Rede von
Birgitt
Bender
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Seehofer, Sie scheinen mit Ihrer Diskursfähigkeit im letz-
ten Sommer stehen geblieben zu sein, als Wahlkampf war.
Dass Sie hier den alten Hut mit der angeblichen Besser-
stellung der Sozialhilfeempfänger noch einmal herausho-
len, ist schon eher peinlich. Denn gerade Sie sollten doch
wissen, dass es in nahezu allen Bundesländern inzwischen
Verträge zwischen den Sozialhilfeträgern und den Ärzten
gibt, in denen festgelegt ist, dass nach den gleichen Re-
geln wie mit den Kassen abgerechnet wird. Sollte das in
Bayern noch nicht der Fall sein – ich habe es im Moment
nicht präsent –, dann klären Sie das dort doch einmal.
Im Übrigen gibt es einen neueren Stand als den vom
Juni 2000. Wenn Sie einmal in den rot-grünen Koalitions-
vertrag geschaut hätten – ich hatte eigentlich angenom-
men, dass der Sie interessiert –, dann hätten Sie dort den
Satz gefunden, dass wir sehr wohl anstreben, die Sozial-
hilfeempfänger – wie es übrigens auch das Bundesverfas-
sungsgericht verlangt – in die Krankenversicherung auf-
zunehmen. So wird es auch geschehen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1083
Das ist nun wahrlich nichts, wo wir irgendeine Art von
Nachhilfe nötig hätten.
Manchmal lohnt sich ja die Zeitungslektüre. Heute
habe ich in die „Zeit“ geschaut. Darin gibt es ein Inter-
view mit dem virtuellen Gesamtvorsitzenden der CDU/
CSU, Herrn Roland Koch. Da heißt es schon in der Über-
schrift: „Wir sagen nur Ja oder Nein.“ Woher kommt die
Überschrift? Herr Koch wird gefragt, ob denn die Oppo-
sition nicht auch einmal etwas anderes als Fundamental-
opposition machen sollte. Darauf antwortet er:
Die Opposition ist nicht der Vorschlagsbeauftragte
des Landes. Die Regierung hat Konzepte vorzulegen,
und wir sagen Ja oder Nein.
Da kann ich nur sagen, meine Damen und Herren von
der CDU/CSU: Diese Politik des Daumen rauf oder Dau-
men runter, aber selbst nichts vorzulegen, das ist der Ab-
schied von der Politik und ist selbst einer Opposition nicht
würdig.
Und zum Thema „Wissen und Wahrheiten im Wahl-
kampf“, Herr Seehofer: Es gab einen bedeutenden Politi-
ker, der am 11. Juni dieses Jahres gesagt hat, höhere Ren-
tenbeiträge seien unvermeidlich. Dann gab es einen, der
gesagt hat, dass die Rentenbeiträge nicht erhöht würden.
Das war ein und derselbe und es war einen Tag später. Der
Politiker hieß Horst Seehofer.
Herr Seehofer, so etwas nennt man normalerweise „zu-
rückgepfiffen werden“. Warum? Weil Ihr Kanzlerkandi-
dat, Herr Stoiber, nur Schönwetterparolen wollte, nach
dem Motto: Wir und ich, der Herausforderer, wir sind für
die Wohltaten zuständig und die Defizite lasten wir der
Regierung an. Deswegen durfte gerade bei Ihnen von
höheren Rentenbeiträgen nicht die Rede sein.