Rede von
Gert
Weisskirchen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
ist traurig, in welchem Kammerton wir heute hier über das
Thema Mazedonien debattieren, vor allem wenn man sich
in Erinnerung ruft, wie wir hier vor einem Jahr diskutiert
haben.
Ich möchte festhalten: Das war ein gemeinsamer Er-
folg. Es war aber ganz besonders ein Erfolg der Bundes-
wehr, die sich auf der Grundlage der UNO-Beschlüsse in
den internationalen Rahmen, in die NATO eingepasst hat.
Ich finde, wir können stolz darauf sein, dass unsere Sol-
datinnen und Soldaten mit dazu beigetragen haben, dass
Mazedonien jetzt eine positive Perspektive hat. Das ist
wunderbar.
Ich möchte, weil Sie, Herr Kollege Stinner, eben dazu
vorgetragen haben, folgende Frage an die FDP richten:
Was wäre die Folge, wenn wir dem folgen würden, was
Sie in Ihrem Antrag vorschlagen? Die in der Region le-
benden Menschen möchten sich zuallererst und so schnell
es geht an uns annähern, damit sie die Perspektive, die
sich eröffnet hat, nämlich Mitglied der Europäischen
Union zu werden, auch nutzen können.
So wichtig der KSZE-Prozess auch gewesen ist – wir
haben ihn schließlich durchgesetzt –, jetzt muss eine an-
dere Frage gestellt werden, nämlich die Frage nach der
Mitgliedschaft in der Europäischen Union.
Das ist wichtiger, weil die Menschen auf diese Weise in
den Integrationsraum der Demokratie und der Stabilität,
weil sie zu uns kommen können. Wenn jetzt auf die KSZE
Bezug genommen würde, müsste dies missverstanden
werden als eine Zurückweisung, als ein Zurückschicken
auf die Wartebank im Integrationsraum der Europäischen
Union. Das wäre das falsche Signal. Deswegen müssen
wir das, was Sie vorschlagen, ablehnen. Wir können dem
– das muss ich ganz deutlich sagen – nicht zustimmen.
Herr Dr. Hoyer, wenn Sie einen Moment in die Region
hineinhören, dann werden Sie feststellen, dass das, was da-
rüber hinaus in Ihrem Antrag steht, wirklich abwegig ist.
Sie wollen eine Konferenzmit den unterschiedlichen Teil-
gruppen, die es in den verschiedenen Regionen im Raum
des ehemaligen Jugoslawien gibt, machen. Ich frage Sie:
Was ist dann mit den Kroaten in Bosnien-Herzegowina?
Was ist mit dem Kosovo? Sie bekommen das Problem,
dass deren unterschiedliche Interessen, die jedenfalls ge-
genwärtig bestehen, in einen Rahmen eingepasst werden
müssten, der im Innern noch nicht besteht. Dieses Problem
müssten Sie lösen. Sie würden damit mehr Gefahrenmo-
mente in den Prozess einbringen, als Sie sich gegenwärtig
vorstellen können. Ich würde Sie bitten, angesichts dessen,
dass die FDP genügend außenpolitische Vernunft hat, die-
sen Antrag zurückzuziehen. Er führt in die Irre und schafft
mehr Probleme, als er löst.
Ich richte nun den Blick auf Mazedonien, auf das Land,
um das es jetzt geht. Mazedonien ist nach dem 15. Sep-
tember dieses Jahres, nach den Parlamentswahlen, auf ei-
nem guten, einem vernünftigen politischen Weg. Herr zu
Guttenberg, wer hat denn dazu beigetragen?
Dr. Rainer Stinner
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Gert Weisskirchen
Diese Bundesregierung war es, die von Beginn an, als
es um den Kosovo ging, erklärt hat: Diese Region braucht
eine Perspektive der Stabilität. Deswegen haben wir den
politischen Prozess dahin eröffnet. Deswegen haben wir
den Stabilitätspakt beschlossen und den politischen Pro-
zess eingeleitet. Die Antwort darf eben nicht allein mili-
tärische Intervention sein, sondern es muss einen politi-
schen Prozess geben, damit Demokratie und Stabilität in
der Region ihren Platz finden.
Diese Regierung hat dafür gesorgt, dass Verlässlichkeit
in diese Region einzieht und dies mit dem Namen Deutsch-
land verbunden wird. Das ist ein gutes, richtiges und not-
wendiges Zeichen, das wir damals im Kosovo gesetzt ha-
ben. Ich erinnere mich sehr gut, wie hart das für uns alle
gewesen ist. Wir haben dafür gesorgt, dass diese politische
Perspektive eröffnet worden ist. Deswegen ist die Bundes-
regierung, besonders der Außenminister, das Kennzeichen
für Stabilität und Verlässlichkeit. In diesem Sinne wird
Deutschland dort aufgenommen und verstanden.
Ein anderer Punkt. Es wäre falsch zu glauben, dass
dieses Land diesen Prozess von innen und von sich aus
zustande bringen könnte. Da haben Sie völlig Recht. Sie
haben auch zu Recht die Probleme angesprochen, bei-
spielsweise Korruption, Menschenhandel und Prostitu-
tion. All dies sind Gefahrenmomente und -potenziale, die
dieses Land von innen her immer noch erschüttern. Ein
anderes Beispiel ist die Polizei, die von uns gemeinsam
mit der OSZE in ihrer multiethnischen Zusammenarbeit
mit anderen Gruppen unterstützt wird. Sie ist noch nicht
wirklich das innere Sicherheitsinstrument.
Ich erinnere an die vergangene Regierung unter Mi-
nisterpräsident Georgievski, der dafür gesorgt hat, dass
dieser Staat noch immer schwach ist. Die Regierung hat
sich selbst dadurch geschwächt, dass sie korrupt gewesen
ist; das muss man einmal so klar sagen. 80 Prozent der
Kolleginnen und Kollegen im Parlament in Skopje sind
zum ersten Mal ins Parlament gewählt worden. Das macht
deutlich, mit welch großem inneren politischen Aufstand
die Bevölkerung Mazedoniens signalisiert hat, dass die
alte korrupte Gruppierung abgewählt werden muss. Der
neue Ministerpräsident Branko Crvenkovski, der Vorsit-
zende der Sozialdemokraten, hat aufgrund dieses Wahl-
ergebnisses eine gute Chance, genau das voranzubringen,
worauf es jetzt ankommt.
Wir, die internationale Gemeinschaft, sind bereit, dem
Land das Maß an Sicherheit anzubieten, das das Land von
sich aus nicht gewährleisten kann. Aber im Gegenzug
muss die Regierung in Skopje den Reformkurs vorantrei-
ben und dafür sorgen, dass die notwendigen Aufgaben, die
das Land zu bewältigen hat, wirklich angepackt werden.
Deshalb ist es nötig, dass „Bündnisharmonie“ – so heißt
das neue Mandat – heute verabschiedet wird. Dies gibt die-
sem armen Land mit seinen 2 Millionen Menschen, einge-
zwängt in diesen noch immer gefährlichen Raum, die
Chance, Demokratie von innen zu entwickeln und irgend-
wann Mitglied der Europäischen Union zu werden.