Protokoll:
15014

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 14

  • date_rangeDatum: 5. Dezember 2002

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:15 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Wahl des Abgeordneten Dieter Wiefelspütz als ordentliches Mitglied und der Abgeordne- ten Kerstin Griese als stellvertretendes Mit- glied des Kuratoriums der Stiftung „Erinne- rung, Verantwortung und Zukunft“ . . . . . . . . 1011 A Begrüßung des neuen Abgeordneten Jerzy Montag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1011 A Tagesordnungspunkt 4: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem NATO-geführten Einsatz auf mazedonischem Territorium zur wei- teren Stabilisierung des Friedenspro- zesses und zum Schutz von Beobach- tern internationaler Organisationen im Rahmen der weiteren Implemen- tierung des politischen Rahmenab- kommens vom 13. August 2001 auf derGrundlage des Ersuchens des ma- zedonischen Präsidenten Trajkovski vom 21. November 2002 und der Re- solution 1371 (2001) des Sicherheits- rates der Vereinten Nationen vom 26. September 2001 (Drucksachen 15/127, 15/156) . . . . . . 1011 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 15/157) . . . . . . . . . . . 1011 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 1024 B Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1025 A b) Antrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Rainer Brüderle, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Für eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Südosteuropa zur politischen Stabilisierung der Balkanregion (Drucksache 15/56) . . . . . . . . . . . . . . . 1011 C Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär BMVg 1011 D Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1012 D Dr. Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1014 D Dr. Rainer Stinner FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 1015 D Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . 1017 B Ursula Lietz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 1018 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 1019 D Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 1021 A Siegfried Helias CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 1021 C Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 1022 C Dr. Ludger Volmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1022 D Verena Wohlleben SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 1023 B Tagesordnungspunkt 5: Wahlen zu Gremien a) Richterwahlausschuss gemäß § 5 des Richterwahlgesetzes (Drucksachen 15/138, 15/139) . . . . . . 1024 D Ergebnis der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1028 D Plenarprotokoll 15/14 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 14. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 I n h a l t : b) Wahlausschuss gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfas- sungsgericht (Drucksachen 15/140, 15/141) . . . . . . 1027 B Ergebnis der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1041 A c) Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der FDP: – Einsetzung des Parlamentari- schen Kontrollgremiums gemäß §§ 4 und 5 Abs. 4 des Gesetzes über die parlamentarische Kon- trolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontroll- gremiumgesetz) (Drucksache 15/142) . . . . . . . . . . . 1028 A – Wahl der Mitglieder des Parla- mentarischen Kontrollgremiums gemäß §§ 4 und 5 Abs. 4 des Gesetzes über die parlamentari- sche Kontrolle nachrichtendienst- licher Tätigkeit des Bundes (Kon- trollgremiumgesetz) (Drucksache 15/143) . . . . . . . . . . . 1028 A Ergebnis der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1041 B d) Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: . . . . . . . . . . . 1028 C – Einsetzung des Gremiums gemäß § 4 a des Bundeswertpapierver- waltungsgesetzes (Drucksache 15/144) . . . . . . . . . . . 1028 C – Wahl der Mitglieder des Gremi- ums gemäß § 4 a des Bundeswert- papierverwaltungsgesetzes (Drucksache 15/145) . . . . . . . . . . . 1028 C Ergebnis der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1044 D e) Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: – Einsetzung des Vertrauensgremi- ums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bun- deshaushaltsordnung (Drucksache 15/146) . . . . . . . . . . . 1029 A – Wahl der Mitglieder des Vertrau- ensgremiums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshausaltsordnung (Drucksache 15/147) . . . . . . . . . . . 1029 A Ergebnis der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1044 C f) GemeinsamerAusschuss nach Art. 53 a des Grundgesetzes (Drucksache 15/148) . . . . . . . . . . . . . . 1029 C g) Wahlprüfungsausschuss gemäß § 3 Abs. 2 des Wahlprüfungsgesetzes (Drucksache 15/152) . . . . . . . . . . . . . . 1029 C h) Gremium gemäß § 41 Abs. 5 des Außenwirtschaftsgesetzes (Drucksache 15/153) . . . . . . . . . . . . . . 1029 C i) Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: . . . . . . . . . . . 1029 D – Einsetzung des Gremiums nach Art. 13 Abs. 6 Grundgesetz (Drucksache 15/154) . . . . . . . . . . . 1029 D – Wahl der Mitglieder des Gremi- ums nach Artikel 13 Abs. 6 Grundgesetz (Drucksache 15/155) 1029 D Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2003 (Haushaltsgesetz 2003) (Drucksache 15/150) . . . . . . . . . . . . . . 1030 A b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2002 (Nach- tragshaushaltsgesetz 2002) (Drucksache 15/149) . . . . . . . . . . . . . . 1030 A c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über den Stand und die voraussichtliche Ent- wicklung der Finanzwirtschaft des Bundes (Drucksache 15/151) . . . . . . . . . . . . . . 1030 A Einzelplan 09 Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA 1030 B Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 1034 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1037 B Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1039 A Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1041 C Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . 1042 C Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . . . . . . . 1045 A Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1046 C Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1048 C Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1050 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002II Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . 1053 A Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 1055 A Johannes Singhammer CDU/CSU . . . . . . . . 1056 A Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1058 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . 1058 C Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . 1059 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 1060 C Hans Eichel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1062 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 1063 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Dr. Angela Merkel, Michael Glos, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Ein- setzung eines Untersuchungsausschus- ses (Drucksache 15/125) . . . . . . . . . . . . . . . . 1063 C Peter Altmaier CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 1063 C Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . 1065 C Laurenz Meyer (Hamm) CDU/CSU . . . . 1066 D Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1068 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1068 D Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU 1070 C Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1071 D Hermann Bachmaier SPD . . . . . . . . . . . . . . . 1072 C Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 1074 A Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . 1074 C Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Fristen und Bezeichnungen im Neunten Buch Sozial- gesetzbuch und zur Änderung anderer Gesetze (Drucksache 15/124) . . . . . . . . . . . . . . . . 1075 D Einzelplan 15 Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . . 1075 D Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 1079 A Birgitt Bender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1082 D Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . 1083 B Waltraud Lehn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1084 C Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 1085 A Dr. Dieter Thomae FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 1085 C Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1086 D Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 1089 A Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1091 A Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . . . . . . 1091 C Eckhart Lewering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 1092 C Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . 1092 D Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . 1094 C Markus Kurth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1095 C Dr. Michael Luther CDU/CSU . . . . . . . . . . . 1096 B Einzelplan 12 Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1098 A Eduard Oswald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 1101 B Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1103 D Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . 1105 B Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1106 B Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 1107 A Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 1107 D Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1109 D Peter Hettlich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1110 C Eberhard Otto (Godern) FDP . . . . . . . . . . . . 1111 D Norbert Königshofen CDU/CSU . . . . . . . . . 1112 D Wolfgang Spanier SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 1114 B Gero Storjohann CDU/CSU . . . . . . . . . . 1116 B Klaus Minkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 1117 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1119 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 1121 A Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, die an der Wahl zum Rich- terwahlausschuss gemäß § 5 des Richterwahl- gesetzes teilgenommen haben . . . . . . . . . . . . 1121 B Anlage 3 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, die an der Wahl zum Wahlausschuss gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht teilgenom- men haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1124 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 III Anlage 4 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, die an der Wahl der Mitglie- der des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß §§ 4 und 5 Abs. 4 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstli- cher Tätigkeit des Bundes teilgenommen haben 1126 A Anlage 5 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, die an der Wahl der Mit- glieder des Gremiums gemäß § 4 a des Bun- deswertpapierverwaltungsgesetzes teilgenom- men haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1129 A Anlage 6 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, die an der Wahl der Mit- glieder des Vertrauensgremiums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung teilge- nommen haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1131 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002IV (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1011 14. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 Beginn: 9.00 Uhr
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    Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1121 (C) (D) (A) (B) Borchert, Jochen CDU/CSU 05.12.2002 Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 05.12.2002 Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 05.12.2002 Hartmut Caesar, Cajus CDU/CSU 05.12.2002 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 05.12.2002 Herta Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 05.12.2002 Großmann, Achim SPD 05.12.2002 Hofbauer, Klaus CDU/CSU 05.12.2002 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 05.12.2002 Kubicki, Wolfgang FDP 05.12.2002 Möllemann, Jürgen W. FDP 05.12.2002 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an derWahl zum Richterwahlausschuss gemäß § 5 des Richtergesetzes teilgenommen haben SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr (Neuruppin) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel (Berlin) Klaus Barthel (Starnberg) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding (Heidelberg) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner (Ingolstadt) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich (Mettmann) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack (Extertal) Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann (Wackernheim) Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann (Chemnitz) Walter Hoffmann (Darmstadt) Iris Hoffmann (Wismar) Frank Hofmann (Volkach) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 20021122 (A) (B) (C) (D) Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Heinz Köhler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg) Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Christoph Matschie Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller (Düsseldorf) Christian Müller (Zittau) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann (Bramsche) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel Riemann- Hanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer (Nürnberg) Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Heinz Schmitt (Berg) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Brigitte Schulte (Hameln) Swen Schulz (Spandau) Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag- Wolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt (Pforzheim) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek (Böhlen) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Paul Breuer Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner (Schönebeck) Manfred Carstens (Emstek) Peter H. Carstensen (Nordstrand) Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Albert Deß Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Tanja Gönner Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Martin Hohmann Joachim Hörster Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Volker Kauder Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler (Wiesbaden) Manfred Kolbe Norbert Königshofen (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1123 Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn (Zingst) Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Dr. Norbert Lammert Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) Patricia Lips Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski (Recklinghausen) Stephan Mayer (Altötting) Conny Mayer (Baiersbronn) Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer (Hamm) Doris Meyer (Tapfheim) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Stefan Müller (Erlangen) Bernward Müller (Gera) Bernd Neumann (Bremen) Henry Nitzsche Claudia Nolte Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Melanie Oßwald Eduard Oswald Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard (Dresden) Katherina Reiche Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Roedel Franz Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Albert Rupprecht (Weiden) Peter Rzepka Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Andreas Scheuer Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Andreas Schmidt (Mülheim) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Heinz Seiffert Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Michaela Tadjadod Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Angelika Volquartz Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Peter Weiß (Emmendingen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Ingo Wellenreuther Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Willi Zylajew BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer (Frankfurt) Katrin Dagmar Göring- Eckardt Anja Hajduk Winfried Hermann Antje Hermenau Peter Hettlich Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt (Hitzhofen) Werner Schulz (Berlin) Petra Selg Ursula Sowa Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Hubert Ulrich Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Antje Vollmer Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf (Frankfurt) FDP Daniel Bahr (Münster) Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Helga Daub Dr. Christian Eberl Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Horst Friedrich (Bayreuth) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Christoph Hartmann (Homburg) Klaus Haupt Ulrich Heinrich Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Jürgen Koppelin Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Eberhard Otto (Godern) Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Andreas Pinkwart Marita Sehn Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein fraktionslos Dr. Gesine Lötzsch Petra Pau Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 20021124 (A) (B) (C) (D) SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr (Neuruppin) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel (Berlin) Klaus Barthel (Starnberg) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding (Heidelberg) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner (Ingolstadt) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich (Mettmann) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack (Extertal) Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann (Wackernheim) Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann (Chemnitz) Walter Hoffmann (Darmstadt) Iris Hoffmann (Wismar) Frank Hofmann (Volkach) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Heinz Köhler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg) Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Christoph Matschie Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller (Düsseldorf) Christian Müller (Zittau) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann (Bramsche) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel Riemann- Hanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer (Nürnberg) Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Heinz Schmitt (Berg) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Brigitte Schulte (Hameln) Swen Schulz (Spandau) Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag- Wolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt (Pforzheim) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Anlage 3 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an derWahl zum Wahlausschuss gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht teilgenommen haben (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1125 Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek (Böhlen) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Paul Breuer Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner (Schönebeck) Manfred Carstens (Emstek) Peter H. Carstensen (Nordstrand) Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Albert Deß Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Enak Ferlemann Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Tanja Gönner Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Martin Hohmann Joachim Hörster Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Volker Kauder Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler (Wiesbaden) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn (Zingst) Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Dr. Norbert Lammert Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) Patricia Lips Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski (Recklinghausen) Stephan Mayer (Altötting) Conny Mayer (Baiersbronn) Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer (Hamm) Doris Meyer (Tapfheim) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Stefan Müller (Erlangen) Bernward Müller (Gera) Bernd Neumann (Bremen) Henry Nitzsche Claudia Nolte Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Melanie Oßwald Eduard Oswald Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard (Dresden) Katherina Reiche Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Roedel Franz Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Albert Rupprecht (Weiden) Peter Rzepka Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Andreas Scheuer Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Andreas Schmidt (Mülheim) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Heinz Seiffert Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Michaela Tadjadod Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Angelika Volquartz Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Peter Weiß (Emmendingen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Ingo Wellenreuther Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Willi Zylajew BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr (Neuruppin) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel (Berlin) Klaus Barthel (Starnberg) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding (Heidelberg) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner (Ingolstadt) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich (Mettmann) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack (Extertal) Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann (Wackernheim) Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann (Chemnitz) Walter Hoffmann (Darmstadt) Iris Hoffmann (Wismar) Frank Hofmann (Volkach) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Heinz Köhler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 20021126 (A) (B) (C) (D) Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer (Frankfurt) Katrin Dagmar Göring-Eckardt Anja Hajduk Winfried Hermann Antje Hermenau Peter Hettlich Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt (Hitzhofen) Werner Schulz (Berlin) Petra Selg Ursula Sowa Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Hubert Ulrich Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Antje Vollmer Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf (Frankfurt) FDP Daniel Bahr (Münster) Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Helga Daub Dr. Christian Eberl Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Horst Friedrich (Bayreuth) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Christoph Hartmann (Homburg) Klaus Haupt Ulrich Heinrich Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Jürgen Koppelin Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Eberhard Otto (Godern) Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Andreas Pinkwart Marita Sehn Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein fraktionslos Dr. Gesine Lötzsch Petra Pau Anlage 4 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an derWahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß §§ 4 und 5 Abs. 4 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes teilgenommen haben (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1127 Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg) Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Christoph Matschie Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller (Düsseldorf) Christian Müller (Zittau) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann (Bramsche) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel Riemann- Hanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer (Nürnberg) Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Heinz Schmitt (Berg) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Brigitte Schulte (Hameln) Reinhard Schultz (Everswinkel) Swen Schulz (Spandau) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag- Wolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt (Pforzheim) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek (Böhlen) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Paul Breuer Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner (Schönebeck) Manfred Carstens (Emstek) Peter H. Carstensen (Nordstrand) Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Albert Deß Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Tanja Gönner Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Martin Hohmann Joachim Hörster Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Volker Kauder Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler (Wiesbaden) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn (Zingst) Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Dr. Norbert Lammert Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) Patricia Lips Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski (Recklinghausen) Stephan Mayer (Altötting) Conny Mayer (Baiersbronn) Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer (Hamm) Doris Meyer (Tapfheim) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Stefan Müller (Erlangen) Bernward Müller (Gera) Bernd Neumann (Bremen) Henry Nitzsche Claudia Nolte Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Melanie Oßwald Eduard Oswald Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard (Dresden) Katherina Reiche Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Roedel Franz Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Albert Rupprecht (Weiden) Peter Rzepka Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Andreas Scheuer Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Andreas Schmidt (Mülheim) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Heinz Seiffert Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Michaela Tadjadod Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Angelika Volquartz Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Peter Weiß (Emmendingen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Ingo Wellenreuther Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Willi Zylajew BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer (Frankfurt) Katrin Dagmar Göring- Eckardt Anja Hajduk Winfried Hermann Antje Hermenau Peter Hettlich Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Albert Schmidt (Hitzhofen) Werner Schulz (Berlin) Petra Selg Ursula Sowa Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Hubert Ulrich Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Antje Vollmer Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf (Frankfurt) FDP Daniel Bahr (Münster) Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Helga Daub Dr. Christian Eberl Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Horst Friedrich (Bayreuth) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Christoph Hartmann (Homburg) Klaus Haupt Ulrich Heinrich Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Jürgen Koppelin Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Eberhard Otto (Godern) Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Andreas Pinkwart Marita Sehn Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein fraktionslos Dr. Gesine Lötzsch Petra Pau Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 20021128 (A) (B) (C) (D) (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1129 SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr (Neuruppin) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel (Berlin) Klaus Barthel (Starnberg) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding (Heidelberg) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner (Ingolstadt) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich (Mettmann) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack (Extertal) Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann (Wackernheim) Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann (Chemnitz) Walter Hoffmann (Darmstadt) Iris Hoffmann (Wismar) Frank Hofmann (Volkach) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Heinz Köhler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg) Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Christoph Matschie Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller (Düsseldorf) Christian Müller (Zittau) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann (Bramsche) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel Riemann- Hanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer (Nürnberg) Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Heinz Schmitt (Berg) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Brigitte Schulte (Hameln) Reinhard Schultz (Everswinkel) Swen Schulz (Spandau) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag- Wolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt (Pforzheim) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Anlage 5 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an derWahl der Mitglieder des Gremiums gemäß § 4 a des Bundeswertpapierverwaltungsgesetzes teilgenommen haben Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek (Böhlen) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Paul Breuer Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner (Schönebeck) Manfred Carstens (Emstek) Peter H. Carstensen (Nordstrand) Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Albert Deß Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Tanja Gönner Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Martin Hohmann Joachim Hörster Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Volker Kauder Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler (Wiesbaden) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues Werner Kuhn (Zingst) Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Dr. Norbert Lammert Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) Patricia Lips Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski (Recklinghausen) Stephan Mayer (Altötting) Conny Mayer (Baiersbronn) Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer (Hamm) Doris Meyer (Tapfheim) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Stefan Müller (Erlangen) Bernward Müller (Gera) Bernd Neumann (Bremen) Henry Nitzsche Claudia Nolte Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Melanie Oßwald Eduard Oswald Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard (Dresden) Katherina Reiche Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Roedel Franz Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Albert Rupprecht (Weiden) Peter Rzepka Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Andreas Scheuer Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Andreas Schmidt (Mülheim) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Heinz Seiffert Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Michaela Tadjadod Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Angelika Volquartz Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Peter Weiß (Emmendingen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Ingo Wellenreuther Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 20021130 (A) (B) (C) (D) (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1131 Willi Zylajew BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer (Frankfurt) Katrin Dagmar Göring- Eckardt Anja Hajduk Winfried Hermann Antje Hermenau Peter Hettlich Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt (Hitzhofen) Werner Schulz (Berlin) Petra Selg Ursula Sowa Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Hubert Ulrich Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Antje Vollmer Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf (Frankfurt) FDP Daniel Bahr (Münster) Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Helga Daub Dr. Christian Eberl Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Horst Friedrich (Bayreuth) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Christoph Hartmann (Homburg) Klaus Haupt Ulrich Heinrich Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Jürgen Koppelin Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Eberhard Otto (Godern) Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Andreas Pinkwart Marita Sehn Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein fraktionslos Dr. Gesine Lötzsch Petra Pau SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr (Neuruppin) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel (Berlin) Klaus Barthel (Starnberg) Sören Bartol Sabine Bätzing Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding (Heidelberg) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner (Ingolstadt) Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich (Mettmann) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf (Rosenheim) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack (Extertal) Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann (Wackernheim) Anke Hartnagel Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann (Chemnitz) Walter Hoffmann (Darmstadt) Iris Hoffmann (Wismar) Frank Hofmann (Volkach) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Renate Jäger Jann-Peter Janssen Klaus Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Heinz Köhler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Anlage 6 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an derWahl der Mitglieder des Vertrauensgremiums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung teilgenommen haben Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 20021132 (A) (B) (C) (D) Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Dr. Hans-Ulrich Krüger Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg) Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dirk Manzewski Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Christoph Matschie Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller (Düsseldorf) Christian Müller (Zittau) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann (Bramsche) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel Riemann- Hanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Horst Schmidbauer (Nürnberg) Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Heinz Schmitt (Berg) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Brigitte Schulte (Hameln) Reinhard Schultz (Everswinkel) Swen Schulz (Spandau) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie Sonntag- Wolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt (Pforzheim) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Reinhard Weis (Stendal) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek (Böhlen) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Dietrich Austermann Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Paul Breuer Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner (Schönebeck) Manfred Carstens (Emstek) Peter H. Carstensen (Nordstrand) Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Albert Deß Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Tanja Gönner Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Helmut Heiderich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Martin Hohmann Joachim Hörster Hubert Hüppe Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Volker Kauder Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler (Wiesbaden) Manfred Kolbe Norbert Königshofen Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Dr. Hermann Kues (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1133 Werner Kuhn (Zingst) Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Dr. Norbert Lammert Barbara Lanzinger Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link (Diepholz) Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) Patricia Lips Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski (Reck- linghausen) Stephan Mayer (Altötting) Conny Mayer (Baiersbronn) Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer (Hamm) Doris Meyer (Tapfheim) Maria Michalk Hans Michelbach Klaus Minkel Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Stefan Müller (Erlangen) Bernward Müller (Gera) Bernd Neumann (Bremen) Henry Nitzsche Claudia Nolte Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Melanie Oßwald Eduard Oswald Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard (Dresden) Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Roedel Franz Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Albert Rupprecht (Weiden) Peter Rzepka Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Andreas Scheuer Norbert Schindler Georg Schirmbeck Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Andreas Schmidt (Mülheim) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Heinz Seiffert Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Michael Stübgen Michaela Tadjadod Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Angelika Volquartz Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Peter Weiß (Emmendingen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Ingo Wellenreuther Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Wolfgang Zöller Willi Zylajew BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer (Frankfurt) Katrin Dagmar Göring-Eckardt Anja Hajduk Winfried Hermann Antje Hermenau Peter Hettlich Ulrike Höfken Thilo Hoppe Michaele Hustedt Fritz Kuhn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt (Hitzhofen) Werner Schulz (Berlin) Petra Selg Ursula Sowa Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Hubert Ulrich Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Antje Vollmer Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf (Frankfurt) FDP Daniel Bahr (Münster) Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Helga Daub Dr. Christian Eberl Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Horst Friedrich (Bayreuth) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Christoph Hartmann (Homburg) Klaus Haupt Ulrich Heinrich Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Jürgen Koppelin Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Eberhard Otto (Godern) Detlef Parr Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Andreas Pinkwart Marita Sehn Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein fraktionslos Dr. Gesine Lötzsch Petra Pau Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501400000

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Sitzung ist eröffnet.
In das Kuratorium der Stiftung „Erinnerung, Verant-

wortung und Zukunft“ soll auf Vorschlag der Fraktion der
SPD für die ehemalige Abgeordnete Ulla Jelpke der Kol-
lege Dr. Dieter Wiefelspütz als ordentliches und für den
ehemaligen Abgeordneten Dr. Heinrich Fink die Kollegin
Kerstin Griese als stellvertretendes Mitglied entsandt wer-
den. Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen benennt
für den ehemaligen Abgeordneten Christian Simmert
als neues stellvertretendes Mitglied den Kollegen Jerzy
Montag.

Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden? – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann sind die Kollegin und die
Kollegen hiermit entsandt.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

richts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

zu dem Antrag der Bundesregierung
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an dem NATO-geführten Einsatz auf mazedo-
nischem Territorium zur weiteren Stabilisie-
rung des Friedensprozesses und zum Schutz
von Beobachtern internationaler Organisa-
tionen im Rahmen der weiteren Implemen-
tierung des politischen Rahmenabkommens
vom 13. August 2001 auf der Grundlage des
Ersuchens des mazedonischen Präsidenten
Trajkovski vom 21. November 2002 und der
Resolution 1371 (2001) des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen vom 26. September 2001
– Drucksachen 15/127, 15/156 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Gert Weisskirchen (Wiesloch)

Dr. Friedbert Pflüger
Dr. Ludger Volmer
Dr. Rainer Stinner
– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 15/157 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Antje Hermenau
Lothar Mark
Dietrich Austermann
Jürgen Koppelin

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Werner
Hoyer, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Für eine Konferenz für Sicherheit und Zusam-
menarbeit in Südosteuropa zur politischen Sta-
bilisierung der Balkanregion
– Drucksache 15/56 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der
Bundesregierung werden wir später namentlich abstim-
men.

Des Weiteren liegen zu dem Antrag ein gemeinsamer
Entschließungsantrag aller Fraktionen sowie ein Ent-
schließungsantrag der Fraktion der FDP vor. Nach einer
interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache
eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch.
Dann ist dies so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamen-
tarischen Staatssekretär Walter Kolbow das Wort.

W
Walter Kolbow (SPD):
Rede ID: ID1501400100


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das
Engagement der internationalen Gemeinschaft in Maze-
donien kann ohne Zweifel als Erfolgsgeschichte bezeich-
net werden. Das sehr frühe, präventive Engagement hat
durch das erfolgreiche Zusammenwirken der NATO, der
Europäischen Union und der OSZE unter dem Dach der

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Parl. StaatssekretärWalter Kolbow
Vereinten Nationen eine Eskalation der Gewalt verhindert.
Ein drohender Bürgerkrieg im Herbst letzten Jahres ist im
Keim erstickt worden. Dabei war die Verknüpfung ziviler
und militärischer Instrumente des Krisenmanagements
nahezu mustergültig. Dieses vorausschauende Engage-
ment hat zum Erhalt des multiethnischen Charakters Ma-
zedoniens und zur Festigung seiner Demokratie geführt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es entsteht wieder innere Kraft von Menschen für Men-
schen, ohne die ein Staatswesen nicht existieren kann;
denn durch das bisher Erreichte hat die gesamte Region
eine wirkliche Perspektive für die Zukunft gewonnen.

In Mazedonien bleibt das übergreifende Ziel nach wie
vor die Festigung des Vertrauens zwischen slawischen
und albanischen Mazedoniern.

Insgesamt können wir in Mazedonien eine erfreuliche
Entwicklung der politischen Verhältnisse feststellen: Am
15. September 2002 sind die Parlamentswahlen geord-
net und störungsfrei abgelaufen. Es kam entsprechend
dem Votum der Wählerinnen und Wähler zu einem fried-
lichen Regierungswechsel. Die Volkszählung konnte am
20. November 2002 ohne nennenswerte Unregelmäßig-
keiten abgeschlossen werden und es gibt sichtbare Fort-
schritte bei der Wiederherstellung der öffentlichen Si-
cherheit und Ordnung, insbesondere in den ehemaligen
Krisengebieten.

Die Bedrohung der internationalen Beobachter ist seit
Beginn der Operation Fox deutlich zurückgegangen und
wird inzwischen als gering eingestuft. Auch bei dem
neuen Mandat ist Vorsorge für – wenn auch unwahr-
scheinlichere – Lageverschlechterungen getroffen.

Die Bundeswehr hat seit Beginn der Operation Fox im
September vergangenen Jahres einen substanziellen Bei-
trag zur Stabilisierung des Friedensprozesses und zum
Schutz von Beobachtern internationaler Organisationen
geleistet. Unsere Soldatinnen und Soldaten haben in die-
sem schwierigen Umfeld mit ausgeprägtem Fingerspitzen-
gefühl agiert und mit ihrem klaren und zugleich zurück-
haltenden Auftreten das Vertrauen der mazedonischen
Bevölkerung gewonnen. Dafür verdienen die Soldatinnen
und Soldaten, die an der Operation Fox bislang teilge-
nommen haben, ausdrücklich Dank und Anerkennung.


(Beifall im ganzen Hause)

Nun gilt es, die bisher unter dem Einsatz der interna-

tionalen Gemeinschaft erreichten positiven Entwicklun-
gen nicht aufs Spiel zu setzen. Mazedonien darf nicht
übereilt sich selbst überlassen werden. Die vollständige
Normalisierung des öffentlichen Lebens braucht trotz
aller Fortschritte noch Zeit. Das aktuelle Konfliktpoten-
zial ist nicht nur uns in diesem Hause, sondern der enga-
gierten deutschen Gesellschaft bekannt.

Im Rahmen des Gesetzes über die lokale Selbstver-
waltung müssen noch politisch heikle Themen wie zum
Beispiel die Finanzierung der dezentralisierten Verwal-
tung oder die Neuziehung von Gemeindegrenzen geregelt
werden. Der umfassende Aufbau der multiethnischen Poli-
zeikräfte muss weiter vorangetrieben werden. Die volle
Wiederherstellung staatlicher Gewalt in ehemals von eth-
nisch-albanischen Kräften kontrollierten Gebieten muss

noch weiter vorangetrieben werden. Die Bekämpfung or-
ganisierter Kriminalität und Korruption muss intensiviert
werden. Schließlich muss auch die weitere Rückkehr Ver-
triebener noch bewältigt werden.

Den Beobachtern der Europäischen Union und der
OSZE kommt bei der Wiederherstellung normaler Lebens-
verhältnisse in Mazedonien weiterhin eine herausragende
Bedeutung zu. Trotz aller Fortschritte ist die Situation im
Lande noch nicht so stabil, dass diese Beobachter gänzlich
auf internationale militärische Unterstützung verzichten
können. Vor diesem Hintergrund hat Präsident Trajkovski
die NATO am 21. November um weitere militärische Prä-
senz gebeten. Bei der daraufhin im Bündnis beschlossenen
NATO-Operation Allied Harmony handelt es sich im
Vergleich zur Operation Fox um eine im Mandat ange-
passte und im Umfang verkleinerte Truppe.

Die Operation Allied Harmony soll den Risiken einer
erneuten Destabilisierung durch Präsenz entgegenwirken.
Die Unterstützung für den gegenwärtigen politischen Pro-
zess und für die staatlichen Institutionen Mazedoniens
stellt einen Beitrag zur Aufrechterhaltung eines Umfeldes
dar, das ein friedliches Zusammenleben aller Ethnien,
politische Stabilität und die wirtschaftliche Erholung des
Landes fördern soll. Die Operation soll schließlich die in-
ternationalen Beobachter durch eine Sicherheitspräsenz
unterstützen und die mazedonischen Behörden in den Be-
reichen Sicherheit und Verteidigungsreform beraten.

Im Rahmen des zu beschließenden Mandats, um des-
sen Zustimmung Sie heute gebeten werden, wird der Ge-
samtumfang der eingesetzten Kräfte etwa 470, darunter
rund 70 deutsche Soldatinnen und Soldaten, betragen. Der
Übergang von der Operation Fox zur Operation Allied
Harmony ist ein wichtiger Schritt und ein sichtbares Zei-
chen für den Normalisierungsprozess in Mazedonien,
wofür auch der neue Name der Mission spricht.

Die internationale Gemeinschaft bleibt umfassend ge-
fordert, um Mazedonien politisch, ökonomisch und ge-
sellschaftlich weiter an Europa heranzuführen. Es wäre
nicht zu verantworten, wenn der Aussöhnungsprozess
verfrüht und leichtfertig einer unnötigen Belastungsprobe
unterzogen würde. Es liegt in unserem Interesse und in
unserer Verantwortung, uns der mazedonischen Bitte um
weitere Unterstützung nicht zu versagen. Wir setzen da-
mit ein wichtiges Zeichen für all die Kräfte, die in der Bal-
kanregion auf Ausgleich, Stabilität, friedliches Zusam-
menleben und Demokratie setzen. Die Mazedonier haben
es verdient.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501400200

Ich erteile das Wort dem Kollegen Karl-Theodor

Freiherr von und zu Guttenberg, CDU/CSU-Fraktion.

Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg

(CDU/CSU):


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Die bisherige Beteiligung deutscher Streitkräfte


(A)



(B)



(C)



(D)


1012


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1013

am Mazedonieneinsatz war zweifellos ein Erfolg. Herr
Staatssekretär, das haben Sie richtig und in unserem Sinne
dargestellt. Es handelt sich um einen Erfolg, der den Frie-
den gesichert hat und der sich auf die hochprofessionelle
und erstklassige Auftragserfüllung durch unsere Solda-
tinnen und Soldaten gegründet hat. Diese große Leistung
verdient auch von unserer Seite größten Respekt, Aner-
kennung, Dank und Beifall.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es wäre allerdings schon viel gewonnen, wenn sich die

Außenpolitik der Bundesregierung in diesen Monaten
und Wochen auf einen ähnlichen Maßstab hochprofessio-
neller und erstklassiger Auftragserfüllung berufen könnte.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Bundesaußenminister, Erfolgsgeschichten beruhen
auf Verlässlichkeit und außenpolitische Verlässlichkeit
beruht auf dem Umstand, dass ein Land in seinen diesbe-
züglichen Grundaussagen berechenbar bleibt und gegebe-
nenfalls stabile Mehrheiten vorweisen kann.

Die CDU/CSU wird der Verlängerung des Mandats
heute zustimmen und damit einen Beitrag zu dieser Sta-
bilität leisten, so wie wir vor Jahresfrist Ihnen gerne
nachdrücklich und auch notwendigerweise unter die
schweißnassen Arme gegriffen haben, als es darum ging,
den Einsatz erstmals mit der notwendigen Mehrheit aus-
zustatten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Joseph Fischer, Bundesminister: Kein schönes Bild, junger Mann!)


Herr Staatssekretär, bei aller Einigkeit über Zielset-
zung und wesentliche Inhalte des Antrags stehen aller-
dings einige Fragen noch äußerst unbefriedigend beant-
wortet in diesem hohen Raume. Es ist – anders als im
Kosovo oder in Bosnien – fraglos gelungen, dem Land ei-
nen Ausweg aus der drohenden Gewaltspirale aufzuzei-
gen. Fraglos ist es auch gelungen, den Ausbruch eines
Krieges im rechten Augenblick zu verhindern. Die fried-
lichen Wahlen haben – das wurde bereits aufgezeigt – dem
beredtes Zeugnis gegeben und sind ein wirklich ermun-
ternder Fingerzeig für diesen Prozess.

Gleichwohl ist Mazedonien von verlässlicher Stabilität
noch viel weiter entfernt, als es heute dargestellt wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, das Weichzeichnen harter Fakten
nutzt niemandem, am wenigsten unseren Soldaten sowie
einer Öffentlichkeit, die für das notwendige Engagement
auf dem Balkan immer wieder aufs Neue gewonnen und
von der Notwendigkeit überzeugt werden muss. Auch
sollte die spürbare Euphorie des Wahltages in Mazedonien
nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein zutiefst
gebeuteltes Land handelt; das kennen wir ja irgendwoher.

Das gesellschaftliche Klima wird weiter von tiefem
Misstrauen und Ressentiments bestimmt. Slawische und
albanische Mazedonier leben in komplett unterschied-
lichen Welten. Noch immer besteht eine latente Gefahr
gewalttätiger Konflikte. Auch haben viele Albaner die
Option gewaltsamer Auseinandersetzungen weder begra-
ben noch in irgendeiner Weise fallen gelassen.

Nach dem so wichtigen Ohrid-Abkommen hat offi-
ziell zwar eine multiethnische Polizeigruppe die Kon-
trolle über das Staatsgebiet. Faktisch herrscht aber in
den von den Albanern besiedelten Gebieten ein Macht-
vakuum, in dem so hübsche Gestrüppe wie Klanstruktu-
ren und eben auch Bandenwesen munter gedeihen können.

Weitere Stichpunkte: umfassende und durchaus beun-
ruhigende Waffenfunde – es waren nicht lediglich Silves-
terknaller –, der Boykott des parlamentarischen Betriebes
durch die zwei größten Oppositionsparteien aus Protest
gegen – ich darf zitieren, weil das den Konfliktstoff
durchaus demonstrieren kann – „die erniedrigende Koali-
tion mit Terroristen“, Schmuggel, Menschenhandel,
Geldwäsche – vor allem vom Kosovo aus – usw. Die Liste
ließe sich fortführen.


(Zuruf des Bundesministers Joseph Fischer)

– Herr Bundesaußenminister, wenn diese Dinge benannt
worden wären, müssten Sie jetzt nicht dazwischenquen-
geln.

Es ist darauf hinzuweisen, dass die mazedonische Re-
gierung – auch das ist wichtig – mit ihrer inneren Politik der
Versöhnung, die sie seit der Wahl anstrebt, unmittelbare
und sichtbare Erfolge vorweisen muss, um nicht erneut in
einen Strudel der Instabilität hineinzugeraten. Keines der
dringenden Probleme Mazedoniens – dieser Illusion sollten
wir uns nicht hingeben – kann in Kürze gelöst werden.

Diese Punkte verdeutlichen, dass der auf dem Abkom-
men von Ohrid basierende Friedensprozess noch Jahre
benötigen wird und von der internationalen Gemeinschaft
begleitet und mit entsprechenden politischen Konzepten
unterfüttert werden muss, auch von unserer Bundesregie-
rung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deshalb wage ich zu fragen: Weshalb benennen Sie
keinen dieser Punkte in dieser Deutlichkeit? Wo sind die
Ansätze der Bundesregierung, um dieser Entwicklung
entsprechend zu begegnen? Herr Außenminister, sie sind
offenbar im Nebel Ihrer stets dampfenden Worte ir-
gendwo wabernd verflogen.


(Dr. Angela Merkel [CDU/CSU]: Recht hat er!)


Zugestanden: Einige Punkte sind benannt worden;
aber, Herr Staatssekretär, ich frage mich, wo der Ansatz
über die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspoli-
tik zu finden ist


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Ja, das haben wir vermisst!)


und wie es mit dem so notwendigen und von Ihnen immer
wieder benannten Berlin-plus-Prozess weiterzugehen hat.
Welchen Beitrag leistet die Bundesregierung dazu?


(Joseph Fischer, Bundesminister: Das habe ich gestern ausführlich erklärt! – Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Dazu hätten wir gern etwas gehört!)


– Dazu hätten wir heute gern etwas im Plenum gehört,
Herr Außenminister.

Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg

Auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes wird die
Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik als
Schlüsselprojekt der europäischen Einigung bezeichnet.
Das ist auch richtig, es ist ein Schlüsselprojekt. Es ist eine
wunderbare Formulierung für jemanden – das muss man
erst einmal schaffen –, der ohne den passenden Schlüssel
vor einer Tür steht, die er sich selber vor der Nase zuge-
knallt hat.

Wenn es bis heute entgegen zahlreicher Ankündigun-
gen nicht gelungen ist, eine Europäisierung des Mazedo-
nien-Einsatzes unter der benannten Formel „Berlin plus“
herbeizuführen, dann darf ich fragen: Welchen Beitrag
wird es hierzu von der Bundesregierung geben?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Was versucht die Bundesregierung zu unternehmen, um
den ursprünglichen Zeitplan für eine einsatzfähige euro-
päische Eingreiftruppe in Mazedonien oder einem ande-
ren Krisenherd einzuhalten?

Man hört nur wenig bzw. wir haben vor kurzem gehört,
man hoffe darauf – das muss man sich auf der Zunge zer-
gehen lassen –, dass bezüglich Berlin plus in der kom-
menden Woche in Kopenhagen eine Einigung zustande
kommen wird. Wenn man in Kopenhagen mittlerweile
mehr auf Hoffnungen als auf selbst geschaffene Erfolge
und Fakten bauen muss, Herr Bundesminister, wird einem
angst und bange um die entsprechende Darstellung unse-
rer Politik im Ausland.

Letztlich droht daraus eine Politik der enttäuschten
Hoffnungen zu werden; unser amerikanischer Partner
weiß davon ein Lied zu singen. Auch 80 Millionen Men-
schen in diesem Land wissen das bestens einzuschätzen.

Was kann man im Zusammenhang mit der europä-
ischen Eingreiftruppe wünschen? Ich hoffe, dass sie nicht
zu einer Geistertruppe verkommt. Liest man den hier vor-
liegenden Antrag der Bundesregierung, dann erstaunt
schon, dass eine etwaige Europäisierung des Einsatzes
mit keinem einzigen Wort Erwähnung findet.

Dabei steht neben der Stabilisierung der Region eine
noch weit wichtigere Prämisse mit auf dem Spiel, nämlich
die Zukunft einer gemeinsamen Außen- und Sicherheits-
politik der Europäer, die diesen Namen auch wirklich ver-
dient und irgendwann von unserem Land wieder maßgeb-
lich mitbestimmt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Neben der Antwort auf die Frage – darüber wurde

schon diskutiert –, ob die Bundesregierung überhaupt in
der Lage wäre, den deutschen Anteil an einer Eingreif-
truppe von 18 000 Mann finanziell zu gewährleisten,
vermisse ich auch eine Antwort darauf, inwieweit im Falle
eines etwaigen durch die Europäische Union übernom-
menen Mandats ab Februar – das ist geplant – diesem Ein-
satz angesichts seines Umfangs lediglich eine symbol-
hafte Bedeutung zuzumessen ist. Ich frage mich auch, ob
die Gefahr besteht, dass die europäische Eingreiftruppe
im Falle einer Eskalation oder eines Notfalls – das ist
durchaus im Bereich des Möglichen – wiederum auf die
Unterstützung der NATO angewiesen wäre.

Auch hierüber haben wir in den vorherigen Aus-
führungen nichts gehört. Es gibt viele Fragen, wenig Ant-
worten und wenig Einfluss in diesem Prozess.

Die CDU/CSU stimmt, wie bereits ausgeführt, dem
Antrag zu, bittet aber nachdrücklich um eine klarere Dar-
stellung zu den eben genannten Punkten.


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Das überrascht jetzt aber doch, Herr Kollege!)


Es bleibt die Hoffnung, Kollege Weisskirchen, dass
sich Deutschlands Außenpolitik, insbesondere der Ein-
fluss in Kopenhagen, nicht an den Ereignissen in Prag
messen lassen muss, wo sich der Stellenwert weniger am
tatsächlichen Vertrauen als an der Dauer eines nicht ein-
mal warm geschüttelten Händedrucks auszurichten hatte.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501400300

Lieber Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg

(CDU/CSU):


Ich komme zum Ende, Herr Präsident. – Ein allzu kurz
geschütteltes Zeugnis der Lähmung damals in Prag: Es
wurde geschüttelt und letztlich nichts gerührt – ein weite-
rer Fingerzeig der derzeitigen Politik.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501400400

Herr Kollege zu Guttenberg, ich darf Ihnen zu Ihrer

ersten Rede in meinem Namen und im Namen des Hauses
gratulieren.


(Beifall)

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Ludger Volmer,

Bündnis 90/Die Grünen.


Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501400500

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Die Geschichte des internationalen Eingreifens in
Mazedonien ist eine einzige Erfolgsgeschichte. Von Be-
ginn an gehörte die Bundesregierung, die rot-gute,


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Joseph Fischer, Bundesminister: Sehr gut!)


die rot-grüne Bundesregierung, zu den treibenden Kräften
der internationalen Politik, die sich beherzt in die inneren
Angelegenheiten Mazedoniens politisch eingemischt hat,
als die beiden großen Ethnien Mazedoniens dabei waren,
auf beiden Seiten hochgerüstet, einen ähnlichen Bürger-
krieg vom Zaun zu brechen, wie wir ihn in den Nachbar-
regionen in den Jahren zuvor erlebt hatten.

Erinnern wir uns daran: Es waren die ethnisch-albani-
schen Kräfte, die das Gewaltmonopol des Staates und


(A)



(B)



(C)



(D)


1014


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1015

die territoriale Integrität nicht anerkennen wollten. Es war
auf der anderen Seite die slawische Mehrheitsethnie, die
nicht anerkennen wollte, dass die Minderheit Volksgrup-
penrechte und Minderheitenrechte braucht.

Als der Konflikt kurz vor der bewaffneten Eskalation
stand, waren es die europäischen Staaten, war es insbe-
sondere die Bundesregierung, die mit einem politischen
Konzept dazu aufgewartet sind, wie man diesen Konflikt
beilegen kann.

Es kam zu einem Tausch, zu einem Verhandlungspro-
zess, der in Ohrid in einem entsprechenden Abkommen
seinen Niederschlag fand. Die ethnische Minderheit er-
kannte das Gewaltmonopol und die territoriale Integrität
an. Die Mehrheit ließ sich auf einen verfassunggebenden
Prozess ein, der der Minderheit die Volksgruppen- und
Minderheitenrechte einräumte.

Dies war das politische Konzept, auf dessen Basis der
militärische Einsatz, die militärische Sicherheitsflankie-
rung dann erfolgreich sein konnte. Ich betone dies des-
halb, weil wir auf der einen Seite festhalten müssen, dass
der militärische Einsatz erforderlich und unvermeidlich war.
Er wurde auch – wir schließen uns der Gratulation an – mit
großer Umsicht durchgesetzt.

Dass dieser Einsatz aber erfolgreich sein konnte, hing
auch davon ab, dass eindeutig das Primat des Politischen
vorherrschte, dass es ein politisches Lösungskonzept gab,
dass es auch politische Monitore durch die OSZE gab, die
dann flankierend durch die militärischen Kräfte gesichert
wurden. Es ging also nicht um einen Kampfeinsatz, son-
dern es ging darum, ein schlüssiges politisches Konzept
sicherheitspolitisch zu flankieren.

Diese Politik war erfolgreich. Dennoch muss man sa-
gen, dass diejenigen, die früher kritische Fragen zu dem
Einsatz gestellt haben, dies durchaus zu Recht taten. Das
ist Aufgabe des Parlaments. Ich meine aber, dass die Bun-
despolitik nachweisen konnte, dass dieser Einsatz mit Au-
genmaß durchgeführt wurde, und dass alle Befürchtun-
gen, wir könnten dort in Abenteuer geraten, dann doch in
der Luft zerplatzt sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir wissen, dass nun, da der interne Aussöhnungspro-
zess in Mazedonien weit gediehen ist, dennoch eine Si-
cherheitskomponente notwendig sein wird. Vertrauens-
bildende Maßnahmen werden auch in den nächsten
Jahren durch internationale Beobachter begleitet werden
müssen.

Wenn wir einen Blick von vielleicht höherer Warte auf
den Konflikt und die Konfliktbearbeitung werfen, kann
man mehreres lernen: Es ist notwendig, dass immer dann,
wenn sich Volksgruppen in einem Staatsgebilde so inein-
ander verkeilt haben, dass sie aus eigener Kraft zu einer
Lösung nicht in der Lage zu sein scheinen, die internatio-
nale Gemeinschaft frühzeitig, möglichst geschlossen und
möglichst mit schlüssigen Konzepten dort interveniert.
Das ist die erste notwendige Schlussfolgerung.

Die zweite notwendige Schlussfolgerung ist: Wenn denn
eine Sicherheitskomponente notwendig ist, dann sollte sie
auch möglichst früh dort eingesetzt werden. Denn wenn das
möglichst früh getan wird, ist offensichtlich die Eskalati-

onsgefahr erheblich niedriger. Es wäre wünschenswert, dass
die Europäer die Kraft entwickelten, um solche Aufgaben
zumindest in ihrer Region selbstständiger wahrnehmen zu
können. Die Bundesregierung arbeitet intensiv daran, dass
die ESVP diese Potenziale erhält. Sie betreibt auch eine ak-
tive Politik bezogen auf den Europäischen Rat, damit dort
die Regelungen von Berlin plus durchgesetzt werden.

Noch einen Satz zum Antrag der FDP, die fordert, für
Südosteuropa eine Art KSZE einzurichten. Dieser Antrag
kommt wahrscheinlich um Jahre zu spät. Denn das, was
dort gefordert wird, ist längst im Gange, wenn auch in et-
was anderen Konstruktionen.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Auch davor hatten wir den Antrag schon einmal gestellt!)


Wir haben den Stabilitätspakt für Südosteuropa.
Auch hier war die Bundesregierung eine der treibenden
Kräfte, die den Stabilitätspakt eingeleitet hat. Der Stabili-
tätspakt gibt auf der ökonomischen Ebene mehr Perspek-
tiven, als es der alte ökonomische Korb der KSZE konnte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auf der politischen Ebene haben wir die mittelfristige
Perspektive für einen vollständigen EU-Beitritt aller
Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien, bei den
einen früher, bei den anderen später. Auch dies gibt eine
politische Stabilisierungsperspektive, die man nicht da-
durch ergänzen oder vielleicht sogar zerreden sollte, dass
man nun völlig neue Modelle in die Debatte wirft.

Wir, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, unterstützen
die Politik der Bundesregierung. Wir werden dem Antrag
auf Entsendung von 70 Soldaten für die neue Mission
Allied Harmony zustimmen und wir werden den FDP-
Antrag ablehnen.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501400600

Ich erteile das Wort Kollegen Rainer Stinner, FDP-

Fraktion.


Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1501400700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Wir diskutieren heute zum wiederholten Mal über eine
deutsche Beteiligung an der Friedensmission in Mazedo-
nien. Als Ausgangspunkt für alle weiteren Diskussionen
und Entscheidungen lassen Sie mich drei Dinge festhalten:

Erstens. Der Einsatz unserer Soldaten in Mazedonien
ist eine Erfolgsgeschichte für die Bundeswehr als Armee
des Friedens.

Zweitens. Es hat sich gezeigt, dass militärische Mittel
geeignet sind, Frieden zu erhalten. Das ist für einige in
diesem Hause eine neue Erkenntnis; aber es ist eine rich-
tige Erkenntnis.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Ludger Volmer

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Dr. Rainer Stinner
Das heißt, militärische Mittel können Frieden erhalten,
wenn sie mit Augenmaß und Geschick eingesetzt werden.

Drittens. Beides, Augenmaß und Geschick, haben un-
sere Soldaten in Mazedonien bewiesen. Deshalb spreche
ich auch im Namen der FDP-Fraktion unseren Soldaten
Dank und Anerkennung aus.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Situation auf dem Balkan braucht aber mehr als
eine zweimonatliche Verlängerung von Mandaten. Wir
brauchen ein politisches Gesamtkonzept für die friedliche
Weiterentwicklung dieser Region. Herr Kollege Volmer,
deshalb ist Ihr Einwurf, dass unser Antrag zu spät kommt,
zu kurz gesprungen. Was in diesem Antrag steht, haben
wir seit Jahren gefordert. Die FDPwar die Erste, die diese
Initiative, das bewährte Instrument auch hier einzusetzen,
ergriffen hat.


(Beifall bei der FDP – Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätte Herr Kinkel als Außenminister machen müssen!)


Aber heute geht es zunächst einmal um die Verlänge-
rung des Mandates. Wir glauben, dass die Verlängerung
des Mandates ein erster Baustein zur weiteren Stabilisie-
rung der Situation in Mazedonien ist. Deshalb stimmt die
FDP-Fraktion dem Antrag der Bundesregierung auf Teil-
nahme an der Operation Allied Harmony vollständig zu.
Wir sind allerdings der Meinung, dass diese Operation
möglichst schnell von der Europäischen Union im Rah-
men der ESVP übernommen werden sollte, damit die EU
ihren Anspruch auf eine Gemeinsame Außen- und Sicher-
heitspolitik endlich wahrnehmen kann.

Aus Diskussionen mit vielen Kolleginnen und Kolle-
gen wissen wir, dass diese Meinung von allen Fraktionen
im Haus geteilt wird. Umso bedauerlicher ist es, dass in
dem Antrag der Bundesregierung darauf mit keinem Wort
Bezug genommen wird.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Da wir uns alle einig sind und die Bundesregierung viel-
leicht nur vergessen hat, das aufzunehmen – das kann ja
einmal vorkommen –, haben wir zur heutigen Sitzung ei-
nen Entschließungsantrag eingebracht. Wir machen da-
mit deutlich, dass wir von der Bundesregierung mehr ak-
tives Engagement auch in dieser Richtung erwarten.


(Beifall bei der FDP – Joseph Fischer, Bundesminister: Vertrauen in die Regierung ist immer gut!)


Warum, Herr Bundesaußenminister, muss uns denn auch
in diesem Fall gerade wieder die französische Regierung
vormachen, wie man aktiv und zielgerichtet europäische
Außenpolitik gestaltet?


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nun haben wir endlich die Diskussion über einen Ein-
satz unter europäischer Führung und endlich einen Be-
schluss der NATO des Inhalts, dass dieses Mandat im Fe-
bruar überprüft wird, und zwar unter dem Blickwinkel, ob
es auf Europa übertragen werden kann. Und was macht in

diesem Moment unser Verteidigungsminister? Der Vertei-
digungsminister konterkariert alle diese Bemühungen, in-
dem er jetzt, völlig zur Unzeit, ins Spiel bringt, bei SFOR
sei wohl erstmals angebracht, dass die Europäische Union
einen solchen Auftrag übernimmt. Herr Minister, das ist
– um es höflich auszudrücken – jedenfalls nicht hilfreich.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, im Prinzip
sind wir uns aber alle, von links nach rechts, einig. Des-
halb gehe ich auch davon aus, dass Sie alle unserem Ent-
schließungsantrag freudigen Herzens zustimmen. Ich kann
mir nicht vorstellen, dass Sie ihm nur deshalb nicht zu-
stimmen, weil er von der FDP kommt. Das würde ich Ih-
nen niemals zutrauen.


(Beifall bei der FDP – Zuruf des Bundesministers Joseph Fischer)


– Herr Minister, wenn Sie mit mir diskutieren wollen,
dann würde ich Sie doch bitten, bei den Abgeordneten
Platz zu nehmen.


(Beifall bei der FDP – Gernot Erler [SPD]: Das entscheidet der Präsident!)


– Das ist so, Herr Erler. Wenn diskutiert werden soll, dann
von hier aus und nicht von dort aus. Lesen Sie es in der
Geschäftsordnung nach!


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Die Weiterentwicklung der deutschen Sicherheits-
und Außenpolitik unter Einbeziehung der Bundeswehr
als Armee des Friedens sollte allerdings von allen Kräften
dieses Parlaments, auch von der gesamten Regierungs-
koalition, getragen werden. Leider muss ich nun auf den
Redebeitrag eines stellvertretenden Vorsitzenden einer
Regierungsfraktion vom 23. Oktober dieses Jahres in die-
sem Hause eingehen. Dieser Kollege, stellvertretender
Fraktionsvorsitzender, hat damals gesagt – ich zitiere –:

Ich stelle jetzt fest, dass sich die Bundeswehr in
Mazedonien nicht in einem Kriegseinsatz befindet
und dass auch kein Kriegseinsatz bevorsteht, weil
die Bundeswehr nicht in Mazedonien ist, um zu tö-
ten, zu vernichten und zu zerstören, sondern aus-
schließlich zum Schutz der Beobachter.

Dies sagte nicht irgendwer, nicht einer von rund 300 Ab-
geordneten dieser Regierungskoalition, sondern das sagte
in diesem Haus ein stellvertretender Vorsitzender einer
Regierungsfraktion.


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Unglaublich!)


Ich finde diese Aussage ungeheuerlich. Auch die da-
hinter stehende Einstellung ist ungeheuerlich. Es fehlte
nur noch, dass dieser Kollege heute daherkommt und er-
klärt, er habe erkannt, dass deutsche Soldaten nicht plün-
dern, nicht brandschatzen und nicht vergewaltigen.


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Das ist das Bild der Bundeswehr! – Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: So sind sie!)


Das wäre die Konsequenz einer solchen Einstellung.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)



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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1017

Ich sage Ihnen: Diese Einstellung des stellvertretenden
Fraktionsvorsitzenden ist für unsere Soldatinnen und Sol-
daten wie auch für unsere Verbündeten unerträglich.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Bauen Sie doch nicht so einen Popanz auf!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501400800

Herr Kollege Stinner, Sie müssen zum Ende kommen.


(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist längst am Ende!)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1501400900

Herr Präsident, ich komme zum Schluss.
Die FDP ist gerne bereit, mit der Bundesregierung ver-

trauensvoll an der Fortentwicklung einer deutschen, einer
europäischen Außen- und Sicherheitspolitik zusammen-
zuarbeiten. Das ist gute Parlamentstradition.


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Möllemann!)


– Jetzt höre ich den Zuruf „Möllemann“. Diesen Zwischen-
ruf schenkt der liebe Gott, Herr Präsident.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501401000

Nein, Herr Stinner, Sie können nicht mehr auf den

Zwischenruf antworten. Ich bitte Sie, sofort zum Ende zu
kommen.


Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1501401100

Abschließend möchte ich angesichts des Zurufs von-

seiten der SPD mit Blick auf Möllemann auf die Äuße-
rung von Herrn Ströbele verweisen.

Ich danke Ihnen herzlich.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501401200

Herr Kollege Stinner, ich gratuliere auch Ihnen zu Ih-

rer ersten Rede. Beim nächsten Mal muss ich bei der Re-
dezeit strenger sein.


(Beifall)

Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Gert

Weisskirchen, SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1501401300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

ist traurig, in welchem Kammerton wir heute hier über das
Thema Mazedonien debattieren, vor allem wenn man sich
in Erinnerung ruft, wie wir hier vor einem Jahr diskutiert
haben.

Ich möchte festhalten: Das war ein gemeinsamer Er-
folg. Es war aber ganz besonders ein Erfolg der Bundes-
wehr, die sich auf der Grundlage der UNO-Beschlüsse in
den internationalen Rahmen, in die NATO eingepasst hat.
Ich finde, wir können stolz darauf sein, dass unsere Sol-
datinnen und Soldaten mit dazu beigetragen haben, dass
Mazedonien jetzt eine positive Perspektive hat. Das ist
wunderbar.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte, weil Sie, Herr Kollege Stinner, eben dazu
vorgetragen haben, folgende Frage an die FDP richten:
Was wäre die Folge, wenn wir dem folgen würden, was
Sie in Ihrem Antrag vorschlagen? Die in der Region le-
benden Menschen möchten sich zuallererst und so schnell
es geht an uns annähern, damit sie die Perspektive, die
sich eröffnet hat, nämlich Mitglied der Europäischen
Union zu werden, auch nutzen können.

So wichtig der KSZE-Prozess auch gewesen ist – wir
haben ihn schließlich durchgesetzt –, jetzt muss eine an-
dere Frage gestellt werden, nämlich die Frage nach der
Mitgliedschaft in der Europäischen Union.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wer bitte hat ihn durchgesetzt?)


Das ist wichtiger, weil die Menschen auf diese Weise in
den Integrationsraum der Demokratie und der Stabilität,
weil sie zu uns kommen können. Wenn jetzt auf die KSZE
Bezug genommen würde, müsste dies missverstanden
werden als eine Zurückweisung, als ein Zurückschicken
auf die Wartebank im Integrationsraum der Europäischen
Union. Das wäre das falsche Signal. Deswegen müssen
wir das, was Sie vorschlagen, ablehnen. Wir können dem
– das muss ich ganz deutlich sagen – nicht zustimmen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Dr. Hoyer, wenn Sie einen Moment in die Region
hineinhören, dann werden Sie feststellen, dass das, was da-
rüber hinaus in Ihrem Antrag steht, wirklich abwegig ist.
Sie wollen eine Konferenzmit den unterschiedlichen Teil-
gruppen, die es in den verschiedenen Regionen im Raum
des ehemaligen Jugoslawien gibt, machen. Ich frage Sie:
Was ist dann mit den Kroaten in Bosnien-Herzegowina?
Was ist mit dem Kosovo? Sie bekommen das Problem,
dass deren unterschiedliche Interessen, die jedenfalls ge-
genwärtig bestehen, in einen Rahmen eingepasst werden
müssten, der im Innern noch nicht besteht. Dieses Problem
müssten Sie lösen. Sie würden damit mehr Gefahrenmo-
mente in den Prozess einbringen, als Sie sich gegenwärtig
vorstellen können. Ich würde Sie bitten, angesichts dessen,
dass die FDP genügend außenpolitische Vernunft hat, die-
sen Antrag zurückzuziehen. Er führt in die Irre und schafft
mehr Probleme, als er löst.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Er steht heute doch gar nicht zur Abstimmung!)


Ich richte nun den Blick auf Mazedonien, auf das Land,
um das es jetzt geht. Mazedonien ist nach dem 15. Sep-
tember dieses Jahres, nach den Parlamentswahlen, auf ei-
nem guten, einem vernünftigen politischen Weg. Herr zu
Guttenberg, wer hat denn dazu beigetragen?

Dr. Rainer Stinner

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Gert Weisskirchen (Wiesloch)


Diese Bundesregierung war es, die von Beginn an, als
es um den Kosovo ging, erklärt hat: Diese Region braucht
eine Perspektive der Stabilität. Deswegen haben wir den
politischen Prozess dahin eröffnet. Deswegen haben wir
den Stabilitätspakt beschlossen und den politischen Pro-
zess eingeleitet. Die Antwort darf eben nicht allein mili-
tärische Intervention sein, sondern es muss einen politi-
schen Prozess geben, damit Demokratie und Stabilität in
der Region ihren Platz finden.

Diese Regierung hat dafür gesorgt, dass Verlässlichkeit
in diese Region einzieht und dies mit dem Namen Deutsch-
land verbunden wird. Das ist ein gutes, richtiges und not-
wendiges Zeichen, das wir damals im Kosovo gesetzt ha-
ben. Ich erinnere mich sehr gut, wie hart das für uns alle
gewesen ist. Wir haben dafür gesorgt, dass diese politische
Perspektive eröffnet worden ist. Deswegen ist die Bundes-
regierung, besonders der Außenminister, das Kennzeichen
für Stabilität und Verlässlichkeit. In diesem Sinne wird
Deutschland dort aufgenommen und verstanden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein anderer Punkt. Es wäre falsch zu glauben, dass
dieses Land diesen Prozess von innen und von sich aus
zustande bringen könnte. Da haben Sie völlig Recht. Sie
haben auch zu Recht die Probleme angesprochen, bei-
spielsweise Korruption, Menschenhandel und Prostitu-
tion. All dies sind Gefahrenmomente und -potenziale, die
dieses Land von innen her immer noch erschüttern. Ein
anderes Beispiel ist die Polizei, die von uns gemeinsam
mit der OSZE in ihrer multiethnischen Zusammenarbeit
mit anderen Gruppen unterstützt wird. Sie ist noch nicht
wirklich das innere Sicherheitsinstrument.

Ich erinnere an die vergangene Regierung unter Mi-
nisterpräsident Georgievski, der dafür gesorgt hat, dass
dieser Staat noch immer schwach ist. Die Regierung hat
sich selbst dadurch geschwächt, dass sie korrupt gewesen
ist; das muss man einmal so klar sagen. 80 Prozent der
Kolleginnen und Kollegen im Parlament in Skopje sind
zum ersten Mal ins Parlament gewählt worden. Das macht
deutlich, mit welch großem inneren politischen Aufstand
die Bevölkerung Mazedoniens signalisiert hat, dass die
alte korrupte Gruppierung abgewählt werden muss. Der
neue Ministerpräsident Branko Crvenkovski, der Vorsit-
zende der Sozialdemokraten, hat aufgrund dieses Wahl-
ergebnisses eine gute Chance, genau das voranzubringen,
worauf es jetzt ankommt.

Wir, die internationale Gemeinschaft, sind bereit, dem
Land das Maß an Sicherheit anzubieten, das das Land von
sich aus nicht gewährleisten kann. Aber im Gegenzug
muss die Regierung in Skopje den Reformkurs vorantrei-
ben und dafür sorgen, dass die notwendigen Aufgaben, die
das Land zu bewältigen hat, wirklich angepackt werden.
Deshalb ist es nötig, dass „Bündnisharmonie“ – so heißt
das neue Mandat – heute verabschiedet wird. Dies gibt die-
sem armen Land mit seinen 2 Millionen Menschen, einge-
zwängt in diesen noch immer gefährlichen Raum, die
Chance, Demokratie von innen zu entwickeln und irgend-
wann Mitglied der Europäischen Union zu werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501401400

Ich erteile das Wort der Kollegin Ursula Lietz, CDU/

CSU-Fraktion.


Ursula Lietz (CDU):
Rede ID: ID1501401500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolle-

ginnen und Kollegen! Die NATO-Operation Amber Fox
mit 200 Soldaten der Bundeswehr endet am 15. Dezem-
ber, weil ihr Auftrag weitestgehend – ich sage ausdrück-
lich: weitestgehend – erledigt ist. Die Spannungen in
Mazedonien zwischen Slawen und Albanern haben abge-
nommen. Die Parlamentswahlen haben keine ideologi-
schen Scharfmacher hervorgebracht; gemäßigte Parteien
haben eine Mehrheit bekommen. Mazedonien ist auf ei-
nem guten Weg in Richtung Europa.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dennoch ist in Mazedonien weiterhin eine Sicherheits-

präsenz unter NATO-Führung erforderlich. Der mazedo-
nische Präsident hat ausdrücklich darum gebeten, dass wir
sie fortsetzen. Deswegen wird die CDU/CSU-Fraktion
diesem Anliegen zustimmen.

Erlauben Sie mir trotzdem noch einige Anmerkungen.
Herr Weisskirchen, Sie haben soeben ausgeführt, dass die
Einsatzerfolge auf dem Balkan mit dieser Regierung ver-
bunden sind. Das ist aber leider mitnichten der Fall. Viel-
mehr sind sie mit einer großartigen Leistung unserer Sol-
daten verbunden.

Wir haben zu beklagen – das müssen Sie zur Kenntnis
nehmen, Herr Außenminister –, dass zwar in Prag ein
erfolgreicher NATO-Gipfel stattgefunden hat, dass die
deutsche Delegation aber einen recht jämmerlichen Ein-
druck hinterlassen hat.


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Allerdings! – Lachen des Bundesministers Joseph Fischer)


Nach der antiamerikanischen Rhetorik im Wahlkampf
durften wir immer wieder sehen – es wurden immer die-
selben Bilder gezeigt –, wie ein gequält fröhlich lächeln-
der Kanzler einen Händedruck des US-Präsidenten er-
hascht hat.


(Widerspruch bei der SPD)

Abgesehen von diesem Ereignis war festzustellen, dass
die Medien sehr wenig von Ihren Erfolgen berichtet ha-
ben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist richtig, dass die Installation von Allied Harmony

das bisherige Scheitern einer eigenständigen europä-
ischen Sicherheitspolitik darstellt. Wenn Sie so herablas-
send lächeln oder sich mit Ihren Kollegen unterhalten,
Herr Fischer, dann zeigt das nur die Überheblichkeit von
Teilen dieser Regierung.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir warten bis heute darauf, dass sich Deutschland als

das größte NATO-Land intensiver an der Umsetzung vie-
ler Beschlüsse beteiligt, die dazu führen würden, dass wir
innerhalb Europas stärker an diesen Aufgaben teilhaben.


(A)



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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1019

So haben wir vor mehr als drei Jahren die European
Headline Goals beschlossen, die bis heute nicht umgesetzt
worden sind.

Durch eine veränderte Sicherheitslage nach dem
11. September 2001 finden sich die deutschen Truppen als
Bestandteil von ISAF in Afghanistan wieder, wo sie dem-
nächst als eine der beiden Lead Nations die Führung über-
nehmen werden. Außerdem sind wir an der Operation
Enduring Freedom beteiligt. Ich weise deshalb darauf hin,
damit wir über den sehr gefährlichen Aufgaben, die un-
sere Soldaten in Afghanistan wahrnehmen, nicht verges-
sen, was unsere Soldaten auf dem Balkan leisten. Denn
dieses Engagement ist genauso wichtig und es ist auch
nicht ungefährlich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Sicherheitslage dort ist nicht stabil. Auch in diesem

Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, Herr
Fischer, dass der Status des Kosovo noch unklar ist und
ein entsprechendes Konzept, wie dieser Status verändert
und die Lage dort verbessert werden kann, fehlt. Es wäre
aber eigentlich Ihre Aufgabe, ein solches Konzept zu er-
stellen.

Lassen Sie mich etwas zu den Soldatenfamilien an-
merken. Wir haben von Ihrem Vorgänger, Herr Verteidi-
gungsminister, die Zusage bekommen, dass die Verbesse-
rung der Familienbetreuung in Angriff genommen wird.
Bisher liegen uns aber keine Ergebnisse vor.

Wir haben über die Flexibilisierung von Einsatzzeiten
gesprochen. Frau Beer von den Grünen hat in einer ihrer
letzten Reden sogar zugesagt, dass sich die Grünen für
eine Verbesserung der Bedingungen einsetzen werden.
Aber auch in diesem Bereich ist bislang nichts passiert.

Herr Arnold, Sie haben gestern ein so positives Bild
von der Situation unserer Soldaten gezeichnet, dass ich
Ihnen nur die Lektüre des Berichts des Sozialwissen-
schaftlichen Instituts der Bundeswehr empfehlen kann.
Danach ist nur jeder fünfte Soldat mit seiner Betreuung
und der Betreuung seiner Familie vor, während und nach
den Einsätzen einverstanden und zufrieden. 60 Prozent
der Familien und 41 Prozent der Soldaten leiden sehr un-
ter der langen Trennungszeit.

Bei Besuchen in Einsatzgebieten bitten uns Komman-
deure, über eine Flexibilisierung von Einsatzzeiten
nachzudenken. Soldaten sind – das sage ich besonders an
die Regierung gewandt – bei allen Sparbemühungen
keine finanzpolitische Verfügungsmasse.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich fürchte, wenn wir so weitermachen, werden wir
bald keine jungen Menschen mehr finden, die bereit sind,
diese Aufgaben zu übernehmen. Demotivation, Enttäu-
schung und Vertrauensverlust sind nicht die beste Ausrüs-
tung für schwierige Einsätze.


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Permanente Überforderung der Truppe!)


Wenn Sie Offiziere und Soldaten, die seit vielen Jahren
der Bundeswehr angehören, fragen, ob sie ihren Söhnen

empfehlen würden, diesen Beruf zu ergreifen, dann wer-
den Sie heute als Antwort ein Kopfschütteln erhalten.
Deswegen hat die Bundeswehr, wenn sie weiterhin so ge-
führt wird, keine gute Zukunft. Wir unterscheiden uns
darin von anderen Nationen, die sehr stolz darauf sind,
was ihre Armeen leisten, und die sie das auch wissen las-
sen.

Allied Harmony wird in Zukunft mit bis zu 70 deut-
schen Soldaten auskommen, die in Mazedonien statio-
niert sein werden. Der Auftrag gilt bis zum 15. Juni 2003.
Vorhandene Destabilisierungsrisiken sollen dort gemin-
dert, der Ohrid-Friedensprozess soll vorangetrieben und
die Gefahren eines erneuten Aufflammens ethnisch be-
dingter Bürgerkriege sollen weiter eingegrenzt werden.

Ich möchte zum Schluss die Gelegenheit nutzen, den
Soldaten und vor allen Dingen ihren Familien sehr herz-
lich dafür zu danken, was sie für uns tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gerade in der Vorweihnachtszeit, in der sich kleine Kin-
der ihre Väter oder ihre Mütter nach Hause wünschen, ist
der Dienst besonders schwer. Wenn wir alle zu Hause
Weihnachten feiern, sollten wir einmal an die Soldaten
denken, die nicht bei ihren Familien sein können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501401600

Ich erteile das Wort dem Bundesminister Joseph

Fischer.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501401700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf

mich für die von den Sprechern der Fraktionen geäußerte
Zustimmung zu dem heute zu entscheidenden Mandat
recht herzlich bedanken. Das macht klar, dass wir uns jen-
seits der heute aufgetretenen Differenzen – um es ganz
milde zu formulieren – in der Sache im Wesentlichen ei-
nig sind.

Man muss die Mission in Mazedonien in die Gesamt-
strategie für den Balkan einordnen. Wenn wir uns an das
Jahr 1991, an das auseinander brechende Jugoslawien, an
das Setzen auf Gewalt und an die Grenzziehung mit den
Mitteln des Krieges, der ethnischen Säuberung und Ver-
treibung mit furchtbaren Verbrechen und Zerstörungen er-
innern, dann können wir heute feststellen, dass die Verbin-
dung von militärischer Festigkeit auf der einen Seite und
politischer Perspektive auf der anderen Seite letztendlich
das entscheidende Erfolgsrezept war. Das hat auch zur Sta-
bilisierung Mazedoniens ganz entscheidend beigetragen.

Ich stimme allen zu, die sagen, dass noch viel zu tun sei.
Deswegen können wir das Mandat heute nicht für beendet
erklären; das ist klar. Aber wer hätte noch vor anderthalb
Jahren zu denken gewagt, dass es – bei allen Schwierig-
keiten, die das Land noch hat – einen demokratischen

Ursula Lietz

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Bundesminister Joseph Fischer
Regierungswechsel, der auf freien Wahlen gründet, geben
wird? Das hätten damals nur ein paar sehr Wohlmeinende,
an Utopien Glaubende aus unserem Kreis gedacht. Heute
ist das Realität geworden. Dass es einen neuen Verfas-
sungskonsens zwischen den wichtigsten Volksgruppen
gibt, ist das Ergebnis der Entschlossenheit wie des Ver-
handlungsgeschicks von Javier Solana, dem Sonderbe-
auftragten der Europäischen Union, und George
Robertson, dem Generalsekretär der NATO, sowie der
Bereitschaft aller Mitgliedstaaten, sich hier zu engagie-
ren, und selbstverständlich auch der multinationalen
Truppe, das heißt nicht nur der Soldatinnen und Soldaten
der Bundeswehr, sondern auch unserer Partner, die dort in
einem gefahrvollen und gleichzeitig sehr vernünftigen
Einsatz engagiert waren und sind. Ich denke, es ist wich-
tig, dass man das unterstreicht.

Mir wäre bei all dem, was wir in den kommenden Wo-
chen und Monaten in einer anderen Nachbarregion vor uns
haben, wesentlich wohler, wenn wir bereits heute sagen
könnten, dass es eine Strategie für die gesamte Region für
den Tag danach gibt. Dann wäre die Frage der regionalen
Stabilität zumindest in Umrissen erkennbar und dann viel-
leicht auch beantwortbar. Dann könnte die jetzige Diskus-
sion anders geführt werden. Genau das ist das Geheimnis
des Erfolgsrezepts auf dem Balkan: Die gesamte Region
soll an Europa herangeführt werden. Das wird zwar lange
dauern. Aber ich kann Ihnen versichern: Allein die Einstel-
lungsänderung in den Köpfen ist wichtig für den Erfolg.
Stellen Sie sich einmal vor, dass diese Region die Perspek-
tive, die ihr Brüssel eröffnet hat, nicht hätte und dass es nur
das militärische Engagement des Westens gäbe nach dem
Motto: Wir lassen nicht zu, dass ihr euch gegenseitig um-
bringt und furchtbare Verbrechen begeht. Dann gäbe es
keine politische Perspektive. Der Nationalismus in den
Köpfen würde dann nicht Schritt für Schritt transformiert.

Das wird alles dauern. Aber letztendlich gehört auch
diese Region zu Europa und das ist der entscheidende An-
satz. Dem dient der Stabilitätspakt, dem dienen unsere
Bemühungen, Stabilisierungs- und Assoziierungsabkom-
men zu schließen, und dem dient auch die Bemühung, ein
engeres Verhältnis der Balkanstaaten – auch der neuen
Staaten, insbesondere Mazedonien – zur NATO herzustel-
len. Das ist genau der Punkt, Herr Hoyer. Dieser Antrag
steht zwar heute nicht zur Abstimmung; aber das wurde
gestern im Ausschuss für Ihre Fraktion wieder vorgetragen.
– Ich nehme an, Ihr Kollege ist da noch etwas unerfahren.

Angesichts der Lage auf dem Balkan wäre es ein fata-
ler Rückschritt, wenn wir dort etwas der OSZE Ähnliches
konstruieren wollten. Keiner unserer Partner würde das
verstehen. Gott sei Dank ist die Entwicklung in Richtung
des Heranführens an das Europa der Integration, an die
transatlantischen Strukturen viel weiter gediehen. Das
wissen Sie doch auch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wo gibt es da einen Widerspruch?)


– Natürlich gibt es einen Widerspruch. Der Widerspruch
besteht darin, dass das Instrument, das Sie vorschlagen,
nicht mehr notwendig ist.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Hören Sie doch auf!)


– Okay, vielleicht brauchen Sie dieses Instrument, um et-
was Eigenes zu haben. Ich akzeptiere ja, dass Sie es als
Identifikationsmerkmal brauchen. Aber Sinn macht es
nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Es ist alles in Ordnung! Aber nicht als Oberlehrer auftreten!)


– Es hat doch nichts mit Oberlehrer zu tun, wenn ich auf
Ihre Argumente eingehe und versuche, sie zu entkräften.
Als einen Oberlehrer verstehe ich jemanden, der abkan-
zelt. Ich tue das Gegenteil: Ich versuche, mit Ihnen zu dis-
kutieren, Herr Gerhardt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Aber meinetwegen, dann bin ich eben ein Oberlehrer. Ich
möchte nicht darüber streiten. Ich habe jedoch ein ande-
res Verständnis von Oberlehrern: Meine Oberlehrer haben
nie mit mir diskutiert.


(Heiterkeit bei der SPD – Zuruf von der FDP: Sie haben noch nie einen gesehen!)


– Ich habe viel zu viele Oberlehrer gesehen. Das macht
vielleicht einen Teil meiner Schulkarriere aus.


(Heiterkeit)

Ich sage Ihnen: Für mich ist das Mazedonien-Mandat

Ausweis einer Erfolgsgeschichte, die noch nicht abge-
schlossen ist und die in einem engen Zusammenhang mit
dem Engagement im Kosovo und in Bosnien steht.

Herr Freiherr von und zu Guttenberg, wir haben
gestern im Ausschuss ausführlich darüber gesprochen,
warum es noch kein ESVP-Mandat gibt. Das hat beim
besten Willen nichts damit zu tun, dass wir uns in Hoff-
nungserklärungen flüchten. Aber ich kann Ihnen bis zur
Stunde – bei allen Allmachtsvisionen, die Sie der Bun-
desregierung zuschreiben mögen – noch nicht die Eini-
gung zwischen Griechen und Türken liefern. Ich kann Ih-
nen allerdings eines sagen: Wenn wir dem Antrag Ihrer
Fraktion, der gestern Gott sei Dank abgelehnt wurde, zu-
gestimmt hätten, dann könnte ich Ihnen niemals präsen-
tieren, dass es eine Deblockierung geben wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Damen und Herren, ich freue mich für unsere
Soldaten, dass es hier eine so breite Unterstützung für die-
sen Einsatz gibt. Ich erinnere daran, dass es nicht nur auf
der linken Seite dieses Hauses Auseinandersetzungen da-
rüber gegeben hat; mein Gedächtnis funktioniert sehr gut.
Gerade beim Mazedonien-Mandat hat es auch auf der
rechten Seite dieses Hauses, in Ihren Reihen, Diskussio-
nen gegeben. Allen, die damals zugestimmt haben, kann
ich nur sagen: Es war richtig, dass wir dieses Mandat ein-
gerichtet und eine Eskalation eines neuen Bürgerkrieges
mit den verheerenden Folgen nicht zugelassen haben.
Ohne Selbstüberheblichkeit können wir den Kolleginnen
und Kollegen aller Fraktionen, die damals aus guten Grün-
den Bedenken erhoben haben, sagen: Diese Bedenken wa-
ren Gott sei Dank nicht berechtigt. Auch das ist ein Be-
standteil dieser Erfolgsgeschichte. Deswegen möchte ich


(A)



(B)



(C)



(D)


1020


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1021

mich für die Bundesregierung nochmals für die so breite
Unterstützung im Interesse unserer Soldaten bedanken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501401800

Ich erteile das Wort der Abgeordneten Gesine Lötzsch.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1501401900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 23. Ok-

tober, also vor gut sechs Wochen, verlängerte der Deutsche
Bundestag das Mazedonien-Mandat der Bundeswehr. Die
beiden PDS-Abgeordneten, Petra Pau und ich, haben ge-
gen diese Mandatsverlängerung gestimmt und werden das
auch heute tun. Denn während der Debatte am 23. Okto-
ber erklärten – ausweislich des Protokolls – sowohl Ver-
teidigungsminister Struck also auch die Vertreter aller
Fraktionen, dass Mazedonien auf den Weg der inneren
Versöhnung gebracht sei und der Einsatz der NATO zur
Festigung der Demokratie geführt habe. Wieso dann heute
diese Mandatsverlängerung? Sie haben argumentiert,
meine Damen und Herren, dass die neue mazedonische
Regierung unter dem Sozialisten Branko Crvenkovski so-
wie Präsident Trajkovski selbst um die Verlängerung des
Mandats gebeten hätten. Das ist richtig. Aber haben Sie
nicht einmal auch darüber nachgedacht, dass diese Bitte
nicht aus einer Position der Stärke, sondern aus einer Posi-
tion der Schwäche heraus geäußert worden ist? Meinen Sie
nicht auch, dass sowohl Crvenkovski als auch Trajkovski
gemerkt haben, dass es wesentlich leichter ist, NATO-
Truppen einschließlich der Bundeswehr als zivile Hilfe
unter der Leitung von UNO, EU oder Europarat zur Ver-
fügung gestellt zu bekommen? Meinen Sie nicht auch,
dass Sie der sozialistisch geführten Koalitionsregierung
Mazedoniens, an der auch Albaner beteiligt sind und die
Ihnen, meine Damen und Herren von der Bundesregie-
rung, politisch eigentlich besonders nahe stehen müsste,
besser helfen würden, wenn Sie die wenigen zur Verfü-
gung stehenden Mittel in zivile Projekte lenkten?


