Rede von
Dr.
Max
Stadler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Wenn ein so honoriger Kollege wie Herr
Dr. Wiefelspütz, der soeben über das Recht der Untersu-
chungsausschüsse promoviert hat, eine Debatte derart be-
ginnt, dann habe ich allerdings die Sorge, dass die ganze
Veranstaltung für das Ansehen des Parlaments nichts
Gutes ahnen lässt.
Dabei ist die heutige Abstimmungslage, das, worüber
heute zu befinden ist, aus Sicht der FDP relativ einfach.
Die CDU/CSU-Fraktion hat entschieden, einen Antrag
auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu stel-
len. Hierbei handelt es sich um ein Minderheitenrecht.
Der Untersuchungsausschuss muss daher eingesetzt wer-
den. Ob er zweckmäßig und politisch opportun ist, spielt
dabei überhaupt keine Rolle, wenn ich auch nach Beginn
der heutigen Debatte selber mehr zu der Überzeugung
komme, dass er in der Tat notwendig ist.
Die rechtliche Frage lautet einzig und allein – nur da-
rüber ist heute zu befinden –, ob dieser Antrag zulässig ist.
Wenn ja, entspricht es übrigens der parlamentarischen
Übung, dem Minderheitenantrag nicht entgegenzutreten,
sondern ihm zuzustimmen. Dies wird die FDP-Fraktion
tun, denn zulässig ist der Antrag von CDU/CSU, sodass
auch eine Verweisung in den Geschäftsordnungsaus-
schuss, wie von Rot-Grün beantragt, überflüssig ist. Es
kann gleich über die Einsetzung dieses Ausschusses be-
funden werden.
Zu den juristischen Einwänden Folgendes:
Erstens. Es ist im Vorfeld diskutiert worden, ob der Un-
tersuchungsausschuss in unzulässiger Weise den so ge-
nannten Kernbereich der exekutiven Eigenverantwor-
tung, also der Tätigkeit der Bundesregierung, die der
Kontrolle des Parlaments entzogen sei, berühre. Dieser
Kernbereich orientiert sich nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts an § 96 der Strafprozessord-
nung. Er umfasst solche Angelegenheiten, die dem
Dienstgeheimnis unterliegen. Das sind Tatsachen, deren
Veröffentlichung mit der Gefahr von Nachteilen für das
Wohl des Bundes oder eines Landes oder einer einzelnen
Person verbunden wäre. Die Veröffentlichung der Finanz-
situation des Bundes oder der Länder, die Veröffentli-
chung von Arbeitslosenzahlen oder des Bruttoinlandspro-
dukts gefährden ersichtlich nicht das Wohl des Bundes,
eines Landes oder einer einzelnen Person im Sinne dieser
Vorschrift. Womöglich gefährden sie das Wohl des Bun-
desfinanzministers, aber das muss er ertragen.
Zweitens. Weiterhin muss der Untersuchungsgegen-
stand einen abgeschlossenen Sachverhalt betreffen.
Auch dies ist der Fall, denn es geht nicht um die im Zeit-
punkt der Bundestagswahl noch nicht abgeschlossene
Weiterentwicklung der Steuereinnahmen und der Haus-
haltssituation, sondern um die damalige Kenntnis oder
Unkenntnis von Mitgliedern der Bundesregierung, mithin
um einen abgeschlossenen Sachverhalt.
Drittens. Schließlich muss ein öffentliches Interesse
an dem Untersuchungsausschuss bestehen. Auch dies
lässt sich nach der Vorgeschichte und nach der Aufmerk-
samkeit, die das Vorhaben in der Öffentlichkeit findet,
schwerlich verneinen.
Juristisch ist die Situation somit klar. Das politische
Gegenargument, der Untersuchungsausschuss sei über-
flüssig, weil die Bevölkerung ohnehin schon davon über-
zeugt sei, dass sie im Wahlkampf von der alten Bundesre-
gierung betrogen und belogen worden sei,
erscheint mir im Übrigen nicht sehr schmeichelhaft für
die Betroffenen.
Es ist auch davon auszugehen, dass der Untersu-
chungsausschuss mit seinen Mitteln der Zeugenverneh-
mung und der Akteneinsicht ein geeignetes Instrument ist,
den strittigen Sachverhalt aufzuhellen. Schließlich kann
die Aufklärungsarbeit, wenn es bei dem bisher von der
Union beantragten Verfahrensgegenstand bleibt und nicht
die Andeutung von Herrn Wiefelspütz, diesen noch aus-
zuweiten, verwirklicht wird, sehr wohl so rasch und zügig
geleistet werden, dass man sich bald wieder anderen The-
men zuwenden kann. Dagegen hätten wir von der FDP
freilich nichts einzuwenden.