität. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es istvorhin angesprochen worden: Wir brauchen dringenddas neue Transportflugzeug A400M im Einsatz. Es mussdeshalb im Schulterschluss mit unseren Partnern und derIndustrie ein für alle Seiten gangbarer Weg gefundenwerden, um dieses Projekt weiterzuführen und die ent-sprechenden Fähigkeiten in absehbarer Zeit zu beschaf-fen.Die Marine wird mit der im Zulauf befindlichenKorvette 130 die maritimen Einsätze zukünftig besserschultern können. Diese modernen Schiffe werden einespürbare Entlastung des Personals im Einsatz zur Folgehaben und damit auch die Attraktivität des Soldatenbe-rufs heben.Was aber nützen Finanzmittel, wenn die Ausrüstungnicht zeitgerecht geliefert wird? Hier wurde in der Ver-gangenheit oft allzu optimistisch kalkuliert. Dies magvielleicht in Zeiten des Kalten Krieges noch hinnehmbargewesen sein, in Zeiten, in denen wir die Dinge im Ein-satz dringend brauchen, ist dies jedoch nicht hinnehm-bar. Die Bundeswehr muss sich auf die Beschaffungszu-sagen der Industrie verlassen können. Die Soldatinnenund Soldaten im Einsatz benötigen keine Perspektive aufoptimale, sondern auf einsatzbereite Ausrüstung.Ein Wermutstropfen im Bereich der verteidigungsin-vestiven Ausgaben sind die Abstriche bei Forschungund Entwicklung. Zwar können die begonnenen Vorha-ben fortgeführt werden, aber für neue Vorhaben stehennicht genügend Mittel zur Verfügung. Ich meine, dasswir diesen Umstand schnellstmöglich beenden müssen.Wir wollen nicht an der Zukunftsfähigkeit der Bundes-wehr sparen.Ein besonderes Augenmerk möchte ich auf die Aus-gaben für internationale Einsätze lenken. Die zur Ver-fügung stehenden Mittel sind um 25 Millionen Euro er-höht worden; so weit, so gut. Dennoch sollten Ausgaben,die aufgrund von sicherheitspolitischen und gesamtpoli-tischen Vorgaben auf die Bundeswehr zukommen, künf-tig von dem allgemeinen Haushalt, sprich demEinzelplan 60, getragen werden. Die Kosten für die Si-cherheitsvorsorge Deutschlands dürfen nicht allein vomVerteidigungshaushalt getragen werden müssen und da-mit den finanziellen Spielraum der Bundeswehr massiveinengen.
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h sage es ganz offen: Ich bin froh, dass wir hier einenompromiss gefunden haben, der die Wehrpflicht imrinzip erhält. Die Ausgestaltung mit den sechs Monatent eine Herausforderung an die Fantasie, den Dienstinnvoll und attraktiv zu gestalten.
s geht auch darum, bestimmte Spielräume für Flexibili-t – W 12, W 15, W 18 – zu eröffnen, auch für den Frei-illigendienst. Das gilt übrigens auch für den Zivil-ienst. Hier wird von den Hilfsorganisationen einerößere Flexibilität erwartet. Ich glaube, dass wir hieron unseren jungen Leuten das entsprechende Engage-ent erwarten können.
inen Mix aus Pflicht- und Freiwilligendienst für dieseemeinschaft ist das, was wir brauchen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Bernhard Brinkmann für
ie SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine sehr verehrten Damen und Herren! Auf den erstenlick erscheint der Regierungsentwurf des Verteidi-ungshaushaltes 2010 stabil und solide.
ie Ausgaben bleiben gegenüber denen in 2009 nomi-ell konstant, allerdings wird uns die mittelfristige Fi-anzplanung, die im Rahmen der Haushaltsberatungenicht neu vorgelegt worden ist, in den Jahren danach, abem Haushaltsjahr 2011, vor gewaltige Herausforderun-en stellen.
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Bernhard Brinkmann
Sehr geehrter Herr Minister zu Guttenberg, ich meine,es gehört auch bei der ersten Lesung eines Bundeshaus-haltes dazu, dass Sie hier im Parlament etwas zum Haus-halt sagen und nicht nur Allgemeinplätze zum Ausdruckbringen.
Denn auch das haben die Soldatinnen und Soldaten unddie zivilen Kräfte der Bundeswehr mehr als verdient.Auch ich will hier für meine Fraktion allen Soldatinnenund Soldaten und den zivilen Kräften für ihren Einsatzim Inland und im Ausland sehr herzlich danken. Auchich beziehe die Familienangehörigen ausdrücklich mitein.
Hier wird eine wichtige und wertvolle Arbeit für unserLand geleistet, für die jede Soldatin, jeder Soldat und je-der Zivilbeschäftigte nicht nur Dank, sondern auch Re-spekt und Anerkennung verdient.Wer sich den Umfang der Staatsverschuldung inHöhe von 1 600 Milliarden Euro bzw. 1,6 BillionenEuro vor Augen führt – ich sage das ohne Schuldzuwei-sungen –, der wird in den nächsten Monaten – das gehörtzur Haushaltsklarheit und -wahrheit und zur Ehrlichkeitdazu, und das wird sich nach der Steuerschätzung imMai dieses Jahres immer deutlicher herausstellen – nichtumhinkommen, einzugestehen, dass sich auch der Ein-zelplan 14 entsprechenden Sparmaßnahmen und Einspa-rungen nicht entziehen kann.Zu den Beschaffungsvorhaben, durch die mehr als90 Prozent der Mittel gebunden sind, wurden bereitsAusführungen gemacht. Das, was gesagt wurde, kannich im Wesentlichen ausdrücklich bestätigen. Der linkenSeite des Hauses sage ich aber auch: Es macht keinenSinn, aus dem Projekt A400M auszusteigen, weil unsereProbleme dadurch noch viel größer würden.
Dann würden wir nämlich wieder bei null anfangen. Wersich regelmäßig mit Beschaffungsvorhaben der Bundes-wehr beschäftigt, der weiß, dass wir dabei eigentlichnoch nie bzw. nur sehr selten auf der sicheren Seite wa-ren. Letztlich waren die Kosten eines Beschaffungsvor-habens immer höher als zu Beginn ermittelt.
– Damit muss man sich nicht abfinden. Wenn Sie vonder linken Seite des Hauses aber solche Äußerungen ma-chen, dann muss es erlaubt sein, auch auf die weiterenGefahren hinzuweisen. All das, was sich bei dieser Be-schaffungsmaßnahme bis Ende des Monats noch klärenmuss, ist heute zum Teil schon zum Ausdruck gebrachtworden.Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den Haushaltsbe-ratungen der nächsten Wochen, bis zur zweiten und drit-ten Lesung, werden wir den Haushaltsentwurf auf HerzusgSssDrasmnswwnedWujashnsimHDaDzIczdbsIcHsgefeMEerus
enn der Tarifvertrag im Jahr 2010 ausläuft, sollten wirns gemeinsam darum kümmern – Kollege Koppelin hat ein hohes Maß an Gemeinsamkeiten gefordert –, dasseine Geltungsdauer verlängert wird und, wenn über-aupt, ein sozialverträglicher Abbau des zivilen Perso-als stattfindet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 3. Februar die-es Jahres werden wir das erste Berichterstattergespräch Bendlerblock, im Verteidigungsministerium führen.eute Morgen habe ich mir in Vorbereitung auf dieseebatte die Spar- und Streichliste der FDP-Fraktionngeschaut. Ich meine jetzt nicht das Sparbuch der FDP.as ist etwas völlig anderes; denn da ist etwas drauf, undwar ein Guthaben.
h sage Ihnen voraus: In den nächsten Wochen, bis zurweiten und dritten Lesung des Haushaltsentwurfs, wer-en wir eine sehr spannende Auseinandersetzung erle-en. Die Freien Demokraten haben 59 Einsparvor-chläge gemacht.
h bin gespannt, ob die FDP diese Vorschläge in denaushaltsberatungen wiederholen wird oder ob sie, wieie es in den ersten Tagen ihrer Regierungsbeteiligungetan hat, alles über Bord wirft, was sie in diesem Hauslf Jahre lang stets in den Fokus der Debatte und der Öf-ntlichkeit gestellt hat.
Bei einem Sparvorschlag, Herr Kollege Koppelin, hatinister zu Guttenberg Ihnen schon den Gefallen getan:inen Staatssekretär nach Hause zu schicken, das warin konkreter Einsparvorschlag. Die Begründung, wa-m man das tun solle, lautete: die Bürger entlasten. Malchauen, ob Sie in den Haushaltsberatungen dazu kom-
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Bernhard Brinkmann
men, dass die Bürger entlastet werden. Ich glaube, wirwerden uns in den nächsten Monaten vom Gegenteilüberzeugen können.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Elke Hoff für die FDP-
Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnenund Kollegen! Wenn wir in den Angeboten, die die SPDmacht, Einsparvorschläge unserer Fraktion wiederfin-den, werden wir unser Copyright geltend machen.
Wir werden sehen, wie sich das im Einzelnen darstellt.Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bin froh,dass sich die neue Bundesregierung in ihrem Koalitions-vertrag auf ein sicherheitspolitisches Arbeitsprogrammverständigt hat, das die Interessen unseres Landes abbil-det und bei konsequenter Umsetzung auch für die Zu-kunft sicherstellen wird, dass die Bundeswehr ein leis-tungsfähiges Instrument deutscher Sicherheitspolitikbleibt – unverzichtbar für den Schutz Deutschlands wiefür Krisenvorsorge und Krisenbewältigung auf interna-tionaler Ebene.Lieber Paul Schäfer, du hast eben mehr oder wenigergegeißelt, dass die Bundeswehr in internationalen Ein-sätzen tätig ist. Die zukünftigen Konflikte sind interna-tionalisiert. Wenn wir uns den Einsatz der Bundeswehrin maritimen Operationen anschauen, muss ich sagen:Die Bundeswehr ist ein unverzichtbarer Bestandteil in-ternationaler Kooperation. Ich glaube, dass die Bundes-wehr schlecht beraten wäre, sich von solchen gemeinsa-men Aktionen fernzuhalten.
Ich bin darüber hinaus der Meinung, dass die Solda-ten der Bundeswehr, die im Ausland im Einsatz sind, einAushängeschild der Bundesrepublik Deutschland dar-stellen. Ich habe bei vielen Besuchen feststellen können,dass die Präsenz unserer Soldatinnen und Soldaten in in-ternationalen Strukturen das Ansehen unseres Landesmehrt und unterstreicht. Darauf möchte ich ungern ver-zichten.
Natürlich – ich denke, das ist überwiegend Konsensin diesem Hause – benötigen die Soldatinnen und Solda-ten für den gefährlichen Einsatz, in den sie gehen, diebestmögliche Ausrüstung und Ausstattung. Ich binfrggturiSddgdtedkmehIcswinKinlegbndnrumpdKBvKadcSKeNvDinWKstu
h gehe davon aus, dass die Bundesregierung berück-ichtigt, was die sie tragenden Fraktionen sinnvoller-eise vereinbart haben.Die Bundeswehr hat die Strukturanpassungen, diefolge der Machtverschiebungen nach dem Ende desalten Krieges und angesichts der Bedrohung durch denternationalen Terrorismus notwendig geworden sind,ider bis zum heutigen Tage nicht ausreichend vollzo-en. Der eingeschlagene Transformationsprozess führteisher nicht zu einer erfolgreichen Entwicklung und ge-ießt in der Bundeswehr keinen besonders guten Ruf. Iniesem Bereich ist eine grundlegende Neuausrichtungotwendig; denn die sicherheitspolitischen Herausforde-ngen werden in Zukunft nicht enden.Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass eine Kom-ission eingesetzt wird, die bis Ende 2010 die Eck-unkte einer neuen Organisationsstruktur der Bun-eswehr erarbeiten soll. Das ist nicht Ausdruck einerommissionitis des Verteidigungsministers, Kollegeonde, sondern das haben die Fraktionen miteinanderereinbart. Auch das ist in der Vergangenheit in dieserlarheit und Form nicht gelungen. Ich gehe auch davonus, Herr Verteidigungsminister zu Guttenberg, dassiese Expertenrunde in den nächsten Monaten die Wei-hen für diesen notwendigen Prozess stellen und es eineelbstverständlichkeit sein wird, dass dies auch in engerooperation zwischen Ministerium und den Fraktionenrfolgen wird, da eine breite Rückendeckung bei dereuausrichtung der Bundeswehr auch hier im Parlamentonnöten ist. Unsere Soldaten müssen wissen, dass dereutsche Bundestag diese neuen Strukturausrichtungen aller Breite mitträgt.