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Meinen Sie nicht auch, dass die mazedonische Führung
bessere und sinnvollere Ideen zur Verwendung der 2,1
Millionen Euro hätte, die die Verlängerung des Bundes-
wehrmandats auffrisst?

Bereits am 23. Oktober hat meine Kollegin Petra Pau
vorgeschlagen, die für die damalige Mandatsverlänge-
rung vorgesehenen 1,5 Millionen Euro für den Balkan-
Stabilitätspakt zur Verfügung zu stellen. Ich erneuere die-
sen Vorschlag heute im Hinblick auf die für die erneute
Mandatsverlängerung geplanten 2,1 Millionen Euro.

Meine Damen und Herren, ich möchte nicht die Gele-
genheit versäumen, auf einen Widerspruch in der Balkan-
politik der Bundesregierung hinzuweisen. Wenn es darum
geht, Auslandseinsätze der Bundeswehr zu begründen,
dann sind die Lageeinschätzungen häufig drastisch. Geht
es aber darum, Bürgerkriegsflüchtlinge oder Asylsu-
chende abzuschieben, gelten diese drastischen Lageein-
schätzungen nicht mehr. Warum wird zum Beispiel sei-

tens der Bundesregierung, von Herrn Schily, nicht endlich
anerkannt, dass die Roma in Serbien extrem gefährdet
sind? Können Sie sich nicht klar dazu äußern, ob die Ab-
schiebung der Roma endlich beendet ist?

Wir PDS-Abgeordnete treten für eine stringente Men-
schenrechtspolitik ein. Bundeswehreinsätze in Gebieten,
in denen zivile Hilfe erforderlich ist, gehören nicht dazu.
Darum stimmen wir, die PDS-Abgeordnete Petra Pau und
ich, gegen die Verlängerung des Mazedonien-Mandats
der Bundeswehr.

Danke schön.

(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501402000

Ich erteile das Wort dem Kollegen Siegfried Helias,

CDU/CSU-Fraktion.


Siegfried Helias (CDU):
Rede ID: ID1501402100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Es geht heute nicht nur um den Antrag der Bundes-
regierung, sondern auch um den Antrag der FDPmit dem
Titel „Für eine Konferenz für Sicherheit und Zusammen-
arbeit in Südosteuropa“. Wir von der CDU/CSU werden
diesem Antrag zustimmen; denn Sicherheitspolitik be-
schränkt sich nicht allein auf den militärischen Aspekt.

Daher danke ich nicht nur den Soldaten und Soldatin-
nen sowie ihren Familien, sondern spreche auch den zivi-
len Kräften einen herzlichen Dank aus, die in vielen
Hilfsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen
tätig sind und einen genauso wertvollen Beitrag für Frie-
den, Sicherheit und Stabilität in Südosteuropa leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Einsatz

der Bundeswehr in Mazedonien – das wurde hier aus-
führlich dargestellt – hat zur Konfliktbeilegung beigetra-
gen. Gerade deswegen braucht Mazedonien jetzt auf dem
Gebiet der wirtschaftlichen Zusammenarbeit Taten
statt Worte. Wenn militärische Präsenz die Voraussetzung
für eine langfristige Investition in die Zukunft des Landes
war und bleibt, dann ist es gerade jetzt notwendig, die Ent-
wicklung Mazedoniens zu fördern, um die notwendige
Friedensdividende zu erhalten.

Dabei sind aus entwicklungspolitischer Sicht die För-
derziele klar: Es geht um Investitionen zur Stabilisierung
der Demokratie und den weiteren Aufbau der Zivilgesell-
schaft, um Investitionen in die Umwelt – Trinkwasserver-
sorgung, Abwasserproblematik, Management der Wasser-
ressourcen und Länder übergreifende Umweltprojekte im
Dreieck von Mazedonien, Griechenland und Albanien –
sowie um eine Wirtschaftsreform und den Aufbau markt-
wirtschaftlicher Strukturen.

Die bisherigen Schwerpunkte in der Entwicklungszu-
sammenarbeit sind dabei nicht zu beanstanden. Ich bean-
stande jedoch, dass der von Rot-Grün verabschiedete
Bundeshaushalt 2002 das Ende des Stabilitätspakts in
Südosteuropa bereits eingeleitet hat. Auch gestern hat die
Bundesministerin bei der Vorstellung des Einzelplans 23
Südosteuropa und den Stabilitätspakt mit keinem einzigen

Bundesminister Joseph Fischer

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Siegfried Helias
Wort erwähnt. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis für die
Entwicklungspolitik.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich kritisiere aber keineswegs nur die mangelnde Mit-

telausstattung und das von der Bundesregierung faktisch
eingeleitete Ende des Stabilitätspakts. Ich kritisiere auch
den Zustimmungs- und Abstimmungswirrwarr sowie das
Kompetenzgerangel bei der Mittelbeantragung und bei
der Mittelvergabe, bei der der Koordinator – mag er
Hombach oder Busek heißen – lediglich die Rolle eines
Maklers übernehmen kann; denn er verfügt über keine ei-
genen operativen Mittel. Zudem tritt sich noch eine Viel-
zahl von Ober- und Unterkoordinatoren auf die Füße.

Der Hauptkoordinator muss den Spagat zwischen Ge-
bern und Nehmern leisten. Er muss die Geber – das ist eine
ganze Reihe: die EU-Kommission, Mitgliedstaaten, inter-
nationale Finanzorganisationen – überzeugen, bestimmte
Projekte zu fördern, und gleichzeitig die Empfänger bitten,
dieselben Projekte zu beantragen. Einen verbrieften Zugriff
gibt es dabei nicht. Die Koordination ist also völlig vom
Geberwohlwollen und vom Empfängervertrauen abhängig.

Dass dies nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand.
Einen besseren Zeugen für diesen Kompetenzwirrwarr als
Bodo Hombach gibt es nicht. Er sagte bei seiner Verab-
schiedung: Wenn ich nachts aus einem ganz fürchterli-
chen Albtraum schweißgebadet aufwachte, dann hatte ich
ganz bestimmt an irgendwelche Verhandlungsprotokolle
der EU gedacht.

Es kommt also nicht nur auf die Mittelausstattung und
auf die Mittelbestimmung an, sondern auch auf den Mit-
telabfluss. Insofern muss es uns alle außerordentlich be-
denklich stimmen, dass von den zugesagten und im Bun-
deshaushalt vorgesehenen 100 Millionen Euro für die
finanzielle Zusammenarbeit lediglich 10 Prozent abge-
flossen sind. Was nützt es, wenn Hilfe auf der einen Seite
notwendig ist, die zugesagten Fördermittel aber über-
haupt nicht ankommen, weil die bürokratischen Hürden
viel zu hoch sind?

Die Hilfe ist notwendig; man denke an die Geißel Ar-
beitslosigkeit. Von den rund 2,2 Millionen Menschen im
Land sind fast 400000 ohne Arbeit. Weitere 500000 Men-
schen leben unterhalb der Armutsgrenze. Der Kollege
Weisskirchen hat vorhin auf andere besondere Problem-
stellungen in dieser Region hingewiesen.

Des Weiteren möchte ich auf die Flüchtlingsproble-
matik aufmerksam machen. Noch sind längst nicht alle
Flüchtlinge zurückgeführt worden.


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: 10 000 von 17000!)


Sie können auch gar nicht zurückgeführt werden. In den
Lagern bei Skopje leben noch viele Tausende, insbeson-
dere Roma, die keine Papiere haben. Wer da „papierlos“
ist, der ist auch rechtlos. Wenn wir über Frieden und Sta-
bilität in dieser Region sprechen, dann müssen wir uns
auch um die Menschen kümmern, die dort wirklich am
unteren Ende der Existenzskala leben. Unsere Fürsorge
gilt auch den Sinti und den Roma.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Fazit: Die Lage im Land ist friedlich; aber es ist immer
noch ein labiler Frieden, der weiter gefestigt werden
m
Walter Kolbow (SPD):
Rede ID: ID1501402200
Mazedonien hat unsere Hilfe ver-
dient. Meine Damen und Herren von der Regierung, opti-
mieren Sie Ihr Konzept! Setzen Sie es effizient um! Stat-
ten Sie Ihr Konzept nicht nur mit den notwendigen
Mitteln aus, sondern sorgen Sie auch dafür, dass diese
Mittel ankommen! Ich wiederhole: Mazedonien hat un-
sere Hilfe verdient. Es ist allerdings auch dringend not-
wendig, dass Hilfe dort ankommt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501402300

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kolle-

gen Werner Hoyer, FDP-Fraktion.


Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1501402400

Herr Präsident! Ich denke, es ist erforderlich, eine Klar-

stellung vorzunehmen. Einige Kollegen der Koalition
einschließlich der Bundesregierung haben sich sehr über
die Anträge der FDP-Fraktion echauffiert und dabei über-
sehen, welcher Antrag heute eigentlich zur Abstimmung
steht. Zur Abstimmung steht unser Entschließungsantrag,
in dem der Wunsch zum Ausdruck gebracht wird, das Ma-
zedonien-Mandat möglichst schnell auf die Europäische
Union übergehen zu lassen. Über den Kern dieses Antrages
hat gestern weitgehendes Einvernehmen auch mit einigen
Kollegen der Koalition bestanden. Ich kann verstehen, dass
man als Koalitionsabgeordneter letztendlich nicht zustim-
men möchte, wenn eine Oppositionsfraktion auf die Bun-
desregierung in diesem Antrag mit einem Satz kritisch ver-
weist. Die Brücke zum Nein ist insofern gebaut.

Gleichwohl hat sich die Hauptaufregung auf den An-
trag bezogen, der sich mit der Konferenz über Sicherheit
und Zusammenarbeit in Südosteuropa befasst. Dieser An-
trag steht heute überhaupt nicht zur Abstimmung, sondern
wird an die Ausschüsse überwiesen. Wir werden sehr ru-
hig darüber diskutieren können, ob wir nicht einen Rah-
men brauchen, der konzeptionell über den Stabilitätspakt
hinausgeht. Das mag streitig sein, ist aber auf jeden Fall
diskussionsbedürftig und diskussionswürdig.

Akzeptabel ist allerdings keinesfalls, mit welcher he-
rablassenden Arroganz der Bundesminister des Auswärti-
gen Reden von Mitgliedern des Deutschen Bundestages
hier kommentiert, insbesondere die Rede meines Kolle-
gen Dr. Stinner.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501402500

Die Kurzintervention richtete sich grundsätzlich in Rich-

tung Koalitionsfraktionen. Herr Volmer will antworten.


Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501402600

Herr Kollege Hoyer, Sie haben richtigerweise darauf hin-

gewiesen, dass der FDP-Antrag, der zur Abstimmung steht,


(A)



(B)



(C)



(D)


1022


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1023

sich nicht mit der KSZE in Südosteuropa befasst, sondern
mit der Rolle der ESVPund der EU bei den Überwachungs-
und flankierenden Sicherheitsprozessen in Mazedonien.
Wir stimmen völlig in dem Interesse überein – das kam ges-
tern auch im Auswärtigen Ausschuss zum Ausdruck –, dass
die Europäische Union die Sicherheitskomponente in Zu-
kunft federführend übernehmen soll. In diesem Sinne ist der
Inhalt Ihres Antrags überhaupt nicht zu beanstanden.

Aber was Sie in Ihrem Antrag anmahnen, ist ohnehin
Politik der Bundesregierung. Eines ist an Ihrem Antrag
grundfalsch: dass Sie die Bundesregierung kritisieren,
weil sie nicht hinreichend intensiv auf die entsprechende
Umsetzung dringen würde. Der Außenminister hat gerade
klargestellt, dass es auch im deutschen Interesse liegt,
dass die EU im Sinne der Gemeinsamen Außen- und Si-
cherheitspolitik handlungsfähig wird, und dass es nicht al-
lein in der Hand der Bundesregierung liegt, dies umzuset-
zen. Deshalb ist diese Kritik völlig fehl am Platze. Wir
haben gestern für den Fall, dass Sie diesen kritischen,
überflüssigen Satz aus dem Antrag streichen, angeboten,
einen interfraktionellen Antrag mit der gleichen inhaltli-
chen Zielsetzung mit zu tragen. Leider haben Sie dies ab-
gelehnt. Von daher haben Sie – ich würde sagen: aus Mo-
tiven der Vereinsmeierei – dem eigentlich richtigen
politischen Anliegen geschadet.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501402700

Ich erteile das Wort Kollegin Verena Wohlleben, SPD-

Fraktion.


Verena Wohlleben (SPD):
Rede ID: ID1501402800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Weil wir heute über Mazedonien abstimmen
und nicht über Ihren Antrag, darf ich als letzte Rednerin
etwas zu Mazedonien sagen.

Als ich im September vergangenen Jahres zusammen
mit einigen Kolleginnen und Kollegen unter der Leitung
von Hans-Ulrich Klose selbst in Mazedonien war, war ich
geschockt. Natürlich war ich, wie alle anderen auch, über
die Lage informiert; aber es ist doch etwas ganz anderes,
wenn man die Situation vor Ort hautnah miterlebt. Das
Land stand kurz vor einem blutigen Bürgerkrieg; der Frie-
den in der Region hing an einem seidenen Faden und es
schien so, als wüchsen die Zahl der Hardliner im maze-
donischen Parlament und der Widerstand gegen die Um-
setzung des Rahmenabkommens von Ohrid beständig.

Unter diesen Umständen geriet unsere eigentlich als
Besuch des deutschen Kontingents von Essential Harvest
geplante Reise zu einer diplomatischen Mission. In den
zwei uns zur Verfügung stehenden Tagen führten wir Ge-
spräche mit fast allen hochrangigen mazedonischen Re-
gierungsvertretern. Wir waren froh, dass die Sicherheit
unserer Soldatatinnen und Soldaten damals Gott sei Dank
noch nicht gefährdet war, und für den Fall eines eventuel-
len Rückzugs war die Truppe mit dem bestmöglichen Ma-
terial ausgestattet; das sage ich in Richtung Opposition.
Trotzdem, die Lage war damals wirklich sehr schwierig,
fast hoffnungslos.

Ich hatte, wie auch viele Kolleginnen und Kollegen,
bei der anschließenden Abstimmung über eine deutsche
Beteiligung an Amber Fox Bedenken. In der Operation
lagen Risiken, aber sie war alternativlos. Ein Rückzug der
internationalen Gemeinschaft zu diesem Zeitpunkt hätte
zwangsläufig das Ende des Stabilisierungs- und Friedens-
prozesses in Mazedonien bedeutet und in einen Bürger-
krieg gemündet. Deshalb war es wichtig und richtig, dem
Einsatz zuzustimmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Einsatz der internationalen Staatengemeinschaft in

Mazedonien ist ein großer Erfolg und wird zu Recht von
allen Seiten immer als Paradebeispiel für präventives
Konfliktmanagement gelobt. Zum ersten Mal ist es ge-
lungen, einen Bürgerkrieg vor seinem Beginn zu verhin-
dern. Doch nicht nur das: Die Erfolge, die in relativ kurzer
Zeit in Mazedonien bezüglich der äußeren Stabilisierung
des Landes, aber auch der inneren Aussöhnung und der
Verbesserung des interethnischen Verhältnisses erzielt
werden konnten, sind enorm. Um ehrlich zu sein: Ich hätte
mir die heutige Situation vor 18 Monaten allenfalls in
meinen kühnsten Träumen vorstellen können.

Wir alle kennen die momentane Lage. Inzwischen ha-
ben freie Wahlen stattgefunden, die ebenso friedlich und
störungsfrei verlaufen sind wie der anschließende Regie-
rungswechsel. Die für die innere Aussöhnung des Landes
so wichtige Volkszählung konnte soeben ohne nennens-
werte Unregelmäßigkeiten abgeschlossen werden.


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Trotzdem ist es nicht so paradiesisch, Frau Kollegin!)


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in Mazedonien
nun die besten Voraussetzungen dafür herrschen, dass das
Land weiter nach vorne blicken und seine innere Spaltung
endgültig überwinden kann.


(Beifall bei der SPD – Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Aber Sie sollten die Probleme nicht verdrängen! Es gibt noch viele große Probleme!)


– Sicher gibt es noch viele Probleme, aber die Probleme
sind längst nicht mehr so groß wie vor 18 Monaten. Da
werden Sie mir zustimmen, Herr Pflüger.


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Das ist richtig!)


Hier ist einiges erreicht worden und darüber sind wir auch
sehr froh.

Am Erfolg der Bemühungen der internationalen Ge-
meinschaft hat die Bundeswehr einen maßgeblichen
Anteil. Ihr Einsatz in Mazedonien war und ist ein rich-
tungsweisender und idealtypischer Beitrag deutscher
Friedenspolitik. Ich denke, Sie stimmen mit mir überein,
dass es für unsere Armee keinen besseren Einsatz gibt, als
allein durch ihre Präsenz Frieden zu sichern bzw. teil-
weise gar zu schaffen. Unsere Soldatinnen und Soldaten
leisten einen hervorragenden Dienst.

Sehr verehrte Frau Lietz, ich muss ganz kurz auf Ihre
Kritik eingehen. Sie beklagen die lange Einsatzzeit un-
serer Soldatinnen und Soldaten. Erinnern Sie sich doch
einmal zurück an 1995, als wir hier zum ersten Mal über
den Einsatz in Bosnien abstimmten. Das war ja damals

Dr. Ludger Volmer

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Verena Wohlleben
schon richtungsweisend und es war auch erkennbar, dass
es nicht der letzte Einsatz sein würde.


(Zuruf von der SPD: Die telefoniert!)

– Sie telefoniert, aber die Kollegen werden es ihr viel-
leicht sagen oder es ist im Protokoll nachzulesen. – Sie
waren damals an der Regierung und es wäre eigentlich
Ihre Aufgabe gewesen, die Bundeswehr zu reformieren,
umzubauen und auf ihre künftigen Aufgaben vorzuberei-
ten. Das haben Sie nicht getan; das haben Sie 1998 uns
überlassen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen sind wir heute noch nicht so weit, dass wir die
Einsatzzeit entsprechend verkürzen können. Wir würden
es gern tun, können es aber bis jetzt noch nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, um das in

Mazedonien bisher Erreichte nicht zu gefährden und die
bestehenden Risiken zu minimieren, ist eine in Umfang
und Auftrag an die geänderten Verhältnisse angepasste in-
ternationale Begleitung als stabilisierende und vertrau-
ensbildende Maßnahme weiterhin notwendig. Wir wer-
den heute durch unsere Zustimmung zu einer Beteiligung
deutscher Truppen an der Operation Allied Harmony un-
seren Beitrag zur Absicherung des Friedensprozesses und
zur Demokratisierung in Mazedonien leisten und unseren
Soldatinnen und Soldaten ein starkes Mandat mit auf den
Weg geben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1501402900

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp-

fehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der
Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte an dem NATO-geführten Einsatz auf mazedo-
nischem Territorium, Drucksachen 15/127 und 15/156. Es
ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen
Plätze einzunehmen. Können wir beginnen? – Das ist der
Fall.

Ich eröffne die Abstimmung.
Haben alle Abgeordneten ihre Stimme abgegeben? –

Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der
Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen
Abstimmung wird später bekannt gegeben.1)

Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungs-
anträge.

Wer stimmt für den interfraktionellen Entschließungs-
antrag auf Drucksache 15/130? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich der Stimme? – Der Entschließungsantrag
ist einstimmig angenommen.

Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 15/166? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den
Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die
Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 4 b. Interfraktionell wird Über-
weisung der Vorlage auf Drucksache 15/56 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist
die Überweisung so beschlossen.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 5, Wahlen zu
Gremien. Wir führen zunächst fünf Wahlen mit
Stimmkarten und Wahlausweisen in getrennten Wahlgän-
gen durch. Es handelt sich um folgende Wahlen: Richter-
wahlausschuss gemäß § 5 des Richterwahlgesetzes,
Wahlausschuss gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das
Bundesverfassungsgericht, Wahl der Mitglieder des Par-
lamentarischen Kontrollgremiums, Wahl der Mitglieder
des Gremiums gemäß § 4 a des Bundeswertpapierverwal-
tungsgesetzes, Wahl der Mitglieder des Vertrauensgremi-
ums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung.

An diese fünf Wahlgänge schließen sich noch weitere
Wahlen an, die mittels Handzeichen durchgeführt wer-
den.

Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise
zu den für die zunächst durchzuführenden Wahlen mit
Stimmkarte und Wahlausweis.

Die Stimmkarten in den Farben Orange, Grün, Blau,
Gelb und Weiß werden unmittelbar vor der jeweils durch-
zuführenden Wahl im Saal verteilt. Sie benötigen außer-
dem Ihre Wahlausweise in den Farben Orange, Grün,
Blau, Gelb und Weiß, die Sie, soweit noch nicht gesche-
hen, bitte Ihrem Stimmkartenfach in der Lobby entneh-
men. Bitte achten Sie unbedingt darauf, dass die Wahl-
ausweise wirklich Ihren Namen tragen.

Bevor Sie die entsprechende Stimmkarte in eine der
Wahlurnen werfen, übergeben Sie bitte Ihren dazu-
gehörenden Wahlausweis einem der Schriftführer an den
Wahlurnen. Der Nachweis der Teilnahme an der Wahl
kann nur durch die Abgabe des Wahlausweises erbracht
werden. Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte
ich, darauf zu achten, dass vor der Stimmabgabe der
Wahlausweis übergeben wird.

Die Wahlen finden offen statt. Sie können die Stimm-
karten also an Ihrem Platz ankreuzen.

Wir kommen zunächst zu Tagesordnungspunkt 5 a:
Richterwahlausschuss gemäß § 5 des Richter-
wahlgesetzes
– Drucksachen 15/138, 15/139 –

Dazu liegen Ihnen auf den Drucksache 15/138 und
15/139 Listen mit Wahlvorschlägen vor. Sie benötigen für
diese Wahl die Stimmkarte in der Farbe Orange. Sollten
Sie diese Stimmkarte noch nicht haben, besteht jetzt noch
die Möglichkeit, diese von den Plenarassistenten zu er-
halten.

Ich mache besonders darauf aufmerksam, dass Sie auf
der orangefarbenen Stimmkarte nur einen Vorschlag an-


(A)



(B)



(C)



(D)


1024

1) Ergebnis Seite 1025 A


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1025

kreuzen dürfen. Ungültig sind Stimmkarten, die mehr als
ein Kreuz oder Zusätze enthalten. Wer sich der Stimme
enthalten will, macht keine Eintragung.

Bevor Sie die orangefarbene Stimmkarte in eine der
Wahlurnen werfen, übergeben Sie bitte den Schriftführe-
rinnen und Schriftführern an den Wahlurnen Ihren orange-
farbenen Wahlausweis.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, nun-
mehr die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Ich eröffne
die Wahl zum Richterwahlausschuss.

Ist noch eine Kollegin, ein Kollege anwesend, die ihre
Stimmen nicht abgegeben haben? – Das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich die Wahl und bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-

nen. Das Ergebnis der Wahl wird Ihnen später bekannt ge-
geben.1)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwischendurch
komme ich zu Tagesordnungspunkt 4 a zurück. Ich gebe
das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermit-
telte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die
Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum
Antrag der Bundesregierung „Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an dem NATO-geführten Einsatz auf
mazedonischem Territorium ...“ bekannt. Abgegebene
Stimmen 585. Mit Ja haben gestimmt 577, mit Nein 6, Ent-
haltungen 2. Die Beschlussempfehlung ist angenommen.

Präsident Wolfgang Thierse

1) Ergebnis Seite 1028 D

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 581
davon

ja: 573
nein: 6
enthalten: 2

Ja
SPD
Dr. Lale Akgün
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr (Neuruppin)

Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Kurt Bodewig
Gerd Friedrich Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Karl Diller
Martin Dörmann

Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Marga Elser
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich (Mettmann)

Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack

(Extertal)


Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann

(Wackernheim)


Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Monika Heubaum
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz)

Walter Hoffmann

(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Klaus Werner Jonas
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Heinz Köhler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Christine Lehder
Waltraud Lehn
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark

Caren Marks
Christoph Matschie
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Petra-Evelyne Merkel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Michael Müller (Düsseldorf)

Christian Müller (Zittau)

Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Volker Neumann (Bramsche)

Dietmar Nietan
Dr. Erika Ober
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Karin Rehbock-Zureich
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel

Walter Riester
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)

Michael Roth (Heringen)

Gerhard Rübenkönig
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht

(Tuchenbach)


Thomas Sauer
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)

Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Präsident Wolfgang Thierse


(A)



(B)



(C)



(D)


1026

Horst Schmidbauer

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Wilfried Schreck
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Brigitte Schulte (Hameln)

Reinhard Schultz

(Everswinkel)


Swen Schulz (Spandau)

Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast

Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Hans-Jürgen Uhl
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Ute Vogt (Pforzheim)

Dr. Marlies Volkmer
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Reinhard Weis (Stendal)

Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen

(Wiesloch)


Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker

Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Jürgen Wieczorek (Böhlen)

Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig

Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Waltraud Wolff

(Wolmirstedt)


Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Helmut Zöllmer
Dr. Christoph Zöpel
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck

(Reutlingen)


Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner

(Schönebeck)


Peter H. Carstensen

(Nordstrand)


Gitta Connemann
Hubert Deittert
Albert Deß
Alexander Dobrindt
Vera Dominke
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)

Axel E. Fischer

(Karlsruhe-Land)


Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis

Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Georg Girisch
Michael Glos
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Tanja Gönner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Kurt-Dieter Grill
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Karl-Theodor Freiherr von
und zu Guttenberg

Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Martin Hohmann
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Siegfried Kauder

(Bad Dürrheim)


Gerlinde Kaupa
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Kristina Köhler (Wiesbaden)

Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Michael Kretschmer
Günther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn (Zingst)

Dr. Karl A. Lamers

(Heidelberg)


Dr. Norbert Lammert
Barbara Lanzinger
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus

Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)

Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold

(Offenbach)


Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski

(Recklinghausen)


Stephan Mayer (Altötting)

Cornelia Mayer

(Baiersbronn)


Dr. Martin Mayer

(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer (Hamm)

Doris Meyer (Tapfheim)

Maria Michalk
Hans Michelbach
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Bernward Müller (Gera)

Bernd Neumann (Bremen)

Claudia Nolte
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Melanie Oßwald
Eduard Oswald
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard (Dresden)

Katherina Reiche
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Hannelore Roedel
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Albert Rupprecht (Weiden)

Peter Rzepka
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Andreas Scheuer
Norbert Schindler


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1027

Wir warten jetzt einen Moment bis die geleerten Urnen
wieder da sind.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 5 b:
Wahlausschuss gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes
über das Bundesverfassungsgericht
– Drucksachen 15/140, 15/141 –

Dazu liegen Ihnen auf den Drucksachen 15/140 und
15/141 Listen mit Wahlvorschlägen vor. Für diese Wahl
benötigen Sie die grünen Stimmkarten, die im Saal ver-
teilt werden. Sollten Sie noch keine Stimmkarte haben,
besteht jetzt noch die Möglichkeit, diese von den Plenar-
assistenten zu erhalten.

Ich mache darauf aufmerksam, dass Sie auch auf der
grünen Stimmkarte nur einen Vorschlag ankreuzen dür-
fen. Ungültig sind Stimmkarten, die mehr als ein Kreuz
oder Zusätze enthalten. Wer sich der Stimme enthalten
will, macht keine Eintragung.

Bevor Sie die grüne Stimmkarte in eine Wahlurne wer-
fen, übergeben Sie bitte den Schriftführerinnen und
Schriftführern an den Wahlurnen Ihren grünen Wahlaus-
weis.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Das ist der Fall.

Ich eröffne die Wahl der Mitglieder des Wahlaus-
schusses für die Wahl der Richter des Bundesverfas-
sungsgerichtes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, haben alle ihre
Stimme abgegeben? – Das ist offensichtlich der Fall.

Ich schließe jetzt die Wahl und bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung der Stim-
men zu beginnen. Das Ergebnis der Wahl wird Ihnen spä-
ter bekannt gegeben.1)

Präsident Wolfgang Thierse
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Andreas Schmidt (Mülheim)

Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Matthias Sehling
Marion Seib
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von
Stetten

Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Michael Stübgen
Michaela Tadjadod
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Angelika Volquartz
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Ingo Wellenreuther
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Matthias Wissmann
Werner Wittlich

Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kerstin Andreae
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Cornelia Behm
Birgitt Bender
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Jutta Dümpe-Krüger
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Joseph Fischer (Frankfurt)

Katrin Dagmar Göring-
Eckardt

Anja Hajduk
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Peter Hettlich
Ulrike Höfken
Thilo Hoppe
Michaele Hustedt
Fritz Kuhn
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)

Dr. Reinhard Loske
Anna Lührmann
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)

Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Friedrich Ostendorff
Simone Probst
Claudia Roth (Augsburg)


Krista Sager
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Hitzhofen)

Werner Schulz (Berlin)

Petra Selg
Ursula Sowa
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Marianne Tritz
Hubert Ulrich
Dr. Antje Vogel-Sperl
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf (Frankfurt)

FDP
Daniel Bahr (Münster)

Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Helga Daub
Dr. Christian Eberl
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Karlheinz Guttmacher
Christoph Hartmann

(Homburg)


Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp

Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Markus Löning
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto

(Frankfurt)


Eberhard Otto (Godern)

Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein

Nein
CDU/CSU
Dr. Wolf Bauer
Wolfgang Börnsen

(Bönstrup)


Leo Dautzenberg
Willy Wimmer (Neuss)

fraktionslos
Dr. Gesine Lötzsch
Petra Pau

Enthalten
CDU/CSU
Manfred Carstens (Emstek)

Henry Nitzsche

1) Ergebnis Seite 1041 A

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Präsident Wolfgang Thierse

Jetzt müssen wir wieder ein bisschen warten, bis die
Urnen geleert sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen die Wahlen
fort und kommen zum Tagesordnungspunkt 5 c:

Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der
CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
und der FDP
Einsetzung des Parlamentarischen Kontroll-
gremiums gemäß §§ 4 und 5 Abs. 4 des Gesetzes
über die parlamentarische Kontrolle nachrich-

(Kontrollgremiumgesetz – PKGrG)

– Drucksache 15/142 –
Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen
Kontrollgremiums gemäß §§ 4 und 5 Abs. 4 des
Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle
nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes

(Kontrollgremiumgesetz – PKGrG)

– Drucksache 15/143 –

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den ge-
meinsamen Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/
CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP auf
Drucksache 15/142. Wer stimmt für diesen Antrag? Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist ein-
stimmig angenommen. Damit ist das Parlamentarische
Kontrollgremium eingesetzt und die Mitgliederzahl auf
neun festgelegt.

Bevor wir zur Wahl der Mitglieder des Parlamen-
tarischen Kontrollgremiums kommen, bitte ich um Ihre
Aufmerksamkeit für die notwendigen Hinweise zum
Wahlverfahren: Nach § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die
parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tä-
tigkeit ist gewählt, wer die Stimmen der Mehrheit der Mit-
glieder des Bundestages auf sich vereint, das heißt, wer
mindestens 302 Stimmen erhält.

Die blauen Stimmkarten wurden im Saal verteilt.
Sollten Sie noch keine Stimmkarte haben, besteht jetzt
noch die Möglichkeit, diese von den Plenarassistenten
zu erhalten. Auf der blauen Stimmkarte können Sie neun
Namensvorschläge ankreuzen. Ungültig sind Stimmkar-
ten, die andere Namen oder Zusätze enthalten. Wer sich
der Stimme enthalten will, macht keine Eintragung.
Diese Wahl – wie auch die beiden folgenden Wahlen –
findet offen statt. Sie können die Stimmkarte also an
Ihrem Platz ankreuzen. Bevor Sie die blaue Stimmkarte
in eine der Wahlurnen werfen, übergeben Sie bitte den
Schriftführern an den Wahlurnen Ihren blauen Wahlaus-
weis.

Die Urnen sind besetzt. Dann eröffne ich die dritte
Wahl, die Wahl zum Parlamentarischen Kontrollgremium.

Sind Kolleginnen oder Kollegen anwesend, die ihre
Stimme noch nicht abgegeben haben? – Das ist nicht der
Fall. Ich schließe diesen Wahlgang. Das Ergebnis der
Wahl wird Ihnen später bekannt gegeben.1)

Jetzt müssen wir wieder ein bisschen warten.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 5 d:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der
CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
und der FDP
Einsetzung des Gremiums gemäß § 4 a des Bun-
deswertpapierverwaltungsgesetzes
– Drucksache 15/144 –
Wahl derMitglieder des Gremiums gemäß § 4 a
des Bundeswertpapierverwaltungsgesetzes
– Drucksache 15/145 –

Wir stimmen zunächst über den gemeinsamen Antrag
der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses
90/Die Grünen und der FDP auf Drucksache 15/144 ab.
Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Antrag ist einstimmig angenom-
men. Damit ist das Gremium gemäß § 4 a des Bundes-
wertpapierverwaltungsgesetzes mit der Bezeichnung
„Gremium zu Fragen der Kreditfinanzierung des Bundes“
eingesetzt und die Mitgliederzahl auf neun festgelegt.

Bevor wir zur Wahl der Mitglieder des soeben einge-
setzten Gremiums kommen, bitte ich erneut um Ihre Auf-
merksamkeit für einige Hinweise zum Wahlverfahren:
Nach § 4 a des genannten Gesetzes ist gewählt, wer die
Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf
sich vereint, das heißt, wer mindestens 302 Stimmen erhält.

Die gelben Stimmkarten wurden im Saal verteilt. Soll-
ten Sie noch keine Stimmkarte erhalten haben, besteht jetzt
noch die Möglichkeit, diese von den Saaldienern zu be-
kommen. Auf der gelben Stimmkarte können Sie neun Na-
mensvorschläge ankreuzen. Ungültig sind Stimmkarten,
die andere Namen oder Zusätze enthalten. Wer sich der
Stimme enthalten will, macht keine Eintragung. Bevor Sie
die gelbe Stimmkarte in eine der Wahlurnen werfen, über-
geben Sie den Schriftführerinnen und Schriftführern an
den Wahlurnen bitte Ihren gelben Wahlausweis.

Sind alle Plätze an den Urnen eingenommen? – Das ist
der Fall. Dann eröffne ich die vierte Wahl.

Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimme ab-
gegeben? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann schließe
ich diesen Wahlgang.2)

Ich unterbreche die Sitzung, bis die nächsten Wahlur-
nen kommen.


(Unterbrechung von 11.03 bis 11.05 Uhr)


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501403000

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich möchte Ihnen zunächst das Ergebnis der Wahl der

Mitglieder des Richterwahlausschusses gemäß § 5 des
Richterwahlgesetzes mitteilen: Abgegebene Stimmen 584,
davon gültig 583, Enthaltungen 3, ungültige Stimmen 1.3)


(A)



(B)



(C)



(D)


1028

1) Ergebnis Seite 1041 B
2) Ergebnis Seite 1044 D
3) Namensverzeichnis der Teilnehmer an der Wahl siehe Anlage 2


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1029

Von den gültigen Stimmen entfielen auf den Wahlvor-
schlag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die
Grünen 299 Stimmen, der Fraktionen der CDU/CSU und
der FDP 281 Stimmen.

Nach dem Höchstzahlverfahren d’Hondt entfallen auf
den Wahlvorschlag der Fraktionen der SPD und des
Bündnisses 90/Die Grünen acht Mitglieder und der Frak-
tionen der CDU/CSU und der FDP auch acht Mitglieder.
Nach § 5 Abs. 2 des Richterwahlgesetzes sind die Mit-
glieder und ihre Stellvertreter in der Reihenfolge gewählt,
in der ihr Name auf dem Wahlvorschlag erscheint. Die
Namen der gewählten Mitglieder und ihrer Stellvertreter
entnehmen Sie bitte den Drucksachen 15/138 und 15/139.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 e auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der
CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
und der FDP
Einsetzung des Vertrauensgremiums gemäß
§ 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung
– Drucksache 15/146 –
Wahl der Mitglieder des Vertrauensgremiums
gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsord-
nung
– Drucksache 15/147 –

Wir kommen jetzt zur Einsetzung des Vertrauensgre-
miums gemäß § 10 a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung.
Bevor wir die Mitglieder wählen, rufe ich den gemeinsa-
men Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des
Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP zur Einsetzung
dieses Gremiums und zur Festlegung der Anzahl der Mit-
glieder auf Drucksache 15/146 auf. Wer stimmt für diesen
Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Das ist
nicht der Fall. Der Antrag ist damit einstimmig angenom-
men. Damit ist das Vertrauensgremium eingesetzt und die
Mitgliederzahl auf neun festgelegt.

Jetzt kommen wir zur Wahl der Mitglieder des Ver-
trauensgremiums. Gewählt ist, wer die Stimmen der
Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereint,
das heißt, wer mindestens 302 Stimmen erhält.

Auf der für diese Wahl vorgesehenen weißen Stimm-
karte können Sie neun Namensvorschläge ankreuzen. Sie
kennen es bereits: Ungültig sind Stimmkarten, die andere
Namen oder Zusätze enthalten. – Es gab immer wieder
ungültige Stimmen. Bitte achten Sie deshalb darauf. – Wer
sich der Stimme enthalten will, macht keine Eintragung.

Bevor Sie die weiße Stimmkarte in eine der Wahlurnen
werfen, übergeben Sie bitte den Schriftführern Ihren
weißen Wahlausweis. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. –
Das ist geschehen.

Ich eröffne die fünfte Wahl: Vertrauensgremium.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme

noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich
schließe damit die Wahl und bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Er-
gebnis der Wahl wird Ihnen später bekannt gegeben.1)

Wir kommen jetzt zu den Wahlen, die mittels Handzei-
chen durchgeführt werden.

Tagesordnungspunkt 5 f:
Gemeinsamer Ausschuss nach Art. 53 a des
Grundgesetzes
– Drucksache 15/148 –

Dazu liegt ein Wahlvorschlag der Fraktionen der SPD,
der CDU/CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und der
FDP auf Drucksache 15/148 vor. Wer stimmt für diesen
Wahlvorschlag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der
Wahlvorschlag ist damit einstimmig angenommen wor-
den.

Tagesordnungspunkt 5 g:
Wahlprüfungsausschuss gemäß § 3 Abs. 2 des
Wahlprüfungsgesetzes
– Drucksache 15/152 –

Hierzu liegt ein Wahlvorschlag der Fraktionen der
SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und
der FDP auf Drucksache 15/152 vor. Wer stimmt für die-
sen Wahlvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Ent-
haltungen? – Auch dieser Wahlvorschlag ist damit ein-
stimmig angenommen worden.

Tagesordnungspunkt 5 h:
Gremium gemäß § 41 Abs. 5 des Außenwirt-
schaftsgesetzes
– Drucksache 15/153 –

Es liegt wiederum ein Wahlvorschlag der Fraktionen
der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen
und der FDP auf Drucksache 15/153 vor. Wer stimmt
dafür? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der
Wahlvorschlag ist ebenfalls einstimmig angenommen
worden.

Tagesordnungspunkt 5 i:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der
CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
und der FDP
Einsetzung des Gremiums nach Art. 13 Abs. 6
Grundgesetz
– Drucksache 15/154 –
Wahl derMitglieder des Gremiums nach Art. 13
Abs. 6 Grundgesetz
– Drucksache 15/155 –

Dazu liegt ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen der
SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und
der FDP auf Drucksache 15/154 vor. Wer stimmt für die-
sen Antrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der An-
trag ist damit einstimmig angenommen worden. Damit ist
das Gremium nach Art. 13 Abs. 6 des Grundgesetzes ein-
gesetzt und die Mitgliederzahl auf neun festgelegt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Wahlvor-
schlag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bünd-
nisses 90/Die Grünen und der FDPauf Drucksache 15/155.
Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer

1) Ergebnis Seite 1044 C

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
Der Wahlvorschlag ist ebenfalls einstimmig angenommen
worden.

Wir setzen jetzt die Haushaltsberatungen – Tagesord-
nungspunkte 1 a bis 1 c – fort:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2003

(Haushaltsgesetz 2003)

– Drucksache 15/150 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Fest-
stellung eines Nachtrags zum Bundeshaushalts-
plan für das Haushaltsjahr 2002

(Nachtragshaushaltsgesetz 2002)

– Drucksache 15/149 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
Bericht über den Stand und die voraussichtliche
Entwicklung der Finanzwirtschaft des Bundes
– Drucksache 15/151 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

Ich erinnere daran, dass wir am Dienstag für die heu-
tige Aussprache fünfeinhalb Stunden beschlossen haben.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Wirtschaft und Arbeit. Das Wort hat als
Erster Herr Bundesminister Wolfgang Clement. – Bitte,
Sie haben das Wort.

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft
und Arbeit:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir führen diese Haushaltsdebatte vor dem Hin-
tergrund einer sehr schwierigen weltpolitischen Entwick-
lung. Die weltweite Konjunkturschwäche hat Westeuropa
und damit auch Deutschland besonders hart getroffen.
Wachstum, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit haben
sich im ablaufenden Jahr deutlich ungünstiger entwickelt,
als alle Wirtschaftsexperten prognostiziert hatten. Der ak-
tuelle Anstieg der Arbeitslosigkeit auf über 4 Millionen
zeigt, wie ernst die Situation ist. Darauf muss die Politik
– aber nicht die Politik allein – reagieren.

Die Kernfrage ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen:
Wie können wir mehr wirtschaftliches Wachstum und
mehr Beschäftigung erreichen, und zwar unter den Be-
dingungen des globalen Wirtschaftsraumes? Es gibt keine
Volkswirtschaft, die unter den vier Schlägen des Jahres
2001 keine Wirkung gezeigt hat. Ich erinnere an die Nach-
wirkungen der hohen Ölpreise, an den Kollaps der New

Economy und der Neuen Märkte, an die Finanzierungs-
krisen beispielsweise in Südamerika und nicht zuletzt an
den 11. September 2001. Wer vorurteilsfrei über die Gren-
zen schaut, wird feststellen, dass diese Ereignisse überall
ihre Spuren hinterlassen haben. Sogar die Eidgenossen
nebenan in der Schweiz kämpfen mit sehr ähnlichen – um
nicht zu sagen: identischen – Problemen wie wir. Aller-
dings reden sie nicht so laut darüber. Die negative Stim-
mungsmache in unserem Land ist ohne Beispiel in Europa.
Schwarzmalerei und Panikmache verunsichern und läh-
men Menschen und Unternehmen.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So sehen Sie nicht aus!)


Schwarzmalerei und Panikmache werden der Situation im
Land bei weitem nicht gerecht und führen uns auch kei-
nen einzigen Schritt voran.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Aber Herr Minister!)


Ich möchte dazu nur zwei oder drei Hinweise geben, Herr
Kollege. Die Handels- und Leistungsbilanzergebnisse
werden auch in diesem Jahr das Vorjahresergebnis
Deutschlands weit übertreffen.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Schönfärberei!)

Die deutschen Exporte legen wieder deutlich zu. Die Da-
ten kennen Sie alle. Soeben erhalten wir über das Statis-
tische Bundesamt die vorläufigen Angaben zu den Auf-
tragseingängen bei den deutschen Industrieunternehmen.
Diese steigen gottlob wieder an, und zwar von September
auf Oktober um 1,1 Prozent und in den neuen Ländern um
3,1 Prozent.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Wie schaut es bei der Inlandsnachfrage aus?)


All dies zeigt – darüber sollte niemand hinwegreden; das
dient niemandem –: Die deutschen Unternehmen sind inter-
national hoch wettbewerbsfähig. Die deutsche Außenhan-
delsposition ist gut bis sehr gut. Das eröffnet positive Per-
spektiven, wenn die Weltkonjunktur wieder anzieht.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Und im Inland?)

Deshalb überrascht es mich auch nicht, Herr Kollege, dass
Deutschland nach der Rangliste zur gegenwärtigen Wett-
bewerbsfähigkeit auf der Welt, die das World Economic
Forum kürzlich erstellt hat, unter 80 Staaten auf dem
vierten Rang liegt. Das ist meiner Meinung nach ein Spit-
zenplatz.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist auch interessant, sich einmal diese Studie, eine ame-
rikanische Studie, hinsichtlich des prognostizierten Wachs-
tumspotentials anzusehen. In dieser Rangliste ist Deutsch-
land von Platz 17 auf Platz 14 vorgerückt. Das ist noch nicht
gut genug. Aber wenn man bedenkt, dass die Niederlande in
derselben Zeit von Platz 8 auf Platz 15 und Frankreich von
Platz 20 auf Platz 30 zurückgefallen sind, dann meine ich,
dass wir von einer positiven Gesamteinschätzung der inter-
nationalen Position Deutschlands reden können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



(A)



(B)



(C)



(D)


1030


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1031

Darüber sollte die kritische weltwirtschaftliche Situation,
in der wir uns befinden, nicht hinwegtäuschen und nie-
mand sollte darüber hinwegreden. Das ist das Resultat
hervorragenden Unternehmergeistes, qualifizierter und
leistungsstarker Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
sowie erfolgreicher Standortpolitik in Deutschland.

Meine Damen und Herren, mit dem Haushaltsplanent-
wurf des neuen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit,
der Ausgaben in Höhe von knapp 19 Milliarden Euro vor-
sieht, und mit den geplanten Reformen wollen wir dazu
beitragen, dass wir auf dem Weg der Verbesserung der
Standortsituation, der immer weiteren Verbesserung der
Wettbewerbssituation so rasch wie möglich vorankom-
men und die notwendige Aufbruchstimmung zur Erneue-
rung von Wirtschaft und Gesellschaft entfachen. Die
Fundamentaldaten für eine Konjunkturerholung in
Deutschland weisen nach wie vor in die richtige Richtung.
Dazu zählen beispielsweise die in der zweiten Jahres-
hälfte gestiegenen Einkommen, der niedrige Preisanstieg
und die stabilen Kapitalmarktzinsen. All dies veranlasst
uns, mit großem Interesse auf die fast parallel stattfindende
Sitzung des Zentralbankrats in Frankfurt zu schauen.

Für eine Beschleunigung des Wachstums, verehrte
Kolleginnen und Kollegen, benötigen wir jetzt ein freund-
licheres europäisches und weltwirtschaftliches Umfeld
und natürlich mehr private Investitionen. Wir brauchen
mehr Wachstumsdynamik einerseits und einen schnelle-
ren Umschlag von Wachstum in neue Arbeitsplätze ande-
rerseits; dies brauchen wir nicht erst seit heute, sondern
schon seit vielen Jahren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Durch höhere Steuern?)


Mit unserer Reform des Arbeitsmarktes in Richtung
Dienstleistung und höheres Vermittlungstempo werden
wir dazu beitragen, die Schwelle zu senken, ab der das
wirtschaftliche Wachstum neue Arbeitsplätze schafft.
Wenn es uns gelingt, über mehr Minijobs, über eine Ent-
wicklung des Kleinstgewerbes in Deutschland, über mehr
Zeit- und Leiharbeit und über eine bessere und schnellere
Vermittlung von Arbeitslosen die Flexibilität am Arbeits-
markt zu erhöhen, dann können wir mehr Menschen in Ar-
beit bringen. Die komplette Umsetzung des Hartz-Kon-
zeptes ist deshalb das dringlichste unserer Vorhaben.

Die ersten Schritte haben wir mit dem Ersten und
Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Ar-
beitsmarkt getan. Jetzt ist es an den deutschen Ländern,
im Bundesrat – ab heute im Vermittlungsausschuss – zu
beweisen, ob sie für große Modernisierungsschritte offen
sind oder nicht.

Weitere Schritte werden folgen. Als Nächstes wollen
wir ein Minimalsteuerrecht für das Kleinstgewerbe be-
gründen – dies wird der Finanzminister tun –, dann wer-
den wir die gesetzlichen Voraussetzungen für eine mo-
derne Bundesanstalt fürArbeit schaffen und schließlich
werden wir die notwendige Zusammenführung von So-
zialhilfe für Erwerbsfähige und von Arbeitslosenhilfe
zum Arbeitslosengeld II bewerkstelligen. Mit diesen
Schritten werden wir den Verschiebebahnhof zwischen

Arbeitsamt und Sozialamt beenden, Fehlanreize beseiti-
gen und dem Prinzip des Förderns und Forderns mehr
Geltung verschaffen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Bereits im kommenden Haushaltsjahr wird die schnelle
Umsetzung der Vorschläge der Kommission „Moderne
Dienstleistung am Arbeitsmarkt“ den Haushalt der
Bundesanstalt für Arbeit und den Bundeshaushalt spürbar
entlasten. Allein eine Verkürzung der durchschnittlichen
Dauer der Arbeitslosigkeit in Deutschland um eine Woche
würde zu Einsparungen von rund 1Milliarde Euro führen.
Deshalb wird die Bundesanstalt für Arbeit im kommen-
den Jahr auch ohne Bundeszuschuss auskommen können.

Meine Damen und Herren, ich sage dies auch von die-
ser Stelle klar und deutlich: Hier baue ich auf die Ver-
ständigungsbereitschaft auch der CDU/CSU-geführten
Länder sowie der verehrten Kolleginnen und Kollegen
der Opposition über die Parteigrenzen hinweg im Ver-
mittlungsausschuss, wenn es gilt, gemeinsam die inak-
zeptabel hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Wir haben
dabei keine Zeit zu verlieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist genug Zeit vertan worden. Wir müssen jetzt zu Er-
gebnissen kommen und wir werden jetzt zu Ergebnissen
kommen. Wir sind gesprächsbereit; ich hoffe, Sie sind es
auch. Dann werden wir den Elfmeter schießen, der jetzt
geschossen werden muss, und zwar möglichst in die an-
dere Richtung als heute Nacht.


(Heiterkeit bei der SPD – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Hoffentlich nicht ins eigene Tor!)


– Nicht ins eigene Tor; darauf können Sie sich verlassen,
Herr Kollege. Ich bin Bochumer.


(Heiterkeit bei der SPD)

Um das Tor zu mehr Wachstum aufzustoßen, meine

sehr geehrten Damen und Herren, brauchen wir Verände-
rungen, die nicht durchweg schmerzfrei sein können. Wir
müssen noch viele Verkrustungen unserer Binnenwirt-
schaft aufbrechen. Beispielsweise müssen wir monopolis-
tische Märkte im europäischen Verbund öffnen, und zwar
mit Augenmaß und Vernunft. Insoweit ist sehr wichtig,
dass es in der jüngsten Sitzung des Energieministerrats
gelungen ist, die endgültige Marktöffnung für Strom
und Gas in den Jahren 2004 und 2007 hinzubekommen.


(Beifall bei der SPD)

Wir müssen die Steuer- und Abgabenlast zurück-

führen. Die nächsten Stufen der Steuerreform werden
2004 und 2005 Entlastungen für Unternehmen und pri-
vate Haushalte bringen, die sich gegenüber 1998 auf ins-
gesamt 56,2 Milliarden Euro summieren. Wir müssen das
Hartz-Konzept komplett umsetzen.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Nur zu!)

Es wird mittelfristig zu Entlastungen der Beitragszahler
und der öffentlichen Haushalte führen. Wir müssen die
Rahmenbedingungen für den Mittelstand, der unter einer

Wolfgang Clement, Bundesminister

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Wolfgang Clement, Bundesminister
enormen bürokratischen Last leidet, deutlich attraktiver
gestalten und ihn entlasten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Dann tun Sie es doch endlich, Herr Minister!)


Deshalb werden wir – anders, als Sie, Herr Kollege, es in
Ihrer Zeit getan haben – den Ladenschlussweiter lockern,
wie es der Bundeskanzler angekündigt hat,


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Dem Mittelstand ist es noch nie so schlecht gegangen wie zurzeit!)


und die Öffnungszeiten auch an Samstagen bis 20 Uhr
verlängern. Ich werde dem Bundeskabinett dazu voraus-
sichtlich schon in der kommenden Woche einen Gesetz-
entwurf vorlegen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Unser Land braucht dringend

(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Eine andere Regierung!)

mehr Menschen, die den Mut haben, eigene unternehme-
rische Ideen zu verwirklichen, Verantwortung zu über-
nehmen und Arbeitsplätze zu schaffen. Deshalb werden
wir schon zu Beginn des neuen Jahres der Öffentlichkeit
eine neue Mittelstandsoffensive vorstellen,


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Donnerwetter!)

von der ich nur drei Elemente ansprechen werde.

Erstens: eine Gründungsoffensive. Wir werden ge-
meinsam mit dem Handwerk den durch die Leipziger Be-
schlüsse eingeleiteten Liberalisierungsprozess fortführen
und wir werden Existenzgründer in der Gründungsphase
besser als bisher entlasten, beispielsweise durch die Frei-
stellung von Bürokratie in den ersten drei, vier oder fünf
Jahren nach der Gründung, beispielsweise durch die Frei-
stellung von Beiträgen an die Kammern des Handwerks,
der Industrie und der Dienstleistungen.

Zweitens. Wir werden den Abbau von Bürokratie mit
einem Masterplan „Bürokratieabbau“ vorantreiben.
Das heißt, wir werden unnötige bürokratische Hemmnisse
abbauen. Wir sind bereit, jeden Vorschlag zu überprüfen.
Wir haben alle Verbände, Organisationen und Institutio-
nen in Deutschland angeschrieben und gebeten, uns bis
Ende dieses Jahres Vorschläge zu machen. Wir werden die
Realisierbarkeit jedes Vorschlags prüfen.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das hat Ihr Vorgänger auch schon angekündigt!)


–HerrKollege, das habenvormir schonviele versucht, auch
die Bayerische Staatsregierung. Ich werde aber nicht müde
werden – das unterscheidet mich von vielen anderen – und
wir werden die Bürokratie Schritt für Schritt abbauen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Übrigens – das nur aus meiner Erfahrung und aus meiner
Erinnerung –, die bayerische Bürokratie ist kräftiger als
die nordrhein-westfälische.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Tatkräftiger! – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr!)


– Ja, sicher.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS SES 90/DIE GRÜNEN)

Sie ist auch teurer als die nordrhein-westfälische Bürokra-
tie. Aber darüber unterhalten wir uns noch einmal extra.

Drittens. Wir werden versuchen, eine ausreichende Fi-
nanzierung und Förderung des Mittelstandes zu sichern.
Deshalb werden der Bundesfinanzminister und ich dazu
beitragen, dass die Kreditanstalt fürWiederaufbau und
die Deutsche Ausgleichsbank umgehend zusammenge-
legt werden


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Seit zwei Jahren!)

und dass so rasch wie möglich, das heißt in den nächsten
Tagen, die Wege zur Einrichtung einer Mittelstandsbank
des Bundes eingeschlagen werden,


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Seit zwei Jahren läuft das Ganze!)


sodass wir den Hausbanken ein vernünftiges Backing ge-
ben, also eine vernünftige Stärkung der Kreditvergabe zur
Förderung des Eigenkapitals in den kleinen und mittleren
Unternehmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Daneben werden wir die Fördermittel, die an den Mittel-
stand für Zukunftsinvestitionen in Forschung, Technolo-
gie und Innovationen fließen, im kommenden Jahr um
7 Prozent steigern.

Eines der wichtigsten wirtschaftlichen Standbeine in
Deutschland ist die Industrie.Wir unterstützen sie durch
zahlreiche Initiativen auf strategisch bedeutsamen indus-
triellen Sektoren. Wo es nötig ist, da fördern wir auch, und
zwar erfolgreich. Beispielsweise ist die deutsche Luft-
und Raumfahrtindustrie inzwischen in der Lage, auf dem
Weltmarkt wettbewerbsfähige Produkte anzubieten. Wir
tragen dazu bei, dass der maritime Standort Deutschland
gesichert wird.

Wir werden künftig – das habe ich mir fest vorgenom-
men – noch energischer darauf hinwirken, dass vor allen
Dingen in Brüssel stärker auf die Belange der Industrie
und ihrer weltweiten Wettbewerbsfähigkeit Rücksicht ge-
nommen wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist in der Vergangenheit nicht immer ausreichend der
Fall gewesen. Wir brauchen hierzulande, in Europa und
weltweit wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen, um
Deutschland als wettbewerbsfähigen Industriestandort
dauerhaft zu erhalten und zu stärken. Wir sind darauf
mehr als die meisten anderen Mitgliedstaaten der Europä-
ischen Union angewiesen. Wir sind und bleiben ein Indus-
triestandort.

Die weitere Liberalisierung der nationalen und europä-
ischen Märkte für Strom und Gas im europäischen


(A)



(B)



(C)



(D)


1032


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1033

Gleichschritt ist das gesamtwirtschaftlich wichtigste An-
liegen unserer Energiepolitik. Wir werden unser System
aus privatrechtlichen Verbändevereinbarungen und staat-
licher Kontrolle seitens der Kartellbehörden durch ein no-
velliertes Energiewirtschaftsgesetz noch schlagkräftiger
machen.

Nachdem wir der ostdeutschen Braunkohle zu wett-
bewerbsfähigen Strukturen verholfen haben – in West-
deutschland vollzieht die Braunkohleindustrie diesen Pro-
zess selbst –, gilt es jetzt, die Finanzierung der deutschen
Steinkohle bis zum Jahr 2010 zu gestalten. Der Beitrag
aus dem Bundeshaushalt wird bis 2005 auf gut 2 Milli-
arden Euro absinken und sich auch danach weiter degres-
siv entwickeln. Um es klar zu sagen: Auch im Energie-
bereich müssen Subventionen weiter zurückgeführt und
auf das Maß beschränkt werden, das energiepolitisch und
ökonomisch vernünftig und wirtschafts- und finanzpoli-
tisch vertretbar ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zur strategischen Infrastruktur in Deutschland zählt
neben der Energie auch die Telekommunikation, à la
longue übrigens immer noch der Wachstumsmarkt par
excellence. Unsere Telekommunikationsinfrastruktur zählt
zu den wichtigsten Standortfaktoren Deutschlands. Wir
verfolgen unsere drei Schwerpunkte deshalb weiterhin
konsequent: Wettbewerb stärken, Innovationen fördern,
Verbraucher schützen und unterstützen. Im Jahr 2003
steht mit der Novellierung des Telekommunikationsrechts
die Stärkung des Wettbewerbs im Vordergrund, damit die
Nutzer auch weiterhin von Preissenkungen, Innovationen
und einem breiten Angebot an Telekommunikationsdien-
sten profitieren können.

Meine Damen und Herren, in Deutschland hängt jeder
dritte Arbeitsplatz vom Außenhandel ab; das ist hin-
länglich bekannt. Erfolgreiche Wirtschaftspolitik für mehr
Wachstum und mehr Arbeitsplätze muss damit klare
außenwirtschaftliche Initiativen einschließen. Unsere
Außenwirtschaftsinitiative wird daher rasch kommen; ihr
Schwergewicht wird bei konkreten, schnell wirksamen
Maßnahmen liegen, die wiederum insbesondere dem Mit-
telstand zugute kommen, etwa indem wir die Beteiligung
von mittelständischen Unternehmen auf ausländischen
Messen in Europa und darüber hinaus fördern.

In unserer Außenwirtschaftspolitik wollen wir einem
Thema mehr Aufmerksamkeit schenken, dessen Chancen
und Potenziale nach meinem Eindruck nach wie vor un-
terschätzt werden. Ich meine die Erweiterung der Euro-
päischen Union. Diese Erweiterung der Europäischen
Union um die mittel-, ost- und südosteuropäischen Staa-
ten kann und muss der Kern einer großen europäischen
Wachstumsoffensive werden. Sie kann und muss zur Stär-
kung eines europäischen Binnenmarktes führen, der uns
unabhängiger von den Wechsellagen der Weltkonjunktur
machen kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese Erweiterung der Europäischen Union bietet die

große Chance, unsere soziale Marktwirtschaft zu einem
gleichwertigen Sozialmodell auch über den alten Konti-

nent hinaus zu machen. Die Rekonstruktion der sozialen
Marktwirtschaft auf europäischer Ebene ist eine außeror-
dentliche historische Chance, vielleicht das große Projekt
der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts. Deutschland ist hier
in einer außerordentlich guten Ausgangsposition und die
neuen Länder in Deutschland haben dabei einen weiteren
klaren Standortvorteil. Diese historische Chance Deutsch-
lands dürfen wir nicht verstreichen lassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die zügige Beseitigung der Flutschäden in Ostdeutsch-
land ist auf einem guten Weg, und zwar ohne dass damit
Abstriche bei den anderen Aufgaben der Initiative Auf-
bau Ost verbunden sind. Die Wirtschaftsförderung wird
auf hohem Niveau weitergeführt. Bei der Investitionsför-
derung setzen wir weiterhin auf die bewährten Instru-
mente, vor allem auf die Gemeinschaftsaufgabe „Verbes-
serung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Das geschieht
übrigens in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen-
rat, der die besondere Rolle dieser Gemeinschaftsaufgabe
für den Aufbau Ost betont hat.

Besonders vordringlich für die neuen Länder bleibt die
Stärkung der ostdeutschen Innovations- und Technologie-
potenziale. Dieser Bereich muss weiterentwickelt wer-
den; neue Unternehmen mit neuen wettbewerbsfähigen
Spitzentechnologien müssen entstehen. Die neuen Länder
werden deshalb maßgeblich an den Fördermitteln, die
dafür vorgesehen sind, teilhaben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der neue Zu-
schnitt des Ministeriums, für das ich jetzt Verantwortung
trage, eröffnet aus meiner Sicht die Chance für eine mo-
derne Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik. Es geht
auch um die Überwindung des Denkens in althergebrach-
ten Kategorien und wohlvertrauten Lagern. Mir geht es
– um das deutlich zu sagen – um ein Politikverständnis,
das alle gesellschaftlichen Gruppen in die Mitverantwor-
tung einzubeziehen versucht, in die Mitverantwortung für
die Konzeption der Reformen sowie die Umstrukturie-
rung und Erneuerung unserer Volkswirtschaft und unseres
Sozialmodells. Das eröffnet die Chance, eine Stimmung
und Bereitschaft für Veränderungen zu schaffen, wie wir
sie in letzter Zeit vermissen.

In einer solchen Allianz für Erneuerung, wie ich es
nennen würde, müssen wir die umfassenden notwendigen
Reformen auf den Weg bringen, die, wie gesagt, nicht
überall und nicht immer schmerzfrei zu haben sind, die
manchmal, vor allen Dingen wenn es um Einschnitte im
sozialen Bereich geht, Schmerzen verursachen werden,
die aber notwendig sind, um unsere Volkswirtschaft wei-
terzuentwickeln und unserer Volkswirtschaft auch in Zu-
kunft eine Spitzenposition zu verschaffen, und zwar so-
wohl auf dem Arbeitsmarkt als auch in der Entwicklung
neuer, moderner Technologien, eine Spitzenposition im
globalen Wettbewerb der Standorte, in dem Deutschland
die besten Chancen hat.

Diese Chancen gilt es zu sichern. Das werden wir tun.
Das war, ist und bleibt unser Ziel. Wer daran mitwirken
möchte, ist eingeladen. Ich glaube, dass wir die Phase des
Gegeneinanders überwinden müssen, wenn wir voran-
kommen wollen. Ich bin überzeugt, dass wir schon heute

Wolfgang Clement, Bundesminister

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Wolfgang Clement, Bundesminister
den Beweis dafür antreten können. Meine Bitte und mein
Angebot ist, dass dies geschieht. Aber wir werden das nur
tun können ,wenn wir ohne irgendein schuldhaftes Zögern
handeln. Es muss gelingen und es wird gelingen, dass wir
mit den Reformen am Arbeitsmarkt zum 1. Januar 2003
beginnen. Zeitverzug ist nicht möglich, Gespräche und
bessere Vorschläge allemal.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501403100

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Karl-Josef Laumann,

CDU/CSU.


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1501403200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Clement, Sie
haben Ihre Rede mit der Aussage begonnen, dass die Si-
tuation in Deutschland, was Wirtschaft und Arbeit angeht,
mehr als ernst ist. Da haben Sie Recht. Wir haben eine Si-
tuation in diesem Land, in der allein in diesem Jahr vo-
raussichtlich 42000 Insolvenzen bei den Amtsgerichten an-
gemeldet werden. 300000 Menschen haben durch diese
Insolvenzen ihren Arbeitsplatz verloren. Wir haben gegen-
über 1998 einen Rückgang der Zahl der Neugründungen
von Unternehmen in Deutschland in den neuen Ländern um
rund 85 Prozent, in den alten Ländern um circa 27 Prozent.

Wir haben gestern wieder einmal die neuen Arbeitslo-
senzahlen vernommen. Über 4 Millionen Menschen sind
ohne Arbeit. Aber was mich bei den gestern veröffent-
lichten Zahlen am meisten geschockt hat, ist die Tatsache,
dass bei uns im Land mittlerweile 472 000 junge Men-
schen unter 25 Jahren ohne Arbeit sind. Herr Minister, das
ist die höchste Jugendarbeitslosigkeit im November, seit
wir die Statistik im wiedervereinigten Deutschland führen.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Leider wahr! – Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Trotz JUMP!)


Wenn man einmal genauer hinschaut – wir werden das
auch im Ausschuss tun –, ist meine erste Erkenntnis, zu
der ich den letzten 24 Stunden kommen konnte, dass es
jetzt auch gut ausgebildete junge Leute erwischt. Viele
Jahre war Jugendarbeitslosigkeit ein Problem von man-
gelndem Abschluss und von nicht genügender und nicht
qualifizierter Berufsausbildung. Jetzt trifft es Leute nach
den Gesellenprüfungen, nach einem gut abgeschlossenen
Studium. Das sollte uns, gerade wo wir den demographi-
schen Aufbau unseres Landes kennen, nicht nur nach-
denklich machen, sondern zum Handeln zwingen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Minister, ich bin der Meinung, dass Sie die Wo-

chen, in denen Sie Verantwortung in diesem Haus tragen,
hätten nutzen können, um durch die Zusammenführung
der beiden Ministerien für Arbeit und Wirtschaft ein Sym-
bol für eine andere, für eine mutigere Reformpolitik zu
setzen. Stattdessen sind Sie dabei – und haben es im Grunde
schon geschafft –, diesen Ansatz nicht hinzukriegen.


(Zuruf von der SPD: So ein Quatsch!)


Ich will Ihnen auch sagen, warum Sie ihn nicht hinge-
kriegt haben. Weil Sie bei der Umsetzung des Hartz-
Konzeptes, des ersten großen Reformkonzeptes dieses
Ministeriums, Reformschritte nur so weit mitzugehen be-
reit waren, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund in der
Lage war, sie aus seiner Sicht mitgehen zu können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Damit haben Sie schon symbolisch an Durchsetzungs-
kraft verloren, aber auch Hoffnungen, die mit der Zusam-
menführung dieser beiden Häuser verbunden waren,
schwer enttäuscht. Das führt natürlich dazu, dass sich die
Mutlosigkeit ausbreitet.


(Walter Schöler [SPD]: Du redest doch jetzt gegen deine Überzeugung!)


Ich mache Ihnen als jemand, der lange Mitglied einer
DGB-Gewerkschaft ist, nicht den Vorwurf, dass Sie mit
den Gewerkschaften sprechen. Natürlich müssen wir mit
dem DGB reden, natürlich muss man auch mit anderen
Verbänden reden. Aber der Unterschied zwischen Ihrer
Haltung in diesem Punkt und unserer Haltung ist: Wir dür-
fen unsere politischen Entscheidungen niemals von einem
Verband in Deutschland abhängig machen, und sei er
noch so groß. Dies ist entscheidend.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD)


Jetzt kommen wir zur Umsetzung des Hartz-Konzepts.
Heute Nachmittag um 16 Uhr tagt der Vermittlungsaus-
schuss. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass derjenige,
dessen Name mit diesem Konzept sehr verbunden ist, Herr
Hartz, jetzt, wo Sie, Herr Clement, das Kind ausgetragen
und geboren haben, schlicht und ergreifend die Anerken-
nung der Vaterschaft für dieses Kind verweigert, weil er er-
schrocken darüber ist, was Sie daraus gemacht haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei der Verabschiedung des Hartz-Konzepts haben Sie

von dieser Stelle aus gesagt, Sie würden zusammen mit
Herrn Hartz und Profis der Nation für mehr Beschäf-
tigung mehr als 40 Veranstaltungen in Deutschland be-
suchen. Wenn ich den „Spiegel“ der vorletzten Woche
richtig gelesen habe, wird Herr Hartz an diesen 40 Veran-
staltungen wohl nicht teilnehmen, denn er sagt: Ich kann
mit meinem Namen nicht für dieses Konzept eintreten, da
es so umgesetzt worden ist, dass es nicht die erwartete Be-
schäftigungswirkung entfalten wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Clement, Sie wissen, dass das vor allen Dingen

damit zusammenhängt, wie Sie die Vorschläge zur Zeit-
arbeit umgesetzt haben. Sie haben heute gesagt: Die Op-
position soll nicht nur kritisieren. Damit haben Sie Recht.
Wir müssen konstruktive Vorschläge machen. Wenn Sie
sagen, Sie seien gespannt, inwieweit wir bereit seien, jetzt
im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat
die Umsetzung des Hartz-Konzepts mitzutragen, muss ich
Ihnen die Gegenfrage stellen: Inwieweit sind Sie bereit,
auf die Positionen der Union, die alle in diesem Hause und
auch im Bundesrat auf dem Tisch liegen, einzugehen und
uns entgegenzukommen?


(Wolfgang Clement, Bundesminister: Sie müssen Vorschläge machen!)



(A)



(B)



(C)



(D)


1034


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1035

–Wir haben einen klaren Vorschlag gemacht, wie wir uns
die Regelungen zur Zeitarbeit in Deutschland vorstellen.
Wir wollen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz weit-
gehend abschaffen.

In einem Punkt vertreten wir eine andere Meinung als
Sie: Wir glauben nicht, dass man mit der Zeitarbeit den
Durchbruch für mehr Beschäftigung schafft, wenn für
diese vom ersten Tag an oder auch schon nach wenigen
Wochen die Tarifbedingungen gelten sollen, die für die
übrigen Mitarbeiter des Leihbetriebes gelten.


(Wolfgang Clement, Bundesminister: Wann meinen Sie denn?)


– Nach zwölf Monaten, wie es der jetzigen Lage ent-
spricht.

Lassen Sie uns darüber reden, wo man sich treffen
kann. Sie wissen aber genauso gut wie ich, dass bei den
Bedingungen, die Sie jetzt festlegen, vor allen Dingen die
Nichtqualifizierten, die Langzeitarbeitslosen und die
Zeitarbeiter im Helferbereich vor die Hunde gehen wer-
den. Damit treffen wir die Schwächsten in unserem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie können mit uns über diesen Punkt reden. Es muss

nicht bei den zwölf Monaten bleiben, aber ganz sicher
bleibt es auch nicht dabei, dass die Tarifbedingungen ab
dem ersten Tag gelten, wie Sie dies vorgeschlagen haben.
Lassen Sie uns – auch in Absprache mit denjenigen, die
mit Zeitarbeit Erfahrung haben und wissen, wie weit man
gehen kann –, darüber reden, um eine Lösung zu finden
und den unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden.

Sie haben gesagt: Wir brauchen Entbürokratisierung.

(Dirk Niebel [FDP]: Dann machen wir es doch!)

Richtig. Machen Sie doch Folgendes: Führen Sie den al-
ten 630-Mark-Job auf 400-Euro-Basis – unkompliziert,
wie er war – mit der Pauschalsteuer in Höhe von 20 Pro-
zent wieder ein.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit würde viel bürokratischer Aufwand wegfallen.

Wissen Sie, was Sie damit gleichzeitig erreichen wür-
den? Sie haben – Gott sei Dank – Recht, wenn Sie sagen,
dass unsere Exportzahlen einigermaßen in Ordnung sind.
Dies macht aber umso deutlicher, dass unser Problem in
Deutschland die lahmende Binnenkonjunktur ist.


(Wolfgang Clement, Bundesminister: Die steigt auch an!)


– Ja, ich sehe aber auch die Berichte des deutschen Ein-
zelhandels mit den Umsatzzahlen für dieses Jahr. Ich sehe
die Berichte aus der Bauwirtschaft, die ja bekanntlich zur
inländischen Wirtschaft zählt.


(Dirk Niebel [FDP]: Müntefering sagt ja, man soll nicht mehr konsumieren!)


Ich sage Ihnen: Würden wir diesen alten 630-Mark-Job
auf 400-Euro-Basis wieder einführen, würden wir dies bei
den Umsätzen im Einzelhandel – da bin ich mir ganz si-
cher – relativ schnell merken. Die Menschen sollen sich

nach ihrem Job durchaus noch ein paar Euro hinzuver-
dienen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Für kleine Leute ist dies das Stückchen Wohlstand, dass

man sich auch gern einmal gönnt. Es ist auch die Wahrheit,
dass es bei uns in Deutschland viele Millionen Menschen
gibt, die gerne mehr Geld verdienen möchten, als sie in
ihrem Job verdienen. Weil sie aber vielleicht keine Kar-
riere machen können, können sie nur dadurch mehr Geld
verdienen, dass sie mehr Stunden arbeiten. Das trifft auf
sehr viele Familienväter und -mütter zu. Warum sollen sie
nicht am Wochenende oder abends etwas hinzuverdienen,
weil sie beispielsweise – es ist eigentlich egal, wofür sie
das Geld konkret haben wollen – das Haus abbezahlen
oder sich ein schönes Auto anschaffen wollen?


(Rainer Brüderle [FDP]: Sehr richtig!)

Warum sollen sie nicht die Möglichkeit haben, einen sol-
chen Job auszuüben? Dieses Geld würde sofort der Bin-
nenkonjunktur zugute kommen. Menschen, die solche
Jobs machen, bringen das Geld mit Sicherheit nicht ins
Ausland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Clement, Sie kommen wie ich aus Nordrhein-

Westfalen. Dieses Land hat traditionell sehr viel Schwer-
industrie, die relativ viel Energie verbraucht. Ich habe ei-
nige Zeit auch in einer Gießerei gearbeitet. Deswegen habe
ich für diesen Bereich immer noch eine gewisse Affinität.

Ich habe mir einmal angeschaut, was die Ökosteuer
für die energieintensiven Betriebe bedeutet und habe das
für eine Aluminiumhütte mit einem Umsatz von 275 Mil-
lionen Euro und 640 Mitarbeitern konkret ausgerechnet.
Diese Firma muss aufgrund von Beschlüssen der Bundes-
regierung, der Sie angehören, 15,6 Millionen Euro an
Ökosteuer und Kosten für EEG und KWK zahlen. Das
sind 5,7 Prozent des Umsatzes.

Was für diese Aluminiumhütte gilt, gilt für jede Gieße-
rei in Deutschland. Was für diese Aluminiumhütte gilt –
ich komme aus dem Münsterland –, gilt auch für die Tex-
tilindustrie. Weil in diesem Bereich modernste Maschinen
eingesetzt werden, entfallen auf die Fertigung der Pro-
dukte nur wenige Arbeitsstunden. Textilunternehmer in
meinem Wahlkreis sagen mir, dass es für sie schlimmer
ist, wenn der Strompreis steigt, als wenn die Beiträge zur
Sozialversicherung um einen halben Prozentpunkt stei-
gen. Energiekosten sind nämlich heute in dieser Branche
ein großer Kostenfaktor.

Da frage ich mich: Wo war der Wirtschafts- und Ar-
beitsminister dieses Landes, als sich Ihre Kollegen am
Kabinettstisch so etwas ausgedacht haben?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie gerade in Ihrer Funktion
als Wirtschaftsminister gesagt hätten: Leute, so geht es nun
einmal nicht; es gibt energieintensive Industrien, in denen
sehr viele Menschen einen Arbeitsplatz haben eine solche
Vernichtung von Arbeitsplätzen in der energieintensiven
Industrie in diesem Land mache ich nicht mit.


(Wolfgang Clement, Bundesminister: Es ist noch kein einziger vernichtet worden!)


Karl-Josef Laumann

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Karl-Josef Laumann
– Aber es wird ab Januar passieren.

Überlegen Sie sich einmal, wie Sie unter den jetzigen
Bedingungen, wie sie durch die Ökosteuer gegeben sind,
noch die Chlorindustrie in Deutschland halten wollen! In
meinem Wahlkreis gibt es eine Firma, die in Zukunft – da-
rauf könnte ich wetten – 40 bis 50 Kilometer entfernt in
Holland investieren wird, weil sie am Standort Deutsch-
land mit diesen Energiekosten kein Chlor mehr produzie-
ren kann. Sie wissen, dass man diese Produkte relativ
preisgünstig weit transportieren kann.

Ich hätte mir gewünscht, dass der Wirtschaftsminister
gesagt hätte: Nein, mit mir, Wolfgang Clement, dem
wichtigsten Mann für Wirtschaft und Arbeit in Deutsch-
land, ist eine solche Steuer nicht möglich. Dann wären Sie
in der Tat ein Mann mit Rückgrat oder, wie man im Müns-
terland sagt, ein richtiger Kerl.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Schwachmatiker!)


Ein weiterer Punkt. Wo war der Wirtschaftsminister,
als im Kabinett all die Veränderungen für die Bauwirt-
schaft beschlossen wurden? Es gab große Veränderungen
bei der Abschreibung im Mietwohnungsbau und vor allen
Dingen die Änderung bei der Eigenheimzulage. Sehr se-
riöse Vertreter der Bauwirtschaft sagen mir, dass sie glau-
ben, dass diese Maßnahmen rund 250 000 Beschäftigten
in der Bauwirtschaft und im vor- und nachgelagerten Be-
reich, die heute noch Steuern und Beiträge zahlen, den Job
kosten werden. Sie sollten also aufpassen, dass Sie nicht
mehr kaputtmachen, als Sie mit der stümperhaften Um-
setzung des Hartz-Konzeptes auf der anderen Seite errei-
chen. Das ist ein Punkt, bei dem man wirklich sehr wü-
tend werden kann. Wieder hat man von Wolfgang
Clement, dem Minister für Wirtschaft und Arbeit, nichts
gehört, als am Kabinettstisch diese Maßnahmen be-
schlossen wurden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben schon Recht: Die Reformen, die vor uns lie-

gen und von denen viele von uns wissen, dass wir sie
durchsetzen müssen, werden schmerzhaft sein. Sie wer-
den vor allem deswegen schwer durchzusetzen sein – das
ist meine Erfahrung aus zwölf Jahren Bundestag –, weil
die Verbandslobby in Deutschland in manchen Bereichen
mittlerweile nicht mehr das Gesamte sieht, sondern nur
ihre Einzelinteressen verfolgt. Damit muss sich jede Re-
gierung, jeder Politiker herumschlagen.

