Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Wir diskutieren heute zum wiederholten Mal über eine
deutsche Beteiligung an der Friedensmission in Mazedo-
nien. Als Ausgangspunkt für alle weiteren Diskussionen
und Entscheidungen lassen Sie mich drei Dinge festhalten:
Erstens. Der Einsatz unserer Soldaten in Mazedonien
ist eine Erfolgsgeschichte für die Bundeswehr als Armee
des Friedens.
Zweitens. Es hat sich gezeigt, dass militärische Mittel
geeignet sind, Frieden zu erhalten. Das ist für einige in
diesem Hause eine neue Erkenntnis; aber es ist eine rich-
tige Erkenntnis.
Dr. Ludger Volmer
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Dr. Rainer Stinner
Das heißt, militärische Mittel können Frieden erhalten,
wenn sie mit Augenmaß und Geschick eingesetzt werden.
Drittens. Beides, Augenmaß und Geschick, haben un-
sere Soldaten in Mazedonien bewiesen. Deshalb spreche
ich auch im Namen der FDP-Fraktion unseren Soldaten
Dank und Anerkennung aus.
Die Situation auf dem Balkan braucht aber mehr als
eine zweimonatliche Verlängerung von Mandaten. Wir
brauchen ein politisches Gesamtkonzept für die friedliche
Weiterentwicklung dieser Region. Herr Kollege Volmer,
deshalb ist Ihr Einwurf, dass unser Antrag zu spät kommt,
zu kurz gesprungen. Was in diesem Antrag steht, haben
wir seit Jahren gefordert. Die FDPwar die Erste, die diese
Initiative, das bewährte Instrument auch hier einzusetzen,
ergriffen hat.
Aber heute geht es zunächst einmal um die Verlänge-
rung des Mandates. Wir glauben, dass die Verlängerung
des Mandates ein erster Baustein zur weiteren Stabilisie-
rung der Situation in Mazedonien ist. Deshalb stimmt die
FDP-Fraktion dem Antrag der Bundesregierung auf Teil-
nahme an der Operation Allied Harmony vollständig zu.
Wir sind allerdings der Meinung, dass diese Operation
möglichst schnell von der Europäischen Union im Rah-
men der ESVP übernommen werden sollte, damit die EU
ihren Anspruch auf eine Gemeinsame Außen- und Sicher-
heitspolitik endlich wahrnehmen kann.
Aus Diskussionen mit vielen Kolleginnen und Kolle-
gen wissen wir, dass diese Meinung von allen Fraktionen
im Haus geteilt wird. Umso bedauerlicher ist es, dass in
dem Antrag der Bundesregierung darauf mit keinem Wort
Bezug genommen wird.
Da wir uns alle einig sind und die Bundesregierung viel-
leicht nur vergessen hat, das aufzunehmen – das kann ja
einmal vorkommen –, haben wir zur heutigen Sitzung ei-
nen Entschließungsantrag eingebracht. Wir machen da-
mit deutlich, dass wir von der Bundesregierung mehr ak-
tives Engagement auch in dieser Richtung erwarten.
Warum, Herr Bundesaußenminister, muss uns denn auch
in diesem Fall gerade wieder die französische Regierung
vormachen, wie man aktiv und zielgerichtet europäische
Außenpolitik gestaltet?
Nun haben wir endlich die Diskussion über einen Ein-
satz unter europäischer Führung und endlich einen Be-
schluss der NATO des Inhalts, dass dieses Mandat im Fe-
bruar überprüft wird, und zwar unter dem Blickwinkel, ob
es auf Europa übertragen werden kann. Und was macht in
diesem Moment unser Verteidigungsminister? Der Vertei-
digungsminister konterkariert alle diese Bemühungen, in-
dem er jetzt, völlig zur Unzeit, ins Spiel bringt, bei SFOR
sei wohl erstmals angebracht, dass die Europäische Union
einen solchen Auftrag übernimmt. Herr Minister, das ist
– um es höflich auszudrücken – jedenfalls nicht hilfreich.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, im Prinzip
sind wir uns aber alle, von links nach rechts, einig. Des-
halb gehe ich auch davon aus, dass Sie alle unserem Ent-
schließungsantrag freudigen Herzens zustimmen. Ich kann
mir nicht vorstellen, dass Sie ihm nur deshalb nicht zu-
stimmen, weil er von der FDP kommt. Das würde ich Ih-
nen niemals zutrauen.
– Herr Minister, wenn Sie mit mir diskutieren wollen,
dann würde ich Sie doch bitten, bei den Abgeordneten
Platz zu nehmen.
– Das ist so, Herr Erler. Wenn diskutiert werden soll, dann
von hier aus und nicht von dort aus. Lesen Sie es in der
Geschäftsordnung nach!
Die Weiterentwicklung der deutschen Sicherheits-
und Außenpolitik unter Einbeziehung der Bundeswehr
als Armee des Friedens sollte allerdings von allen Kräften
dieses Parlaments, auch von der gesamten Regierungs-
koalition, getragen werden. Leider muss ich nun auf den
Redebeitrag eines stellvertretenden Vorsitzenden einer
Regierungsfraktion vom 23. Oktober dieses Jahres in die-
sem Hause eingehen. Dieser Kollege, stellvertretender
Fraktionsvorsitzender, hat damals gesagt – ich zitiere –:
Ich stelle jetzt fest, dass sich die Bundeswehr in
Mazedonien nicht in einem Kriegseinsatz befindet
und dass auch kein Kriegseinsatz bevorsteht, weil
die Bundeswehr nicht in Mazedonien ist, um zu tö-
ten, zu vernichten und zu zerstören, sondern aus-
schließlich zum Schutz der Beobachter.
Dies sagte nicht irgendwer, nicht einer von rund 300 Ab-
geordneten dieser Regierungskoalition, sondern das sagte
in diesem Haus ein stellvertretender Vorsitzender einer
Regierungsfraktion.
Ich finde diese Aussage ungeheuerlich. Auch die da-
hinter stehende Einstellung ist ungeheuerlich. Es fehlte
nur noch, dass dieser Kollege heute daherkommt und er-
klärt, er habe erkannt, dass deutsche Soldaten nicht plün-
dern, nicht brandschatzen und nicht vergewaltigen.
Das wäre die Konsequenz einer solchen Einstellung.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1017
Ich sage Ihnen: Diese Einstellung des stellvertretenden
Fraktionsvorsitzenden ist für unsere Soldatinnen und Sol-
daten wie auch für unsere Verbündeten unerträglich.