Wir haben eben zum gefundenen Kompromiss zurehrpflicht einige Einlassungen der Kolleginnen undollegen gehört. Nach unserer Auffassung ist eine Aus-etzung der Wehrpflicht die richtige Zukunftsausrich-ng; gleichzeitig haben wir aber auch immer betont,
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Elke Hoffdass es um Wehrgerechtigkeit geht. Insofern kann manjetzt nicht der FDP den Vorwurf machen, wir würden dieTüre dafür öffnen, dass mehr Grundwehrdienstleistendeeingezogen werden. Vielmehr war dies ein Aspekt unse-rer Vorstellungen zur Wehrpflicht. Ich glaube, dass dergefundene Kompromiss einen Anreiz dafür bedeutet, diebestehenden Einberufungsstrukturen auf den Prüfstandzu stellen. Dadurch muss die Bundeswehr ihre Anstren-gungen verstärken, sich so attraktiv zu machen, dass diejungen Wehrpflichtigen sagen: Jawohl, hier will ich blei-ben, hier habe ich eine berufliche Perspektive.
Der Bundesverteidigungsminister hat jetzt die Möglich-keit, das Thema Wehrgerechtigkeit anzufassen. DiesenVorgang werden wir konstruktiv begleiten.Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Einsätzeder Bundeswehr sind in den letzten Jahren immer ge-fährlicher geworden. Heute ist hier von vielen Kollegendankenswerterweise das wichtige Thema PTBS, post-traumatische Belastungsstörungen, angesprochenworden. Deswegen bin ich auch froh, dass es hier ge-lungen ist, die Umsetzung des damals einstimmig ge-fassten Beschlusses des Deutschen Bundestages in dieKoalitionsvereinbarung aufzunehmen. Herr Minister,ich bin sehr zuversichtlich, dass Sie in Ihrem Hause sehrrasch dafür sorgen werden, dass dieser einstimmig be-schlossene Wunsch des Parlamentes für unsere Soldatin-nen und Soldaten wirklich umgesetzt wird.Der wichtigste Einsatz der Bundeswehr wird natür-lich in den nächsten Monaten und Jahren absehbar dieISAF-Mission in Afghanistan sein. Wir werden unsauch im Deutschen Bundestag mit einer Neuausrichtungder strategischen Überlegungen und Grundlagen für die-sen Einsatz auseinandersetzen müssen.Herr Minister, Sie haben den Begriff des Partneringsheute hier im Deutschen Bundestag erwähnt. Ich haltedies für einen sinnvollen Ansatz. Aber wir müssen auchgleichzeitig die Frage stellen, ob die Bundeswehr in ih-rer jetzigen Grundausrichtung dazu in der Lage ist, dienotwendigen Anforderungen des Partnerings zu erfüllen.Ich gehe davon aus, dass wir uns, wenn dies zu einerGrundlage für den zukünftigen Einsatz werden sollte,sehr rechtzeitig über die notwendigen Strukturen unter-halten. Für mich ist ein Thema – das mag zunächst etwasbanal klingen –, dass die Bundeswehr dann, wenn siebeim Partnering mitmacht, in der Lage sein muss, mitgenügend Sprachmittlern diese Aufgabe für die AfghanNational Army zu erfüllen. Dies ist ein wichtiger Punkt,den wir in unserer Verantwortung noch intern klärenmüssen.Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen inden nächsten vier Jahren vor großen haushalterischen,strukturellen und auch außenpolitischen Herausforde-rungen, was die Ausrichtung der Bundeswehr angeht.Ich hoffe, dass wir ihnen gemeinsam gerecht werden.Die Signale, Herr Kollege Arnold, die heute von Ihnengekommen sind und die besagen, dass es einen mög-lichst breiten Konsens über die weitere Entsendung derSsghcSHMdtuErelisvwMgzEvznsstejedlimnvhdafacudFemngliMW
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Aus diesem Grund bin ich nicht nur für den Applausauch der Opposition dankbar, sondern ich bin auch derBundesregierung dankbar, dass sie schnell reagiert hat.Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-arbeit und Entwicklung hat mittlerweile insgesamt5 Millionen Euro für Nahrungsmittelsoforthilfe zur Ver-fügung gestellt. Zusammen mit den Mitteln des Auswär-tigen Amtes aus Nothilfetiteln sind es insgesamt10 Millionen Euro für Maßnahmen der humanitären So-fort- und Nothilfe. Wenn man unseren 20-prozentigenAnteil an der EU-Hilfe hinzurechnet – das sind noch ein-mal etwa 60 Millionen Euro –, sind wir in einem Bereichvon ungefähr 70 Millionen Euro Soforthilfe, mit denenwir unsere Solidarität mit den Menschen in Haiti bei derersten Runde der Hilfestellung deutlich zum Ausdruckgebracht haben.Darüber hinaus werden wir uns auch mit dem Wieder-aufbau beschäftigen. Das sollten wir allerdings interna-tional abgestimmt im Rahmen einer gemeinsamen Ge-berkonferenz tun.Haiti zeigt wieder eines: Entwicklungspolitik mussschnell sein, aber Entwicklungspolitik muss auch lang-fristig wirken. Sie darf nicht nur Hilfe, sondern sie mussauch Hilfe zur Selbsthilfe sein und die Selbsthilfekräftein unseren Partnerländern stärken. Unter diesem Ge-sichtspunkt ist der heutige Entwurf für den Haushalt2010 ein Entwurf mit einer klaren liberalen Handschrift.
Wir haben in diesem Haushalt einen Aufwuchs von67 Millionen Euro im Vergleich zum Jahre 2009 oder– anders formuliert – einen Aufwuchs von 44 MillionenEuro gegenüber den Vorgaben des letzten, abgewähltenSPD-Finanzministers.
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Dann hören die Gemeinsamkeiten aber sehr schnelluf. Ich muss sagen: Seit ich im Bundestag bin, habe ichelten eine so uninspirierte und für das Thema leiden-chaftslose Rede eines Ministers zu seinem eigenen Res-orts gehört.
In den letzten Jahren habe ich meine Haushaltsrede iner Regel damit beginnen können, dass ich gesagt habe:h freue mich über den Aufwuchs, den die Ministerinurch Verhandlungen erreicht hat. Zur Erinnerung – eshnt sich, Zahlen in Relation zu setzen –: Im letztenahr, das ebenfalls schwierig war, und in dem es eben-lls eine Krise zu bewältigen galt, gab es einen Auf-uchs um 12,4 Prozent, also um 600 Millionen Euro.ieses Geld stand zur Bekämpfung von Armut, von öko-gischem und sozialem Raubbau und zum Aufbau vontrukturen zur Verfügung. Darum geht es nämlich in derntwicklungspolitik: Entwicklungspolitik ist Struktur-olitik.
h wäre sehr dankbar, wenn das vom Ministerium ein-al zur Kenntnis genommen würde.Leider kann ich meine Rede dieses Jahr nicht so be-innen. Wie hoch ist der Aufwuchs nämlich? Sie habens selbst erwähnt: 67 Millionen Euro. Man könnte fastagen: Es ist ein Nullaufwuchs; es passiert nichts.
ie zitieren immer wieder den Haushaltsentwurf von Julitzten Jahres. Sie wissen ganz genau: Im Juli ist ein Ka-inettsentwurf ohne Ressortabstimmungen, ohne Ver-andlungen vorgelegt worden. Eines kann ich Ihnen sa-en: So einen mutlosen, so einen fantasielosen Entwurfit einem Aufwuchs von 67 Millionen Euro hätte eineinisterin Wieczorek-Zeul nie zugelassen. Sie hätte sichrfolgreich für mehr Mittel für diesen wichtigen Bereichingesetzt.
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Dr. Bärbel Kofler
Sie haben sich nicht nur vom 0,51-Prozent-Ziel indiesem Jahr, sondern auch von einer grundsätzlichen,stetigen Aufbauarbeit in diesem Ressort – von der Errei-chung des 0,7-Prozent-Ziels bis 2015 – verabschiedet.Sie tragen immer wie eine Phalanx vor sich her, dass dieErreichung des 0,7-Prozent-Ziels im Koalitionsvertragsteht. Wenn man diesen Vertrag einmal genau nachliest,stellt man aber fest, dass darin keine Jahreszahl steht.Für den Einzelplan 23 sehen Sie für das Jahr 2011 einMinus von 0,7 Prozent vor; zu den folgenden Jahren äu-ßern Sie sich nicht. Wir haben gestern gelernt, dass esmit dieser Regierung keine mittelfristige Finanzplanunggeben kann, da im Mai in Nordrhein-Westfalen Land-tagswahlen stattfinden. Man wird darauf warten müssen,bis von Ihrer Seite vernünftige Angaben zu unserem Ein-zelplan gemacht werden.Gerade für unser Ressort ist es von großer Bedeutung,dass man den Aufwuchs verstetigt. Diejenigen, die Sieeben angesprochen haben – zivile Kräfte, Kirchen, Stif-tungen und auch die Wirtschaft; ich habe gar nichts da-gegen, dass sie mehr bekommen; im Gegenteil, dort wirdgute Arbeit geleistet –, brauchen nicht nur einen höherenBarmittelansatz, sondern mehr über Verpflichtungser-mächtigungen zugesagtes Geld, damit sie wissen, wasihnen in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen wird,damit sie ihre gute Arbeit fortführen können und damitsie gerade für die Zivilgesellschaft – Sie haben sie ange-sprochen – etwas tun können.
Kollegin Kofler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Aber selbstverständlich.
Herr Fischer, bitte.
Liebe Kollegin, ist Ihnen bekannt, dass die
65 Millionen Euro Aufwuchs in diesem Haushaltsplan
auf Grundlage des Haushalts beschlossen worden sind,
den Herr Steinbrück in der mittelfristigen Finanzplanung
vorgelegt hat?
Sehr geehrter Herr Kollege Fischer, natürlich ist mirdas bekannt. Ich habe ja gerade ausgeführt, vor welchemHintergrund hier Verhandlungen über die Zukunft statt-gefunden haben. Sie können gern das Gespräch mit derMinisterin von damals suchen. Selbstverständlich wurdevor der Wahl keine Abstimmung vorgenommen, was denzukünftigen Aufwuchs anbelangt.hpemme1e–liHLnbAskruliinBisteaesnisubeFkMsudgscss5gHseSw
Ich möchte Ihnen noch eines sagen: Im Zusammen-ang mit diesem Haushalt hätte man auch einmal einaar Ausführungen dazu machen können, dass laut aktu-ller Steuerschätzung in diesem Jahr 10 Milliarden Euroehr zur Verfügung stehen. Vielleicht wird gleich einereiner Kollegen noch darauf eingehen. Man hätte alsotwas von diesen 10 Milliarden Euro oder auch von der Milliarde Euro, die nun den Hoteliers zugute kommt,inige Mittel für den Einzelplan 23 verwenden können.
Ich verteile sie aber hier. Sie haben sie nur an die Hote-ers gegeben.Schauen wir uns das ganze Trauerspiel um diesenaushalt weiter an. Sie, Herr Minister, haben von großeninien gesprochen. Ich erkenne keine einzige große Li-ie in diesem Einzelplan. Das Einzige, was Sie getan ha-en, ist, beim Globalen Fonds zur Bekämpfung vonids, Tuberkulose und Malaria 58 Millionen Euro zutreichen. Hierzu hätte ich gerne heute von Ihnen einlärendes Wort gehört. Es ist richtig, was in den Erläute-ngen im Haushaltsentwurf zu diesem Titel steht, näm-ch dass dieser Fonds ein bedeutendes „Finanzierungs-strument in der internationalen Zusammenarbeit zurekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria“t. Gleichzeitig sagen Sie, dass Sie die zugesagten Mit-l in Höhe von 200 Millionen Euro nicht in voller Höhebfließen lassen können, da Sie im Koalitionsvertragine Verteilung der bilateralen und multilateralen deut-chen Leistungen im Verhältnis von zwei Dritteln zu ei-em Drittel vereinbart haben. Jetzt frage ich mich: Wot hier die große Linie?Hier geht es um die Bekämpfung von Krankheitennd um Gesundheitsförderung gerade in ländlichen Ge-ieten bei den Ärmsten der Armen. Man sollte nämlichinmal zur Kenntnis nehmen, was durch den Globalenonds seit 2002 erreicht wurde: 2,5 Millionen HIV-Er-rankte haben Unterstützung bekommen, 104 Millionenenschen haben Moskitonetze bekommen, Hunderttau-ende Beschäftigte im Gesundheitsbereich wurden aus-nd weitergebildet. Sie aber entziehen sich den Zusagen,ie die Bundesrepublik Deutschland gemacht hat, undefährden damit gleichzeitig diese sinnvolle Politik. Sieetzen damit auch den Ruf unseres Landes als verlässli-her Partner in diesem Bereich aufs Spiel.