Wir müssen doch ein Stück weit deregulieren. Warum
nehmen Sie nicht unsere Vorschläge auf? Wir schlagen ein
Optionsrecht beim Kündigungsschutz für ältere Ar-
beitslose vor. Viele Arbeitgeber, mit denen ich rede, wären
dann schon eher bereit, einmal einen Älteren einzustellen.
Es würde uns keinen einzigen Euro kosten, dies im Kün-
digungsschutzgesetz vorzusehen. Wenn wir dann nach
zwei, drei Jahren sehen sollten, dass das Auswirkungen
hat, die wir nicht bedacht haben, dann kann der Gesetz-
geber das wieder ändern. Aber machen Sie das doch erst
einmal! Dann gucken wir, wie sich ein solches Options-
recht mit einer im Gesetz festgelegten Abfindungsrege-
lung auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Wir glauben, dass das
eine Chance hat. Es kostet nichts. Machen wir es doch!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Herr Clement, wir müssen betriebliche Bündnisse für
Arbeit auf eine saubere rechtliche Grundlage stellen. Sie
wissen genauso gut wie ich, dass es diese Bündnisse für
Arbeit in vielen Betrieben gibt. Meistens funktionieren sie
auch, weil keiner klagt – und wo kein Kläger ist, ist be-
kanntlich kein Richter. Wenn ein Unternehmer aber eine
Rieseninvestition schultern muss, ist ein solches Bündnis
eine unzureichende Grundlage für die Kalkulation. Ein
guter Bankchef würde auf dieser Grundlage keinen Kredit
geben. Das Unternehmen würde beim Rating durchfallen.

Auch wir sind für Tarifverträge. Auch wir wissen, dass
Tarifverträge Gutes haben. Aber lasst uns doch einfach
gucken, wie man die Beschäftigungssicherung in Betrie-
ben vernünftig und verantwortbar individuell regeln
kann! Wir werden Ihnen hierzu Vorschläge vorlegen. In
den Bundesrat hat die B-Seite Vorschläge eingebracht,
wie das – gegenüber den beiden Tarifvertragsparteien ver-
antwortbar – zu lösen ist. Am Ende muss die Entschei-
dung im Betrieb auch einmal Vorrang gegenüber außer-
halb des Betriebes entstandenen Entscheidungen der
Tarifvertragsparteien haben.


(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

Eine verantwortbare Lösung ließe sich sowohl im Be-
triebsverfassungsgesetz als auch im Tarifvertragsgesetz
sehr wohl formulieren.

Ich glaube im Übrigen, dass das die Tarifverträge in
diesem Land sogar stabilisieren würde, weil man dann
nicht mehr aus dem Arbeitnehmerverband austreten
müsste, was heute viele aus wirtschaftlicher Not heraus
müssen. Warum machen wir das nicht?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Auch in einem anderen Bereich bräuchten Sie nur ei-

nen Federstrich zu machen: Schaffen Sie das Schein-
selbstständigkeitsgesetz ab!


(Zuruf von der FDP: Gute Idee!)

Weshalb interessieren wir uns als Staat dafür, ob ein
Selbstständiger einen, zwei, fünfzig oder hundert Kunden
hat? Das muss uns als Staat gar nicht interessieren. Mich
interessiert, ob der Mensch den Lebensunterhalt für sich
und seine Familie sowie seine soziale Sicherung bezahlen
kann. Wenn er das kann, ist es in Ordnung. Schaffen Sie
das Gesetz ab! Das kostet uns keinen einzigen Cent.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Machen Sie bei konkreten Überlegungen mit, was wir

tun können, damit Menschen im Niedriglohnbereich
netto mehr nach Hause bringen! Der Nettolohn muss
deutlich höher als der Sozialhilfeanspruch sein. Ein Ar-
beitender muss sich mehr kaufen können als ein Sozial-
hilfeempfänger. Das muss eine Grundphilosophie im Volk
sein. Schon die Kinder in der Schule müssen wissen, dass
das Leben so funktioniert.

Wir haben einen degressiven Sozialversicherungsbei-
trag vorgeschlagen. Über die Frage, bis zu welchem Stun-
denlohn und welcher Lohnsumme der gelten soll, kann
man reden. Auch ich weiß, dass man mit Einnahmeaus-
fällen bei den Sozialkassen rechnen muss.


(Wolfgang Clement, Bundesminister: Das muss man vorher machen!)



(A)



(B)



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(A)



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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1037

– Dann rechnen Sie doch einmal in Ihrem Ministerium;
greifen Sie die Grundidee auf und setzen Sie sie um! – Ich
glaube, wir könnten in unserem Land bezüglich der Bin-
nennachfrage, der Binnenkonjunktur eine Menge errei-
chen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn Sie die Politik so angehen würden und bei Ihren
Reden nicht immer nur die Opposition aufforderten, Ihren
Vorschlägen, an denen Sie kein Punkt und Komma ändern
wollen, zu folgen, sondern auch unsere Vorschläge auf-
greifen würden, könnten wir das richtige Signal für eine
Erneuerung setzen. Die Menschen wissen schließlich, wie
ernst die Lage in unserem Land ist. Das erklärt auch ihr
Verhalten – sie benehmen sich im Grunde ganz vernünf-
tig, indem sie vorsichtig sind und ihr Geld beieinander
halten –, das uns natürlich Probleme macht.

Ich bin fest davon überzeugt: Wenn man die politischen
Entscheidungen Schritt für Schritt in Richtung Deregulie-
rung, mehr Eigenverantwortung, Bürokratieabbau und
mehr Spielräume für die Kleinen umsetzen würde, dann
könnten wir das Schiff wieder flottmachen und Rücklagen
für schwere Zeiten bilden; denn wir leben in einem
großartigen Land. Unser Job ist es, die richtigen Ent-
scheidungen für unser Land zu treffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir als Opposition müssen dabei sagen, wo Sie nach

unserer Meinung in die falsche Richtung gehen: bei der
Ökosteuer, bei den Betrieben, die viel Energie verbrau-
chen, bei den 41 Vorschlägen, mehr Geld in diesem Land
abzukassieren. Hier gehen Sie in die falsche Richtung.

Mit einigen Ihrer Ansätze gehen Sie in die richtige
Richtung. Aber nehmen Sie unsere Anträge auf! Ich bin
sicher, dass es dann für die Menschen in unserem Land
wieder eine gute Zeit geben wird. Es steht nirgendwo ge-
schrieben, dass Deutschland auf Dauer der Letzte in Eu-
ropa bleiben muss.

Schönen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Bei fall bei der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501403300

Bevor ich das Wort an die nächste Rednerin gebe,

möchte ich Folgendes feststellen: Herr Minister Clement,
das Zwischenrufen ist ein Vorrecht der Abgeordneten. Die
Regierungsmitglieder müssen zuhören.

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Thea Dückert.


Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501403400

Auch wir haben Vorrechte.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir reden heute über den Haushalt, das heißt, wir reden
über die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und über das,
was wir in den nächsten Jahren machen wollen. Der Kol-
lege Laumann hat natürlich Recht: Das größte Problem
für die Haushaltsentwicklung ist die Massenarbeitslosig-

keit. Die Zahlen, die uns gestern vorgelegt wurden, sind
wirklich nicht zufriedenstellend. Das gilt vor allem für
den Bereich der Jugendarbeitslosigkeit.

Darum gilt es, Herr Laumann, Instrumente wie das
JUMP-Programm für jugendliche Arbeitslose fortzu-
führen. Wir müssen auch die Hartz-Vorschläge umsetzen,
und zwar zum 1. Januar 2003.

Genau hier liegt das Problem. Wenn es an die Umset-
zung unserer Vorschläge geht, macht sich Herr Laumann
Sorgen, weil er meint, dass Herr Hartz die Vaterschaft sei-
nes Projektes etwas kritisch sieht. Ich sage Ihnen – das
kann ich als Frau aus großer Überzeugung tun –: Die Er-
fahrung zeigt, dass sich Kinder, die von ihren Vätern kri-
tisch angeschaut werden, sehr propper entwickeln kön-
nen. Wenn es uns gelingen wird, die Hartz-Vorschläge so
umzusetzen, wie sie eingebracht wurden, glaube ich, dass
im nächsten Jahr plötzlich mehrere Väter auftauchen wer-
den, die die Vaterschaft für dieses Kind übernehmen wol-
len. Das kennen wir schon.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Donnerwetter! Sie malen ein tolles Bild!)


Einer, der für Sie Stichwortgeber bei den Reformen
insgesamt und natürlich auch im Zusammenhang mit dem
Hartz-Konzept ist, ist heute nicht da. Das ist Herr Koch.
Für Sie sind ja die Ministerpräsidenten sowieso eher
Stichwortgeber als Ihre eigene Fraktion. Ich habe Ihnen
einige Ausführungen von Herrn Koch mitgebracht, damit
daraus in dieser Debatte ein wenig zitiert werden kann.

Ich finde es nämlich sehr interessant. Wir reden hier
darüber, dass wir in einer schwierigen Situation sind. Wir
müssen die Haushalte konsolidieren, um zukunftsfähig zu
sein. Gleichzeitig müssen wir Reformen machen, um zu-
kunftsfähig zu sein und die Massenarbeitslosigkeit zu be-
seitigen. Da lesen wir dann Interessantes. Herr Koch
wurde zum Beispiel auf die von ihm selbst, aber auch von
seinem Umfeld organisierte Totalblockade angesprochen
oder darauf, dass Bürgerinnen und Bürger auf die Barri-
kaden gerufen werden oder dass der Kollege von der FDP,
Herr Gerhardt, die Finanzämter lahm legen will, um alles
das, was an Vorschlägen umgesetzt werden muss, unmög-
lich zu machen. Auf die Frage, ob es sich dabei um einen
maßvollen Umgang bei dem Versuch, Probleme zu lösen,
handele, antwortete er, das sei ein maßvoller Umgang. Er
verstieg sich sogar noch dazu, zu sagen, dass die heutige
Situation bzw. der Unmut der Bevölkerung, den man an
vielen Punkten nachvollziehen kann, bei Politikern, His-
torikern und Wissenschaftlern dazu geführt hat, kreative
Formen des Widerstandes oder der Äußerung zu ent-
wickeln.


(Dirk Niebel [FDP]: Er hat halt von den 68ern gelernt!)


Ich sage Ihnen: Herr Koch entblödet sich nicht, eine
geistige Armut darzustellen, die er in Form politischer Ar-
mut fortführt. Auf eine weitere Frage antwortete er, Auf-
gabe der Regierung sei es, Konzepte vorzulegen. Die Op-
position sage dazu Ja oder Nein.

Meine Damen und Herren, es tut mir furchtbar Leid:
Wenn wir hier darum ringen, mit welchen Instrumenten

Karl-Josef Laumann

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Dr. Thea Dückert
wir ab dem 1. Januar 2003 in die Umsetzung gehen, dann
können wir vielleicht um Details streiten. Aber dann müs-
sen auch Alternativen vorgelegt werden.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Haben Sie Herrn Laumann nicht zugehört?)


Es ist deutlich geworden, dass Herr Koch Ihr Anführer
bei dieser Art der Blockadepolitik sein will. Ich habe
große Sorge, ob das, was Herr Laumann hier ankündigt,
nämlich in den Auseinandersetzungen im Bundesrat
Kompromisse zu finden, überhaupt möglich ist. Nein, Sie
verstricken sich mit Hilfe von Herrn Koch in einer
Blockadepolitik, die uns überhaupt nicht weiterbringt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir haben mit diesem Haushalt ein großes Problem;
das ist richtig. Wenn man sich das näher anschaut, dann
sieht man das sehr genau. Wir haben hohe Belastungen bei
den Zinsausgaben. Das heißt, wir dürfen nicht weiter in
die Verschuldung gehen. Nichts anderes aber wird von Ih-
nen immer wieder vorgeschlagen. Wir haben auch hohe
Belastungen bei den Sozialausgaben, zum Beispiel bei
den Zuschüssen für die Rentenversicherung. Die derzeiti-
gen Belastungen liegen bei Zinsen und Renten zusammen
bei über 57 Prozent. Das ist natürlich ein Päckchen, das
uns aufgibt, nicht nur die Reformen am Arbeitsmarkt auf
den Weg zu bringen, sondern gleichzeitig eine Konsoli-
dierung der Haushalte und eine Reform der sozialen Si-
cherungssysteme vorzunehmen. Wenn wir diese zusätz-
lichen Lasten in Zukunft nicht reduzieren, werden wir
nicht handlungsfähig sein.

Im Wirtschaftshaushalt wird genau dieses getan. Es
wird konsolidiert. Zum Beispiel im Bereich der Bundes-
anstalt für Arbeit und der Arbeitsmarktpolitik werden wir
7 Milliarden Euro einsparen. Das ist schmerzlich, weil
hierdurch die Arbeitslosenhilfe betroffen sein wird, indem
die Einkommen stärker auf die Arbeitslosenhilfe ange-
rechnet werden. Einsparungen sind schwierig, weil wir
gleichzeitig Reformen, das heißt Effizienzsteigerungen in
der Arbeitsmarktpolitik bzw. eine Verkürzung der Dauer
von Arbeitslosigkeit, auf den Weg bringen. Das ist aber
genau das Rezept: Reformen und Einsparen, Konsolidie-
ren und Einsparen. Sonst werden wir in der Zukunft nichts
auf die Reihe bringen.

Ich sage Ihnen eines: Lassen Sie sich nicht ein auf die-
ses Blockadesüppchen, das Ihnen da der Herr Wulff kocht


(Zuruf von der CDU/CSU: Koch „wulfft“!)

bzw. das Ihnen da der Herr Koch mit Hilfe von Herrn
Wulff kocht; das wollte ich eigentlich sagen. Der Koch
kocht und der Wulff würzt schlecht dazu.

Wir haben Anfang dieser Woche gehört, dass Sie nun of-
fenbar die Erkenntnis erreicht hat, dass Sie selbst Konzepte
vorschlagen müssen. Herr Wulff hat jetzt zehn Punkte
in die Debatte gebracht. Ich habe nicht die Zeit, auf diese
zehn Punkte einzugehen. Ich muss Ihnen nur sagen: Ich
habe sie mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Ich hatte
angenommen, dass jetzt etwas kommen würde, aber da
hat der Berg gekreißt und gebar eine Maus. Es kam das
heraus, was uns Herr Laumann soeben schmackhaft zu

machen versuchte, zum Beispiel bei der Deregulierung
der Zeitarbeit.

Meine Damen und Herren, wir gehen bei der Deregu-
lierung der Zeitarbeit sehr viel weiter als all das, was Sie
jemals vorgeschlagen haben, weil wir der Ansicht sind,
dass gerade die Zeitarbeit genutzt werden muss, um Lang-
zeitarbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt hinein-
zubringen, und zwar in dem Maße, wie es uns unsere
Nachbarländer schon längst vorgemacht haben, beispiels-
weise die Niederlande.

Es ist mutlos, was Sie an dieser Stelle vorschlagen.
Nun kaprizieren Sie sich auf die Personal-Service-Agen-
turen und auf die Frage, ob es Einstiegstarife für Lang-
zeitarbeitslose geben wird. Ich möchte Ihnen dazu nur sa-
gen: Es ist ein Scheingefecht, was Sie hier abziehen. Sie
wissen ganz genau, dass sowohl in der Hartz-Kommission
wie auch danach die Erkenntnis, dass es Einstiegstarife
für Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt über
Zeitarbeit geben muss, längst Platz gegriffen hat und dass
mittlerweile auch die Gewerkschaften und die Zeitar-
beitsfirmen darüber diskutieren. Es ist im Grunde völlig
egal, ob wir das in das Gesetz schreiben. An dieser Stelle
den Tarifparteien das notwendige Vertrauen entgegenzu-
bringen und ihnen die Aufgabe zu stellen, dieses Problem
zu lösen, darin kann ich nun überhaupt keinen Staats-
interventionismus oder eine falsche Arbeitsmarktpolitik
erkennen. Das heißt vielmehr, die Arbeitsmarktpartner
hier im Lande ernst zu nehmen.

Meine Damen und Herren, alles das, was Sie im Zu-
sammenhang mit der Blockade des Hartz-Konzeptes, die
Sie offenbar vorhaben, vorschlagen, ist wirklich recht
kurz gesprungen, ebenso die Vorschläge, die Sie zum Bei-
spiel zur Ich-AG vorgebracht haben. Sie haben sich gar
nicht dazu geäußert, sondern wollen einfach das Schein-
selbstständigengesetz streichen. Ich kann Ihnen nur sa-
gen: Sie haben nicht begriffen, worüber wir hier reden.
Wir reden hier über ganz unterschiedliche Personen und
Arbeitsbereiche. Wir reden hier nicht über Leute, die
schon jetzt in der Scheinselbstständigkeit angemeldet
sind und übrigens auch Sozialabgaben abführen – das ist
gut so –, sondern wir reden über Schwarzarbeit, über
kleine handwerkliche Tätigkeiten, die heute im Rahmen
von Schwarzarbeit erledigt werden und die wir dort he-
rausholen wollen. Sie haben an dieser Stelle einfach nicht
den Mut, so viel Veränderungsbereitschaft aufzubringen,
weil Sie nicht an die Lockerung der Handwerksrolle und
des Meisterzwanges heranwollen. Das ist doch der wirk-
liche Hintergrund.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Machen Sie das denn jetzt? Lockern Sie denn?)


Sie verteidigen an dieser Stelle vorsintflutliche Rege-
lungen in der Ökonomie und am Arbeitsmarkt mit dem
Etikett:


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Machen Sie auch noch den Meisterbrief kaputt, etwas Gutes, was es noch gibt!)


Streichen wir die Scheinselbstständigkeit und lassen wir
die Ich-AG! Ich sage Ihnen: Wir werden die Ich-AG und
die Minijobs brauchen, um Schwarzarbeit in legale Be-
schäftigung zu überführen.


(A)



(B)



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1038


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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1039

Meine Damen und Herren, viele Punkte werden wir
mit dem Hartz-Gesetz angehen. Es sind innovative
Punkte. Man kann über vieles reden. Sie machen Vor-
schläge im Detail. Ich würde sagen: Es ist oft Flickschus-
terei. Aber wenn es Ihnen dann gelingt, an dieser Stelle
mitzutun – denn wir brauchen diese Gesetze –, kann man
auch über Einzelpunkte reden. Das sage ich Ihnen hier,
weil es uns wichtig ist, die Massenarbeitslosigkeit in die-
sem Land auf die Hörner zu nehmen, weil es uns wichtig
ist, die Schwarzarbeit zu bekämpfen, weil es uns wichtig
ist, das Konzept „Fördern und Fordern“ endlich auf den
Weg zu bringen. Deswegen: Machen Sie mit! Wir können
an vielen Stellen miteinander reden.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501403500

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rainer Brüderle,

FDP.


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1501403600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Clement, Sie haben als Beleg für Ihre Einschätzung der Si-
tuation das World Economic Forum zitiert. Das weist aber
auch ausdrücklich darauf hin – Sie haben das nicht er-
wähnt –, dass die Unternehmen besser sind als die Wirt-
schaftspolitik in Deutschland, und sieht die große Gefahr,
dass das Wachstumspotenzial der deutschen Unternehmen
zunehmend im Ausland zum Tragen kommt, weil es im In-
land nicht stimmt. Das gehört der Redlichkeit halber dazu.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In diesen Tagen ist viel die Rede von der Verrohung der
politischen Kultur, die allerdings immer nur beim politi-
schen Gegner zu finden ist. Der Kanzler spricht von der
„Diffamierung durch die Opposition“. Der Bundesfinanz-
minister wirft der Opposition „dauerhaftes Miesmachen
des Standortes“ vor. Dies entbehrt nun wirklich nicht ei-
ner großen Ironie. Genau dieser Bundesfinanzminister hat
am Dienstag dieser Woche die Störung des gesamtwirt-
schaftlichen Gleichgewichtes feststellen müssen. Genau
dieser Bundesfinanzminister musste zugeben, dass das
Viereck aus stetigem und angemessenem Wachstum, ho-
hem Beschäftigungsgrad, Preisstabilität und außenwirt-
schaftlichem Gleichgewicht aus den Fugen geraten ist.
Das angebliche Zerrbild ist leider Realität und amtlich be-
stätigt worden. Mit der Feststellung der gesamtwirt-
schaftlichen Störung ist der permanente Vorwurf der
Miesmacherei entkräftet worden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich hoffe, dass wir in diesem Haus nun, erstmals seit
drei Jahren, wenigstens in der Beurteilung der Situation
übereinstimmen. Die Gefahr eines Double Dip, die Ge-
fahr einer nochmaligen Rezession, ist nicht von der Hand
zu weisen. Ich wünsche mir eine solche Situation nicht,
verweise aber auf die Beurteilung durch die Deutsche
Bank, die schon von der Rezession spricht.

Die Regierung hat die Störung der Volkswirtschaft mit
ihrem Nachtragshaushalt amtlich bestätigt. Wir können
das sehr einfach anpacken. Die 20 Punkte des Sachver-
ständigenrates sind eine hervorragende Grundlage.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Gute Idee!)

Herr Clement, die erneute Rezessionsgefahr wird im

Haushalt unzureichend berücksichtigt. Sie gehen weiter
von einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent und von
3,8 Millionen Arbeitslosen aus. Der Sachverständigenrat
spricht von 1 Prozent Wachstum und von mehr als 4 Mil-
lionen Arbeitslosen. Über die Entwicklung der Arbeits-
losigkeit schweigt die Bundesregierung. Die Massen-
arbeitslosigkeit ist das Haushaltsrisiko Nummer eins.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der höchste Anstieg der Arbeitslosigkeit im November im
Vergleich zum Vorjahr seit der Wiedervereinigung belegt
dies.

Vorsorge haben Sie für dieses Risiko nicht getroffen.
Die Bundesanstalt für Arbeit soll nächstes Jahr ohne Bun-
deszuschuss auskommen. In diesem Jahr haben Sie 5 Mil-
liarden Euro überwiesen. Nachdem Sie schon kein Geld
mehr überweisen wollen, wollen Sie durch das Hartz-
Konzept zusätzlich noch 3,8 Milliarden Euro einsparen.
Sie haben die Mittel für die Arbeitslosenhilfe im Haushalt
von 14,8 Milliarden Euro auf 12,3 Milliarden Euro
gekürzt.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist daran schlecht?)


Sie haben in den vergangenen drei Jahren jeweils im
Durchschnitt 1,3 Milliarden Euro mehr zuschießen müs-
sen, als eingeplant.

Der Haushalt ist in seinen Ansätzen nicht redlich.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie werden mit diesen Haushaltsansätzen – das ist der
Vorwurf – nicht über die Runden kommen. Der Sachver-
ständigenrat geht von 4,1 Millionen Arbeitslosen aus.

Herr Clement, ich respektiere Ihren Ehrgeiz, die Ar-
beitsmarktprognosen der Wirtschaftsweisen zu widerle-
gen, doch allein mit Hartz und Weichspülen werden Sie es
nicht schaffen. Selbst wenn Sie das noch einmal im Fran-
zösischen Dom inszenieren, werden Sie es nicht schaffen.
Sie müssen an die Strukturen heran. Das Hartz-Konzept
kann im besten Fall die Vermittlungstätigkeit verbessern.
Das Arbeitsplatzangebot wird dadurch nicht erhöht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mehr Erwerbstätigkeit bekommen Sie nur durch mehr
Wachstum und mehr Flexibilität. Beides fehlt in Deutsch-
land.

Der Sachverständigenrat hat in der Tat eine Reihe guter
Vorschläge gemacht. Sie müssen das Tarifkartell ein Stück
aufbrechen.


(Dirk Niebel [FDP]: Gute Idee!)


Dr. Thea Dückert

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Rainer Brüderle
Sie werden ohne verstärkte Leistungsanreize nicht voran-
kommen. Das ist nicht bequem, aber es ist notwendig. Die
Vorschläge der Wirtschaftsweisen wurden auch von im-
merhin drei SPD-Mitgliedern erarbeitet. Es sind doch
auch Leute von Ihnen im Sachverständigenrat. Ich habe
nichts gegen diese Leute. Nehmen Sie sie wenigstens
ernst!


(Beifall bei der FDP)

Ich zähle die Sachverständigen zu den vernünftigen Leu-
ten; Herrn Gerster und Sie, Herr Clement, natürlich auch.
Aber Sie müssen machen, was Sie sagen!

Mit Ihrer Allianz für Erneuerung und Bürokratieabbau
haben Sie Recht. Setzen Sie es doch um! Wir hören schon
seit vier Jahren, dass sich da etwas ändern soll. Wir, die
FDP-Bundestagsfraktion, haben 28 konkrete Vorschläge
im Plenum eingebracht: zur Bauabzugsteuer, zum Schein-
selbstständigengesetz, zur Freigabe der Ladenschluss-
zeiten usw. Die Umsetzung kostet keinen Pfennig, aber
hilft ein Stück. Machen Sie es doch, und zwar nicht nur
häppchenweise!


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Notfalls müssen Sie Vorschläge über die Bundesregierung
vorlegen, wenn über den Vorschlägen nicht FDP stehen
darf. Machen Sie das! Wir wollen keine Urheberrechtsab-
gabe. Der Mittelstand wartet dringend darauf.

Die Regierung hat die Störung des gesamtwirtschaftli-
chen Gleichgewichts festgestellt. Wir befinden uns damit
in der keynesianischen Situation von Unterbeschäftigung
mit Nullwachstum. Für eine solche Situation hat der
frühere SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller Art. 115
Grundgesetz und das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz
geschaffen. Schlagen Sie einmal bei Karl Schiller nach,
was er für eine derartige Situation, wie wir sie haben,
empfiehlt! Bei einer Störung des gesamtwirtschaftlichen
Gleichgewichts hat er Steuersenkungen empfohlen. Eine
Steuersenkung könnten Sie sogar über Rechtsverordnun-
gen vornehmen; dafür brauchten Sie keine neuen Gesetze.

Aber Sie machen das Gegenteil: Statt Karl Schiller zu
folgen und Steuern zu senken, schlagen Sie Steuern drauf
und wundern sich, warum die Lage nicht besser wird.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das kostümieren Sie als Abbau von Steuerprivilegien. In
Wahrheit sind das aber Steuererhöhungen. Das Nettoge-
halt eines Facharbeiters ist nun wahrlich kein Steuerprivi-
leg. Durch das, was Sie auf den Weg bringen, entstehen
steuerliche Mehrbelastungen – das bedeutet eine Minde-
rung von Kaufkraft und von Investitionen – in einer Höhe
von 17 Milliarden Euro pro Jahr.

Der versammelte volkswirtschaftliche Sachverstand
dieser Republik hält diesen Kurs für fatal. Die Konjunk-
turforscher schreiben in ihrem Herbstgutachten, das, was
in der Koalitionsvereinbarung zur Anhebung von Steuern
und Sozialabgaben stehe, sei das Gegenteil dessen, was
wachstumspolitisch geboten sei. Das schreiben Ihre eige-
nen Sachverständigen. Selbst der „Spiegel“, der Ihnen
sehr wohl gesonnen ist, der Ihnen sehr nahe steht und der

wahrlich keine publizistische Hilfstruppe der Opposition
ist, titelt diese Woche: Steuerwahn.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Müntefering,
meinte, das sei noch nicht genug, wir sollten Konsumver-
zicht üben, denn der Staat brauche mehr Mittel. Das ist
eine traurige Sicht. Sollen die Kinder zu Weihnachten auf
ihren Fußball verzichten, damit einige Genossen von A16
nach B 3 befördert werden können?


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das ist der Punkt!)


Braucht die Mutti zu Weihnachten kein Parfum, damit
Herr Gabriel noch mehr Geld für die nächste EXPO ver-
brennen kann? Soll die Omi auf ihre Heizdecke auf dem
Gabentisch verzichten, damit die öffentliche Verschwen-
dung in Deutschland weitergeht? Das kann wahrlich nicht
die Lösung der Probleme in Deutschland sein.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Binnenkonsum lahmt seit Jahren. Hauptgrund für
die anhaltende Wachstumsschwäche ist eine Konsum-
schwäche in Deutschland, weil die Menschen kein Ver-
trauen in die Entwicklung dieses Landes haben. Sie wis-
sen nicht, ob sie ihren Job und damit ihr Einkommen
behalten werden oder ob es nicht noch schlechter wird, ob
nicht auch sie ihren Arbeitsplatz und damit ihr Einkom-
men verlieren werden. Das Hochhalten der Staatsquote
– Vergleiche zeigen, dass alle Länder in Europa bei der
Staatsquote besser sind als wir – ist genau der falsche
Weg. Die Lösung ist, die Staatsquote abzusenken,


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

den Verbrauchern mehr Geld zu lassen, das sie dann aus-
geben können, und ihnen Vertrauen zu geben. Sie müssen
eine ruhige Linie in die Politik hineinbringen. Der Staat
muss sparen, damit die Bürger Geld zum Ausgeben und
zum Investieren haben. Das ist die Lösung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie haben angekündigt, Sie wollten die nächsten Land-

tagswahlen zu Richtungsentscheidungen für diesen Kurs
machen. Diese Herausforderung nehmen wir gerne an.


(Dirk Niebel [FDP]: Da machen wir mit!)

Wir werden gerne mit Ihnen darüber diskutieren, ob mehr
Staat und weniger Konsum die Voraussetzung ist, um die
Wirtschaft zu beleben. Wir werden gerne mit Ihnen darü-
ber diskutieren, ob höhere Sozialbeiträge, höhere Lohn-
nebenkosten, gut sind für mehr Beschäftigung. Das ist
eine Steuer auf Arbeit, weil Arbeit dadurch verteuert wird.
Dadurch wird es weniger Arbeitsplätze geben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir werden mit Ihnen gerne darüber diskutieren, ob mehr
soziale Marktwirtschaft oder mehr Staat der richtige An-
satz ist. Auf dem bisherigen Weg werden wir es nicht
schaffen.


(A)



(B)



(C)



(D)


1040


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1041

Zurück zur politischen Kultur. Die Ergebnisse aller
Umfrageinstitute zeigen: Die Hälfte der Bevölkerung
traut den Parteien die Lösung der Probleme nicht mehr zu.


(Lothar Mark [SPD]: Euch auch nicht!)

– Uns allen nicht! – Es ist höchste Zeit, eine Kurskorrek-
tur vorzunehmen. Dafür muss die Kraft aufgebracht wer-
den. Vielleicht sind wir uns in der Analyse in diesem Haus
einig. Vielleicht kommen wir auch bei den Lösungsansät-
zen ein Stück weiter voran. Viel Zeit haben wir nicht
mehr; die Uhr tickt. Sonst gleitet uns allen das, was wir
heute an politischen Strukturen haben, aus den Händen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501403700

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile,

möchte ich Ihnen zwei Abstimmungsergebnisse mitteilen.
Ich komme als Erstes zur Wahl der Mitglieder des Wahl-
ausschusses gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Bun-
desverfassungsgericht: Abgegebene Stimmen 588, davon
gültig 587 – es ist also eine Stimme ungültig –, Enthaltun-
gen 6.1)
Von den gültigen Stimmen entfielen auf den Wahl-
vorschlag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen 300 Stimmen und auf den der Fraktionen von
CDU/CSU und FDP 281 Stimmen. Nach dem Höchst-
zahlverfahren von d’Hondt entfallen damit auf die Frak-
tionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sechs Mit-
glieder und auf die Fraktionen von CDU/CSU und FDP
auch sechs Mitglieder. Nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes
über das Bundesverfassungsgericht sind die Mitglieder
in der Reihenfolge gewählt, in der ihr Name auf dem
Wahlvorschlag erscheint. Die Namen der gewählten
Mitglieder entnehmen Sie bitte den Drucksachen 15/140
und 15/141. – Dies waren die Ergebnisse aus dem ersten
Wahlprotokoll.

Die zweite Wahl betraf die Mitglieder des Parlamenta-
rischen Kontrollgremiums: Mitgliederzahl 603. Abgege-
bene Stimmen 587, davon gültig 585, keine Enthaltung,
aber zwei ungültige Stimmen.2) Von den gültigen Stimmen
entfielen auf den Abgeordneten Hermann Bachmaier 505,
den Abgeordneten Hans-Joachim Hacker 516, den Abge-
ordneten Volker Neumann (Bramsche) 474, die Abgeord-
nete Erika Simm 517, den Abgeordneten Hartmut Büttner

(Schönebeck) 505, den Abgeordneten Bernd Schmidbauer

449, den Abgeordneten Wolfgang Zeitlmann 460, den Ab-
geordneten Hans-Christian Ströbele 309 und den Abgeord-
neten Rainer Funke 520 Stimmen.

Diese neuen Abgeordneten haben die nach § 4 Abs. 3
des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nach-
richtendienstlicher Tätigkeit des Bundes erforderliche
Mehrheit von 302 Stimmen erreicht. Sie sind damit als
Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums ge-
wählt worden. Herzlichen Glückwunsch!

Jetzt machen wir in der Debatte weiter. Nun hat der Ab-
geordnete Ludwig Stiegler das Wort.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Der Mann mit dem Professorengeschwätz!)



Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1501403800

Meine Damen und Herren! Nachdem man den begab-

ten Polemiker Brüderle, den Untergangspropheten, gehört
hat, fragt man sich: Wo war er eigentlich, als FDP und
CDU/CSU regiert haben? Er hat hier das Stabilitäts- und
Wachstumsgesetz beschworen. Wenn Sie danach gelebt
hätten, Herr Brüderle, dann hätten Sie eine Konjunktur-
ausgleichsrücklage geschaffen, sodass wir heute aus dem
Vollen schöpfen könnten. Stattdessen haben uns
CDU/CSU und FDPeine Schuldenlast mit jährlich 40 Mil-
liarden Euro Zinsen hinterlassen. Sie sind ständig auf der
Flucht vor Ihrer eigenen Vergangenheit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie sind ständig dabei, die Verantwortung für vorange-
gangenes Tun abzuwälzen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Herr Kollege, bis jetzt war die Debatte sehr sachlich! Versuchen Sie es doch einmal!)


Sie beklagen die Höhe der Lohnnebenkosten, die Sie
selber in Ihrer Zeit hochgefahren haben. Sie beklagen den
gestiegenen Staatsanteil. Das sind wirklich wohlfeile Vor-
schläge. Wenn wir von Ihnen ein geordnetes Staatswesen
übernommen hätten, würden wir mit der derzeitigen wirt-
schaftlichen Krise spielend fertig werden.


(Beifall bei der SPD)

16 Jahre lang hatten Sie Gelegenheit, Ihre wunderbaren
Vorschläge zu formulieren und umzusetzen. Hier treten Sie
wie der alte Cato mit seinem ewigen ceterum censeo auf.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Vorsicht mit den lateinischen Ausdrücken!)


Wo waren Sie denn in der Zeit, als Sie handeln konn-
ten? Hören Sie mir mit diesen wohlfeilen Vorschlägen
auf, die mit der aktuellen Lage nichts zu tun haben! Hören
Sie zusammen mit den Schwarzen auf, schwarze Brühe in
die Wirtschaft zu gießen, wohingegen der Wirtschaftsmi-
nister mit Schwung und Tatkraft in die Glut bläst! Das ist
es, was wir jetzt brauchen: die Glut anzufachen und nicht
alles mit schwarzer Brühe zu übergießen.


(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU)


Die Union hat lange Zeit nach dem Sonthofener Rezept
von Franz Josef Strauß gehandelt: Schwarzmalerei ist an-
gesagt, man muss eine Hysterie auslösen. – Erst jetzt
kommen ein paar Vorschläge, mit denen ich mich ausei-
nander setzen möchte. Stichwort: Gegensteuern statt
neuer Steuern! Die Union beginnt im ersten Absatz ihres
Konzeptes mit einer faustdicken Lüge.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So?)

So dumm können Ihre Referenten nicht sein, als dass
man das als Fahrlässigkeit abtun könnte. Sie schreiben:

Rainer Brüderle

1) Namensverzeichnis der Teilnehmer an der Wahl siehe Anlage 3
2) Namensliste der Teilnehmer an der Wahl siehe Anlage 4

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Ludwig Stiegler
45 000 Unternehmen werden in diesem Jahr Konkurs
machen.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Es sind mehr!)

– Sie Hellseher! – Das Statistische Bundesamt meldet
21 000 Konkurse. Sie aber rechnen die Verbraucherin-
solvenzen mit den Unternehmensinsolvenzen zusammen.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Nein, das sind 75 000! Das sind fast doppelt so viele!)


Sie sind dreiste Schwindler und Schwarzmaler, die den
Menschen Angst machen wollen. Sie sind Angstritter und
wollen davon zehren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN )


In Wahrheit verhält es sich anders: Wir haben den Ver-
brauchern die Möglichkeit geboten, sich von ihrer Ver-
schuldung zu befreien. Die Verbraucher- und die Unter-
nehmensinsolvenzen zusammenzuzählen ist ungehörig
und falsch. Bleiben Sie bei der Wahrheit, wenn Sie die
Leute schon pessimistisch einstimmen wollen!


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie haben die Selbstständigenquote bejammert. Das
Statistische Bundesamt hat festgehalten, dass es 1998, als
Sie die Regierung abgeben mussten, 3 974000 Selbststän-
dige gab, denen im dritten Quartal 2002 4 099000 Selbst-
ständigen gegenüberstehen. Die Zahl der Selbstständigen
ist also derzeit höher als in Ihrer Regierungszeit. Wir ha-
ben inzwischen eine höhere Selbstständigenquote als die
Vereinigten Staaten. Wie passt das in Ihr Weltbild? Wer-
fen Sie einen Blick in Ihre Bilanzen und machen Sie sich
endlich kundig, bevor Sie über andere herfallen!


(Beifall bei der SPD – Ernst Hinsken [CDU/ CSU]: Das sind ja alles falsche Zahlen! Da stimmt nicht eine Zahl!)


Die Zahl der Arbeitnehmer betrug zu dem Zeitpunkt,
als Sie die Regierung abgeben mussten, 33 812 000.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da waren die 630-Mark-Jobs aber noch nicht dabei!)


Unter unserer Regierung beträgt die Zahl im dritten Quar-
tal 2002 34 556 000.


(Zurufe von der CDU/CSU)

Es schwindelt sich so schlecht, wenn man sich mit den
wahren Zahlen beschäftigt. Henri Nannen soll einmal ge-
sagt haben: Jungs, recherchiert nicht so viel; es schreibt
sich dann so schlecht.


(Heiterkeit bei der SPD)

Daran erinnert mich Ihr Verhalten in diesem Zusammen-
hang. Hören Sie auf, die Situation in diesem Land wahr-
heitswidrig schwarz zu malen! Sie sollten jetzt aufhören,
beleidigt zu sein, weil Sie nicht gewählt worden sind. Sie
sollten vielmehr dazu übergehen, mit uns ordentlich zu-
sammenzuarbeiten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Wie kann man bei so etwas klatschen?)


Wenn ich mich in Ihrem Papier weiter voranhangele
– ich mache das mit Freude –, komme ich zu Ihrer Fest-
stellung, die strukturellen Verkrustungen des Arbeits-
markts seien aufzubrechen. Da Sie die 16 Jahre vor uns re-
giert haben, frage ich mich, wer dafür die Verantwortung
trägt; aber ich will an dieser Stelle gnädig sein. Wir haben
jedenfalls mit der Hartz-Kommission die notwendigen
Entscheidungen getroffen und Möglichkeiten geschaffen,
Fortschritte zu erzielen.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501403900

Herr Kollege Stiegler, gestatten Sie eine Zwi-

schenfrage des Kollegen Schauerte?

(Peter Dreßen [SPD]: Er gibt dir eine Steilvorlage!)



Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1501404000

Wenn sich meine Redezeit dadurch nicht verkürzt.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501404100

Die Redezeit wird natürlich gestoppt.


Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1501404200

Herr Schauerte verursacht mir keinen Schauer.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1501404300

Herr Kollege Stiegler, wir haben bisher eine sehr sach-

liche Diskussion geführt. Sie haben aber den schweren
Vorwurf erhoben, wir würden die Zahl der Insolvenzen
falsch berechnen. Gerade heute aber hat Creditreform
festgestellt, dass die Zahlen exorbitant angestiegen sind
und dass in diesem Jahr mit Sicherheit mehr als 40 000 Un-
ternehmensinsolvenzen zu erwarten sind. Wie kommen
Sie dazu, von 21 000 Insolvenzen zu reden, also eine um
die Hälfte kleinere, falsche Zahl anzugeben, und uns den
Vorwurf der Lüge zu machen?


Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1501404400

Ich halte mich an die Pressemitteilung des Statistischen

Bundesamts vom 22. November dieses Jahres.

(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das be trifft das erste Halbjahr!)

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht Zahlen,
während Creditreform Schätzungen veröffentlicht. Ihrer
Behauptung, die Zahl der Insolvenzen sei höher, ist ent-
gegenzuhalten, dass es sich dabei um eine Prognose für
ein bis zwei Monate handelt. Mit dieser Prognose sollten
Sie nicht durch die Lande ziehen und die Leute verunsi-
chern.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Es ist peinlich!)

Man sollte nämlich nicht den schwarzen Teufel an die
Wand malen.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Wieder einmal ertappt!)



(A)



(B)



(C)



(D)


1042


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1043

Sie wollen Nebenjobs von Steuern und Sozialabgaben
befreien. Ich sage Ihnen voraus, dass Sie anschließend
wieder über Ausfälle bei den Sozialversicherungsbeiträ-
gen jammern werden. Sie wollen die Verdienstgrenze für
geringfügige Beschäftigungsverhältnisse anheben. An-
schließend jammern Sie dann wieder, wenn die Sozial-
versicherungsbeiträge steigen. Allerdings räume ich ein,
dass wir über das eine oder andere reden können, wenn
zum 31. März der Bericht über die bisherigen Erfahrun-
gen vorgelegt wird. Man kann aber nicht einerseits Be-
schäftigungsverhältnisse in großen Teilen sozialversiche-
rungsfrei regeln und alle anderen die Lasten tragen lassen
und andererseits über die Lohnnebenkosten jammern. Sie
sollten in Ihrer Argumentation schon konsequent bleiben.

Wenn ich mir die Entwicklung der Scheinselbststän-
digkeit anschaue, dann stelle ich fest: Wir haben die alte
Tradition, die in Ihrer Regierungszeit eingerissen ist,
nämlich zum Beispiel einem LKW-Fahrer einen Lastwa-
gen unterzujubeln, ihn mit Krediten zu belasten und so
sein Leben zu ruinieren, zu Recht beendet.


(Beifall bei der SPD)

Sie schlagen des Weiteren laufend vor, die befristeten

Arbeitsverhältnisse auszuweiten. Aber gleichzeitig for-
dern Sie Verbrauchervertrauen. Wie kann man mit Arbeit-
nehmern, die in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis
wie Tagelöhner arbeiten müssen – solche Arbeitnehmer
findet man in allen Generationen –, die Wirtschaft ankur-
beln? Bei den 55-Jährigen möchte ich nur auf die Vor-
schläge der Hartz-Kommission verweisen.

Sie wollen den Menschen außerdem den Rechtsan-
spruch auf Teilzeit nehmen. Aber wir brauchen gerade in
Zukunft eine hohe Erwerbstätigenquote bei den Frauen.
Daher sollten wir mehr in ein intelligentes Personalma-
nagement und in die Qualifikation der Unternehmer in-
ves-tieren, statt den Menschen die Spielräume zu nehmen.
Ein intelligentes Personalmanagement ist auch im deut-
schen Mittelstand möglich.

Die Potenziale der Zeitarbeit, die Sie uns zu nutzen
auffordern, erschließen wir mit dem Hartz-Konzept. Aber
im Gegensatz zu Ihnen werden wir die Menschen nicht für
vogelfrei erklären. Sie sollen vielmehr weiterhin einen ta-
rifvertraglichen Schutz haben.

Wenn ich mir anschaue, was Sie über die betrieblichen
Bündnisse für Arbeit sagen, dann muss ich feststellen:
Sie wollen in der Tat die Unverbrüchlichkeit, die Unab-
dingbarkeit und die Unmittelbarkeit der Tarifverträge
wieder aufbrechen. Das ist zuallererst ein Verfassungs-
problem; denn die Tarifvertragsfreiheit ist im Grundge-
setz verankert. Außerdem spielt die Frage der Gleichbe-
handlung der Branchen eine wichtige Rolle. Ich bin ganz
erstaunt – ich habe das mit Freude im Gutachten des Sach-
verständigenrats gelesen –, dass ausgerechnet mein Freund
Professor Rürup massiv gegen das Aufbrechen der Tarif-
verträge zu Felde zieht und dass er uns die Friedensfunk-
tion der Tarifverträge nahe zu bringen versucht. Ich sage
Ihnen – ich habe das in eigener Verantwortung x-mal er-
lebt –: Man kann zwar mit den Tarifpartnern Sanierungs-
verträge abschließen. Aber man muss dabei auch sicher-
stellen, dass die Arbeitnehmerinteressen gewahrt sind. Sie
wollen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gene-

rell den tarifvertraglichen Schutz nehmen. Wir werden ihn
dagegen erhalten. Tarifverträge sind nämlich keine Emp-
fehlungen. Sie gelten vielmehr unmittelbar und unab-
dingbar. Das ist eine Errungenschaft der deutschen Revo-
lution von 1918, an der wir nicht rütteln lassen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn ich mir alle Ihre Vorschläge anschaue, dann muss
ich sagen: Die Menschen sind bei uns weiß Gott besser
aufgehoben.

Ich möchte jetzt auf die Hauptthemen zu sprechen
kommen. Die kleinen und mittleren Unternehmen haben
in der Tat ein Problem mit der Kapitalbeschaffung. Der
Minister hat – Gott sei Dank – die Gründung einer Mit-
telstandsbank angestoßen. Sie alleine wird die Probleme
sicherlich nicht lösen können. Aber sie wird eine wichtige
Rolle spielen.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Die Zinsen werden billiger!)


– Ich hoffe, dass der Zentralbankrat heute die Leitzinsen
senkt. Dann werden die Kredite auch bei uns günstiger.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Wegen der Mittelstandsbank?)


Wenn wir aber Zinssubventionen tätigen, dann schreien
Sie ja wieder, dass wir zu viel ausgäben. Ich sage Ihnen:
Die Konzeption der geplanten Mittelstandsbank ist okay.

Mit dem Programm „Kapital fürArbeit“machen wir
einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Wir appel-
lieren – das ist durchaus angebracht – an die deutschen
Banken, die Unternehmer, die auf der Grundlage dieses
Programms Kredite aufnehmen möchten, nicht einfach
abzuweisen. Es wird Ihnen sicherlich genauso gehen wie
mir: Jeden Tag kommen abgewiesene Unternehmer zu
mir und beklagen sich darüber, dass die Banken nicht mit-
machten bzw. dass sie, wenn sie die Bundesmittel ausrei-
chen, die Kreditlinien kürzten. So kann man mit einem
wichtigen Programm nicht umgehen. Wir erwarten, dass
die Banken dieses Programm ohne Vorbehalte umsetzen;
denn nur dann leisten sie einen Beitrag dazu, dass Kapital
und Arbeit wieder zusammengebracht werden.


(Beifall bei der SPD)

Der Mittelstand leidet in anderen Bereichen in der Tat

unter einer Kreditkrise; denn in den glorreichen 16 Jahren
der CDU/CSU-FDP-Regierung ist die Eigenkapitalaus-
stattung des deutschen Mittelstandes weggeschmolzen
wie der Schnee in der Sonne. Man müsste denken, dass in
Ihren paradiesischen Zeiten alle mittelständischen Be-
triebe Eigenkapital aufgebaut haben. Wer aber die Be-
richte der Deutschen Bundesbank liest, der weiß, dass der
deutsche Mittelstand aus tausenderlei Gründen nicht
genügend Eigenkapital hat. Jedenfalls hat er jetzt ein
schlechtes Rating und Probleme bei den Banken. Ich
finde, hier haben wir alle miteinander in Gesprächen mit
den Banken und mit den Beteiligten dafür zu sorgen, dass
die Unternehmensfinanzierung gelingt.

Ich möchte mich in dieser Legislaturperiode besonders
dafür einsetzen, dass regionale Beteiligungsgesellschaf-
ten eingerichtet werden. Die Leute sollen nicht an der

Ludwig Stiegler

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Ludwig Stiegler
Börse spekulieren, sondern meinetwegen über die Aus-
gabe von Genussscheinen der Sparkassen und Genossen-
schaftsbanken Beteiligungskapital ansammeln, damit wir
unsere regionalen Unternehmen finanzieren können. Das
scheint mir ein ganz wichtiger Auftrag zu sein. Hier genü-
gen nicht Exit-Orientierung oder Venturekapitalisten, die
im Grunde nicht nachhaltig im Mittelstand bleiben, son-
dern wir brauchen eine dauerhafte und solide Finanzie-
rung der kleinen und mittleren Unternehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das Wichtigste ist aber jetzt,

dass wir den Menschen auch die positiven Zeichen vermit-
teln, nämlich Preisstabilität und die Tatsache, dass bei der
Nachfrage und bei den Geschäftsklimaindizes die Deut-
schen im europäischen Vergleich im Mittelbereich liegen.

Wir müssen den Menschen vermitteln, dass wir Pro-
bleme mit der Bewältigung der deutschen Einheit haben.
Der Aufbau Ost kostet viel Geld. Aber wir sagen Ja zu die-
sen Kosten. Diese Volkswirtschaft läuft eben mit einem
Rucksack herum.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Ostdeutschen sind kein Rucksack!)


Je früher wir den Aufbau Ost schultern, desto eher kom-
men wir in Fahrt. Darum werden wir die Förderung Ost
und die Investitionsförderung auf hohem Niveau halten.

Herr Brüderle, Sie sagten, der Haushalt sei zu optimis-
tisch. Wir unterstützen Hans Eichel ausdrücklich aus kon-
junkturpolitischen Gründen, den Haushalt nicht auf pessi-
mistischen Erwartungen aufzubauen,


(Rainer Brüderle [FDP]: Realistisch!)

damit zur Not die Stabilisatoren wirken können. Denn
wenn wir ihn auf Rand nähen würden, würden wir prozy-
klisch sparen. Wir wollen aber die Wachstumsspielräume
halten. Das sollten Sie nicht kritisieren. Sie sollten uns
vielmehr dabei unterstützen, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD)

Es kommt in den nächsten Wochen und Monaten darauf
an, dass wir nicht ständig den Untergang beschwören,
sondern dass wir die Chancen sehen, die in dieser Ent-
wicklung liegen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Folgendes an
die Adresse der deutschen Wirtschaft sagen: Wenn es gut
läuft, klopfen sich alle Manager auf die Schulter und sa-
gen: Wir sind tolle Hechte, sind innovativ und kreativ und
haben Aktienoptionspläne verdient. – Wenn es Schwie-
rigkeiten gibt, war es jedoch der Staat. Diese Arbeitstei-
lung, meine Damen und Herren, kann nicht richtig sein.


(Beifall bei der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Holzmann!)


Ich erinnere an den Sachverständigenrat, der deutlich gesagt
hat: Schwierige Zeiten sind gerade eine Bewährungsprobe


(Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Ernst, ich bin schon fertig; du kommst zu spät – für krea-
tive Unternehmer. Hier zeigt sich, ob in den Kerlen etwas
steckt oder ob sie nur Schönwetterkapitäne sind. Wir er-

warten von den wirtschaftlichen Eliten, dass sie sich von
Ihnen nicht in die Trübsal blasen lassen, sondern dass Sie
sich von Wolfgang Clement die Fanfare zum Aufbruch
blasen lassen. Das ist der Auftrag. Ich bin dankbar dafür,
dass wir einen Minister haben, der nicht Schamade
schlägt wie Sie, sondern die Fanfare bläst. Damit werden
wir erfolgreich sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Die Fanfare für jeden zusätzlich gestorbenen Betrieb!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501404500

Ich gebe Ihnen noch zwei Wahlergebnisse bekannt.
Ich beginne mit dem Ergebnis derWahl der Mitglie-

der des Vertrauensgremiums gemäß § 10 a Abs. 2 der
Bundeshaushaltsordnung. Abgegebene Stimmen 587, da-
von gültig 587 Stimmen. Von den gültigen Stimmen ent-
fielen auf den Abgeordneten Klaus Hagemann 491 Stim-
men, auf die Abgeordnete Dr. Elke Leonhard 538
Stimmen, auf den Abgeordneten Gerhard Rübenkönig 505
Stimmen, auf den Abgeordneten Walter Schöler 486 Stim-
men, auf den Abgeordneten Dietrich Austermann 446
Stimmen, auf den Abgeordneten Manfred Carstens 503
Stimmen, auf den Abgeordneten Dr. Hans-Peter Uhl 475
Stimmen, auf die Abgeordnete Anja Hajduk 445 Stimmen
und auf den Abgeordneten Jürgen Koppelin 482 Stimmen.

Diese neun Abgeordneten haben die nach § 10 a Abs. 2
der Bundeshaushaltsordnung in Verbindung mit § 4 Abs. 3
des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nach-
richtendienstlicher Tätigkeit des Bundes erforderliche
Mehrheit von 302 Stimmen erreicht.1) Sie sind damit als
Mitglieder des Vertrauensgremiums gewählt. Herzlichen
Glückwunsch!

Ergebnis der Wahl der Mitglieder des Gremiums
gemäß § 4 a des Bundeswertpapierverwaltungsgeset-
zes: abgegebene Stimmen 588, davon gültig 588, Enthal-
tungen 3.2) Von den gültigen Stimmen entfielen auf den
Abgeordneten Bernhard Brinkmann 494 Stimmen, den
Abgeordneten Dr. Heinz Köhler 505 Stimmen, den Abge-
ordneten Walter Schöler 506 Stimmen, den Abgeordneten
Gunter Weißgerber 509 Stimmen, den Abgeordneten
Bartholomäus Kalb 501 Stimmen, den Abgeordneten
Steffen Kampeter 488 Stimmen, den Abgeordneten Klaus-
Peter Willsch 496 Stimmen, die Abgeordnete Antje
Hermenau 455 Stimmen und den Abgeordneten Dr. Günter
Rexrodt 471 Stimmen.

Diese neun Abgeordneten haben die erforderliche
Mehrheit von 302 Stimmen erreicht und sind damit als
Mitglieder des Gremiums gemäß § 4 a des Bundeswert-
papierverwaltungsgesetzes gewählt. Auch ihnen herzli-
chen Glückwunsch!

Weitere Wahlergebnisse habe ich nicht mehr bekannt
zu geben. Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort erhält
der Abgeordnete Hans-Joachim Fuchtel.


(A)



(B)



(C)



(D)


1044

1) Namensverzeichnis der Teilnehmer an der Wahl siehe Anlage 6
2) Namensverzeichnis der Teilnehmer an der Wahl siehe Anlage 5


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1045


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1501404600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst

weise ich in aller Form den von der Abgeordneten
Dückert erhobenen Vorwurf strikt zurück, wir hätten im
Bereich der Arbeitsmarktpolitik eine Blockade vor. Ge-
rade von denen, die von 1996 bis 1998 eine totale Blo-
ckadepolitik praktiziert haben, brauchen wir uns so etwas
nicht gefallen zu lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Um das Verhandlungsklima entsprechend freundlich zu
gestalten, sollten Sie nicht von vornherein solche massi-
ven Vorwürfe erheben.

Ein Zweites, Frau Kollegin Dückert: Ich habe gedacht,
ich höre nicht richtig, als Sie im Zusammenhang mit der
Handwerksordnung von vorsintflutlichen Regelungen ge-
sprochen haben. Mit solchen Begriffen sollten Sie vor-
sichtig umgehen. Wer nämlich die Handwerksordnung so
durchlöchert, wie es sich jetzt anbahnt, der zerstört das
hohe Niveau unserer beruflichen Ausbildung, die wir
nicht auch noch aufs Spiel setzen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hubert Ulrich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen Deregulierung!)


Herr Minister Clement, Sie sollten der Union dafür
dankbar sein, dass Sie hier als Superminister sitzen kön-
nen. Schließlich war die Zusammenlegung der Kompe-
tenzen für Wirtschaft und Arbeit eine Idee der Union im
Bundestagswahlkampf.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben allerdings die Sorge, dass Sie die sich daraus
ergebenden Chancen, Arbeit und Wirtschaft stärker zu-
sammenzuführen sowie die Bedürfnisse der Wirtschaft
schneller zu erkennen, vertun werden; denn wir stellen
fest, dass Sie nicht nachhaltig genug gegen die Überregu-
lierung des Arbeitsmarktes vorgehen,


(Beifall bei der FDP)

dass die Subventionitis weitergeht und dass Sie vor allem
den gesamten Mittelstand weiterhin drangsalieren. Man
kann doch nicht auf der einen Seite die Bemessungs-
grundlage für die Steuern weiter verbreitern und auf der
anderen Seite den Mittelstand nicht entlasten. Das kann
nicht gut gehen; vor allen Dingen kann es nicht zu einem
Wachstum von 1,5 Prozent führen, wie es hier prognosti-
ziert wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir müssen hier einen anderen Weg gehen. Vor allem

müssen wir überall so sparsam wirtschaften, wie es nur
möglich ist. Als Haushälter nenne ich dafür ein Beispiel:
In den Jahren 2002 und 2003 schaffen Sie insgesamt
2 069 neue Vermittlerstellen bei der Bundesanstalt für
Arbeit. Die Öffentlichkeit glaubt natürlich, dass diese
Stellen aus dem Personalpool der Bundesanstalt für Arbeit
heraus geschaffen werden können, der annähernd
90 000 Mitarbeiter umfasst. Damit hat sie sich allerdings
getäuscht, meine Damen und Herren: Der Bundesanstalt
für Arbeit sollen Sachmittel weggenommen werden, da-

mit zusätzliches Personal eingestellt werden kann. Keine
private Firma würde so arbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Jede private Firma würde diese Probleme aus der Sub-
stanz heraus lösen und nicht so, wie Sie dies tun. Ich kann
dazu nur sagen: Ein Schwabe hätte das sicherlich anders
gemacht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dirk Niebel [FDP]: Auch ein Badener!)


– Ein Schwabe, auch ein Badener und natürlich noch an-
dere.

Sie haben mittlerweile – Frau Kollegin Merkel hat das
von dieser Stelle aus gestern schon festgestellt – einen
ausgeprägten Tunnelblick. Ihr Fixierungspunkt scheint
die Statistik zu sein. Was die Statistik angeht, reichen Ihre
Vorstellungen am weitesten. Das habe ich nach dem sehr
gründlichen Studium der Hartz-Papiere festgestellt.

Im Jahr 2000 haben wir eine Fälschung im Bereich der
Statistiken schon einmal erlebt. Die damalige Neurege-
lung des 625-Mark-Gesetzes bewirkte – Hokuspokus –
eine Verbesserung der Arbeitslosenstatistik. Der Parla-
mentarische Staatssekretär Andres beantwortete eine An-
frage am 27. November 2000 mit folgenden Worten:

Durch den neuen Nenner der Berechnung verringert
sich das Niveau der Arbeitslosenquote um 0,4 Pro-
zentpunkte.

Das ist eine „enorme“ Entlastung.
In diese Richtung geht es weiter. Die Umsetzung des

Hartz-Papiers auf der Grundlage der hier genannten Zah-
len würde Folgendes bedeuten: Durch die Neuregelung
der Zahlung des Brückengeldes fallen 560 000 Menschen
und durch die Einrichtung der Personal-Service-Agentu-
ren fallen 500 000 Menschen aus der Arbeitslosenstatis-
tik. Die vorzunehmende Anpassung der in Deutschland
praktizierten Berechnungsweise der Arbeitslosenstatistik
an von der Europäischen Union vorgegebene Standards
bewirkt, dass 400 000 Menschen aus der Arbeitslosensta-
tistik herausfallen. Das heißt, es werden bald vielleicht
1,5 Millionen Arbeitslose weniger gezählt. Dieser Rück-
gang um ein Drittel ist zwar eine ganz tolle Leistung, aber
leider nur auf dem Papier.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


In Deutschland kennt langsam jeder die Antwort auf
folgende Frage: Welche Farbe hat die Lüge? Die Lüge hat
die Farbe Rot-Grün und keine andere. Leider muss man
das hier feststellen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich empfehle, der Hartz-Kommission einen neuen Na-

men zu geben. Sie sollte künftig „Sommer-Kommission“
heißen; denn niemand anders als der DGB-Vorsitzende
Sommer hat in Deutschland die Federführung inne. Sämt-
liche Veränderungen, die vorgenommen werden, zielen in
die von ihm vorgegebene Richtung.

Das Bundespresseamt hat gestern, vorgestern und heu-
te Journalisten aus Brüssel auf Kosten des Steuerzahlers

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Hans-Joachim Fuchtel
eingeladen. Kein Wunder, dass außer Herrn Sommer kein
Vertreter einer entsprechenden Organisation – von den
Arbeitgebern keine Spur – auf dieser Veranstaltung mit
den Journalisten geredet hat; Herr Sommer war dort der
Hauptredner. Soweit ich weiß, hat auch von Ihnen jemand
an dieser Veranstaltung teilgenommen. Vielleicht über-
nehmen dann wenigstens Sie den Part, den eigentlich die
Arbeitgeber einnehmen müssten. Ich habe die Sorge, dass
deren Standpunkt dort nicht angemessen vertreten wird.

Aus dem Blickwinkel des Haushälters ist die Umset-
zung der Vorschläge der Hartz-Kommission ganz pro-
blematisch. Wir haben zwar von schönen Zahlen gehört;
zur Organisationsreform, dem entscheidenden Punkt, hat
der Minister aber gar nichts Konkretes gesagt. Aus seinem
Hause hört man, diesbezüglich müssten noch Überarbei-
tungen stattfinden. Wir alle wissen, dass gerade das für
das Gelingen des Vorhabens entscheidend ist. Ein Modell
– zurzeit läuft das Ganze erst an – ist nicht einmal die
halbe Miete. Es handelt sich eher um ein Minus. Ich
meine, dass es überhaupt nicht gerechtfertigt ist, von den
bisher eingeleiteten Maßnahmen auf Einsparungen in der
Höhe, wie sie im nächsten Bundeshaushalt vorgesehen
sind, zu schließen. Das ist schlichtweg unseriös, Herr
Minister.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte noch etwas zu den Obermoralisten bei den

Grünen und bei der SPD sagen. Wäre in der Zeit, in der
wir regierten, die Höhe des Arbeitslosengeldes und der
Arbeitslosenhilfe nicht mehr an die tariflichen Entwick-
lungen angepasst, sondern eingefroren worden, dann
wäre hier der Teufel los gewesen. Darüber hätte es wo-
chenlang Diskussionen gegeben. Und auf einmal ist das
eine ganz vernünftige Sache. So ändert sich das, je nach-
dem, ob man in der Regierung oder in der Opposition ist.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das Sein bestimmt das Bewusstsein!)


Aber Sie haben immer so getan, als sei das eine Frage der
Glaubwürdigkeit. Sie haben mit der Armut und Ähnli-
chem argumentiert. Aber was ist heute mit diesen The-
men? Nichts mehr!

Nehmen Sie das Wort „Armutsbekämpfung“ nicht
mehr in den Mund! Mit dem, was Sie jetzt machen, haben
Sie die Glaubwürdigkeit in diesem Bereich für ein und al-
lemal verspielt. Die Leute haben Ihnen vertraut und sind
sehr enttäuscht worden. Das müssen wir hier in aller Deut-
lichkeit festhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, die künftige Arbeitsmarkt-

politik zahlt sich besonders für Softwareentwickler aus.
Die Umsetzung der Hartz-Vorschläge wird sich so aus-
wirken, dass die Leute künftig schauen werden, welches
Programm ihnen gerade am meisten hilft, Zuschüsse zu
bekommen. Wer kann sich das leisten? Das sind die Groß-
betriebe. Ihre Politik geht wieder am Mittelstand vorbei.
Die Großen werden sich durch das Brückengeld und an-
dere Maßnahmen das holen, was sie jetzt durch den Sub-
ventionsabbau einbüßen; das ist meine Prognose. Das
haben Sie zu verantworten. Am Ende des Jahres 2003
werden Sie sich hier hinstellen und sagen: Früher haben

wir uns hinsichtlich brutto und netto getäuscht, dann ha-
ben wir uns bei den Fuchs-Fahrzeugen getäuscht und
schließlich haben wir uns getäuscht, weil wir dachten, es
handelt sich um D-Mark und nicht um Euro.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Damit werden Sie die neue Verschuldung im Jahre 2003
begründen.

Meine Damen und Herren, aus diesem Grund müssen
wir dafür sorgen, dass mehr Realismus einkehrt und dass
Sie sich darauf besinnen, dass Sie im Jahr 2003 weitaus
höhere Ausgaben haben werden, als Sie uns jetzt darle-
gen. Das ist unseriös und deshalb kann dieser Haushalt
von uns nicht mitgetragen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501404700

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Werner Schulz,

Bündnis 90/Die Grünen.

Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einem
Punkt, Kollege Fuchtel, täuschen wir uns bestimmt nicht,
sondern haben möglicherweise Übereinstimmung: dass
die wirtschaftliche Lage in Deutschland alles andere als
rosig ist.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Insbesondere in den neuen Ländern!)


Ich glaube, da macht sich niemand etwas vor. Aber wenn
Sie in Ihrem Zehnpunkteprogramm schreiben, Deutsch-
land erlebe die schlimmste Wirtschaftskrise seit dem
Zweiten Weltkrieg, dann täuschen Sie sich.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist ja noch nicht vorbei! Wir fahren im Moment noch nach unten!)


Eine wirkliche Krise können Sie in Argentinien sehen, eine
Rezession können Sie seit Jahren in Japan beobachten,
aber nicht in unserem Land. Ich weiß, Übertreibungen ma-
chen eine Sache anschaulich; das ist ein Mittel der Politik.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben!)


Ich bin sicherlich auch kein Feind von Polemik. – Davon
können Sie gern etwas abbekommen, wenn Sie noch ei-
nen Zwischenruf machen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich lasse mich nicht einschüchtern, Herr Schulz!)


Aber die ist im Moment weniger gefragt. Wir laufen
zurzeit Gefahr, den Standort schlecht zu reden, dieses
Land niederzumachen. Dinge wie „DDR light“ und Ähn-
liches können wirklich nur Leute schreiben, die die DDR
nicht erlebt haben. Wir laufen Gefahr – darin sehe ich ein
Riesenproblem –, dass sich die allgemeine Politik-
verdrossenheit in Staatsverdrossenheit verwandelt und den
Wirtschaftsstandort auf diese Art und Weise beschädigt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



(A)



(B)



(C)



(D)


1046


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1047

Sicherlich, alle Indikatoren deuten im Moment darauf
hin, dass wir die Wirtschaftsflaute so schnell nicht über-
winden werden.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Immerhin!)

Ich befürchte, wir werden das auch nicht mit höherem
Wachstum allein schaffen, weil das Wachstum längst zum
Problem geworden ist. Wenn man sieht, dass die Wachs-
tumsraten in den letzten zehn, zwölf Jahren im Durch-
schnitt nur bei 1,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes
lagen, dann sind Erwartungen von 3 Prozent einfach über-
trieben. Wir sollten uns auf das Realistische konzentrieren.

Herr Koch hat dieser Tage einen bemerkenswert klu-
gen Satz geschrieben: „Einen wirtschaftlichen Zusam-
menbruch gibt es nicht – höchstens die Enttäuschung
falscher Hoffnungen.“ Der Mann heißt allerdings Hannes
Koch und schreibt in der „taz“. Ich würde mir wünschen,
dass eine solche realistische Einschätzung auch bei Ihnen
eines Tages erfolgen wird.

Ich glaube, es hat auch wenig Sinn, wenn wir nur
gebannt auf die Konjunkturentwicklung in den USA
schauen. Wir müssen in Europa für Innovationen sorgen,
wir müssen unsere eigenen Möglichkeiten ausschöpfen.
Insofern bin ich froh, dass die Europäische Zentralbank
den Leitzins heute möglicherweise sehr deutlich senken
wird, etwa um 50 Basispunkte auf einen Schlüsselpro-
zentsatz von 2,75. Das wäre ein deutliches Zeichen in ei-
ner schwachen Konjunktur, das Investitionsbereitschaft
und sicherlich auch den Konsum fördern wird – in einer
Situation, in der eher die Sparquote als der Konsum steigt.
Das hat mit Orientierungsschwierigkeiten zu tun, mit Un-
sicherheiten in einer solchen wirtschaftlichen Situation.
Das heißt, wir können in Europa durch Geldpolitik durch-
aus gegensteuern. Der nationalökonomische Rahmen ist
allerdings sehr begrenzt.

Hier wird, in den letzten Tagen häufig zu lesen, immer
wieder eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede erwartet.
Ich wusste nicht, dass der Sound von Blood, Sweat &
Tears im Nachhinein so viele Anhänger gefunden hat. Das
Merkwürdige ist nur, dass man Blut, Schweiß und Tränen
möglichst nicht im eigenen Gesicht sehen möchte, son-
dern immer bei den anderen, so wie der Subventionsab-
bau, wenn er einen selbst betrifft, abgelehnt wird, so wie
man den schlanken Staat fordert, aber dann im nächsten
Moment, wenn irgendwas nicht funktioniert – –


(Abg. Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] stößt gegen die Verblendung ihres Sitzplatzes, die daraufhin zu Boden fällt)


– So wie diese Bänke hier im Plenum!

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Grünen bauen ab! Alles bricht auseinander! – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Auch das schafft Arbeit!)


– Sie sehen, die Demokratie bricht an manchen Stellen
schon auseinander. Aber solange es nur die Frontbänke
der Koalition sind, ist das noch zu verschmerzen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Unser Angriff zeigt erste Wirkungen!)


– Erste Wirkungen, allein durch Reden ausgelöst. Sie se-
hen, welche suggestiven Kräfte von diesem Podium ausge-
hen können. Scherz beiseite, weil die Lage viel zu ernst ist.

Bei all den Forderungen nach weniger Staat ist doch
verblüffend, dass man, wenn die privaten Banken ausfal-
len, vom Staat eine Mittelstandsoffensive und die Fi-
nanzierung erwartet. Wir werden diesen überbordenden
Erwartungen zum Teil nicht gerecht werden können, den-
noch handeln wir. Der Bundeswirtschafts- und -arbeits-
minister hat deutlich gesagt, dass das Projekt, das seit län-
gerer Zeit angedacht ist, jetzt endlich verwirklicht wird,
dass wir die Deutsche Ausgleichsbank und die KfW zu-
sammenbringen und damit eine kräftige Mittelstands-
bank einrichten, die den Bedürfnissen des Mittelstandes
gerecht werden kann, der gerade im Zusammenhang mit
Basel II auf restriktive Kreditlinien stößt. Die Kreditlinien
wurden aufgekündigt, vielfach unbegründet, weil die
Bundesregierung sich in den Verhandlungen um Basel II
darum bemüht hat, dass man die Besonderheiten des in-
ternen Ratings, die wir in Deutschland haben, mit beach-
tet, dass Retail Portfolios mit eingebaut wurden, dass das
Granularitätsprinzip mit untergebracht wurde.

Das sind alles Fortschritte, die wir erreicht haben. Dazu
zählt beispielsweise auch, dass es in der EU ein Umden-
ken gibt und dass EU-Kommissar Frits Bolkestein die
EU-Eigenkapital-Finanzierungsrichtlinien auf den Weg
gebracht hat. Das sind doch Zeichen dafür, dass wir dem
Mittelstand helfen, aber das ist eben nur im europäischen
Gesamtrahmen zu erreichen. Hier ist die Bundesregierung
tätig und Sie sollten das anerkennen. Es hilft uns allen
nichts, wenn im Mittelstand Angst verbreitet wird.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die gefühlte Temperatur ist eine andere!)


– Die gefühlte Temperatur ist eine andere als die tatsäch-
liche, aber Sie sollten nicht dazu beitragen, die Tempera-
tur nach unten zu drücken, Herr Kolb. Ich meine, damit
tun Sie der deutschen Wirtschaft überhaupt keinen Gefal-
len. Ich glaube, auch Ihrer eigenen Partei nicht, denn man
erwartet auch von Ihnen mehr Optimismus. Den haben
Sie früher einmal ausgestrahlt. Ich kann allerdings verste-
hen, dass Sie sich momentan nicht in einer sehr optimis-
tischen Lage befinden.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Soll besser werden!)


– Eben, das kann wieder besser werden. Springen Sie über
Ihren Schatten und helfen Sie den anderen mit, die Stim-
mungslage zu verbessern.

Ich glaube, das, was wir selber tun können, hat weni-
ger mit Geld zu tun, sondern es hat viel mit gutem Willen
und mit politischen Anstrengungen zu tun. Das alles ist
unter dem Begriff „Bürokratieabbau“ zusammenzufas-
sen. Wir haben in den letzten Jahren bereits an einem
großen Projekt für einen modernen Staat und eine mo-
derne Verwaltung gearbeitet. Der Bundeswirtschaftsmi-
nister hat angekündigt, den Masterplan Bürokratieabbau
durchzuführen. Dazu erwarte ich allerdings auch von den
Verbänden, aus der Wirtschaft und aus der Industrie Vor-
schläge, welche bürokratischen Richtlinien und Rege-
lungen denn abgebaut werden sollen. Wenn man danach
fragt, ist das, was zurückkommt, meistens sehr dürftig.

Werner Schulz (Berlin)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Werner Schulz (Berlin)


Die Experimentierklausel für Ostdeutschland, die
Helmut Schmidt gefordert hat, käme verspätet, denn wir
hätten sie schon 1990/91 während der großen Aufbau-
jahre gebraucht. Dann wäre möglicherweise vieles besser
und zügiger gegangen, obwohl auf dem Feld sicher auch
einiges gemacht worden ist. Ich denke an das Investi-
tionsbeschleunigungsgesetz und dergleichen. Ich glaube,
man muss konkret werden, wenn man eine Experimen-
tierklausel einführt und dafür eine Grundgesetzänderung
braucht. Da ist es nicht nur mit ein paar einfachen Bau-
standards getan. Die Vorschläge müssen schon Substanz
haben. Bisher fällt das, was die Ministerpräsidenten aus
den neuen Ländern dazu beigetragen haben, dürftig aus.

Den Bürokratieabbau sollten wir im Dialog mit der
Wirtschaft, mit der Industrie in Angriff nehmen. Dies ist
eine große Chance für unsere Wirtschaft.

Die Bundesregierung selbst – Sie haben dies heute
noch einmal deutlich gehört – will die Ausweitung der
Ladenöffnungszeiten. Das wird Dynamik bringen. Ich
glaube, dass wir auch das Gesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb reformieren müssen. Sie wissen, wovon ich
rede. Sie, die FDP, haben jahrzehntelang versucht, die La-
denöffnungszeiten auszuweiten; Sie haben dies aber nie
geschafft.


(Gudrun Kopp [FDP]: Dann machen Sie es jetzt!)


Eher bricht Ihr Laden auseinander, als dass Sie es schaf-
fen, die Ladenöffnungszeiten zu verändern. So ist das nun
einmal.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dies war ein schlimmer Bananenschuss!)


– Tut mir leid. Ich kenne die Tiraden von Bangemann über
Möllemann bis Rexrodt. Auf diesem Feld hat sich aber
nichts getan.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es gab doch Änderungen! – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Und in der letzten Wahlperiode, Herr Schulz?)


Wir gehen dies an und werden die Öffnungszeiten aus-
weiten. Dies ist in der jetzigen Situation, wo das Kauf-
verhalten, das Konsumverhalten eher zurückgegangen ist,
ein wichtiger Beitrag, um wieder Schwung in die Wirt-
schaft zu bringen. Dies ist ein innovatives Vorgehen, wel-
ches uns nicht viel Geld kostet.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


Nutzen Sie das Angebot, das heute vom Wirtschafts-
minister deutlich ausgesprochen worden ist! Gehen Sie
auf die Möglichkeiten, die wir Ihnen anbieten, ein! Ar-
beiten Sie mit uns zusammen! Lassen Sie diese Negativ-
rhetorik, um den Standort herunterzuputzen!

Ich konzediere Ihnen, dass die Vorschläge, die Sie un-
terbreitet haben, natürlich ebenfalls Ansatzpunkte enthal-
ten, über die man reden kann. Das ist keine Frage. Dazu
gehören etwa die 500-Euro-Jobs und deren Ausweitung
auf andere Bereiche. Bezüglich dieser Fragen signalisie-
ren wir ebenfalls ein konstruktives Herangehen. Dies ha-

ben wir uns in der Koalition vorgenommen. Ich denke, bei
solchen Fragen sollte man zusammenkommen.

Das gilt auch für die betrieblichen Bündnisse fürAr-
beit. Zum Teil gibt es sie; zum Teil haben sie ein wirklich
neues Klima in den Betrieben und in unserer Volkswirt-
schaft geschaffen. Ich glaube, an vielem ist etwas dran.

Ich lese momentan mit wachsendem Interesse die Vor-
schläge von den Verbänden, vom BDI und vom ehemali-
gen BDI-Präsidenten Henkel. Es gibt eine Reihe von
Punkten, über die man sich verständigen kann. Aber auch
diese Regierung bietet Ihnen genügend an, auf das Sie ein-
gehen sollten. Nur in konstruktiver Zusammenarbeit wer-
den wir den Standort modernisieren und nicht, indem wir
gegeneinander arbeiten, uns gegenseitig profilieren und
die Brocken um die Ohren hauen. Dies wird uns nichts
bringen und zu nichts führen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501404800

Nächster Redner ist der Kollege Dirk Niebel, FDP-

Fraktion.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1501404900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich kann mich noch ganz gut daran erinnern, wie
Ihr Bundesfinanzminister die Störung des wirtschaftli-
chen Gleichgewichts hier hat feststellen lassen.


(Zuruf von der SPD: Der Waigel damals auch!)


Nun versuchen Sie immer wieder, den Menschen in die-
sem Land zu erzählen, wir würden die Situation schlecht-
reden. Aber Sie machen doch die schlechte Politik, die
dazu führt, dass es so ist, wie es nun einmal ist, dass wir
Haushaltslöcher haben, dass die sozialen Sicherungssys-
teme kaum noch finanzierbar sind


(Rainer Brüderle [FDP]: So ist es!)

und dass die Arbeitslosigkeit stetig weiter ansteigt. Wir
haben die höchste Novemberarbeitslosigkeit seit 1997.
Dies ist das Ergebnis Ihrer Politik und nicht des Handelns
der Opposition.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dass Sie immer wieder sagen, wir müssten Vorschläge
machen, wir sollten etwas einbringen, verwundert mich
schon sehr.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wo ist eigentlich der Stiegler?)


Frau Dückert, Ihnen habe ich einmal eine Auflistung un-
serer parlamentarischen Initiativen mitgebracht. In der
14. Legislaturperiode waren es 21 allein zum Arbeits-
markt und in der 15. Legislaturperiode sind es bereits vier
allein zum Arbeitsmarkt ohne den gesamten wirtschafts-
politischen Bereich. Ich kann Ihnen die Drucksachen-
nummern nachher gern geben. Wenn Sie aber in Bundes-


(A)



(B)



(C)



(D)


1048


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1049

tagsdrucksachen nicht hineinsehen, brauchen wir uns
auch nicht darüber zu wundern, dass die Politik von Rot-
Grün nicht besser wird.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wo ist Stiegler? Er hat auch gemeckert!)


– Herr Stiegler hat hier gerade eine Rede gehalten und das
Haus verlassen. Das führt natürlich dazu, dass er bessere
Vorschläge nicht hören kann. Allerdings haben wir nach
der „Bild“-Zeitung von gestern von ihm tatsächlich eine
Hardcorerede erwartet. Man muss ganz deutlich sagen:
Die Intonierung, aber auch der Wahrheitsgehalt der Rede
des Kollegen Stiegler sind Ausdruck einer fortgesetzten
chronischen Logorrhö. Für die Kolleginnen und Kolle-
gen, die nicht wissen, was das ist: Das ist verbale Diarrhö.
Als solches muss man dies bezeichnen. So kann man in
diesem Haus keine Politik machen.