Auf eine Anfrage der Kollegin Roth vom Beginn die-es Monats schreiben Sie, Frau Kopp – Sie haben es jaelbst unterschrieben –, auch noch: Diese Kürzung um8 Millionen Euro ist richtig und gewollt. Als sich dage-en öffentlicher Protest regt, wird zurückgerudert. Imaushaltsentwurf steht allerdings immer noch der An-atz von 142 Millionen Euro. Ich hätte sehr gerne einmalin paar Aussagen von Ihnen dazu, was nun passiert.etzen Sie den Ansatz wieder auf 200 Millionen Euro,ie es zugesagt war.
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Dr. Bärbel KoflerDie politische Halbwertszeit Ihrer Äußerungen ist al-lerdings bezüglich der Finanzierung von Entwicklungs-zusammenarbeit – das gilt auch für viele andere Dinge –nicht sehr hoch. Im Dezember konnten wir lesen, dassSie gegen die Einführung einer Finanztransaktionsteuerzur Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeitsind. Nach Ihrem Treffen mit Zoellick hört man von Ih-nen, dass man dafür vielleicht doch noch Mittel einset-zen könne; man wolle mal sehen, was beim G-20-Tref-fen herauskomme. Ich höre gerne, dass das bei Ihnenneuerdings ein Thema sein soll, Herr Niebel; ich be-zweifle es nur. Vieles von dem, was Sie sagen, richtetsich nur nach der politischen Tagesform und dem, wasgerade opportun ist. Wichtig ist, dass Sie einen Vor-schlag vorlegen, wie Sie das von Ihnen erklärte Ziel ei-ner ODA-Quote von 0,7 Prozent erreichen wollen. Esgibt keine einzige Aussage zu den Finanzen von Ihnen,die belastbar ist und belegt, dass Sie etwas tun, um dieODA-Quote auf 0,7 Prozent zu erhöhen.Eine Anmerkung zur grundsätzlichen Ausrichtungvon Struktur- und Entwicklungspolitik. Sie reden im-mer nur davon, dass die Wirtschaft es richten soll. Dasist Ihr Credo. Es wäre ganz schön, wenn Sie in den Län-dern, in denen Sie unterwegs sind, genauer hinhörenwürden. Auf der Konferenz in Accra hat, wie ich finde,der ghanaische Präsident etwas sehr Vernünftiges gesagt.Er hat gesagt: Entwicklungspolitik muss dazu beitragen,dass in den Ländern administrative Strukturen aufgebautwerden; diese sind nämlich Voraussetzung dafür, dassüberhaupt ökonomische Strukturen wachsen können.Das ist die richtige Ausgangsposition. Hier muss Struk-turpolitik ansetzen. Administrative, rechtliche, sozialeInfrastruktur muss aufgebaut werden, damit Investitio-nen in diesen Ländern überhaupt stattfinden können undsie sich entwickeln können. Schauen Sie sich einmal ei-nen Großteil der Länder an. Glauben Sie, dass es zur Ar-mutsbekämpfung ausreicht, dort ein deutsches mittel-ständisches Unternehmen anzusiedeln?
Das ist doch – ich sage es jetzt einmal höflich – völlignaiv, was da zum Teil geäußert wird.
Das hat nichts mit verantwortungsbewusster Entwick-lungs- und Stukturpolitik zu tun.Ich denke, da unterscheidet sich grundsätzlich unserStaatsverständnis. Das sieht man auch an dem, was dieFDP in diesem Land macht. Wir als Sozialdemokratenhaben ein anderes Staatsverständnis, nämlich dass derStaat verantwortliche Aufgaben im Sinne des Gemein-wesens und der Bevölkerung übernehmen muss, dass ersie unterstützen und eine Basis bilden muss. Dazu benö-tigt er auch finanzielle Mittel, damit die entsprechendenSteuersysteme in manchen Ländern erst einmal aufge-baut werden können. Sie waren ja gerade in Ruanda.Dort hätten Sie lernen können, was man mit Budgethilfebeim Aufbau von Staats- und Steuerstrukturen machenkann, damit das eintritt, was Sie angesprochen haben,nämlich dass die Länder sich selbst helfen können.elasmaBujeCremDEgaDFsRSturihmseleZwMlaew–ewa
Das Wort hat der Kollege Holger Haibach von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-n! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal kannan sogar jemanden wie mich, der schon acht Jahre imeutschen Bundestag ist, überraschen. 2005, als dasnde von Rot-Grün da war und die Große Koalition be-ann, war ich überrascht, wie schnell die Grünen sichus der Regierungsverantwortung zurückgezogen haben.amals habe ich gedacht, es gehe nicht noch schneller.rau Kofler, Sie haben mir das Gegenteil bewiesen: Sochnell wie die SPD hat sich noch keine Partei aus deregierungsverantwortung zurückgezogen.
ie haben völlig verkannt, wer eigentlich die Verantwor-ng für die Politik in den letzten Jahren gehabt hat.
Ich würde gerne einmal versuchen, Ihre Zahlen inschtige Licht zu rücken. Wenn man schon mit Zahlenantiert, dann muss man aufpassen, dass man richtig da-it hantiert. Ich habe mir einmal einige Zahlen heraus-uchen lassen: Von 1998 bis 2005 – wenn ich mich rechtrinnere, gab es damals schon die gleiche Ministerin, al-rdings mit einer rot-grünen Mehrheit – ist die realeahl im Haushalt, der Anteil des Einzelplans 23, von et-as über 4 auf etwas unter 4 Milliarden Euro gesunken.inus 125 Millionen Euro – das ist Ihre rot-grüne Bi-nz gewesen. Dass Sie uns vor diesem Hintergrund hierinen Aufwuchs vorwerfen, finde ich sehr bemerkens-ert.
Ich habe Ihnen zugehört; vielleicht hören Sie mir auchinen Moment lang zu. Schreien ist immer ganz wichtig,enn man nicht hören will, was andere sagen. Das istber auch eine Frage von Stil und Höflichkeit.
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1336 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010
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Holger HaibachErst seitdem die CDU/CSU mitregiert, seit der Gro-ßen Koalition, hat es den Aufwuchs von etwas unter4 Milliarden Euro auf die jetzt vorhandenen circa5,8 Milliarden Euro gegeben. Auch das würde ich gernein diesem Zusammenhang einmal festhalten: Der letzteHaushalt hatte eine ODA-Quote von 0,36 Prozent. Wennalles so kommt, wie wir uns das vorstellen, werden wireine ODA-Quote von 0,40 Prozent haben. Das ist einegewaltige Steigerung gegenüber dem, was Sie zuletztvorgelegt haben.
Natürlich würden wir uns wünschen, dass wir denStufenplan einhalten können. Aber man muss – das hatder Minister zu Recht gesagt – die Dinge im Fokus des-sen sehen, was um uns herum geschieht und in welcherWelt wir leben. Sie wissen ganz genau: Wenn wir dieQuote von 0,51 Prozent erreichen wollten, dann müsstenwir den Einzelplan 23 auf einen Schlag um 3,5 Milliar-den Euro aufwachsen lassen. Sie glauben nicht, dass ir-gendeine Regierung, egal wie sie politisch bestellt ist,das zu dieser Zeit leisten könnte. Deswegen hören Siedoch einfach auf mit diesem Unsinn und bleiben bzw.werden Sie realistisch!
Ich glaube, dass der Haushalt, den wir heute diskutie-ren, eine angemessene Reaktion auf die Herausforderun-gen, die in den kommenden Jahren vor uns liegen, bietet,und dass er – das ist schon angeklungen – konsequentdas umsetzt, was wir uns im Koalitionsvertrag vorge-nommen haben.Ich will mit einem Punkt beginnen, der in der Debattesonst häufig unter den Teppich gekehrt wird. Wir sagen,dass wir mehr für das Engagement der Kirchen undmehr für das Engagement der politischen Stiftungenbereitstellen. Das klingt für uns alle so selbstverständ-lich, aber ich möchte Sie daran erinnern, dass das Sys-tem der politischen Stiftungen, so wie wir es hier inDeutschland kennen – mit Auslandsbüros, mit politi-scher Förderung von Entwicklungszusammenarbeit, mitDemokratieförderung, mit Verbreitung der Idee der so-zialen Marktwirtschaft –, etwas ganz Einzigartiges ist.Bei allem Streit, den es gibt, sollten wir uns in dem Zieleinig sein, dass wir diesen Exportschlager, der ein All-einstellungsmerkmal darstellt, stärken. Das tut dieserHaushalt in ganz hervorragender Art und Weise.
Natürlich kommt heute keine Debatte – schon garkeine entwicklungspolitische Debatte – ohne ein Wortüber Haiti aus. Was wir dort gesehen haben, ist eine Ka-tastrophe selten gekannten Ausmaßes. Man soll nieMenschenleben gegeneinander aufrechnen. Trotzdemwill ich sagen: Durch den Tsunami wurde eine Regiongetroffen, die wesentlich stärker bevölkert ist, als es beiHaiti der Fall ist. Wenn man die Zahl der Toten im Ver-hältnis zur Einwohnerzahl vergleicht – in Haiti werdenedmhWndPdfrkoTSzgdagimssSwdzcHsctugInHewwKdBKmrugotrmckwdTs
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Ein weiteres ausgesprochen wichtiges Thema, das unsin den nächsten Jahren intensiv beschäftigen wird, istmit der Frage verbunden: Was passiert nach Kopenha-gen? Ich glaube, man kann auf jeden Fall ohne großeÜbertreibung festhalten, dass die Konferenz in Kopen-hagen kein Erfolg gewesen ist. Die Frage ist nur: WelcheKonsequenz ziehen wir daraus? Die Konsequenz kannnicht sein, zu sagen: Der internationale Prozess ist danngescheitert. Er ist nämlich nicht gescheitert. Es gibt, wasKopenhagen betrifft, klare Abmachungen, die wir ein-halten müssen. Wir werden auch in der Entwicklungszu-sammenarbeit unseren Beitrag leisten müssen.In der Debatte, die wir vor Kopenhagen geführt ha-ben, ist deutlich geworden, dass an dieser Stelle viel vondlijes1cwriEhuWwihwWtuDgacwisvgdgWwwFzud–NwamsnnriMfaDh
Das steht nirgendwo im Koalitionsvertrag:
irgendwo steht, dass wir die Budgethilfe abschaffenollen und dass wir gegen multilaterale Zusammen-rbeit sind. Wir sind nur der Meinung, dass alle Instru-ente der Entwicklungszusammenarbeit genutzt werdenollten. Man darf also nicht glauben, dass nur internatio-ale, multilaterale Entwicklungszusammenarbeit oderur Budgethilfe richtig ist. Am Ende des Tages ist derchtige Einsatz von Mitteln vielleicht wichtiger als derittelabfluss. Ich glaube, wir sollten uns allen den Ge-llen tun, an dieser Stelle eine ehrliche und vernünftigeebatte zu führen. Insofern freue ich mich auf die Haus-altsberatungen.Herzlichen Dank.
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1338 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010
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Das Wort hat jetzt die Kollegin Heike Hänsel von der
Fraktion Die Linke.
Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Das Leid der Menschen in Haiti hat unsalle geschockt – viele Vorredner sind schon darauf ein-gegangen –, zumal wir vom Entwicklungsausschuss vordrei Jahren gemeinsam das Land besucht haben und sehrherzlich und hoffnungsvoll von den Menschen dort emp-fangen wurden. Es bedrückt einfach noch mehr, wennman das Land konkret kennengelernt hat.In diesem Zusammenhang halte ich es schon fürwichtig, Herr Kollege Haibach, über Zahlen zu spre-chen. Die 10 Millionen Euro Soforthilfe sind in unserenAugen angesichts des Ausmaßes der Zerstörung, dergroßen Spendenbereitschaft in der Bevölkerung und derSoforthilfe anderer Länder viel zu gering. Wir sehen,dass die Bundesregierung viel mehr Geld für Krieg undZerstörung ausgibt als für Aufbau und Entwicklung.
Wir haben uns schon vor Tagen dafür ausgesprochen,dass die Soforthilfe massiv erhöht werden muss.Es ist auch wichtig, dass wir langfristig zum Wieder-aufbau Haitis beitragen. Deshalb setzen wir uns dafürein, dass die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mitHaiti, die leider unter Ministerin Wieczorek-Zeul ausge-laufen ist, wieder aufgenommen wird. Wir sind der Mei-nung, Haiti braucht sofort und für lange Zeit unsere Soli-darität.
Gleichzeitig teilen wir die Kritik der Vereinten Natio-nen und der amerikanischen Friedensbewegung, die ein-dringlich an die US-Politik appelliert, dass das jetzigeMachtvakuum Haitis nicht für eine neue Militärpräsenzmissbraucht werden darf. Die Menschen in Haiti brau-chen jetzt keine Soldaten, sie brauchen Ärzte und Auf-bauhelfer.