(Beifall bei der FDP – Hubertus Heil [SPD]: Darin sind Sie ja Experte!)


Wir müssen es hinbekommen, dass die Menschen in
diesem Lande Geld zum Konsumieren und die Betriebe
Geld zum Investieren haben. Nur dies schafft Arbeits-
plätze. Da kann sich der Vorsitzende der SPD-Bundes-
tagsfraktion nicht hier hinstellen und sagen: Konsumiert
nicht mehr, gebt das Geld dem Staat! Dies ist ein typisches
Linke-Tasche-rechte-Tasche-Denken:


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein, das ist linke Tasche!)


Vater Staat nimmt den deutschen Michel mit seiner
Schlafmütze an die Hand und führt ihn durch das Leben,
damit wir eine Taschengeldempfängergesellschaft wer-
den. Das hat doch mit der Vorstellung von mündigen Bür-
gerinnen und Bürgern überhaupt nichts mehr zu tun.


(Beifall bei der FDP)

Einer Ihrer wichtigsten Punkte zur Bekämpfung der

Arbeitslosigkeit ist angeblich die Eins-zu-eins-Umset-
zung des so genannten Hartz-Papiers. Das ist mittlerweile
ein Richard-Kimble-Papier geworden; denn Hartz befin-
det sich auf der Flucht.


(Beifall bei der FDP)

Sie haben alles Mögliche gemacht, aber nicht dieses Kon-
zept eins zu eins umgesetzt. Es steht vielmehr eins zu null
für die Gewerkschaften.

Sie können mit Ihrem Konzept keinen zusätzlichen
Arbeitsplatz schaffen. Sie können auch nicht die im
Haushaltsplan vorgesehenen 5,8 Milliarden Euro ein-
sparen; denn alle Annahmen, die Sie zugrunde gelegt
haben, werden leider nicht greifen. Sie werden nicht
subventionierte, in der privaten Zeitarbeitsbranche an-
gesiedelte Arbeitsplätze mit staatlichen Geldern aus Bei-
tragsmitteln und Steuermitteln kaputtmachen. Sie wer-
den die Zeitarbeitsbranche faktisch verstaatlichen, wenn
wir im Vermittlungsausschuss keine Änderungen errei-
chen können.

Wir können Änderungen in diesem Teil aber nur errei-
chen – er ist bekanntlich nicht zustimmungspflichtig –,
wenn Sie bereit sind, beim zustimmungspflichtigen Teil

einen Handel einzugehen. Wir wollen einmal sehen, ob
Sie dazu bereit sind.


(Zuruf des Bundesministers Wolfgang Clement)


Wenn Sie dazu nicht bereit sind – das entnehme ich Ihrem
Zwischenruf von der Regierungsbank, Herr Clement –,
dann ist nicht die Opposition, sondern dann sind Sie der
Blockierer.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dann sind Sie derjenige, der verhindert, dass Menschen in
diesem Land eine Chance haben, in den Arbeitsprozess
zurückzukehren.

Wenn Sie schon nicht bereit sind, die Vorschläge der
FDP umzusetzen – das kann ich verstehen –,


(Rainer Brüderle [FDP]: Ich nicht!)

dann sollten Sie zumindest bereit sein, den Vorschlägen
Ihres Sachverständigenrates zu folgen. Diese Vorschläge
decken sich übrigens im Gegensatz zu Ihrem Hartz-Kon-
zept eins zu eins mit unseren Vorschlägen. Da Sie an-
scheinend nicht bereit sind, diesen Vorschlägen zu folgen,
weil Sie der Meinung sind, das sei parlamentarisch nicht
verankert, möchte ich Ihnen mit der Erlaubnis der Frau

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501405000


Die Entbürokratisierung des Arbeitsmarktes ist eine
der wichtigsten Voraussetzungen für einen kräftigen
Beschäftigungszuwachs.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Stimmt!)

Die Regelungsintensität führt zu einer unzureichen-
den Durchlässigkeit des Arbeitsmarktes und zu ei-
nem hohen Anteil von Langzeitarbeitslosen.


(Rainer Brüderle [FDP]: Stimmt auch!)

Weiteres Zitat:
Um insbesondere älteren und gering qualifizierten
Arbeitnehmern größere Beschäftigungschancen zu
eröffnen und Einstellungsbarrieren zu beseitigen,
dürfen keine Denkverbote zu einer Flexibilisierung
des Kündigungsschutzes, der Gestaltung befristeter
Beschäftigungsverhältnisse und Teilzeitarbeit aufge-
baut werden. Hier liegen große Beschäftigungspo-
tenziale.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Alles richtig!)


So Oswald Metzger am 18. Januar 2002.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der fehlt dem Schröder!)

Hören Sie wenigstens auf den Sachverstand Ihres ehe-

maligen Kollegen in der Koalition. Er hat nicht nur bei der
Frage, wie diese Bundesregierung mit den Finanzen um-
geht, Recht, sondern er hat auch bei der Frage Recht, wie
man den Arbeitsmarkt flexibilisieren und entriestern
kann.

Sie dürfen nicht allein die Rolle des Hartz-Stellvertre-
ters spielen, sondern Sie müssen dafür sorgen, dass Ge-
setze gemacht werden, die in der Gesellschaft mehrheits-
fähig sind. Das können Sie nicht schaffen, wenn Sie sich

Dirk Niebel

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Dirk Niebel
nur unter dem Diktat von Herrn Sommer und des Deut-
schen Gewerkschaftsbundes bewegen. Angesichts eines
Gewerkschaftsmitgliederanteils von 74,1 Prozent in der
SPD-Fraktion und fast 25 Prozent in der grünen Bundes-
tagsfraktion wundert es mich nicht, dass Sie sich hier in
einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis befinden.

Ich erkenne ausdrücklich die Notwendigkeit von Ge-
werkschaften an. Das tut übrigens die gesamte FDP-Frak-
tion. Wir wollen nämlich nicht, dass Menschen ausgebeu-
tet werden. Wir erkennen aber zu keinem Zeitpunkt an,
dass die Gewerkschaften versuchen, die Richtlinien der
Politik zu bestimmen. Das muss der Herr Bundeskanzler
machen; dafür ist er gewählt worden. Diesen Anspruch
haben wir.

Ihr Haushalt weist in die falsche Richtung. Sie werden
die Arbeitslosigkeit mit den politischen Ansätzen, die Sie
vorgeschlagen haben, nicht dauerhaft abbauen. Sie wer-
den bestenfalls die Statistik verändern. Auch das hatten
wir schon einmal.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501405100

Nächster Redner ist der Kollege Klaus Brandner, SPD-

Fraktion.


Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1501405200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und
neue Arbeitsplätze zu schaffen ist die Hauptaufgabe der
Beschäftigungspolitik.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Auf gehts!)


Diese wird nur erledigt werden können, wenn wir den
Konsolidierungskurs beschreiten. An ihm führt kein Weg
vorbei. Der Haushalt des neuen Ministeriums für Wirt-
schaft und Arbeit berücksichtigt genau dieses Ziel.

Ich habe mich sehr gewundert, Herr Laumann, dass Sie
zum Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit und zum
Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Ar-
beit nichts, aber auch gar nichts gesagt haben.


(Widerspruch des Abg. Karl-Josef Laumann [CDU/CSU])


Insbesondere Sie von der CDU/CSU-Fraktion tun immer
noch so, als spiele die Verschuldung in diesem Land über-
haupt keine Rolle.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die habt ja ihr gemacht!)


Sie tun so, als könnten Sie sich gemütlich in den Fernseh-
sessel zurücklehnen und herumkritteln. Qualifizierte Vor-
schläge habe ich bisher nicht gehört.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Herr Laumann hat doch einiges gesagt!)


Meine Damen und Herren, wir haben nichts, aber auch
gar nichts gegen Ausruhen, wenn man eine qualifizierte

Leistung gebracht hat. Dann hat man sogar einen An-
spruch darauf. Aber Ihre Hinterlassenschaft war – um das
deutlich zu sagen – eben keine gute Leistung. Ihre Hin-
terlassenschaft waren die höchsten Schulden, die wir je-
mals in diesem Land gehabt haben. Ihre Hinter-
lassenschaft war der höchste Steuerstand, den wir jemals
gehabt haben. Ihre Hinterlassenschaft waren die höchsten
Sozialversicherungsbeiträge, die wir jemals in diesem
Land gehabt haben. Ihre Hinterlassenschaft war die höchs-
te Arbeitslosigkeit, die wir jemals gehabt haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Kollege Laumann, in diesem Zusammenhang sprechen
Sie von einer Grundphilosophie, die in jedem Volk fast
eingemauert sein solle, nämlich dass man netto mehr in
der Tasche haben solle. Da müssen Sie aber 16 Jahre lang
nicht aufgepasst haben; da müssen Sie 16 Jahre lang ge-
schlafen haben. Jetzt wollen Sie uns eine Philosophie ein-
reden, für die Sie in der Vergangenheit überhaupt kein Ohr
gehabt haben. Wer so etwas macht, hat die Versetzung
nicht verdient. Er hat insbesondere verdient, in der Oppo-
sition zu bleiben, weil er in seiner Politik seine eigenen
Ansprüche nicht erfüllt hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, eine nachhaltige Beschäfti-
gungsstrategie ist ohne eine Konsolidierung des Staats-
haushaltes wahrlich nicht denkbar. Konsolidierung ist al-
lerdings für uns Sozialdemokraten kein Selbstzweck. Wir
werden jeden Spielraum für Wachstumspolitik nutzen.
Schon die Hartz-Gesetze sind in diese Strategie voll ein-
gebunden.

Die gestrigen Arbeitsmarktzahlen sind aus unserer
Sicht beileibe kein Grund zum Jubeln. Aber die Schwarz-
malerei der CDU/CSU, die wir heute wieder erlebt haben,
hilft erst recht nicht weiter. Denn die Arbeitslosenquote in
Deutschland liegt im europäischen Mittelfeld. Nach der
EU-Statistik liegt sie bei 8,3 Prozent gegenüber 8,4 Pro-
zent im Durchschnitt des Euroraums.

Die Hartz-Gesetze werden vor allem bewirken, dass
das Wachstum beschäftigungswirksamer wird. Das heißt,
bei gleichem Wachstum wird es mehr Arbeitsplätze ge-
ben. Hinzu kommt die Erschließung neuer Beschäfti-
gungsfelder vor allem im Bereich der haushaltsnahen
Dienstleistungen. Wir haben die Gestaltungsspielräume
genutzt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Und wie!)

Insgesamt sparen wir durch die Hartz-Gesetze unab-

hängig von Effizienzgewinnen allein im ersten Jahr
2,5 Milliarden Euro und danach circa 3,5 Milliarden Euro
ein. Wir machen beispielsweise bereits jetzt einen ersten
Schritt zur Zusammenführung von Arbeitslosen- und
Sozialhilfe:Wir nähern die Regelungen zur Anrechnung
von Einkommen und Vermögen in beiden Systemen an-
einander stark an. Hinzu kommen noch die Einsparungen
beim Unterhaltsgeld.

Wer an Qualifizierungsmaßnahmen teilnimmt, soll
dies nicht in erster Linie tun, um den Anspruch auf Lohn-


(A)



(B)



(C)



(D)


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(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1051

ersatzleistungen zu verlängern. Die aktive Förderung
steht bei uns im Vordergrund. Dies wird im Übrigen auch
durch die Umstellung auf Bildungsgutscheine erreicht.
Hier setzt eine umfangreiche Entbürokratisierung ein, die
zu mehr Effizienz bei der Bundesanstalt für Arbeit führen
wird. Die Bildungsträger werden sich aktiver in die Ar-
beitsvermittlung einschalten. Deshalb wird es immer sel-
tener vorkommen, dass die Teilnehmer im Anschluss an
Maßnahmen immer noch arbeitslos sein werden.

Viel wichtiger aber noch ist die schnelle Vermittlung.
Die Einrichtung von Personal-Service-Agenturen und
weitere Instrumente bringen Einsparungen von insgesamt
2,3 Milliarden Euro. Das ist ein Effizienzgewinn, denn im
Endeffekt gibt es weniger Arbeitslose. Das entlastet die
Bundesanstalt für Arbeit. Ihr Haushalt wird zum ersten
Mal seit Jahren ohne Zuschuss des Bundes auskommen.
Allein das ist schon ein großer Erfolg.

Deutlich zurück geht auch der Ansatz für die Arbeits-
losenhilfe, nämlich um insgesamt 2,5 Milliarden Euro.


(Dirk Niebel [FDP]: Aber nur auf dem Papier!)


Natürlich fällt uns eine solche Operation nicht leicht. Die
Ausrichtung des Haushalts folgt jedoch strikt der Maxime
des Förderns und Forderns. Das ist unsere Philosophie in
der Arbeitsmarktpolitik.

Dennoch wird es bei den Betroffenen, die über nur we-
nig Geld verfügen, zu erheblichen Einschnitten kommen.
Aber Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposi-
tion, geht das alles noch nicht weit genug. Sie fordern viel
tiefere Einschnitte. Sie lamentieren dagegen aber bei je-
dem Abbau von Steuervergünstigungen öffentlich herum.
Hier muss deutlich gesagt werden: Jedes Maß ist Ihnen da
verloren gegangen.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Was?)

Die CDU/CSU macht es sich allerdings entschieden zu

einfach, wenn sie sofort die Arbeitslosenhilfe auf das So-
zialhilfeniveau absenken will. Das ist ja ihre Forderung.
Die Systeme müssen aus unserer Sicht so zusammenge-
führt werden, dass die aktive Hilfe aus einer Hand im Vor-
dergrund steht. Dabei gilt unser Versprechen: Die neue
Leistung, das Arbeitslosengeld II, wird über dem Niveau
der Sozialhilfe liegen.

Die Menschen wissen, dass der Staat sparen muss, aber
bitte mit Augenmaß. Völlig einseitige Vorschläge, wie Sie
sie durchsetzen wollen, sind mit uns auch im Vermitt-
lungsausschuss nicht zu machen. Wir stehen für einen
konstruktiven Kompromiss.

Sie haben heute das Thema Zeitarbeit angesprochen.
Sie wollen darüber reden; doch dabei vernebeln Sie die
Situation.

Die Personal-Service-Agenturen können auf der Ba-
sis jetziger Tarifverträge ihre Arbeit beginnen, sie können
sofort starten. Mit Ihrer Diskussion sorgen Sie aber dafür,
dass die Situation unklar wird. Das trägt nicht dazu bei,
dass Personal-Service-Agenturen schnell entstehen und
ihre Arbeit offensiv machen können.


(Beifall bei der SPD)


Bitte sorgen Sie für Klarheit! Sagen Sie den Menschen,
dass es überhaupt keine Hemmnisse gibt, die den Einstieg
der Personal-Service-Agenturen behindern.

Ansonsten sind Sie doch für Deregulierung. Tagein tag-
aus reden Sie darüber in Sonntagsdebatten. Jetzt, da wir die
größte Deregulierung in der Zeitarbeit vornehmen, werfen
Sie uns vor, dass wir die Flexibilität für die Betriebe durch
tarifvertragliche Bindungen aufgeben wollen. Ich habe den
Eindruck, dass Sie hierbei einseitig Arbeitgeberinteressen
vertreten. Wenn CDA-Vertreter hier so eindeutig gegen Ta-
rifverträge und Gewerkschaften wettern, dann zeigt das
deutlich, wohin die CDU/CSU, insbesondere die Christ-
lich-Demokratische Arbeitnehmerschaft, marschiert.


(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Teile der Arbeitgeber

– wir wissen das – sind prinzipiell gegen Tarifverträge.
Das ist eine Politik, die mit uns nicht zu machen ist. Ta-
rifverträge haben sich als soziales Schlichtungsinstru-
ment, als Friedensinstrument in dieser Republik bewährt.
Sie sind betriebsnah und geben den notwendigen Schutz.
Gleichzeitig gewährleisten sie eine entsprechende Flexi-
bilität. Deshalb stehen wir zu Tarifverträgen und bauen
darauf, dass die Gewerkschaften, wie sie es zugesagt ha-
ben, mit den Arbeitgebern schnellstens zu tarifvertragli-
chen Regelungen kommen werden.

Indem Sie sich mit Teilen des BZA und anderen Ver-
bänden im Arbeitgeberbereich zum Sprachrohr der Ar-
beitgeberseite machen und dafür streiten, dass die
Arbeitgeberseite möglichst nicht tariffähig ist, sorgen Sie
dafür, dass die Zeitarbeit nicht in dem Maße, wie wir es
vorschlagen, dereguliert werden kann.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Übrigen sprechen Sie die 325-Euro-Verhältnisse
an. Die Zeit ist scheinbar vorbei, in der Herr Laumann
Arm in Arm mit Herrn Blüm gegen Überstunden und das
Ausfransen des Normalarbeitsverhältnisses marschiert
ist. Es gab genügend Aktivitäten vor der letzten Legisla-
turperiode, um diesen Bereich tarifvertraglich und gesetz-
lich vernünftig zu regeln.

Nun wird gefordert, die 325-Euro-Beschäftigungsver-
hältnisse quasi sozialversicherungsfrei zu gestalten, um
damit nichts anderes zu bewirken, als dass Überstunden
zukünftig in diesem Land generell sozialabgabenfrei sein
sollen. Das muss man sich vor dem Hintergrund der Ar-
beitslosigkeit in unserem Land einmal vorstellen. Anstatt
für den Abbau von Überstunden zu streiten und dafür
maßgeschneiderte Regelungen zu organisieren, beginnen
Sie eine Neiddebatte und gaukeln den Menschen vor, dass
auf die Sozialabgaben, die auf 325-Euro-Jobs erhoben
werden, verzichtet werden kann. Sie werden damit die So-
zialkassen plündern und bewirken, dass zusätzliche
Beitragssatzanhebungen erfolgen müssen.


(Beifall des Abg. Ludwig Stiegler [SPD])

Das mag für Sie eine Legitimation sein, um einen stärke-
ren Sozialabbau durchführen zu können. Mit uns ist ein
solches Chaosprogramm jedenfalls nicht zu machen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Klaus Brandner

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Klaus Brandner

Beim Kündigungsschutz sind Sie ähnlich schief ge-
wickelt. Vor der letzten Legislaturperiode hatten Sie den
Kündigungsschutz in kleinen Betrieben abgeschafft und
öffentlich angekündigt, dass es dafür im Gegenzug
Hunderttausende von neuen Arbeitsplätzen geben würde.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Von Hunderttausenden war nie die Rede! Schön bei der Wahrheit bleiben!)


– 100 000 zusätzliche Arbeitsplätze allein im Handwerk,
Herr Hinsken!


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Tausende hat es geheißen!)


– Soll ich Ihnen die Pressemitteilungen raussuchen? Wer-
den Sie doch nicht nervös!


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Aber Sie müssen die Wahrheit sagen!)


Sie wissen aber genau, dass es mehr Arbeitslose und nicht
weniger gegeben hat. Wir haben es 1998 korrigieren müs-
sen. Anstatt mitzuhelfen, dass die Debatte über den Kün-
digungsschutz auf eine solide Basis gestellt wird, polemi-
sieren Sie weiter in der Öffentlichkeit und tun so, als wäre
ein Mindestmaß an sozialem Schutz verantwortlich für
die Arbeitslosigkeit in diesem Land. Das ist nicht in Ord-
nung.


(Beifall bei der SPD – Rainer Brüderle [FDP]: Metzger!)


Wir haben befristete Arbeitsverhältnisse. Wir haben
Zeitarbeit. Wir haben im Hartz-Gesetz geregelt, dass
50-jährige Arbeitslose ohne Sachgrund dauerhaft befristet
beschäftigt werden können. Wenn es Ihnen so am Herzen
liegt, dann stimmen Sie dem Hartz-Gesetz doch zu; dann
haben Sie die Möglichkeit, die Sie wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eines steht fest: Zur Schaffung von Tagelöhnern und

von amerikanischen Verhältnissen des Heuerns und Feu-
erns sind wir jedenfalls nicht bereit. Wir werden weiter-
hin notwendige Flexibilitäten mit sozialer Sicherheit
verbinden. Das ist unser Auftrag. Ich bin davon überzeugt,
die Mehrheit in diesem Land wird diesen Auftrag als rich-
tig ansehen.

Herr Fuchtel hat sich wieder so geäußert – wie es so
seine Masche ist –, als wäre Hartz ein Projekt für die
Großindustrie. Nein, Hartz ist ein Projekt für den typi-
schen Mittelstand. Was werden die Personal-Service-
Agenturen denn machen? Sie werden bei den mittelständi-
schen Unternehmen, die keine großen Personalabteilungen
haben, Beschäftigungschancen organisieren, indem diese
auf Personal aus den Service-Agenturen zurückgreifen
können. Auf der anderen Seite erleichtern Personal-Ser-
vice-Agenturen damit den Einstieg in den Arbeitsprozess.
Die Personal-Service-Agenturen werden gerade mittel-
ständischen Unternehmen Personaldienstleistungen ab-
nehmen. Ein besseres Programm für den Mittelstand als
Hartz gibt es nicht.


(Beifall bei der SPD)

Das Gleiche trifft auch für die Frage der Qualifizierung

zu. Die Großbetriebe haben eigene Qualifizierungsabtei-

lungen. Sie brauchen nicht auf die gesetzlichen Maßnah-
men zurückzugreifen. Aber die Kleinbetriebe sind darauf
angewiesen, in einer Zeit, in der sich die Qualifizierungs-
anforderungen so schnell wandeln, staatliche Unterstüt-
zung zu bekommen, von arbeitsmarktpolitischen Mitteln
profitieren zu können. Deshalb haben wir sowohl im Job-
AQTIV-Gesetz als auch bei anderen Maßnahmen ganz be-
sondere Förderinstrumente für kleine Betriebe vorgese-
hen. Sie aber wollen der Öffentlichkeit weismachen, das,
was wir hier beschließen wollen, wäre ein Werk für die
Großindustrie. Das ist völlig verfehlt. Lenken Sie doch
nicht von den Inhalten des Gesetzes ab! Gestehen Sie ein-
mal ein, dass wir ein Gesetz für den Mittelstand machen,
zu dem Sie nicht in der Lage sind!


(Beifall bei der SPD)

Im Vermittlungsausschuss wollen Sie mit uns zusam-

menarbeiten und ein konkretes Vermittlungsergebnis er-
zielen. Was Sie heute dazu gesagt haben, lässt jedoch eher
darauf schließen, dass Sie nur so tun, als wollten Sie das.
Tatsächlich aber bauen Sie die Hürden und die Strukturen
so, dass deutlich wird, dass Sie ein Vermittlungsergebnis
überhaupt nicht erzielen wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Denn richtig ist: Die Vorschläge, die Sie gemacht haben,
sind nicht konstruktiv. Ihre Forderung zur Zeitarbeit – ich
habe darüber gesprochen – ist ebenso erledigt wie die zum
Kündigungsschutz. Bei den 325-Euro-Jobs können Sie
nicht zulassen, dass Überstunden sozialversicherungs-
pflichtig sind. Die Minijobs, die Sie fordern, sind im
Hartz-Paket vorgesehen.


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Tunnelblick!)


Insofern meine ich, haben Sie eigentlich allen Grund,
unserem Paket zuzustimmen. Wenn Sie sich aus wahltak-
tischen Gründen im Hinblick auf den 2. Februar des
nächsten Jahres damit schwer tun, dann sollten Sie we-
nigstens so ehrlich sein und wie Ihr ehemaliger Supermi-
nisterkandidat sagen: Hartz ist eine revolutionäre Idee. –
Wir setzen Hartz eins zu eins um. Jetzt stehen Sie doch
endlich einmal zu dem Paket!


(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Herr Brandner, Sie glauben doch selbst nicht, was Sie da sagen!)


Lassen Sie mich auch mit Blick auf die Sozialversi-
cherungsbeiträge und auf die Lohnnebenkosten zum
Schluss Folgendes sagen: Mit Hartz und mit dem arbeits-
marktpolitischen Programm schlagen wir eine Richtung
ein, die dazu führen wird, dass die Lohnnebenkosten lang-
fristig gesenkt werden können. Bereits im Laufe des Jah-
res 2003 werden wir eine Stabilisierung und gegen Ende
einen Wiederanstieg der Beschäftigung haben. 2004
kommt dann noch die große Reform durch die Zusam-
menlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe hinzu.
Als weiterer Impuls für den Arbeitsmarkt könnte dann
nach meiner Einschätzung auch eine Beitragssenkung fol-
gen.


(A)



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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1053

Wir jedenfalls – das will ich deutlich sagen – haben
Konsolidierungsanstrengungen für eine positive Wachs-
tumspolitik unternommen. Wir haben die Weichen in die
richtige Richtung gestellt. Wir haben den Grundstein ge-
legt. Sie haben allen Grund mitzumachen, damit es
zukünftig auch mit Ihrer parlamentarischen Unterstüt-
zung weniger Arbeitslose in diesem Land gibt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501405300

Nächster Redner ist der Kollege Hartmut Schauerte,

CDU/CSU-Fraktion.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1501405400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich möchte versuchen, mit Ihnen einmal darüber
nachzudenken, wie man Vertrauen in der Volkswirtschaft
herstellen könnte, wie wichtig das wäre und woran es lie-
gen könnte, wenn wir das nicht schaffen.

Warum sollte in Deutschland bei den Mittelständlern,
die eigentlich am liebsten über volle Auftragsbücher re-
den und nur sehr ungern jammern, und bei den Arbeit-
nehmern, die gern über ausreichende Mittel für ihren
Konsum verfügen und ebenfalls nicht gern jammern, die
Hoffnung entstehen, dass sich die Dinge jetzt ändern, dass
es jetzt besser wird? Was ist die Ursache dafür, wenn das
nicht gelingt?

Wenn ich einmal darüber nachdenke, wie der Start der
Regierung war, wie sie sich präsentiert hat, mit einer Viel-
zahl von sich zum Teil heftig widersprechenden Vor-
schlägen, die nicht zu Ende gedacht waren, und wie so die
erste große allgemeine Verunsicherung produziert wurde,
stelle ich fest: Das trägt wahrlich nicht dazu bei, dass Ver-
trauen wachsen kann, das wichtig ist, um die Konjunktur
wieder nach vorn zu bringen.

Was dagegen die CDU/CSU vorgelegt hat – ein-
schließlich der zehn Punkte, die Christian Wulff jetzt vor-
gestellt hat –, ist exakt das, was wir in unserem Regie-
rungsprogramm versprochen haben. Wir unterscheiden
uns von der SPD zurzeit dadurch, dass wir den Menschen
unser Programm noch einmal zeigen und sagen können:
„Das haben wir vorher gesagt und das tun wir hinterher“,
während Sie es mit einer unglaublichen Brutalität exakt
umgekehrt machen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie tun bei einer sehr großen Anzahl von Maßnahmen das
Gegenteil dessen, was Sie den Menschen vor der Wahl
versprochen haben. Das ist eine für das Vertrauen in die
Volkswirtschaft lebensgefährliche Operation.

Ein zweites Element, durch das Vertrauen wachsen
könnte, wäre die Ernennung eines wirklichen Superminis-
ters. Was heißt eigentlich „Superminister“? Superminister
ist jemand, der so viele Erfolge in seinem Leben aufzu-
weisen hat, dass er sich für die nächste Aufgabe den Ver-
trauensvorschuss verdient hat, dass er diese Aufgabe auch

packen wird. Herr Clement, Ihre Ergebnisse in Nordrhein-
Westfalen sind aber wirklich nicht zum Vorzeigen geeig-
net und taugen nicht dazu, dass Ihnen deswegen als Per-
son besonderes Vertrauen zuwächst.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie wissen, dass Sie fast alle Baustellen in Nordrhein-
Westfalen unfertig verlassen haben. Sie wissen, dass
Nordrhein-Westfalen im letzten Jahr von allen Flächen-
ländern einschließlich der neuen das schlechteste Wirt-
schaftswachstum hatte, minus ein Prozent,


(Wolfgang Clement, Bundesminister: Direkt hinter Baden-Württemberg!)


und das, nachdem Sie 13 Jahre zentrale Verantwortung für
die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen getragen hatten.
Ihre Leistungsbilanz ist also nicht geeignet, Vertrauen
wachsen zu lassen.


(Zuruf von der SPD: Den höchsten Schuldenzuwachs hat Herr Stoiber! – Gegenruf des Abg. Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Wenn es immer so wäre wie in Bayern, hätten wir nur halb so viele Sorgen!)


Superminister kann man jemanden nennen, der eine
besonders große Aufgabe gestellt bekommen hat, und die
haben Sie, der sie aber auch erfüllt. Sie haben immerhin
sieben Staatssekretäre, mit denen diese Aufgabe bewältigt
werden soll. Das muss man sich einmal auf der Zunge zer-
gehen lassen. Wie setzen Sie diese Autorität, diese Macht,
diese besondere Gestaltungskraft, die Sie bekommen ha-
ben, jetzt konkret ein, um Vertrauen wachsen zu lassen?
Wo ist erkennbar, dass Clement zu schwierigen Entschei-
dungen steht? Die erste Entscheidung, die Sie treffen
mussten, betraf das Hartz-Konzept. Sie hätten es eins zu
eins umsetzen können. Herr Clement, wenn Sie es getan
hätten, hätten Sie gezeigt, dass Sie stark sind und dass Sie
sich durchsetzen können. Es wäre Vertrauen gewachsen
und das wäre wichtig gewesen. Stattdessen haben Sie sich
schon bei Ihrer ersten Operation wieder von der gewerk-
schaftlichen Sperrmacht in Ihrer Fraktion bremsen lassen;
Sie sind wieder zurückgewichen und nutzen das Potenzial
zur Gestaltung nicht so aus, wie es die Volkswirtschaft
jetzt braucht.


(Wolfgang Clement, Bundesminister: Nicht wie Sie denken, das ist wahr!)


Sie wissen ganz genau, dass Sie mit der Einführung des
Prinzips von Equal Pay in der Zeitarbeit einen Weg be-
schreiten, der Arbeitsplätze bei den Zeitarbeitsunter-
nehmen zerstört – 100 000 sind uns prognostiziert –, und
Sie haben damit noch nicht einen einzigen zusätzlichen
Arbeitnehmer über die Personal-Service-Agenturen ver-
mittelt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wo sagen Sie etwas dazu, wie Sie sich in Zukunft Be-
lastungssenkungen für den Mittelstand und die Konjunk-
tur vorstellen? Nirgendwo! Es gibt keine Aussage von
Ihnen! Herr Brandner hat gerade angekündigt – interes-
santerweise bevor Sie die Erhöhung der Belastungen be-
schlossen haben –, irgendwann würden Sie die Belastung

Klaus Brandner

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Hartmut Schauerte
auch wieder senken. Das war die erste positive Aussage,
die ich gehört habe. Von Clement gibt es betreffend einer
solchen Vision keine Aussage, kein Mutmachen, nichts. Sie
sind dabei, die Belastungen rundherum zu erhöhen, zei-
gen an keiner Stelle einen Pfad für Wachstum, einen Weg
nach vorn, neuen Optimismus


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


und werfen uns vor, wir machten das Land schlecht. Wo
ist Ihr Hoffnungssignal? Wo ist Ihr Maßnahmenpaket
dafür, dass es bald besser wird? Nichts davon ist zu er-
kennen! Sie verstricken sich in Widersprüche, bieten nur
halbe Lösungen an.

Ich will ein Beispiel nennen: Vermögensteuer. Aus
dieser Debatte erwächst für die Volkswirtschaft eine un-
glaublich große Verunsicherung.


(Hubertus Heil [SPD]: Ach Gottchen!)

– Entschuldigen Sie mal! Selbst der Bundeskanzler ist ja
schon nachdenklich geworden. Er hat möglicherweise
mehr Zugang zu dem einen oder anderen als Sie. – Wo ist
bei der Diskussion um die Vermögensteuer, die im Prin-
zip eine Unternehmensvermögensteuer sein wird, die Ar-
beitsplätze in Deutschland gefährdet und vernichtet, die
Stimme des Wirtschaftsministers?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gudrun Kopp [FDP])


Wo ist er der Hüter der Interessen einer wachstumsorien-
tierten Wirtschaftspolitik?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wo ist der Garant dafür, dass sich die Gewerkschaftsfront
in Ihrem Lager nicht permanent durchsetzt?


(Dirk Niebel [FDP]: Abgetaucht!)

Wir haben auf Sie gehofft, Herr Clement. Wir sehen zu

wenig. Nur Mut, Sie Löwe vom Rhein! Nur Mut, nicht nur
eindrucksvoll gähnen wie der Löwe von Metro Goldwyn
Mayer, sondern auch beißen! Gehen Sie ran!


(Zuruf von der SPD: Beißen Sie doch!)

Sie werden nie wieder so viel Einfluss zur positiven Ge-
staltung von Wirtschaftspolitik haben wie zurzeit.


(Hans-Werner Bertl [SPD]: Machen Sie doch mal einen Vorschlag!)


Wenn Sie die Zeit jetzt nicht nutzen, schmilzt Ihr Einfluss
– das garantiere ich Ihnen – wie Schnee an der Sonne.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Nutzen Sie die Zeit! Machen Sie Mut! Geben Sie Gas in
der Wirtschaftspolitik! Nichts davon ist zu erkennen. Des-
wegen ist die Lähmung, die bleierne Schwere, die über
der deutschen Volkswirtschaft liegt, mittlerweile ein Er-
gebnis Ihrer Entschlusslosigkeit.


(Hubertus Heil [SPD]: Schreien Sie nicht so! – Hans-Werner Bertl [SPD]: Mal einen Vorschlag!)


Sie hätten der Hoffnungsträger, die Lichtgestalt sein kön-
nen. Dunkelmann sind Sie.


(Hans-Werner Bertl [SPD]: Jetzt machen Sie doch mal einen Vorschlag, Herr Schauerte! – Weiterer Zuruf von der SPD: Karneval ist noch nicht!)


Jetzt noch einmal dazu, wo wir Sie vermissen. Wir ver-
missen zum Beispiel eine klare Aussage von Ihnen zu der
Frage: Was soll in der Energiepolitik in Zukunft passie-
ren?


(Hans-Werner Bertl [SPD]: Machen Sie doch mal einen konkreten Vorschlag!)


Die Faktenlage ist, dass nach der Liberalisierung, die wir
beschlossen hatten, eine Energiepreisreduzierung für alle
deutschen Verbraucher mit einem Gesamtvolumen von
etwa 30 bis 40 Milliarden DM eingetreten ist. Mit den
jetzt gerade angekündigten Preiserhöhungen der Energie-
konzerne, die interessant begründet werden – nämlich:
der Wettbewerbsdruck sei nicht mehr so groß, man könne
jetzt ohne weiteres sechsprozentige Preiserhöhungen
durchsetzen; das ist übrigens Ergebnis der Energiewett-
bewerbspolitik der letzten vier Jahre –, sind die gesamten
Vorteile in der Energiepolitik, die wir erreicht haben, wie-
der aufgezehrt. Ein Teil ist zurückzuführen auf das, was
Umweltfinanzierung ist, was im Prinzip nur dazu dient,
die Staatsquotendiskussion zu umgehen; man drückt in
die Preise, was man sonst über Steuern gemacht hat; das
sind 15 bis 20 Milliarden Euro. Jetzt kommen die nächs-
ten Preiserhöhungen dazu.

Herr Clement, Sie müssen sich jetzt irgendwann erklä-
ren. Die Grünen sagen nach wie vor: Energie ist in
Deutschland zu billig. Sie muss teurer werden, damit we-
niger verbraucht wird. – Die deutsche Wirtschaft möchte
gern hören: Was denkt der Wirtschaftsminister, der ehe-
malige Ministerpräsident des Landes, in dessen Grenzen
40 Prozent der Energieerzeugung der Bundesrepublik
Deutschland stattfindet, darüber? Müssen wir mit weite-
ren Verschlechterungen in diesem Bereich rechnen oder
können wir von ihm hören: „Nein, jetzt ist das Ende der
Fahnenstange erreicht; der Trend muss eher umgekehrt
werden“?


(Zuruf von der SPD)

– Entschuldigen Sie einmal! Wenn Sie in Deutschland
hohe Löhne, hohe Energiepreise und dann auch noch viel
Bürokratie haben wollen, dann geht die Wettbewerbs-
fähigkeit kaputt.


(Dirk Niebel [FDP]: Dann kriegen sie höhere Arbeitslosigkeit! – Hubertus Heil [SPD]: Sie sind für höhere Löhne?)


Also: Erklären Sie sich! Beziehen Sie einmal klar Po-
sition und sagen Sie, was Sie in der Energiepolitik wollen!

Ich komme zum Schluss.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


– Ja, Sie wollen nach Hause; das ist klar.

(Hubertus Heil [SPD]: Wir bleiben hier! – Weiterer Zuruf von der SPD: Nein, nein!)



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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1055

Aber die Lage in Deutschland ist sehr ernst. Sie sollten ru-
hig nachsitzen, damit die Arbeit erledigt wird, die wir in
diesem Land haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [SPD]: Schauerlich! Für Sie gibt es noch Schmerzensgeld!)


Wir von der Opposition handeln einzig und allein nach
folgender Prämisse: Wir werden alle Maßnahmen unter-
stützen, die unserem Land erkennbar nach vorne helfen;


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Fangt mal an!)


leider sehe ich bei Ihnen nur wenige Maßnahmen, die
wirklich helfen. Mit dem gleichen Ernst und der gleichen
Verantwortung werden wir Vorhaben, die dem Land scha-
den, blockieren müssen; denn wir können nicht die Hand
reichen bei falschen Rezepten, die uns tiefer in das Loch
hineinreißen und die uns nicht auf den Weg des Wachs-
tums zurückführen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501405500

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch,

fraktionslos.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1501405600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr ge-

ehrte Gäste, ich bin Abgeordnete der PDS.
Die wenigen Minuten, die mir zur Verfügung stehen,

will ich dem Thema Leiharbeit widmen. Leiharbeit ist als
die zentrale Lösung entdeckt worden. Sie soll zu massiven
Einsparungen im Bundeshaushalt führen. Leiharbeit wird
als das Herzstück des Hartz-Konzeptes gefeiert. Schaut
man sich allerdings in anderen Ländern um, dann sieht
man, dass dort der Anteil der Leiharbeiter an der Gesamt-
zahl der Beschäftigten nur einen Bruchteil ausmacht. Selbst
in den Vereinigten Staaten, die immer als Beispiel herange-
zogen werden, ist der Anteil verschwindend gering.

Der Ansatz von Hartz geht davon aus, dass die Leih-
arbeit ein niedrigschwelliges Angebot für Unternehmen
ist. Sie haben die Möglichkeit, den arbeitslosen Leih-
arbeiter im Arbeitsprozess kennen zu lernen, um dann zu
entscheiden, ob sie ihn übernehmen wollen oder nicht. So
entsteht der Eindruck, dass man, wenn man sich halbwegs
anständig benimmt und seine Arbeit gut macht, übernom-
men wird.

Wer allerdings nicht übernommen wird, hat ein Pro-
blem. Er ist wieder arbeitslos und steht gleichzeitig unter
dem Verdacht, dass er sich offensichtlich nicht ordentlich
genug benommen hat, dass er nicht ordentlich gearbeitet
hat, dass er geklaut hat oder dass er vielleicht auch nur un-
pünktlich war. So entsteht durch Arbeitslosigkeit und fehl-
geschlagene Vermittlung eine doppelte Stigmatisierung.

Dabei ist es in der Regel wohl eher so, dass die Leihar-
beiter Produktionsspitzen auffangen oder die Stamm-
belegschaft sogar teilweise ersetzen sollen. Doch das wird

der Öffentlichkeit kaum vermittelt. Der arbeitslose Leihar-
beiter gerät in Erklärungsnot gegenüber seiner Familie und
seinem Freundeskreis. Ich denke, dass Leiharbeit die psy-
chischen Probleme der Arbeitslosen noch potenzieren wird.

Herr Clement, versuchen Sie, sich nur einen Moment
vorzustellen, Sie wären nicht als Superminister vom
Kanzler geholt worden, sondern als Leihbeamter bzw.
Leihminister. Selbst wenn Ihnen das gleiche Geld wie
Ihren Ministerkollegen geboten worden wäre, Sie wären
nicht so einfach nach Berlin gekommen; es musste schon
ein Superministerium sein. Ich kann mich in Ihre Psyche,
Herr Clement, gut hineinversetzen. Die Frage ist, ob Sie
sich in die Psyche derArbeitslosen hineinversetzen kön-
nen, die zu Leiharbeitern gemacht werden sollen.

Meine Damen und Herren, nach der Ablehnung des
Konzepts durch den Bundesrat gibt es eine große Diskus-
sion darüber, ob die Leiharbeiter unter Tarif angestellt
werden sollen. Für Langzeitarbeitslose und Schwer-
vermittelbare hält Herr Gerster Arbeitslöhne von 20 bis
30 Prozent unter dem normalen Tarif für angemessen.
Auch Frau Simonis und andere sozialdemokratische Mi-
nisterpräsidenten sind dieser Meinung.

Ich finde, dass diese Diskussion das Pferd von hinten
aufzäumt. Es lohnt sich, darüber einmal nachzudenken.
Warum stellt sich eigentlich keiner die Frage, ob nicht die
Zwischenschaltung von Zeitarbeitsfirmen, die an der
Vermittlung ein bisschen verdienen wollen, die Lohnkos-
ten für die Leiharbeiter zusätzlich zu stark erhöht?

Ich habe mich in der letzten Woche mit einem Berliner
Unternehmer aus dem Hightechbereich unterhalten. Er
hat eine Produktion mit 35 Beschäftigten und würde bei
Auftragsspitzen gerne Leiharbeiter einstellen. Doch die
sind, da die Leiharbeitsfirmen daran verdienen, teurer als
seine eigenen Arbeitnehmer.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist doch logisch!)

Er zieht daraus einen ganz anderen Schluss als Frau
Simonis und Herr Gerster. Er fragt sich, warum er für eine
Leiharbeitsfirma bezahlen soll, wenn es Arbeitslose gibt,
die er bei Produktionsspitzen einstellen könnte.


(Zurufe von der SPD)

– Hören Sie bitte noch weiter an, was ich sagen werde, be-
vor Sie sich noch weiter aufregen, meine Herren!

Aus meiner Sicht mangelt es nicht an Arbeitskräften,
sondern an Kapital und an Aufträgen. Damit können die
Leiharbeitsfirmen wohl nicht weiterhelfen – und die
Bundesregierung offensichtlich auch nicht.
Es ist nötig, sich Gedanken über die Schaffung von neuen
Arbeitsplätzen zu machen. Das ist die Aufgabe, die von
der Bundesregierung zu wenig angegangen wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos] – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Haben Sie mit Diether Dehm gesprochen?)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501405700

Nächster Redner ist der Kollege Johannes Singhammer,

CDU/CSU-Fraktion.

Hartmut Schauerte

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1501405800

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Die Menschen in Deutschland, die Unternehmer
und die Arbeitnehmer, warten mit großer Sorge auf mehr
Wachstum und Beschäftigung. Der Boden, der Humus,
auf dem dies gedeiht, heißt Vertrauen, langfristige Per-
spektiven und Berechenbarkeit.


(Hubertus Heil [SPD]: Die Rede hat Herr Schauerte schon gehalten!)


Exakt dieser Humus wird durch diese Bundesregierung
Tag für Tag abgetragen. Sie erzeugen Angst, Unsicherheit
und produzieren letztendlich ein Untergangsszenario.


(Jörg Tauss [SPD]: Das macht ihr!)

Ich nenne dafür ein paar Beispiele. Wann immer sich

Spitzen aus der Fraktion oder der Regierung äußern, er-
folgt Widerspruch.


(Hubertus Heil [SPD]: Dann lassen Sie den Widerspruch!)


Kein Mensch weiß, was nun wirklich gilt. Was bedeutet
die Äußerung Ihres Fraktionsvorsitzenden, Herrn Münte-
fering? Er erklärt: „weniger für den privaten Konsum –
und dem Staat Geld geben“. Gleichzeitig hat die Nürn-
berger Gesellschaft für Konsumforschung festgestellt,
dass das Konsumklima mittlerweile auf den tiefsten Stand
seit 1996 gefallen ist.

Selbstverständlich wird Herrn Müntefering aus Ihrer
Fraktion widersprochen, aber es fehlt ein entscheidendes
Machtwort. Der Kanzler hat in einem Machtwort erklärt,
die Kakophonie in den Reihen der Regierung müsse end-
lich beendet werden. Diese Worte haben aber wenig Wir-
kung.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: So ist es!)

Der Kollege Stiegler ist gerade nicht anwesend.


(Dirk Niebel [FDP]: Wieder einmal nicht!)

Aber er hat die Worte der Lichtgestalt Deutschlands, des
Kommissionsvorsitzenden Professor Rürup, als Professo-
rengeschwätz bezeichnet und gesagt, er „erwarte, dass die
Professoren wie Herr Rürup uns nicht länger mit ihrer
Ejaculatio praecox beglücken“.

Nun ist es immerhin interessant, dass Herr Stiegler ero-
tische Momente in der Politik entdeckt. Ich denke aber,
wir brauchen in der Politik keine Sexualberater, sondern
wir brauchen wieder mehr Glauben an die Zukunft und
die Gewissheit, dass endlich ein anderer Weg eingeschla-
gen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Minister Clement, die Durchschlagskraft der

Machtworte des Kanzlers haben offensichtlich in der ei-
genen Fraktion die Wirkung einer Schneeflocke im Hoch-
sommer.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Man kann es auch Rohrkrepierer nennen!)


Wenn Sie hier vortragen, die Probleme seien zwar schwie-
rig, aber die globale und internationale Entwicklung sei

dafür verantwortlich und dieser könne man sich nicht ent-
ziehen, dann ist das nicht richtig. Wenn das Handwerk in
einer schweren Krise ist und 300 000 Arbeitsplätze ge-
fährdet sieht, wenn im Mittelstand Pessimismus um sich
greift und 25 Prozent der Firmen in den kommenden sechs
Monaten mit Personalabbau rechnen, wenn die Menschen
in Deutschland von Tag zu Tag mehr Furcht vor Arbeits-
losigkeit haben, dann liegt die Hypothek für diese Ent-
wicklung bei Ihnen. Sie ist hausgemacht.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Seit 1998, seitdem Sie an
der Regierung sind, haben Sie über 300 zusätzliche Bun-
desgesetze und mehrere Tausend neue Verordnungen er-
lassen, die vor allem dem Mittelstand das Leben schwer
machen. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen müs-
sen sich heute mit einer Fülle von kritischen Schwellen-
werten herumschlagen, bevor sie zusätzliche Mitarbeiter
einstellen können, was wir alle wollen.

Ich nenne Ihnen einmal einige Zahlen: Erhöht ein Be-
trieb seine Mitarbeiterzahl von fünf auf sechs, greift das
Kündigungsschutzgesetz. Ab 16 Beschäftigten greift das
Recht auf Teilzeitarbeit. Ab 20 Mitarbeitern kommt es zu
einer dramatischen Erweiterung der Mitspracherechte. Ab
101 Mitarbeitern muss der Betriebsrat aus mindestens sie-
ben Mitarbeitern bestehen. Ab 200 Beschäftigten ist ein
Betriebsratsmitglied auf Kosten des Arbeitgebers voll-
ständig von der Arbeit freizustellen. – Meine sehr geehr-
ten Damen und Herren, das sind die Gründe, die in vielen
Fällen Neueinstellungen nicht begünstigen, sondern eher
verhindern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Hinzu kommen die ständigen Änderungen in Ihrer Poli-
tik. Sie kennen sicherlich die Schröder-Witze, die zurzeit
Konjunktur haben. Einer dieser Witze lautet: Ein
Schröder ist die Zeiteinheit zwischen der Bekanntgabe ei-
nes Gesetzes und dessen Rücknahme. Leider stimmt das
mittlerweile.

Auch die versprochene Umsetzung des Hartz-Kon-
zepts ist nicht erfolgt. Die Kollegin Wöhrl und ich haben
Herrn Hartz einen Brief geschrieben und ihn aufgefordert,
seinen Namen von diesen verunstalteten Gesetzen
zurückzuziehen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hubertus Heil [SPD]: Das ist eine originelle Idee! Sie sind ja ein Held!)


Herr Hartz hat erklärt – das können Sie überall nachlesen –:
Es wurde nicht 1 : 1 umgesetzt und es würde einer er-
heblichen Nacharbeit bedürfen, um dieses Manko
auszugleichen, so, wie diese Pläne derzeit aussehen,
wird es jedenfalls nicht möglich sein, 2 Millionen
Menschen einen neuen Arbeitsplatz zu verschaffen.

Die Unberechenbarkeit und die mangelnde Planbarkeit
sind das Kainszeichen, das diese Regierung auf der Stirn
trägt, und sie verhindern, dass Investitionsentscheidungen
getroffen werden, weil Ihnen kein Mensch mehr vertraut
und meint, sich auf Ihre Planungen verlassen zu können.


(Zuruf von der FDP: So ist es!)



(A)



(B)



(C)



(D)


1056


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1057

Wir wollen aber nicht ausweichen, sondern selber Vor-
schläge unterbreiten. Kollege Laumann hat überzeugend
dargestellt, was wir wollen und wo unsere Schwerpunkte
liegen.


(Zuruf von der SPD: Da war aber die Redezeit schon zu Ende!)


Lassen Sie mich in fünf Punkten erläutern, was wir für
notwendig halten:

Erstens. Sehr wichtig ist, dass die kleinen Jobs, die so
genannten Minijobs, mit mindestens 400 Euro gefördert
werden, und zwar ohne weitere Abgaben neben der Pau-
schalsteuer.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dabei handelt es sich um ein Investitionsprogramm und
eine Konjunkturspritze, die nichts kosten, aber viel brin-
gen.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Das kostet nichts?)

Zweitens. Wir wollen das Arbeitsrecht flexibilisieren,

das Günstigkeitsprinzip lockern und Entscheidungsbe-
fugnisse auf die Betriebsebene verlagern


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist Volkswirtschaft à la Singhammer! PISA lässt grüßen!)


– Sie müssen nicht schreien; Sie sind dadurch nicht eher
im Recht –, ohne dass dadurch die Möglichkeiten der Ta-
rifparteien entscheidend geschmälert werden.

Drittens. Wir wollen das Gesetz gegen Scheinselbst-
ständigkeit als eines der großen Hindernisse für die
Schaffung von Arbeitsplätzen abschaffen.


(Jörg Tauss [SPD]: Wie originell!)

Viertens. Des Weiteren wollen wir ein Optionsmodell

einführen, das den älteren Arbeitnehmern – um die geht es
uns besonders – den Wiedereinstieg in die Beschäftigung
erleichtert.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Diese Scheinheiligkeit ist ja nicht zu übertreffen!)


– Reden Sie einmal mit älteren Arbeitnehmern über 50!

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Was haben Sie denn gemacht? Sie haben jahrzehntelang ältere Arbeitnehmer in den Vorruhestand geschickt!)


Ihre Vorschläge führen zu keiner Verbesserung der Situa-
tion.

Fünftens. Wir wollen fördern, aber auch fordern – inso-
fern haben wir eine ähnliche Formulierung gewählt wie
Sie –, allerdings mit Kombi-Einkommen und Einstiegs-
geld für Sozialhilfebezieher. Das ist in der Tat wichtig.
Derjenige, der arbeitet, muss immer mehr haben als derje-
nige, der nicht arbeitet. Das ist ein durchgehendes Prinzip.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben nach unseren Sparvorschlägen gefragt. Weil

wir uns in einer Haushaltsdebatte befinden, will ich die-
ser Frage auch nicht ausweichen. Wo kann gespart wer-
den? Sie können bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnah-
men sparen, und zwar weniger in den neuen Bundesländern,

wo sie gebraucht werden, sondern vielmehr in den alten
Bundesländern, wo sie in ihrer bisherigen Form in vielen
Bereichen eine Ressourcenverschwendung darstellen.

Des Weiteren sind Einsparungen in Bereichen der
Fort- und Weiterbildungmöglich, in denen die notwen-
dige Qualität nicht gewährleistet ist. Ich möchte betonen,
dass die Fort- und Weiterbildung dringender denn je
benötigt wird. Aber wir brauchen eine qualitätvolle Fort-
und Weiterbildung. Deshalb muss die Spreu vom Weizen
getrennt werden. Der Bundesrechnungshof – wenn Sie
schon nicht auf uns hören, dann vielleicht auf ihn – hat in
einem internen Papier, das auch in Teilen der Presse ver-
öffentlicht worden ist, die Effizienz von Weiterbildungs-
maßnahmen der Arbeitsämter deutlich kritisiert. Es kann
nicht angehen, dass weder Lehrpläne noch Unterrichts-
methoden der Bildungsträger präzise geprüft werden und
Erfolgsbilanzen nicht in ausreichender Präzision vorge-
legt werden.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Lesen Sie mal das Hartz-Konzept!)


Wenn Sie über den Bereich der Fachpolitik hinausge-
hen, gibt es noch viele andere Möglichkeiten zu sparen.
Auch den Vertretern des Finanzministeriums sei dieser
Hinweis gewidmet. Schauen Sie sich einmal den Haushalt
der Europäischen Kommission an! Sage und schreibe
zum achten Mal hintereinander hat der Europäische Rech-
nungshof dem Haushalt der Europäischen Union das Te-
stat verweigert. Er will sich mit dem Haushaltsplan der
Europäischen Union nicht beschäftigen, weil er so viele
Unrichtigkeiten enthält. Ich meine, es dürfte für Sie – Sie
haben ja die EU-Kommissarin Schreyer gewählt – sehr
lohnend sein, den Hinweisen des Europäischen Rech-
nungshofs nachzugehen und zu fragen, warum er das Tes-
tat verweigert hat und wo die Milliarden geblieben sind,
die offensichtlich nicht entsprechend den Bestimmungen
ausgegeben worden sind. Hier haben Sie ein lohnendes
Gebiet. Wenn Sie sich darum kümmern, werden Sie ohne
Probleme einiges einsparen können.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hubertus Heil [SPD]: Sprechen Sie lieber über den Bundeshaushalt! Zum Thema zurück!)


Der durchgehende Faden meiner Rede ist ja mehr Ver-
trauen und Berechenbarkeit. Herr Minister Clement, viele
in diesem Hause, aber nicht nur hier rechnen damit, dass
Sie die Mehrwertsteuer nach dem 2. Februar 2003, wenn
die Landtagswahlen in Niedersachsen und Hessen vorbei
sind, entgegen Ihren jetzigen Beteuerungen erhöhen wer-
den.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Und am 30. Mai ist Weltuntergang!)


Ich möchte Sie zum Schluss auffordern: Sagen Sie ohne
gedrechselte Formulierungen ganz klar, ob Sie die Mehr-
wertsteuer nach dem 2. Februar 2003 erhöhen wollen, Ja
oder Nein! Wenn Sie das täten, dann wäre das ein erster
Schritt hin zu mehr Glaubwürdigkeit und zu mehr Wirt-
schaftswachstum.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Was waren Sie schwach zum Schluss!)


Johannes Singhammer

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501405900

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Rainer Wend,

SPD-Fraktion.

(Jörg Tauss [SPD]: Jetzt wird es wieder besser! – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Was passiert mit der Mehrwertsteuer? – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: Was macht ihr im Bundesrat?)



Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1501406000

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Der Abgeordnete mit dem bezeichnenden Namen
Fuchtel meinte eben dem Bundeswirtschaftsminister vor-
werfen zu müssen, er habe einen Tunnelblick und sehe nur
noch Statistiken. Ich will Ihnen – das wissen Sie vielleicht
nicht, Herr Fuchtel – Folgendes dazu sagen: Als Minis-
terpräsident von Nordrhein-Westfalen war Herr Clement
monatelang unterwegs und hat bei den Unternehmen bis
hin zu den kleinsten Buden buchstäblich Lehrstellen auf-
gesammelt, damit die Jugendarbeitslosigkeit bekämpft
werden kann.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn man einem Politiker in diesem Land nicht vorwer-
fen kann, dass er keine Schicksale, sondern nur Statistiken
sehe, dann ist es Minister Clement. Er weiß sehr genau,
worüber er redet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zurzeit – das weiß ich sehr wohl – haben wir es nicht
immer sehr leicht, mit Vertretern von Verbänden und mit
Unternehmern über unsere Politik zu sprechen. Aber jeder
räumt ein, dass er verdammt froh sei, dass wir mit Minis-
ter Clement jemanden hätten, dem man es geradezu kör-
perlich ansehe, wie er darum kämpfe, dass die Massenar-
beitslosigkeit in unserem Land endlich abgebaut werde
und dass nicht Statistiken, sondern Menschen und Schick-
sale gesehen würden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


Lassen Sie mich noch ein Wort zu den Vorschlägen der
Hartz-Kommission sagen. Bei diesen Vorschlägen stehen
Überlegungen zum Thema Zeitarbeit im Zentrum.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501406100

Herr Kollege Wend, gestatten Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Schauerte?


Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1501406200

Wenn meine Redezeit angehalten wird, dann ja.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501406300

Selbstverständlich.


Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1501406400

Gerne, Herr Schauerte.


(Jörg Tauss [SPD]: Für Schauerte halten wir alles an!)



Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1501406500

Halt die Luft an! Das wäre am förderlichsten. – Herr

Kollege Wend, Sie haben gerade den ehemaligen Minis-
terpräsidenten Clement für seine erfolgreiche Ausbil-
dungstour durch Nordrhein-Westfalen gelobt. Die Zahlen
sprechen aber eine andere Sprache. In keinem anderen
Land ist die Jugendarbeitslosigkeit so stark gestiegen wie
in Nordrhein-Westfalen. Ich möchte Ihnen eine Zahl
konkret nennen – was halten Sie davon? –: Im letzten Jahr
sind in Nordrhein-Westfalen 7,2 Prozent der Ausbil-
dungsplätze weggebrochen. Einen solch starken Abbau an
Ausbildungsplätzen hat es in keinem anderen Bundesland
gegeben. Wollen Sie also an Ihrem Lob für Herrn Clement
festhalten oder wollen Sie den Zahlen Rechnung tragen?


Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1501406600

Ich möchte mein Lob für unseren Minister für Wirt-

schaft und Arbeit sogar ausdehnen, lieber Herr Kollege
Schauerte.


(Beifall bei der SPD)

Denn wenn man sieht, dass das Bundesland Bayern über
Jahrzehnte von Subventionen, die von anderen Bundes-
ländern, übrigens auch von Nordrhein-Westfalen, bezahlt
wurden, gelebt hat, und wenn man sieht, dass in Nord-
rhein-Westfalen ein sozial abgefederter Strukturwandel in
der Kohle- und Stahlindustrie herbeigeführt wurde, der
seinesgleichen sucht, dann kann man stolz darauf sein,
was Herr Clement als Ministerpräsident in Nordrhein-
Westfalen geleistet hat.


(Beifall bei der SPD)

Ich komme noch einmal auf die Vorschläge der Hartz-

Kommission zurück, in deren Zentrum die Zeitarbeit steht.
Ich bin unsicher, ob unsere Positionen an dieser Stelle
tatsächlich so weit auseinander liegen. Es gibt – auch
das ist etwas vereinfacht dargestellt – zwei Kategorien
von Zeitarbeitnehmern: Die einen sind gut qualifiziert
und können schon jetzt zum Teil hervorragend vermittelt
werden. Ist denn die Anwendung des Prinzips „Gleicher
Lohn für gleiche Arbeit“ auf diese Gruppe wirklich ein
Problem, Herr Laumann? Wenn eine Sekretärin bei einer
Fraktion als Zeitarbeitnehmerin eingestellt wird, be-
kommt sie den gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Das ist
doch überhaupt kein Thema. In diesem Bereich sollten
wir uns einig sein.

Problematisch ist die zweite Gruppe, nämlich die
Langzeitarbeitslosen, die weniger gut Qualifizierten.
Wenn wir denen helfen wollen – das sage ich ganz deut-
lich –, dann kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass
ihre Löhne unter denen der klassischen Tarifverträge lie-
gen müssen. Das sollte nicht streitig sein. Streitig könnte
nur sein, wie man die Entlohnung der Langzeitarbeits-
losen regeln will. Wir wollen dies nicht dem völlig freien


(A)



(B)



(C)



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(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1059

Spiel der Kräfte überlassen, sondern wir wollen, dass Ge-
werkschaften und Zeitarbeitsunternehmen für diese Be-
schäftigten spezielle Tarifverträge abschließen, nach de-
nen der Lohn unterhalb des üblichen Tariflohns liegt, die
aber so gestaltet sind, dass es sich noch lohnt, dafür zu ar-
beiten. Das ist der Interessenausgleich, den wir hinbe-
kommen wollen. Dafür brauchen wir die Gewerkschaften
und die Unternehmerverbände. Wir setzen darauf, dass
solche Tarifvereinbarungen in den nächsten Monaten zu-
stande kommen.

Ich rate Ihnen, meine Damen und Herren von der Op-
position, dieses Problem sachlich anzugehen. Sie müssen
sich doch auch fragen, ob Sie wollen, dass Gewerkschaf-
ten und Unternehmerverbände weiterhin Tarifverträge
schließen. Wir halten das für sinnvoll, und zwar nicht nur
für Kernarbeitsverhältnisse, sondern auch für Zeitarbeits-
verhältnisse. Deshalb lassen Sie uns das machen und an
dieser Stelle nicht über Prinzipien streiten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Hartz-Konzept ist verdammt wichtig, aber nicht
alles, meine Damen und Herren. Wenn wir mehr Be-
schäftigung schaffen wollen, dann brauchen wir eine Of-
fensive für Existenzgründungen, eine Offensive für den
Mittelstand. Lassen Sie mich dazu – das richtet sich auch
an Sie, Herr Minister Clement – vier konkrete Vorschläge
machen:

Thema Nummer eins – ich traue mich schon gar nicht
mehr, das Wort in den Mund zu nehmen, weil es wirklich
eine Banalität ist – ist die Entbürokratisierung.


(Zuruf von der CDU: Tun!)

Hier muss man aber auf zwei Dinge aufpassen: Wer beim
Thema Entbürokratisierung immer nur die Abschaffung
der Schutzbestimmungen des Arbeitsrechts im Munde
führt, der missbraucht es für Sozialabbau. Das ist mit uns
Sozialdemokraten nicht zu machen, Herr Laumann.


(Beifall bei der SPD – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Mit mir auch nicht!)


Außerdem sollten wir – das sage ich auch an die Adresse
der SPD – mit der Einrichtung von Kommissionen auf-
hören.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Jede ministerielle Kommission, egal unter welchem Minis-
ter, hat in der Vergangenheit wenig zur Entbürokratisierung
beigetragen. Wir müssen uns mehr Mut vornehmen. Das
heißt auch, die Idee von Altkanzler Helmut Schmidt aufzu-
greifen, nämlich in einigen Bereichen unseres Landes be-
stimmte bürokratische dauerhafte Regelungen außer Kraft
zu setzen und anschließend zu prüfen, was dabei herausge-
kommen ist. Wenn es darum geht, das auszuprobieren, darf
man nicht nur über die neuen Länder reden. In Abstimmung
mit anderen biete ich gern die sehr mittelständisch geprägte
Region Ostwestfalen-Lippe dafür an.


(Dirk Niebel [FDP]: Sagen Sie das einmal dem Kanzler!)


Das zweite Thema, das ich ansprechen möchte, bezieht
sich auf die Ich-AG.Dies muss ausgedehnt werden. Wenn

wir eine Kultur von Selbstständigkeit und Mittelstand,
wenn wir Existenzgründungen wollen, dann müssen wir
uns überlegen, ob wir nicht nur für die Ich-AG, sondern
insgesamt für Kleinstunternehmen ein spezielles Steuer-
recht schaffen sollten, das ihnen in der Phase der Exis-
tenzgründung und – wenn sie klein bleiben – darüber hi-
naus einen besonderen steuerlichen Spielraum gibt, um
sich im Laufe der Jahre Eigenkapital zu erarbeiten und auf
Dauer am Markt tätig zu sein.

Ich komme nun auf das dritte Thema zu sprechen. Wir
haben große Sorgen im Bereich der Mittelstandsfinan-
zierung. Es ist richtig, durch Zusammenführung von
KfW und DtA eine Mittelstandsbank zu gründen. Da-
durch nutzen wir die flexiblen Möglichkeiten der DtA für
die Zukunft.

Das allein wird aber nicht reichen; denn wir wollen die
Förderkredite nach wie vor über die Hausbanken aus-
reichen und keine direkte Staatsbank schaffen. Wenn dies
Erfolg haben soll, müssen wir daran denken, die Margen
für die Hausbanken zu erhöhen, und auch über erweiterte
Haftungsfreistellungen für die Hausbanken sprechen.
Außerdem müssen wir über eine Stärkung der Eigenkapi-
talbildung durch privates Beteiligungskapital nachden-
ken. Dieses Instrument ist in Deutschland im Gegensatz
zu den angelsächsischen Ländern deutlich unterent-
wickelt, weil es sich für die Unternehmen in der Vergan-
genheit mehr gelohnt hat, auf Fremdkapital zurückzu-
greifen, da die steuerlichen Regelungen von CDU/CSU
und FDP das ausgeschüttete Kapital im Vergleich zum
einbehaltenen Kapital privilegierten. Das haben wir ver-
ändert. Also müssen wir zur Finanzierung des Mittelstan-
des auch das private Beteiligungskapital wieder stärker in
den Vordergrund rücken.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501406700

Herr Kollege Wend, gestatten Sie eine Zwischenfrage

der Kollegin Wöhrl?


Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1501406800

Ja, selbstverständlich, Frau Wöhrl.


Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1501406900

Lieber Kollege Wend, ich habe mit Freude vernom-

men, dass Sie privates Beteiligungskapital künftig wieder
besser stellen wollen. Gehe ich richtig in der Annahme,
dass Sie dann dem § 17 Einkommensteuergesetz seine
frühere Fassung wiedergeben und Steuerfreiheit bis zu
einer 20-prozentigen Beteiligung an einer Existenzgrün-
dung gewähren wollen? Sie haben dies in Ihrer Regie-
rungszeit auf 1 Prozent gesenkt, sodass der gesamte pri-
vate Beteiligungskapitalmarkt zusammengebrochen ist.


Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1501407000

Frau Wöhrl, es bereitet mir natürlich eine besondere

Genugtuung, dass ich Ihnen mit meinen Bemerkungen
eine Freude machen konnte. In der Sache aber halte ich es
für bezeichnend, dass Sie allein nach Steuersubventionen

Dr. RainerWend

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Dr. RainerWend
rufen, wenn ich sage, dass wir die Eigenkapitalbildung in
Deutschland dadurch stärken müssen, dass wir wieder pri-
vates Eigenkapital in den Vordergrund rücken und die al-
ten steuerlichen Regelungen, die die Hereinnahme von
Fremdkapital geradezu begünstigt haben, novellieren.
Auf Dauer werden wir keine niedrigen Steuersätze – wir
wollen den Eingangssteuersatz auf 15 Prozent senken –
schaffen können, wenn gleichzeitig die steuerlichen Be-
messungsgrundlagen weiter verengt werden. Steuersub-
ventionen werden abgeschafft werden müssen, damit wir
niedrige Steuersätze erreichen können. Daran werden wir
festhalten, Frau Wöhrl.


(Beifall des Abg. Hubertus Heil [SPD])

Ein letztes Instrument, das mir wichtig ist und das wohl

bei uns allen noch nicht so bekannt ist, sind die öffentlich-
privaten Partnerschaften. Was meine ich damit? Wir müs-
sen Haushaltskonsolidierung betreiben. Daran kommen
wir nicht nur wegen Europa nicht vorbei, sondern auch
aus ökonomischen Gründen nicht, weil sich der Staat auf
dem Kapitalmarkt nicht so stark bedienen darf, wenn er
niedrige Zinsen gewährleisten will. Gleichzeitig wollen
wir aber auch öffentliche Investitionen stärken, weil eine
gute Infrastruktur ein besonders wichtiger Standortvorteil
unseres Landes ist und weil wir mithilfe der öffentlichen
Investitionen Beschäftigung generieren wollen. Wie ge-
hen die Stärkung der Investitionen und die Haushaltskon-
solidierung zusammen? – Dazu brauchen wir neue Instru-
mente, die übrigens auch unter dem Ministerpräsidenten
Wolfgang Clement in Nordrhein-Westfalen genutzt wur-
den. Eines dieser Instrumente heißt Public Private Part-
nership. Es bedeutet, Investitionen privat finanzieren und
übrigens auch privat betreiben zu lassen – es ist nicht nur
ein Finanzierungsmodell – und in Kooperation mit priva-
ten Kapitalgebern zu versuchen, die Belange der öffent-
lichen Hand, die öffentliche Daseinsvorsorge sicherzu-
stellen, zu stärken und zugleich Haushaltskonsolidierung
zu betreiben. Meine Bitte an das Ministerium und an die
Fraktionen dieses Hauses lautet, diesem Instrument ver-
stärkte Aufmerksamkeit zuzuwenden, da es, wie Groß-
britannien, Portugal und andere Länder zeigen, ein Ansatz
zur Lösung der Problematik sein kann.

Abschließend erlaube ich mir, auch für die Zuschauer
ein Zitat zu verlesen, das ich richtig zu verstehen bitte.
Der Porsche-Manager Wendelin Wiedeking schrieb ges-
tern in der „FAZ“:

Deshalb ist die Frage schon falsch, ob diese Bundes-
regierung den Standort Deutschland gefährdet. Ge-
fährdet wird er durch eine Haltung der Individual-
interessen, die auf das Gesamtwohl keine Rücksicht
mehr nimmt.

Was will ich damit sagen? Ich will damit nicht sagen,
dass wir, die Koalitionsfraktionen, keine Aufgaben mehr
haben. Das ist weiß Gott nicht so. Ich will damit sagen,
dass Gemeinwohl Modernisierung unseres Landes, Mo-
dernisierung der sozialen Sicherungssysteme und Mo-
dernisierung der Arbeitsmärkte heißt. Gleichzeitig heißt
Gemeinwohl: Sicherheit und Verlässlichkeit für die Men-
schen in unserem Land, die auf dem Weg in die Zukunft
mitgenommen werden müssen. Gemeinwohl heißt also,
beide Richtungen zusammenzuführen. Darum bemühen
wir uns in der nächsten Zeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501407100

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Ernst

Hinsken, CDU/CSU-Fraktion.


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1501407200

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Minister Clement, in Ihrer Rede haben Sie vieles
schöngefärbt. Es wäre gut, wenn einiges von dem, wovon
Sie glaubten, es uns hier bereits sagen zu können, wahr
werden würde.

Zum Kollegen Stiegler möchte ich sagen – das gilt ins-
besondere in der Weihnachtszeit –: Immer schön bei der
Wahrheit bleiben!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich habe sehr wohl registriert, dass er für die falschen
Zahlen, die er uns an die Hand geben wollte, von der
linken Seite des Parlaments keinen Beifall bekommen
hat. Es kann nicht bestritten werden, dass es in der
Bundesrepublik Deutschland allein in diesem Jahr über
40 000 Konkurse gab, dass alle 15 Minuten ein Betrieb
Pleite geht


(Ludwig Stiegler [SPD]: Und alle 10 Minuten einer aufmacht!)


und dass – das kann man leider nicht wegdiskutieren – je-
den Tag 115 Betriebe „über die Wupper gehen“. Allein in
diesem Jahr sind es bereits 10 000 Betriebe mehr als im
Rekordjahr 2001 und doppelt so viele wie 1998.

Nicht nur das, was Herr Stiegler zu den Insolvenzen
gesagt hat, war falsch, sondern auch das, was er zu den
Selbstständigen gesagt hat.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Lesen Sie mal den Sachverständigenrat!)


Der Anteil der Selbstständigen in der Bundesrepublik
Deutschland ist nämlich rückläufig. Im Vergleich zum Jahr
2000 gab es im Jahr 2001 in der Bundesrepublik Deutsch-
land laut Statistischem Bundesamt – ich habe mir diese
Zahlen extra geben lassen – über 11000 Selbstständige we-
niger. Wenn Sie schon Zahlen nennen, dann bitte richtige!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Auch durch die heutige Diskussion hat sich das Thema

Hartz wie ein roter Faden gezogen. Mit dem Thema Hartz
– der Minister, der verehrte Kollege Dr. Wend, der Herr
Brandner und verschiedene andere haben es angespro-
chen – ist es wie mit einer Rakete: Erst knallt es – voll-
mundige Ankündigungen werden in die Welt gesetzt –,
dann zischt es – in einer Kirche wird eine riesengroße
Feier aufgezogen –, dann stinkt es – die SPD greift die we-
nigen entscheidenden Punkte, die es gab, auf, um sie dann
auf Druck der Gewerkschaften nicht umzusetzen – und
jetzt ist es dunkel.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Wer hat denn den Witz aufgeschrieben? Das war das bayerische Staatstheater, oder wie?)



(A)



(B)



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(D)


1060


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1061

Von den Ankündigungen ist nur sehr wenig übrig geblie-
ben und die Arbeitslosen schauen sozusagen ins Ofenrohr.
So sieht es mit der Umsetzung der Vorschläge der Hartz-
Kommission aus.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir sollten gerade die Jahreszeit nicht vergessen;

schließlich steht Weihnachten vor der Tür und in 26 Tagen
geht das Jahr zu Ende. Noch nie sind in der Bundesrepu-
blik Deutschland so viele betriebliche Weihnachts- und
Adventsfeiern abgesagt worden.


(Zuruf von der SPD: Da hat jemand die „Bild“-Zeitung von heute gelesen!)


In vielen Betrieben musste das Weihnachtsgeld gestrichen
oder reduziert werden, weil die Betriebe es einfach nicht
mehr packen. Das kann doch nicht wegdiskutiert werden.

Viele Handwerks- und Mittelstandsbetriebe konstatie-
ren, dass das Geschäftsklima in den Sommermonaten
noch nie so schlecht wie in diesem Jahr war.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Weil du es so schlecht gemacht hast!)


Im Durchschnitt waren 48 Prozent der Betriebe im Wes-
ten und 44 Prozent der Betriebe im Osten von Umsatz-
einbußen betroffen. Das bedeutet im laufenden Jahr einen
Verlust von 900 000 Arbeitsplätzen.

Die Bauwirtschaft und das Ausbaugewerbe sind da-
von besonders betroffen. Viele Betriebe – das berührt
mich am meisten – leben momentan von der Substanz.
Deshalb verstehe ich, dass die Baufirmen vor 14 Tagen
und vor vier Wochen hier in Berlin auf die Straße gegan-
gen sind, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Rainer Brüderle [FDP]: Hilfeschreie!)


Dahinter stehen jede Menge Probleme, von denen nicht
nur die Firmen, sondern auch die einzelnen Mitarbeiter be-
troffen sind, weil sie Angst um ihren Arbeitsplatz haben.

In vielen Betrieben sind Frust und Aggression zu
spüren. Deshalb die klare und eindeutige Aussage von
uns: Die Wirtschaft und vor allen Dingen der Mittelstand
brauchen dringend eine verlässliche Politik, die wieder
Vertrauen schafft,


(Dirk Niebel [FDP]: Und Freiheit!)

eine mittelstandsgerechte Politik, die die Mehrheit der Be-
triebe und der dort Beschäftigten wieder in den Mittelpunkt
stellt, eine Politik für die Leistungsträger unserer Gesell-
schaft, die diese motiviert, ihre Leistungsfähigkeit zu ent-
falten und neues Wachstum zu schaffen. Nur durch Wachs-
tum kann der Staat die Einnahmen erzielen, die er für die
Zukunftssicherung im Sinne der Solidarität braucht.

Leider, verehrte Kolleginnen und Kollegen, hat die
Fülle von wirtschaftspolitischen, steuerpolitischen und
vor allem sozialpolitischen Maßnahmen der Bundesregie-
rung in jüngster Zeit nicht dazu beigetragen, das notwen-
dige Vertrauen in eine Politik für den Mittelstand wieder-
herzustellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das Handwerk meldet, dass nach dem Umsatzrück-
gang in diesem Jahr von rund 4,5 Prozent mit dem Verlust
von fast 300 000 Arbeitsplätzen im nächsten Jahr ein Mi-
nus von weiteren 3 Prozent mit einem zusätzlichen Ver-
lust von 100 000 bis 300 000 Stellen befürchtet wird. Herr
Bundesminister Clement, das berührt mich. Da können
Sie hier zehnmal sagen, der Export steige wieder. Wie
sieht es denn mit der Binnenwirtschaft aus? Auch diese
Betriebe ringen doch ums nackte Überleben. Für diese
Betriebe muss eine Politik gemacht werden, die in sich
schlüssig ist.

Ich meine auch, dass Bundeskanzler Schröder gestern
bei der großen Debatte hier im Bundestag wieder eine
Chance verspielt hat, gab es doch wieder kein Signal
dafür, dass die Bundesregierung gewillt ist umzusteuern.
Denn gerade der Mittelstand braucht dringend Korrektu-
ren, wie eine Unternehmensteuerreform, darüber hinaus
eine Verringerung der überhöhten Lohnzusatzkosten
durch Strukturreformen, ein Sozialversicherungssystem,
dass er tragen kann, und weniger Belastungen durch die
Bürokratie.

Herr Minister Clement, die Botschaft höre ich wohl:
Sie wollen die Bürokratie abbauen. Das hat Ihr Vorgän-
ger versucht und die Mittelstandsbeauftragte der damali-
gen Bundesregierung – sie sitzt ja heute unmittelbar hin-
ter Ihnen – ist mit dem hehren Versprechen angetreten,
dafür zu sorgen, dass Bürokratie abgebaut wird.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Ernst, du hast 16 Jahre auch nichts genutzt! Kehre vor deiner eigenen Tür! Du sitzt im Glashaus, Ernst!)


Geboren werden sollte ein großer Elefant, herausgekom-
men ist zu guter Letzt ein kleines Mäuschen. Wir werden
Sie in Bezug auf das, was Sie heute versprochen haben,
beim Wort nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere Herr

Stiegler, der Sie ein so positives Bild der Lage des Mittel-
stands und der Wirtschaft gezeichnet haben: Es ist doch
alarmierend, wenn wir feststellen müssen, dass fast ein
Drittel der mittelständischen Betriebe ohne jeden Gewinn
arbeitet und mehr als die Hälfte der kleineren Mittel-
ständler mit einem Jahresumsatz von 5 Millionen Euro
überhaupt kein Eigenkapital mehr hat. Besorgt Sie das
nicht?


(Ludwig Stiegler [SPD]: Nach 16 Jahren Kohl war das so!)


Da können Sie doch nicht sagen: Die Stimmung ist gut,
die Lage ist gut, wir brauchen nichts zu machen; man soll
das würdigen. Dazu sage ich: Das kann nicht ohne weite-
res hingenommen werden und das tun wir auch nicht.


(Ludwig Stiegler [SPD]: 16 Jahre Kohl!)

Es ist höchste Zeit, dass auch Bundeskanzler Schröder

diese Probleme sieht. Anstatt sich den Problemen zu wid-
men, hat er gestern erneut von der Verrohung der Sitten
gesprochen und den CSU-Landesgruppenvorsitzenden,
Michael Glos, angegriffen.


(Hubertus Heil [SPD]: Mit Recht!)


Ernst Hinsken

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Ernst Hinsken
Wie ein Marktschreier


(Hubertus Heil [SPD]: Ja, der Glos!)

versuchte er, seine Ladenhüter an den Mann zu bringen.
Hat denn Schröder vergessen, dass er den Kanzlerkandi-
daten der Union, nämlich Herrn Stoiber,


(Hubertus Heil [SPD]: Herrn Dr. Stoiber!)

als das eingestuft hat, was er selbst und nicht Stoiber ist:
unfähig, die Herausforderungen zu meistern und die Pro-
bleme zu lösen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hubertus Heil [SPD]: Das stimmt auch!)


Hat nicht der Bundeskanzler die Arbeitgeber als fünfte
Kolonne und Kettenhunde der Opposition bezeichnet?
Ich frage mich schon, wer hier für die Verrohung der Sit-
ten verantwortlich ist, wenn man so vorgeht und dann mit
dem Finger auf andere zeigt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Wahlkampf haben Sie auf Wahlplakaten und in Inseraten
mit Versprechen geworben, die Sie nicht einhalten können.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Ernst, du hast den verkehrten Textbaustein!)


Es gibt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, von
uns mit beschlossen, in dem es heißt: Irreführung des Ver-
brauchers ist verboten. Das Gesetz haben wir gemeinsam
beschlossen, aber Sie haben die Leute hinters Licht geführt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zurzeit erreichen
uns Abgeordnete viele besorgte Briefe. Mittlerweile ha-
ben viele Mitbürger Angst, ob die Zukunft bewältigt wer-
den kann.


(Hubertus Heil [SPD]: Und Sie haben jetzt Vertrauen geschaffen!)


80 Prozent sind mit der Arbeit der Bundesregierung un-
zufrieden.


(Zuruf von der SPD: In Ihrer Fraktion!)

Noch nie hat ein Bundeskanzler der Bundesrepublik
Deutschland nach Wahlen einen solch schnellen Vertrau-
ensverlust erlebt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus Brandner [SPD]: Schwarze Koffer!)


Sie, Herr Clement, und der Bundeskanzler schieben alles
auf die Weltwirtschaft. Ein Blick auf unsere Nachbarn
zeigt aber ein völlig anderes Bild.


(Hubertus Heil [SPD]: Haben Sie auch eigene Textbausteine? – Ludwig Stiegler [SPD]: Deine Brille ist falsch!)


Das Wirtschaftswachstum ist in diesem Jahr in Frankreich
– hören Sie gut zu – fünfmal so hoch, in Italien zweimal
so hoch, in Großbritannien achtmal so hoch


(Ludwig Stiegler [SPD]: In Bayern hundertmal so hoch!)


und in den USA zwölfmal so hoch wie bei uns. Bei uns
liegt es bei 0,2 Prozent.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Ernst, die Zahlen sind falsch!)


– Diese Zahlen stimmen, Herr Kollege Stiegler, im Ge-
gensatz zu den von Ihnen vorgetragenen Zahlen. Ich habe
sie eruiert;


(Hubertus Heil [SPD]: Oh!)

für sie stehe ich ein. Sie machen mich besorgt. In ihnen
kommt die falsche Politik dieser rot-grünen Regierung
zum Ausdruck, die auf Dauer gesehen für die Bundesre-
publik Deutschland unerträglich wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501407300

Herr Kollege Hinsken, Ihre Redezeit ist zu Ende.


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1501407400

Jawohl, ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.
Es gilt, unser Land nach vorn zu bringen.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Jawohl, das macht Rot-Grün!)


Wir haben das Potenzial zur Wende. Schließlich verfügt
unser Land über eine hoch motivierte Unternehmerschaft,
gerade auch im Mittelstand, über eine große Zahl qualifi-
zierter Arbeitskräfte, über hochleistungsfähige Forschungs-
und Entwicklungskapazitäten, über technisches und organi-
satorisches Wissen von bester Qualität –


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501407500

Herr Kollege Hinsken, Sie sind erfahren genug, um zu

wissen, dass Sie jetzt weit über Ihre Redezeit hinaus sind.


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1501407600

– und über eine hervorragend ausgebaute wirtschafts-

nahe Infrastruktur.
Verehrte Frau Präsidentin, ich möchte mich herzlich

dafür bedanken, dass Sie mich 1 Minute und 36 Sekunden
haben überziehen lassen.

Herzlichen Dank, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501407700

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege

Hans Eichel.

(Zurufe von der CDU/CSU: Der hat doch gar nichts gehört!)



Hans Eichel (SPD):
Rede ID: ID1501407800

Verehrter Herr Kollege, zu Ihren Märchenzahlen über

das Wachstum: Zurzeit liegen vier Länder in der Euro-
zone in Bezug auf das Wachstum hinter Deutschland.
Frankreich hat im dritten Quartal nur noch 0,2 gegenüber
dem Quartal davor, bei uns sind es 0,3. Italien liegt hinter
uns, die Niederlande liegen hinter uns, Luxemburg liegt


(A)



(B)



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1062


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1063

hinter uns. Das ist die gegenwärtige Situation des Wachs-
tums in der Eurozone.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ludwig Stiegler [SPD]: Der Ernst arbeitet mit dem alten Brockhaus!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501407900

Herr Kollege Hinsken, Sie können antworten.


(Bundesminister Eichel begibt sich zur Regierungsbank)



Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1501408000

Verehrter Herr Minister Eichel, Sie haben mich als Ab-

geordneter angesprochen; dann sollten Sie auch das Ab-
geordnetendasein fristen, das Ihnen in Zukunft vielleicht
vorbehalten ist.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501408100

Herr Kollege Hinsken, der Herr Minister darf Ihre Ant-

wort auch auf der Regierungsbank entgegennehmen.
Bitte schön, Sie haben das Wort.


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1501408200

Ich warte, bis Sie auf der Regierungsbank Platz ge-

nommen haben. Es sei Ihnen gegönnt, diese Tage noch in
Ruhe verleben zu können.


(Heiterkeit – Beifall bei der CDU/CSU)


(Bundesminister Eichel begibt sich wieder zum Abgeordnetenplatz)

Verehrter Herr Minister Eichel, aufgrund Ihrer Einlas-

sung möchte ich ausdrücklich feststellen, dass wir in die-
ser Skala dort stehen, wo ich gesagt habe, dass wir stehen.
Ich habe mich heute Vormittag noch einmal erkundigt und
musste leider in Erfahrung bringen, dass die USA, Frank-
reich und die anderen von mir genannten Länder besser
dastehen als die Bundesrepublik Deutschland. Nichts
würden wir von der Opposition mehr wünschen, als dass
es bei uns genauso gut bestellt sein möge und wir beim
Wirtschaftswachstum auch mit solchen Zuwachszahlen
glänzen könnten.

Wenn wir einmal wieder ein Wirtschaftswachstum
von mehr als 2,5 Prozent haben, wird auch die Zahl
der Arbeitslosen zu verringern sein. Aber unter Ihrer
Regierung, die falsche Weichenstellungen und eine
falsche Politik betreibt, wird dies nicht möglich sein.
Darum habe ich dies in meiner Rede angesprochen,
nämlich um den Finger auf die Wunde zu legen und zu
sagen: Nehmt euch ein Beispiel an anderen Regierun-
gen, die zum Teil anders ausgerichtet sind und eine bes-
sere Politik machen, als sie hier gemacht wird, eine
Politik, die ich für die Bundesrepublik Deutschland nur
allzu gern hätte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus Brandner [SPD]: Horrido!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501408300

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich rufe Zusatzpunkt 6 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Angela Merkel, Michael Glos, Volker Kauder,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
– Drucksache 15/125 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Peter Altmaier, CDU/CSU.


Peter Altmaier (CDU):
Rede ID: ID1501408400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir werden

mit diesem Untersuchungsausschuss klären, ob und, wenn
ja, inwieweit die Bundesregierung den Bundestag oder die
Öffentlichkeit über die Lage des Bundeshaushaltes, über die
Einhaltung der EU-Stabilitätskriterien und über die Finanz-
lage der Renten- und Krankenversicherungen falsch oder
unvollständig informiert hat. Wir sind durch die verhee-
rende öffentliche Diskussion in den letzten Wochen,


(Peter Dreßen [SPD]: Na, na!)

durch den rapiden Vertrauensverfall der Bundesregierung
sowie durch die unverfrorenen, widersprüchlichen und
völlig unbefriedigenden Aussagen der Regierung zu den
gegen sie erhobenen Vorwürfen zu diesem Schritt ge-
zwungen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wer zwingt Sie?)


Hans-Ulrich Jörges, Journalist vom „Stern“, ein kluger
Kopf und weiß Gott nicht im Verdacht besonderer CDU-
Nähe, schreibt:


(Hubertus Heil [SPD]: Deshalb ist er auch ein kluger Kopf!)


Gäbe es noch Anstand in der Politik, wäre – in Japan
kennt man solche Demutsgesten – eine Entschuldi-
gung des Kanzlers fällig für das beispiellose Be-
trugs- und Verschleierungsmanöver ... und zwar im
Bundestag.

Recht hat er und er ist beileibe nicht der Einzige, der sol-
che Vorwürfe gegen Sie erhebt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Kritik am Untersuchungsausschuss, die Sie land-
auf, landab hören, lautet, man solle sich lieber den Zu-
kunftsfragen zuwenden, denn dass die Regierung gelogen
und die Unwahrheit gesagt habe, wisse inzwischen ohne-
hin jeder.


(Dr. Max Stadler [FDP]: Richtig!)


Hans Eichel

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Peter Altmaier

Meine Damen und Herren, wenn wir es zuließen, dass es
für selbstverständlich und normal gehalten wird, dass Re-
gierungen falsch informieren oder die Unwahrheit sagen,


(Zuruf von der SPD: Blackout!)

dann wäre dies nichts anderes als die Selbstaufgabe und
Bankrotterklärung unseres politischen Systems. Solches
Fehlverhalten aufzudecken, ist Dienst an der politischen
Kultur und zukunftsgerichtet.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es geht uns nicht – wie Sie vielleicht vermutet haben –
um irgendwelche Reden von SPD-Wahlkämpfern, es geht
uns nicht um die Schönfärberei in Ihrem Regierungspro-
gramm


(Zurufe von der SPD: Koch!)

und auch nicht um die Verlautbarungen von Herrn
Müntefering. Diese haben uns vermutlich mehr Wähler
gebracht als Ihnen. Nein, es geht uns darum, dass die
Regierung als Staatsorgan, dass die Minister und Staats-
sekretäre die verfassungsrechtliche Pflicht haben, das
Parlament und die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß zu in-
formieren, und zwar unabhängig davon, ob gerade Wahl-
kampf ist oder nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist auch geschehen!)


Weil wir den Untersuchungsauftrag so formuliert ha-
ben, dass er sich ausdrücklich und ausschließlich auf das
Verhalten der Regierung gegenüber dem Bundestag und
den Bürgern bezieht, ist seine Formulierung über jeden
verfassungsrechtlichen Zweifel erhaben und die Einschal-
tung des Vermittlungsausschusses durch die rot-grüne
Mehrheit ohne jede Berechtigung und Begründung.


(Hubertus Heil [SPD]: Das ist der Geschäftsordnungsausschuss!)


Der Ausschuss ist notwendig. Herr Gabriel erklärt: Die
Wahrheit vor der Wahl? – Das hätten Sie wohl gern ge-
habt. Frau Simonis erklärt: Sie wussten die Zahlen, wie
wir sie gewusst haben. Herr Metzger, Ihr ehemaliger
Haushaltsexperte, sagt, die Bundesregierung und auch der
Bundesfinanzminister hätten sich fürs Weiterregieren und
gegen die Ehrlichkeit entschieden. Nur Sie, Herr Eichel,
als der zuständige Minister erklären unverdrossen, Sie
seien nach der Wahl aus allen Wolken gefallen und hätten
von alledem nichts gewusst. Herr Bundesminister, ich
vermute, Sie haben während der entscheidenden Monate
Urlaub auf der Insel der Ahnungslosen gemacht. Jetzt sind
Sie zurück in der Realität. Dieser Realität müssen Sie sich
stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Sache ist zu ernst,

(Hubertus Heil [SPD]: Als dass Sie hier auch noch Klamauk machen!)

als dass Sie sie auf die leichte Schulter nehmen können.
In Deutschland und in anderen Ländern sind Minister und

Staatssekretäre zurückgetreten, weil sie dem Parlament
die Unwahrheit gesagt haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Kohl! – Weitere Zurufe von der SPD: Koch!)


Das weiß natürlich auch Herr Eichel. Deshalb hat er, an-
ders als Herr Gabriel und Frau Simonis, auch gar keine
andere Wahl, als an der offiziellen Version festzuhalten,
auch wenn sie inzwischen noch so unglaubwürdig ist.


(Jörg Tauss [SPD]: Heuchelei!)

Herr Eichel, Sie haben ein Recht darauf, dass wir Sie

mit Ihrer Version ernst nehmen und dass wir uns im Un-
tersuchungsausschuss sachlich, akribisch und eingehend
mit Ihrer Version beschäftigen. Das will ich Ihnen zusa-
gen. Wir werden Ihrer Version das gegenüberstellen, was
uns die Akten vermitteln und was uns die Beamten aus
den Ministerien und die Sachverständigen sagen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihre Version!)


Wenn sich jemand findet, der überzeugend und schlüssig
nachweist, dass sich zwischen dem Tag der Bundestags-
wahl, dem 22. September, und dem Tag des Abschlusses
der Koalitionsvereinbarung, dem 24. Oktober, alle volks-
wirtschaftlichen Basisdaten plötzlich in ihr Gegenteil ver-
kehrten, dann werde ich den Betreffenden höchstpersön-
lich für den Nobelpreis für Neuentdeckungen in der
Wirtschaftswissenschaft vorschlagen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Keine falsche Versprechungen! So ein Klamauk!)


Ich fürchte, Sie werden diesen Nachweis nicht führen
können. Das ist der Grund für die heillose Verwirrung,
die inzwischen in Ihren Reihen Platz gegriffen hat: Herr
Schröder spricht von Klamauk; Herr Gabriel findet den
Ausschuss gut; Herr Müntefering sieht verfassungs-
rechtliche Probleme; Herr Schmidt will Eichel und
Schröder noch vor Weihnachten in den Zeugenstand
rufen; Herr Wiefelspütz hofft auf den Geschäftsord-
nungsausschuss. Im Vergleich zu diesem Wirrwarr sind
sogar die täglich wechselnden Erklärungen von Herrn
Müntefering und Herrn Scholz zum Thema Mehrwert-
steuererhöhung geradezu ein Ausbund an Klarheit und
Konsequenz.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Hubertus Heil [SPD]: Sie sind sehr sachlich heute!)


Inzwischen habe ich den Eindruck, Sie setzen auf Ver-
zögerung und Verschiebung, solange es nur irgendwie
geht. Damit tun Sie sich und der Sache keinen Gefallen.
Deshalb appelliere ich an Sie: Hören Sie damit auf und
sorgen Sie dafür, dass der Ausschuss unverzüglich seine
Arbeit aufnehmen kann!

Wir wollen aufklären, was war, um für die Zukunft zu
verhindern, dass sich Derartiges wiederholt, und zwar
ganz gleich, wer im Bund oder in den Ländern regiert.


(Lachen bei der SPD – Hubertus Heil [SPD]: Das ist doch unglaublich!)



(A)



(B)



(C)



(D)


1064


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1065

Wir Politiker sind im besonderen Maße abhängig vom Ver-
trauen und vom Zutrauen der Bürgerinnen und Bürger.


(Hubertus Heil [SPD]: Erzählen Sie das mal Ihrem Ministerpräsidenten aus dem Saarland!)


Es ist die Grundlage unserer Legitimation. Deshalb dür-
fen wir nicht zulassen, dass dieses Vertrauen immer wei-
ter beschädigt und ausgehöhlt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Kollege Dr. Wiefelspütz, aus den vergangenen

acht Jahren in diesem Parlament schätze ich Ihre Sach-
kunde und Ihre Integrität.


(Hubertus Heil [SPD]: Die haben Sie nicht!)

Ich wünsche mir, dass dies so bleibt. Ich freue mich auf
eine gute Zusammenarbeit im Untersuchungsausschuss.
Herr Kollege Benneter, Sie sind neu in diesem Haus.
Aber ich erinnere mich an Ihre Zeit als Juso-Bundesvor-
sitzender,


(Lachen des Abg. Peter Dreßen [SPD] – Ronald Pofalla [CDU/CSU]: 40 Jahre her!)


wo Sie den Mut hatten, auch gegen die Obrigkeit das zu
vertreten, was Sie für richtig gehalten haben. Sie werden
ein verantwortungsvolles Amt haben. Ich bitte Sie: Ver-
wechseln Sie im Interesse der gemeinsamen Sache das
Amt des Ausschussvorsitzenden nicht mit dem des Spre-
chers der SPD-Fraktion in diesem Untersuchungsaus-
schuss!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Hubertus Heil [SPD]: Schon wieder eine Unterstellung! – Ulrich Kelber [SPD]: Das ist unglaublich! Eine Flegelei!)


Meine Damen und Herren von der Koalition, ich
möchte Ihnen über die gesetzlichen Regelungen hinaus
einen Fairnesspakt anbieten,


(Lachen bei der SPD – Peter Dreßen [SPD]: Das nehmen wir Ihnen nicht ab!)


in dem wir die Grundlagen für eine faire, gedeihliche und
zügige Ausschussarbeit vereinbaren. Ich möchte Sie um
eines herzlich bitten: Sie haben im Spendenuntersu-
chungsausschuss an das Verhalten der Politiker aus den
Reihen der Union strenge moralische Maßstäbe angelegt.
Wir fordern jetzt von Ihnen ein, dass wenigstens ein Teil
dieser Maßstäbe auch für das Verhalten der Bundesregie-
rung gilt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der SPD)


Meine Damen und Herren, wenn wir gemeinsam bereit
sind, in diesem Ausschuss auf die übliche Polemik zu ver-
zichten,


(Lachen bei der SPD)

wenn wir bereit sind, auch einmal vor der eigenen Tür zu
kehren, auch wenn es wehtut,


(Hans-Werner Bertl [SPD]: Sie haben im letzten Untersuchungsausschuss ein elendiges Schauspiel geliefert! – Weitere Zurufe von der SPD)


dann können wir mit diesem Ausschuss einen Beitrag zur
politischen Kultur und zur Wiedergewinnung von Glaub-
würdigkeit in diesem Land leisten.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501408500

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Dieter Wiefelspütz,

SPD-Fraktion.

(Hubertus Heil [SPD]: Gott sei Dank, nach dieser Schmierenkomödie eben!)



Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1501408600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Es schauen und hören uns in diesen Minuten viele
Menschen zu. Ich weiß nicht, ob wir uns dessen immer be-
wusst sind. Herr Altmaier, sie schauen uns allen zu. Für
diesen Deutschen Bundestag hat jeder von uns seine Ver-
antwortung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Deutsche Bundestag hat seit 1949 insgesamt
32 Untersuchungsausschüsse eingesetzt. Manche waren
sehr wichtig, andere vielleicht nicht ganz so wichtig. Aber
der Untersuchungsausschuss, den wir in den kommenden
Tagen oder Wochen einzusetzen gedenken, ist der über-
flüssigste, der jemals in Deutschland diskutiert worden ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ronald Pofalla [CDU/CSU]: So viel zur Sachlichkeit!)


Das ist die große, breite Stimmung in der Bevölkerung.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ist die Sachlichkeit, die ihr eingefordert habt!)

Diese Position vertreten im Grunde auch viele von Ihnen.
Der eine oder andere tut es sogar laut. Da muss ich nicht
unbedingt in den eigenen Reihen suchen. Die Kronzeugen
für diese Position gibt es in Ihren Reihen.

Meine Damen und Herren, das Untersuchungsrecht
ist ein ganz wichtiges Instrument des Parlamentes.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: So ist es!)

Ich habe heute Morgen einen französischen Diplomaten
zum Antrittsbesuch bei mir gehabt. Er sagte mir, so etwas
gebe es in Frankreich gar nicht. Solche Untersuchungs-
möglichkeiten sehe das französische Verfassungsrecht
nicht vor. Was Sie zu unternehmen anstehen, sei in Frank-
reich undenkbar.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die lügen auch nicht so!)


Ich habe ihm gesagt: Wir sind stolz darauf, dass wir ein
solches Untersuchungsrecht haben, das durch Art. 44 des
Grundgesetzes verbürgt ist. Es hat den Sinn, einen Sach-
verhalt aufzuklären, Herr Altmaier, und ihn politisch zu
bewerten, auch in der politischen Kontroverse.

Peter Altmaier

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Dr. DieterWiefelspütz

Ein Untersuchungsausschuss hat nicht den Sinn und
die Aufgabe, eine Bundestagswahl infrage zu stellen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Darum geht es doch gar nicht! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Er hat nicht die Aufgabe – und das wollen Sie –,

(Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)


im Nachhinein eine Bundestagswahlentscheidung unse-
res Volkes zu delegitimieren. Das ist Ihr Ziel und das wer-
den wir Ihnen nicht durchgehen lassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ein Untersuchungsausschuss ist auch nicht die Verlän-
gerung des Wahlkampfes mit anderen Mitteln. Der Wahl-
kampf war am Sonntag, dem 22. September 2002, um
18 Uhr zu Ende. Begreifen Sie das endlich einmal! Sie ha-
ben die Wahl verloren. Sie werden sie nicht durch einen
Untersuchungsausschuss gewinnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Noch nie war ein Untersuchungsausschuss so über-
flüssig. Wir blamieren uns vor unseren Wählerinnen und
Wählern


(Lachen und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


mit solch einem Untersuchungsausschuss.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wir haben alle miteinander eine Verantwortung für dieses
Parlament und für unsere Institutionen.

Herr Kollege Altmaier, wir haben mindestens eines ge-
meinsam – vermutlich haben wir auch noch andere Ge-
meinsamkeiten –: Sie und ich, wir dürfen nicht lügen. Sie
und ich, wir dürfen auch nicht heucheln und nicht vorver-
urteilen. Sie sagen hier: Ich habe einen seriösen Anspruch.
– Gleichzeitig sind Sie aber schon mit Ihrem Vorurteil fer-
tig. Sie verurteilen Menschen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was wollen Sie eigentlich? Wollen Sie nur eine Bestäti-
gung Ihrer Vorurteile? Wo ist das Mindestmaß an Fairness
im Umgang miteinander?

Ich sage: Sie beschädigen die Institutionen, wenn Sie
so vorgehen. Wir haben bei allem Streit und Kampf nicht
das Recht, einander zu diffamieren. Wir beschädigen da-
mit die demokratische parlamentarische Kultur. Verlierer
sind wir letzten Endes alle, wenn wir das so betreiben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Wir diffamieren nicht! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


– Ich bitte Sie sehr, sich zurückzunehmen. Ich pflege nicht
dummes Geschwätz am Rednerpult im Deutschen Bun-
destag von mir zu geben. Ich bitte Sie wirklich, auf dem
Teppich zu bleiben.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Heute ist es ein bisschen so, Herr Wiefelspütz!)


Wir entschuldigen uns nicht dafür, dass dieser zweifel-
hafte Untersuchungsantrag im Geschäftsordnungsaus-
schuss auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft wird.


(Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Sie wollen nur verzögern!)


Ich habe erhebliche Zweifel, ob Sie nicht in Wirklichkeit
eine Wahl delegitimieren wollen.


(Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Dann gehen wir vors Verfassungsgericht!)


Ich habe erhebliche Zweifel, ob Sie den Kernbereich exe-
kutiver Eigenverantwortung ausforschen wollen. Das
wird geprüft. Wir werden das nicht beliebig lange, son-
dern sehr zügig tun.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sie haben Angst vor der Wahrheit!)


– Wovor habe ich Angst?

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sie haben Angst vor der Wahrheit!)

– Sie werden doch wohl nicht glauben, dass ich mich ent-
schuldige oder dafür schäme, dass wir das Grundgesetz
auf Ihren Antrag anwenden. Ich bitte Sie! Wo sind wir
denn eigentlich?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Sie haben Angst vor der Wahrheit!)


Wir werden das zeitnah prüfen, Kollege Altmaier. Ich
denke durchaus, dass wir eine Chance haben, einen ver-
fassungskonformen Untersuchungsantrag noch vor Weih-
nachten installieren zu können.


(Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Ja, unseren Untersuchungsantrag!)


Wir schauen uns Ihren Antrag an und behalten uns vor,
ihn so zu ergänzen, dass er nicht einäugig ist. Die Wahr-
heit sieht man nur mit zwei Augen, nicht mit einem. Auch
dafür entschuldigen wir uns nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501408700

Herr Kollege Wiefelspütz, gestatten Sie eine Zwi-

schenfrage des Kollegen Laurenz Meyer?


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1501408800

Ja.


(Hubertus Heil [SPD]: Das ist doch der mit den Verbrecherplakaten!)



Laurenz Meyer (CDU):
Rede ID: ID1501408900

Herr Kollege Wiefelspütz, bei uns gab es in der Partei

den einen oder anderen, der bezweifelte, dass der Unter-


(A)



(B)



(C)



(D)


1066


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1067

suchungsausschuss überhaupt noch nötig ist. Spätestens
nach Ihrer Einlassung jetzt müssen wir sagen: Was haben
die von der SPD für eine Angst vor diesem Untersu-
chungsausschuss?!


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Jeder muss sich bestätigt fühlen, der diesen Antrag einge-
bracht hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte Sie etwas fragen. Ich habe Sie im WDR in
der Sendung „Hart, aber fair“ gesehen. Dort haben Sie
von der ersten Fraktionssitzung der SPD nach der Bun-
destagswahl, die sich mit Sachfragen beschäftigt hat, be-
richtet. Sie haben ausgeführt, dass alle SPD-Kollegen bei
der Schilderung von Herrn Eichel bezüglich der Finanz-
fragen völlig vom Hocker gewesen seien. Sie seien völlig
erstaunt gewesen, wie schlecht plötzlich die Lage gewe-
sen sei und hätten sich alle über ihren Informationsstand
völlig getäuscht gefühlt. Sie haben dann gesagt: Wenn er
uns die Unwahrheit gesagt hat, muss er eigentlich weg.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen frage ich Sie: Müssten Sie sich nach dieser

Aussage unserem Antrag nicht aus vollem Herzen an-
schließen?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1501409000

Lieber Kollege Meyer, Sie sind mir schon seit längerer

Zeit aufgefallen

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)


als Spezialist für Schmutz und Kampagne in Ihrer Frak-
tion und Partei.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU)


Ein Beispiel dafür ist Ihr jetziger Beitrag. Sie stehen
auf und schämen sich nicht, meinen Beitrag dort funda-
mental zu verfälschen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich bitte Sie, solche Unterstellungen zu unterlassen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben es nicht nötig, uns von Ihnen hier anlügen zu
lassen, lieber Herr Meyer.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)


– Ja, für Ihren Generalsekretär sind Sie verantwortlich,
nicht ich. Ich habe ihn nicht ausgewählt.


(Beifall bei der SPD)

Herr Altmaier, wir werden Anfang des kommenden

Jahres die Arbeit im Untersuchungsausschuss beginnen
können.

Vielleicht haben wir doch noch eine kleine Chance,

(Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Die Wahrheit sagen!)

zur Sachlichkeit zurückzukommen. Ich biete Ihnen das
durchaus an. Wir können auch im Anschluss an diese De-
batte erste Vorgespräche führen. Ich kann mir durchaus
vorstellen, dass wir in überschaubarer Zeit in diesem Un-
tersuchungsausschuss zu einem Ergebnis kommen. Uns
von der SPD interessiert zum Beispiel sehr die Grund-
lage von Datenerhebungen und auch von Prognosein-
strumentarien, die wir in Deutschland haben. Ich stelle
fest, dass wir Anfang dieses Jahres Prognosen hatten, die
heute korrigiert werden – aber nicht etwa vonseiten der
Regierung, sondern von unabhängigen Instituten. Mich
interessiert: Wie gewinnt der Bundesfinanzminister, wie
gewinnt ein Landesfinanzminister relevante Daten für sei-
nen Haushalt? Aufgrund welcher Daten kommen Minis-
ter – das gilt auch für Landesminister – zu politischen Ent-
scheidungen?

Ich habe die Arbeitshypothese – aber es geht nicht um
Vorurteile, sondern es geht darum, das zu erarbeiten –,
Herr Altmaier, dass alle relevanten Daten in Deutschland
selbstverständlich jedermann und jeder Frau bekannt
sind. Die Daten, die relevant sind, kennt Herr Stoiber ge-
nauso wie der Bundeskanzler, die Ministerpräsidentin von
Schleswig-Holstein genauso wie der Bundesfinanzminis-
ter. Das ist alles allgemein bekannt.

Das würden wir gerne ergänzend mit in diesen Untersu-
chungsausschuss einbringen. Dann wollen wir sehen, ob
wir zu einem Ergebnis kommen – das ich nicht vorweg-
nehmen will. Ich bitte Sie sehr, Vorverurteilungen zu un-
terlassen. Das bringt überhaupt nichts. Es beschädigt
– ich sage es noch einmal – wichtige Institutionen. Wir be-
schädigen das elementare Recht des Parlamentes, Untersu-
chungen vorzunehmen, wenn wir gleich zu Beginn anfan-
gen, Menschen zu diffamieren, vorzuverurteilen und den
Eindruck zu erwecken, wir wollten im Grunde den Wahl-
kampf in der Nachwahlkampfzeit fortsetzen. Damit be-
schädigen wir wichtige Instrumente des Parlaments. Damit
verfehlen wir unseren Arbeitsauftrag hier im Parlament.


(Beifall bei der SPD)

Das ist die Grundüberzeugung unserer Bürgerinnen

und Bürger, die sagen: Das Parlament ist doch keine
Selbsterfahrungsgruppe. Sie sollen gefälligst die Arbeit
für das Volk machen und sich nicht mit sich selber be-
schäftigen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das Volk muss doch wissen, ob es belogen worden ist oder nicht!)


Sie machen einen völlig überflüssigen Untersuchungs-
ausschuss, der genau dies zum Ziel hat.

Zum Schluss vielleicht noch Folgendes, Herr Meyer:
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Arbeit in diesem
Untersuchungsausschuss wirklich überflüssig ist. Aber in
einem können Sie sicher sein: Angst haben wir weiß Gott
nicht, vor Ihnen schon gar nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Laurenz Meyer (Hamm)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501409100

Nächster Redner in der Debatte ist Dr. Max Stadler,

FDP-Fraktion.


Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1501409200

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Wenn ein so honoriger Kollege wie Herr
Dr. Wiefelspütz, der soeben über das Recht der Untersu-
chungsausschüsse promoviert hat, eine Debatte derart be-
ginnt, dann habe ich allerdings die Sorge, dass die ganze
Veranstaltung für das Ansehen des Parlaments nichts
Gutes ahnen lässt.

Dabei ist die heutige Abstimmungslage, das, worüber
heute zu befinden ist, aus Sicht der FDP relativ einfach.
Die CDU/CSU-Fraktion hat entschieden, einen Antrag
auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu stel-
len. Hierbei handelt es sich um ein Minderheitenrecht.
Der Untersuchungsausschuss muss daher eingesetzt wer-
den. Ob er zweckmäßig und politisch opportun ist, spielt
dabei überhaupt keine Rolle, wenn ich auch nach Beginn
der heutigen Debatte selber mehr zu der Überzeugung
komme, dass er in der Tat notwendig ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die rechtliche Frage lautet einzig und allein – nur da-

rüber ist heute zu befinden –, ob dieser Antrag zulässig ist.
Wenn ja, entspricht es übrigens der parlamentarischen
Übung, dem Minderheitenantrag nicht entgegenzutreten,
sondern ihm zuzustimmen. Dies wird die FDP-Fraktion
tun, denn zulässig ist der Antrag von CDU/CSU, sodass
auch eine Verweisung in den Geschäftsordnungsaus-
schuss, wie von Rot-Grün beantragt, überflüssig ist. Es
kann gleich über die Einsetzung dieses Ausschusses be-
funden werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Zu den juristischen Einwänden Folgendes:
Erstens. Es ist im Vorfeld diskutiert worden, ob der Un-

tersuchungsausschuss in unzulässiger Weise den so ge-
nannten Kernbereich der exekutiven Eigenverantwor-
tung, also der Tätigkeit der Bundesregierung, die der
Kontrolle des Parlaments entzogen sei, berühre. Dieser
Kernbereich orientiert sich nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts an § 96 der Strafprozessord-
nung. Er umfasst solche Angelegenheiten, die dem
Dienstgeheimnis unterliegen. Das sind Tatsachen, deren
Veröffentlichung mit der Gefahr von Nachteilen für das
Wohl des Bundes oder eines Landes oder einer einzelnen
Person verbunden wäre. Die Veröffentlichung der Finanz-
situation des Bundes oder der Länder, die Veröffentli-
chung von Arbeitslosenzahlen oder des Bruttoinlandspro-
dukts gefährden ersichtlich nicht das Wohl des Bundes,
eines Landes oder einer einzelnen Person im Sinne dieser
Vorschrift. Womöglich gefährden sie das Wohl des Bun-
desfinanzministers, aber das muss er ertragen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Zweitens. Weiterhin muss der Untersuchungsgegen-

stand einen abgeschlossenen Sachverhalt betreffen.
Auch dies ist der Fall, denn es geht nicht um die im Zeit-

punkt der Bundestagswahl noch nicht abgeschlossene
Weiterentwicklung der Steuereinnahmen und der Haus-
haltssituation, sondern um die damalige Kenntnis oder
Unkenntnis von Mitgliedern der Bundesregierung, mithin
um einen abgeschlossenen Sachverhalt.

Drittens. Schließlich muss ein öffentliches Interesse
an dem Untersuchungsausschuss bestehen. Auch dies
lässt sich nach der Vorgeschichte und nach der Aufmerk-
samkeit, die das Vorhaben in der Öffentlichkeit findet,
schwerlich verneinen.

Juristisch ist die Situation somit klar. Das politische
Gegenargument, der Untersuchungsausschuss sei über-
flüssig, weil die Bevölkerung ohnehin schon davon über-
zeugt sei, dass sie im Wahlkampf von der alten Bundesre-
gierung betrogen und belogen worden sei,


(Hubertus Heil [SPD]: Vorverurteilung! – Sebastian Edathy [SPD]: Ist auch nicht zutreffend!)


erscheint mir im Übrigen nicht sehr schmeichelhaft für
die Betroffenen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es ist auch davon auszugehen, dass der Untersu-

chungsausschuss mit seinen Mitteln der Zeugenverneh-
mung und der Akteneinsicht ein geeignetes Instrument ist,
den strittigen Sachverhalt aufzuhellen. Schließlich kann
die Aufklärungsarbeit, wenn es bei dem bisher von der
Union beantragten Verfahrensgegenstand bleibt und nicht
die Andeutung von Herrn Wiefelspütz, diesen noch aus-
zuweiten, verwirklicht wird, sehr wohl so rasch und zügig
geleistet werden, dass man sich bald wieder anderen The-
men zuwenden kann. Dagegen hätten wir von der FDP
freilich nichts einzuwenden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501409300

Das Wort hat jetzt der Kollege Volker Beck, Bündnis 90/

Die Grünen.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: In früheren Zeiten waren die Grünen ja mal an Aufklärung interessiert!)



Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501409400

Herr Kollege Schauerte, wenn es um Aufklärung

ginge, gäbe es – gerade hat der Herr Stadler gesprochen –
noch einen Gegenstand, der wahrlich einen parlamentari-
schen Untersuchungsausschuss lohnen würde,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


nämlich die Frage, wer über die FDP-Finanzen Bescheid
wusste und wer auf Parteitagen, bei denen Herr
Möllemann seine Position vorgetragen hat, immer ge-
schlafen hat und trotzdem applaudieren konnte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen!
Ich bin sicher, dieser Untersuchungsausschuss neuen


(A)



(B)



(C)



(D)


1068


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1069

Typs wird in die Geschichte der Ausschüsse eingehen als
Pharisäerausschuss.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dieser Ausschuss ist rückwärts gewandt. Er wird unser
Land nicht voranbringen. Er wird uns kein Jota bei den
Reformen weiterbringen, die wir anpacken müssen. Er
hilft uns nicht, die gegenwärtige wirtschaftliche Situation
zu verbessern. Er ist schlecht für die Demokratie, weil Sie
ein ganz wichtiges Parlamentsrecht klamaukartig für den
Wahlkampf von Herrn Koch missbrauchen, weil Sie die-
ses Instrument, das eines der höchsten Güter der parla-
mentarischen Opposition zur Kontrolle einer Regierung
ist, inflationieren und so in einer Art und Weise gebrau-
chen, dass es dem Instrument nur schaden kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


In der Vergangenheit wurden Parlamentarische Unter-
suchungsausschüsse vorwiegend eingerichtet, um krimi-
nelles Verhalten zu untersuchen, um dem Verdacht der
Korruption oder der Vetternwirtschaft nachzugehen oder
zumindestens schwere Regelverstöße aufzuklären. Ich er-
innere an die „Spiegel“-Affäre, an die Angelegenheit
Fibag – beide betreffen Strauß –, an die Flick-Affäre, an die
Neue Heimat und an den Parteispendenskandal Helmut
Kohl. Die Untersuchungsausschüsse zu all diesen The-
men hatten einen realen Gegenstand und sollten etwas
aufklären, sollten Zusammenhänge aufzeigen und sie da-
mit der Öffentlichkeit transparent machen. Dies ist hier
nicht der Fall. Hier geht es darum, Ahnungen, Vermutun-
gen von Regierungsmitgliedern zum Gegenstand von par-
lamentarischen Untersuchungen zu machen. Auf so etwas
zielt dieses Instrument nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie zeigen damit auch: Frau Merkel tanzt nach der Pfeife
von Herrn Koch. Herr Koch hat sich den Ausschuss ge-
wünscht. Viele in der Union sagen gegenüber Presseagen-
turen und hinter vorgehaltener Hand, dass dieser Klamauk
der Sache nicht dienlich ist. Trotzdem wird das durchgezo-
gen. Das zeigt, wer in der CDU/CSU das Sagen hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Tosender Applaus!)


Ihr Parteifreund, der frühere Bundespräsident Richard
von Weizsäcker, hat im heutigen „Stern“ das Richtige
dazu gesagt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

Was soll herauskommen? Angriff, Gegenangriff, ge-
genseitige Schmutzladungen. Geschädigt ist am
Ende das Ansehen der Parteien. Die Einsetzung des
Ausschusses ist die Fortsetzung des Wahlkampfes.

Recht hat der Herr von Weizsäcker. Es wäre schön, wenn
sein Wort in Ihren Reihen noch etwas gelten würde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das ganze Projekt ist auch der Gipfel der Heuchelei.
Ich bin sicher: Am Ende wird diese Veranstaltung nach
hinten losgehen.

Ich weiß auch gar nicht, warum Sie sich in Ihrer Rede
vorhin so aufgeregt haben. Sie tun geradezu so, als habe
Rot-Grün den Menschen im Land blühende Landschaften
versprochen. Ich meine, das ist jemand anderes gewesen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Kommen wir jetzt zum Wahlkampf und dazu, wer da
was gesagt hat. Am 30. August hat Herr Stoiber sein So-
fortprogramm vorgelegt, das immerhin 20 Milliarden
Euro kosten sollte.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Schmarren! Indem Sie es wiederholen, wird es nicht richtiger!)


Darin heißt es:
Unsere Maßnahmen können solide finanziert werden
... durch Privatisierungserlöse sowie durch Umschich-
tungen und Einsparungen innerhalb des Bundeshaus-
haltes. Weitere Einsparpotenziale ergeben sich im
Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Recht hat er!)


So weit das Sofortprogramm der Union, das Sie bis zum
22. September auf allen Wahlveranstaltungen landauf,
landab tapfer vertreten haben.

Ihr Kollege Austermann wusste ausweislich einer Pres-
semitteilung vom 5. September aber schon, dass nach sei-
ner Berechnung bei der Bundesanstalt für Arbeit 2 Mil-
liarden Euro fehlen. Am 11. September legte er noch einmal
nach und vertrat die Auffassung, man habe die 3-Prozent-
Hürde schon längst gerissen; das Staatsdefizit liege über
60 Milliarden Euro.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Er hatte doch Recht!)


– Sie sagen: Er hatte doch Recht. – Woher wusste er denn
das?


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Und Herr Eichel?)


Er weiß das aus Berechnungen, aus Vermutungen, aus
Hochrechnungen. Die konnte damals offensichtlich jeder
anstellen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Und der Herr Eichel?)


Aber wie konnten Sie in Kenntnis dieser Ihrer Prognosen
ins Land gehen und den Menschen erzählen, welche
Wahlgeschenke Sie ihnen noch machen wollen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU)


Das ist doch die Heuchelei! Sie haben den Leuten etwas
vorgemacht. Sie hätten die längsten Nasen hier im Haus,
wenn sich Lügen wie in dem Märchen von Pinocchio in
der Verlängerung von Nasen auswirken würden.

Die Leute aus Ihren eigenen Reihen gestehen es ja auch
zu. Herr Perschau hat im Deutschlandfunk gesagt: Die
Länder kannten die Situation sehr wohl und haben sie
auch beschrieben. – War denn Ihr Kanzlerkandidat, der
Herr Stoiber, kein Ministerpräsident? Hat er denn nichts

Volker Beck (Köln)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Volker Beck (Köln)

gewusst? Aber er hat anders gehandelt als Hans Eichel,
der hier eine solide Haushaltspolitik gemacht hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU)


– Ja! Der Bund hat bereits am 19. August eine Haushalts-
sperre verhängt, um seine Finanzen in diesem schwieri-
gen Haushaltsjahr und nach der Flut unter Kontrolle zu
behalten.

Herr Austermann sagte am 11. September:
Die Steuereinnahmen aller öffentlichen Haushalte

– hört, hört! –
brechen aufgrund der äußerst schwachen Konjunktur
... dramatisch weg.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Dem hat Eichel widersprochen!)

Wann hat Herr Faltlhauser reagiert? – Er hat erst nach

der Steuerschätzung Mitte November eine Haushalts-
sperre verhängt, obwohl man in sechs Wochen nun wirk-
lich nicht mehr viel sparen kann. Jeder vernünftige Haus-
hälter weiß, dass dann die Chose gelaufen ist. Wann hat
Herr Weimar in Hessen seinen Nachtragshaushalt vorge-
legt? – Das war, nachdem die Steuerschätzung vorgelegen
hat. Alle haben angeblich nichts gewusst, obwohl die Lan-
desminister diejenigen sind, die dem Bundesfinanzmi-
nisterium die Entwicklung bei den Steuereinnahmen mel-
den müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das wird auf Sie zurückfallen. Das werden wir im Aus-
schuss diskutieren.

Einen letzten Satz zu dem Antrag, den Sie vorgelegt
haben – Sie haben sich eine Begründung dazu vorsichts-
halber erspart, damit wir verfassungsrechtliche Argu-
mente hier erst gar nicht erörtern können –: Die Annahme,
Verabredungen innerhalb der Bundesregierung gehörten
nicht zum Eigenbereich der Exekutive und dürften von ei-
nem Untersuchungsausschuss ausgeforscht werden, ist
völlig abwegig.

Meine Damen und Herren, wir scheuen diesen Unter-
suchungsausschuss in keiner Weise. Wir werden uns dem
stellen und werden die Wahrheit ans Licht bringen. Wir
werden Ihnen aber nicht ersparen, dass auch Ihre Leute,
die Landesfinanzminister und Ministerpräsidenten Ihrer
Partei, die Hosen herunterlassen müssen. Am Ende wer-
den wir Bilanz ziehen. Ich sage Ihnen: Sie werden bis aufs
Hemd nackt dastehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501409500

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Hans-Peter

Friedrich, CDU/CSU-Fraktion.

(Hermann Bachmaier [SPD]: Der ewige Stell vertreter!)



Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU):
Rede ID: ID1501409600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Der Kollege Altmaier hat gerade unseren Antrag
in aller Ruhe und in aller Sachlichkeit vorgetragen.


(Lachen und Zurufe bei der SPD)

– Das Gebrüll, das aus Ihren Reihen kommt, zeigt: Sie ha-
ben vor diesem Ausschuss verdammt viel Angst.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dass sich Herr Beck in der Diskussion um diesen Aus-
schuss an der Verwirrung der Begriffe beteiligt, habe ich
erwartet. Von Ihnen, Herr Wiefelspütz, habe ich das nicht
erwartet.

Ich will Ihnen klar machen, worum es bei diesem Un-
tersuchungsauftrag eigentlich geht.


(Hubertus Heil [SPD]: Um Wahlkampf für Herrn Koch!)


Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land wissen ganz
genau, wie sie Wahlkämpfe einzuschätzen haben. Sie wis-
sen, dass in Wahlkämpfen überzeichnet wird, dass oft
übertrieben wird und dass in der Hitze des Gefechts man-
ches etwas leichtfertig versprochen wird.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

Die Versprechen kann man dann glauben oder nicht. Der
Bürger verlässt sich dabei auf seinen politischen Spür-
sinn, auf seinen gesunden Menschenverstand und auf
Daten und Fakten, die ihm bekannt werden.


(Rudolf Bindig [SPD]: Deswegen wählt er Rot-Grün!)


Genau das ist der Punkt: Es geht bei diesem Untersu-
chungsausschuss nicht darum, Wahlversprechen zu unter-
suchen – diese sind Gegenstand der allgemeinen täglichen
Auseinandersetzung; die Quittung dafür gibt es bei der
nächsten Wahl –, sondern darum, ob die Tatsachen und die
Fakten, die der Bürger gebraucht hat, um sich ein politi-
sches Urteil fällen und um Sachverhalte richtig beurteilen
zu können, bewusst und gewollt gefälscht worden sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn der begründete Verdacht besteht – wenn Sie sich

mit den Bürgerinnen und Bürgern im Land unterhalten,
dann werden Sie merken, dass das der Fall ist –, dass Tat-
sachen und Fakten mit regierungsamtlicher Autorität
eines Bundesministers oder gar des Bundeskanzlers
falsch dargestellt worden sind, dann ist das sehr gravie-
rend und kann mit Wahlkampf weder entschuldigt noch
erklärt werden.


(Hubertus Heil [SPD]: Reden Sie von Helmut Kohl?)


Das Prinzip muss doch sein, dass sich der Bundestag
ebenso wie die Bevölkerung auf die Fakten verlassen kön-
nen müssen, die von der Bundesregierung dargelegt wer-
den.

Die Erscheinungsformen der demokratischen Aus-
einandersetzung haben sich im Laufe der Jahrzehnte sicher
ständig verändert. Wir haben in diesem Wahlkampf ge-


(A)



(B)



(C)



(D)


1070


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1071

spürt: Die Selbstdarstellung, die mediale Erscheinung
spielen eine immer zentralere Rolle. Fakten treten oft in den
Hintergrund. Daher ist es umso wichtiger, dass die relevan-
ten Fakten, die in der Diskussion noch eine Rolle spielen,
richtig sind, damit sich die Menschen auf diese Fakten ver-
lassen können. Sie müssen sich darauf verlassen können,
dass diese Fakten und Tatsachen nicht von Ministern, die
ein ganzes Ministerium mit Tausenden von Beamten hinter
sich haben, die die Bewertung vornehmen können und wo
alle Fäden zusammenlaufen, verfälscht werden.


(Hubertus Heil [SPD]: Schönen Gruß an Helmut Kohl!)


Wollen wir wirklich zulassen, dass für den Macht-
erhalt alles erlaubt ist, selbst das Regierungsamt zu miss-
brauchen und die Unwahrheit zu sagen? Ich meine, das
darf nicht sein. Deswegen ist dieser Untersuchungsaus-
schuss nicht überflüssig, lieber Herr Wiefelspütz, sondern
er ist notwendig und richtig.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir brauchen eine Grundsatzdebatte über die politi-
sche Kultur.


(Lachen bei der SPD)

Peter Altmaier hat dies in dieser Woche richtig gesagt. Wir
müssen uns die Frage stellen, ob die Maßstäbe, die wir an
Regierungsmitglieder anlegen, auch in der Zukunft noch
gelten sollen. Deswegen ist dieser Untersuchungsausschuss
nicht rückwärts gewandt, sondern nach vorne gerichtet. Er
muss klären: Wo sind die Grenzen für die Durchsetzung von
Machtinteressen? Wo sind die Grenzen für den Machterhalt
eines Bundeskanzlers und eines Bundesministers?


(Jörg Tauss [SPD]: Bei Kohl!)

Es muss eine solche Grenze geben; denn die Wahrheit darf
den Machtinteressen und der Machterhaltung nicht geop-
fert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Glos [CDU/CSU]: Sonst geht die Demokratie kaputt!)


Lieber Herr Eichel, dieser Untersuchungsausschuss ist
Teil der legitimen Kontrolle des Parlaments gegenüber
der Exekutive. Das ist Ausdruck der Gewaltenteilung.
Wenn Sie vorgestern in Ihrer Rede darüber gejammert ha-
ben, dass die kritischen Fragen, die die Opposition zu stel-
len hat, die politische Klasse insgesamt kaputtmachen
– Sie haben sogar von Weimarer Verhältnissen gespro-
chen –, dann gilt das gleiche Prinzip, das wir in den letz-
ten Wochen und Monaten schon immer festgestellt haben:
Wenn dieser Bundesregierung kritische Fragen gestellt
werden, dann wird das sofort als Majestätsbeleidigung
ausgelegt. Inzwischen weigern Sie sich sogar, kritische
Fragen von Sachverständigen und von Verbänden anzu-
nehmen, und beschimpfen sie.

Dieser Untersuchungsausschuss ist und bleibt legitim.
Wenn er als „Klamauk“, als „unanständig“ und von Herrn
Müntefering heute als „Instrument der Diffamierung“ be-
zeichnet wird,


(Hubertus Heil [SPD]: Das ist er auch!)


dann steckt hinter diesen Überreaktionen die pure Angst
und Ihr schlechtes Gewissen.


(Jörg Tauss [SPD]: Nein!)

Sie haben zu Recht ein schlechtes Gewissen; denn Sie ha-
ben sich seit der Auseinandersetzung um den blauen Brief
und das Theater, das Herr Eichel damals schon aufgeführt
hat, Stück für Stück in ein Lügengebäude verstrickt, das
es nun aufzuklären gilt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bedaure es außerordentlich, dass die Regierungs-

koalition jetzt mit irgendwelchen Geschäftsordnungs-
tricks versucht, den Ausschuss zu verzögern und aus-
zuhöhlen. Lesen Sie zu unseren rechtlichen
Möglichkeiten die Worte von Herrn Morlok, einem Ver-
fassungsrechtler, vom heutigen Tag nach. Er hat gesagt,
dass es keine rechtlichen Zweifel an diesem Ausschuss
gebe. Ich darf Sie daran erinnern, dass Herr Morlok im
letzten Untersuchungsausschuss von Ihnen immer wieder
als Sachverständiger benannt worden ist. Ich bin also ge-
spannt, welche Ausdrücke Herr Stiegler für Herrn Morlok
demnächst finden wird.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Coitus interruptus!)


Ich sage Ihnen: Wir werden – Sie können die Einset-
zung ruhig ein bisschen verzögern, wir werden die De-
batte notfalls öffentlich führen – diesen Untersuchungs-
ausschuss durchführen. Wir werden nicht zulassen, dass
Sie ihn verwässern.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501409700

Herr Kollege Friedrich, bitte denken Sie an Ihre Rede-

zeit.


Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU):
Rede ID: ID1501409800

Am Ende wird die Botschaft stehen: Regierungsmit-

glieder haben im Parlament und in der Öffentlichkeit die
Wahrheit zu sagen. Alles andere lässt sich weder die Öf-
fentlichkeit noch das Parlament bieten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das mal dem Herrn Koch!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501409900

Ich erteile das Wort der Kollegin Petra Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1501410000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie-

ber Kollege Altmaier, Sie haben meines Erachtens heute
die Chance vertan, sich nicht lächerlich zu machen und
diesen Antrag zurückzuziehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Petra Pau

Sie hätten heute Morgen noch einmal die Warnung des
großen Denkers Äsop in der Fabel vom Berg in Kindes-
nöten nachlesen sollen. Dann wäre Ihnen klar, dass man
mit zu vielen Pauken und Trompeten auch allzu viele Er-
wartungen weckt. Am Ende macht man sich schnell
lächerlich. Das könnte spätestens am Wahltag dem bishe-
rigen Ministerpräsidenten Koch geschehen. Er könnte
vielleicht bereuen, dass er die Äußerungen der Kollegen
Austermann, Uwe-Jens Rössel aus der damaligen PDS-
Fraktion oder auch die von Herrn Metzger aus dem Früh-
jahr und Sommer nicht ernst genommen und die Suche
nach politischen Konzepten auch darauf aufgebaut hat.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Einen solchen Untersuchungsausschuss im Parlament
brauchen wir wahrlich nicht.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Mit der Wahrheit hatten Sie es doch noch nie!)


Aber eines brauchen wir doch, nämlich die Suche nach
zukunftstauglichen Konzepten sowohl in den Parteien der
konservativen Opposition als auch in der Regierungskoali-
tion. Nehmen wir die Themen, die Sie untersuchen wollen:
den Bundeshaushalt, die Lage der Länder und Kommu-
nen und auf welche Art und Weise unser Gemeinwesen
tatsächlich noch finanziert werden kann. In den vergange-
nen zweieinhalb Tagen haben wir festgestellt, dass weder
die Oppositionsparteien noch die Regierungskoalition eine
Antwort darauf gefunden haben, wie wir den Kommunen
wieder genug Luft zum Atmen verschaffen können.

Auch die zweite Frage ist nicht ganz neu: die Zukunft
unserer Sozialsysteme. Nicht erst seit der Vorlage des
Haushaltes, des Hartz-Konzepts oder der Pläne der Ge-
sundheitsministerin wissen wir, dass unsere Sozialsys-
teme in eine Schieflage geraten sind. Worüber haben wir
im Wahlkampf eigentlich die ganze Zeit gestritten? Wir
haben darüber geredet – zumindest habe ich das für meine
Partei getan –, dass mit dem Einstieg in den Ausstieg
durch die Riester-Rente das System nicht auf feste Füße
gestellt werden kann. Auch mit Ihrer Teilkaskomentalität
in der Gesundheitsversorgung ist das nicht möglich,
meine Damen und Herren von der FDP. Sie haben aber
nicht den Mut gehabt, nach neuen Finanzierungsquellen
wie einer Wertschöpfungsabgabe zu suchen.

Es würde also lohnen, endlich in den Wettstreit um zu-
kunftsfähige Konzepte einzutreten, statt hier die Kämpfe
der Vergangenheit auszutragen. Dann kommen wir viel-
leicht schon zum nächsten Wahltag – in welchem Bun-
desland auch immer – dazu, dass sich die Bevölkerung
nicht sagt „Vor Wahlen und nach der Jagd wird am meis-
ten gelogen“, sondern dass sie uns nach unseren Konzep-
ten und Taten beurteilt.

Danke schön.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501410100

Das Wort hat nun der Kollege Hermann Bachmaier,

SPD-Fraktion.


Hermann Bachmaier (SPD):
Rede ID: ID1501410200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selten ist

ein Untersuchungsausschuss von Anfang an auf so viel
Kritik aus buchstäblich allen Parteien – auch aus Ihren ei-
genen Reihen, meine Damen und Herren von der CDU/
CSU – wie auch in der Presse und in der Bevölkerung ge-
stoßen wie dieser Ausschuss.


(Beifall bei der SPD)

Dieses unselige Vorhaben wird von einem allgemeinen
Kopfschütteln begleitet.

Wir können nur hoffen, dass diese Art der rückwärts
gewandten Selbstbeschäftigung des Parlaments ein ein-
maliger Vorgang bleiben wird. Ich hoffe dies, weil das,
was Sie vorhaben, abschreckend genug in die Zukunft hi-
nein wirken dürfte.


(Beifall bei der SPD – Michael Glos [CDU/ CSU]: Hoffentlich werden alle Lügner abgeschreckt!)


Ich zitiere nur eine von vielen kritischen Stimmen.
Der FDP-Landtagsabgeordnete aus meinem Wahlkreis
Schwäbisch Hall, der stellvertretende Ministerpräsident
des Landes Baden-Württemberg


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Ein prominentes Beispiel!)


und stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Dr. Walter
Döring, hat diesen Untersuchungsausschuss als „abenteu-
erlichen Schwachsinn“ bezeichnet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Vorhaben, so Döring, sei an Mut- und Einfallslosig-
keit wie auch an „Scheinheiligkeit“ nicht mehr zu über-
bieten. Das kommt auch aus den Reihen derer, die das
Vorhaben in Berlin offiziell unterstützen. Döring gibt den
dringenden Rat, sich mit inhaltlichen Positionen statt mit
derart unseligen Vorhaben zu profilieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dem ist nichts hinzuzufügen. Die Menschen wollen Ant-
worten auf die anstehenden Sachfragen und keine recht-
haberische Vergangenheitsbewältigung, wie Sie sie be-
treiben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Alle Zahlen, die den Bundeshaushalt oder die Finanz-
lage der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung
betreffen, waren den damit befassten Parlamentarierinnen
und Parlamentariern und den zuständigen Landesminis-
tern ebenso bekannt wie den jetzt ins Visier genommenen
Mitgliedern der Bundesregierung. Diese Zahlen sowie die
Einschätzung der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung
waren im Übrigen während des gesamten Bundestags-
wahlkampfes immer wieder Gegenstand von Erörte-
rungen.Zum Beispiel haben wir Sie mit allem Nachdruck
darauf hingewiesen, dass aufgrund der Haushaltsentwick-
lung Ihre Wahlkampfversprechen absolut unerfüllbar
sind. Das hat Sie aber nicht weiter gestört. Sie haben ge-
nau gewusst, dass Sie Ihre Versprechen nicht hätten hal-


(A)



(B)



(C)



(D)


1072


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1073

ten können. Davon wollen Sie jetzt ablenken. Das war ja
wohl auch der Grund dafür, weshalb Ihnen die Wählerin-
nen und Wähler am 22. September nicht abgenommen ha-
ben, dass Sie Ihre Versprechungen erfüllen werden. Des-
halb führen Sie heute dieses Vernebelungsmanöver durch.

Sie haben dennoch einen Anspruch darauf, auch
Dinge, die an und für sich Teil der ganz alltäglichen und
normalen parlamentarischen Auseinandersetzung sein
sollten, in einem Untersuchungsausschuss zu behandeln,
der mit den Mitteln der Strafprozessordnung die Wahrheit
zu ergründen sucht. Dieses Recht steht Ihnen nach dem
Grundgesetz zu. Wir wollen Sie deshalb nicht daran hin-
dern, den Untersuchungsausschuss ins Werk zu setzen,
der Ihnen – auch das prophezeie ich Ihnen – noch auf die
eigenen Füße fallen wird.

Unsere Aufgabe ist es allerdings – dabei bleiben wir
auch –, dafür zu sorgen, dass auch ein derartiger Untersu-
chungsausschuss verfassungsrechtlich korrekt zustande
kommt.


(Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Nennen Sie doch nur einen Grund aus unserem Antrag!)


Der Untersuchungsauftrag muss eine hinreichende Ba-
sis für die Untersuchungsarbeit darstellen. Auf seiner
Grundlage müssen auch hinreichend bestimmte Beweis-
anträge behandelt und beschlossen werden können. Das,
was Sie uns heute als Einsetzungsantrag vorlegen, lässt
zwar, wenn man viel Fantasie aufbringt,


(Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Die haben Sie ja nicht!)


erahnen, was Sie in diesem Untersuchungsausschuss alles
zu untersuchen gedenken. Von hinreichender Bestimmt-
heit des Untersuchungsgegenstandes kann allerdings
nicht die Rede sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Warum? Nennen Sie nur einen Grund!)


Ich habe mich über Ihren offensichtlich hastig zusam-
mengebastelten Antrag sehr gewundert. Er ist von einer
Pauschalität und einer Allgemeinheit, wie ihn das Parla-
ment wohl selten gesehen hat. Sie haben sich noch nicht
einmal Zeit für eine knappe Begründung Ihres Antrags ge-
nommen. Da Sie schon seit einigen Wochen wissen, dass
Roland Koch diesen Untersuchungsausschuss haben
will, habe ich von Ihnen erwartet, dass Sie sich auf den
Hosenboden setzen und wenigstens Ihre Hausaufgaben
machen. Das sind Sie Ihrem Wahlkämpfer Koch doch
schuldig. Sie haben aber nichts getan.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Natürlich haben Sie – ich wiederhole das – als qualifi-
zierte Minderheit das Recht, den Untersuchungsgegen-
stand, mit dem sich der Untersuchungsausschuss befassen
soll, festzulegen.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Lippenbekenntnisse! Dann sagen Sie doch Ja!)


Das haben Sie allerdings nicht getan. Ihr Antrag soll wohl
das gesamte, sich ständig entwickelnde Haushalts- und

Finanzgeschehen des Staates und der Sozialversiche-
rungssysteme von Januar bis September 2002 auf den
Prüfstand stellen und an der gesamtwirtschaftlichen Ent-
wicklung messen. An dieser Messlatte wollen Sie dann als
Oberzensor der Nation prüfen, wer wann in welchem Sta-
dium der Wahrheit am nächsten kam. Uferloser, umfäng-
licher und unpräziser geht es wohl nicht. Viel Vergnügen
auf dieser Reise!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich halte das, was Sie uns vorgesetzt haben, hand-
werklich für eine ganz miserable Arbeit und verfassungs-
rechtlich für eine Zumutung. Sie selbst haben in Ihrer Re-
gierungszeit immer akribisch darauf geachtet, dass unsere
damaligen Untersuchungsaufträge rechtsstaatlich hinrei-
chend bestimmt waren. In einem Fall – unser damaliger
Antrag war wesentlich konkreter formuliert als Ihr heuti-
ger – haben Sie sogar ein teures Gutachten bei dem ehe-
maligen Bundesverfassungsrichter und späteren Direktor
des Max-Planck-Instituts für öffentliches Recht in Hei-
delberg, Professor Helmut Steinberger, einer wahrlich
prominenten Größe, in Auftrag gegeben. In dem lesens-
werten Gutachten von Professor Steinberger ist ausge-
führt, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen zum
Beispiel an die Bestimmtheit eines Antrags auf Einset-
zung eines Untersuchungsausschusses zu stellen sind. An
diesen Maßstäben muss sich auch Ihr heutiger Antrag
messen lassen; denn dieses Gutachten hatten Sie damals
eingeholt.

Wir fordern Sie ausdrücklich auf, konstruktiv an einer
konkreteren Fassung Ihres Antrags mitzuwirken; denn
wir werden peinlich darauf achten, dass der Untersu-
chungsausschuss eine einwandfreie und hinreichend be-
stimmte Grundlage erhält. Nur dann kann im Übrigen
Ihren Vorwürfen zügig nachgegangen werden und nur
dann wird uns ein jahrelang buchstäblich dahindüm-
pelnder Ausschuss erspart bleiben.

Zuletzt möchte ich den ständig wiederholten Vorwurf
aufgreifen, wir wollten die Einsetzung des Untersu-
chungsausschusses und seine Arbeit verzögern bzw. be-
hindern. Ich weise solche Anschuldigungen in Namen der
SPD-Fraktion mit allem Nachdruck zurück.


(Beifall bei der SPD)

Angesichts der Fakten finde ich diesen Vorwurf wahr-

lich unverfroren. Seit Wochen reden und reden Sie von
diesem Ausschuss und sagen, wie wichtig er ist und wel-
che Zeugen zuerst und wann gehört werden sollen. Aber
außer Reden passierte nichts. Den Einsetzungsantrag ken-
nen wir seit gerade einmal zwei Tagen. Uns vor diesem
Hintergrund Verzögerungstaktik vorzuwerfen ist schon
ein dreistes Stück, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ronald Pofalla [CDU/CSU]: In 20 Sekunden kann man den lesen!)


Es ist nicht nur unser Recht, sondern auch unsere Pflicht,
diesen Antrag zu prüfen, auf seine Verfassungsverträg-
lichkeit hin abzuklopfen und darauf hinzuwirken, dass er
diesen Anforderungen entspricht. Nach dem Prinzip, das
Sie hier zum Maßstab erheben wollen, nämlich „Vogel

Hermann Bachmaier

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Hermann Bachmaier
friss oder stirb“, müssen, dürfen und werden wir nicht ver-
fahren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501410300

Der letzte Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Dr. Jürgen Gehb von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1501410400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

Bachmeier, es ist bezeichnend, dass Sie schneller die Ver-
fassungswidrigkeit eines Antrages erkennen, als den
ganzen Antrag lesen können.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Hermann Bachmaier [SPD]: „Prüfen“ habe ich gesagt!)


Meine Damen und Herren, ich sehe ja ein, dass in der
Bundesregierung und in der Koalition kein Jubel darüber
ausbricht, dass wir einen solchen Antrag einbringen. Sie
können aber nicht von uns erwarten, dass es die Opposi-
tion unterlässt, auch in einem formalisierten Verfahren
Fehler festzustellen, um so die Situation von Rot-Grün in
irgendeiner Weise zu verbessern. Ich sehe auch ein, dass
der Fraktionsvorsitzende der SPD und viele andere Mit-
glieder der SPD-Fraktion weder den Antrag noch Art. 44
des Grundgesetzes noch das Gesetz noch die dazu ergan-
gene Fachliteratur gelesen haben.


(Zuruf von der SPD: So lang ist der Antrag auch nicht!)


Das alles wundert mich nicht, vor allem deshalb, weil Sie
dann noch Sachen sagen, in Bezug auf die der Bundes-
kanzler in einem anderen Zusammenhang von Kakopho-
nie spricht.


(Zurufe von der SPD)

Mich wundert aber, dass sich, wie man so schön sagt, der
Papst auf dem Gebiet des Untersuchungsrechts, Herr
Wiefelspütz, der sehr seriöse und sachkundige Aufsätze
geschrieben hat – sie sind jedenfalls unter seinem Namen
erschienen –, ich nehme auch an, Sie haben sie geschrie-
ben –, als Politiker einen Hut aufsetzt, mit dem er sich als
Fachautor schämen müsste.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Wiefelspütz, ich möchte Sie einmal mit einem Zi-

tat aus Ihrem Aufsatz „Die qualifizierte Minderheit im Un-
tersuchungsausschuss“ konfrontieren, der im August-Heft
der „Neuen Justiz“ auf der Seite 398 – die einschlägige
Passage finden Sie auf Seite 399 – veröffentlicht wurde.
Dort heißt es:

Die parlamentarische Untersuchung ist nämlich eine
genuin politische und damit auch parteiische Veran-
staltung, in deren Mittelpunkt die politisch-parlamen-
tarische Auseinandersetzung, der politische Kampf

steht, was von einer idealisierenden, parlamentsfer-
nen Betrachtungsweise häufig verkannt wurde und
wird.

Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen. Wenn Sie nun
allerdings, Herr Wiefelspütz – das wundert mich ganz be-
sonders – pausenlos den Eindruck zu erwecken versu-
chen, hier solle die Gültigkeit oder Legitimität einer Wahl
untersucht werden, dann zeigen Sie mir eine einzige
Stelle, nach der expressis verbis über die Gültigkeit der
Wahl befunden werden soll.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501410500

Herr Kollege Gehb, gestatten Sie ein Zwischenfrage

des Kollegen Wiefelspütz?


Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1501410600

Auf jeden Fall.

(Hubertus Heil [SPD]: Das hat man davon, wenn man sich mit dem Papst anlegt! – Das Mikrofon schaltet sich nicht sofort ein!)


– Herr Wiefelspütz, nicht so nervös. Das rote Licht geht
gleich an. Dann können Sie in aller Ruhe und ohne zitt-
rige Finger Ihre Frage stellen.


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1501410700

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Fürsorge, geschätzter

Kollege Gehb. – Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Frage!)


dass bei allem, was wir tun, die Verfassung einzuhalten
ist. Bei jeder Auseinandersetzung im Parlament müssen
wir das Grundgesetz einhalten.


(Zuruf von der CDU/CSU: Immer!)

Sind Sie ernsthaft nicht der Auffassung, dass wir in einem
solchen Untersuchungsausschuss in allen Phasen des Par-
lamentarismus, nämlich von Politik bis Streit und Bewer-
tung auf jeden Fall das Grundgesetz einzuhalten haben?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1501410800

Herr Wiefelspütz, wenn ich die im Abschlussbericht des

1. Untersuchungsausschusses auf Drucksache 14/9300
wiedergegebenen Texte der früheren Untersuchungsaus-
schüsse – dort heißt es zum Beispiel, der Untersuchungs-
ausschuss solle prüfen und klären, ob Parteispenden und
sonstige Zahlungen an Parteien, Untergliederungen oder
deren Beauftragte gegangen sind –,


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Reden Sie nicht herum, antworten Sie!)


mit dem heutigen Antrag vergleiche, dann kann ich fest-
stellen, dass unser Wortlaut, der besagt, dass geklärt wer-
den soll, ob Regierungsmitglieder mit ihrer Autorität un-
vollständig oder falsch informiert haben, geradezu ein
Musterbeispiel an Bestimmtheit ist. Das können Sie


(A)



(B)



(C)



(D)


1074


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1075

demnächst in der Fußnote 17 eines weiteren Aufsatzes zi-
tieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Wiefelspütz, in diesem Zusammenhang haben Sie

sogar davon geredet, dass Schindluder mit der Verfassung
getrieben werde. Mir ist nur eine historische Situation be-
kannt, in der mit der Verfassung Schindluder getrieben
wurde: als Rot-Grün versuchte, ein von ihr majorisiertes
Wahlprüfungsgericht, flankiert durch einen Untersu-
chungsausschuss, dahin gehend zu instrumentalisieren,
nach Jahren darüber zu entscheiden, ob eine Landtags-
wahl gültig war oder nicht.


(Hubertus Heil [SPD]: Da sind wir wieder bei Hessen!)


– Ja, bei Hessen; das haben Sie messerscharf erkannt. Sie
sind mir durch Ihre Zwischenrufe ohnehin als besonders
pfiffiges Kerlchen aufgefallen. Wie heißen Sie eigentlich?


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)


Dieser Versuch, die hessische Wahl über ein Wahl-
prüfungsgericht zu kippen, in dem drei Vertreter von
Rot-Grün und zwei von CDU und FDP saßen, ist vor dem
Bundesverfassungsgericht kläglich gescheitert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In der Folge musste das Wahlprüfungsgericht in Hessen
das Verfahren kleinlaut einstellen.

Meine Damen und Herren, sämtliche Versuche, unse-
ren Antrag im Lichte des Verfassungsrechts besonders ab-
zuklopfen, dienen lediglich dazu, dieses Verfahren zu ver-
zögern. Das ist eindeutig.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Die haben Angst! – Hermann Bachmaier [SPD]: Davor habt ihr gewaltig Angst!)


Ich verstehe dies gar nicht, da Sie auf der anderen Seite
sagen, Sie sähen dem Untersuchungsausschuss mit Ge-
lassenheit entgegen, und der Bundesfinanzminister, mein
hessischer Kollege aus Kassel, sich sogar auf diesen Aus-
schuss freut. Nun machen Sie ihm doch die Freude! Wenn
sich jemand auf etwas freut, sollte man ihm die Freude
doch nicht lange vorenthalten.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Alles in allem ist es bezeichnend, wenn man die Ein-
berufung eines verfassungsrechtlich verbürgten Aus-
schusses als Angriff auf die Kultur unserer Demokratie
ansieht,


(Peter Dreßen [SPD]: Es kommt auf den Inhalt an!)


wie es eine bekannte Dame, die Parteivorsitzende und zu-
gleich Mitglied des Bundestages ist, immer wieder sagt.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sie können auch Kollegen der CDU nennen!)


– Diese CDU-Kollegen sind allerdings nicht in dieser
Rolle.

Sie alle wollen – das ist auch für die Öffentlichkeit er-
kennbar – das Instrument der Überweisung in den Ge-
schäftsordnungsausschuss gröblich missbrauchen. Das
wird die Öffentlichkeit wahrlich nicht goutieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501410900

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstim-

mung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 15/125, Einsetzung eines Untersuchungsaus-
schusses. Die Fraktion der CDU/CSU wünscht Abstim-
mung in der Sache, die Fraktionen von SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen beantragen Überweisung an den
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts-
ordnung. Nach ständiger Übung hat der Antrag auf Aus-
schussüberweisung Vorrang. Folglich lasse ich über die-
sen Antrag zuerst abstimmen.

Wer dem Antrag auf Überweisung zustimmt, den bitte
ich um das Handzeichen. – Wer stimmt gegen diesen An-
trag? – Wer enthält sich der Stimme? – Der Antrag auf
Überweisung ist mit den Stimmen der Fraktionen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
Fraktionen von CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der
fraktionslosen Mitglieder des Hauses angenommen wor-
den. Folglich stimmen wir über den Antrag auf Drucksa-
che 15/125 heute nicht ab.

Bevor ich den nächsten Geschäftsbereich im Rahmen
der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages aufrufe,
möchte ich diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die die-
ser Debatte nicht folgen können oder wollen, bitten, den
Plenarsaal möglichst zügig zu verlassen, damit wir für die
folgenden Redner die nötige Aufmerksamkeit sicherstel-
len können.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Außer-
dem rufe ich den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
von Fristen und Bezeichnungen im Neunten
Buch Sozialgesetzbuch und zur Änderung an-
derer Gesetze
– Drucksache 15/124 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

Als erster Rednerin erteile ich der Bundesministerin
Frau Schmidt das Wort.

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Las-
sen Sie mich vorab zwei Dinge klarstellen:

Erstens. Die deutsche Rentenversicherung steht nicht
vor dem Kollaps, auch wenn eine große Boulevardzeitung
das heute behauptet hat. Diese Behauptung ist unwahr;

Dr. Jürgen Gehb

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Bundesministerin Ulla Schmidt
diese Aussagen sind unverantwortlich. Sie haben nur ein
einziges Ziel: Ängste zu erzeugen und Menschen zu ver-
unsichern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Diese Aussage wurde aber unter Berufung auf den Bundesrechnungshof gemacht, Frau Ministerin!)


– Auch der Bundesrechnungshof hat das so nicht gesagt.
Die Rentenversicherung macht im Moment wie alle

anderen Sozialversicherungen konjunkturbedingt eine
schwierige Zeit durch. Die Einnahmen sinken und die
Ausgaben müssen ungeachtet dessen geleistet werden.
Unsere derzeitigen Schwierigkeiten sind aber beherrsch-
bar. Wir haben zu diesem Zweck in diesem Parlament ein
Beitragssatzsicherungsgesetz beschlossen. Wenn dieses
Vorhaben Gesetz ist, wird die finanzielle Situation der
Rentenversicherung auch in den kommenden Jahren gesi-
chert sein. Kein Rentner und keine Rentnerin muss sich
Sorgen machen; das deutsche Rentenversicherungs-
system ist sicher. Durch die notwendigen Anpassungen,
durch die notwendigen Reformen – Reformen sind immer
nötig – werden wir dafür sorgen, dass dies so bleibt und
dass die Auszahlung der Rente für alle gesichert ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD –Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ihr Generalsekretär sagt Nein! Was gilt denn jetzt?)


Wir haben mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz –Anhe-
bung der Rentenbeiträge auf 19,5 Prozent und Verände-
rung der Schwankungsreserve – einen Finanzpfad aufge-
zeigt.

Der Haushalt, den wir heute beraten, sieht vor, dass
rund 77 Milliarden Euro in die Rentenversicherung
fließen. Dem liegt nicht der Gedanke zugrunde, dass die
Rentenauszahlungen nicht sicher sind; die Regierungsko-
alition hat vielmehr bewusst die Entscheidung getroffen,
die gesamtgesellschaftlich zu leistenden Aufgaben über
Steuermittel zu finanzieren, deren Finanzierung also
nicht den Beitragszahlern und Beitragszahlerinnen zu
überlassen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das, was wir über Steuermittel finanzieren, ist für uns

gesellschaftspolitisch wichtig. Durch die Finanzierung
über Steuermittel bringen wir zum Ausdruck, dass wir die
Lebensleistung von Frauen und Männern anerkennen.
Das gilt insbesondere für die Lebensleistung derjenigen,
die jahrelang erwerbstätig waren, aber immer nur wenig
verdient haben. Wir sichern diesen Menschen zumindest
eine Mindestrente.

Wir erkennen an, dass eine Person – vor allen Dingen
Frauen – in der Zeit, in der sie Erziehungsaufgaben nach-
gekommen ist, nicht erwerbstätig sein konnte. Wir haben
die Grundlage dafür gelegt, dass die Erziehung eines
Kindes im Hinblick auf die Höhe der Rente genauso be-
wertet wird, als hätte der- oder diejenige in diesem Zeit-
raum einen Durchschnittsverdienst erhalten. Das ist eine
große Leistung, der im Rahmen der Rentenversicherung
Rechnung getragen wird.


(Beifall bei der SPD)


Damit sorgen wir auch dafür, dass Frauen im Alter nicht
von Altersarmut bedroht sind.


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Aber Ihre Leistung war das nicht!)


Darauf können wir alle gemeinsam stolz sein, weil die-
ser Weg immer gemeinsamer Konsens war. Ich bin stolz
darauf, dass wir in unserem Haushalt dafür Mittel haben.
Das macht deutlich, dass dieser Bereich dem Staat etwas
wert ist. Wir werden dafür sorgen, dass dies auch in Zu-
kunft der Fall ist.


(Beifall bei der SPD)

Zweitens. In derselben Ausgabe der „Bild“-Zeitung

wird mein Kollege Herr Seehofer mit den Worten zitiert,
dass auch die gesetzliche Krankenversicherung ein
Riesenloch aufweisen werde. Ich habe schon in der letz-
ten Woche gesagt, dass wir aufgrund der konjunkturellen
Schwierigkeiten und der wegbrechenden Einnahmen


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Und Ihrer Verschiebebahnhöfe!)


– über Verschiebebahnhöfe, Herr Zöller; könnten wir uns,
wenn ich mehr Zeit hätte, gerne unterhalten;


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ja!)

zwei Drittel aller Verschiebebahnhöfe fallen in Ihre Ver-
antwortung –


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Aber da hatten wir noch Überschuss!)


und trotz hoher Tarifsteigerungen in den ersten drei Quar-
talen dieses Jahres ein Defizit von 3,2 Milliarden Euro
hatten. Es ist davon auszugehen, dass wir bis Ende des
Jahres,


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das habe ich schon vor einem halben Jahr gehört!)


wenn die Einnahmesituation so bleibt, wie sie ist, von ei-
nem Defizit von bis zu 2,5 Milliarden Euro ausgehen
müssen.


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Letzte Woche haben Sie noch die Hälfte behauptet!)


– Nein, ich habe gesagt, dass wir auf der Grundlage der
Meldungen der Krankenkassen – Sie wissen ganz genau,
dass erst circa 75 Prozent der Kassen gemeldet hatten –
hochgerechnet haben und auf ein Defizit von knapp 3Mil-
liarden Euro gekommen sind. Jetzt liegen die Daten zu
100 Prozent vor. Für die ersten drei Quartale beträgt das
Defizit 3,2 Milliarden Euro. Ende des Jahres werden wir
ein Defizit von gut 2 Milliarden Euro haben. Auch nach
den Berechnungen des Schätzerkreises kann sich das De-
fizit zwischen 2 Milliarden Euro und 2,5 Milliarden Euro
bewegen. Es kommt darauf an, wie es mit dem 13. Mo-
natsgehalt aussieht


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Schlecht!)

– schlecht, natürlich, das wissen wir alle –,


(Lachen bei der CDU/CSU)



(A)



(B)



(C)



(D)


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(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1077

und wie von der Möglichkeit der Entgeltumwandlung
Gebrauch gemacht wird.