Wir müssen uns natürlich auch die Frage stellen – daswird viel zu wenig thematisiert –, warum dieses Land sobitterarm ist. Vor zwei Jahren haben wir die Hungerre-volten in Haiti miterlebt. Wir haben Berichte gehört,dass Menschen aus Lehm Brot backen, um den Hungerzu stillen. Diese Armut kommt natürlich nicht von unge-fähr. Sie ist die Folge jahrhundertelanger Kolonialpoli-tik, die sich bis heute auswirkt, und auch die Folge vonimperialer Politik, die mit Hilfe zahlreicher US-Mili-tärinterventionen und der Unterstützung brutaler Dikta-turen betrieben wurde. Auch eine neoliberale Freihan-delspolitik wurde in Haiti angewandt.
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Während die deutschen Rüstungsausgaben für zu-ünftige Militärinterventionen weiter steigen – davonurde heute auch gesprochen – und Milliardenbeträger Banken bereitgestellt werden, schafft es die Bundes-gierung in diesem Jahr nicht – und das ist Fakt –, dasinimalziel, einen Anteil von 0,51 Prozent des Brutto-ationaleinkommens für Entwicklungsausgaben bereit-ustellen, einzuhalten. Sie schaffen es nicht. Sie zahlenicht die zugesagten 200 Millionen Euro in den Globa-
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Heike Hänsellen Fonds zur Bekämpfung von Krankheiten ein. Siesparen im Bereich Klimaschutzbekämpfung an dem An-passungsfonds. Überall gibt es zu wenig Geld, aber beiRüstung und militärischen Investitionen haben Sie einenAufwuchs. Das lehnen wir ganz klar ab.
Wir wollen eine Finanztransaktionsteuer einführen.Wir wollen sämtliche Rüstungsprojekte streichen. Danngäbe es genügend Geld für die Bekämpfung von Krank-heiten. Es gäbe genügend Geld für den Klimaschutz, üb-rigens auch für den Zivilen Friedensdienst, der nach wievor ein Nischendasein fristet. Wir wollen ihn zu einemzentralen Instrument der Außenpolitik ausbauen. Der Zi-vile Friedensdienst braucht eine Zukunft. Damit wäreauch er finanzierbar.
Herr Niebel, abschließend möchte ich Ihnen gernenoch sagen: Sie wollen nicht, dass das Entwicklungshil-feministerium zum Weltsozialamt wird. Wir hingegenwollen nicht, dass dieses Ministerium zum Selbstbedie-nungsladen für Wirtschaftslobbyisten wird.
In diesem Zusammenhang sage ich – das gilt auch fürdie Kollegen von der CSU –: Setzen Sie ein Zeichen.Spenden Sie die Gelder, die Sie von der Hotellobby be-kommen haben, für Haiti. Das wäre ein deutliches Zei-chen. Damit könnten Sie zeigen, dass Sie es ernst mei-nen mit dem Wiederaufbau in Haiti.Danke.
Das Wort hat der Kollege Thilo Hoppe vom
Bündnis 90/Die Grünen, dem ich zu seinem heutigen
52. Geburtstag gratuliere.
Herr Präsident, danke schön für die Glückwünsche. –Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt in diesenHaushaltsdebatten immer gewisse Rituale, die sich stän-dig wiederholen, allerdings mit wechselnder Rollenver-teilung. Ich erlebe dieses Stück jetzt in der dritten Fas-sung. Mal spielten Rote und Grüne die Regierungsrolle,dann Rote und Schwarze und jetzt Schwarze und Gelbe.Die, die zusammen die Regierungsrolle spielen, stellensich hier hin und sagen: Seht, wie toll wir sind. Dannkommen die anderen und sagen: Das stimmt doch garnicht, ihr macht viel zu wenig und gebt viel zu wenigGeld für die Ärmsten der Armen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sieheute einmal ermutigen, dieses alte Rollenspiel zu ver-lassen und ehrlich miteinander umzugehen. Wer ehrlichist, der muss auch zur Selbstkritik bereit sein. Was würdeein ehrlicher, aufgeklärter Politiker aus Afrika, Bangla-desch oder Bolivien sagen, wenn er uns heute zuhörenwbsdEzss0WzzstuHsgisgtetecswriswEsn0dAkWEbcdwHkfefaemwgh5ms
Unser Gast würde uns daran erinnern, dass im Deut-chen Bundestag schon zur Zeit von Willy Brandt vom,7-Prozent-Ziel gesprochen wurde. Jeder betont dieichtigkeit dieses Versprechens, dieses Ziels, 0,7 Pro-ent vom Bruttonationaleinkommen für Entwicklungs-usammenarbeit und humanitäre Hilfe zur Verfügung zutellen. Regelmäßig kommen dann die Haushaltsbera-ngen. Wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir dieosen runterlassen und sagen – das wäre ganz offen-ichtlich –, dass nichts eingehalten wird und niemals ein-ehalten wurde von dem, was versprochen wurde. Dast zu meinem großen Bedauern auch unter Rot-Grün soewesen. Das war unter Schwarz-Rot so, und heute, un-r Schwarz-Gelb, erleben wir das Gleiche wieder.Auch das gehört zu dem Ritual: Man hört die aben-uerlichste Argumentationsakrobatik, mit der das Bre-hen von Versprechen, das Nichteinhalten von Zusagenchöngeredet werden soll. Das haben wir auch heuteieder erlebt. Da wird mit ernster Miene auf die schwie-ge Haushaltslage und auf die Wirtschaftskrise verwie-en. Da wird sogar eine klitzekleine Steigerung – weiteniger als das, was eigentlich hätte sein müssen – alsrfolg verkauft. Der Verweis auf die Kasse, auf die Wirt-chaftslage ist aber eine faule Ausrede; denn es gehticht um einen Fixbetrag, sondern um einen Anteil von,51 Prozent, der jetzt hätte eingestellt werden müssen,er zugesagt war. 0,7 Prozent sollen das 2015 sein. Einnteil ist ein Anteil ist ein Anteil. Er wird größer oderleiner, je nachdem wie stark die Wirtschaftskraft ist.ir hätten erwartet, dass es eine Lücke von 3 Milliardenuro wird. Aufgrund der gesunkenen Wirtschaftszahleneträgt die Lücke jetzt 2,2 Milliarden Euro. Also ma-hen Sie bitte keinen Hinweis auf die Wirtschaftskraft;enn es ist ein flexibler Anteil.Dann gibt es immer folgendes Argument – auch heutear es wieder bei einigen Rednern zu hören –: Meineerren, lassen Sie uns doch realistisch bleiben – dannommt also Realismus ins Spiel –, 0,51 Prozent, dahlten einfach noch 2,2 Milliarden Euro. Das sei ein-ch nicht zu schaffen. Das sei doch unrealistisch. Welchin Blödsinn. Erinnern wir uns doch daran, welche Sum-en im letzten und vorletzten Jahr plötzlich realistischurden. Ich meine jetzt nicht Bürgschaften in dreistelli-er Milliardenhöhe. Ich greife ein Beispiel von vieleneraus. Hopplahopp, praktisch über Nacht wurden Milliarden Euro für ein zweifelhaftes Projekt, eine Prä-ie für das vorzeitige Wegwerfen von Autos, bereitge-tellt. Das alles ist plötzlich realistisch.
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Thilo HoppeAber in der Entwicklungsdebatte fordern Sie: Lassen Sieuns doch bitte realistisch bleiben.In Ihrer Rede hat die Kanzlerin viel von Moral ge-sprochen und das 0,7-Prozent-Ziel erneut bekräftigt.Aber wenn ich die Kanzlerin jetzt wörtlich nehme, wasich gerne tun will, und mir dann diesen Haushaltsent-wurf ansehe – Sie haben gehört, dass ich genauso Kritikan den Haushaltsentwürfen von Rot-Grün und der Gro-ßen Koalition geübt habe –, dann muss ich diesen Haus-haltsentwurf als unmoralisch bezeichnen.
Ich weiß, dass die Ministerin und viele engagierteEntwicklungspolitikerinnen und Entwicklungspolitikerin jeder Haushaltsrunde aufrecht und ernsthaft für mehrGeld für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäreHilfe gekämpft haben. Aber zur nüchternen Betrachtunggehört auch, dass die anderen, der Finanzminister unddie Haushälter, in ihrer Mehrheit jedes Mal stärker wa-ren und die Debatte dominiert haben. Daher ist die Ver-pflichtung nie erfüllt worden. Ich glaube, wir sollten soehrlich sein, uns gegenseitig zuzugestehen, dass das soist. Was soll die Erbsenzählerei, die wir heute wieder er-lebt haben, welche Koalition etwas mehr oder wenigerdoll die Versprechen gebrochen hat? Insgesamt könnenauch Mathematiker und gute Rhetoriker nicht darüberhinwegtäuschen: Nie ist das Ziel eingehalten worden.Jetzt kann man nicht mehr sagen, dass man Hoffnunghabe, diesmal konnte man es noch nicht schaffen, aberman werde irgendwann den großen Endspurt beginnenund dann ganz viel nachliefern. Das ist jetzt wirklichvorbei. Jetzt ist Schluss mit lustig. Wir haben das Jahr2010. Im Rahmen der Europäischen Union ist verspro-chen worden, in diesem Jahr 0,51 Prozent in den Haus-halt einzustellen; 2,2 Milliarden Euro fehlen einfach.Darüber kann man nicht hinwegtäuschen.Wir haben uns die Mühe gemacht – mit ganz vielenTelefonaten, mit ganz viel Fleißarbeit –, in Absprachemit den Haushältern einen Haushaltsentwurf vorzule-gen, der genau diese 2,2 Milliarden Euro, die fehlen, ent-hält. Jetzt gibt es natürlich die große Debatte über Quan-tität und Qualität. Wir wollen keine Luftbuchungen, wiesie manche hier machen, keine rein ideologischen Zah-len, die man gar nicht umsetzen kann. Wir haben viel-mehr bei der GTZ, bei der KfW, im bilateralen und mul-tilateralen Bereich nachgefragt. Daher können wir jetztTitel für Titel einen Haushalt präsentieren, der sehr rea-listisch ist, wo wir Geld in die Hand nehmen, das wirk-lich absorbiert und umgesetzt werden kann, und denÄrmsten der Armen helfen können.Aber – das will ich auch sagen – ein solcher Haushaltlässt sich bei Festhalten an der anachronistischen, veral-teten Zweidrittel/Eindrittel-Regel nicht realistisch dar-stellen.
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Natürlich wird immer auch die große Frage nach demealismus gestellt: Können Sie das gegenfinanzieren? Wiraben sehr detaillierte Gegenfinanzierungsvorschläge ge-acht. Dazu gehören die Flugticketabgabe – sie machtllerdings nur einen kleinen Betrag aus –, die Finanz-ansaktionsteuer und die Streichung klimaschädlicherubventionen. Es ist auch eine Summe genannt worden:enn man die Steuergeschenke für Hoteliers rückgängigacht, dann hätte man schon die Hälfte der fehlenden,2 Milliarden Euro beisammen.
Um die ODA-Quote zu erreichen, soll es nicht nur iminzelplan 23, also beim Entwicklungsministerium, Stei-erungen geben, sondern auch in vielen anderen Ressorts.h greife ein Ressort heraus: das Bundesministerium fürrnährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Hierollen die Kooperation mit der Welternährungsorganisa-on der Vereinten Nationen, der FAO, und insbesondereie Reform des Komitees zur Ernährungssicherung aus-ebaut werden. Auch in diesem Bereich soll es kräftigeufwüchse geben.Ich freue mich, dass auch die SPD einen Plan vorle-en will, der das 0,51-Prozent-Versprechen ernst nimmt.
h bitte Sie allerdings, Selbstkritik zu üben, wie auchir es tun. Auch der Haushaltsentwurf, der noch voneer Steinbrück vorlegt wurde, hätte die 0,51-Pro-ent-Messlatte ganz klar gerissen.
s gehört zur Ehrlichkeit dazu, jetzt nicht einfach ganzchnell die Rollen zu tauschen. Wir haben unsere Haus-ufgaben bisher allesamt nicht erledigt. Jetzt stehen wir
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Thilo Hoppevor der großen Aufgabe, endlich ehrlich zu sein unddiese Aufgaben gemeinsam anzupacken.Den geschätzten Kolleginnen und Kollegen von derjetzigen Koalition sage ich: Viele von Ihnen habe ich alsehrliche Streiter für die Entwicklungspolitik erlebt. An-gesichts des vorliegenden Haushaltsentwurfs fordere ichSie auf, jetzt ehrlich zu sein. Ich glaube, dass viele vonIhnen es lieber gehabt hätten, wenn ein Haushaltsent-wurf vorgelegt worden wäre, der das 0,51-Prozent-Zielerreicht. Wir zeigen Ihnen, dass das geht.Ich fordere Sie auch auf, jetzt nicht den vorgegebenenArgumentationsmustern zu folgen, sondern Rückgrat zubeweisen und mit uns gemeinsam parteiübergreifendkräftige Nachbesserungen zu fordern, sodass wir ge-meinsam einen Haushalt erarbeiten können, den wir ei-nem aufgeklärten Entwicklungspolitiker oder einemPolitiker aus Afrika, Bangladesch oder Bolivien vorle-gen könnten, ohne rot werden zu müssen.