Das Defizit, das wir haben, ist auch der Ausgabenseite
und nicht nur der Einnahmeseite geschuldet. Denn
während man im Juni und im September noch von einer
Ausgabensteigerung um 2,8 Prozent ausging, haben wir
jetzt eine Steigerung um 3,3 Prozent zu erwarten. Die
Ausgaben der Ersatzkassen für die Krankenhäuser zum
Beispiel sind überdurchschnittlich hoch. Auch die Ver-
waltungsausgaben sind sehr hoch.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Woher kommt das denn?)


Außerdem haben wir noch immer hohe Ausgaben im Arz-
neimittelbereich, weil es der Selbstverwaltung nicht ge-
lungen ist, das zu erreichen, was sie zu Beginn des Jahres
vertraglich vereinbart hat, nämlich einen Rückgang der
Arzneimittelausgaben um 4,9 Prozent.

Grund dafür ist auch etwas, was wir alle wollten und
auf den Weg gebracht haben, nämlich die Umsetzung des
Wohnortprinzips zur Angleichung der Honorare der Ärzte
und Ärztinnen in den neuen Bundesländern. Die Honorare
sind um 5,7 Prozent angestiegen. Die Betriebskranken-
kassen werden dadurch mit über 23 Prozent belastet, weil
wir durchsetzen, dass sie dort bezahlen, wo die Menschen
ihre Leistungen erhalten, und das Geld nicht in den Wes-
ten geben.

Das sind die Gründe. Wir haben Maßnahmen auf den
Weg gebracht, um das Defizit abzubauen. Wir haben ge-
plant, im kommenden Jahr an der Ausgabenseite anzuset-
zen und dafür zu sorgen, dass die, die Leistungen erbrin-
gen, mit dazu beitragen, dass wir stabile Beiträge
erreichen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vollständigkeitshalber sage ich, weil Sie eben über das

Defizit gelacht haben

(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Gelacht?)


– oder es Sie in Erregung versetzte –:

(Michael Glos [CDU/CSU]: Weder das eine noch das andere!)

Das Defizit der GKV betrug 1991 1,5 Milliarden Euro,
1992 4,8 Milliarden Euro, 1995 3,8 Milliarden Euro und
1996 fast 3,6 Milliarden Euro. Wir haben auch in 2000
und im letzten Jahr ein Defizitgehabt und auch in diesem
Jahr werden wir ein Defizit haben.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Hören Sie, 1997, 1998 und 1999 hatten wir einen Überschuss!)


– Nein, 1998 und 1999 gab es kein Defizit.

(Horst Seehofer [CDU/CSU]: 1993, 1994, 1995!)

Dies ist alles beherrschbar. Wir haben einen anderen

Weg gewählt als Sie.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie tricksen genauso wie der Eichel!)


– Sie hatten 1998 kein Defizit, weil Sie den Patientinnen
und Patienten in die Tasche gegriffen haben, weil Sie
Leistungen ausgegrenzt haben. Wir gehen einen anderen
Weg.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie werden einen Unterschied zwischen Ihrer und un-
serer Politik sehen: Sozialverbände, Patientenorganisatio-
nen, Verbraucherschutzverbände, alle sagen,


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Katastrophe!)

dass das vorgelegte Maßnahmenpaket, das vorgelegt
wird, in Ordnung ist. Es ist eine Wende.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Was ist mit 2002? Sie sind ja realitätsfremd!)


Es ist eine Wende, weil erstmals nicht bei den Kranken ge-
spart wird,


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: O Gott! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die haben noch nie so viel Leistungen vorenthalten bekommen wie unter Ihrer Regierung!)


sondern weil von denen ein Sparbeitrag eingefordert wird,
die besonders verdient haben, von der Pharmaindustrie
und von anderen Leistungserbringern und -erbringerin-
nen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb sage ich Ihnen: Es wäre sehr gut, wenn Sie
diesen Weg mitgehen würden,


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Nein!)

damit wir gemeinsam mit der Strukturreform in der ge-
setzlichen Krankenversicherung beginnen können, die im
nächsten Jahr ansteht,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie wollen eine Staatsmedizin! Das ist nicht gemeinsam mit uns zu machen!)


eine Reform mit den Schwerpunkten mehr Wettbewerb,
Qualität, Patientenorientierung, Verbraucherschutz und
mehr Prävention, die ja zu Ihrer Zeit völlig aus dem
Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung
gestrichen wurde.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das stimmt auch nicht! Sie haben noch nicht einmal § 20 gelesen!)


Auf diesem Weg können wir unsere sozialen Sicherungs-
systeme fit machen für die Zukunft. Das gilt nicht nur in
Bezug auf die Krankenversicherung.

Man kann ja darüber lachen, Herr Seehofer. Ich finde,
dass wir auf sehr guten Fundamenten aufbauen.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Sie sind die größte Murkserin, die wir jemals hatten!)


In den letzten zehn Jahren sind über die Sozialver-
sicherungen fast 490 Milliarden DM von West nach Ost

Bundesministerin Ulla Schmidt

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Bundesministerin Ulla Schmidt
transferiert worden, um zu einer Angleichung der Le-
bensverhältnisse zu kommen. Aber es wäre auch eine
Entscheidung möglich gewesen, die die Sozialversiche-
rungskassen entlastet hätte. Wenn man in den 90er-Jahren
den Mut gehabt hätte, dies über Steuern zu finanzieren,
wären alle daran beteiligt worden und nicht allein die Bei-
tragszahler und Beitragszahlerinnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätte es keine Wiedervereinigung gegeben!)


Ich sage das hier, weil es ein Ausdruck für die Leistungs-
stärke unserer Sozialversicherungssysteme ist.

Unabhängig davon muss jeder von uns – unabhängig
davon, wer regiert – immer die veränderten gesellschaft-
lichen Bedingungen, die Veränderungen der Arbeitsver-
hältnisse und die Veränderungen der Einnahmesituation
berücksichtigen. Die sozialen Sicherungssysteme haben
über 50 Jahre zum sozialen Frieden in diesem Land bei-
getragen. Sie haben dafür gesorgt, dass jede Familie mit
ihrem Kind zu einem Arzt gehen konnte und dass nir-
gendwo eine Behandlung aufgrund der Einkommenssi-
tuation einer Familie verweigert wurde. Sie haben dazu
geführt, dass Menschen im Alter von ihrem Einkommen
leben können. Wir müssen diese sozialen Sicherungssys-
teme dadurch fit machen, dass wir sie den Organisations-
formen, in den Strukturen und auch in der Finanzierung
immer wieder an die neuen gesellschaftlichen Verhält-
nisse anpassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben im Gegensatz zu Ihnen zur Rente in der letz-
ten Legislaturperiode einen Entschluss gefasst, weil wir
erkannt haben, dass die umlagefinanzierte Rente als allei-
nige Lebensstandardsicherung im Alter für die jüngere
Generation nicht mehr ausreicht; deshalb bauen wir eine
zusätzliche kapitalgestützte Säule auf. Wir haben
dafür gesorgt, dass auch Menschen mit geringem Ein-
kommen ermöglicht wird, diese Säule aufzubauen. In der
Endstufe steht hierfür ein Fördervolumen von über
12 Milliarden Euro zur Verfügung. Darauf sind wir stolz,
meine lieben Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben zweitens dafür gesorgt, dass mit der Ein-

führung dieser Riester-Rentemittlerweile 18,8Millionen
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen über Tarifverträge
die Möglichkeit haben, Pensionskassen und Pensions-
fonds beizutreten.

Wir haben ein Drittes getan: Wir haben dafür gesorgt,
dass sich mit der Änderung der Anpassungsformel eine
geringere Belastung für die jüngere Generation durch eine
verringerte Erhöhung der Rente für die ältere Generation
ergibt. Dies führt zu mehr Generationengerechtigkeit.
Dies sind notwendige Reformen, die unsere sozialen Si-
cherungssysteme den neuen Herausforderungen anpassen
und sie fit für die Zukunft machen. Darauf bin ich stolz.


(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich kurz zitieren, was letztens im Bayern 2

Radio gesendet wurde. Dies hat mir so gut gefallen, dass

ich es gern meinen Freunden aus der bayerischen CSU
vorlesen möchte – ich zitiere –:


(Lachen bei der CDU/CSU – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Diese Aussage kann gegen uns verwendet werden! – Klaus Kirschner [SPD]: Bayerische Freunde, das tut euch weh!)

Es gibt da ein Land – es heißt Deutschland – und in
dem geht es ziemlich schrecklich zu.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Unglaublich!)


Ein fürchterlicher Staat greift mit Krakenarmen nach
den unschuldigen Bürgern und saugt die letzten
Steuergroschen aus ihnen heraus. Für Kranken- und
Rentenversicherung müssen die Menschen Haus und
Hof verkaufen. „Wir schuften nur noch für den
Staat“, teilen uns die Schlagzeilenmacher mit und er-
klären im Übrigen, dass es furchtbar enden wird.
Aber da gibt es noch ein zweites Land. Es heißt
Deutschland. Und in diesem Land gibt es einen Le-
bensstandard, um den uns fast die ganze Welt benei-
det.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Noch!)

Ärztliche Versorgung und Renten sind auf hohem
Niveau, die Straßen sind so breit wie sonst nirgends
und die Menschen kaufen in Läden ein, in denen es
47 verschiedene Tiefkühlpizzen gibt...

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Läden sind bald leer!)

Und wenn der Bund der Steuerzahler noch so oft vor-
rechnet, dass wir das halbe Jahr für „den Staat“ ar-
beiten würden, dann kann ich nur erwidern: Meine
Frau und ich empfanden es stets als ein hohes Maß
an Lebensqualität, dass wir für unsere Kinder einen
Arzt rufen konnten, wann immer es notwendig war,
und dass dieser Staat außerdem Schulen betreibt,
Feuerwehrautos und Theater, Sozialstationen, Poli-
zei, Sportplätze und vieles mehr.

(Zuruf von der SPD: Bayerischer Rundfunk!)


Weil dieses mein und unser Deutschland ist, sage ich,
liebe Kolleginnen und Kollegen: Lassen Sie uns wieder
alles vom Kopf auf die Füße stellen!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir dieses
Deutschland so, wie es hier beschrieben ist, weiterent-
wickeln und das, was unseren Staat in den letzten 50 Jah-
ren ausgezeichnet hat – soziale Sicherung für unsere Bür-
ger und Bürgerinnen –, mit den notwendigen Reformen
zukunftsfest machen. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass
dies erhalten bleibt! Ich lade Sie gerne dazu ein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501411000

Ich erteile dem Kollegen Horst Seehofer, CDU/CSU-

Fraktion, das Wort.


(A)



(B)



(C)



(D)


1078


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1079


(Peter Dreßen [SPD]: Keine Feuerwehrautos! Keine soziale Sicherung! Nichts!)



Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1501411100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben

schon viele Zumutungen seitens der Gesundheitsministe-
rin erfahren, aber dieses infantile Märchen am Schluss ih-
rer Rede von breiten Straßen, von Pizzen und Feuerwehr-
autos war schon ein vorläufiger Tiefpunkt, den wir in
diesem Jahr im Parlament erlebt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn man selbst nichts zu sagen hat, muss man zitieren! – Fritz Schösser [SPD]: Das war der Bayerische Rundfunk! – Klaus Kirschner [SPD]: Staatsfunk!)


Ich möchte mich auf drei Bemerkungen konzentrieren.
Erstens. Frau Schmidt, wir werfen Ihnen vor, dass die
Menschen in Deutschland den höchsten Beitrag in der Ge-
schichte der gesetzlichen Krankenversicherung zahlen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!)

Die Beitragserhöhungen haben zum 1. Januar dieses Jah-
res gegriffen. Trotz unzähliger staatlicher Eingriffe durch
Sie in die gesetzliche Krankenversicherung verzeichnen
die Krankenkassen jetzt wieder ein Rekorddefizit. Dies
ist der erste Vorwurf, den man Ihnen machen muss. Sie
sind also mit Ihren politischen Instrumenten gescheitert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Zweitens. Wir haben hier am 12. September 2002 dis-

kutiert und wir, die CDU/CSU und auch die FDP, haben
Ihnen auf Punkt und Komma die weitere finanzielle Ent-
wicklung in diesem Jahr vorhergesagt. Dies haben Sie da-
mals mir gegenüber als Panikmache eingeordnet.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ist es!)

Ich habe damals den Satz gesagt: Das, was die Ge-

sundheitsministerin hier vertritt, ist nicht eine Fehlein-
schätzung, sondern eine Falschaussage. Der Unterschied
besteht darin, dass Sie es anders wussten, es in der Öf-
fentlichkeit aber trotzdem anders dargestellt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich hätte heute eigentlich erwartet, dass Sie dem Parla-

ment und der Öffentlichkeit zumindest erklären, was sich
innerhalb von wenigen Wochen so fundamental verändert
hat, dass von Ihrer Prognose „Wir werden in diesem Jahr
einen ausgeglichenen Haushalt und stabile Beiträge vor-
weisen“ nichts mehr übrig geblieben ist.


(Peter Dreßen [SPD]: Das haben Sie doch gehört! Die wirtschaftliche Entwicklung!)


Frau Schmidt, Sie haben die deutsche Bevölkerung ange-
logen. Das muss man immer und immer wieder sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wie ist denn die tatsächliche Lage der deutschen

Sozialversicherung?Wir werden zum Jahreswechsel ei-
nen Gesamtsozialversicherungsbeitrag, aufzubringen durch
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in Höhe von etwa 42 Pro-

zent erreicht haben. Das ist etwa der Beitragssatz, den wir
vor vier Jahren in der Bundesrepublik Deutschland hatten.


(Peter Dreßen [SPD]: Es waren 42,6 Prozent unter Ihrer Regierung!)


Ich sage Ihnen aber jetzt, was sich in diesen vier Jahren
für die Menschen verändert hat: 17 Milliarden Euro durch
die Ökosteuer, 3 Milliarden Euro aufgrund der Sozialversi-
cherungspflicht für Minijobs – das sind die 325-Euro-Jobs,
die es vorher nicht gab –, 1,5 Milliarden Euro durch die An-
hebung der Beitragsbemessungsgrenze. Diese drei Maß-
nahmen zusammen bewirken eine zusätzliche Belastung
für die Bevölkerung in Höhe von 21,5 Milliarden Euro.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ist es!)

Daneben nehmen Sie aus der Rücklage der Rentenver-

sicherung – das haben Sie schon in der Vergangenheit ge-
tan, jetzt machen Sie es wieder mit dem Beitrags-
sicherungsgesetz – 5 Milliarden Euro, um weitere Bei-
tragserhöhungen zu vermeiden. Dieses Geld muss irgend-
wann einmal an die Rentenversicherung zurückgeführt
werden.

Das heißt, Sie haben mit 21,5 Milliarden Euro die Men-
schen abgezockt. Zusätzlich haben Sie die Reserve der
Rentenversicherung in Höhe von 5 Milliarden Euro in An-
spruch genommen. Insgesamt ergeben sich 26,5 Milliar-
den Euro oder – in alter Währung – rund 53 Milliarden
DM zusätzlich für die Sozialversicherung, ohne dass es an
irgendeiner Stelle eine Entlastung für die Bevölkerung ge-
geben hätte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Menschen erleben jetzt, dass trotz dieser zusätzli-

chen finanziellen Belastungen in den letzten vier Jahren
die Rentenleistungen gesunken sind und die gesundheitli-
che Versorgung der Bevölkerung schlechter geworden ist.


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)


Trotz einer noch nie dagewesenen zusätzlichen finanziel-
len Belastung für die Menschen in diesem Lande haben
wir gleichwohl eine Verschlechterung bei den Renten und
in der Gesundheitsversorgung in der Bundesrepublik
Deutschland. Zwei negative Rekorde zu erreichen hat
bisher noch kein Sozial- und Gesundheitsminister ge-
schafft, nur Ulla Schmidt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Sehen Sie sich Ihre eigene Statistik an!)


Das ist die wahre Lage in der Sozialversicherung.
Die Sozialversicherung – wir haben das schon vor über

einem Jahr in der Öffentlichkeit dargestellt – befindet sich
in der tiefsten Krise seit ihrem Bestehen:


(Peter Dreßen [SPD]: Glaube nur der Statistik, die du selbst gefälscht hast! Nach diesem Motto macht ihr das!)


schlechtere Leistungen und höhere finanzielle Belastun-
gen. Trotzdem vertreten wir die Überzeugung, dass ein
Befreiungsschlag zur Rettung dieser Sozialversicherung

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Horst Seehofer
noch möglich ist, wenn man jetzt einen radikalen Politik-
wechsel einleiten würde.


(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Das Problem ist: Sie schlagen immer die Patienten!)


Frau Schmidt, ich prophezeie Ihnen: Wenn Sie auf der
Grundlage dieser Politik, einschließlich der sich jetzt im
Bundesrat befindenden Gesetze, weitermachen,


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Katastrophe!)

dann werden wir in dieser Legislaturperiode in der Kran-
kenversicherung auf einen durchschnittlichen Beitrags-
satz von über 15 Prozent und in der Rentenversicherung
auf einen Beitragssatz von über 20 Prozent kommen. Sie
werden parallel dazu gezwungen sein, die Leistungen in
der Krankenversicherung weiter abzubauen und zusätz-
lich in die Rentenleistung einzugreifen.


(Fritz Schösser [SPD]: Herr Seehofer, welche Leistungen sind abgebaut worden?)


Was viele in der öffentlichen Diskussion befürchten,
auch manche Radikalreformer, nämlich dass wir uns mit
einer Grundversorgung und mit einer Grundrente an-
freunden müssen, das würde bei Fortsetzung dieser Poli-
tik durch die normative Kraft des Faktischen innerhalb
dieser Legislaturperiode Wirklichkeit werden. Das wäre
das Ergebnis Ihrer Politik, Frau Schmidt. Deshalb brau-
chen wir einen radikalen Politikwechsel, damit wir unser
bewährtes deutsches Sozialsystem retten. Diese Rettung
ist möglich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Fritz Schösser [SPD]: Sie sollten sagen, welche Leistungen abgebaut worden sind! – Peter Dreßen [SPD]: Wie sieht sie aus? – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt sind wir aber gespannt!)


Ich habe Ihnen in der letzten Debatte zu diesem Thema
bereits gesagt, dass die Hauptelemente dieser Rettung
schon 1998 im Bundesgesetzblatt standen. Ich fordere Sie
heute wieder auf, auf diese Grundelemente zurückzugrei-
fen, damit der Teufelskreis von ständig steigenden Beiträ-
gen und sinkenden Leistungen durchbrochen wird.


(Peter Dreßen [SPD]: Wo sind sinkende Leistungen? Bleiben Sie doch einmal bei der Wahrheit! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Du machst ja schon beim Zuhören Fehler!)


– Meine Damen und Herren, Sie haben noch nie eine Op-
position erlebt, die so konkrete Vorschläge zur konzeptio-
nellen und programmatischen Lösung der Probleme
macht wie diese CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU – Fritz Schösser [SPD]: Welche Leistungen sind abgebaut worden?)


Wir sagen auch in Landtagswahlkämpfen die Wahrheit.
Es beginnt mit dem demographischen Faktor in der

Rentenformel, den die Grünen in den letzten Wochen the-
matisiert haben.


(Erika Lotz [SPD]: Das ist doch lachhaft! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Vielleicht für Sie!)


Er ist die politische Antwort auf die Frage, wie die Lasten
zwischen den Generationen verteilt werden sollen, die da-
durch entstehen, dass die Menschen segensreicherweise
immer älter werden und damit die Rentenlaufzeiten zu-
nehmen.


(Fritz Schösser [SPD]: Welche Leistungen sind abgebaut worden?)


Wir haben 1998 ins Gesetzblatt geschrieben – das haben
Sie nach der Wahl zurückgenommen –, dass diese Lasten
gerecht auf Jung und Alt verteilt werden. Das hätte be-
deutet – das sprechen wir auch aus –, dass die jährlichen
Rentenanpassungen flacher ausgefallen wären als ohne
diesen demographischen Faktor. Aber es wäre zu keinen
Rentenkürzungen gekommen. Dieser demographische
Faktor hätte dazu beigetragen, dass wir sichere Renten
und nicht ständig eine Diskussion über die Zukunft der
gesetzlichen Rentenversicherung hätten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist der erste und wichtigste Vorschlag. Sie schwir-

ren ständig um diesen demographischen Faktor herum.
Ich bitte Sie, endlich von willkürlichen Maßnahmen zu
diesem systematisch einwandfreien Vorschlag zurückzu-
kehren, und zwar so schnell wie möglich.

Der zweite Punkt ist die private Vorsorge. Sie ist wirk-
lich vermurkst worden. Sie ist am 1. Januar in Kraft ge-
treten und ist elf Monate nach ihrem In-Kraft-Treten der-
art gescheitert, dass man jetzt überlegt, wie man die
Riester-Rente reformiert.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Zwangsweise!)

Das war wirklich eine Welturaufführung: Nach elf Mona-
ten muss eine Jahrhundertreform wieder reformiert wer-
den. Das war Murks.


(Beifall bei der CDU/CSU – Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Wo leben Sie denn?)


Alles, was Frau Gudrun Schaich-Walch – ich weiß
nicht, ob sie da ist – heute in der Öffentlichkeit dazu er-
klärt, vertreten wir seit zwei Jahren. Heute sagt auch die
SPD-Sprecherin, dass die Riester-Rente möglicherweise
zu bürokratisch sei und deshalb reformiert werden müsse,
damit die Leute sie verstünden. Heute erklärt sie in der
Öffentlichkeit, möglicherweise müsse die Förderung so
gestaltet werden, dass auch Kleinverdiener eine Privat-
rente aufbauen könnten. Heute, unter dem Druck des
Scheiterns, gibt man das zu. Hätte man vor über einem
Jahr auf uns gehört, dann würde die Riester-Rente jetzt
funktionieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Erika Lotz [SPD]: Ihr habt doch gar keine auf den Weg gebracht! – Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie haben doch dagegen gestimmt!)


– Das ist mir zu ernst für Flapsigkeiten und Dazwi-
schenreden. Ich verfolge das in diesen Tagen schon län-
ger. Sie beschränken sich wirklich auf Flapsigkeiten. Die
Themen sind zu ernst für solche Zwischenrufe.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP– Walter Schöler [SPD]: Das sind keine Flapsigkeiten!)



(A)



(B)



(C)



(D)


1080


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1081

Ich sage Ihnen ganz konkret, was notwendig wäre.
Das Dritte ist der tatsächliche Renteneintritt. Wenn die

Lebenserwartung steigt, können wir einen Renteneintritt
mit unter 60 oder knapp über 60 Jahren nicht auf Dauer fi-
nanzieren.


(Fritz Schösser [SPD]: Das ist ja richtig, Herr Seehofer!)


Deshalb haben wir versicherungsmathematische Ab-
schläge beschlossen. Sie haben sie beibehalten, obwohl
Sie sie im Bundestagswahlkampf 1998 diffamiert haben.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Bekämpft haben! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Verteufelt haben!)


Jetzt kommt es nicht darauf an – das richtet sich auch
an außerparlamentarische Diskussionsteilnehmer –, über
eine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters
von 65 Jahren zu faseln. Vielmehr müssen wir das nächste
Jahrzehnt dazu nutzen, das tatsächliche Renteneintrittsal-
ter von heute durchschnittlich 60 Jahren allmählich an das
65. Lebensjahr heranzuführen. Die Hauptaufgabe hat da
die deutsche Wirtschaft zu leisten. Ich bin dem Deutschen
Gewerkschaftsbund dafür dankbar, dass er jetzt auch öf-
fentlich erklärt, dass dies zur Rentensicherung notwendig
ist.


(Fritz Schösser [SPD]: Das haben wir schon immer gesagt! – Peter Dreßen [SPD]: Da sind wir uns einig!)


Die deutsche Wirtschaft sollte mit der Doppelzüngig-
keit aufhören. Auf der einen Seite die Verlängerung der
Lebensalterszeit zu fordern und auf der anderen Seite die
über 50-Jährigen freizusetzen geht auf Dauer nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Peter Dreßen [SPD] – Fritz Schösser [SPD]: Das wollen wir ja auch!)


– Wenn Sie das alles wollen, Herr Schösser, wie Sie ge-
rade ankündigen, dann machen wir doch diese drei Dinge!


(Ulla Schmidt, Bundesministerin: Das haben wir gemacht!)


Erstens. Nehmen wir den demographischen Faktor in die
Rentenformel auf!


(Fritz Schösser [SPD]: Jetzt kommen Sie wieder mit den alten Kamellen!)


Dann würde auch die ältere Generation die demographi-
sche Last tragen und nicht nur die jüngere Generation.

Zweitens. Gestalten wir die Riester-Rente so, dass sie
in der Praxis angenommen wird! Da sagt übrigens der
Bundeskanzler die Unwahrheit. Er hat gestern hier den
Eindruck erweckt, als hätten 18 Millionen Arbeitnehmer
eine betriebliche Altersvorsorge abgeschlossen. Mit ge-
nau diesen Tricks arbeitet Rot-Grün.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das hat die Ministerin eben auch gemacht!)


Tatsache ist, dass Tarifverträge für 18 Millionen Men-
schen geschlossen worden sind, um ihnen die Möglichkeit
zu geben, einen Vertrag über eine Betriebsrente abzu-

schließen. Es ist jedoch eine grobe Verfälschung der
Wahrheit, wenn man von diesem Pult aus den Eindruck
erweckt, als hätten 18 Millionen Menschen Verträge ab-
geschlossen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Menschen haben die Möglichkeit dazu, aber sie

haben die Verträge nicht abgeschlossen. Deshalb brau-
chen wir die Reform.

Drittens. Wir brauchen den tatsächlichen Renteneintritt
im Alter von 65 Jahren. Das wäre schon eine große Ren-
tenreform. Dann könnte man im nächsten Jahrzehnt über-
legen, ob das 65. Lebensjahr als Bezugsgröße richtig ist.
Das sollten wir aber im nächsten Jahrzehnt unter Beach-
tung der dann gegebenen Arbeitsmarktentwicklung in der
Bundesrepublik Deutschland machen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir würden die Erneuerungsbereitschaft in der Bevölke-
rung überfordern, wenn wir jetzt über Dinge reden, von
denen niemand weiß, ob sie im nächsten Jahrzehnt wirk-
lich notwendig werden. Das waren meine grundlegenden
Ansichten zur Rente.

Nun hat sich Ihr Ministerpräsident Gabriel auf die
Schweiz bezogen. Die Schweiz scheint jetzt die neue
Wunderwaffe zu sein. Man gilt als Weltmann, wenn man
sich auf andere Länder bezieht, während jemand, der sich
wie ich in erster Linie in Niederbayern oder in der Ober-
pfalz bewegt, als provinziell bezeichnet wird. Ihr Partei-
freund Gabriel ist offensichtlich ganz anderer Meinung
als Sie, Frau Schmidt. Er glaubt, dass die Reformen nichts
getaugt haben, und deshalb hat er jetzt unter dem Druck
des Wahlkampfes eigene Vorschläge gemacht. Er erklärt:
Wir brauchen das Schweizer Rentenmodell.

Ich sage Ihnen: Vorsicht! Die Schweizer haben
mindestens die gleichen Probleme in der Alterssicherung
wie wir Deutsche und sie überlegen im Moment, zur Be-
wältigung der Demographie die Mehrwertsteuer für die
Rente um 2,5 Prozent zu erhöhen. Das ist meine erste
Feststellung.


(Peter Dreßen [SPD]: Die Goldreserven wollen sie verkaufen!)


Wie kann man sich auf ein solches Rentensystem als Bei-
spiel beziehen, wenn man dort gleichzeitig überlegt, die
Mehrwertsteuer zur Finanzierung der Renten zu erhöhen?

Noch bemerkenswerter ist aber, dass ein SPD-Minister-
präsident die Schweiz als Vorbild nimmt. In der Schweiz
sind 11 Prozent der Menschen, die eine Altersrente be-
ziehen, auf ergänzende Fürsorgeleistungen angewiesen.
25 Prozent der Menschen, die eine Erwerbsunfähigkeits-
rente beziehen, brauchen ergänzende Fürsorgeleistungen.
Wissen Sie, wie viele das in der Bundesrepublik Deutsch-
land sind? Es sind 1,5 Prozent.

Mir geht nicht in den Kopf, wie ein SPD-Ministerprä-
sident ein Rentensystem zum Vorbild für die Bundesrepu-
blik Deutschland erklären kann, bei dem die Zahl der Für-
sorgeempfänger wegen nicht ausreichender Rente im Alter


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Über ein Drittel!)


Horst Seehofer

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Horst Seehofer
zehnmal und bei der Invalidenrente sogar um ungefähr
25 Prozent höher ist als in der Bundesrepublik Deutsch-
land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dieter Thomae [FDP]: Der hat es nicht verstanden!)


Frau Schmidt, überzeugen Sie Ihren Ministerpräsidenten
davon, dass das eine Schnapsidee ist!

Der Schlaumeier aus Hannover sagt an anderer Stelle et-
was, was mich wirklich überrascht, weil es die SPD
vier Jahre lang bekämpft hat. Jetzt kommt auch sie nach vier
Jahren zu dieser Erkenntnis. Gabriel will die Gesundheits-
politik mit drei Elementen reformieren: Eigenbeteiligung
der Versicherten an den Krankheitskosten – das ist eine
CDU/CSU-Position –, Beitragsermäßigung für gesund le-
bende Menschen – das ist eine CDU/CSU-Position –


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: FDP!)

und schließlich Stunden- oder Fallpauschalen bei den
Arzthonoraren, damit der sinkende Punktwert ein Ende
hat; auch das ist eine CDU/CSU-Position.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: FDP!)

Frau Schmidt, Ihnen gelingt ein Befreiungsschlag in

der Gesundheitspolitik – Sie brauchen uns nicht zu glau-
ben –, wenn Sie Ihrem Herrn Gabriel in diesen Punkten
folgen und Vorschläge machen, die Ihren unseligen Zen-
tralismus und Ihren Staatsdirigismus beenden. Wenn Ihre
Vorschläge freiheitliche Strukturen enthalten, können Sie
mit uns zusammen eine Gesundheitsreform machen. So
einfach ist das.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ein Letztes: Sie haben gesagt, die Menschen freuen

sich nicht nur über breite Straßen in Deutschland und über
Pizzen,


(Fritz Schösser [SPD]: Das war alles der bayerische Staatsfunk!)


sondern sie freuen sich auch über manche Entwicklungen
im Gesundheitswesen. Weil es mir in der Bevölkerung im-
mer wieder begegnet, möchte ich Sie heute noch einmal
dringend um etwas bitten: Machen Sie mit der praktizier-
ten Zweiklassenmedizin so schnell wie möglich Schluss.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es kann nicht sein, dass ein Sozialhilfeempfänger in

Deutschland eine bessere medizinische Versorgung be-
kommt als der Mensch, der ein ganzes Leben lang Sozi-
alversicherungsbeiträge bezahlt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Fritz Schösser [SPD]: Mein Gott! Rechtspopulist!)


– Herr Schösser, die Begründung dafür, dass Sie dem nicht
zu Leibe rücken, ist uns jetzt in die Hände gefallen. Es gibt
nämlich ein Schreiben von Staatssekretär Manfred
Overhaus aus dem Bundesfinanzministerium – das ist eine
der internen Absprachen in der Regierung – vom August
2000. Da beschreibt Herr Overhaus, warum das mit den So-
zialhilfeempfängern alles schwierig ist und warum Rot-
Grün das nicht machen sollte. Wir kritisieren das ja schon

seit längerer Zeit. Darin heißt es – Herr Schösser, da Sie sich
gerade so aufregen, sollten Sie einmal gut zuhören –, man
wolle für die Sozialhilfeempfänger deshalb keine Gleich-
stellung mit den gesetzlich Versicherten, weil für die So-
zialhilfeempfänger sonst die derzeit für sie günstige Rege-
lung entfallen würde, von den Ausgabenbeschränkungen
der gesetzlichen Krankenkassen nicht betroffen zu sein.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Hört! Hört!)

Das schreibt die Bundesregierung. Das können Sie ha-

ben, Frau Schmidt, falls Sie es schon in den Reißwolf
gegeben haben sollten. Im August 2000 schreibt die Bun-
desregierung intern an die damalige Gesundheitsministe-
rin, es treffe zwar zu, dass die Sozialhilfeempfänger im
Gegensatz zu denen, die Beiträge bezahlen, privilegiert
seien. Aber es werde keine Gleichstellung vorgenommen,
weil sonst die für sie günstige Regelung entfallen würde.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist eine logische Begründung!)


– Das ist eine logische Begründung. Das ist in etwa so – ich
habe das oft genug gesagt –, als wenn der Mond beein-
druckt wäre, wenn ein Hund ihn anbellte. Das ist ungefähr
genauso nahe an der Wahrheit dran.

Machen Sie morgen einen Gesetzentwurf, durch den
Sie entgegen der Meinung des Bundesfinanzministers
endlich die Zweiklassenmedizin zwischen gesetzlich Ver-
sicherten und Sozialhilfeempfängern beenden!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501411200

Ich erteile das Wort der Kollegin Birgitt Bender, Bünd-

nis 90/Die Grünen.


Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501411300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

Seehofer, Sie scheinen mit Ihrer Diskursfähigkeit im letz-
ten Sommer stehen geblieben zu sein, als Wahlkampf war.
Dass Sie hier den alten Hut mit der angeblichen Besser-
stellung der Sozialhilfeempfänger noch einmal herausho-
len, ist schon eher peinlich. Denn gerade Sie sollten doch
wissen, dass es in nahezu allen Bundesländern inzwischen
Verträge zwischen den Sozialhilfeträgern und den Ärzten
gibt, in denen festgelegt ist, dass nach den gleichen Re-
geln wie mit den Kassen abgerechnet wird. Sollte das in
Bayern noch nicht der Fall sein – ich habe es im Moment
nicht präsent –, dann klären Sie das dort doch einmal.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Im Übrigen gibt es einen neueren Stand als den vom
Juni 2000. Wenn Sie einmal in den rot-grünen Koalitions-
vertrag geschaut hätten – ich hatte eigentlich angenom-
men, dass der Sie interessiert –, dann hätten Sie dort den
Satz gefunden, dass wir sehr wohl anstreben, die Sozial-
hilfeempfänger – wie es übrigens auch das Bundesverfas-
sungsgericht verlangt – in die Krankenversicherung auf-
zunehmen. So wird es auch geschehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



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1082


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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1083

Das ist nun wahrlich nichts, wo wir irgendeine Art von
Nachhilfe nötig hätten.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist der Unterschied zwischen Sagen und Tun!)


Manchmal lohnt sich ja die Zeitungslektüre. Heute
habe ich in die „Zeit“ geschaut. Darin gibt es ein Inter-
view mit dem virtuellen Gesamtvorsitzenden der CDU/
CSU, Herrn Roland Koch. Da heißt es schon in der Über-
schrift: „Wir sagen nur Ja oder Nein.“ Woher kommt die
Überschrift? Herr Koch wird gefragt, ob denn die Oppo-
sition nicht auch einmal etwas anderes als Fundamental-
opposition machen sollte. Darauf antwortet er:

Die Opposition ist nicht der Vorschlagsbeauftragte
des Landes. Die Regierung hat Konzepte vorzulegen,
und wir sagen Ja oder Nein.

Da kann ich nur sagen, meine Damen und Herren von
der CDU/CSU: Diese Politik des Daumen rauf oder Dau-
men runter, aber selbst nichts vorzulegen, das ist der Ab-
schied von der Politik und ist selbst einer Opposition nicht
würdig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Er hat über zehn Minuten Vorschläge gemacht! Sie haben nicht zugehört!)


Und zum Thema „Wissen und Wahrheiten im Wahl-
kampf“, Herr Seehofer: Es gab einen bedeutenden Politi-
ker, der am 11. Juni dieses Jahres gesagt hat, höhere Ren-
tenbeiträge seien unvermeidlich. Dann gab es einen, der
gesagt hat, dass die Rentenbeiträge nicht erhöht würden.
Das war ein und derselbe und es war einen Tag später. Der
Politiker hieß Horst Seehofer.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Wo haben Sie das gelesen? Waren Sie dabei?)


Herr Seehofer, so etwas nennt man normalerweise „zu-
rückgepfiffen werden“. Warum? Weil Ihr Kanzlerkandi-
dat, Herr Stoiber, nur Schönwetterparolen wollte, nach
dem Motto: Wir und ich, der Herausforderer, wir sind für
die Wohltaten zuständig und die Defizite lasten wir der
Regierung an. Deswegen durfte gerade bei Ihnen von
höheren Rentenbeiträgen nicht die Rede sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501411400

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Seehofer?


Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501411500

Aber gern.


Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1501411600

Liebe Frau Bender, damit Sie nicht immer wieder das

Falsche zitieren, darf ich Sie darauf hinweisen,

(Fritz Schösser [SPD]: Dass das Datum nicht stimmt!)


dass ich immer sauber unterschieden habe zwischen dem,
was wir 2003 gemacht und an Beitragserhöhungen ver-
hindert hätten, und dem, was wir als Altlast von Ihnen
übernommen hätten,


(Lachen bei der SPD)

wobei ich bezüglich der Altlast immer gesagt habe: Man
kann in vier Wochen nicht korrigieren, was in vier Jahren
verbockt worden ist. Würden Sie das so zur Kenntnis neh-
men?


Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501411700

Herr Seehofer, das ist das Schöne, manchmal auch das

Unangenehme am Regieren: Man muss immer das über-
nehmen, was schon da ist. Das ging auch uns 1998 so.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Horst Seehofer [CDU/CSU]: Wir hätten es auch übernommen!)


Deswegen hätten Sie ein Konzept für die Zeit nach dem
22. September dieses Jahres haben müssen und das habe
ich noch nicht erkannt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wenn man genauer hinsieht, gibt es auch jetzt bei Ih-
nen ein wüstes Durcheinander. Sie reden jetzt wieder vom
demographischen Faktor. Das kennen wir nun schon.
Sie sollten zumindest dazusagen, damit es die Leute ver-
stehen – Sie halten uns ja Leistungskürzungen vor, die gar
nicht stattfinden –,


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Natürlich gibt es welche!)


dass der demographische Faktor zu niedrigeren Renten
führen würde. Das sollten Sie den Leuten einmal sagen.
So viel Ehrlichkeit sollte doch sein!


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Das habe ich gesagt!)


– Dann dürfen Sie uns aber nicht Leistungskürzungen
vorhalten. So funktioniert es nicht.

Sie leisten sich eine CDU-Wertekommission. Ihr sitzt
der Herr Christoph Böhr vor. Der hat jetzt wieder eine
neue Idee für Ihre Wohltaten. Er will Eltern mit Kindern
Gutschriften für die Rente geben und ihren Beitrag um
0,5 Prozentpunkte senken. Dann wüsste ich jetzt gern:
Soll das der Ersatz für die bisherige Unterstützung durch
Erziehungsleistungen sein, die wir mit Steuermitteln fi-
nanzieren? Oder soll das bedeuten, dass wir die Renten-
beiträge für kinderlose Menschen erhöhen? Oder soll das
vielleicht heißen, dass jetzt noch höhere Steuermittel in
das Rentensystem fließen? Man wüsste einfach gern ein-
mal, ob die Opposition entsprechende Konzepte hat und
zu welchem Preis das geschehen soll.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Man findet aber nichts. Sie sind gegen das Sparen, ob
es in der Rente die kurzfristigen Anpassungen sind oder
das Sparpaket im Gesundheitswesen. Von Lösungen hört

Birgitt Bender

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Birgitt Bender
man wenig. Ich wüsste gern, wie Sie sich angesichts des-
sen verhalten, dass wir jetzt in einem entsprechenden Ge-
setz Festbeträge für teure Analogpräparate bei Arzneimit-
teln vorgesehen haben. Das ist zustimmungspflichtig im
Bundesrat; da sind wir durchaus auf Sie angewiesen.
Diese teuren Analogpräparate verschlingen Geld, das für
tatsächliche Innovationen verwendet werden sollte. Des-
halb sehen wir jetzt Festbeträge vor. Ich wüsste gern, was
Sie dazu sagen und wie Sie überhaupt mit dem Problem
des Medikamentenverbrauchs in der Bundesrepublik um-
gehen.

Der neue Arzneiverordnungsreport besagt, dass es
ohne Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit ein
Sparpotenzial in Höhe von 4,2 Milliarden Euro gibt. Ich
frage Sie: Wollen Sie das nutzen? Wie gehen Sie eigent-
lich damit um, dass es in Hamburg in diesem Jahr vo-
raussichtlich einen Pro-Kopf-Arzneimittelverbrauch im
Wert von 400 Euro und in Nord-Württemberg von
290 Euro gibt? Das zeigt doch, dass hier Steuerungsbedarf
besteht. Erkennen Sie dies an? Wie wollen Sie das ma-
chen? Keine Antwort von der Opposition!

Was sagt die Opposition dazu, dass es in Sachsen-An-
halt pro 10 000 Einwohner etwas mehr als 70 Kranken-
hausbetten und in Baden-Württemberg etwas mehr als
60 Betten gibt und dass es insgesamt in der Bundesrepu-
blik Deutschland mehr Krankenhausbetten pro 10 000 Ein-
wohner gibt als im europäischen Ausland? Dafür haben
Sie keine Lösung. Sie haben auch keine Lösung für das
Problem, dass die Preise in den deutschen Krankenhäu-
sern bisher bei der Behandlung ein und desselben Krank-
heitsbildes um den Faktor drei auseinander liegen. Sie wa-
ren gegen die Einführung von Fallpauschalen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wir haben doch die Fallpauschalen eingeführt! Ja, wo leben Sie denn?!)


Wir werden erstmals Transparenz schaffen.
Jetzt stehen Ihre Landesregierungen vor der Entschei-

dung, ob auch sie den Krankenhäusern die Nachmelde-
frist, die wir ihnen bis zum Ende dieses Jahres gewähren,
zugestehen wollen. Sie haben es zugegebenermaßen in
der Hand, das zu verhindern; das ist nämlich im Bundes-
rat zustimmungspflichtig.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das wissen wir auch!)


Da will ich sehen, wie Sie Ihren Krankenhäusern erklären
werden, dass sie nicht bei dem Reformmodell mitmachen
können und dafür die Nullrunde tragen müssen. Ich wün-
sche viel Vergnügen!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Sie haben auch nicht kapiert, was in dem Gesetz steht!)


Reden wir doch einmal über Reformen, wenn auch nur
noch sehr kurz!


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Weil Sie keine haben!)


Wie sagte Herr Koch noch in dem heutigen Interview?

Es gibt auch bei uns unterschiedliche Vorstellungen
etwa darüber, ob die Sozialsysteme künftig nur durch
Abgaben auf die Löhne finanziert werden sollen.

Diese unterschiedlichen Vorstellungen gestehe ich Ih-
nen durchaus zu. Auch in der Koalition gibt es dazu Dis-
kussionsbedarf. Dann sollten wir darüber einmal reden.
Ich sage Ihnen für die Grünen: Wir sind davon überzeugt,
dass es in einer Gesellschaft, in der nicht mehr der 45 Jahre
lang vollzeitig beschäftigte und einzahlende Facharbei-
ter – von den Frauen war ja eh nie die Rede – im Zentrum
steht, bei dieser Lohnzentriertheit der sozialen Siche-
rungssysteme nicht bleiben kann.

Das sind die Reformoptionen, über die wir werden re-
den müssen. Ihre Blockadepolitik, meine Damen und
Herren von der Opposition, trägt dazu nichts bei. Sie ist
lediglich ein Beitrag zur Politikverdrossenheit. Wenn Sie
diese aufgeben würden, so wäre das ein Dienst an der De-
mokratie.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Reden Sie mal mit Herrn Stiegler!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501411800

Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin

Waltraud Lehn, SPD-Fraktion, das Wort.


Waltraud Lehn (SPD):
Rede ID: ID1501411900

Herr Seehofer, ich halte es für wirklich nicht hinnehm-

bar, wie Sie hier eine gezielte Emotion gegen eine Gruppe
unserer Bevölkerung geschürt haben,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Nein, gegen die SPD!)


und zwar gegen die Bezieher von Sozialhilfe.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Nein, gegen die SPD!)

Herr Seehofer, Sie wissen, so behaupte ich, dass

80 Prozent derjenigen, die in unserem Land Sozialhilfe er-
halten, vor allem derjenigen, die ergänzende Sozialhilfe
erhalten, sehr wohl in der gesetzlichen Krankenkasse
sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der FDP: Leiser!)


Zu dem Personenkreis, der dort nicht vertreten ist,
gehören in der Regel diejenigen, die Hilfe in besonderen
Lebenslagen erhalten, nämlich die Behinderten, und die-
jenigen, die von Kindesbeinen an in schweren Situationen
gewesen sind. Das sind diejenigen, denen der Zugang zur
gesetzlichen Krankenkasse in der Tat verwehrt worden
ist.


(Zuruf des Abg. Horst Seehofer [CDU/CSU])

– Sie brauchen da gar nicht abzuwinken. Ich habe we-
sentlich mehr Erfahrung in diesem Bereich, als Sie sie je
erwerben werden. Ich bin Sozialdezernentin gewesen. Ich
weiß, wie die Situation in meiner Stadt war. Ich kenne die
Statistiken des Landes Nordrhein-Westfalen. Es mag sein,


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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1085

dass in Bayern den Sozialhilfeempfängern der Weg in die
Krankenkasse verwehrt wird. Das wäre dann aber einer
besonderen Prüfung wert.

Ich finde es verantwortungslos,

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Was Sie ma chen!)

mit welchen Mitteln Sie gestern beim Thema Türkei und
heute gegen die Sozialhilfeempfänger emotionalisiert ha-
ben.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die Einzige sind Sie!)


Dafür kann man sich wirklich nur schämen.

(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501412000

Zur Erwiderung hat der Kollege Seehofer das Wort.


Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1501412100

Liebe Frau Kollegin, ich verstehe gar nicht, dass Sie

sich so aufregen, wenn wir über die Ergebnisse Ihrer Po-
litik reden. Wir reden über folgenden Sachverhalt: Sie ha-
ben nach 1999 die Budgets wieder eingeführt.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ist es!)

Wir haben vor der Einführung der Budgets gewarnt, weil
sie im Ergebnis dazu führen, dass Medizin nach Kassen-
lage gemacht wird.


(Peter Dreßen [SPD]: Was hat das mit den Sozialhilfeempfängern zu tun?)


Sie sollten wissen, dass es für die Sozialhilfeempfänger
kein Budget gibt. Dies führt im Ergebnis dazu, dass es für
einen Teil der Sozialhilfeempfänger, für die keine Bud-
gets vorhanden sind, eine bessere medizinische Versor-
gung gibt


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber da gibt es doch Verträge! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Hören Sie mal zu!)


als für diejenigen, die in der gesetzlichen Krankenversi-
cherung sind und Beiträge zahlen. Das ist der nüchterne,
ehrliche Sachverhalt.


(Peter Dreßen [SPD]: Nein!)

Wir wollen nicht, dass der Sozialhilfeempfänger eine

schlechtere medizinische Versorgung bekommt, sondern,
dass durch die Aufhebung der Budgets der gesetzlich Ver-
sicherte, der Beiträge zahlt, die gleiche Versorgung wie
der Sozialhilfeempfänger bekommt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Peter Dreßen [SPD]: Verdrehung von Tatsachen ist das!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501412200

Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege

Dr. Dieter Thomae für die FDP-Fraktion.


Dr. Dieter Thomae (FDP):
Rede ID: ID1501412300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Vor den Wahlen hat die Ministerin gesagt: Die Bei-
tragssätze werden nicht erhöht und am Leistungspaket
wird nichts geändert. Nach den Wahlen hat sich vieles
verändert: In vielen Teilen der Bundesrepublik Deutsch-
land werden die Beitragssätze erhöht. Sie beabsichtigen,
die Leistungen zu reduzieren, beispielsweise beim Ster-
begeld. Der größte Einschnitt im Leistungspaket ist die
Budgetierung. Diese ist brutal.


(Detlef Parr [FDP]: So ist es! – Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Sie verwechseln Leistung und Preis!)


Frau Ministerin, ich habe eine wirklich wichtige Frage
an Sie und bitte Sie, sie ernst zu nehmen, zu recherchie-
ren und dem Parlament mitzuteilen, zu welchem Ergebnis
Sie gekommen sind. In München hat ein Geheimtreffen
der deutschen Bankenwirtschaft stattgefunden. Die Ver-
treter der deutschen Banken haben dort sehr lange über
die Gewährung von Krediten an die deutschen Kranken-
versicherungen diskutiert. Man hat festgestellt, dass den
deutschen Krankenversicherungen bis zu 5 Milliarden
Euro an Krediten ausgezahlt worden sind,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Hui!)

und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass man nicht bereit
sei, diese Kreditlinie zu erweitern.


(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Im privaten Bereich!)


– Nein, nicht im privaten, sondern im gesetzlichen Be-
reich. – Ich möchte von Ihnen wissen: In welchem Um-
fang sind diese 5 Milliarden Euro über Kassen-
verstärkungskredite abgedeckt worden oder geht es noch
nennenswert darüber hinaus?

Das Defizit beträgt bis Ende des Jahres 2,2 bis 3 Milli-
arden Euro. Hinzu kommen 5 Milliarden Euro an Kredit-
aufnahme durch die Kassen. Angesichts dieser Zahlen
brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen, wie die Situation
im gesetzlichen System aussieht. Wenn sich die Konjunk-
tur nicht rapide verbessert, werden die Banken die Kre-
ditlinie kürzen und viele Kassen werden über die Wupper
gehen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es werden massive Veränderungen auf uns zukommen.
Daher wundert es mich nicht, dass gegenwärtig viele Vor-
stände von Krankenkassen Anträge beim Bundesversi-
cherungsamt stellen, die Beiträge in nennenswertem Um-
fang erhöhen zu dürfen, weil die Vorstandsvorsitzenden
selbst für ihre Arbeit haften.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Richtig! – Klaus Kirschner [SPD]: Das haben wir gemeinsam eingeführt!)


Waltraud Lehn

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Dr. Dieter Thomae

Ich möchte, dass dem Parlament klar dargelegt wird,
wie die Lage wirklich ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Da ist vor den Wahlen wieder getrickst worden!)


Wenn sie wirklich so dramatisch ist, dann muss ich fest-
stellen, dass wir vor den Wahlen belogen und betrogen
worden sind. Denn es wurde immer wieder gesagt, es
werde zu keiner Beitragssatzerhöhung und zu keiner Leis-
tungseingrenzung kommen. Doch wenn Sie sich die Si-
tuation anschauen, dann wissen Sie, worauf es hinaus-
läuft.

Sie fragen nach unseren Rezepten. Ich muss feststel-
len: Herr Gabriel denkt in die richtige Richtung.


(Detlef Parr [FDP]: So ist es!)

Wir Liberale haben schon vor fünf Jahren gesagt, dass wir
keine andere Alternative sehen, als den Patienten in die
Verantwortung einzubeziehen.


(Klaus Kirschner [SPD]: Wie denn?)

Das bedeutet auch: Selbstbeteiligung. Doch die sieht bei
uns anders aus als bei Ihnen: Sie setzen auf Budgetierung.
Wenn das Budget erschöpft ist, dann ist eine 100-prozen-
tige Selbstbeteiligung fällig. Wir dagegen wollen eine
Selbstbeteiligung mit einer vernünftigen Härtefallrege-
lung, sodass auch die Menschen, die zu den Härtefällen
zählen, die für sie notwendige Leistung bekommen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie betrügen die Bürger und die Versicherten, weil Sie
über die Budgetierung Leistungen verwehren.

Auch die Transparenz muss verbessert werden.

(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Wir senken die Preise!)

Sie glauben, Sie könnten mit der Patientenquittung Er-
folge erzielen. Sie haben doch gar keinen Mut. Eine Pati-
entenquittung, auf der zwar die Leistung genannt wird,
aber nicht ihr Preis, ist völlig schizophren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Was soll der Patient tun, wenn er eine solche Quittung be-
kommt? Ich kann nur staunen, dass man so „mutig“ ist.
Das ist eine Verarschung der Bürger.


(Klaus Kirschner [SPD]: Herr Präsident, das war unparlamentarisch!)


Außerdem wird die Bürokratie in den Arztpraxen durch
diese Maßnahme massiv ausgebaut. Was machen Sie da
nur, meine Damen und Herren?


(Beifall bei der FDP)

Ich sage Ihnen: Die Kostenerstattung inklusive der

Selbstbeteiligung mit einer vernünftigen Härtefallüber-
forderungsregel ist die Grundlage für die nächsten Jahre,
um eine verantwortliche Gesundheitspolitik zu betreiben,
und zwar ohne Rationierung und Budgetierung.


(Beifall des Abg. Detlef Parr [FDP])


Wenn Sie diesen Weg gehen wollen – ich hoffe, dass Ih-
nen Herr Gabriel noch ein wenig einheizt –, dann sollten
wir darüber diskutieren.

Auch Herr Rürup denkt in diese Richtung. Aber es ist
wirklich ein Witz, den Sie sich in der Fraktion und in der
Partei leisten: Herr Rürup soll ein Konzept erarbeiten, das
2003 vorliegen wird. Die Bundestagsfraktion und die Mi-
nisterin wollen im Frühjahr ein Konzeptpapier auf den
Weg bringen. Ich frage mich: Wie soll das laufen? Die Fi-
nanzierung kommt erst Ende 2003, aber die Konzeption
dafür wird es bereits im Januar geben.

Ich hätte wirklich vermutet, dass die Bundestagsfrak-
tion und die Ministerin mutiger und kreativer wären und
ein sinnvolles Konzept auf den Weg bringen würden,
ohne den Patienten immer mehr Leistungen durch die
Budgetierung zu verweigern.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501412400

Herr Kollege Thomae, Sie haben in dem temperament-

vollen Schlussteil Ihrer Rede eine Formulierung zur Ein-
schätzung der Politik durch die Bevölkerung benutzt, die
dem parlamentarischen Sprachgebrauch nicht ganz ent-
spricht.


(Klaus Kirschner [SPD]: Sehr wahr!)

Ich erteile nun als nächstem Redner dem Kollegen

Klaus Kirschner für die SPD-Fraktion das Wort.

(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Wiederhole das, was du gerade gesagt hast: Rürup ist uns egal!)



Klaus Kirschner (SPD):
Rede ID: ID1501412500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-

lege Seehofer, Ihr Plädoyer eben habe ich eher als ein Plä-
doyer an die Adresse Ihrer eigenen Fraktion verstanden.
Es war ein Plädoyer für den Erhalt des deutschen Sozial-
versicherungssystems vor dem Hintergrund einer Diskus-
sion, die bei Ihnen permanent stattfindet.

Ich will dazu eine Bemerkung machen. Sie wollen das
Renteneintrittsalter auf 60 Jahre festsetzen. Als ehema-
liger Staatssekretär und Gesundheitsminister sollten Sie
wissen, dass dann bei Herausrechnung der Erwerbsmin-
derungsrenten das Rentenniveau bei 62,4 Prozent läge.
Das sind die korrekten Zahlen. Ich sage das, damit in der
Öffentlichkeit kein falscher Eindruck entsteht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dann möchte ich auf die Riester-Rente und die Be-
triebsrente eingehen. Es gibt 18 Millionen Berechtigte.
Ungefähr drei Millionen Verträge sind in diesem Zusam-
menhang von den Berechtigten abgeschlossen worden.
Wir schätzen – die genauen Zahlen kennen wir noch
nicht –, dass die Zahl der vertraglich vereinbarten Be-
triebsrenten zwischen 30 und 40 Prozent liegt. Die dies-
bezüglichen Tarifverträge sind im Sommer in Kraft getre-
ten. Nun sollten wir ehrlicherweise sagen: Wer vor der


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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1087

Bundestagswahl zum Boykott der Riester-Rente aufgeru-
fen hat – Sie haben gehofft, dass es zu einem Regierungs-
wechsel kommt; das ist Ihr gutes Recht –, der darf sich
jetzt nicht beklagen, dass noch nicht ausreichend Verträge
abgeschlossen worden sind. Man sollte hier die Dinge
korrekt beim Namen nennen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Seehofer [CDU/CSU]: Nun sind wir schuld! – Peter Dreßen [SPD]: Man sollte die Kirche im Dorf lassen!)


Lassen Sie mich etwas zum demographischen Faktor
sagen. Die Beitragssätze wären nach dem demographi-
schen Faktor der CDU/CSU- und FDP-Regierung 2015
auf 22 Prozent gestiegen. Das sollten Sie nicht ver-
schweigen. Das Rentenniveau wäre auf 64 Prozent ge-
sunken. Wir haben das verbessert – auch ohne Riester-
Rente. Wir haben eine Grundsicherung und die
Anrechnung von Kindererziehungszeiten eingeführt. Sie
müssen beides nebeneinander stellen. Dann werden Sie
zugeben müssen, dass bei Ihnen die Beitragssätze stärker
gestiegen wären und das Rentenniveau tiefer gesunken
wäre.


(Beifall bei der SPD)

Ich möchte eine Bemerkung – das ist mir wichtig – zu

den Sozialhilfeempfängernmachen. Über sie wurde vor-
her schon gesprochen. Sagen Sie einmal, um welche
Sozialhilfeempfänger es geht. Auch hinsichtlich Ihrer
Forderung, die Budgets aufzuheben, besteht noch Klä-
rungsbedarf.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Das haben wir doch gesagt!)


Wenn Sie die Budgets generell aufheben wollen – Sie
kennen doch die Zahlen so gut wie ich; tun Sie doch nicht
so –, wie wollen Sie dann noch die Kosten steuern?


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: 1998!)

Sie haben doch selbst seinerzeit die Budgets eingeführt.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Aber abgeschafft! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Selbstverständlich abgeschafft!)

– Sie haben sie eingeführt und später sind Ihnen

die Beitragssätze davongelaufen.

(Ute Kumpf [SPD]: Ja! Sind sie vom Himmel gefallen? Das glaube ich nicht!)

Ich komme später noch darauf zu sprechen.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Wann denn ?)

– Warten Sie es ab, lieber Kollege Thomae.

Ich will an dieser Stelle eines feststellen: Sie erzählen
Märchen, lieber Kollege Thomae.


(Detlef Parr [FDP]: Vorsicht!)

– Warum raten Sie mir zur Vorsicht? Sie wissen doch gar
nicht, was ich sagen möchte. Hören Sie doch erst einmal
zu! Sie sind ein Märchenerzähler.

Sie sagen, es komme durch die Budgetierung zu Leis-
tungseinschränkungen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Warteliste!)

Tun Sie mir einen Gefallen und lesen Sie den jüngsten
Arzneiverordnungsreport! Sie müssen ihn nicht vollstän-
dig lesen; es reicht, wenn Sie das erste Kapitel und das
Kapitel 50 lesen. Den Autoren zufolge – dabei handelt es
sich um seriöse Fachleute, die Sie genau wie wir bereits
als Sachverständige im Ausschuss angehört haben; Frau
Kollegin Bender hat bereits darauf hingewiesen – sind
ohne Einschränkung der therapeutischen Qualität Ein-
sparungen in Höhe von 4,2 Milliarden Euro – das ist ein
Fünftel – möglich.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Aber nicht mit der Budgetierung!)


Nehmen Sie das doch endlich einmal zur Kenntnis! Es ist
doch eine Steuerung notwendig. Auch Sie müssten eine
Steuerung vornehmen oder wollen Sie alles freigeben?
Wie wollen Sie letzten Endes die GKV steuern, wenn Sie
auf der einen Seite die Stabilität der Beitragssätze für
wichtig halten, aber auf der anderen Seite das Budget nach
oben offen lassen wollen? Wollen Sie die Budgetierung,
beispielsweise im Bereich des ärztlichen Gesamthonorars,
aufheben?


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das 98er-Gesetz!)

Wollen Sie auch das zahnärztliche Budget und alles an-
dere durchweg aufgeben? Wenn das zutrifft, lieber Herr
Kollege Dr. Thomae, dann sollten Sie zumindest erklären,
warum die privaten Krankenversicherungen ebenfalls die
Beitragssätze bzw. die Prämien erhöhen müssen, und
zwar in viel stärkerem Maße und bei hoher Eigenbeteili-
gung.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Weil es die gesetzliche Quersubventionierung gibt!)


In welcher Welt leben Sie eigentlich?

(Beifall bei der SPD)


Es ist das gute Recht der Opposition, die Regierung zu
kritisieren. Das möchte ich nicht bestreiten.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Das müssen wir ja! Dazu gibt es ja Anlass!)


– Das ist selbstverständlich und auch wir haben das sei-
nerzeit getan. – Aber zu dem Recht gehört auch die
Pflicht, eigene Vorschläge zu unterbreiten, lieber Herr
Kollege Seehofer. Ich habe Ihnen heute genau zugehört.
Können Sie mir sagen, wo Sie für den Bereich der ge-
setzlichen Krankenversicherung einen konkreten Vor-
schlag eingebracht haben?


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Ja, drei! – Gegenruf des Abg. Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Von 1996!)


Dass Sie zu den Grundprinzipien der GKV, dem Solidar-
prinzip und dem Sachleistungsprinzip, stehen, bestreite
ich nicht, sondern unterstelle ich sogar. Aber wenn Sie
dazu stehen, dann sollten Sie sich doch dazu äußern, wie

Klaus Kirschner

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Klaus Kirschner
Sie konkret mit den Instrumenten umgehen wollen, um
dies zu erhalten.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Ich habe drei Punkte von Herrn Gabriel genannt! Das ist doch auch unsere Position!)


Wenn Sie sagen, die Budgetierung aufheben zu wollen,
dann sollten Sie auch erklären, auf welche Weise Sie eine
Steuerung vornehmen wollen. Wir haben im Bereich des
ärztlichen Gesamthonorars eine Budgetierung eingeführt,
die sich vertraglich an der Einnahmeseite orientiert.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Falsch!)

Sie können durchaus feststellen, dass Sie das alles aufge-
ben würden. Wenn Ihnen aber die Beitragssätze davon-
laufen,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die laufen doch auch momentan davon!)


müssen Sie erklären, wie Sie damit umgehen wollen. Sie
wollen natürlich mit höheren Zuzahlungen gegensteuern.

Ich will nicht bestreiten, dass wir sowohl ein Einnah-
men- als auch ein Ausgabenproblem haben. Das ist unbe-
stritten.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das sieht Eichel anders! Eichel hat gestern etwas anderes gesagt!)


Die hohe Arbeitslosigkeit, die abgekühlte Konjunktur und
auch die Umwandlung von großen Teilen des Lohnes – Sie
beklagen schließlich, dass Reformen in der Rentenversi-
cherung nicht im gewünschten Maße erfolgen – haben
Auswirkungen auf die Einnahmeseite der gesetzlichen
Krankenversicherung.

Sie können nicht einerseits feststellen, dass die Riester-
Rente bzw. die betriebliche Rente nicht in dem Maße
nachgefragt wird, wie es eigentlich von der Regierung er-
wartet wird, ohne andererseits – schließlich sind Ihnen die
Konsequenzen, die sich daraus für die Einnahmeseite der
Sozialversicherungssysteme ergeben, bekannt – zu erläu-
tern, was Sie selber vorhaben.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Sie haben doch den Mist gemacht! Sie haben doch den Fehler gemacht!)


Wenn Sie für die private Säule der Altersvorsorge sind,
muss Ihnen doch bekannt sein, mit welchen Auswirkun-
gen das verbunden ist.

Da die Ausgabenproblematik in der Tat besteht, steuern
wir gegen. Mit dem von uns beschlossenen Beitragssatz-
stabilisierungsgesetz


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wird Zahnersatz teurer, nicht billiger! Sie erhöhen die Kosten!)


versuchen wir, die Ausgaben zu bremsen.

(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Zu rationieren! – Zuruf von der CDU/CSU: Was Sie versuchen, ist nicht wichtig!)


– Verehrte Frau Kollegin, Sie sollten wenigstens so ehr-
lich sein, zuzugeben, dass der Beitragssatz von 1992 bis
1998, also in der Zeit, in der der Kollege Seehofer als
Minister verantwortlich war, um 0,1 Prozentpunkte ge-
stiegen ist.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: 0,1?)

– Entschuldigung, ich meinte natürlich 0,91 Prozent-
punkte. Das ist fast ein Beitragssatzpunkt.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Von wann bis wann?)


– Von 1992 bis 1998.

(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Da war ich doch nicht Minister!)

– Gut, wenn Sie alles abschieben wollen, dann war es
eben Ihre Vorgängerin Frau Hasselfeldt.

1992 lag jedenfalls der Beitragssatz im Jahresdurch-
schnitt bei 12,71 Prozentpunkten und 1998 lag er im Jah-
resdurchschnitt bei 13,82 Prozentpunkten. Das heißt, dass
der Beitragssatz in der Zeit, in der Sie die Verantwortung
hatten, um 0,91 Prozentpunkte gestiegen ist. Sie können
doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sie beispiels-
weise 1996/97 – ich führe das deshalb an, weil Sie ja im-
mer darauf verweisen, wie großartig das Finanzergebnis
während Ihrer Regierungszeit gewesen sei – allein die
Zuzahlungen um 6 Milliarden Euro erhöht haben. Ver-
ehrter Herr Kollege Seehofer – das sage ich auch an die
Adresse Ihrer Kollegen –, dies entspricht einer Erhöhung
des Beitragssatzes um 0,6 Prozentpunkte. Das muss man
also noch hinzurechnen, wenn man wirklich wissen will,
wie Sie Ihr Finanzergebnis erzielt haben.

Ich möchte auch noch daran erinnern, dass während Ih-
rer Regierungszeit die Zuzahlungen mit 9, 11 und 13 DM
auf dem Höchststand waren. Wir haben sie auf 8, 9 und
10 DM zurückgeführt. Wir haben das getan, weil wir der
Meinung sind, dass die Menschen schon genügend durch
den hohen Beitragssatz, den Sie zu verantworten haben, be-
lastet sind. Sie haben ausschließlich die Kranken belastet.


(Zuruf des Abg. Dr. Dieter Thomae [FDP])

– Verehrter Herr Kollege Dr. Thomae, wenn Sie schon ei-
nen Zuruf machen, dann tun Sie es laut und deutlich.

Ich möchte noch etwas zu der von Ihnen ständig wie-
derholten Forderung nach höheren Zuzahlungen sagen.
Sie wissen doch genau, dass 10 Prozent der Versicherten
über 80 Prozent der Leistungsausgaben verursachen.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das sagt Lauterbach! Das stimmt aber nicht! Den kannst du vergessen! Es sind 20 Prozent!)


– Das ist doch dummes Zeug. Das können Sie doch je-
derzeit in den Statistiken nachlesen. Sie sollten hier doch
nicht einzelne Experten diskriminieren, nur weil sie Ihnen
wegen ihrer politischen Ansichten nicht gefallen. Tun Sie
mir einen Gefallen und seien Sie etwas seriöser.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Dieter Thomae [FDP]: 10 Prozent stimmten nicht!)



(A)



(B)



(C)



(D)


1088


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1089

– Herr Kollege Dr. Thomae, Sie können jeder Statistik
entnehmen, dass es 10 Prozent sind. Ich gebe Ihnen das
gerne schriftlich. Sie sollten nicht nur das lesen, was Ihre
Auffassung bestätigt, sondern ab und zu auch das, was
kritisch ist.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501412600

Herr Kollege, denken Sie freundlicherweise an Ihre

Redezeit, die Sie schon überschritten haben.


Klaus Kirschner (SPD):
Rede ID: ID1501412700

Herr Präsident, ich denke fast nur an die Redezeit.
Ich komme zum Schluss. Wenn Sie weiterhin kritisie-

ren, ohne konkrete Maßnahmen vorzuschlagen, dann wer-
den Sie dort bleiben, wo Sie jetzt sitzen, nämlich auf den
Oppositionsbänken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501412800

Das Wort hat nun der Kollege Andreas Storm, CDU/

CSU-Fraktion.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1501412900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kol-

leginnen und Kollegen! Der Kollege Seehofer hat vorhin
in einer einzigen Rede mehr konkrete Vorschläge zur Ren-
tenpolitik gemacht als die Ministerin seit ihrem Amts-
antritt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)


Bei der heutigen Haushaltsdebatte sollte es um Zahlen
und Fakten sowie um Klarheit und Wahrheit gehen. Aber
damit steht Rot-Grün auf Kriegsfuß. Im Juli dieses Jahres
versprach die Bundesregierung einen stabilen Renten-
versicherungsbeitrag für das nächste Jahr. Aber bereits
zu diesem Zeitpunkt hatten die Rentenversicherungsträ-
ger in Berlin massiv interveniert und gewarnt, dass nach
ihren Berechnungen der Beitragssatz auf mindestens
19,5 Prozentpunkte steigen werde. Wie sah die Reaktion
des Ministeriums aus? Unverantwortliches Gerede! Die
mehrfachen Warnungen wurden in den Wind geschlagen.

Die Dramatik liegt nun im Folgenden: Die Bundesver-
sicherungsanstalt für Angestellte, die gestern in Berlin
getagt hat, hat deutlich gemacht, dass die Daten der Bun-
desregierung aus Sicht der Rentenversicherungsträger wie-
derum geschönt sind.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: So ist es!)

Wenn man mit realistischen Annahmen rechnet, Frau
Ministerin, dann ergeben die Berechnungen der Renten-
versicherungsträger, dass wir im nächsten Jahr eine
Schwankungsreserve von einer halben Monatsausgabe
unterschreiten werden. Das ist ein Punkt, der in dieser
Haushaltsdebatte für die Öffentlichkeit klar gesagt wer-
den muss.


(Zuruf von der SPD: Was heißt denn das?)

Noch bevor das Gesetz entgültig den Bundesrat pas-

siert hat, ist bereits klar, dass aus Sicht der Rentenversi-
cherungsträger der Rentenbeitrag im nächsten Jahr vor-
sätzlich zu niedrig angesetzt ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Von Ihnen, Frau Ministerin, gibt es dazu kein einziges
Wort.


(Erika Lotz [SPD]: Dann haben Sie der Frau Ministerin nicht zugehört!)


Meine Damen und Herren, die Menschen in unserem
Land erwarten von der Regierung, dass Ihnen die Wahr-
heit über die Lage der Rentenfinanzen und des Gesund-
heitswesens gesagt wird. Sie erwarten dies vor allem vor
einer Bundestagswahl.

Frau Ministerin Schmidt, Sie haben eine besonders
perfide Art der Salamitaktik angewandt, um die tatsächli-
che Lage zu verschleiern. Noch am 3. September, also ge-
rade einmal drei Wochen vor der Bundestagswahl, als klar
war, dass die Krankenkassen im ersten Halbjahr ein De-
fizit von 2,4 Milliarden Euro eingefahren haben, erklärten
Sie, es seien keine Beitragserhöhungen auf breiter Front
zu erwarten.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das hat sie gesagt!)


Am gleichen Tag treibt die SPD ihre Realitätsverweige-
rung auf die Spitze mit der Behauptung: Finanzlage und
Beiträge der Krankenkassen sind stabil. – Frau Schmidt
erklärte wörtlich: Es gibt keinen Anlass, Panikmache zu
veranstalten.

Panik brach dann unmittelbar nach der Bundestagswahl
aus. In aller Eile haben Sie ein Vorschaltgesetz gezimmert,
mit dem Sie Beitragserhöhungen vermeiden wollten.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das ging daneben!)


Als vor drei Wochen das Vorschaltgesetz im Deutschen
Bundestag verabschiedet wurde, haben Sie erklärt,


(Zuruf von der SPD: Die Rede habe ich gerade schon einmal gehört!)


dass es plötzlich ein Defizit von 1,2Milliarden Euro gebe.
Zehn Tage später waren es 2 Milliarden Euro. Jetzt muss-
ten Sie einräumen, dass es mehr sind. Ich sage Ihnen vo-
raus: Noch vor Weihnachten werden wir feststellen, dass
in diesem Jahr die Krankenkassen mindestens mit einem
Defizit von 3 Milliarden Euro abschließen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dieter Thomae [FDP]: Plus Kreditaufnahme!)


Meine Damen und Herren, die Konsequenz hieraus be-
deutet doch, dass die Beiträge im nächsten Jahr massiv
steigen werden, und zwar auf eine Größenordnung von bis
zu 14,5 Prozent. Das heißt, in einem Zeitraum von zwölf
Monaten steigen die Beiträge in der Amtszeit von Frau
Schmidt um mindestens einen Punkt.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Trotz Ökosteuer!)


Klaus Kirschner

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Andreas Storm
Das ist mehr als zuvor in einem Zeitraum von zwölf Jah-
ren.


(Lachen der Bundesministerin Ulla Schmidt – Gegenruf des Abg. Horst Seehofer [CDU/ CSU]: Sie haben doch keine Ahnung!)


Damit ist das Ziel des Vorschaltgesetzes, Frau Schmidt,
nämlich Beiträge zu stabilisieren, bereits gescheitert, be-
vor Ihr Gesetz in Kraft getreten ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das hat einen einzigen Grund und dieser Grund liegt

darin, dass die Diagnose, die diesem Gesetz zugrunde
liegt, nicht stimmt. Deswegen kann auch die Therapie
nicht greifen. Ihre Diagnose lautet, dass es nicht ein Ein-
nahmeproblem sei. Die Sachverständigen – ich nenne
einmal den langjährigen Vorsitzenden des Sachverständi-
genrats im Gesundheitswesen, Professor Schwartz – sa-
gen Ihnen jedoch deutlich, dass es derzeit bei der Kran-
kenversicherung in erster Linie ein Einnahmeproblem
und nicht ein Ausgabenproblem gibt. Das hat vor allem
zwei Ursachen. Die eine Ursache ist die hochdramatische
Arbeitsmarktlage, die derzeit allen Zweigen der Sozial-
versicherung die Beitragseinnahmen wegbrechen lässt.
Das gilt im Übrigen nicht nur für die Kranken- und Ren-
tenversicherung, sondern in ähnlicher Weise auch für die
Pflegeversicherung, der die Rücklage in einer Weise da-
vonschwimmen wird, wie Eis in der Sonne schmilzt.

Meine Damen und Herren, nicht nur diese dramatische
Arbeitsmarktlage, sondern vor allem auch der gewaltige
Verschiebebahnhof verursacht die Probleme der Kran-
kenkassen massiv. Das Gutachten der Wirtschaftsweisen,
das vor wenigen Tagen der Bundesregierung überreicht
worden ist, macht deutlich, dass allein in den Jahren 2001
und 2002 die gesetzliche Krankenversicherung in einer
Größenordnung von 0,4 Beitragssatzpunkten belastet
worden ist. Das heißt, der Löwenanteil des Beitragssatz-
anstiegs in diesem Jahr ist auf den hausgemachten Ver-
schiebebahnhof dieser Regierung zurückzuführen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, genau diesen gravierenden

Fehler setzen Sie nun fort. Denn am gleichen Tag, als im
Deutschen Bundestag das Vorschaltgesetz verabschiedet
worden ist, haben Sie mit der Verabschiedung des Hartz-
Gesetzes den Krankenkassen neue Lasten in einer
Größenordnung von 1,5 Milliarden Euro aufgebürdet.
Das bedeutet, dass die Kassen auf der einen Seite in einer
Dimension von 2,5 Milliarden Euro entlastet werden sol-
len und auf der anderen Seite mit 1,5 Milliarden Euro be-
lastet werden. Damit ist ganz klar: Die Kassen können gar
nicht anders als Beiträge zu erhöhen; anders können sie
Defizite in einer so gigantischen Dimension nicht bewäl-
tigen.

Es braucht ein gerüttelt Maß an Selbstüberschätzung
und Realitätsverlust, wenn man, wie es der Bundeskanz-
ler im gesundheitspolitischen Teil seiner Rede gestern ge-
tan hat, behauptet, mit diesem Vorschaltgesetz werde
eine Basis für weiter reichende Strukturreformen ge-
schaffen. Frau Schmidt, was ist es für eine Basis, wenn
den Krankenhäusern und Arztpraxen eine Nullrunde ver-
ordnet wird, mit dem Ergebnis, dass es zu Wartelisten für

Operationen kommen wird oder aber Mitarbeiter entlas-
sen werden müssen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Was ist es für eine Basis, wenn Zehntausende Arbeits-
plätze in den Apotheken zerstört werden? Was ist es für
eine Basis, wenn zahlreiche kleine Apotheken schließen
müssen und die Versorgung der Patienten insbesondere im
ländlichen Raum massiv bedroht wird? Die Apotheken
sind angesichts einer Belastung von mehr als 1 Milliarde
Euro die Hauptleidtragenden dieses Notstandsgesetzes.
Dieses Existenzvernichtungsprogramm wird die Apothe-
kenlandschaft in den nächsten Monaten massiv umkrem-
peln.

Der rot-grüne Irrsinn wird aber beim Zahnersatz am
deutlichsten.


(Erika Lotz [SPD]: Na, na, na! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Ist es Wahnsinn, so hat es doch Methode!)


Oft wird behauptet, die Zahntechniker seien Preistreiber.
Das Gegenteil ist der Fall: Die Einkommens- und Preis-
entwicklung lag in diesem Bereich in den letzten Jahren
weit unter dem Durchschnitt der allgemeinen Preisent-
wicklung im Gesundheitswesen. Nun sollen die Preise der
Leistungserbringer per Gesetz um 5 Prozent gesenkt wer-
den.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Zunächst!)

Gleichzeitig wird die Mehrwertsteuer um 9 Prozent-
punkte erhöht. Am Ende werden die zahntechnischen
Leistungen teurer als vorher sein. Das Geld wird vom
Finanzminister kassiert und Arbeitsplätze fallen weg.
Eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen aus den
Reihen der Koalitionsfraktionen haben hierzu persönliche
Erklärungen abgegeben. Aber was nützen diese persön-
lichen Erklärungen,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wenn sie trotzdem zustimmen!)


wenn sie am Ende nicht die Konsequenz ziehen und zu ei-
ner solchen Gesetzgebung nicht Nein sagen? Absurder
und zynischer kann es nicht gehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, damit bleibt eines übrig:

Die finanziellen Probleme der Sozialversicherung sind
weit gehend hausgemacht. Sie entziehen der Sozialversi-
cherung mit der einen Hand Milliardensummen. Mit der
anderen Hand sammeln Sie dieses Geld zulasten der Pati-
enten und Beitragszahler und vor allen Dingen der Be-
schäftigten im Gesundheitswesen ein.

Was muss getan werden, um eine Entlastung der Bei-
tragszahler zu erreichen? Der erste Punkt: Es muss natür-
lich Schluss mit diesen Verschiebebahnhöfen sein.


(Beifall des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/CSU])


Ohne diese Verschiebebahnhöfe wäre der Löwenanteil
des Beitragserhöhungspotenzials für das nächste Jahr be-
reits weggefallen. Der zweite Punkt: Es müssen Vor-
schläge für mehr Eigenverantwortung der Versicherten


(A)



(B)



(C)



(D)


1090


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1091

gemacht werden. Warum verschließen Sie sich immer
noch dem Gedanken, einen Selbstbehalt einzuführen,
nachdem mit der TK die erste Kasse im nächsten Jahr ei-
nen entsprechenden Versuch machen wird?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dieter Thomae [FDP]: Gute Kasse!)


Der niedersächsische Ministerpräsident – Kollege
Seehofer hat es bereits angesprochen – hat diesen Vor-
schlag ebenfalls unterstützt. Warum lassen Sie die Kassen
nicht einmal ausprobieren, wie das Ganze funktioniert?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501413000

Herr Kollege Storm, gestatten Sie eine Zwischenfrage?