Das Wort hat der Kollege Jürgen Koppelin von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Kollege Hoppe, ich bin mit Ihnen nicht in allenPunkten einer Meinung. Trotzdem fand ich Ihre Redebemerkenswert. Wenn man will, dass die Fraktionen inSachen Entwicklungshilfe zusammenarbeiten, war das,was Sie sagten, ein guter Ansatz, um zumindest mitei-nander ins Gespräch zu kommen. Unsere Einladungrichtet sich auf jeden Fall auch an Ihre Fraktion. Natür-lich wissen wir, dass es auch genügend Sozialdemokra-ten gibt, die ein Interesse an diesem Thema haben undnicht mit Schaum vor dem Mund hier stehen, wie wir esheute erlebt haben,
sondern sachlich argumentieren wollen.Sie haben natürlich recht: Wir sind in der Vergangen-heit bei jeder Haushaltsberatung unzufrieden gewesen;das ist ganz klar.
– Liebe Kollegin, versuchen Sie einmal, zwei Minutenkeine Zwischenrufe zu machen, damit ich ein paar Ideenvortragen kann, mit denen Sie sich dann auseinanderset-zen können. Schließlich will ich auch auf Ihre Rede ein-gehen. Ich habe nämlich zumindest versucht, Ihnen zu-zuhören. – Zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme gehörtddD––ngbD–ARsleegrid–DJriRsdsnmereGAbKghh
as werfe ich niemandem vor.
Ich wiederhole: Das ist kein Vorwurf.
Zu Ihnen komme ich gleich noch, Herr Kollege.
Ich will Ihnen ganz klar sagen – da drücken wir unsicht –: Wir mussten uns in den Koalitionsverhandlun-en entscheiden: Soll dieses Ministerium erhalten blei-en oder muss es aufgelöst werden? Darüber hat es eineiskussion gegeben, auch in meiner Fraktion.
Frau Kollegin, geben Sie mir doch die Chance, meineusführungen zu machen. Normalerweise wird hier eineede gehalten, und Sie haben die Möglichkeit, eine Zwi-chenfrage zu stellen. Es ging darum – ich sage das in al-r Deutlichkeit –, dass dieses Ministerium zum Schlussin Marionettenministerium war, das innerhalb der Re-ierung kaum noch Einfluss hatte. In diesem Ministe-um wurde viel Geld hin und her geschoben. Ein Teilavon versickerte in bürokratischen Strukturen.
Dazu sagt die SPD natürlich nichts.Das ist übrigens nicht nur die Meinung eines Freienemokraten, es war die taz, die im September letztenahres unter der Überschrift „Das Marionetten-Ministe-um“ schrieb, dass die Sozialdemokraten mit dereform der Entwicklungshilfe gescheitert seien. Ichchließe mich dieser Meinung an. Ich stelle Ihnen gerneen gesamten Artikel zur Verfügung; er ist sehr interes-ant zu lesen. Was musste man erfahren? In diesem Mi-isterium kontrollierte zum Schluss jeder jeden, undanche spielten sich zu Kleinministern auf. Am Endeinigte man sich in diesem Ministerium: Wir kontrollie-n auf jeden Fall mit aller Macht und mit viel Geld dieTZ. Überhaupt keine Zusammenarbeit gab es mit demuswärtigen Amt.Endlich gibt es wieder eine vernünftige Zusammenar-eit mit dem Außenministerium. Das hat teilweise dieritik der Sozialdemokraten bewirkt. Ich fand es übri-ens unfair: Minister Niebel war noch nicht im Amt,atte noch nicht auf seinem Stuhl Platz genommen, daaben Sie ihn schon kritisiert.
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Dr. h. c. Jürgen Koppelin– Ich verstehe die Aufregung nicht. Ich kann nur sagen:Sie haben es geschafft. Dieses Ministerium – das istauch unser Ziel gewesen – ist kräftig aufgewertet wor-den, und es gibt eine gute Zusammenarbeit mit demAuswärtigen Amt.
Auf einen Aspekt lege ich Wert: In der Bezeichnungdes Ministeriums heißt es nicht nur „Entwicklungshilfe“,sondern auch „wirtschaftliche Zusammenarbeit“. Ichlege auch auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit Wert;das ist richtig so, und dabei bleibt es auch.
– Haben Sie einen zu hohen Blutdruck? Ich weiß nicht,warum Sie die ganze Zeit dazwischenrufen.
Ich will mit einem Lob beginnen. Ich will die ehema-lige Ministerin Wieczorek-Zeul in einem Punkt aus-drücklich loben, und zwar für ihr Engagement imKongo. Ich weiß aus vielen persönlichen Gesprächen,dass sie sich dort persönlich engagiert hat. Ich finde esgut, dass der neue Minister, Dirk Niebel, das fortsetztund in den Kongo gefahren ist. Das ist – bei allem, wasuns unterscheidet – Kontinuität, wie ich sie mir wün-sche.Erlauben Sie mir einige Bemerkungen als Haushälter.Wir haben in der letzten Legislatur erlebt, dass sehr vielLänderbudgethilfe gewährt wurde. Länderbudgethilfetaucht auch jetzt wieder als Forderung auf. Als Haushäl-ter habe ich allerdings zu berücksichtigen, dass der Bun-desrechnungshof die Budgethilfe heftig kritisiert hat.Das kann das Parlament nicht einfach abtun. Lesen Sieden Bericht! Sie haben ihn wahrscheinlich nicht gelesen;sonst würden Sie nicht den Kopf schütteln. Ich bin ganzklar für Projektförderung – das machen wir, niemandemwird etwas weggenommen –; Budgethilfe, die nicht kon-trollierbar ist, müssen wir aber einstellen, weil der Bun-desrechnungshof das von uns fordert.
Man sollte nicht immer sagen: Wir müssen draufsat-teln, hier fehlt dieses, und da fehlt jenes. Ich wünschemir manchmal, dass wir als Haushälter, aber auch Sie alsFachpolitiker mehr darauf achten, ob die Mittel effektiveingesetzt werden.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Nehmen Sie – das Hausweiß, dass ich da persönlich engagiert bin, dass das einSteckenpferd von mir ist – die Asiatische Entwicklungs-bank. Ich kann nicht einsehen, dass wir viel Geld fürdiese Bank bereitstellen, wenn von denen fast das ganzeBudget von Kambodscha bezahlt wird, wo die Opposi-tion, wo die Demokratie unterdrückt wird. Ich bin nichtmehr bereit, aus deutschen Steuergeldern Mittel zur Ver-füihbddwFteSmSvZnQdsfeVkQQhwW0whchlimamwSBmhB
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Dann sollten Sie sich auch nicht darüber wundern, wennman sich darüber aufregt. Wenn Sie an einer sachlichenDiskussion interessiert sind, dann bleiben Sie bitte sach-lich und bei der Wahrheit, Herr Koppelin.
Herr Kollege, ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar
für Ihre Fragen. – Habe ich Ihre Aufmerksamkeit? Ich
wollte Ihnen gern antworten. Aber es ist schon genau das
Problem, wie Sie sich heute geben: Sie können nicht ein-
mal zuhören. Sie stellen Fragen, können vielleicht aber
nicht die Antwort ertragen.
Herr Kollege, ich bin ausgesprochen dankbar für
diese Fragen, weil es erstens mein Urteil über Sie und
Ihre bisherige Politik voll bestätigt hat, was Sie in Ihren
Fragen zum Ausdruck gebracht haben. Ich fange mit der
Budgethilfe an.
– Hören Sie doch einfach zu!
Ich habe mich als Berichterstatter für den Einzel-
plan 23 im Haushaltsausschuss wirklich oft – nicht nur
einmal und auch in Sondersitzungen – mit den Kollegin-
nen und Kollegen aller Fraktionen zusammensetzen
müssen, weil das Thema Budgethilfe eine große Rolle
gespielt hat. Zum Schluss gab es sogar das Problem,
dass die Union die Budgethilfe für Vietnam nicht wollte,
während Sie sie wollten. Ich habe so viele Sitzungen
dazu gehabt, dass ich diesen Bericht fast auswendig
kenne. Werfen Sie mir also bitte nicht vor, ich behaup-
tete hier Falsches. Sie haben anscheinend den Bericht
nie gelesen. Ich stelle ihn Ihnen aber gerne zur Verfü-
gung.
Was die ODA-Abschlussquote angeht, habe ich Ih-
nen hier meine Meinung gesagt; Sie vertreten eine an-
dere. Ich mache den Vorschlag, dass ich mich mit Ihnen
darüber nicht streite. Wenn die endgültigen Zahlen da
sein werden, werden wir sehen, wer in der Sache recht
hatte.
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Budgethilfe ist klar. Wir wollen sie effektiv einsetzen.
Nun nenne ich aus Zeitgründen nur noch einen Punkt,
err Minister, der mir persönlich ebenfalls wichtig ist.
h bitte Sie, dies sehr intensiv zu verfolgen. Die aktuelle
inanz- und Konjunkturkrise hat dazu geführt, dass es
uch in den Entwicklungsländern erhebliche Probleme
ibt. Nicht die Entwicklungsländer haben die Probleme
erursacht, sondern sie sind woanders entstanden, auch
ei uns. Diese Länder dürfen nicht darunter leiden. Die
olgen müssen mit unserer Hilfe gelindert werden.
Zu Afghanistan ist in der außenpolitischen Debatte
chon etwas gesagt worden.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Dieses
inisterium hat in den letzten Tagen wirklich viel Öf-
ntlichkeit erlebt, nicht zuletzt durch die massive Kritik
er Sozialdemokraten. Dies hat uns geholfen. Also kriti-
ieren Sie in dieser Form weiter! Wir werden unseren
urs weiter verfolgen. Ich bin Minister Niebel und der
taatssekretärin, der Kollegin Kopp, ausgesprochen
ankbar, dass sie dieses Ministerium aufgewertet haben,
odass es in der Öffentlichkeit endlich wieder eine Rolle
pielt.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Lothar Binding von der
PD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Zunächstache ich eine Bemerkung zu der Debatte, die ebenerr Koppelin und zuvor schon Dirk Niebel angestoßenaben. Ich glaube, dass nur sehr schwache Amtsinhaberadurch stärker erscheinen wollen, dass sie ihre Vorgän-er persönlich schlechtmachen. Das ist kein guter Stil,nd dies trägt auch ein bisschen zu dem Aggressions-otenzial bei, das man eben spüren konnte.
Ich nehme ein Stichwort auf, das Thilo Hoppe benutztat und das auch ich gern benutze: das Ritual, das ei-entlich niemand versteht, und das Maß der Selbstkritik.h stimme Ihnen hundertprozentig zu. Aber es gehtoch um einen anderen Begriff: das Maß der Anstren-ung, mit der man seine Ziele erreicht. Das Maß der An-
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Lothar Binding
strengung ist, wie man zeigen kann, in Bezug auf unserganz konkretes Ziel einer ODA-Quote von 0,7 Prozentin Deutschland sehr unterschiedlich. Auf dieses Maß derAnstrengung werde ich nachher zurückkommen.Ich war gestern bei Amnesty International. Da gab eseine Ausstellung von Bildern, die in Slums, in Favelasgemacht wurden. Sie wurden dreidimensional aufgebaut.Es ging dabei weniger um Armut an sich, weniger umLebens- und Wohnverhältnisse, als vielmehr darum, wiees eigentlich Menschen gelingen kann, ihre Würde zuwahren, obwohl sie so arm sind. Das gelingt sehr vielensehr gut.Der Würdebegriff spielt in diesem Einzelplan eineganz besondere Rolle. Dabei geht es, wie ich meine,auch sehr stark um Symbole, um Verhalten. Jetzt will icheine kleine paradoxe Intervention vorführen. Dass unserEntwicklungsminister mit einem solchen Käppi, wie iches mir jetzt aufsetze, die Armen besucht – – Ich halte esnicht lange aus; es ist auch nicht eingetragen.
– Sie kennen sich da gut aus. Ich bin Zivildienstleisten-der im Krankenhaus gewesen. Ich musste es extra neubeschaffen. – Was ich sagen wollte, ist einfach Folgen-des: Wer diesen Würdebegriff ernst nimmt, muss sich soetwas überlegen. Ich habe es dem Minister übel genom-men, dass er in dieser Form in anderen Ländern aufge-taucht ist und uns dort so repräsentiert hat. Darüber warich sehr enttäuscht.
Das führt uns zu einem bestimmten Selbstverständ-nis. In der Rhein-Neckar-Zeitung – das ist die Zeitung,die in dem Wahlkreis wichtig ist, in dem Herr DirkNiebel früher zu Hause war – habe ich am 19. JanuarFolgendes gelesen –:Wenn es jemand hinkriegt, dieses Amt so neu auf-zustellen, dass es seinem Namen gerecht wird, dannich.
– Das habe ich mir gedacht. Ich glaube, dass es genaudieses Verständnis ist, das uns irritiert.Nehmen wir einfach einmal ein Beispiel: Im Novem-ber hat Kollege Niebel forsch 300 Millionen Euro fürdas Ministerium gefordert. Es wurden dann schließlich44 oder 67 Millionen Euro; wie viel genau, ist egal, je-denfalls sehr wenig.
Das heißt, die Forderung war schon fast um den Faktorzehn zu niedrig. Das Ergebnis war fast um den Faktor 40zu niedrig. Aber wen wundert’s? Wer etwas Falschesfordert, kann keine richtigen Ergebnisse zeitigen.
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Ich habe es immer gelesen.Die Einsparungen, die dort vorgeschlagen wurden,uchen wir in diesem Haushalt allerdings vergeblich.etzt vergleiche ich nicht die neue Regierung mit der al-n, sondern ich vergleiche die FDP-Vorstellungen vonestern mit den FDP-Handlungen von heute, und das istrlaubt. Das haben Sie bei uns auch gemacht. Das halteh für legitim.
Minus 125 000 Euro bei den Bezügen für Bundes-inister und Parlamentarische Staatssekretäre.
ehlanzeige! Davon kann man nicht viel finden, genauenommen gar nichts.
Minus 500 000 Euro bei der Öffentlichkeitsarbeit. –iese Streichung hätten wir uns gewünscht. Das warine super Idee, gegen die ich immer war. Aber diesmalt davon nichts zu finden.Minus 675 000 Euro bei Information und Kommuni-ation. – Da wird ein bisschen gekürzt, aber bei weitemeine 675 000 Euro.
Herr Kollege Binding, erlauben Sie eine Zwischen-age des Kollegen Koppelin?
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Im Moment möchte ich noch vortragen, weil das so
eine schöne Liste ist. Ich glaube, dass es geschickter ist,
wenn ich die erst einmal zu Ende führe.
Minus 105 Millionen Euro für das Integrierte Klima-
und Energieprogramm: Fehlanzeige. Das habe ich im
Haushalt nicht gefunden. Sie klären mich sicherlich
nachher auf.
Minus 600 000 Euro für die Überprüfung der deut-
schen entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Auch
dazu habe ich nichts gefunden.
Minus 1,5 Millionen Euro für die Forschung. Im
Haushalt finde ich nichts.
Minus 4 Millionen Euro für die entwicklungspoliti-
sche Bildung. Darüber haben wir uns immer sehr aufge-
regt. Im Haushalt finde ich nichts – was ich heute gut
finde. Aber gemessen an dem, was sich die FDP vorge-
nommen hat, ist das nichts.
Jetzt komme ich zu zwei interessanten Punkten: Mi-
nus 2 Millionen Euro für die Förderung entwicklungs-
wichtiger Vorhaben privater deutscher Träger. Was aber
finden wir im jetzigen Haushalt? Plus 10 Millionen
Euro. Das ist interessant. Was hat diesen Wandel indu-
ziert?
Minus 30 Millionen Euro für den entwicklungspoliti-
schen Freiwilligendienst. Als Begründung hieß es, dass
das nicht Sache des Bundes sei. Gott sei Dank hat es sich
inzwischen bis zum Minister herumgesprochen, dass
man diese Kürzung nicht vornehmen sollte.
Ich komme zur ODA-Quote und zu einem Stichwort,
das vorhin genannt wurde.
Herr Kollege Binding, – –
Wir machen es am Ende meiner Rede. Das ist besser
für meinen Redefluss.
Nein, das gehört in die Rede hinein. Er hat sich in der
Rede gemeldet.
Okay, Sie dürfen Ihre Zwischenfrage stellen.
Bitte schön.
Herr Kollege, vielen Dank. Sie nehmen wahrschein-
lich zum ersten Mal an Haushaltsberatungen, auch an
Beratungen zu diesem Etat teil. Deswegen können Sie
nicht wissen, dass in den Beratungen die Möglichkeit
besteht, Anträge einzubringen. Diese Gelegenheit haben
Sie auch.
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Wenn Sie jetzt stolz darauf sind, dass Sie den ach soiesen Haushaltsansatz von 5,8 Milliarden Euro diesesinflusslosen Ministeriums, den unsere Ministerin sei-erzeit im Parlament erreichen konnte, um 67 Millionenuro überschreiten, dann gebührt dieser Stolz, glaubeh, doch zum überwiegenden Teil den Vorarbeiten Ihrerorgängerin. Ich denke, das kann man lobend erwähnen.
as ist eine sehr gelungene Basis, auf der Sie im We-entlichen weiterarbeiten. Viele Ansätze sind völligleich geblieben.Die Struktur ist minimal verändert worden, allerdingsn einer gefährlichen Stelle. Darauf will ich näher einge-en. Lassen Sie mich ein paar nüchterne Zahlen nennen.981 – Sie wissen sicherlich noch ungefähr, was damalsar; es gab einen Regierungswechsel zu Schwarz-Gelb –etrug die ODA-Quote 0,47 Prozent. Nicht schlecht.Wie hoch war die ODA-Quote 1998 – nach einer ge-issen Zeit der schwarz-gelben Regierung? Kann das je-and raten? Sie hätte eigentlich steigen müssen. Davonar schließlich immer die Rede. Das meine ich mit An-trengung. Sie war auf 0,26 Prozent gesunken.
as war das Minimum auf der gesamten Zeitachse, aufie wir zurückblicken.Inzwischen beträgt die ODA-Quote ungefähr 0,40 Pro-ent. Damit können wir nicht zufrieden sein. Deshalbollen wir mehr. Wir wollen die ODA-Quote erfüllen.ber dafür ist gute Politik gefordert. Das wird unsereesslatte für Sie sein.Ich nenne einige Beispiele, was wir erwarten. Einesönnen Sie sich schon denken. Selbstverständlich wer-en wir bei unseren Deckungsvorschlägen von dem Be-ag ausgehen, den die Senkung des Mehrwertsteuersat-es für Hotels ausmacht. Das sind 1 Milliarde Euro nachorsichtiger Schätzung. Sie können aber auch die Rück-ahme der Sonderregelungen für internationale Kon-erne in den Blick nehmen. Sie nennen das Krisenbewäl-gung. Das muss offen gestanden falsch sein; denn dierise wollen wir überwinden, sodass eine dauerhafteücknahme bestimmter Elemente der Unternehmensteu-rreform 2008 keinen logischen Sinn ergibt.
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1346 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010
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Lothar Binding
Warum hat Minister Schäuble den Erlass zu den Steu-eroasen ausgesetzt, als ob es keine Abwanderung inSteueroasen mehr gäbe? Auch dazu haben wir einen De-ckungsvorschlag.
Hinzu kommen selbstverständlich der Erlös aus derVersteigerung der Emissionszertifikate und Rückflüsseaus der finanziellen Zusammenarbeit. Zu erwägen istauch, ob die Zahlungen an multilaterale Fonds nicht alsZuschuss, sondern als zinssubventioniertes Darlehen ge-währt werden können. Damit hätte man eine Hebelwir-kung. Außerdem sind sie anrechnungsfähig.Man könnte die ODA-Quote anheben und stabilisie-ren. Ich glaube, das wäre mit der Weltbank zu verhan-deln. Eventuell geht das sogar ohne Militärkäppi.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dagmar Wöhrl von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Es ist interessant, Herr Binding, dass Sie uns mit Zahlen
konfrontieren, aber einen gewissen Zeitraum auslassen,
nämlich die Jahre 1998 bis 2005. Denn in dieser Zeit ist
das Volumen des Haushalts gesunken,
und zwar um fast 130 Millionen Euro. Das lag nicht an
Ihrer Ministerin – denn wie wir alle wissen, hat sie wirk-
lich darum gekämpft –, sondern es lag am Kanzler.
Wir müssen auch sehen, zu welcher Zeit es zu einem
stetigen, 50-prozentigen Aufwuchs gekommen ist. Das
war unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel, weil es
für sie eine Herzensangelegenheit ist.
Die aktuelle Finanzmarktkrise wurde schon angespro-
chen.
Frau Kollegin Wöhrl, erlauben Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Hendricks?
Bitte, Frau Hendricks.
Frau Kollegin Wöhrl, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, dass die Daten, die Herr Binding gerade ge-
nannt hat, die ODA-Quote betreffen? Ich wiederhole:
Im Jahr 1991 lag die ODA-Quote bei 0,47 Prozent.
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ie haben durchaus recht: Er hat von der ODA-Quoteesprochen.
ber er hat einen falschen Eindruck erweckt. Deshalbabe ich darauf hingewiesen, dass das Volumen des hierur Diskussion stehenden Haushalts unter Rot-Grün ge-unken ist und dass das – ich glaube, dafür dürfen Sieankbar sein – nicht an Ihrer Ministerin gelegen hat. Dasat man später gemerkt; denn unter Frau Wieczorek-eul kam es dann zu einem großen Aufwuchs. Aber al-s in allem haben wir das primär unserer Kanzlerin zuerdanken. Das zeigen auch die Zahlen. Das war derrund, warum ich das erwähnt habe.
Die Finanzmarktkrise wurde vorhin kurz angespro-hen. Sie führt uns dramatisch vor Augen, wie sehr wirlobal vernetzt sind und dass wir uns nicht abschottenönnen. Ich erinnere daran, dass viele Experten gesagtaben, die Entwicklungsländer würden von der Finanz-arktkrise nicht so sehr betroffen sein, weil diese Län-er nicht solche Bankensysteme und eine solche Infra-truktur wie die Industrieländer hätten. Aber es ist ganznders gekommen. Die Finanzmarktkrise hat immensroße Spuren hinterlassen und auch vor den Entwick-ngsländern nicht haltgemacht. Das sieht man auch da-n, dass mit 20 Millionen Armen mehr gerechnet wird,enn das globale Wachstum um 1 Prozent abnimmt. Dereltbankpräsident hat veröffentlicht, dass die Zahl derrmsten Menschen aufgrund der Finanzmarktkrise um4 Millionen gestiegen ist. Daran kann man die Auswir-ungen dieser Krise erkennen. Die Herausforderungen,ie auf Deutschland und die anderen Geberländer zu-ommen werden, werden nicht geringer, sondern größererden. Das müssen wir uns vor Augen führen. Unsere
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010 1347
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Dagmar WöhrlSolidarität muss zunehmen. Wir müssen mehr globaleVerantwortung übernehmen.Nun geht es darum, wie wir die größere Verantwor-tung, die zukünftig auf uns zukommt, ausgestalten wol-len. Als Erstes heißt es immer, dass wir mehr Geld brau-chen. Ich glaube nicht, dass man alle Probleme lösenkann, indem man mehr Geld in die Hand nimmt. Quanti-tät ist nicht gleich Qualität. Es ist ein falscher Ansatz,den Problemen Geld hinterherzuwerfen. Dadurch ver-schwinden die Probleme nicht. Wir müssen zukünftigviel mehr darauf schauen, wofür und wie wir Geld aus-geben. Wir müssen damit viel bewusster umgehen, auch– schließlich sind wir in den Etatberatungen – mit Blickauf unseren Haushalt. Es wird nicht mehr werden. Wirmüssen konsolidieren und die Vorgaben der Schulden-bremse im Grundgesetz einhalten. Vor diesem Hinter-grund wird es zukünftig eine wichtige Aufgabe sein, dieGelder noch effizienter einzusetzen.Nun zum Thema „50 Jahre Entwicklungspolitik inAfrika“. Viele von Ihnen, die schon sehr lange – auch imzuständigen Fachausschuss – aktiv sind, haben in denletzten Jahren mit viel Herzblut und großer Intensitätbeim Aufbau in Afrika mitgewirkt. Wenn wir aber ehr-lich sind, können wir mit dem, was wir geschafft haben,nicht zufrieden sein.
Deswegen müssen wir auch in Zukunft kritisch bilanzie-ren und hinterfragen.Eine quantitative Erhöhung des Etats kann es nur ge-ben, wenn sie mit einer Reform der entwicklungspoli-tischen Instrumentarien einhergeht.