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1501413100

Ja. – Herr Kollege, bitte schön.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501413200

Ich sehe, es sollen zwei Zwischenfragen gestellt wer-

den. Wir werden sie der Reihe nach abwickeln.
Bitte schön.


Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1501413300

Herr Kollege Storm, der Grund, warum wir den Bo-

nus für die Krankenkassen nicht gern sehen, liegt darin,
dass – –


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Frage!)

– Nein, ich brauche nicht zu fragen. Lesen Sie einmal den
§ 27 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung nach. Dann sehen
Sie, dass ich auch eine Zwischenbemerkung machen darf.
Genau dies tue ich jetzt.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Am Ende!)

Wenn die Krankenkasse den Gesunden Geld gibt, blei-

ben ihr die Kosten erhalten. Meinen Sie nicht, dass die
Kranken genau diese Kosten zusätzlich aufbringen müs-
sen? Damit handelt es sich bei Ihrem Vorschlag um ein
zweischneidiges Schwert; denn jede Mark, die Sie ausge-
ben, müssen Sie woanders wieder hereinholen. Die Kos-
ten im Gesundheitswesen lassen sich bekanntlich nicht so
drastisch senken. Insofern sind Sie nach meiner Auffas-
sung einem Irrtum unterlegen.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1501413400

Herr Kollege Dreßen, die Vertreter der großen Kran-

kenkasse, die dieses Modell im nächsten Jahr anbietet, ar-
beiten ebenfalls mit Versicherungsmathematikern zusam-
men, die sicherlich nicht ganz ohne Ahnung von den
Zusammenhängen sind. Warum warten Sie das Ergebnis
dieses Versuches nicht ab?

Sie verfolgen immer wieder den gleichen Ansatz: Sie
wollen den Menschen in Bezug auf die Wahl der Tarife

und den Umfang einer Versicherung keine Entschei-
dungsfreiheit lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dies ist ein Ansatz des letzten Jahrhunderts. Er passt nicht
in diese Zeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501413500

Herr Storm, sind Sie bereit, auch noch die zweite Zwi-

schenfrage zu beantworten?


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1501413600

Ja.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501413700

Herr Büttner, bitte schön.


Hans Büttner (SPD):
Rede ID: ID1501413800

Würden Sie wenigstens die volkswirtschaftlichen Zu-

sammenhänge, die Kollege Dreßen eben aufgezeigt hat,
zur Kenntnis nehmen? Ob 10 Prozent oder 20 Prozent
der Versicherten – das hat Kollege Thomae eben ge-
sagt – Leistungen in Anspruch nehmen, ist nicht die
Frage. Entscheidend ist, dass ein kleinerer Teil der Ver-
sicherten Leistungen in Anspruch nimmt, für die der
größere Teil zahlt. Wenn der größere Teil der Versicher-
ten nicht mehr oder weniger zahlt, dann bleiben trotz-
dem die Kosten für die wenigen, die die Leistungen in
Anspruch nehmen. Wie wollen Sie diesen volkswirt-
schaftlichen und betriebswirtschaftlichen Widerspruch
überhaupt aufklären?

Das Zusammenspiel zwischen Einnahmen und Ausga-
ben in der gesetzlichen Krankenversicherung funktio-
niert dadurch, dass nur ein kleiner Teil der Mitglieder
Leistungen in Anspruch nimmt, während der größere Teil
der Mitglieder dafür solidarisch zahlt. Wenn der größere
Teil weniger zahlt, dann muss für den kleineren Teil ge-
nau das Gleiche wie vorher aufgewendet werden. Das ist
nur über eine Erhöhung der Beiträge aller möglich. Volks-
wirtschaftlich gesehen ist das die Alternative.

Zweitens. Sie haben vorhin auf die Apotheken hinge-
wiesen. Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass die Apo-
theken von den Ausgabensteigerungen im Arzneimittel-
bereich um 9 Prozent im letzten Jahr durch die Rabatte
profitiert haben? Halten Sie es für nicht zumutbar, dass je-
mand, der 9 Prozent mehr Einnahmen hatte, im Jahr da-
rauf einmal auf Einnahmesteigerungen verzichtet? Teilen
Sie meine Auffassung, dass man deswegen keine Stellen
streichen muss? Wer mit Einnahmesteigerungen um 9 Pro-
zent seine Kosten nicht decken kann, der hat schon vorher
nicht wirtschaftlich gearbeitet. Wenn er wirtschaftlich ge-
arbeitet hat, dann kann er den Verzicht auf Einnahmestei-
gerungen in einem Jahr jederzeit verkraften. Würden Sie
mir da Recht geben?


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Er kann Gewinn und Umsatz nicht unterscheiden!)


Andreas Storm

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1501413900

Herr Kollege, zur ersten Frage: Fragen Sie vielleicht

einmal den niedersächsischen Ministerpräsidenten, Ihren
Parteifreund Gabriel!

Im Übrigen ist die SPD-Bundestagsfraktion, was ihre
eigene Programmatik angeht, nicht gänzlich auf der Höhe
der Zeit.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch die SPD hat in diesem Jahr mehrfach Vorschläge zur
Teilnahme an bestimmten Programmen gemacht. Die
SPD hat beispielsweise vorgeschlagen, dass derjenige ei-
nen niedrigeren Beitrag zahlen soll, der, bevor er einen
Facharzt aufsucht, zunächst zu seinem Hausarzt geht, ihn
sozusagen als Lotsen nimmt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die mit Ihren Vorschlägen verbundenen Grundprobleme
sind die gleichen wie die, die mit der Überlegung der Ein-
führung eines Selbstbehalts verbunden sind.

Ich komme auf die Frage nach den Apothekern zu
sprechen. Es ist gut, dass hier die Gelegenheit besteht, un-
sere Überlegungen dazu deutlich zu machen. Die Apothe-
ken werden in einer Dimension von 1 Milliarde Euro be-
lastet; denn auch sie werden von dem, was den
Großhandel betrifft, in Mitleidenschaft gezogen. Das hat
zur Folge, dass sich die Apothekenlandschaft in Deutsch-
land dramatisch verändern wird. Wer eine solche Ände-
rung will, der muss das deutlich ansprechen. Allerdings
sollte man die Maßnahmen, die einer solchen Änderung
zugrunde liegen, nicht durch die Hintertür in einem sol-
chen Notstandspaket unterbringen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben heute bereits über Therapien gesprochen.

Der entscheidende Punkt sind – dazu haben wir von Ihnen,
Frau Ministerin, kein einziges Wort gehört – die langfris-
tigen Probleme: Demographischer Wandel und medizi-
nisch-technischer Fortschritt werden dazu führen – das sa-
gen nahezu alle Studien –, dass sich die Beitragssätze in
der Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung in
den nächsten vier Jahrzehnten nahezu verdoppeln werden,
wenn dem nicht durch Reformen entgegengewirkt wird.

Auf die damit verbundenen Fragen wollen wir Antwor-
ten. Wir wollen wissen, ob Sie auch in Zukunft daran fest-
halten wollen, dass steigende Ausgaben im Gesundheits-
wesen immer zu steigenden Lohnnebenkosten führen.
Oder sind Sie bereit über neue, intelligentere Modelle der
Finanzierung nachzudenken? Sind Sie auch bereit, über
neue Formen der Vorsorge im Gesundheitswesen nachzu-
denken, um zu verhindern, dass die junge Generation auf
Dauer mit Beiträgen belastet wird, die sie nicht zahlen
kann? Meine Damen und Herren, ich muss feststellen: Zu
solchen Vorschlägen fehlt Ihnen die Kraft. Sie sind Nach-
lassverwalter Ihrer eigenen Fehlentscheidungen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501414000

Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Eckhart

Lewering, SPD-Fraktion.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Wir könnten jetzt Schluss machen, Herr Präsident!)


– Das Präsidium steht solchen Vereinbarungen der Frak-
tionen bekanntlich selten im Wege.

Bitte schön, Herr Kollege Lewering.


Eckhart Lewering (SPD):
Rede ID: ID1501414100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

Seehofer, ein Wort zu Ihnen: Sie haben uns Beitragssatz-
erhöhungen vorgeworfen. Im ersten Jahr Ihrer Amtszeit
ist der Beitragssatz in der GKV von 12,5 auf 13,2 Prozent
gestiegen


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das waren noch Zeiten!)


– jetzt kommt das Entscheidende dazu –, und das bei zu-
sätzlichen Belastungen der Patienten durch massive
Leistungsausgrenzungen und Kürzungen zu Zahlungs-
erhöhungen, sodass zum Schluss insgesamt ein Wert
von 6 Milliarden Euro herausgekommen ist. Damit hät-
ten Sie – das wissen Sie auch – fast die medizinische
Rehabilitation zum Ende gebracht.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Herr Präsident, erlauben Sie eine Zwischenbemerkung?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501414200

Dann aber bitte in der geordneten Weise, dass der Red-

ner zunächst seine Bereitschaft erklärt und der Fragestel-
ler sich dann von seinem Platz erhebt. – Offenkundig ist
zu dieser Prozedur beiderseitiges Einvernehmen herstell-
bar. Daher darf ich jetzt dem Kollegen Seehofer das Wort
zur einer Zwischenfrage geben.


Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1501414300

Herr Kollege Lewering, können wir das heute einmal

klarstellen, damit man nicht immer das Falsche aus dem
Bundesgesundheitsministerium vorliest: Ich habe im
Mai 1992 begonnen und habe ein Defizit von 10 Milliar-
den DM in der Krankenversicherung vorgefunden. Dann
haben wir gemeinsam – SPD, FDP und CDU/CSU –


(Klaus Kirschner [SPD]: Frau Hasselfeldt!)

eine Gesundheitsreform gemacht, die am 1. Januar 1993
in Kraft trat. Dann hatten wir einen Beitragssatz von
13,5 Prozent mit In-Kraft-Treten der Reform. Ich habe
mein Ministeramt abgegeben mit einem Beitragssatz
von 13,6 Prozent und Überschüssen in Milliardenhöhe
für die gesetzlichen Krankenkassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)



Eckhart Lewering (SPD):
Rede ID: ID1501414400

Herr Seehofer, durch Ihre Spargesetze 1996 und 1997,

mit denen Sie eigentlich große Einsparungen erreichen
wollten, haben Sie unter anderem fast die medizinische
Reha ad acta gelegt. Das wollte ich dazu noch einmal sa-
gen.


(A)



(B)



(C)



(D)


1092


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1093


(Beifall des Abg. Peter Dreßen [SPD] – Zuruf von der CDU/CSU: War das jetzt die Antwort?)


– Richtig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die konjunk-

turelle Schwäche hat in Deutschland zurzeit deutliche
Spuren in den öffentlichen Haushalten hinterlassen. Dies
gilt selbstverständlich auch für die Sozialkassen.
Während die Ausgaben ansteigen, gibt es gleichzeitig im-
mer weniger Beitragszahler. Immer weniger Beschäftigte
müssen die Ausgaben der Krankenversicherung finan-
zieren. Dies führt selbstverständlich auch zu steigenden
Beiträgen. Mit anderen Worten: Wir müssen sparen. Wir
sparen aber sozial gerecht.

Aus diesem Grunde wird es im kommenden Jahr erst-
mals auch bei den Leistungserbringern zu einer Minde-
rung der Ausgaben kommen. Mit dem Gesetz zur Siche-
rung der Beitragssätze in der GKVhaben wir bereits einen
bedeutenden Schritt getan, um die Finanzgrundlage der
gesetzlichen Krankenversicherung zu stabilisieren und
den finanziellen Spielraum, den wir für die notwendigen
strukturellen Reformmaßnahmen brauchen, zu bekom-
men.

Gleichzeitig werden wir diese Strukturen im
stationären Sektor gezielt fortentwickeln. So sollen
Krankenhäuser, die bereits im kommenden Jahr nach dem
neuen Abrechnungsmodus der Fallpauschalen arbeiten,
auch im Jahre 2003 die ursprünglich vorgesehene Steige-
rungsrate erhalten. Von dem neuen Abrechnungssystem
erhoffen wir uns eine höhere Effizienz, sodass seine
schnelle Einführung eine entsprechende Ausnahme zu
rechtfertigen vermag.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben mit diesem Gesetz eine Nullrunde be-

schlossen. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass im kom-
menden Jahr der gleiche Betrag zur Verfügung stehen
wird wie in diesem Jahr. Für niedergelassene Ärzte,
Zahnärzte und Krankenhäuser wird im kommenden Jahr
also mindestens der gleiche Betrag zur Verfügung stehen
wie im auslaufenden Jahr. Es ist also nicht so, wie es oft
gesagt wird, dass weniger Geld zur Verfügung steht.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Wie ist es mit Tarifverträgen?)


Auch im ambulanten Bereich, Herr Thomae, halten
wir trotz Sparkurs an unseren innovativen Reformen fest.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Oh!)

– Richtig, innovative Reformen. – Ärzte, die sich an Di-
sease-Management-Programmen beteiligen, zum Bei-
spiel in den Bereichen Brustkrebs und Diabetes, können
mit den Krankenkassen hierfür besondere Vergütungen
aushandeln. Das Gleiche gilt auch für Hausarztverträge.

Besonders ausgeprägt waren und sind die Ausgaben-
zuwächse bei den Arzneimitteln. Das ist hier schon ein-
mal kurz angeklungen. Es ist davon auszugehen, dass sich
die Arzneimittelausgaben der Krankenkassen im Zeit-
raum 2000 bis 2002 je Mitglied um 15 Prozent erhöht ha-
ben. Im Jahre 2001 sind die GKV-Arzneimittelausgaben
um 2,2 Milliarden Euro gestiegen und im Jahre 2002 wird

sicher noch 1 Milliarde Euro dazu kommen. Daher kann
und muss auch der Arzneimittelsektor seinen Beitrag zur
Stabilisierung der GKV-Finanzen leisten.


(Beifall bei der SPD)

Das Beitragssatzsicherungsgesetz legt allen, von den
pharmazeutischen Herstellern bis zu den Apotheken, ein
Einsparopfer von 1,37Milliarden Euro auf. Das heißt, un-
sere Reformen haben Augenmaß.

Zwischen 1996 und 2001 stieg der Umsatz der Apo-
theken inflationsbereinigt um 22,2 Prozent. Das teilte das
Statistische Bundesamt in der vergangenen Woche mit.
Der gesamte deutsche Einzelhandel konnte seine Umsätze
im gleichen Zeitraum lediglich um 1,5 Prozent erhöhen.
Dieser Trend hat sich auch im laufenden Jahr fortgesetzt.
Während die Einzelhändler teilweise sogar Umsatzrück-
gänge verkraften müssen, können die Apotheken erneut
einen Zuwachs von 5,3 Prozent verbuchen. Lassen wir
uns also nicht beirren. Darüber hinaus wollen wir dafür
Sorge tragen, dass weniger Geld für vergleichbare Arz-
neimittel ausgegeben wird. Hierüber ist schon einiges ge-
sagt worden.

Wir werden und müssen über neue Wege bei der Fi-
nanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung nach-
denken und die erforderlichen Maßnahmen in dieser Le-
gislaturperiode auf den Weg bringen. Im Klartext: Wir
haben nicht nur ein Ausgabeproblem, wir haben auch ein
Einnahmeproblem. Denken wir zum Beispiel nur einmal
an die Fehlversorgung. Selbst wenn wir die Überversor-
gung auf der einen Seite abbauen, verbleibt doch immer
noch die Unterversorgung in anderen Bereichen. Ich
denke hier auch an die Bereiche Prävention und Rehabi-
litation sowie an Chroniker. Hier fehlen uns immer noch
ausreichende Angebote. Das kann man nicht einfach weg-
diskutieren. Selbst wenn wir die Überversorgung ab-
bauen, ist das erst die halbe Miete. Einsparungen, die sich
in niedrigeren Beitragssätzen niederschlagen würden, ha-
ben wir damit aber noch lange nicht erreicht. Zunächst
einmal müssen wir die Unterversorgung beseitigen und
das kostet, wie wir alle wissen, auch Geld.

Wenn es wirklich stimmt, dass es bei jeder zweiten
Röntgenuntersuchung zu einer Fehldiagnose kommt, und
wenn es wirklich wahr ist, dass jede dritte Röntgenunter-
suchung überflüssig ist, zeigt das, dass wir hier handeln
müssen.


(Beifall bei der SPD)

Aus diesem Grund haben wir in den Haushalt einen Be-
trag von 2 Millionen Euro eingestellt, mit dem die Vorun-
tersuchungen zur Entwicklung und Einführung einer
elektronischen Gesundheitskarte finanziert werden sol-
len. Die weiteren Kosten für ein entsprechendes Modell-
projekt zur Erprobung dieser Karte werden von den Kas-
sen aufgebracht. Diese Karte soll auch Notfalldaten und
Informationen über erforderliche Voruntersuchungen ent-
halten.

Neben der Gesundheitskarte verspricht auch das In-
strument einer Patientenquittung ein steigendes Maß an
Transparenz und Kostenersparnis.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Na, ja! Ich bezweifle das!)


Eckhart Lewering

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Eckhart Lewering
In diesem Punkt bestehen ja durchaus Gemeinsamkeiten
zwischen uns.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Nein!)

– Doch.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das wäre mir neu!)


Die Finanzierung im Gesundheitswesen ist teilweise
auch deshalb defizitär, weil sich die Strukturen geändert
haben.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Interessant!)

Ein weiteres Drehen an der Beitragsschraube ist daher
keine Lösung. Also müssen auch wir Strukturanpassun-
gen vornehmen, wenn wir die Finanzierung sicherstellen
wollen. Dies ist eine entscheidende Aufgabe für diese Le-
gislaturperiode. Wir werden dies tun, aber ohne den soli-
darischen Charakter unseres Gesundheitswesens zu op-
fern.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was will uns der Verfasser damit sagen?)


Immer wieder werden die Verwaltungskosten der
Krankenkassen als zu hoch bezeichnet. Wir handeln jetzt
und wollen erreichen, dass auch die Kassen selber ihren
Beitrag zum Sparen leisten, indem sie ihre Verwaltungs-
ausgaben im kommenden Jahr auf den Betrag des laufen-
den Jahres begrenzen. Also auch eine Nullrunde für die
Krankenkassen selbst.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Darum erhöhen sie jetzt die Beiträge massenhaft! Das ist die Nullrunde!)


Gestatten Sie mir noch einen Satz zur Änderung des
SGB IX. Mit diesem Gesetz zur Bekämpfung der Ar-
beitslosigkeit Schwerbehinderter haben wir die Kompe-
tenzen und Fähigkeiten behinderter Menschen in Arbeit
und Beruf in den Mittelpunkt gestellt.
Als Anreiz wurde gleichzeitig die Pflichtquote zur
Beschäftigung schwerbehinderter Menschen von 6 auf
5 Prozent gesenkt. Diese Initiative war ein durchschla-
gender Erfolg.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In nur zwei Jahren ist es mithilfe der neuen Instrumente
gelungen, vielen Tausend behinderten Menschen einen Ar-
beitsplatz zu vermitteln. Der Rückgang der Arbeitslosen-
zahlen auf diesem Gebiet lag Ende Oktober 2002 bei fast
24 Prozent.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Nach der geltenden Gesetzeslage müsste die Pflicht-
quote trotzdem zum 1. Januar 2003 wieder auf 6 Prozent
angehoben werden. Dies wäre aber genau das falsche
Signal. Es würde die Arbeitgeber mit circa 340 Milli-
onen Euro Mehrkosten belasten und ihre Motivation, auch
weiterhin behinderte Menschen einzustellen, nicht er-
höhen. Dies würde den erfolgreichen Reformprozess ge-
fährden. Um dies zu verhindern, wollen wir mit dem vor-

liegenden Gesetzentwurf die Anhebung der Pflichtquote
um ein Jahr bis zum 1. Januar 2004 aussetzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zusammenfassend möchte ich sagen, dass es dem
neuen Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Si-
cherung gelungen ist, nun einen gemeinsamen Haushalt
für die Bereiche Gesundheit und soziale Sicherung vor-
zulegen, der einen wichtigen Beitrag zum politisch ge-
wollten Sparziel leistet und gleichzeitig die fachpoliti-
schen Ziele voll erfasst.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501414500

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Heinrich Kolb von

der FDP-Fraktion.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1501414600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

möchte meine kurze Redezeit darauf verwenden, um die
Aussagen der Ministerin zur Sicherheit der Renten in un-
serem Land zu kommentieren.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist notwendig!)


Frau Ministerin Schmidt, Sie müssen sich schon gefal-
len lassen, dass wir Ihre Aussagen insbesondere nach den
Chaostagen, die Rot-Grün hier in der letzten Zeit mit ihren
Aussagen zur Sozialversicherung geboten hat, kritisch be-
leuchten.

Zur Erinnerung. Bis zur Bundestagswahl hieß es: Mit
der riesterschen Reform ist alles klar, perfekt, dies ist eine
Jahrhundertreform. Bis auf Weiteres gibt es bei der Rente
keinen Handlungsbedarf. Dann hörte man plötzlich, der
Rentenbeitrag müsse auf 19,3 Prozent angehoben werden.
Kurz danach sagte Frau Schmidt: Das reicht nicht, es müs-
sen 19,5 Prozent werden. Dann haben sich die Grünen
aufgeplustert, sind aber dann wie immer eingeknickt.

Zur Beruhigung der Grünen wurde dann eine Kom-
mission eingesetzt. Über diese Kommission und die mög-
lichen Ergebnisse der Arbeit dieser Kommission haben
Sie, Frau Schmidt, dann gesagt, Sie würden die Vor-
schläge der Kommission vielleicht doch nicht so umset-
zen. Der Kollege Stiegler hat sich dann unsäglich verstie-
gen und geglaubt, schon im Voraus „Professorengeschwätz“
feststellen zu müssen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der SPD-Generalsekretär Scholz sagt: Es gibt trotz al-
lem weiterhin keinen Handlungsbedarf. Unterdessen hat
der Bundeskanzler gestern hier erklärt, man habe das Bei-
tragssatzsicherungsgesetz nur gemacht, damit man die
Reformen jetzt in Ruhe durchführen könne.

Frau Schmidt, dies ist wirklich Kakophonie auf höchs-
tem Niveau. Sie müssen sich schon gefallen lassen, dass
wir hier genau hinschauen.


(A)



(B)



(C)



(D)


1094


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1095

Nun zum Gutachten des Bundesrechnungshofes. Ich
habe mir dieses einmal zu Gemüte geführt. Noch mehr als
bei Finanzminister Eichel, der letztes Jahr gesagt hat, sein
Haushalt sei auf Kante genäht, wird es bei Ihnen im
nächsten Jahr sehr eng. In diesem Jahr – so sagt der Bun-
desrechnungshof – hatten wir im Oktober 2002 noch eine
Mindestreserve von 0,47 Monatsausgaben. Behalten Sie
dies bitte im Hinterkopf. Der Bundesrechnungshof weist
darauf hin, dass davon nur 0,36Monatsausgaben kurzfris-
tig verfügbar sind. Der Rest ist in Immobilien gebunden,
die erst verwertet werden müssten.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das muss man wiederholen!)


Ende 2002 wird, wenn alles gut geht, die Mindest-
reserve wieder auf 0,63 Monatsausgaben – so der Bun-
desrechnungshof – ansteigen, jedoch unter der Annahme,
dass das Weihnachtsgeld im November und Dezember so
wie in den Vorjahren gezahlt wird. Aber wenn Sie sich
einmal umhören, was derzeit in der Wirtschaft umgeht,
muss man zu dem Schluss kommen, dass manche viel-
leicht eine Überraschung erleben werden.


(Zuruf des Abg. Fritz Schösser [SPD])

– Nicht, dass ich mich darüber freue, Herr Schösser, aber
man darf die Augen vor der Realität nicht verschließen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Jetzt kommt es. Frau Ministerin, der Bundesrechnungs-

hof sagt: Im Oktober 2003 wird die Mindestreserve auf ei-
nen Wert von nur noch 0,11 Monatsausgaben absinken.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das kann nicht sein!)


Wenn Sie sich an das erinnern, was ich vorhin gesagt
habe, stellen Sie fest, dass dies genau der derzeitige illi-
quide Teil der Mindestreserve ist. Im Oktober nächsten
Jahres stehen wir wirklich knallhart an der Kante. Nur
dann, wenn es gut geht und die Annahmen der Bundes-
regierung bezüglich des Wachstums der Lohnsumme
stimmen – Sie gehen ja von 2,5 Prozent aus, während die
BfA gestern gesagt hat, dass die Annahme von 1 Prozent
für das nächste Jahr realistischer sei –, wird die Mindest-
reserve bis zum Ende nächsten Jahres wieder auf
0,63 Monatsausgaben aufgefüllt werden können.

Das heißt, Frau Ministerin, Ihre Aussage, die Rente sei
sicher, ist sehr kühn.


(Widerspruch bei der SPD)

Dieses Best-Case-Szenario trifft nur zu, wenn alle Rah-
menbedingungen optimal sind. Aber aufgrund der ne-
gativen wirtschaftlichen Entwicklung, die wir leider
feststellen müssen und die Sie mit Ihren politischen Ent-
scheidungen befördern, ist davon auszugehen, dass ein
„durchschnittliches“ Szenario – ich hoffe, kein Worst-
Case-Szenario – eintreten wird.

Wir werden uns also sehr schnell über mögliche Ände-
rungen des Beitragssatzes in der Rentenversicherung,
über einen höheren Bundeszuschuss und vor allen Dingen
auch über die Inanspruchnahme der Bundesgarantie
nach § 214 SGB VI unterhalten müssen. Aber hierfür ist
in Ihrem Haushalt überhaupt keine Vorsorge getroffen.

Sie tun so, als ob der Fall einer Inanspruchnahme der Bun-
desgarantie nicht in Betracht kommen würde.

Ich bitte Sie, nicht nur die Frage des Kollegen Thomae
zu beantworten, sondern auch mir zu sagen, was aus Ihrer
Sicht im Fall des Eintretens der geschilderten Annahmen
zu tun wäre und wie Sie auf diese Situation reagieren wol-
len.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501414700

Das Wort hat jetzt der Kollege Markus Kurth, Bünd-

nis 90/Die Grünen.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501414800

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Die Koalition bringt heute auch eine Änderung des
Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs ein. Es steht dieser
Haushaltsdebatte gut an, im Zusammenhang mit dieser
Gesetzesänderung den Blick auf die mehr als 1Million er-
werbsfähigen schwerbehinderten Menschen zu werfen,
die dank Rot-Grün wieder Chancen auf einen Arbeitsplatz
bekommen haben.

Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten das aus Ihren Rei-
hen auch einmal angesprochen. Ich kann aber verstehen,
dass Sie das nicht tun; denn dann müssten Sie den Kurs
des allgemeinen Lamentos verlassen und anerkennen,
dass wir in diesem Politikfeld einen großen Erfolg erzielt
haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


In nur zwei Jahren ist es mithilfe der neuen Instrumente
des Sozialgesetzbuchs IX gelungen, vielen Tausend be-
hinderten Menschen einen Arbeitsplatz zu vermitteln. Zu
diesen Instrumenten – das ist eben ausgeführt worden –
gehört neben dem Aufbau eines Netzes von Integrations-
fachdiensten auch die Absenkung der Pflichtquote zur
Beschäftigung schwerbehinderter Menschen von 6 auf
5 Prozent und die Kampagne „50000 Jobs für Schwer-
behinderte“.

Diese Maßnahme, als Teil eines umfassenden Anreiz-
systems für Arbeitgeber konzipiert, ist ein voller Erfolg:
Entgegen dem allgemeinen Trend haben wir es geschafft,
die Arbeitslosigkeit von Schwerbehinderten um nahezu
50 000 oder um knapp 25 Prozent zu reduzieren. Um jetzt
die Arbeitgeber nicht zu demotivieren, um die erkennbar
gestiegene Motivation weiter zu steigern und um mit die-
sem erfolgreichen Programm weitermachen zu können,
setzen wir die eigentlich fällige Anhebung der Beschäfti-
gungspflichtquote um 1 Prozentpunkt für ein Jahr, also bis
zum 1. Januar 2004, aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die positive Bilanz rot-grüner Behindertenpolitik kann
sich aber nicht nur an diesem sachlichen Erfolg messen
lassen. Nein, es geht auch darum, wie es uns gelungen ist,
diese Ziele zu erreichen.

Dr. Heinrich L. Kolb

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Markus Kurth

Ich komme zunächst auf die Selbstbestimmung und
Teilhabe zu sprechen. Diese Prinzipien haben wir zum Aus-
gangspunkt unserer Politik für Menschen mit Behinderung
gemacht. Wir haben diese Politik gemeinsam mit den In-
teressenvertretungen entworfen. Es war von Beginn an
klar, dass bei der beruflichen Integration schwerbehinder-
ter Menschen die Beachtung der Prinzipien Selbstbestim-
mung und Teilhabe bedeuten musste, unsere Eingliede-
rungsbemühungen klar auf den ersten Arbeitsmarkt zu
konzentrieren. Bemerkenswert dabei ist, dass die Vermitt-
lungserfolge nicht durch zusätzliche Subventionen nach
dem Motto „Viel hilft viel“ erreicht worden sind. Grundle-
gend für unseren Erfolg war ein kooperativer Politikansatz,
der auf Überzeugung und Bewusstseinsbildung setzt.

Die Integrationsfachdienste haben im Zusammenspiel
mit den Arbeitsämtern Beratungsarbeit in den Betrieben
geleistet. Arbeitgeber haben gelernt und lernen, dass
Menschen mit Behinderung nicht leistungsgemindert
sind, sondern lediglich einen Arbeitsplatz brauchen, der
ihren besonderen Bedürfnissen entspricht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Instrumente zur Gestaltung dieser Arbeitsplätze – wie
Arbeitsassistenz oder etwa die Gewährung von Gebär-
densprachdolmetschern – haben wir als Gesetzgeber den
Unternehmen in die Hände gegeben.

Wir können gerade deswegen auf die Anhebung der
Beschäftigungspflichtquote für Schwerbehinderte in die-
sem Jahr verzichten, weil der von uns angestoßene
Prozess eine ganz enorme Eigendynamik entfaltet hat.
Unternehmen sind dabei, Netzwerke zum Erfahrungsaus-
tausch zu etablieren. Sie sammeln Best-Practice-Bei-
spiele, um Nachahmer und Nachahmerinnen anzuregen.

Wir werden auch im nächsten Jahr die konstruktive Zu-
sammenarbeit mit den Arbeitgebern fortsetzen.

Ich denke, wir können uns bei der anstehenden Reform
der sozialen Sicherungssysteme an diesem Politikansatz
durchaus ein Beispiel nehmen. Es ist an den gesellschaft-
lichen Akteuren und natürlich auch an Ihnen, meine Da-
men und Herren von der Opposition, bei der Reform der
sozialen Sicherungssysteme einen ähnlich konstruktiven
und womöglich sogar – man hofft ja noch – kooperativen
Politikansatz mitzutragen oder sich ins Abseits zu stellen.
Nutzen Sie Ihre Chance! Oder verabschieden Sie sich –
nur sind Sie dann zwar vielleicht selbstbestimmt, aber
ohne jede Teilhabe.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501414900

Als letzter Redner zu diesem Einzelplan hat der Kol-

lege Dr. Michael Luther von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1501415000

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-

nen und Kollegen! Ich will einige wenige Bemerkungen
zum Bundeshaushalt machen.

Erstens. Der Einzelplan ist neu geschnitten, weil das Mi-
nisterium neu geschnitten wurde. Das bisherige Gesund-
heitsministerium wurde um weitere soziale Sicherungssys-
teme ergänzt. Das macht es schwierig, den Haushalt zu
lesen. Er ist auch – das muss ich leider feststellen – an man-
chen Stellen etwas mangelhaft geschrieben.

Ich will nur ein Beispiel nennen. In Kap. 15 02 geht es
um die Programmausgaben, also zum Beispiel Gesund-
heits- und andere Vorsorgeprogramme. Bei einem Ver-
gleich der Gesamtausgaben stelle ich fest, dass die Zahl
für 2002 aus dem Haushalt des alten Bundesgesundheits-
ministeriums stammt und die Zahl für 2003 sich auf das
neue Ministerium bezieht. Die Zahlen sind überhaupt
nicht miteinander vergleichbar. Eine Vergleichbarkeit
wäre aber für die Fortschreibung der Politik sehr notwen-
dig.

Zweite Bemerkung. Ich will auf die Risiken in dem
Haushalt, für den Frau Schmidt steht, eingehen. Es geht
um die Frage, die der Bundesrechnungshof uns gestern
zugesandt hat. Ihr Haushalt ist ja jetzt ziemlich wichtig
geworden. Sie haben mit 81,8 Milliarden Euro immerhin
den größten Einzelplan zu vertreten. Nun muss man wis-
sen, dass das am Zuschuss für die Rentenkassen liegt.
Dieser nimmt eine Besorgnis erregende Entwicklung.
2001 betrug der Zuschuss noch 69,6 Milliarden Euro,
2002 sind es 72,5 Milliarden Euro und 2003 werden es
77,6 Milliarden Euro sein. Das sind Steigerungen um
2,9 bzw. 5,1 Milliarden Euro. Diese Zuschüsse müssen
die Menschen im Land zum Beispiel mit der Ökosteuer
bezahlen.

Aber das führt eben nicht zur Stabilisierung der Bei-
tragssätze, wie es einmal versprochen wurde. Vielmehr
brauchen Sie jetzt noch ein Beitragssatzsicherungsgesetz.
Normalerweise müssten die Rentenbeiträge von 19,1 auf
mindestens 19,9 Prozent steigen. Sie lassen dies nicht zu,
sondern setzen ihn auf 19,5 Prozent und verbinden damit
– ich zitiere aus der Haushaltsvorlage – „eine maßvolle
Absenkung des Zielwertes für die Höhe der Schwan-
kungsreserve bei der Bestimmung des Beitragssatzes von
80 auf 50 Prozent einer Monatsausgabe“.

Nun ist das politisch schwierig zu kommunizieren,
weil kein Mensch weiß, was die Schwankungsreserve ei-
gentlich ist. Die Schwankungsreserve gleicht die Diffe-
renz aus, die entsteht, weil die Einnahmen für die Ren-
tenkassen nicht stetig sind, aber die Renten monatlich
pünktlich ausgezahlt werden müssen.

Mit der Absenkung der Mindestschwankungsreserve
um 20 Prozent

– dieses Instrument hatten Sie im letzten Jahr schon ein-
mal angewendet –

hat sich der finanzielle Spielraum der Rentenversi-
cherung im Jahr 2002 bereits verringert.

So der Bundesrechnungshof. Ich zitiere weiter:
Mit der im Entwurf des Beitragssatzsicherungsge-
setzes vorgesehenen Absenkung der Mindest-
schwankungsreserve um weitere 30 Prozent auf eine
halbe Monatsausgabe der Rentenversicherung
wächst die Gefahr, dass deren Zahlungsfähigkeit ab


(A)



(B)



(C)



(D)


1096


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1097

dem Jahr 2003 nur mit zusätzlichen Bundesmitteln
gewährleistet werden kann.
Die Schwankungsreserve der Rentenversicherung
wird bei ungünstiger Entwicklung im Monat Okto-
ber 2003 voraussichtlich auf etwa 3,4 Milliarden
Euro sinken.
Davon sind nur rund 1,7 Milliarden Euro oder
11 Prozent einer Monatsausgabe tatsächlich kurzfris-
tig verfügbar.
Da die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
zu Beginn eines Monats liquide Mittel in Höhe von
rund 2 Milliarden Euro benötigt, um den so genann-
ten Risikostrukturausgleich für die gesetzliche Kran-
kenversicherung durchzuführen, werden die in der
Rentenversicherung voraussichtlich verfügbaren
Mittel zeitweilig nicht ausreichen.

So weit der Bundesrechnungshof. Ich denke, deutlicher
kann man die dramatische Situation der Rentenkassen
nicht beschreiben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie höhlen die Finanzierungsgrundlagen der gesetzli-
chen Rentenversicherungen aus. Das muss hier festgehal-
ten werden. Sie ruinieren die Rentenkassen.

Was ist, wenn die Schwankungsreserve aufgebraucht
ist und wir unter Null kommen?


(Zuruf von der CDU/CSU: Dann ist Neuwahl!)


Dann tritt nicht der Fall ein, dass die Renten nicht mehr
ausgezahlt werden können, wie mir das besorgte Rentner
bei einem Gespräch im Vogtland letzthin gesagt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Renten werden natürlich pünktlich gezahlt – das ha-
ben Sie, Frau Schmidt, in Ihrer Rede bereits gesagt – aber
die Bundesgarantie wird in Kraft treten. Ich stelle mir
diese Nachricht vor. Wie könnte die Überschrift lauten?
Vielleicht: Die deutschen Rentenkassen sind pleite, der
Bundeshaushalt muss für die Rentenkassen aufkommen.

Ich stelle mir vor diesem Hintergrund die Diskussion
mit unseren europäischen Nachbarn über das Stabilitäts-
kriterium von 3 Prozent vor. Es wäre äußerst fatal, wenn
diese Situation eintreten würde.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Als Haushälter will ich noch ein drittes Thema anspre-

chen. In einer Novembersitzung im Haushaltsausschuss
haben Sie die Abgeordneten über eine außerplanmäßige
Ausgabe für die Beschaffung von Pockenimpfstoff in
Höhe von 10 Millionen Euro unterrichtet. Die Ausgaben
sind vom Bundesgesundheitsministerium bereits im Au-
gust bewilligt worden – ich zitiere aus der Unterrichtung
des Haushaltsausschusses –, weil

die Beschaffung von Impfstoffen in der geplanten
Menge zur Gegenabwehr geeignet ist und die unver-
zügliche Erteilung des Auftrags für die Produktion
und Lieferung des Impfstoffes ein gegebenenfalls

rechtzeitiges Reagieren auf die dargelegten Gefah-
ren ermöglicht.
Um die zur Gefahrenabwehr erforderliche möglichst
zügige Beschaffung sicherzustellen, war eine ver-
bindliche Entscheidung bis zum 16. August 2002 zu
treffen. Angesichts dieser Fristenlage war die vorhe-
rige Unterrichtung des Haushaltsausschusses ... auf-
grund der Eilbedürftigkeit nicht möglich.

Nun kommt meine Frage. Es haben am 20. August und
am 12. September Haushaltsausschusssitzungen stattge-
funden. Warum konnten Sie den Haushaltsausschuss über
diese außerplanmäßige Ausgabe nicht bei diesen Sitzun-
gen unterrichten?

Es kommt noch etwas hinzu.

(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Eine Katastrophe!)

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass das eine außer-
planmäßige Ausgabe in Höhe von 10 Millionen Euro für
dieses Jahr ist. Daneben gibt es Verpflichtungsermächti-
gungen über 10 Millionen Euro für das nächste und
übernächste Jahr. Anschließend habe ich diesen Haus-
haltstitel im Haushaltsentwurf 2003 gesucht, aber nicht
gefunden. Er steht nicht drin.


(Peter Dreßen [SPD]: Da siehst du mal, wie wir sparen!)


Jetzt stelle ich die Fragen: Warum schreiben Sie das
nicht in den Haushaltsentwurf? Warum haben Sie den
Haushaltsausschuss nicht im Sommer informiert? Wollen
Sie von irgendetwas ablenken? Wollen Sie etwa davon ab-
lenken, dass möglicherweise eine Gefahr in Deutschland
besteht, die Sie in der gesamten Wahlkampfphase igno-
riert haben? Wird Deutschland möglicherweise durch den
Irak und dort eingesetzte Kampfmittel bedroht? Das hätte
natürlich nicht in Ihr Wahlkampfkonzept gepasst.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501415100

Herr Kollege Luther, kommen Sie bitte zum Schluss.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1501415200

Meine Damen und Herren, gerade der letzte Fall zeigt

für mich sehr deutlich: Hier wird versucht, der Öffent-
lichkeit etwas vorzuenthalten, und darüber müssen wir im
Haushaltsausschuss reden. Ich freue mich auf die Bera-
tung.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501415300

Herr Kollege Luther, kommen Sie jetzt wirklich zum

Schluss.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1501415400

Mein letzter Satz: Wir werden noch ein paar Fragen

klären müssen.
Schönen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Michael Luther

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501415500

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-

wurfs auf Drucksache 15/124 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu an-
derweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist
die Überweisung so beschlossen.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Als
erster Redner hat der Bundesminister Manfred Stolpe das
Wort.

Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Mit dem Bundeshaushalt des Jahres 2003 können wir
einen deutlichen Schwerpunkt für eine verlässliche Zu-
kunftsgestaltung setzen, und zwar erstens weil wir Spar-
maßnahmen realisieren, wie es nach Lage der Dinge un-
vermeidlich ist. Das ist, wie wir alle wissen, kein
Selbstzweck, sondern es ist zur Konsolidierung des Haus-
halts und damit zur Zukunftssicherung erforderlich. Wir
halten an diesem Konsolidierungskurs fest, sodass wir an-
gesichts der gegenwärtig weltwirtschaftlich nicht einfa-
chen Lage handlungsfähig bleiben.

Zweitens – damit komme ich zu dem Thema, weshalb
ich hier stehe – können wir mit den Ausgaben einen
Schwerpunkt bei den Zukunftsinvestitionen setzen,
nämlich auf der einen Seite bei dem wichtigen Bereich
Bildung und Forschung und auf der anderen Seite bei der
Infrastruktur. Dieser Haushalt hält die Balance zwischen
den erforderlichen Sparmaßnahmen auf der einen und
notwendigen Investitionen auf der anderen Seite.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mit dem Bundeshaushalt und damit verbunden der mit-
telfristigen Finanzplanung legen wir nachvollziehbar und
nachrechenbar dar, was in den nächsten Jahren konkret
angepackt werden kann. Unser Investitionshaushalt, den
Sie nachlesen können und in Zahlen greifen können, ist
eine belastbare Grundlage.

Der Ausbau der Infrastruktur ist unser stärkster Ent-
wicklungshebel in West und in Ost.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mit dem Haushalt 2003 wird die zukunftsorientierte In-
vestitionspolitik in diesem Bereich fortgesetzt. Der Haus-
halt des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen hat ein Volumen von über 26 Milliarden
Euro. Davon ist mehr als die Hälfte für Investitionen vor-
gesehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Trotz der angespannten Lage der Weltwirtschaft haben

wir die Verkehrsinvestitionen in den vergangenen vier
Jahren massiv gesteigert. Mit 11,5 Milliarden Euro ver-
stetigen wir die Verkehrsinvestitionen auf dem Niveau

von 2002. Hinzu kommen 1,7 Milliarden Euro für den
Wohnungs- und Städtebau. Zusätzlich stellen wir mit dem
Fonds „Aufbauhilfe“ über 7 Milliarden Euro für die Be-
seitigung von Flutschäden in den Kommunen, bei Unter-
nehmen und an Privatgebäuden bereit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Fast 1 Milliarde Euro aus diesem Fonds – das sei hier
nur am Rande vermerkt – werden für Infrastrukturaufga-
ben des Bundes, wo ebenfalls erhebliche Schäden ent-
standen sind, eingesetzt.

Der finanzielle Schaden durch die Hochwasserkata-
strophe – ich nehme die Gelegenheit wahr, dies hier bi-
lanzierend vorzutragen –, der an Elbe, Donau und Neben-
flüssen entstanden ist, beläuft sich nach einer vorläufigen
Schätzung auf rund 9,2 Milliarden Euro. Die Bundesre-
gierung hat schnelle, unbürokratische und umfangreiche
finanzielle Hilfe für die Opfer der Katastrophe geleistet.
Eine erste finanzielle Hilfe des Bundes ist inzwischen im
Gesamtumfang von mehr als 700 Millionen Euro geleis-
tet worden.

Der Bund hat außerdem mit über 73 000 Einsatzkräf-
ten von Technischem Hilfswerk, BGS und Bundeswehr
bei der Bewältigung der Katastrophe mitgeholfen. Die
Kosten für diesen Einsatz – lassen Sie mich das in aller
Zurückhaltung sagen – belaufen sich auf über 186 Milli-
onen Euro. Auf die Erstattung ist vonseiten der Bundesre-
gierung verzichtet worden.

Schnelle Hilfe wurde für die Unternehmen geleistet.
Die Soforthilfe in Höhe von bis zu 15 000 Euro ist bis auf
ganz wenige Ausnahmen inzwischen vollständig ausge-
zahlt worden. Für Aufbauhilfe wurden etwa 9 500 An-
träge gestellt. Davon wurden 7 000 bewilligt; die übrigen
sind noch in der Prüfung.

Bei den Schäden an Wohngebäuden werden die An-
träge noch sehr zögerlich gestellt. Das macht die Landes-
regierungen, die hier betroffen sind, und auch uns ein
bisschen nachdenklich. Sachsen geht zum Beispiel davon
aus, dass 10 000 Wohnungen betroffen sein müssten; bis-
her aber hat es nur rund 2 000 Anträge gegeben. Bitte ver-
argen Sie es mir nicht, wenn ich diese Gelegenheit nutze,
noch einmal gerade an die geschädigten Wohneigentümer,
aber auch an andere, die in den Regionen Verantwortung
tragen oder Einfluss haben, deutlich zu appellieren: An-
träge müssen gestellt werden. Wenn es dazu Fragen gibt,
verweise ich auf mehrere Hotlines. Das ist ein im Grunde
sehr unkompliziertes Verfahren, das in Abstimmung zwi-
schen Bund und Ländern gestaltet worden ist. Sie können
im Übrigen davon ausgehen, dass gelegentlich verbreitete
Gerüchte in Bezug auf Unstimmigkeiten und Schwierig-
keiten zwischen Bund und Ländern, welche auf dem
Rücken der Betroffenen ausgetragen werden, jetzt nicht
mehr zutreffen. Wir haben inzwischen eine sehr enge Zu-
sammenarbeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Für den Schadensausgleich stellen Bund, Länder und
Gemeinden mit dem Fonds „Aufbauhilfe“ von 7,1 Milli-
arden Euro einen erheblichen Teil zur Schadensminde-


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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1099

rung zur Verfügung. Hinzu kommen 444 Millionen Euro
aus dem Solidaritätsfonds der Europäischen Union, die
beeindruckenden Spenden, die allein bei den Großorgani-
sationen inzwischen bei über 300 Millionen Euro liegen
– man vermutet, dass sie sich auf fast eine halbe Milliarde
Euro zubewegen –, und dazu erhebliche Versicherungs-
leistungen, deren Summen sinnvollerweise hier nicht ge-
nannt werden sollen. Die Botschaft heißt – das können wir
alle miteinander getrost weitersagen –: Deutschland wird
mit vereinten Kräften in der Lage sein, allen Geschädig-
ten wirksam zu helfen und die Infrastrukturschäden zu be-
seitigen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und des Abg. Eduard Oswald [CDU/CSU])


Meine Damen und Herren, Aufbau Ost und Ausbau
West gehören nach meiner Überzeugung untrennbar zu-
sammen. Das gilt insbesondere für die Modernisierung
der Verkehrsinfrastruktur. Wir investieren dort, wo der Ef-
fekt am größten ist, und dort, wo die Verkehrswege am
nötigsten gebraucht werden. Das ist einerseits in Bal-
lungsräumen der Fall, wo Wirtschaftszentren ein hohes
Verkehrsaufkommen bewältigen müssen, und das ist an-
dererseits dort der Fall, wo Verkehrswege raumwirksame
Bedeutung haben. In diesem Sinne ist Investitionspolitik
auch gezielte Strukturpolitik.

Um es konkret zu machen: Bei den Ballungsräumen
denke ich zum Beispiel an den Kölner Ring. Bis zu 180 000
Fahrzeuge quälen sich dort am Tag über den Ostring. Da
muss ausgebaut werden. Deshalb beginnen dort schon im
kommenden Jahr die Arbeiten. Ich denke dabei aber auch
an die Region Leipzig-Halle. Dort gibt es neue Industrie-
ansiedlungen. Sie sorgen dafür, dass das Verkehrsauf-
kommen steigt. Dort werden wir bis Ende des Jahres noch
drei weitere Autobahnteilstücke für den Verkehr freige-
ben.

Zu strukturpolitischen Maßnahmen zähle ich den
Weiterbau der A 31 von Bottrop nach Emden. Da geht es
um eine eher strukturschwache Region. Dass dieses Pro-
jekt wichtig ist, zeigt auch das Engagement der ansässi-
gen Wirtschaft. Sie hat sich zusammengetan, um den
Lückenschluss dieser Autobahn gemeinsam mit dem
Bund zu finanzieren.

Im Osten zeigt schon ein Blick auf die Straßenver-
kehrskarte einen großen weißen Fleck zwischen Magde-
burg und Schwerin. Den sehen natürlich auch potenzielle
Investoren und machen leider bis zur Stunde noch einen
großen Bogen um die Altmark und die Prignitz. Deshalb
werden wir die A 14 von Magdeburg nach Schwerin ver-
längern und über die A 24 damit den mittel- und süddeut-
schen Raum an den sich entwickelnden Wirtschaftsraum
der Ostseeanrainer anbinden.


(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, aufgrund verschiedener

Meldungen will ich hier nur vorsorglich sagen, dass wir
den Ausbau der ICE-Strecke von Berlin über Halle, Leip-
zig, Erfurt nach Nürnberg durchführen werden.


(Beifall bei der SPD und der FDP – Manfred Grund [CDU/CSU]: Wann?)


Die gegenwärtige Kostendebatte ist nötig. Wir brauchen
dazu natürlich Präzisierungen; aber das Vorhaben wird
dadurch weder verzögert noch verhindert. Hier ist eine
klare, eindeutige Entscheidung getroffen worden.

Meine Damen und Herren, es bleibt dabei: Wirtschafts-
und strukturpolitische Faktoren sind zentrale Elemente
beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Hinzu kommen
die Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der
Osterweiterung der Europäischen Union auf unsere Ver-
kehrswege zukommen; denn dann wird der Verkehr auf
zahlreichen Strecken noch erheblich anwachsen. Es gilt,
schon heute dafür Vorsorge zu treffen, um unsere Regio-
nen auf diese Herausforderungen einzustellen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Sehr gut!)

Das wird auch seinen Niederschlag im neuen Bundes-

verkehrswegeplan finden müssen. Wir wollen diesen
Bundesverkehrswegeplan mit Ihnen und den Ländern und
Verbänden in den ersten Monaten des nächsten Jahres
vorbereiten.

Das Wachstum des Verkehrs erfordert von Bund, Län-
dern und Gemeinden immer mehr Mittel für die Infra-
strukturfinanzierung. Deshalb ist es richtig, dass wir die
LKW-Maut einführen werden. Wir wollen gemeinsam
mit den Ländern im kommenden Jahr die Maut-Erfassung
auf den deutschen Autobahnen beginnen. Ab September
fließen dann die Einnahmen, die wir dringend für das
Anti-Stau-Programm brauchen. Wir haben damit einen
wichtigen Finanzierungsweg erschlossen und werden zu-
gleich ein wegweisendes Infrastruktur- und Technologie-
projekt umsetzen können, das in Europa und darüber hi-
naus schon jetzt große Aufmerksamkeit findet.

Die Infrastrukturinvestitionen der Deutschen Bahn
können 2002 im Vergleich zum Vorjahr um 1,6 Milliarden
Euro gesteigert werden. Für weitere 8,5 Milliarden Euro
hat die Bahn bereits verbindliche Aufträge erteilt, die
überwiegend der deutschen Wirtschaft zugute kommen.
Ein mehr technisches, aber spannendes Problem ist die
Jährlichkeit unseres Haushaltes einerseits und die Be-
triebswirtschaft der Deutschen Bahn andererseits. Da-
durch könnte es zum Jahresabschluss, formal betrachtet,
zu einem Minderabfluss der Investitionsmittel kommen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Er wird eintreten!)

Ich gehe jedoch davon aus, dass die gesamte Investitions-
summe 2002 für notwendige Vorhaben im Bahnbereich
gebraucht und eingesetzt wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nach Vorliegen präziser Daten werden wir unverzüglich
mit den zuständigen Ausschüssen des Bundestags darüber
sprechen.

Die Tankerkatastrophe in der Biskaya hat uns ein-
dringlich daran erinnert, dass wir verschärfte Sicher-
heitsmaßnahmen vor unseren Küsten brauchen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Für den Schutz können wir das gemeinsame Havarie-
kommando des Bundes und der Küstenländer nach den zu

Bundesminister Dr. h. c. Manfred Stolpe

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Bundesminister Dr. h. c. Manfred Stolpe
erwartenden letzten Zustimmungsbeschlüssen am 17. De-
zember in Cuxhaven förmlich in Dienst nehmen. Tatsäch-
lich arbeitet es bereits und ist mit dem Schiff „Neuwerk“
auch im Hilfseinsatz vor der spanischen Küste tätig.

Im Anschluss an unsere Debatte, meine Damen und
Herren, werde ich vom Plenum aus zu meinen Kollegen
Verkehrsminister in Brüssel reisen. Ich will dort die Vor-
schläge der dänischen Ratspräsidentschaft unterstützen,
die dringend für die Erhöhung der Schiffssicherheit vo-
tiert. Dazu gehört, dass wir versuchen wollen, den Zeit-
raum für die Ausphasung von Einhüllentankern erheblich
zu verkürzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir müssen unsere Küsten schützen.

(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Wir arbeiten daran, dass wir für bestimmte Bereiche der
Ostsee Sonderzonen einrichten und dass sich die Schiffe
in besonders gefährdeten Bereichen wie in der Kadetrinne
nicht mehr ohne Lotsen bewegen dürfen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich werde das Parlament über den Fortgang unserer
Bemühungen unterrichten.

Dieser Haushalt versetzt uns in die Lage, die massiven
Probleme der ostdeutschen Wohnungswirtschaft anzu-
packen und zu lösen. Im Rahmen der Altschuldenhilfe ha-
ben wir die Mittel verdoppelt. Das ist auch erforderlich;
denn wenn die meisten kommunalen Wohnungsgesell-
schaften im Osten wegbrechen würden, dann wären dort
ganze Städte in ihrer Substanz gefährdet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb stellen wir diese Mittel bereit. Das ist ein klares
Zukunftssignal. Das ist eine Grundlage für den Stadtum-
bau Ost.

Der Stadtumbau Ost geht erfolgreich voran. Ich rate
Ihnen, sich einfach Beispiele dafür anzusehen,


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Machen wir!)

wie Plattensiedlungen so gestaltet werden, dass sie men-
schenfreundlich sind. Leinefelde in Thüringen oder auch
Leipzig-Ost sind dafür gute Beispiele.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Die Erfahrungen, die wir beim Stadtumbau in diesen
dringenden Projekten im Osten machen, sind durchaus
auch auf vergleichbare Situationen anwendbar. So sind wir
jetzt dabei, nicht nur vom Stadtumbau Ost, sondern auch
vom Stadtumbau West zu reden. Ein erstes hoffnungsvolles
Projekt in dieser Richtung wird die Stadt Pirmasens sein,
die ebenfalls mit erheblichen Problemen zu kämpfen hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, der Aufbau Ost ist – um es
noch einmal ganz deutlich zu sagen – für ganz Deutsch-
land eine vordringliche Aufgabe. Die noch immer beste-
henden Rückstände und Schwächen des Ostens drücken
die Wirtschaftskraft ganz Deutschlands. Mein Ziel ist es,
in den neuen Ländern einen Entwicklungsstand zu errei-
chen, bei dem der Osten nicht mehr belastet, sondern kräf-
tig an der Leistungskraft Deutschlands mitträgt. Von die-
sem Ziel sollten wir nicht abrücken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dazu wollen wir neue, frische Ideen umsetzen und sol-
che Projekte auf den Weg bringen, mit denen verstärkt
jungen Unternehmern Chancen gegeben werden, und
zwar vor allem in der Startphase ihrer Existenzgründung,
bei der sie Begleitung, Hilfe und insbesondere ein finan-
zielles Rückgrat benötigen. Ich denke, dass es uns gelin-
gen wird, die Mittelstandsbank in absehbarer Zeit ans
Laufen zu bringen, die für diesen Zweck von großer Be-
deutung sein kann. Mit Blick auf den Mittelstandwerden
wir im Laufe des ersten Quartals des nächsten Jahres wei-
tere Vorschläge vorlegen können.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Dafür brauchen wir keine Mittelstandsbank! Der Mittelstand braucht Aufträge!)


– Das ist richtig. Aber das hängt miteinander zusammen.
Die Vernetzung ist ein wichtiger Punkt. Es gibt inzwi-
schen eine ganze Reihe von Ansätzen, wie sich kleinere
Unternehmen miteinander verbünden können, wie sie da-
durch leistungsfähiger werden und wie sie aus diesen
Netzwerken heraus durchaus Exportchancen entfalten.
Als Beispiele nenne ich Ihnen nur den Präzisionsmaschi-
nenbau in Wismar, die Innovationsregion Mittelsachsen
um Chemnitz oder das Tourismusprojekt im Naturpark
Thüringen. Standorte müssen genutzt werden.

Wir haben in den letzten Jahren in Ostdeutschland gute
Erfahrungen mit dem Verkehrswegeplanungsbeschleu-
nigungsgesetz gemacht –


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


ein langer Name für kurze Planungszeiten. Wir haben uns
vorgenommen, dass Bauen schneller und einfacher wer-
den soll. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir dieses Ge-
setz angesichts der Erfahrung, dass es keine Minderung an
Demokratie gab, nicht 2004 enden lassen, sondern dass
wir gemeinsam Möglichkeiten zu dessen Fortbestand er-
arbeiten.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das ist erstaunlich, Herr Minister!)


Lassen Sie mich etwas ketzerisch in den Raum stellen:
Warum sollen gute Erfahrungen, die wir im Osten ge-
macht haben, nicht auch für das ganze Land interessant
sein?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ihre Fraktion hat das doch abgelehnt! Der Antrag lag schon vor!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie
mich nun noch auf ein brennendes Problem eingehen. In


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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1101

den neuen Bundesländern wächst eine Generation heran,
für die die Gründe, die zu den wirtschaftlichen und struk-
turellen Problemen Ostdeutschlands geführt haben, be-
reits Geschichte sind, Gründe, die nicht mehr greifen und
nicht mehr überzeugen. Die jungen und qualifizierten
Menschen interessiert etwas anderes: Sie wollen vor al-
lem eine Antwort auf die Frage, wie es für sie weitergeht.
Da sagen viele: Es geht in den Westen, in eine Zukunft mit
höherem Verdienst für gleiche Arbeit.

Dieses Verhalten ist für den Einzelnen verständlich,
aber ist für den Standort Ostdeutschland ein Verhängnis.
Die aktuelle sächsische Abwanderungsstudie belegt das
sehr eindrucksvoll. Sie zeigt, dass sich durchaus auch
qualifizierte Menschen für diesen Weg entscheiden, weil
sie darin bessere Chancen für sich sehen. Wir wollen er-
reichen, dass diese Menschen in ihrer Heimat eine Chance
haben, dass sie dort bleiben und dass der Maßstab des
Verdienstes, der durchaus eine Rolle spielt, sie nicht mehr
dazu bewegt, zu gehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch deshalb müssen wir die Angleichung der Löhne
erreichen. Für den öffentlichen Dienst haben wir uns das
für 2007 vorgenommen. Lassen Sie mich ehrlich sagen:
Ich sehe dazu keine Alternative. Es gibt in Ostdeutschland
ein hohes Maß an Flexibilität. Wir dürfen uns aber nicht
daran gewöhnen, dass die Tariflöhne dort niedriger sind
oder gar nicht gelten. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit,
das muss unser Ziel sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zum Schluss möchte ich sagen: Der Aufbau Ost und
der Ausbau West sind für mich keine Konkurrenzveran-
staltungen. Sie sind keine Gegensätze, sondern bedingen
sich gegenseitig. Sie sind zwei Seiten einer Medaille. Zu-
sammen bringen sie Gewinn für unser ganzes Land. Diese
Mühe lohnt sich. Das ist eigentlich so etwas wie eine Ge-
meinschaftsaufgabe.

Vielen Dank für Ihre Geduld.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501415600

Das Wort hat jetzt der Kollege Eduard Oswald von der

CDU/CSU-Fraktion.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1501415700

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister,
dem letzten Satz hätte ich natürlich zustimmen können.
Aber die Rede insgesamt kann ich nicht unterstreichen.


(Ute Kumpf [SPD]: Eine gute Rede!)

Der Beifall war wohl mehr als Ermunterung für zukünf-
tige Taten gedacht als für Ihre Ausführungen.

Wie in kaum einem anderen Bereich sind Verkehr und
Mobilität, Bauen und Wohnen Gestaltungs- und Zu-

kunftsfelder. Sie haben Ihre Chancen, mit der Verkehrs-
und Wohnungsbaupolitik die Zukunft wirklich zu gestal-
ten, nicht genutzt. Mit Ihren Entscheidungen gerade in der
Wohnungsbaupolitik haben Sie gravierende Fehler ge-
macht. Was Deutschland braucht, ist ein positives Woh-
nungsbauklima, das bei Kapitalanlegern und Unterneh-
men Interesse erweckt und zeigt, dass das Interesse des
Bürgers für Wohneigentum als Ausdruck seiner Lebens-
qualität und seiner familiären Fürsorge wie auch als Eck-
pfeiler der Altersvorsorge begriffen wird. Genau dies ma-
chen Sie nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie bringen nicht nur die Baubranche in Turbulenzen,
sondern lähmen die gesamte Wohnungsbauwirtschaft.

Ohne ein leistungsfähiges Verkehrssystemwird es für
die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch für den
Arbeitsmarkt keine Erfolge geben.

Erstens. Wir brauchen einen sich am Verkehrswachs-
tum orientierenden Ausbau der Infrastruktur.

Zweitens. Wir brauchen hierfür Planungs- und Finan-
zierungssicherheit für einen längeren Zeitraum.

Drittens. Wir brauchen wettbewerbsfähige Unterneh-
men auf der Straße, der Schiene, der Wasserstraße und im
Luftverkehr.

Viertens. Wir brauchen all unsere Verkehrsträger, um
sie im Gesamtverkehrssystem wirkungsvoll miteinander
zu verknüpfen. Darum ist die Vernetzung die zentrale
Herausforderung.

Fünftens. Wir brauchen statt Ihrer Stau-Ideologie eine
Verkehrspolitik mit Visionen und Ideen. Genau das ist das
Problem.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Früher war die Adventszeit die Zeit der großen Erwar-

tungen und der Zuversicht. Aber ich glaube, wir warten
umsonst.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie glauben wohl noch an das Christkind und den Weihnachtsmann!)


Die Straße ist Verkehrsträger Nummer eins. Nahezu
97 Prozent – man muss sich die Zahl immer wieder vor
Augen halten – aller Fahrten im Personenverkehr werden
in Deutschland auf den Straßen zurückgelegt; in fünf von
sechs Fällen kommt der PKW zum Einsatz. Tatsache ist:
Die Straßen sind überlastet,


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist das Ergebnis Ihrer Politik!)


die Staus werden immer länger und die Autofahrer klagen
über die hohen Spritkosten und fühlen sich abkassiert. Bei
einer einzigen 50-Liter-Tankfüllung fallen über 38 Euro
an Steuern an. Das ist Realität in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Für uns gilt: Keine weitere Erhöhung der Öko- und der

Mineralölsteuer! Die Straßenbenutzer zahlen über Son-
derabgaben jährlich 50 Milliarden Euro an den Fiskus,

Bundesminister Dr. h. c. Manfred Stolpe

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Eduard Oswald
aber nur 16 Milliarden Euro davon werden für Bau und
Unterhalt von Straßen ausgegeben. Für uns gilt: Wir müs-
sen unsere Straßen erhalten und ausbauen. Deshalb brau-
chen wir bedarfsgerechte Etatansätze. Genau das ist Ihr
Problem. Wie auch bei den anderen Themen war es beim
Straßenbau in diesem und im vergangenen Jahr nur Ihr
Ziel, mit möglichst vielen Baubeginnen und Zusagen gut
und unbeschadet über den Wahltag zu kommen.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Jetzt werden Sie von der Wirklichkeit eingeholt. Deswe-
gen sind Sie so unruhig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In den nächsten Monaten kommen Sie in eine bedenk-

liche Haushaltssituation. Wie wollen Sie denn sicherstel-
len, dass es bei den Bauvorhaben nicht zum Stillstand
kommt? Über Ihr 90-Milliarden-Euro-Investitionspro-
gramm besteht keine Klarheit. Sie müssen doch sagen,
was Sie jedes Jahr in den Haushalt einstellen. Das ist die
entscheidende Zahl.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht doch drin! – Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Wir haben so viel eingestellt, wie Sie es lange nicht gemacht haben!)


Zudem stellen Sie das Ganze unter einen Finanzierungs-
vorbehalt. So geht es doch nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Insgesamt gibt es in Deutschland für rund 2 Milliar-
den Euro baureife und planfestgestellte Straßenbaupro-
jekte,


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Allein in Baden-Württemberg!)


die nicht in Angriff genommen werden können.

(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist Ihre Vorratsplanung gewesen!)


Da rechtskräftige Planfeststellungsbeschlüsse zeitlich in
ihrer Wirkung begrenzt sind, drohen Baurechte zu verfal-
len.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Weil ihr so viel geplant habt!)


Wir erwarten die Vorlage Ihres längst überfälligen Ver-
kehrswegeplanes; Sie selbst haben darauf hingewiesen,
Herr Bundesminister.


(Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Wir haben zehn Jahre früher mit dem Bundesverkehrswegeplan angefangen als ihr!)


Für die Gestaltung einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik
ist die Verkehrswegeplanung ein wichtiges und unver-
zichtbares Steuerungselement. Für die Straße gilt: Vor-
dringlich müssen 2 800 Kilometer bestehende Autobah-

nen auf sechs oder acht Fahrstreifen ausgebaut werden.
2 400 Kilometer neue Lückenschlüsse und Netzergän-
zungen sind zusätzlich notwendig. Wir sind uns hoffent-
lich darin einig: Ortsumgehungen sind Menschenschutz.
Deshalb müssen auch sie konsequent weitergeführt wer-
den.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Machen wir doch!)


Von gut ausgebauten Straßen profitieren alle, und zwar
durch weniger Staus, einen besseren Verkehrsfluss und
eine geringere Umweltbelastung. Das ist der entschei-
dende Punkt.

Ich hoffe, wir sind uns wenigstens in einem Punkt völ-
lig einig: Wir dürfen in unserem Einsatz für eine größere
Verkehrssicherheit nicht nachlassen. Jeder Verkehrsun-
fall verursacht persönliches Leid und hohe Kosten und je-
der Verkehrsunfalltote ist einer zu viel. Die volkswirt-
schaftlichen Kosten durch den Straßenverkehr betrugen
im Jahr 2000 –man höre und staune – insgesamt 35,6Mil-
liarden Euro. Das ist das Sechseinhalbfache dessen, was
der Bund in diesem Jahr für die Fernstraßen ausgibt. Des-
halb müssen wir alles tun, um die Arbeit für die Ver-
kehrssicherheit weiter zu intensivieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Bundesminister, ich erinnere an das Hin und Her

im Zusammenhang mit der Einführung der Maut. Zuerst
war der 1. Januar vorgesehen, dann ein anderer Zeitpunkt
Anfang des Jahres. Dann hieß es Sommer, dann zum
1.August und danach zum 1. September. Schaun wir mal!


(Zuruf von der SPD: Aber wir haben einen Vertrag!)


Damit steht aber auch Ihr Anti-Stau-Programm auf einem
sehr brüchigen Finanzierungsfundament. Wenn ich Ihnen
einen Rat geben darf, dann empfehle ich dringend, die
Programmvielfalt Ihrer Vorgänger zu beenden. Sie haben
sicherlich schon festgestellt, dass diese Programmvielfalt
und der Programmwirrwarr das einzige Ziel hatten, per-
manente Aktivitäten vorzuspielen.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die Opposition zu verwirren!)


Kehren Sie zu einer verständlichen Finanzierung
zurück, die jeder versteht und bei der man nicht immer
wieder denkt, es gehe um neue Mittel, während sie in
Wirklichkeit gleich bleiben!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Verwenden Sie die Maut nicht als Geldquelle für Ihren
Haushalt,


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das ist die Ablösung der Politik durch Schlamperei!)


sondern verwenden Sie die Gelder für den Straßenbau!
Sie wollen von den 3,4Milliarden Euro, die jährlich durch
die Maut eingenommen werden, nur 1,25Milliarden Euro
dem Verkehrssystem insgesamt zur Verfügung stellen.
Damit gehen Sie einen völlig falschen Weg zulasten zahl-
reicher notwendiger Straßenbauvorhaben. Sie haben be-


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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1103

reits selber einige Straßenbauprojekte genannt. Wir könn-
ten noch viele andere aufzählen.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das machen wir alles im Untersuchungsausschuss!)


Das können wir so natürlich nicht akzeptieren.
Der Bundesminister fährt heute noch nach Brüssel. Sie

müssen in Brüssel die Dinge beim Namen nennen. Es geht
nicht an, dass bei unseren europäischen Nachbarn der
LKW-Verkehr hemmungslos subventioniert wird, während
bei uns die Unternehmen zusätzlich belastet werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Damit werden deutsche Arbeitsplätze vernichtet und Un-
ternehmen ins Ausland getrieben.

Im Straßenverkehrsgewerbe gilt: Ohne die verspro-
chene Harmonisierung sind in Deutschland 10 000 Be-
triebe und rund 100 000 Arbeitsplätze unmittelbar be-
droht. Ausländische Transportunternehmen, die teilweise
hoch subventioniert im europäischen Wettbewerb stehen,
warten darauf, in die von Konkursen deutscher Trans-
portunternehmen hinterlassenen Lücken vorzustoßen.
Das darf nicht sein. Das können wir nicht zulassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir sind uns darin einig, dass wir ein leistungs- und zu-

kunftsfähiges Schienensystem brauchen. Darüber wird
sicherlich noch viel diskutiert werden. Aber beim Schie-
nenverkehr muss die Politik sagen, was sie will und wo-
hin die Fahrt gehen soll. Nicht die Bahn, sondern das
Primat der Politik hat hier Vorrang. Das ist ein entschei-
dender Punkt und ich hoffe, das sehen wir alle so. Die Po-
litik muss Flankenschutz bieten, der die Bahn vor allem in
den Bereichen stärkt, in denen systembedingte Nachteile
auszugleichen sind.

Herr Bundesminister, ich begrüße Ihr Bekenntnis zum
Weiterbau der Schnellverkehrsstrecke zwischen Erfurt
und Nürnberg, das Sie heute bekräftigt haben. Ich sage
auch an dieser Stelle: Schau’n wir mal, wie es weitergeht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sorgen Sie dafür,
dass bei der Schaffung einer leistungsfähigen Verkehrsin-
frastruktur die Wasserstraßen nicht ausgeklammert wer-
den und dass die Binnenschifffahrt ihren festen Platz in
unserem Verkehrssystem erhält! Sorgen Sie dafür, dass
der Luftverkehr nicht als Belastung, sondern als Chance
für Wohlstand, Fortschritt und die Schaffung von Arbeits-
plätzen verstanden wird! Übrigens hängen in Deutschland
rund 700 000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Luft-
verkehr ab. Sorgen Sie außerdem dafür, dass Mobilität für
alle Menschen bezahlbar bleibt und dass das deutsche
Verkehrsgewerbe unter fairen Wettbewerbsbedingungen
arbeiten kann! Das sind die Herausforderungen.

Noch ein Wort zum Wohnungsbau. Sie haben ja in den
letzten Wochen waschkörbeweise Post bekommen, und
zwar nicht nur von denjenigen, die Häuser bauen wollen,
sondern auch von einer verunsicherten und irritierten
Branche. Dort, wo Impulse für die Wohnungs- und Bau-
wirtschaft dringend notwendig gewesen wären, sind die
Weichen falsch gestellt worden,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


und zwar zum Nachteil der vielen Menschen, die auf der
Suche nach bezahlbarem Wohnraum sind, und zum Nach-
teil der Bauwirtschaft, die durch Ihre investitions-
feindliche Politik in eine schwere Krise manövriert wird.

Alles, was Sie gemacht haben, wird zu massiven Ein-
brüchen führen.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie ja selber nicht!)


Sie werden damit auch Ihre Ziele, die Sie sich in Ihrer
Wohnungsbauprognose 2015 gesetzt haben, nicht errei-
chen, ja sogar weit verfehlen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501415800

Kommen Sie bitte zum Schluss.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1501415900

Herr Präsident, ich komme zum Schluss.
Mein letzter Satz: Durch Ihre Entscheidungen wird in

den westdeutschen Ballungsräumen eine neue Woh-
nungsnot mit entsprechenden Mietsteigerungen geradezu
provoziert.


(Widerspruch bei der SPD)

Noch können Sie Ihre Vorhaben korrigieren. In den Haus-
haltsberatungen ist dazu Gelegenheit. Sie sollten das erns-
ter nehmen, als Sie das durch Ihre gegenwärtigen Reak-
tionen zeigen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501416000

Das Wort hat jetzt der Kollege Rainder Steenblock vom

Bündnis 90/Die Grünen.


Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501416100

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Lieber Kollege Oswald, es ist zwar richtig, dass das
Erzählen von Märchen in der Vorweihnachtszeit eine gute
Tradition hat.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Vorsicht! Das geht gegen meine Glaubensvorstellungen, wenn Sie von Märchen sprechen!)


Aber wir sollten uns an dieser Stelle um etwas mehr Ra-
tionalität bemühen. Lieber Kollege Oswald, das, was Sie
heute zu dem Haushalt, den Minister Stolpe vorgelegt hat,
und insbesondere zum Kernbereich der Investitionen ge-
sagt haben, geht an der Realität völlig vorbei.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sich den Haushalt genauer anschauen, dann

stellen Sie fest, dass das Investitionsvolumen allein im
Verkehrshaushalt 11,5Milliarden Euro beträgt. Das ist eine
Steigerung von über 26 Prozent in den letzten vier Jahren.
Eine solche Steigerung haben Sie nie zustande gebracht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Eduard Oswald

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Rainder Steenblock
Dieser Haushalt ist ein weiterer wichtiger Schritt in Rich-
tung unseres Leitbildes der nachhaltigen Mobilität. Fast
noch wichtiger als die von uns trotz der schwierigen Zei-
ten erzielten Steigerung im Investitionsbereich mit ihrer
Bedeutung für die Arbeitsplätze ist für mich die Um-
strukturierung der Investitionen. Wir haben für die
Gleichwertigkeit von Schienen- und Straßeninvestitionen
gesorgt, indem wir die Investitionen im Schienenbereich
um 70 Prozent angehoben haben. Das hat in diesem Be-
reich natürlich ganz besondere Arbeitsplatzeffekte. Das
müssen Sie sich wirklich einmal zu Gemüte führen. Dann
kommen Sie zu anderen Ergebnissen hinsichtlich der
Leistung der Bundesregierung bei nachhaltigen Investi-
tionen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir werden – auch das zeigt der vorliegende Haushalt –
neben der Gleichwertigkeit von Schienen- und Straßenin-
vestitionen noch einen anderen wichtigen Punkt in Angriff
nehmen, der in Zukunft vielleicht eine noch größere Rolle
spielen wird. Wir werden ein Gleichgewicht zwischen
den Investitionen in den Bestand und den Neuinvesti-
tionen – das ist völlig richtig – herstellen müssen, um die
Aufgaben der Zukunft zu bewältigen. Übrigens, lieber
Kollege Oswald, Sie haben vorhin das Problem der Orts-
umgehungen angesprochen. Das ist bei uns immer ein
wichtiger programmatischer Punkt gewesen und wird es
auch weiterhin sein. Hier zielen Ihre Angriffe ja völlig ins
Leere.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir haben des Weiteren bei den Investitionen in den
Straßen- und in den Schienenneubau natürlich die Ost-
West-Achse und die neuen Bundesländer im Blick. Dort
werden vor dem Hintergund der Osterweiterung die
großen neuen Verkehrsströme zu erwarten sein, auf die wir
uns einstellen. Ein Schwerpunkt dieses Haushaltsplan-
entwurfes, den der Minister vorgelegt hat, ist ja, dass die
Investitionen in den ostdeutschen Bundesländern Priorität
haben. Wir stellen uns also den Herausforderungen.

Den Herausforderungen der Nachhaltigkeit stellen wir
uns auch in einem anderen Zusammenhang. Wenn man
den Wettbewerb der Verkehrsträger ernst nimmt, dann
muss man zu einer gerechten Kostenanlastung dieser
Verkehrsträger kommen und nicht über Staatssubven-
tionen einzelne Verkehrsträger ungerechterweise bevor-
zugen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Auweh, dann schauen Sie sich einmal die Bahnbilanz an!)


Deshalb ist das, was Sie zur Ökosteuer gesagt haben, et-
was daneben. Wenn Sie sagen, die Mittel, die durch die
Ökosteuer eingenommen werden, sollten nur für Straßen-
infrastrukturausbau ausgegeben werden, dann wissen Sie
nicht, was mit diesem Konzept verfolgt wird.

Die Kostenanlastung der Verkehrsträger trifft natürlich
ganz andere gesellschaftliche Bereiche, die wir ebenfalls
im Blick haben müssen. Im nächsten Jahr wird unser Kon-

zept um die LKW-Maut ergänzt. Das ist ein ganz wich-
tiger Schritt, um zu einer gerechten Kostenanlastung und
zu einem zukunftsfähigen Verkehrssystem zu kommen.
Dafür müssen die Mittel verursachergerecht erhoben
werden.

Der dritte Ansatz zum Thema „gerechte Kostenanlas-
tung“, nämlich die Aufhebung der Mehrwertsteuerfreiheit
im Flugverkehr, wie es im Koalitionsvertrag festgelegt ist,
wird zwar kein gravierender, aber dennoch ein wichtiger
Schritt sein. Auch das dient dazu, eine nachhaltige Ver-
kehrspolitik im Sinne von gerechter Kostenauslastung zu
betreiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Der Bundesverkehrswegeplan wird uns im nächsten
Jahr massiv beschäftigen. Darin wird materiell die Grund-
lage für die Investitionen der nächsten Jahre gelegt. Ich
möchte jetzt nicht auf die Einzelheiten eingehen. Eines
aber ist mir wichtig: Wir sollten in den nächsten Jahren bei
der Beratung des Bundesverkehrswegeplans und der Um-
setzung nicht wieder ein Märchenbuch schreiben, wie es
gerade angeklungen ist. Das heißt: Es sollte nicht dazu
kommen, dass jeder seine Lieblingsprojekte in den Bun-
desverkehrswegeplan schreibt und damit letztendlich völ-
lig verantwortungslos Politik betreibt, weil er Erwartun-
gen weckt, die aufgrund fehlender finanzieller Mittel
nicht erfüllt werden können, weil er in allen Bundes-
ländern Planungskapazitäten lahmlegt, weil ohne Ende
Planfeststellungsverfahren begonnen werden und in den
Schubladen der Behörden verschwinden und weil in der
Öffentlichkeit Konflikte geschürt werden, die sehr viel
Kraft kosten und nicht notwendig sind. Deshalb brauchen
wir einen Bundesverkehrswegeplan, der an der Haushalts-
ehrlichkeit orientiert ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zum Schluss komme ich auf die Flusspolitik zu spre-
chen. Im Koalitionsvertrag haben wir das Koordinaten-
system für eine vernünftige Flusspolitik neu justiert. In
diesem Koordinatensystem – Ressourcen- und Hochwas-
serschutz auf der einen Seite und die Förderung des um-
weltfreundlichen Verkehrssystems auf der anderen Seite –
werden sicher noch eine Reihe von Justierungen vorge-
nommen werden müssen. So müssen zum Beispiel die In-
teressen der Binnenschifffahrt neu angeordnet werden.
Ich freue mich auf die Gespräche, die wir bereits mit den
Binnenschiffern begonnen haben,


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Geht es etwas konkreter?)


um vor dem Hintergrund der politisch gesetzten Rahmen-
bedingungen, die gesetzt worden sind, zu den notwendi-
gen Entscheidungen zu kommen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501416200

Kommen Sie bitte zum Schluss.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Werden Sie konkreter oder hören Sie auf!)



(A)



(B)



(C)



(D)


1104


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1105


Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501416300

Ein letzter Satz.


(Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Herr Vaatz, wir können das in privatissime klären. – Der
Metrorapid ist eine wichtige Investition im Bereich des
Verkehrshaushaltes; das ist gar keine Frage. Es handelt
sich um eine ausgesprochen interessante Technologie, de-
ren Wirtschaftlichkeit allerdings noch immer nicht be-
wiesen ist. Wir stellen für dieses hochinteressante Projekt
bis zu 2,3 Milliarden Euro zur Verfügung.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501416400

Herr Kollege, Sie hatten drei letzte Sätze. Jetzt ist

Schluss.


Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501416500

Jetzt sind die Industrie und die Betreiber dabei, –


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501416600

Jetzt sind Sie beim vierten letzten Satz. Hören Sie auf,

sonst muss ich Ihnen das Mikrophon abstellen.


Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501416700

– ein Finanzierungssystem zu erarbeiten. Danach werden
wir das Geld auszahlen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501416800

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind beim letzten

Tagesordnungspunkt. Ich bitte Sie, Ihre Redezeit nicht zu
überziehen. Niemand hat einen Gewinn davon.

Als nächster Redner hat der Kollege Horst Friedrich
von der FDP-Fraktion das Wort.


Horst Friedrich (FDP):
Rede ID: ID1501416900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr

Minister, ich gehe zunächst auf Ihr Angebot einer Zu-
sammenarbeit ein. Was Sie zum Verkehrswegeplanungs-
beschleunigungsgesetz gesagt haben, hat die volle Un-
terstützung der FDP. Diese Unterstützung hätte der
Verkehrsminister schon in der letzten Wahlperiode haben
können. Der Antrag lag nämlich mit der von Ihnen be-
schriebenen Zielsetzung bereits vor; allerdings hat ihn die
rot-grüne Mehrheit damals abgelehnt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wenn Sie jetzt schlauer geworden sind, ist es gut. Wir
werden Sie hier in der Hoffnung unterstützen, dass die
Mehrheit von der anderen Seite des Hauses mitzieht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Aufgrund der Zeitknappheit werde ich mich heute
ausschließlich mit der Bahn befassen, Herr Kollege
Steenblock, und die Zahlen ein bisschen gerade rücken.
Gestern konnte man der „Berliner Zeitung“ entnehmen,
dass die Bahn offensichtlich wieder einmal – zum vierten
Mal hintereinander in der Ära Mehdorn – nicht in der
Lage ist, die ihr zur Verfügung gestellten Gelder tatsäch-
lich zu verbauen. In Regierungskreisen spricht man von
einer dreistelligen Millionenhöhe. Die Bauindustrie redet
von 700 Millionen Euro.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist falsch! Das ist gelogen!)


Ihr Sprecher hat gesagt, im letzten Jahr seien 400 Millio-
nen Euro nicht abgeflossen.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Deswegen wird es auch nicht richtiger!)


– Herr Kollege Schmidt, Sie haben schon mehrfach „Das
ist gelogen!“ dazwischengerufen. Die regierungsamt-
lichen Zahlen waren immer anders als Ihre. Offensichtlich
haben Sie eine eigene Buchführung.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich weiche nie von regierungsamtlichen Zahlen ab! Das weise ich zurück!)


Herr Minister, wenn Sie in Ihrem Haushalt wirklich
Spielräume und Flexibilität erreichen wollen, dann müs-
sen Sie das Problem Bahn in den Griff bekommen. Ande-
renfalls wird sie zum unkalkulierbaren Haushaltsrisiko.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich dachte, das Geld fließt zurück! Wo ist denn da das Risiko?)


Hinsichtlich der Strecke Köln–Frankfurt, des Knotens
Berlin, der Strecke München–Nürnberg und jetzt bereits
im Vorfeld der neuen Strecke München–Erfurt gibt es nur
ein Thema: Die Baukosten gehen nach oben.

Obwohl man die Mehrkosten auf diesen Strecken noch
nicht in den Griff bekommen hat, fordert Herr Mehdorn
die Erstattung der durch die Flut entstandenen Mehrkos-
ten. Dabei reicht es ihm nicht, dass er die Baukosten be-
kommt. Er möchte auch noch den Umsatzausfall vergütet
bekommen. Das wäre etwas Neues; das gab es in Deutsch-
land noch nicht.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das wird es auch nicht geben!)


Des Weiteren möchte er den Bundesgrenzschutz kos-
tenlos auf den Bahnhöfen behalten. Über diesen Punkt
kann man noch aus ordnungspolitischen Gründen streiten.
Auch wir sind der Meinung, dass die Herstellung von Si-
cherheit eine hoheitliche Aufgabe ist, für die der Staat in
Vorleistung treten muss.


(Beifall des Abg. Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das eigentliche Problem ist, dass Herr Mehdorn eine
„Deutsche Bundesbahn AG“ möchte. Er möchte die AG,

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Horst Friedrich (Bayreuth)

wo sie ihm nützt, und er möchte die Staatsbahn, wo
sie ihm hilft. Damit agiert er entgegen den Vorgaben des
Eisenbahnneuordnungsgesetzes. Er konzentriert alle
Macht in der Holding, obwohl im Eisenbahnneuordnungs-
gesetz definitiv steht, dass die Holding nur vorübergehend
zu installieren sei und dann aufgelöst werden müsse. Nur
dann, wenn Sie die Holding auflösen – hier erwarte ich
jetzt ein Machtwort des Verkehrsministers als des Vertre-
ters des Eigentümers Bundesrepublik Deutschland –, wer-
den wir in der Lage sein, wenigstens die Transportbereiche
der Bahn an den Markt zu bringen. Über die Trennung von
Netz und Betrieb will ich mich hier nicht weiter auslassen.

Bedeutsam für einen Haushalt ist auch, dass die Bahn
mittlerweile wieder eine Verschuldung von 18 Milliar-
den Euro erreicht hat, obwohl sie 1994 entschuldet wurde
und seit diesem Zeitpunkt Steuergelder in Höhe von
75 Milliarden Euro in die Investitionen und 45 Millio-
nen Euro in das Bundeseisenbahnvermögen geflossen sind.
Wenn Sie hier nicht die Bremse anziehen, werden Sie das
Problem nicht in den Griff bekommen und deswegen im-
mer Schwierigkeiten mit dem Haushalt haben. Zu dieser
Problematik biete ich Ihnen den offenen Dialog der FDPan.
Hierfür werden Sie die Unterstützung der FDP bekommen.
Ihrem Haushalt können wir jedoch leider nicht zustimmen.

Danke sehr.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501417000

Das Wort hat jetzt die Kollegin Annette Faße von der

SPD-Fraktion.


Annette Faße (SPD):
Rede ID: ID1501417100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Man hat den Eindruck, je länger die Opposition in der
Opposition ist, desto schlechter wird das Gedächtnis.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Machen Sie sich keine Sorgen!)


Wo soll das eigentlich noch hinführen, meine Damen und
Herren der Opposition?


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Untersuchungsausschuss! – Gegenruf des Abg. Eduard Oswald [CDU/ CSU]: Der soll sich mit der Regierung beschäftigen und nicht mit der Opposition! – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Schiedsrichter ist der Wähler, nicht die SPD!)


Das, was Sie heute geboten haben, waren weder Alterna-
tiven noch war es ein Wunschzettel. Höchst interessant
ist, dass Sie der Politik der Regierung in vielen Punkten
zugestimmt haben, zum Beispiel beim integrierten Ver-
kehrssystem. Vielleicht schreiben Sie noch auf Ihren
Wunschzettel für Weihnachten:


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wir gehen ja jetzt in Richtung Weihnachten!)


Der Geldsegen von oben möge kommen, damit alle Wün-
sche und Vorstellungen der Opposition erfüllt werden kön-

nen. Das wäre doch einmal ein sachdienlicher Wunsch,
meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition.

Der Verkehrshaushalt 2003 ist erneut der drittgrößte
Einzeletat, und das trotz der angespannten Haushaltslage
und trotz der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Rot-Grün setzt den Investitionsschwerpunkt bewusst auf die
Verkehrsinfrastruktur; denn Infrastrukturinvestitionen
sind Zukunftsinvestitionen für den wirtschaftlichen, sozia-
len und gesellschaftlichen Standort Deutschland. 1 Milliar-
de Euro schaffen oder sichern 25000 Arbeitsplätze.

Der Aufbau Ost genießt im Rahmen der Verkehrsinves-
titionen weiterhin hohe Priorität. 60 Prozent der Investi-
tionen in die Infrastruktur fließen in die Verkehrswege der
neuen Bundesländer.


(Siegfried Scheffler [SPD]: Das ist auch gut so!)


Der Schwerpunkt liegt weiterhin bei den Verkehrsprojek-
ten „Deutsche Einheit“, die vorrangig finanziert werden.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das ist keine Änderung seit 1992!)


Zur Erinnerung: 1997, also zurzeit Ihrer Regierungs-
verantwortung, lag die Höhe der Verkehrsinvestitionen
bei 9,5 Milliarden. Mittlerweile liegt dieser Wert bei
11,5 Milliarden. Dazu kommt noch das Geld aus dem
Fonds für die Bewältigung der Hochwasserschäden. Wir
stehen zum Aufbau Ost und wir stehen zum Ausbau West.
Diese Aussage prägt den gesamten Verkehrshaushalt.

Wir werden die Investitionen in die Infrastruktur lang-
fristig verstetigen. Im Jahre 2006 werden wir sie auf
10,6 Milliarden Euro erhöhen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Da liegen noch mindestens drei Haushalte dazwischen! Warten wir es einmal ab!)


Damit sind wir auf dem Weg, den Verkehrsträgern und der
Industrie wirklich die notwendige Planungssicherheit zu
geben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der Minister hat die große Aufgabe angesprochen, ei-
nen neuen Bundesverkehrswegeplan aufzustellen. Ich
sage hier klar und deutlich: Die Schwerpunkte dieses
neuen Planes werden voll und ganz getragen, nämlich die
Engpassbeseitigung, die forcierte Förderung der Orts-
umgehungen, die Stärkung des maritimen Standorts
Deutschland durch den gezielten Ausbau der Hinterland-
verbindungen und der integrierte Aufbau der Verkehrs-
infrastruktur in den neuen Bundesländern.

Zur Engpassbeseitigung gehört selbstverständlich wei-
terhin die Schiffbarkeit unserer Wasserstraßen.Wir wer-
den dafür sorgen, dass die Wasserstraßen auch in Zukunft
ihren wichtigen Part in einem integrierten Verkehrssystem
innehaben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



(A)



(B)



(C)



(D)


1106


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1107

Die Umsetzung des 90-Milliarden-Euro-Programms
wird bis 2010 abgeschlossen sein. Wir fällen in dieser Le-
gislaturperiode Entscheidungen, die weit in die Zukunft
hineinreichen.

Wir verbuchen im Verkehrshaushalt 2003 das erste Mal
Mauteinnahmen. Damit kann das „Anti-Stau-Programm
2003 bis 2007“ beginnen. Durch die Mauteinnahmen ha-
ben wir mehr Geld für Investitionen. Das wollen wir. Wir
haben auf diesem Gebiet wichtige Zeichen gesetzt. Es
gilt, die Beschlüsse jetzt konsequent umzusetzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501417200

Frau Kollegin Faße, erlauben Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Vaatz?


Annette Faße (SPD):
Rede ID: ID1501417300

Ja.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501417400

Herr Vaatz, bitte schön.


Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1501417500

Frau Kollegin Faße, Sie haben eben betont, dass Sie die

Flüsse als Schifffahrtswege erhalten wollen. Können Sie
mir erklären, wie das mit dem Stopp der Fahrrinnenunter-
haltungsmaßnahmen an der Elbe vereinbar ist?


Annette Faße (SPD):
Rede ID: ID1501417600

Herr Vaatz, Ihre Frage beruht auf falscher Information.

Ich sage ganz deutlich: Es gibt keinen Stopp. Unterhal-
tungsarbeiten werden weiterhin ausgeführt werden. Wir
sind aber der festen Überzeugung, dass wir mit unseren
Flüssen nach der Hochwasserkatastrophe sehr viel sen-
sibler umgehen müssen. Von daher werden wir das Pro-
blem des Hochwassers an den Flüssen natürlich neu zu
bewerten haben. Das werden wir für die Flüsse, die in der
Koalitionsvereinbarung aufgeführt sind, auch machen.
Das hat nichts damit zu tun, dass diese Flüsse hinterher
nicht schiffbar sind, schiffbar bleibt auch die Elbe, Herr
Vaatz.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Unser Verkehrssystem braucht die Wasserstraßen, das
Binnenschiff und die Schifffahrt. Darum sage ich
ganz deutlich: Gemäß der Vereinbarung des Maritimen
Bündnisses fürAusbildung und Beschäftigung werden
wir 2003 Finanzmittel in Höhe von 30,8 Millionen Euro
zur Verfügung stellen. Damit leisten wir einen wichtigen
Beitrag zur Sanierung und Sicherung von Bordarbeits-
plätzen deutscher Seeleute auf deutschen Handelsschiffen
und auch zur Förderung der Ausbildung des seemän-
nischen Nachwuchses.


(Beifall des Abg. Reinhard Weis [Stendal] [SPD])


Der Finanzbeitrag für die Seeschifffahrt wird weiter
fortgeführt. Wir haben mit ein bisschen Überzeugungsar-
beit erreicht, dass die Tonnagesteuer und der 40-prozen-
tige Lohnsteuereinbehalt beibehalten werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Damit sichern wir Arbeitsplätze in der Seeschifffahrt, aber
auch Landarbeitsplätze. Allein im letzten Jahr sind 850 neue
Arbeitsplätze an Land geschaffen worden.

Die Kurzstreckenseeverkehre bedürfen in Zukunft
einer besonderen Aufmerksamkeit, gerade auch im Hin-
blick auf die EU-Osterweiterung. Ich meine, dass wir hier
Chancen haben, die es konsequent zu nutzen gilt. Darum
begrüße ich sehr, dass wir mit dem Short Sea Shipping
Promotion Center eine Institution geschaffen haben, die
sich vehement für mehr Verlagerung des Verkehrs auf das
Binnenschiff und auf das Seeschiff auch im Kurz-
streckenbereich einsetzen wird.

Die Schiffssicherheit hat der Minister angesprochen.
Ich begrüße es sehr, dass das neu geschaffene Havarie-
kommando am 17. Dezember in Cuxhaven auch offiziell
seine Arbeit aufnehmen kann. Ich meine, dass das ein wich-
tiges Signal ist in einem Gesamtkonzept, zu dem auch viele
andere Bereiche gehören. Ich kündige hier an: Wir werden
uns auch mit der Schiffssicherheit kontinuierlich weiter zu
befassen haben. Dazu wird Rot-Grün in der nächsten Sit-
zungswoche auch einen entsprechenden Antrag einbringen,
der sich mit den Hafenstaatkontrollen, mit dem Nothafen-
konzept und mit den Doppelhüllentankern befassen wird.

Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei Punkte an-
sprechen. Wir werden uns mit dem Thema Verkehrslärm
in den nächsten vier Jahren zu befassen haben, aber wir
wollen uns auch um den Ausbau der Radwege kümmern.
Wir haben hierzu im letzten Jahr ein besonderes Pro-
gramm aufgelegt. Ich möchte deutlich machen, dass wir
von der SPD – ich denke, die Grünen haben wir dabei mit
im Boot – ein Programm für Radwege an Bundeswasser-
straßen auflegen werden. Ich meine, dass das eine Chance
für den Tourismus und genauso für die Verkehrswirtschaft
ist. Das ist ein wichtiger Schritt voran. Ich hoffe, meine
Herren in der Opposition, Sie werden wenigstens diesem
Antrag im Ausschuss zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501417700

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege

Dr. Klaus Lippold von der CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Klaus W. Lippold (CDU):
Rede ID: ID1501417800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Herr Minister Stolpe, wer sich mit Ihren Ausführun-
gen der letzten Zeit zur Verkehrsproblematik befasst hat,
wird festgestellt haben, dass wir sehr vieles von dem, was
Sie befürchten, in vollem Umfang teilen.


(Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU])


Annette Faße

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)


Ihre Meinung, dass Standortproblematik und Ver-
kehrsproblematik zusammen betrachtet werden müssen
und dass wir hier Prioritäten setzen müssen, teilen wir. Sie
haben – das haben Sie heute nicht so stark betont; das ha-
ben Sie heute etwas eleganter überspielt – die dramatische
Situation des Verkehrsnetzes in Deutschland sehr deutlich
dargestellt. Auf diesen Punkt Ihrer früheren Ausführungen
müssen wir noch einmal zurückkommen. Wir wollen ge-
nauso wie Sie einen massiven Ausbau der Infrastruktur –
nicht nur im Osten, sondern auch in Westdeutschland. Wir
teilen auch Ihre Akzentsetzung, die Sie für die neuen Bun-
desländer vornehmen wollen, weil es hier unbestreitbar
Nachholbedarf gibt, den wir abarbeiten wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)


Herr Minister, Sie haben gleichzeitig gesagt, dass Sie
die Erleichterung der Bildung von Wohneigentum für ei-
nen wichtigen gesellschaftspolitischen Stabilitätsfaktor
halten. Auch das teilen wir. Aber gerade diese letzte Be-
merkung nehme ich zum Anlass, deutlich zu machen, dass
wir Sie natürlich in Zukunft an Ihren Aussagen messen
werden; denn es geht nicht nur um Zielformulierungen,
sondern es geht darum, wie diese Ziele in die Tat umge-
setzt werden.

Angesichts der gesellschaftspolitischen Wertschätzung
von Wohneigentum ist es offensichtlich, dass Sie mit der
Kürzung der Eigenheimzulage in die völlig falsche Rich-
tung gehen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist der Punkt!)


Das ist in dieser Form nicht Ihnen persönlich anzulasten,
denn nach Ihren Äußerungen haben auch Sie das kritisiert.
Aber, Herr Minister, Ihnen ist anzulasten, dass Sie sich
mit Ihrer Kritik nicht durchgesetzt haben. Das ist der ent-
scheidende Punkt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Weil wir heute schon mehrfach über einen Untersu-
chungsausschuss gesprochen haben,


(Zuruf des Abg. Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


muss ich sagen, dass die Frage der Eigenheimzulage
– Herr Schmidt, das erspare ich Ihnen nicht – natürlich ein
Beleg für die Wählertäuschung ist. Ich zitiere Herrn
Markwort, der im „Focus“ zu Beginn dieser Woche noch
einmal ganz deutlich aufgelistet hat, dass Sie in verschie-
denen Äußerungen


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Fakten! Fakten! Fakten!)


das ganze letzte Jahr hindurch gesagt haben, dass Sie hier
nichts ändern wollen,


(Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Das ist definitiv falsch!)


dass die Eigenheimzulage bleibt,

(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das stimmt ja nicht!)


dass sie ungeheuer wichtig ist und deshalb aufrechterhal-
ten wird. Dann haben Sie sie gekürzt. Der Kanzler, der ja
für die Politik verantwortlich ist, hat kurz vor der Wahl in
einem Interview deutlich gemacht, Zweifel seien nicht an-
gebracht. Er stehe de facto dazu. Das ist in der „Sied-
lerzeitung“ nachzulesen. Wenn das Wort „Wählertäu-
schung“ hier von einem Journalisten gebraucht wird,
werden Sie darauf hoffentlich in anderer Weise reagieren
und es nicht, wie Sie sonst üblich, als parteipolitische Po-
lemik abtun.

Nein, so kann man es nicht machen: noch bis zur letz-
ten Sekunde sagen: „Das steht; das ist stabil; es ändert sich
nichts“ und hinterher ganz rasch nach dem Motto „Wird
ja wohl nicht besonders auffallen“ Einschnitte vorneh-
men. Das ist Wählertäuschung. Das lassen wir Ihnen nicht
durchgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich sage das, weil es natürlich in einem grundsätzli-

chen Zusammenhang mit der miserablen Situation in der
Bauwirtschaft steht.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr! 100 000 Arbeitsplätze!)


Dieser Punkt trägt mit dazu bei, aber er ist nicht der ein-
zige. Die miserable Situation in der Bauwirtschaft ist zum
einen durch die Konjunktur bedingt. Aber durch das Um-
feld, das Klima, das Sie schaffen,


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Schröder macht die fertig!)


tragen Sie ganz erheblich dazu bei, dass die Lage für die
Bauwirtschaft immer schlechter wird. Ich denke an die
stetigen Diskussionen um die Vermögensteuer und um die
Erhöhung der Erbschaftsteuer. Was Sie sich in der letzten
Zeit für ein Chaos in der Vermögensteuerdiskussion ge-
leistet haben, können Sie überall nachlesen. Hier ist etwas
gesagt worden, dort ist etwas gesagt worden. Der Kanzler
hat zum 25. Mal ein Machtwort gesprochen: Ende der
Diskussion. – Das wird so sein wie bei den 24 Malen vor-
her: Das Machtwort hält genau einen Tag und dann geht
die Diskussion weiter,


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Hört ja keiner hin!)


weil dieser Kanzler nicht nur in der Öffentlichkeit an Ver-
trauen verloren hat, sondern sich mittlerweile auch in der
eigenen Fraktion nicht mehr durchsetzen kann.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Er wird nicht mehr ernst genommen!)


Es ist doch erstaunlich, dass er die Frage der Vermögen-
steuer nicht hier, in der Generaldebatte im Deutschen
Bundestag, anspricht, sondern im ZDF, wo er Herrn
Müntefering nicht ins Gesicht gucken muss. Er würde ihm
natürlich deutlich machen: So läuft es nicht, Junge. Das
ist ein anderes Spiel. – Nein, so geht das nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Frage der Besteuerung von Immobilien stellt sich

auch im Zusammenhang mit der Alterssicherung. Sie dür-
fen sich doch nicht wundern, dass nicht nur der Einfami-


(A)



(B)



(C)



(D)


1108


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1109

lienhausbau, sondern dass auch Mietwohnungsbau und
Industriebau zurückgehen. Das verdanken Sie dem Um-
feld, dem Klima, das politisch Sie zu verantworten haben.
Deshalb sind Sie auch verantwortlich für den Rückgang
der Zahl der Arbeitsplätze in der Bauindustrie.

Wir lassen dem Kanzler auch überhaupt nicht durch-
gehen, dass er gestern in einem Halbsatz – er hat ja sonst
über Arbeitslosigkeit nicht gesprochen, weil das für ihn
ein Sekundärproblem in dieser Republik ist – davon ge-
sprochen hat, die Bauwirtschaft sei „übersetzt“. Er stellt
das somit quasi als einen Normalisierungsvorgang dar.
Nein, das ist Folge verfehlter Politik.

Wie stellt sich denn die Situation dar? Wir hatten Ende
der 80er-Jahre im Westen dieser Republik 960000 Arbeits-
plätze in der Bauwirtschaft, nach der Wiedervereinigung
waren es 1,5 Millionen. Man kann sicherlich sagen: Das
war übersetzt. Aber jetzt, Herr Stolpe, haben wir 860000 im
glücklicherweise wieder vereinigten Deutschland. Dies
ist nicht mehr übersetzt. Jetzt greift die Strukturkrise in
Verbindung mit der generellen Konjunkturkrise und be-
wirkt, dass Arbeitsplätze, die erhalten werden könnten,
verloren gehen, und der Kanzler schaut mit der ruhigen
Hand zu.

Ferner wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie auch Pro-
gramme überprüfen würden, die Sie vor der Wahl zum
Beispiel im städtischen Bereich für ein Jahr aufgelegt,
aber nach der Wahl sofort auf Null gestellt haben. Das hat
nichts mit Kontinuität zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Minister, ich möchte Sie insbesondere darum bit-

ten, dass Sie die Bahn nicht wie Ihr Vorgänger, dem ich
das mehrfach vorgeworfen habe, einfach so aus dem
Ruder laufen lassen. Herr Bodewig tanzte nach der Melo-
die, die Herr Mehdorn vorgegeben hat. Dies hatte fatale
Folgen. Nach außen wird gesagt: Die Bahn bedient die
Fläche. Realität aber ist: Anschlüsse, Gleise und Verbin-
dungen werden stillgelegt. Das kann es nicht sein, Herr
Mehdorn – Entschuldigung, Herr Stolpe. Dies ist mir auch
bei Herrn Bodewig passiert, den ich immer mit Mehdorn
angeredet habe, weil dieser der eigentliche Inspirator war.

Herr Stolpe, der Hauptpunkt ist: Wenn wir mehr Wett-
bewerb schaffen und dafür sorgen, dass die Strecken, die
die Deutsche Bahn nicht mehr will, von anderen genutzt
werden können, sieht die Situation ganz anders aus. Des-
halb erwarte ich, dass Sie zu mehr Wettbewerb und zu
mehr Verlagerung nicht nur etwas sagen, sondern auch et-
was tun. Auch daran werden wir Sie messen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich habe gehört, dass Sie, der Kanzler und noch ein

Dritter jetzt wieder eine Pilgerfahrt nach Schanghai un-
ternehmen werden. Ich will noch einmal deutlich sagen:
Es kann nicht richtig sein, jetzt permanent in Schanghai
zu demonstrieren, was deutsche Technologie ist. Sie hät-
ten sich früher überlegen sollen, den Transrapid hier ein-
zusetzen; dann wäre es ganz anders gekommen.

Lassen Sie mich noch etwas zur ICE-Strecke Erfurt-
Nürnberg und den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“
sagen, weil ich das für sehr wichtig halte. Den Ausbau der

ICE-Strecke von Erfurt nach Nürnberg haben – das haben
wir nicht vergessen – Ihre Freunde 1999 gestoppt. Wenn
dieser Ausbau jetzt endlich mit dem nötigen Nachdruck
versehen wird, ist dies aus meiner Sicht richtig. Wenn man
später über den Anschluss Erfurt-Berlin nachdenkt, ist das
angebracht; denn wir brauchen auch diese Verbindung.
Ich glaube, dass wir hier einer Meinung sind. Herr Stolpe,
ich erwarte aber auch, dass Sie so konsequent handeln,
wie Sie es hier angekündigt haben. Hoffentlich werden
Sie das auch einhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Einige wenige Sätze zum Straßenbau: Ich halte die

Art und Weise, wie Sie die Einnahmen durch die Maut
verwenden wollen, für nicht akzeptabel. Sie stopfen damit
die eichelschen Haushaltslöcher, statt dieses Geld in
vollem Umfang in die Infrastrukturmaßnahmen zu
stecken und damit zum Ausbau des Straßen- und Schie-
nennetzes beizutragen.

Ich wiederhole es: Die Maut ist nicht dazu da, die
eichelschen Haushaltslöcher zu stopfen. Hier müssen die
Akzente anders gesetzt werden. Wir müssen ferner die
Belastungen des Verkehrsgewerbes durch die Harmoni-
sierung in der EU einigermaßen ausgleichen, damit – wie
dies einige Vorredner schon gesagt haben – das deutsche
Verkehrsgewerbe nicht kaputtgeht, das ausländische Ver-
kehrsgewerbe auf den deutschen Markt drängt und somit
auch hier, wie im Baubereich, Arbeitsplätze verloren ge-
hen, die wir in unserer Republik erhalten sollten und
müssten.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist richtig! Das muss auch sein!)


Ich möchte noch eine kurze Anmerkung zu den Was-
serstraßen machen. Meine sehr verehrten Damen und
Herren von der Regierungskoalition, man kann Wasser-
straßen auch ökologisch verträglich ausbauen. Was Sie
hier diskutieren, ist der Versuch, die Hochwasserkatastro-
phe zu instrumentalisieren. Sie gehen einen falschen Weg.
Wir brauchen die Wasserstraßen. Wir brauchen auch die
Flusswasserstraßen, um Alternativen zum Straßenverkehr
zu haben. Das kann in ökologischer Weise geschehen und
Sie sollten sich nicht gegen jeglichen Ausbau – dies steckt
ja hinter Ihren Ausführungen – sträuben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

In dem Sinne haben wir noch viel zu tun. Gehen wir es

gemeinschaftlich an.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501417900

Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1501418000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr

Minister Stolpe, Sie haben in Ihrer Antrittsrede zwei Sätze
gesagt, die ich heute gerne aufgreifen möchte. Satz eins:

Ich will meine Arbeit in Kontinuität ... gestalten und
dabei auch die erfolgreiche Arbeit ... weiterführen.

Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Petra Pau
Der Kollege Friedrich von der FDP kommentierte das mit
dem Zwischenruf „So erfolgreich kann sie nicht gewesen
sein!“. Ich stimme der FDP selten zu. Aber hier muss ich
sagen: Wo sie Recht hat, hat sie Recht.

Wir haben in den neuen Bundesländern eine reale Ar-
beitslosigkeit von über 30 Prozent, Tendenz steigend. Wir
haben es mit einer anhaltenden Abwanderung insbeson-
dere junger Leute zu tun. Angesichts dieser Tatsache sieht
es nach Traumtänzerei aus, wenn Sie in Kontinuität an Er-
folge anknüpfen wollen. Vielmehr wäre kritisch zu prü-
fen, was falsch läuft, und umzusteuern.

Meine Kritik wird übrigens höchstamtlich geteilt. Neh-
men Sie nur den jüngsten Beschäftigungsbericht der EU.
Er weist nach, dass die Lage in Ostdeutschland besonders
dramatisch ist. Deshalb wird im EU-Bericht ein umfas-
sendes Konzept für die östlichen Bundesländer mit regio-
nalen arbeitsmarkt- und strukturpolitischen Maßnahmen
eingefordert.

Nun zum zweiten Satz aus Ihrer Antrittsrede, Herr
Minister Stolpe – ich zitiere –:

Der Aufbau Ost ist eine Aufgabe aller Ressorts.
Diesem Punkt stimme ich nun wiederum ausdrücklich zu.
Er hat sich aber offenbar unter Ihren Koalitionskollegen
noch nicht herumgesprochen. Nehmen wir nur das viel
gepriesene Hartz-Konzept. Es ist nicht osttauglich; denn
es verschärft die Probleme nur, anstatt sie zu lösen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Dies ist eine Kritik, die übrigens generell auf struktur-
schwache Regionen zutrifft. Sie müssten das aus der Er-
fahrung der vergangenen zwölf Jahre eigentlich besser
wissen, Herr Stolpe.

Sie haben auch heute wieder zu Recht zur Angleichung
der Lebensverhältnisse in den neuen Bundesländern an
das Durchschnittsniveau West aufgerufen und stellen es
bis zum Jahr 2007 in Aussicht. Das ist grundsätzlich rich-
tig. Nur, nach allem, was ich im Haushaltsplan lese,
komme ich zu dem Schluss: Ihre Ankündigung ist bisher
nicht mit einem einzigen Cent untersetzt. Ich habe mir
nicht nur den Einzelplan 06, der traditionell den öffentli-
chen Dienst umfasst, angesehen, sondern alle Teile. Ich
finde darin nicht einen einzigen Cent zu dieser Ankündi-
gung. So kann man kein Vertrauen gewinnen und so kann
man die Bürgerinnen und Bürger insbesondere im Osten
nicht zum Mittun motivieren.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Sie verweisen, Herr Minister Stolpe, auf die Chancen
für die neuen Bundesländer, die in der EU-Osterweite-
rung liegen. Das ist ein Thema, das schon heute viele be-
wegt, und zwar aus sozialer Sicht nicht nur erwartungs-
froh. Durch mehrere EU-Länder wurde angemahnt, eine
Sozialcharta mit Mindeststandards zu vereinbaren. Es war
ausgerechnet der Vertreter der Bundesregierung im EU-
Konvent, Ihr Kollege Glotz, der das damals als pure „Zeit-
verschwendung“ abtat. Inzwischen hat der Herr Bundes-
außenminister Fischer seinen Platz im Konvent

eingenommen. Von einer europäischen Sozialcharta höre
und lese ich bei Rot-Grün indes nichts.

Eine abschließende Bemerkung. Auch in den vergan-
genen zweieinhalb Tagen hörte ich wieder Sätze wie: In
den neuen Bundesländern ist das noch nicht so wie bei
uns! – Solange Minister und Mitglieder des Bundestages
so denken: In den neuen Bundesländern ist das noch nicht
so wie bei uns, so lange bleibt der Aufbau Ost für viele wie
etwas aus dem Ausland, also etwas Fremdländisches.

Deshalb wiederhole ich: Das zitierte „Weiter so“ ist
keine Lösung. Sie, nein, wir alle brauchen einen Neuan-
satz. Anderenfalls wird der Aufbau Ost zwar teurer, aber
garantiert nicht besser. Ich gebe zu, auch die PDS hat nicht
den Stein der Weisen. Aber unsere Vorschläge und Kon-
zepte liegen vor. Ich stelle Sie Ihnen gern noch einmal zur
Verfügung.

Danke.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501418100

Als nächster Redner hat der Kollege Peter Hettlich,

Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501418200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der bevorstehende Bevölkerungsrückgang,
unsere internationalen Verpflichtungen zum Klimaschutz,
die ungebremste Zersiedlung zulasten der Städte und ih-
rer Infrastruktur, die damit verbundene dringende Not-
wendigkeit der Reduzierung des Flächenverbrauchs von
derzeit 130 Hektar pro Tag auf 30 Hektar bis zum Jahr
2020 und das Erfordernis einer Stärkung des Faktors Ar-
beit in der Bauwirtschaft – dies alles lässt nur einen
Schluss zu: Wir müssen die Bau- und Wohnungspolitik
vom Kopf wieder auf die Füße stellen.

Im Zusammenhang mit dem hier zu diskutierenden
Haushalt heißt das vor allem, dass wir mit unserer Politik
weiterhin die Förder- und Investitionsmittel nicht auf
Mengenwachstum, sondern auf Bestandspflege und Be-
standssanierung konzentrieren müssen. Im Zuge der öko-
logischen Finanzreform werden wir daher Subventionen
und Förderungen, die der Politik der Nachhaltigkeit wi-
dersprechen, abschmelzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Änderung der Eigenheimzulage insbesondere

durch die Gleichstellung von Neubau- und Bestandsför-
derung und die Verringerung des Fördervolumens ist ein
erster Schritt in die Richtung. Denn die Eigenheimzulage
stellt immerhin einen der größten Ausgabeposten im
Bundeshaushalt dar. Sie ist zudem der größte wohnungs-
politische Einzelfaktor. Die für 2002 erwarteten Steuer-
ausfälle belaufen sich auf über 9 Milliarden Euro. Dies
entspricht fast der Hälfte des gesamten wohnungspoliti-
schen Fördervolumens und etwa 0,5 Prozent des Brut-
toinlandsproduktes.

Die in Teilen unseres Landes gesättigten Wohnungs-
märkte, die zunehmende Stadt-Umland-Wanderung, die


(A)



(B)



(C)



(D)


1110


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1111

durch die Eigenheimzulage möglicherweise sogar mitver-
ursachten Bodenpreissteigerungen, die Gefahr eines Im-
mobilienwerteverfalls, wenn wir trotz rückläufiger Nach-
frage den Neubau künstlich auf einem hohen Niveau
subventionieren, und die Überkapazitäten in der Bauwirt-
schaft legen ein Abschmelzen des Fördervolumens und
einen Abbau der Neubauförderung ebenso nahe wie die
Tatsache, dass es in der Vergangenheit kaum einen Haus-
halt gab, der die Zulage nicht in Anspruch nehmen konnte.

Mit anderen Worten: Viele Haushalte hätten auch ohne
die Zulage gebaut oder bauen können. Rentenbezieher etwa
oder selbst Familien mit anderweitigem Immobilieneigen-
tum konnten und können sich dank steuerlich niedriger Ein-
künfte zum Kreis der Zulageberechtigten zählen, obwohl ihr
tatsächliches Haushaltseinkommen dies kaum nahe legen
dürfte.

Auch das sei gesagt: Die Entlastungen bei den baulichen
Investitionen durch die derzeit sehr günstigen Zinssätze lie-
gen deutlich über dem Niveau der alten Grundförderung der
Eigenheimzulage. Aber trotz Rückgangs der Zinssätze und
trotz Förderung durch die Eigenheimzulage gingen die
Wohnungsbauaktivitäten seit 1997 deutschlandweit zurück.

Deshalb gestalten wir die Förderpolitik um. Dazu
gehört für uns das neue Eigenheimzulagegesetz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Klimaschutz am Bau bildete bereits in der ver-

gangenen Wahlperiode einen Schwerpunkt rot-grüner
Baupolitik. Das mit 200 Millionen Euro pro Jahr ausge-
stattete Altbausanierungsprogramm I wird fortgeführt.
Gleichzeitig wollen wir es stärker auf die Bedürfnisse der
Wohnungsunternehmen zuschneiden. Darüber hinaus
stocken wir den Ökobonus bei der Eigenheimzulage auf
300 Euro pro Jahr auf.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Erschließung weiterer Energieeinsparpotenziale ins-
besondere bei Ein- und Zweifamilienhäusern stellen wir
außerdem zusätzlich 150 Millionen Euro für ein eigen-
ständiges Altbausanierungsprogramm II aus Ökosteuer-
mitteln zur Verfügung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Der wohnungswirtschaftliche Strukturwandel in
den neuen Ländern – übrigens nicht nur dort, sondern
mehr und mehr auch in den alten Ländern – erfordert wei-
terhin erhebliche Anstrengungen.

Das Programm „Stadtumbau Ost“ mit einem Bundes-
anteil von 1,1 Milliarden Euro bis 2009 beruht maßgeb-
lich auf unseren Initiativen in der letzten Wahlperiode.
Die Beteiligung von mehr als 250 ostdeutschen Kommu-
nen am Wettbewerb „Stadtumbau Ost“ hat alle Erwartun-
gen übertroffen. In dieser Wahlperiode gilt es, das Er-
reichte zu sichern und weiterzuentwickeln.

Im Jahr 2003 wird für Rückbau und städtebauliche
Aufwertung ein Verpflichtungsrahmen von 153 Millionen
Euro zur Verfügung gestellt. Hinzu kommen 26 Millionen
Euro für das Sonderprogramm „Wohneigentumsbildung
in innerstädtischen Altbauquartieren“. Zur Entlastung der

von Leerständen betroffenen ostdeutschen Wohnungs-
wirtschaft werden wir außerdem die Altschuldenhilfe um
300 Millionen Euro auf 658 Millionen Euro aufstocken.

Die Bauwirtschaft befindet sich seit Ende der 90er-Jah-
re in einer dramatischen Talfahrt. Insbesondere die ver-
fehlte Ostförderpolitik der Kohl-Regierung führte mit zu
den heutigen Überkapazitäten, übrigens auch im Westen.
Der demographische Trend lässt darauf schließen, dass
die Baufertigstellungszahlen im Neubaubereich weiter
abnehmen werden, während die Alterung der Wohnungs-
bestände und die sich ändernden Wohnbedürfnisse eine
verstärkte Nachfrage nach Bestandsmodernisierung aus-
lösen werden. Wir unterstützen gerade dadurch die klei-
nen und mittelständischen Bauunternehmen, dass wir
Fördermittel wie zum Beispiel die Altbausanierungspro-
gramme und Investitionen in die arbeitsintensive Be-
standspflege und -modernisierung lenken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Städtebau- und
Wohnungspolitik ist – dies macht der Haushaltsentwurf
deutlich – von dem Gedanken der Nachhaltigkeit geprägt.

Nur eine ökologisch und sozial verträgliche und auf
Dauer bezahlbare Politik nützt unserem Land und schafft
und erhält Arbeitsplätze. Nur eine Politik, die Umwelt und
Arbeit sinnvoll miteinander verknüpft, ist nachhaltig. Wir
machen diese Politik.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501418300

Herr Kollege Hettlich, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ers-

ten Rede im Deutschen Bundestag sehr herzlich.

(Beifall)


Als nächster Redner hat der Kollege Eberhard Otto von
der FDP-Fraktion das Wort.


Eberhard Otto (FDP):
Rede ID: ID1501418400

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Vier lange Jahre saß kein Liberaler aus Mecklenburg-
Vorpommern im Deutschen Bundestag.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war ein Fehler!)


Das war für das Land sehr schlecht.

(Beifall bei der FDP)


Nun bin ich als selbstständiger Unternehmer und Vollprak-
tiker aus der Baubranche hier im Deutschen Bundestag.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist gut so!)

Ich muss Ihnen sagen: Das, was ich in diesen wenigen
Wochen bisher erlebt habe, ist unglaublich.

Ich kann einfach nicht verstehen, was die Mitglieder
der Koalition und die Regierung im Bundestag gegen-
wärtig veranstalten.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Klaus W. Lippold [Offenbach] [CDU/CSU])


Peter Hettlich

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Eberhard Otto (Godern)

Alle bis zum heutigen Tag vorgelegten Gesetzentwürfe
einschließlich der Haushaltsentwürfe haben keine wirt-
schaftsfördernden Maßnahmen zum Inhalt, im Gegenteil.


(Annette Faße [SPD]: Was? Das ist ja nicht zu fassen!)


Das heißt, dass die deutsche Wirtschaft, insbesondere
Mittelstand, Handwerk und Gewerbe, weiter gegen den
Baum gefahren werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ist Ihnen eigentlich klar: Wer die Wirtschaft gegen den
Baum fährt, fährt Deutschland in den Ruin, schadet der
Gesellschaft, verhindert Investitionen und vernichtet
Arbeitsplätze.

Mir sind soeben Informationen zugegangen, dass wir
in Mecklenburg-Vorpommern jetzt die höchste Arbeitslo-
senquote von ganz Deutschland haben. Das ist sehr
schlecht für unser Land.

Ich habe den Eindruck, dass viele Mitglieder der Ko-
alitionsfraktionen hier Reden halten, die am Leben vor-
beigehen. Das Gefühl der Deutschen, von der Politik ver-
lassen zu sein, war noch nie so groß wie heute.

Meine Damen und Herren, vom neuen Minister Stolpe
hört man noch nicht sehr viel über den Ausbau Ost.Auch
im vorliegenden Haushalt sind bisher keine generellen
Lösungen zu erkennen.


(Beifall bei der FDP)

Ich frage Sie, Herr Stolpe: Wo sind Ihre konkreten Kon-
zepte für die Entwicklung der Bau- und Wohnungswirt-
schaft und die Infrastruktur, insbesondere für die Ostlän-
der?


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Annette Faße [SPD]: 60 Prozent!)


Obwohl der Osten durch eine hohe Anzahl von Abwan-
derungen weiter ausblutet, hört und sieht man nichts
Neues von der Bundesregierung zu diesem Thema.

Mit einer Nettoumsatzrendite von deutlich unter 1 Pro-
zent ist das Baugewerbe der Wirtschaftszweig mit der
schlechtesten Rentabilität aller großen deutschen Wirt-
schaftszweige. Die Bundesregierung betätigt sich mit ih-
rer Politik weiterhin als Totengräber der Bauwirtschaft:


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])

In den ersten drei Quartalen des Jahres 2002 ging die
Wohnungsbaunachfrage im Vergleich zum Vorjahr um
16,1 Prozent zurück.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das hat Gründe! Das ist rot-grüne Politik!)


Die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen ging in die-
sem Zeitraum um 9,8 Prozent zurück,


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Skandal!)

und dies vor dem Hintergrund, dass bis 2005 jährlich
340 000 neue Wohnungen einschließlich Altbausanie-
rungen benötigt werden.

Es liegen bisher auch keine konkreten Vorschläge zum
Abbau der Bürokratie auf diesem Gebiet vor; der wäre
aber bestimmend für einen Aufschwung in ganz Deutsch-
land. Eines kann ich Ihnen als Praktiker sagen: Diese um-
fangreichen Bürokratiebestimmungen machen uns ka-
putt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


So sieht dieser Einzelplan mit Kapitel 12/25 eine Kür-
zung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau um mehr
als 118 Millionen Euro vor. Diese Mittel verschwinden
einfach, obwohl sie dringend, vor allem für den Stadtum-
bau und zur Altstadtbausanierung, benötigt werden. Auch
diese Einsparung führt zum Rückgang der Bautätigkeit
und damit zum weiteren Abbau von Arbeitsplätzen vor al-
lem in den neuen Ländern sowie zur weiteren Abwande-
rung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da ist der Mittelstand wieder der Dumme!)


Die Verknappung von Wohnungen für sozial Bedürf-
tige wird zunehmen, da die Investitionen in der Bauwirt-
schaft weiter zurückgehen und Wohnen mittelfristig teu-
rer werden wird, insbesondere auch durch den ständigen
Anstieg der Betriebs- und Wohnnebenkosten.

Sorgen Sie, Herr Minister, dafür, dass die ohnehin knapp
bemessenen Mittel für den Wohnungsbau und für die Sa-
nierung in voller Höhe erhalten bleiben und Investitionen
sich in Zukunft wieder lohnen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist wahr!)

Noch eines, Herr Minister: Wenn Sie Hilfe und Unter-

stützung brauchen, fragen Sie mich!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501418500

Herr Kollege Otto, auch Ihnen gratuliere ich zu Ihrer

ersten Rede im Deutschen Bundestag sehr herzlich.

(Beifall)


Das Wort hat jetzt der Kollege Norbert Königshofen
von der CDU/CSU-Fraktion.


Norbert Königshofen (CDU):
Rede ID: ID1501418600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast

am Ende der dieswöchigen Haushaltsberatungen will ich
nicht mehr im Einzelnen darlegen, dass Schröder und Rot-
Grün sich durch Irreführung, Panikmache und Täuschun-
gen über die Ziellinie gerettet haben. Das hat sich ja schon
herumgesprochen.

Aber es muss auch an dieser Stelle festgestellt werden,
dass die Aussagen zur Verkehrspolitik vor der Bundes-
tagswahl vor allem das Ziel hatten, den Eindruck zu er-
wecken, Rot-Grün tue alles, um die lebensnotwendige


(A)



(B)



(C)



(D)


1112


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1113

Mobilität in Deutschland zu fördern. So verkündete der
glücklose ehemalige Minister Bodewig im Juni 2002,


(Zuruf von der SPD: Wieso ist der glücklos?)

dass die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur in
der mittelfristigen Finanzplanung bis 2006 um 25 Prozent
gesteigert werden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Er hat die Taschen voll gehabt!)


Im Monatsbericht des Bundesfinanzministers vom
September 2002 ist jedoch nachzulesen, dass in der mit-
telfristigen Finanzplanung – ich zitiere – „die Ausgaben
für die Verkehrsinfrastruktur von jährlich 10,3 Milliarden
Euro auf 10,6 Milliarden Euro in 2006“ ansteigen. Wie
man bei einer Veränderung von 10,3 auf 10,6 Milliarden
Euro eine Steigerung von 25 Prozent errechnen kann,
bleibt wohl das Geheimnis des entlassenen Ministers
Bodewig.


(Zuruf von der CDU/CSU: Der ist in Nordrhein-Westfalen zur Schule gegangen!)


Gerade fragte ein Kollege, warum er denn glücklos ge-
wesen sei. Ich glaube, Herr Kollege, wenn er nicht glück-
los gewesen wäre, dann säße er noch auf der Regierungs-
bank und hätte eine andere Verwendung als die eines
normalen Abgeordneten gefunden.

Aber auch das Zukunftsprogramm „Mobilität“ für
den Zeitraum von 2003 bis 2010 mit einem Volumen von
90 Milliarden Euro,


(Annette Faße [SPD]: Das ist eine gute Sache!)


das Sie, Herr Minister Stolpe, zwar nicht erfunden, aber
von Ihrem Vorgänger übernommen haben, muss kritisch
hinterfragt werden. Es steht unter Finanzierungsvorbe-
halt, unter anderem deshalb, weil es auf die Mobilisierung
privaten Kapitals setzt, das heißt, es soll also Geld ausge-
geben werden, von dem man zurzeit gar nicht weiß, ob es
überhaupt zur Verfügung steht.

Wir erleben das gerade beim so genannten Anti-Stau-
Programm, das mit der LKW-Maut finanziert werden
soll: Noch im Haushaltsentwurf für 2003, der im Septem-
ber, kurz vor der Wahl, im Deutschen Bundestag einge-
bracht wurde, waren für das kommende Jahr 1,25 Milli-
arden Euro an Einnahmen aus der Maut veranschlagt.
Davon sollten 686,8Millionen Euro in das Anti-Stau-Pro-
gramm fließen. Im Entwurf vom November, den wir jetzt
diskutieren, sind es nur noch 900 Millionen Euro, von de-
nen lediglich 37,6 Millionen Euro für die Bundesfern-
straßen, Bundeswasserstraßen und die Eisenbahn vorge-
sehen sind. Das sind gut 649 Millionen Euro weniger als
vor zwei Monaten. Und das hat die Regierung vor der
Wahl nicht gewusst?! Ich glaube, dass selbst bei der SPD
und bei den Grünen das niemand glaubt.

Bei dieser Gelegenheit will ich auch noch einmal deut-
lich machen, dass die Einnahmen aus der LKW-Maut nur
zum Teil in die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur
fließen sollen. Herr Minister Stolpe sagte noch am 30. Ok-
tober an dieser Stelle, sie flössen „zu mehr als 50 Prozent
wieder in die Verkehrswege“. Das heißt aber, der andere

Teil dient von vornherein zur allgemeinen Haushaltssa-
nierung.


(Annette Faße [SPD]: Zum Ausgleich für das Gewerbe!)


Ich will noch einmal für die Union darstellen: Nach
unserer Auffassung soll die Maut helfen, Mittel für die
Verkehrsinfrastruktur zu mobilisieren, um insbesondere
im Bereich Straße den chronischen Investitionsstau zu
beheben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir beteiligen uns aber nicht an Ihrem Vorhaben, das Gü-
terverkehrsgewerbe zu schröpfen, um Eichel „fresh mo-
ney“ zuzuführen. Das Güterverkehrsgewerbe wird schon
über die Mineralölsteuer in Höhe von fast 45 Milliarden
Euro herangezogen.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Zur Ader gelassen!)


Und jetzt kommt das noch hinzu. Das Güterverkehrsge-
werbe ist nicht der Packesel der Nation.

Auch der Ausgleich in Höhe von 300 Millionen Euro,
den Sie dem Gewerbe in Aussicht gestellt haben, ist nach
unserer Auffassung viel zu gering. Damit wird die Wett-
bewerbsfähigkeit des deutschen Güterverkehrsgewerbes
nicht wieder hergestellt.


(Zuruf von der SPD: Passen Sie auf, dass diese Aussage nicht auch in den Untersuchungsausschuss kommt!)


– Der Unterschied ist, dass alle unsere Aussagen sofort
nachprüfbar sind, während Ihre Aussagen erst hinterher
nachgeprüft werden können und sich dann als falsch er-
weisen, wie wir das hier nachweisen können.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Seit dem Jahr 1999 stellt der Bund jährlich 51,13 Mil-

lionen Euro für die Lärmsanierung an bestehenden
Schienenwegen zur Verfügung. Wir begrüßen dieses Pro-
gramm ausdrücklich. Angesichts der Tatsache, dass von
1999 bis 2001 gerade einmal 27,3 von 153Millionen Euro
abgeflossen sind, das heißt nicht einmal 18 Prozent, hof-
fen wir, dass das Programm zur Verbesserung des Lärm-
schutzes an Bundesautobahnen, das Sie, Herr Minister
Stolpe, angekündigt haben, erfolgreicher sein wird und
dass diese Mittel auch tatsächlich abfließen.


(Annette Faße [SPD]: Davon gehen wir aus!)

Denn die lärmgeplagten Anrainer haben kein Verständnis
dafür, dass groß angekündigte Programme, wenn sie
schon einmal Eingang in den Haushalt gefunden haben,
nicht zügig umgesetzt werden.

In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Novel-
lierung des Fluglärmgesetzes. Die Grenzwerte des gel-
tenden Gesetzes werden von der Rechtsprechung seit Jah-
ren als unzureichend erklärt. Schon in der letzten
Legislaturperiode haben Sie versprochen, das Fluglärm-
gesetz zu novellieren. Aber Sozialdemokraten und Grüne
konnten sich nicht einigen. Dabei waren wohl vor allem
die Vorstellungen von Herrn Trittin und seinen Gesin-
nungsfreunden mit den Erfordernissen einer modernen

Norbert Königshofen

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Norbert Königshofen
mobilen und globalisierten Gesellschaft nicht in Einklang
zu bringen. Es ist offensichtlich bei vielen Grünen so,
meine Damen und Herren, dass man einerseits den Luft-
verkehr öffentlich verteufelt, bei seinen privaten Fernrei-
sen aber gern auf das Flugzeug zurückgreift.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich wünsche Ihnen, Herr Minister Stolpe, in dieser Legis-
laturperiode mehr Erfolg und biete Ihnen hier ausdrück-
lich die Kooperation der CDU/CSU an.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist doch was! So sind wir halt! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kann ja nichts mehr schief gehen!)


– Das ist richtig. Immer dann, wenn Sie auf uns hören,
kann nichts schiefgehen. Das haben Sie gut erkannt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

In jedem Jahr hören wir das Glaubensbekenntnis der

Regierungsparteien, dass die Haushaltsmittel für die
Schiene denen der Straße entsprechen müssten.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Ganz alter Hut! Das haben wir schon früher gemacht!)


Das Problem dabei ist aber, dass die Bahn immer wieder
Schwierigkeiten hat, die angesetzten Mittel zu verbauen.
So hat die Deutsche Bahn AG im Jahr 2001 fast 600 Mil-
lionen Euro verfallen lassen und im laufenden Jahr wird
das noch ein größerer Betrag sein.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501418700

Kommen Sie bitte zum Schluss.


Norbert Königshofen (CDU):
Rede ID: ID1501418800

Ja. – Ich hätte gerne noch etwas zum Metrorapid ge-

sagt, aber die Redezeit ist abgelaufen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wün-

sche Ihnen, Herr Stolpe, im Interesse unseres Volkes, dass
Sie erfolgreicher sein werden als Ihr Vorgänger.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501418900

Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Spanier von

der SPD-Fraktion.


Wolfgang Spanier (SPD):
Rede ID: ID1501419000

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Diese Haushaltswoche war, zumindest was die Rolle der
Opposition betrifft, nicht gerade glanzvoll.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das sieht das deutsche Volk anders! – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Entscheidend ist, was der Wähler denkt! Dem wollen wir gefallen! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die war glänzend!)


Das gilt auch für die Reden, die Sie heute hier zum Ein-
zelplan 12 gehalten haben.

Für den Haushalt 2003 und auch die mittelfristige Fi-
nanzplanung gelten zwei wichtige Maßstäbe. Erstens sind
die finanzpolitischen Rahmenbedingungen zu nennen.
Zwingend notwendig ist die Konsolidierung der Haus-
halte von Bund, Ländern und Gemeinden.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: So weit sind wir uns noch einig! – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Deswegen machen Sie anständig Schulden!)


Zweitens sind die mittel- und langfristigen Ziele unserer
Städtebau- und Wohnungspolitik zu nennen.

Ich stelle fest: Äußerungen zu beiden Maßstäben wei-
chen Sie aus.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Kein Wort über das Thema Haushaltskonsolidierung

(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: So brutal hat bisher kaum jemand Schulden gemacht! – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wer hat denn die Feststellung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts beantragt? Waren Sie das oder waren wir das?)


und auch kein inhaltliches Wort zur Städtebau- und Woh-
nungspolitik! Das sind wir seit zwei Jahren von Ihnen ge-
wohnt. Kein einziger Beitrag dazu in den letzten Jahren!
Max Weber hat einmal gesagt, Politik sei das langwierige
Bohren dicker Bretter.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Aber bei euch ist der Bohrer abgebrochen!)


Mit Verlaub, ich stelle fest: Sie haben selbige offensicht-
lich vor Ihren Köpfen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Kein Wort dazu, dass es zwingend notwendig ist, in

der Städtebau- und Wohnungspolitik einen Paradigmen-
wechsel nicht nur einzuleiten – das haben wir in der letz-
ten Legislaturperiode getan –, sondern auch konsequent
fortzusetzen. Kein Wort höre ich von Ihnen zum demo-
graphischen Wandel. Kein Wort von der Änderung der
Altersstruktur.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das haben Sie doch in der letzten Debatte, bei der Rente, gehabt!)


Kein Wort von der Binnenwanderung, kein Wort von Ver-
siegelung und Flächenverbrauch, kein Wort von sich dif-
ferenzierenden Anforderungen an das Wohnen, an die
Qualität des Wohnens, kein Wort zur sozialen Balance in
den Städten! Kein Wort dazu, dass wir die Städtebau- und
Wohnungspolitik verzahnt auf diese Entwicklungen hin
ausrichten müssen! Kein Wort davon, dass die alten Maß-
stäbe – gute Wohnungspolitik bemisst sich allein an den
Fertigungszahlen – längst überholt sind und dass wir un-
seren wichtigen Beitrag zu einer nationalen Nachhaltig-
keitsstrategie zu leisten haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



(A)



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(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1115

Erste wichtige Schritte haben wir bereits eingeleitet: die
Reform der sozialen Wohnraumförderung, die Programme
„Soziale Stadt“, „Stadtumbau Ost“, „Stadtumbau West“


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Zulasten des sozialen Wohnungsbaus!)


und das Projekt „City 21“. Der Haushalt 2003 ist konse-
quent auf diese Ziele ausgerichtet


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Und konsequent unterfinanziert!)


und – das ist unter den Konsolidierungsbedingungen kei-
neswegs selbstverständlich – er hat das gleiche Volumen
wie der Haushalt 2002.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Grandios!)

Mit diesem Haushalt 2002 waren Sie nahezu einverstan-
den; sonst hätten zum Beispiel Sie von der CDU/CSU in
ihren Anträgen ja nicht nur äußerst geringfügige Ände-
rungen dazu verlangt.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Schlechte Haushalte macht man auch durch Änderungsanträge nicht besser!)


Deswegen verstehe ich nicht, dass von Ihnen in den
Sitzungen dieser Woche nur Folgendes zu hören war: ein
dumpfes Nein zu allen Reformvorschlägen


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ein Nein ist hell, nicht dumpf!)


und ein dumpfer Ruf nach mehr Geld bei allen Positionen,
die Sie angesprochen haben.

Die wichtigsten Punkte im Haushaltsplan hat schon
Herr Hettlich angesprochen.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Fällt Ihnen eigentlich auf, dass Sie eine der schwächsten Reden hier halten?)


Ich möchte die Kontinuität in der Neuorientierung der
Städtebau- und Wohnungspolitik ansprechen; auch dies
ist ein wichtiger Punkt. Die Kontinuität wird dadurch
deutlich, dass das Finanzvolumen gegenüber 2002 gleich
geblieben ist. Das gilt für das Programm „Soziale Stadt“
genauso wie für die Programme „Stadtumbau Ost“ und
„Stadtumbau West“ sowie für die Städtebauförderung in
den neuen und in den alten Ländern.

Zusätzlich – das hat Minister Stolpe eben zu Recht be-
tont – gibt es 300 Millionen Euro mehr für die Altschul-
denhilfe. Diese sind dringend notwendig, um den Stadt-
umbau Ost voranzutreiben und um die Wohnungsgesell-
schaften in die Lage zu versetzen, ihren dringend not-
wendigen Beitrag hierzu zu leisten.

Zusätzlich zu den Programmen aus dem Haushaltsjahr
2002 haben wir aus dem Mehraufkommen der Ökosteuer
ein Gebäudesanierungsprogramm in der Größenordnung
von 150 Millionen Euro aufgelegt. Dieses Programm ist
eine wichtige Ergänzung unseres Gebäudesanierungspro-
gramms, das übrigens überaus erfolgreich läuft und das
maßgeblich mit dazu beigetragen hat, dass die Moder-
nisierung, und zwar vor allen Dingen die energetische
Modernisierung, unseres älteren Wohnungsbestandes
Schritt für Schritt vorankommt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was bietet die Opposition? Ich habe mir die Protokolle
unserer letzten wohnungspolitischen Debatte vom 13. Juni
– drei Monate vor der letzten Wahl – durchgelesen. Was
haben die Herren Dr. Kansy, Oswald und Meister vorge-
tragen? – Eine Latte von finanziellen Versprechungen und
finanziellen Forderungen!


(Ute Kumpf [SPD]: Wahlbetrug!)

Der Altschuldenerlass wurde von Ihnen, lieber Kollege
Oswald, für alle Wohnungen im Osten gefordert. Sie woll-
ten mehr Geld für das Programm „Soziale Stadt“. Im Rah-
men der Eigenheimzulage haben Sie mehr Geld für die
Neubauförderung, den Bestandserwerb und für die Fami-
lien gefordert. Selbstverständlich wollten Sie auch bei der
sozialen Wohnraumförderung eine massive Aufstockung.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das gibt Arbeitsplätze!)


Darüber hinaus haben Sie verbesserte Abschreibungsbe-
dingungen und die Wiedereinführung des Vorkostenab-
zugs gefordert. – Das alles waren milliardenschwere
Wahlversprechen. Zugleich waren das aber auch milliar-
denschwere Illusionen, weil Sie die finanziellen Rahmen-
bedingungen, die Ihr haushaltspolitischer Sprecher in die-
sem Jahr schon mehrfach vorgetragen hat, völlig ausge-
blendet haben.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das hätte sich alles selber finanziert!)


So kann man keine Politik machen. Letztlich ist das ver-
antwortungslos.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Jetzt gehen Sie aber zu weit!)


Und die Reden heute? Natürlich wurden – das muss ich
Ihnen, Herr Oswald, so deutlich sagen – wieder die alten
Geschichten vorgetragen: Sie wollen keine Erhöhung der
Ökosteuer im nächsten Jahr. Das entspricht mal eben
2,3 Milliarden Euro, ohne dass Sie den geringsten Hin-
weis geben, wie das auf der Einnahmenseite oder auf der
Ausgabenseite angesichts der äußerst schwierigen Haus-
haltslage kompensiert werden soll.


(Ute Kumpf [SPD]: So ist es!)

Auch die Forderung nach mehr Geld für Straßen tragen

Sie schon immer plakativ vor sich her. Sie haben aber kei-
nen Hinweis gegeben, wie das unter den gegebenen Be-
dingungen, die man nicht einfach wegwischen kann, zu
leisten ist.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ganz einfach! Sie müssen das Geld einfach von der Straße in die Straße bringen!)


Lieber Herr Lippold, ich habe den Artikel im „Focus“,
den Sie angesprochen haben, nicht gelesen, allerdings bin
ich auch nicht so gläubig gegenüber Zeitungsartikeln wie
Sie. Hier in diesem Parlament haben wir im Vorfeld mehr-
fach über das Thema Eigenheimzulage gesprochen.
Mehrfach haben wir, meine Kollegin Franziska Eichstädt-

Wolfgang Spanier

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Wolfgang Spanier
Bohlig wie auch ich, gesagt, das Eigenheimzulagengesetz
gehöre auf den Prüfstand.


(Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Die Neuorientierung der Städtebau- und Wohnungspolitik
verlangt eine Neujustierung aller Förderinstrumente.


(Ute Kumpf [SPD]: Jawohl!)

Einen Teil davon haben wir bereits in der letzten Legisla-
turperiode geschafft. Das, was noch wichtig ist, machen
wir in dieser Legislaturperiode.

Das Entscheidende ist: Bevor die strukturellen Verän-
derungen, die wir vorgeschlagen haben, in die öffentliche
Diskussion gekommen sind, haben wir darüber gespro-
chen. Ich nenne als Beispiel das neue Verhältnis von Be-
standserwerbsförderung und von Neubauförderung. Ich
mache keinen Hehl daraus: Unter anderen finanziellen
Rahmenbedingungen hätte ich als Wohnungspolitiker das
Gesamtvolumen der Eigenheimzulage durchaus für sinn-
voll gehalten.
Wir hätten es strukturell sicherlich deutlich effizienter und
sinnvoller ausgegeben. Aber ich muss doch einfach aner-
kennen, wie die Haushaltslage ist, nicht nur im nächsten
Jahr, sondern auch in den kommenden Jahren, nicht nur im
Bund, sondern auch in den Ländern und den Kommunen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dem muss ich Rechnung tragen. Ich kann doch nicht
einfach mit irgendwelchen Forderungen und Verspre-
chungen durchs Land ziehen, wie Sie das in den letzten
Wochen und Monaten leider häufig tun. Auch die Sache
mit der Wählertäuschung, Herr Lippold, sollten Sie zu-
mindest in Bezug auf dieses Parlament noch einmal über-
prüfen. Sie haben Zugang zu den Protokollen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501419100

Herr Kollege Spanier, erlauben Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Storjohann?

(Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Nach 19 Uhr eigentlich nicht mehr!)



Wolfgang Spanier (SPD):
Rede ID: ID1501419200

Ja, selbstverständlich.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501419300

Bitte schön.


Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1501419400

Herr Kollege Spanier, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu

nehmen, dass der Bundeskanzler in der Zeitschrift des
Deutschen Siedlerbundes im September dieses Jahres
praktisch eine Garantie für die Eigenheimzulage gegeben
hat?


(Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Wir haben sie nicht abgeschafft!)



Wolfgang Spanier (SPD):
Rede ID: ID1501419500

Ich habe keinerlei Kenntnis davon, dass wir sie abge-

schafft hätten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben sie strukturell verändert. Diese klare Aussage
haben wir schon im Vorfeld gemacht.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Soll ich Ihnen das Zitat vortragen?)


– Wenn Sie mir die Kopie zur Verfügung stellen, bin ich
Ihnen dankbar. Dann habe ich für heute Abend etwas zu
lesen. Wir haben keineswegs die Eigenheimzulage abge-
schafft oder gestrichen, sondern sie – das betone ich noch
einmal – strukturell sinnvoll verändert.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das ist der blanke Hohn, was Sie vortragen! – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Vor der Wahl klang das allerdings anders!)


Wenn Sie sich endlich einmal wieder auf die städte-
bau- und wohnungsbaupolitische Diskussion inhaltlich
einlassen würden – ich meine das, was die Fachwelt, der
Deutsche Städtetag und der GdW seit Jahren an Neu-
orientierungen fordern –, dann würden Sie mit uns über
die strukturellen Veränderungen anders reden, als Sie
das heute tun. Sie schweigen nämlich schlicht und ein-
fach.

Noch eine Schlussbemerkung zum Thema Maut, die
Waigel –


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Er ist Ihnen noch in Erinnerung, der Theo Waigel!)


– ich habe ihn noch in schmerzlicher Erinnerung –,

(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Er hat gute Arbeit geleistet!)

die Finanzminister Hans Eichel angeblich abkassiert. Lie-
ber Herr Lippold, wo sind denn die Einnahmen aus der
Vignette in den vergangenen Jahren geblieben? Standen
die etwa dem Haushaltsplan 12 zur Verfügung?


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Was habt ihr denn damit gemacht?)


Wurden sie etwa in Straßenbaumaßnahmen investiert?
Nein, sie sind schlicht und einfach beim Bundesfinanz-
minister Waigel geblieben.

Sie sollten mit Ihren Kommentaren ein Stückchen
zurückhaltender sein. Sie haben heute Abend richtig nett
angefangen. Aber dann mussten Sie den Schlenker zu die-
sem elendigen Lügenthema machen. Zu dem Vorschlag,
den Untersuchungsausschuss einzurichten, können wir
Sie nur beglückwünschen.


(Dr. Klaus W. Lippold [Offenbach] [CDU/CSU]: Dann hättet ihr heute doch zustimmen können!)


Warten wir ab, wie das Ganze ausgehen wird. Mit Schaum-
schlägerei und wilder Polemik kann man in diesem Land
keine Politik machen. Die Bürgerinnen und Bürger wer-
den nur allzu bald davon die Nase voll haben.


(A)



(B)



(C)



(D)


1116


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1117

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/ CSU]: Das war eine richtige Abschiedsrede!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501419600

Als letzter Redner hat der Kollege Klaus Minkel von

der CDU/CSU-Fraktion das Wort.


Klaus Minkel (CDU):
Rede ID: ID1501419700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Die Rede des Herrn Ministers hat mir ausnehmend
gut gefallen. Im Gegensatz zum Bundeskanzler hat er die
Opposition nicht beschimpft. Deshalb läuft er auch nicht
Gefahr, von uns beschimpft zu werden.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Hoffentlich schadet ihm das nicht!)


Es wird hier auch niemand diffamiert. Trotzdem muss ich
warnen: Wenn hier ab und an die Wahrheit gesagt wird,
dann kann das hart genug sein.

Der Minister hat in seiner Rede einen weiten Bogen ge-
schlagen: vom Golf von Biscaya über Köln, Pirmasens bis
Leinefelde. Auch zum Infrastrukturaufbau hat er Wesent-
liches gesagt. Trotzdem ist diese Rede seltsam hinkend
dahergekommen. Ein wesentlicher Bereich seines Ge-
schäftsbereiches, nämlich der Wohnungsbau, kam in der
Rede praktisch überhaupt nicht vor.


(Beifall bei der CDU/CSU – Annette Faße [SPD]: Was?)


Deshalb möchte ich den Teil der Rede ergänzen, den der
Minister nicht gehalten hat.


(Wolfgang Spanier [SPD]: Wollen Sie Staatssekretärin werden?)


Ich bin seit über 20 Jahren sowohl dem sozialen Woh-
nungsbau als auch dem frei finanzierten Wohnungsbau be-
ruflich verbunden. Die Bauwirtschaft ist immer noch eine
Schlüsselindustrie in Deutschland und der Wohnungsbau
hat bisher einen wesentlichen Teil dieser Schlüsselindus-
trie ausgemacht. Zurzeit liegt der Wohnungsbau todkrank
am Boden, aber statt Medizin verabreicht diese Bundes-
regierung dem Wohnungsbau blankes Gift.

Ich möchte zunächst auf die kleinen Täuschereien ein-
gehen, die auch in diesem Haushaltsplan eine Rolle spie-
len. Vor der Wahl ist das Metropolenprogramm mit
70 Millionen Euro mit großem Getöse ins Schaufenster
gestellt worden. Nach der Wahl aber kommt dieses Pro-
gramm im Haushalt 2003 nicht mehr vor. Die Städte-
bauförderung West ist vor der Wahl auf 150 Millionen
Euro aufgestockt worden. Nach der Wahl verflüchtigt sich
dieses Programm auf 42 Millionen Euro.

Schlecht ist immer derjenige dran, dessen Angelegen-
heiten sich der Kanzler als Chefsache angenommen hat.
Das Programm Stadtumbau Ost ist zwar mit 394 Milli-
onen Euro dotiert, aber im nächsten Jahr werden nur
19 Millionen Euro kassenwirksam abfließen. Bei diesem
Umsetzungstempo sind 21 Jahre nötig, um dieses Pro-

gramm abzuarbeiten. Dieser Zeitraum ist viel zu lang, um
etwas für die Bauwirtschaft im Osten zu bewirken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Am schlimmsten aber ist das Vorgehen der Bundesre-

gierung bei der Eigenheimzulage. Das Gedächtnis der
Opposition ist sehr gut, Frau Faße.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Alte Kamellen!)


Sie müssen es heute Abend nicht nachlesen, Herr
Spanier; ich lese Ihnen vor, was der Kanzler vier Wochen
vor der Wahl gesagt hat:

Jährlich erfüllen sich rund 700 000 Haushalte mit
dem Erwerb einer eigenen Wohnung oder eines Hau-
ses einen Herzenswunsch.

Recht hat der Kanzler.
Für viele, insbesondere kinderreiche Familien, wäre
dies ohne die Eigenheimzulage nicht möglich.

(Ute Kumpf [SPD]: Die bleibt ja auch, Herr Minkel!)

Recht hat der Kanzler.

Das wissen wir und deshalb ist und bleibt die Eigen-
heimzulage das entscheidende Mittel zur Förderung
von Wohneigentum.

Auch da hat der Kanzler Recht.

(Ute Kumpf [SPD]: Das tun wir auch! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Ihr halbiert sie doch!)


– Warten Sie doch ab! Zum Schluss sagt er:
Ihre Unterstellung, die Eigenheimzulage werde von
der Bundesregierung als finanzpolitische Manövrier-
masse benutzt, wird schon durch die Zahlen wider-
legt.

Der Kanzler bzw. die Regierung werden weder durch
die Zahlen noch durch die Opposition widerlegt, sondern
durch das eigene Verhalten des Kanzlers. Unmittelbar
nach der Wahl ist die Eigenheimzulage nämlich entweder
weggesäbelt oder entscheidend gekürzt worden. Die kin-
derlosen Familien können nicht mehr mit der Eigenheim-
zulage rechnen.


(Ute Kumpf [SPD]: Sie haben doch von Kinderreichen gesprochen!)


Das bedeutet auf acht Jahre verteilt einen Verlust von rund
20 000 Euro und wird in vielen Fällen dazu führen, dass
das Projekt nicht mehr durchführbar ist.


(Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht, Kollege!)


Die Lösung, innerhalb von vier Jahren nachzuzahlen,
wenn noch ein Kind kommen sollte, ist nichts anderes als
Augenwischerei. Denn welche Bank baut eine Finanzie-
rung darauf auf, dass eine Frau verspricht, innerhalb der
nächsten vier Jahre ein Kind zu bekommen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: „Abkindern“ hat man das früher böse genannt!)


Wolfgang Spanier

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Klaus Minkel

Auch Familien mit Kindern sind angeschmiert. Die
Grundförderung wird um 1 556 Euro pro Jahr gekürzt.
Das ist eine Minderung um rund 12 000 Euro, verteilt auf
acht Jahre. Kommen Sie mir jetzt nicht damit, dass im Ge-
genzug der Kinderzuschlag auf 800 Euro erhöht wird!
Das ist eine Erhöhung von 33 Euro pro Kind. Es sind min-
destens 48 Kinder nötig,


(Ute Kumpf [SPD]: Gestern waren es doch noch 46!)


um die Kürzung bei der Grundförderung wieder aufzuholen.

(Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Wo steht denn der Rechtsanspruch auf die alte Förderung geschrieben? Das sind doch Subventionen!)


– Sagen Sie unseren jungen Familien doch, sie hätten kei-
nen moralischen Anspruch darauf, dass der Staat ihnen in
der schwierigen Phase des Eigentumserwerbs hilft! Sind
Sie es nicht, die auf den Parteitagen immer beklagen, dass
das Eigentum in unserem Land ungerecht und ungleich
verteilt sei? Sie tun aber keinen Handschlag, um an dieser
Ungleichheit etwas zu ändern.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Verehrter Herr Stolpe, an dieser Stelle haben Sie wirklich
etwas nachzuarbeiten. Das gilt übrigens auch für die Fa-
milienministerin, die noch vor einer Woche erklärt hat, in
Sachen Familienförderung komme niemand an ihr vor-
bei. Die jungen Familien in unserem Land sollten die Fa-
milienministerin beim Wort nehmen.

Ich möchte noch mit ein paar Irrtümern aufräumen. Der
erste Irrtum: Es wird so getan, als ob es nicht mehr der
Wunsch unserer Bevölkerung wäre, über Eigentum zu
verfügen.


(Wolfgang Spanier [SPD]: Wer sagt das denn?)


Es ist aus Umfragen bekannt, dass nahezu jede Familie
den Erwerb eines Eigenheims anstrebt.


(Wolfgang Spanier [SPD]: Ich bin gespannt, was ihr im Bundesrat sagen werdet!)


Aber nur 40 Prozent unserer Bevölkerung genießen die-
sen Vorteil. Die anderen 60 Prozent bezahlen zwar auch
für ein Haus oder eine Wohnung, aber eben nicht für das
eigene Haus oder die eigene Wohnung. Es ist doch unsere
Pflicht, denjenigen, die kein Eigentum haben, zu helfen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Gucken Sie sich die Grundstückspreise in Stuttgart an!)


Der zweite Irrtum: Es wird immer so getan, als ob es in
unserem Land genügend Wohnraum gäbe. Das ist richtig
und zugleich falsch, aber Sie werden einem Frankfurter
oder einem Münchener mit den Plattenbauten in Halle
oder in Rostock keinen Gefallen tun können.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Aber das wäre eine interessante Erfahrung!)


Die jungen Familien haben doch auch einen Anspruch da-
rauf, Wohnraum zu bekommen, der ihren Wünschen und
Bedürfnissen entspricht.

Der dritte Irrtum, der insbesondere von den Grünen
gepflegt wird: Es wird so getan, als ob es nicht genug
Land gäbe. Bei 25Wohneinheiten pro Hektar könnte man
auf 1 000 Quadratkilometer 2,5 Millionen Wohneinheiten
unterbringen. Dann hätte man 7,5 Millionen bis 10 Mil-
lionen Menschen in unserem Land glücklich gemacht. Ich
glaube, dieses Opfer ist es wert.


(Zuruf von der SPD: Frohe Weihnacht! – Wolfgang Spanier [SPD]: Auf dieses Wohnungsprogramm bin ich gespannt!)


Ich fasse zusammen: Die jungen Familien sind durch
die jetzige Regierung nachhaltig betrogen worden. Sie
werden um ihre Lebensentwürfe gebracht.


(Zuruf von der SPD: So ein Quatsch!)

Ihnen wird die Chance genommen, sich eine vom Staat
unabhängige Alterssicherung aufzubauen. Fiskalisch ist
das, was Sie machen, ohnehin ein einzigartiger Irrtum.
Herr Eichel spart zwar pro Jahr zwischen 1 500 und 2 500
Euro pro Förderfall. Bereits im ersten Jahr verliert er
aber – bei einem angenommenen Bauvolumen von
150 000 Euro – pro Haus, das mangels Förderung nicht
gebaut werden kann, 75 000 Euro, die sonst in irgendei-
ner Form in die öffentlichen Kassen gelangt wären.
Außerdem bekommt Herr Eichel gratis noch zwei Ar-
beitslose pro Wohneinheit hinzu, die mangels Förderung
nicht gebaut werden kann.


(Wolfgang Spanier [SPD]: Dann müssen wir zwei Millionen bauen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501419800

Herr Kollege Minkel, wenn das Präsidentenzeichen

blinkt, dann heißt das, dass Sie zum Ende kommen sollen.


Klaus Minkel (CDU):
Rede ID: ID1501419900

Ich bedanke mich, dass Sie mich darauf aufmerksam

machen. – Eine schlimmere Politik gegen die Familien
kann man nicht machen. In unserem Land wird das
Saatgut nicht ausgebracht, sondern vernichtet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501420000

Herr Kollege Minkel, auch Ihnen gratuliere ich sehr

herzlich zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag.

(Beifall)


Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe
die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 15/149, 15/150 und 15/151 an den
Haushaltsausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Über-
weisungen so beschlossen.

Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesord-
nung um die Beratung der Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts-


(A)



(B)



(C)



(D)


1118


(A) (C)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1119

ordnung in einer Immunitätssache auf Drucksache 15/169
zu erweitern. – Ich sehe, dass Sie damit einverstanden
sind.

Wir kommen gleich zur Abstimmung. Wer stimmt für die
Beschlussempfehlung des Immunitätsausschusses auf
Drucksache 15/169? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich der Stimme? – Damit ist die Beschluss-
empfehlung bei einer Enthaltung einstimmig angenommen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 18. Dezember 2002, 13 Uhr,
ein.

Die Sitzung ist geschlossen.