Der Minister hat bereits angesprochen, dass wir eine Re-form der Durchführungsorganisationen brauchen. Daswird nicht einfach werden. Am Anfang wirkt immer al-les schön und gut, und man spricht von Synergieeffektenund vielem mehr. Wenn es dann aber an die Umsetzunggeht, sieht das ganz anders aus; Frau Ministerin a. D.,Sie wissen noch, wie das gewesen ist. Herr Minister, ichwünsche Ihnen viel Erfolg. Unsere Unterstützung habenSie.Die Gründe, weswegen man Entwicklungspolitik be-treibt, sind sehr vielfältig. Natürlich gibt es humanitäreGründe. Wir sind uns alle einig, dass wir die Not und dasElend der Menschen lindern wollen. Dann gibt es sicher-heitspolitische Gründe. Wir wissen, dass die globalenRisiken zunehmen. Wenn wir nicht aufpassen, haben wirdiese Risiken ganz schnell bei uns im Land. Deswegenbetreiben wir Krisenprävention.Außerdem gibt es wirtschaftspolitische Gründe. Vielevon Ihnen, die viel gereist und vor Ort gewesen sind,wissen, dass die Entwicklungsländer sich selbst nichtgerne als Armutsländer sehen. Sie wollen nicht ewigEmpfängerländer bleiben, sondern haben ihren Stolz undwollen unabhängig werden und in der Zukunft eigenver-antwortlich handeln. Sie wissen, dass das nicht vonhwliKvRAdUAmmsgAadicgruhwAdsdlidtrFMw9ssmhsdrezk1ShsdgNtic
ür mich ist es hochinteressant, dass 50 Prozent dieserikrofinanzkredite von Frauen in Anspruch genommenerden und es einen immens hohen Rückfluss von5 Prozent gibt; das sind hervorragende Zahlen. Auf die-es Instrument müssen wir in Zukunft noch viel mehretzen.Wir dürfen die Entwicklungspolitik nicht nur als Ar-utsbekämpfung sehen, sondern es gehören auch nach-altige Wachstumsperspektiven dazu. In Zukunft müs-en wir uns noch viel mehr auf gezielte Investitionen inie Bildung und das Wissen der Menschen konzentrie-n. Herr Minister, ich bin froh, dass es im Haushaltsplanu einem Aufwuchs bei den Mitteln für die Bildung ge-ommen ist. Es gibt eine immense Bildungsarmut.40 Millionen Kinder und Jugendliche besuchen keinechule. Sie werden nie die Chance haben, aus der Armuterauszukommen, auch wenn wir noch so viel Geld hin-chicken. Das werden die verlorenen Generationen sein,ie man irgendwann nicht mehr zurückholen und inte-rieren kann. Weil die Bildungschancen, ähnlich wieahrung, ungleich in der Welt verteilt sind, ist es wich-g, dass wir Hilfe leisten, und zwar auch in der berufli-hen Bildung und im Tertiärbereich.
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Dagmar WöhrlDer Einzelplan 23 ist der zweitgrößte Investitions-haushalt. Das heißt für uns natürlich auch, dass wir einegroße Verantwortung tragen; denn es handelt sich umSteuergelder. Ich sage immer – ich bin jetzt seit 15 Jah-ren im Deutschen Bundestag –, dass wir nur der Treu-händer sind. Das ist nicht unser Geld. Deswegen muss esverantwortungsbewusst eingesetzt werden. Wir müssendie Verwendung überprüfen, und es muss legitim sein,dass die Gelder in deutschem Interesse verwendet wer-den.Wir dürfen auch keine Blankoschecks verteilen. DieBudgethilfe ist angesprochen worden. Es ist in diesemSaal viel über das Thema Budgethilfe diskutiert worden.Es ist wichtig, Kontrolle auszuüben; aber es ist auchwichtig, dass die Kriterien für die Budgethilfe, die auf-gestellt worden sind, eingehalten werden. Ob es umRechtsetzung oder um Menschenrechte geht, ist egal.Wir müssen einem Land auch einmal sagen: „Wir habendie Hilfe überprüft, und wir haben angemahnt, dass Kri-terien nicht eingehalten wurden“, und dann den Mut ha-ben, darüber nachzudenken, ob wir einem solchen Ent-wicklungsland weiter Budgethilfe geben. Dieses Rechtmuss uns vorbehalten bleiben.
Wenn wir unsere Entwicklungshilfe nicht als großzü-gige Armutshilfe, sondern als zeitlich begrenzte Hilfezur Selbsthilfe verstehen – das gilt auch für unsere Part-ner –, dann werden wir Erfolg haben. Es gibt das schöneBeispiel – Sie alle kennen es – vom Offizier Martin, derseinen Mantel mit einem Obdachlosen am Straßenrandteilt. Er gibt dem Obdachlosen die Hälfte des Mantels,was eine noble Geste ist. Was ist das Ergebnis dieser Ge-schichte? Wir haben einen Heiligen mehr, aber wir ha-ben keinen Armen weniger. Deshalb müssen wir dieEthik des Teilens mit der Ethik des Mehrens verbinden.Vielleicht habe ich es etwas überspitzt dargestellt. Aberwenn wir es schaffen, dass einer eine kleine Firma auf-macht, in der er Mäntel herstellt und vielleicht noch ei-nen Obdachlosen einstellt, damit sich dieser in Zukunftselber einen Mantel von seinem Geld kaufen kann, dannhaben wir das erreicht, was wir erreichen wollen. Wennwir unseren Haushalt nicht unter dem Aspekt der Ethikdes Teilens, sondern der Ethik des Mehrens sehen, dannsind wir auf dem richtigen Weg.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Niema Movassat von
der Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!SbdbdtehisHmDHssdeWnZbgBaBWenWkRdEuteWdzri
Beim genauen Hinsehen wird es noch schlimmer:err Niebel rechnet jetzt auch Gelder für Klimaschutz-aßnahmen in die Entwicklungszusammenarbeit ein.as ist nicht hinnehmbar. Die Industrieländer tragen dieauptverantwortung für den Klimawandel. Die afrikani-chen Staaten haben mit 3,5 Prozent des globalen Schad-toffausstoßes kaum zum Klimawandel beigetragen, lei-en aber am meisten unter den Folgen. Die Gelder sindine Wiedergutmachung und keine Entwicklungshilfe.er das heute nicht begreift, dessen Politik ist schlichticht zukunftsfähig.
udem werden derzeit sogar die Kosten für die Abschie-ung von Asylbewerbern in die Entwicklungshilfe ein-erechnet, ebenso die Baukosten für die Unterkünfte derundeswehr in Afghanistan. Das muss man sich einmaluf der Zunge zergehen lassen. Es grenzt schon fast anilanzfälschung, was im BMZ praktiziert wird.
Herr Niebel hat bereits in seiner kurzen Amtszeit dieeichen für die Entwicklungspolitik falsch gestellt. Dierste falsche Weichenstellung war die Ablehnung der Fi-anztransaktionsteuer.
o sollen denn, bitte schön, die zusätzlichen Mittel her-ommen, die Sie, Herr Niebel, richtigerweise für Ihressort fordern? Eine Börsenumsatzsteuer, wie sie voner Linksfraktion gefordert wird, würde 70 Milliardenuro Mehreinnahmen für den Bundeshaushalt schaffen
nd damit auch der Entwicklungszusammenarbeit zugu-kommen.
ir brauchen internationale Besteuerungsformen, mitenen wir die großen transnationalen Konzerne stärkerur Verantwortung ziehen; denn sie profitieren von nied-gen Arbeitslöhnen, den fehlenden Sozialleistungen und
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Niema Movassatden niedrigen Umweltstandards in den Ländern des Sü-dens.
Damit komme ich zum nächsten Herzthema vonHerrn Niebel: dem Wirken der deutschen Wirtschaftin Entwicklungsländern. Für den Entwicklungsminis-ter lässt sich gute Entwicklungszusammenarbeit an derHöhe der deutschen Investitionen im Ausland messen.Die Stichworte „Hungerbekämpfung“ und „Armutsmin-derung“ sind den Begriffen „deutsche Interessen“ und„privatwirtschaftliche Initiativen“ gewichen. Wenn dieEntwicklungspolitik, wie von der Bundesregierung an-gekündigt, stärker an Menschenrechten ausgerichtetwerden soll, dann muss das insbesondere für die Aktivi-täten der deutschen Wirtschaft im Ausland gelten.
Ein Negativbeispiel bietet ThyssenKrupp. DieserKonzern baut gerade ein Stahlwerk in einem geschütztenMangrovengebiet an der Küste Brasiliens. Dadurch wird40 000 Menschen der Weg zu Fischgründen abgeschnit-ten, und dadurch werden die Mangrovenwälder vonTrassen verwüstet. Kritiker des Stahlwerkes werden vonMilizen mit dem Tode bedroht, sodass sogar der Schutzdes brasilianischen Menschenrechtsschutzprogrammsnötig ist. Das ist hoffentlich nicht die Art von Auslands-investitionen, die Sie sich wünschen, Herr Niebel. Ichhoffe, dass Sie dazu klar Position beziehen.
Abschließend zu nennen ist die Frage der ländlichenEntwicklung – für den Entwicklungsminister nach eige-ner Aussage ein Kernthema. 80 Prozent der Hungerndenweltweit leben auf dem Land. Dennoch wurde der Anteilder Landwirtschaftsförderung an der Entwicklungshilfeder Industrieländer in den letzten Jahrzehnten von circa17 Prozent auf 3,7 Prozent zurückgefahren. Dabei kannnur die Unterstützung einer kleinbäuerlichen Landwirt-schaft die weltweite Hungerkrise eindämmen, unter dermittlerweile 1 Milliarde Menschen leiden. Zu diesem Er-gebnis kam auch der Weltagrarbericht.Notwendig ist es auch, sich offensiv gegen illegaleLandnahmen einzusetzen, durch die der Bevölkerungskrupellos die Ernährungsgrundlage entzogen wird. HerrNiebel, Sie haben recht, wenn Sie die unfairen Handels-beziehungen und die westliche Subventionspolitik fürdas Scheitern der bisherigen Entwicklungspolitik mit-verantwortlich machen. Aber dann muss sich die Bun-desregierung für die sofortige Abschaffung der Agrar-exportsubventionen einsetzen;
sonst ist Ihre Kritik unglaubwürdig. Hierbei geht esschließlich auch um Menschenleben.Entwicklungszusammenarbeit muss sich daran mes-sen lassen, ob sie tatsächlich zur Verminderung der Ar-mut und zur Friedenssicherung beiträgt und sich dabeiaswsVnwCreaKstäInKstirapdÜAgÖDn–tifüa5Hjag
Das Wort hat der Kollege Volkmar Klein von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-n! Als neugewählter Abgeordneter dachte ich, dass esuch innerhalb der Oppositionsfraktionen so etwas wieommunikation, vielleicht sogar innerfraktionelle Ab-timmungen gebe; aber offenbar habe ich mich da ge-uscht.
den letzten beiden Tagen habe ich häufig die massiveritik gehört, dass die Neuverschuldung viel zu hochei. Gleichzeitig habe ich mittlerweile mehrfach die Kri-k gehört, dass die Ausgaben an vielen Stellen und ge-de beim Einzelplan 23 viel zu gering seien. Beidesasst aber nicht zusammen. Vielleicht ist es die Strategieer Opposition, einfach erst einmal dagegen zu sein.berlegen Sie bitte einmal, ob Sie gegen zu geringeusgaben oder gegen zu hohe Schulden sind. Wenn Sieleichzeitig gegen beides sind, dann werden Sie in derffentlichkeit unglaubwürdig.
as ist einfach durchsichtig, und das werden wir Ihnenicht durchgehen lassen.
Da ist das Geschrei von Herrn Binding eher als Bestä-gung zu werten.Tatsächlich ist Lob für den Haushalt des Ministeriumsr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungngesagt. Dieser Einzelplan hat ein Volumen von,88 Milliarden Euro; das entspricht 1,8 Prozent unseresaushaltes. Es sind 67 Millionen Euro mehr als im Vor-hr veranschlagt. Das ist ein ordentlicher Aufwuchs ge-enüber dem Jahr 2009.
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Volkmar Klein– All Ihr Geschrei mag seine Berechtigung haben. Nochmehr zu fordern und noch mehr ausgeben zu wollen,klingt zunächst einmal sehr sympathisch. Aber wenn ichmich einmal so in deutschen Landen umschaue, dannstelle ich fest: In vielen Teilen Deutschlands nennt manLeute, die ständig lautstark etwas fordern, aber die Ver-antwortung dafür weder tragen müssen noch wollen,Maulhelden. Denen glaubt man nicht.
Wenn jemand obendrein selber in der Vergangenheit ent-sprechende Verantwortung getragen und sie nicht ge-nutzt hat, dann ist das noch viel schlimmer.Wir haben jetzt schon ein paar Mal die Zahlen gehört.Während der gesamten Zeit der rot-grünen Regierung istder Ansatz für den Einzelplan 23 um 125 Millionen Euroauf 3,9 Milliarden gesunken. Das ist doch eindeutig.Nun hat Frau Hendricks eben in einem, wie siemeinte, genialen Schachzug versucht, das zu entschuldi-gen.
Sie hat nämlich darauf hingewiesen, dass aufgrund vonMaßnahmen zum Schuldenerlass, zum Beispiel derHIPC-Initiative, die ODA-Quote viel höher gewesen sei.
– Liebe Frau Hendricks, ich bedanke mich dafür, dassSie das jetzt noch einmal bestätigen. Das macht Ihre de-saströse Bilanz noch viel schlimmer. Sie haben nämlichüber die entsprechenden Initiativen Schulden für Darle-hen, die zuvor von der Regierung Kohl gewährt wurden,erlassen. Das heißt, Sie haben Zuwächse bei der ODA-Quote geerntet, deren Grundlage zuvor von der Regie-rung Kohl gelegt worden ist.
Ganz abgesehen davon will ich in Erinnerung rufen,dass der jetzt vorliegende Regierungsentwurf einen um44 Millionen Euro höheren Ansatz aufweist als der vonder alten Regierung ursprünglich vorgesehene Entwurf.Deswegen sollten sich all diejenigen, die den niedrigerenAnsatz bereits befürwortet hatten, mit ihrem Geschreinicht so weit hervorwagen.Ich möchte noch auf die Ausführungen des KollegenHoppe eingehen, der das auf die ganz große moralischeEbene gehoben hat.
Wir stehen zu unserer Verpflichtung, auch jenseits unse-rer Grenzen Verantwortung zu übernehmen. Ichmöchte einmal eine Anleihe bei Albert Schweitzer ma-chen, der Wort und Tat in großartiger Art und Weise mit-einander verbunden hat. Er hat Moral bzw. Ethik – jenachdem, ob man auf den lateinischen oder griechischenBegriff zurückgreift – definiert, indem er gesagt hat:Nicht nur das eigene Wohl, sondern auch das Wohl deraehGtiedreKksliWdd–iswlerushdPwdsgIcwganwdsHdvdgavkwd
Wir geben aber nicht nur mehr Geld aus, sondernollen dieses Geld auch effizienter ausgeben. Wir wol-n eine Straffung und Neuorganisation der Durchfüh-ngsorganisationen in Angriff nehmen; das wurdechon gesagt. Wir wollen aber auch noch mehr auf nach-altige Wirtschaftsentwicklung setzen und diese inen Mittelpunkt rücken. Wirtschaftlich erfolgreicheartnerländer sind auch gut für uns in Deutschland.Drei Punkte möchte ich herausgreifen, die für michichtige Schwerpunkte darstellen:Erster Punkt ist der Bereich Klimaschutz. Allein iniesem Einzelplan werden wir 170 Millionen Euro zu-ätzlich für Klimaschutz ausgeben. Man kann formal sa-en, das ist die Antwort auf eine internationale Zusage.h würde aber sagen, dass uns dies auch inhaltlichichtig ist, weil es uns um den Schutz der Schöpfungeht.Zweiter Punkt, Afrika. Wir vergessen Afrika und diem wenigsten entwickelten Länder nicht. Auf diese Part-erländer entfallen 57 Prozent der Haushaltsmittel. Aberir wollen keine bloße Alimentierung der Armen, son-ern Hilfe zur Selbsthilfe. Wir sind eben kein Welt-ozialamt. Man sollte es noch einmal unterstreichen:ilfe zur Selbsthilfe, das ist das, worauf wir setzen.
Deshalb ist es so wichtig, Mikrokreditinitiativen inen Mittelpunkt zu stellen. Der Friedensnobelpreisträgeron 2006, Muhammad Yunus, hat einmal gesagt: In je-em Menschen steckt ein Unternehmer. – Ich bin nichtanz so optimistisch; vielleicht stimmt das nicht ganz,ber sicher doch weitgehend. Wenn es uns gelingt, inielen Menschen den Unternehmer zu wecken, dannönnen wir auch in vielen Menschen den Arbeitgeberecken. Genau das brauchen wir in Afrika. Bisher istas an vielen Stellen leider nicht ausreichend gelungen.
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Volkmar Klein
Dritter Punkt. Wir sollten weniger nur in staatlichenStrukturen denken. Zu Hause, in unserer sozialen Markt-wirtschaft, lassen wir den Staat doch auch nicht allesmachen. Aber sobald wir in Afrika helfen wollen, ver-gessen wir oft unsere guten Erfahrungen und setzen vielzu viel auf Staat und Plan.
Deshalb war es uns wichtig, in diesem Haushalt die Mit-tel für die Förderung der entwicklungswichtigen Vorha-ben der Kirchen, Stiftungen und anderer Nichtregie-rungsorganisationen zu erhöhen.
Meine Damen und Herren, mit dem Haushalt werdenwir unserer Verantwortung gerecht. Aber angesichts des-sen, wie wenig bisher in Afrika trotz horrender Summenerreicht wurde, sind Fragen bezüglich der Effizienz derbisherigen Hilfe und Instrumente sicherlich sehr berech-tigt.
Deshalb ist es wichtig, mehr als bisher zu evaluieren,wie erfolgreich wir eigentlich sind.Ich denke, dass wir gemeinsam mit unseren Partner-ländern in Zukunft erfolgreicher im Kampf gegen Armutsein müssen, dass wir da wirklich engagiert sein müssen.Ich finde es etwas schofel, wenn hier der heutigen Re-gierung weniger Engagement für die Armen in Afrikaund in aller Welt unterstellt wurde. Das sollten Sie inIhre Mottenkiste zurückpacken. Wir wollen mit großemEngagement unserer Verantwortung gerade für die Men-schen in Afrika gerecht werden. Das verbindet uns nichtnur mit dem Banker Muhammad Yunus in Bangladesch,sondern ebenso mit dem Minister, und dem wird auchunser Etat gerecht. In diesem Sinne sollten wir gemein-sam erfolgreich arbeiten.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Klein, ich gratuliere Ihnen im Namen
des Hauses zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundes-
tag.
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
das Wort der Kollege Dr. Sascha Raabe von der SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Kollege Klein, da das Ihre erste Rede war,
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Ich habe heute Vormittag einen Berliner Radiosender
ehört, der zu Spenden für die Erdbebenopfer in Haiti
ufgerufen hat. Da hat ein junger Mann angerufen und
esagt, er habe selbst genug Probleme und auch
eutschland habe genug Probleme; er halte es für einen
kandal, dass so viel Geld für Haiti gespendet werde und
o viele Steuergelder dorthin fließen würden. Ich habe
ich in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass
irk Niebel wenige Monate zuvor ganz ähnlich argu-
entiert hat, als wir den ärmsten Ländern zur Milderung
er Folgen der Krise 100 Millionen Euro im Rahmen der
onjunkturpakete in Höhe von insgesamt 80 Milliarden
uro zur Verfügung stellen wollten. Damals hat Dirk
iebel gesagt, wir sollten mit dem Geld lieber
000 Lehrer in Deutschland einstellen, als es in Afrika
u verpulvern.
Ich bin stolz auf die Bürgerinnen und Bürger, die sich
urch solche Stammtischparolen nicht davon abhalten
ssen, zu spenden. Das ist eine hervorragende Haltung.
Herr Niebel, ich habe mich damals als Kollege für Sie
eschämt. Es wird Sie vielleicht wundern, wenn ich
age, dass ich über den Haushaltsentwurf, den Sie hier
orgelegt haben, nicht enttäuscht bin; denn ich habe
ichts anderes von Ihnen erwartet.
Enttäuscht bin ich aber von der Bundeskanzlerin, von
rau Merkel, die die Gesamtverantwortung für diesen
aushalt trägt; denn sie hat in den letzten Jahren immer
ieder versprochen, dass sie die Mittel für die Entwick-
ngszusammenarbeit gemäß dem im Jahr 2005 in der
uropäischen Union vereinbarten ODA-Stufenplan
teigern wird, sodass im Jahr 2010 0,51 Prozent des
ruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusam-
enarbeit zur Verfügung stehen. Frau Merkel hat sich
afür auf Kirchentagen und bei Zusammentreffen mit
ünstlern wie Bono feiern lassen. Auch gestern auf der
DF-Spendengala hat sie ein entsprechendes Bild abge-
eben. Sie hat gönnerhaft 2,5 Millionen Euro für Haiti
ugesagt. Aber an der Stelle, auf die es ankommt, näm-
ch für die ärmsten Menschen der Welt – das sind 3 Mil-
arden Menschen, die in Armut leben, und 1 Milliarde
enschen, die hungern – im Haushalt eine Hilfe vorzu-
ehen, hat sie ihr Versprechen eiskalt gebrochen.
as dürfen wir ihr nicht durchgehen lassen.
Herr Kollege Raabe, erlauben Sie eine Zwischenfrageer Kollegin Hendricks?)
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1352 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Januar 2010
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Ja, gerne.
Bitte schön, Frau Hendricks.
Herr Kollege Raabe, Sie haben gerade en passant mit-
geteilt, dass die Bundeskanzlerin die Erhöhung der Mit-
tel aus dem Bundeshaushalt zugunsten der Opfer in Haiti
von 7,5 Millionen Euro um 2,5 Millionen Euro auf nun-
mehr 10 Millionen Euro im Rahmen einer Spendengala
mitgeteilt hat. Wir haben vorhin schon einmal über
Würde gesprochen. Halten Sie es der Würde des Amtes
der Bundeskanzlerin für angemessen, dass sie dies bei
einer solchen Gelegenheit tat, bei der es doch eigentlich
darum ging,
Spenden von Privaten und Unternehmen zu generieren?
Wäre es nicht angemessener gewesen, wenn dies im
deutschen Parlament geschehen wäre?
Frau Kollegin, ich würde mir wünschen, dass man im
Rahmen einer solchen Gala die privaten Spenden her-
vorhebt und nicht die Zusage von staatlichen Mitteln be-
kannt gibt. Sie haben vor allem dahin gehend recht, dass
es sich bei dieser ZDF-Gala um einen sehr späten Zeit-
punkt gehandelt hat, sich zu dieser Katastrophe zu
äußern. Als es die Tsunamikatastrophe gab, ist Bundes-
kanzler Gerhard Schröder gemeinsam mit der Entwick-
lungsministerin vorangeschritten und hat in vorbildlicher
Weise große Summen zur Verfügung gestellt. Er hat in
der Europäischen Union bei der Hilfe eine Führungsrolle
übernommen.
Ich muss schon sagen, dass das Krisenmanagement
der Bundesregierung einschließlich des Entwick-
lungsministers, was das Erdbeben auf Haiti angeht, sehr
zurückhaltend gewesen ist. Ich hätte mir das Engage-
ment gewünscht, das damals Gerhard Schröder und
Heidemarie Wieczorek-Zeul bei der Tsunamikatastrophe
an den Tag gelegt haben. Ich gebe Ihnen da vollkommen
recht.
Ich möchte auf das Versprechen der Bundeskanzlerin,
das sie immer wieder gegeben hat, zurückkommen. Da
sie heute in ihrer Rede nichts zur internationalen
Armutsbekämpfung gesagt hat, zitiere ich aus ihrer Re-
gierungserklärung vom 30. November 2005:
Wir haben uns deshalb dazu verpflichtet, … bis
2010 mindestens 0,51 Prozent … des Brutto-
inlandsproduktes für die öffentliche Entwicklungs-
arbeit aufzubringen. Ich weiß, was ich da sage.
Frau Merkel sagte am 30. Januar 2009 auf dem Welt-
wirtschaftsforum in Davos:
Wir dürfen die weltweite Armutsbekämpfung nicht
aus dem Blick verlieren. Deutschland hat auch für
das Haushaltsjahr 2009 – und das wird auch im
Haushaltsjahr 2010 so sein – Steigerungsraten
beträchtlicher Art bei den Ausgaben für Entwick-
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Wir brauchen den ODA-Stufenplan, weil jeden Tag
5 000 Menschen an den Folgen von Hunger und Armut
terben. Das entspricht, auf zehn Tage gerechnet, einem
tillen Tsunami oder einem stillen Erdbeben in der Di-
ension der Katastrophe von Haiti. Insofern ist es un-
laubwürdig, wenn man sich jetzt herausredet und be-
auptet, dass man schon irgendwie bis zum Jahr 2015
ine ODA-Quote von 0,7 Prozent erreichen wird.
Es ist in der Tat peinlich, wenn sich ausgerechnet der
ntwicklungsminister gegen eine Finanztransaktionsteuer
ehrt. Eigentlich müsste er mit der Fahne voranschrei-
n und dafür werben, dass nicht die Entwicklungsländer
ie Misere ausbaden müssen, die ihnen Börsenzocker
ingebrockt haben. Die Entwicklungsländer könnten mit
em Geld ihre Not lindern. Herr Niebel schont aber Bör-
enzocker und lässt dafür die Ärmsten in der Welt im
tich. Das ist eine Schande. Das spiegelt auch der Haus-
altsentwurf wider.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, den 21. Januar 2010,
Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.