Rede von
Ursula
Lietz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Die NATO-Operation Amber Fox
mit 200 Soldaten der Bundeswehr endet am 15. Dezem-
ber, weil ihr Auftrag weitestgehend – ich sage ausdrück-
lich: weitestgehend – erledigt ist. Die Spannungen in
Mazedonien zwischen Slawen und Albanern haben abge-
nommen. Die Parlamentswahlen haben keine ideologi-
schen Scharfmacher hervorgebracht; gemäßigte Parteien
haben eine Mehrheit bekommen. Mazedonien ist auf ei-
nem guten Weg in Richtung Europa.
Dennoch ist in Mazedonien weiterhin eine Sicherheits-
präsenz unter NATO-Führung erforderlich. Der mazedo-
nische Präsident hat ausdrücklich darum gebeten, dass wir
sie fortsetzen. Deswegen wird die CDU/CSU-Fraktion
diesem Anliegen zustimmen.
Erlauben Sie mir trotzdem noch einige Anmerkungen.
Herr Weisskirchen, Sie haben soeben ausgeführt, dass die
Einsatzerfolge auf dem Balkan mit dieser Regierung ver-
bunden sind. Das ist aber leider mitnichten der Fall. Viel-
mehr sind sie mit einer großartigen Leistung unserer Sol-
daten verbunden.
Wir haben zu beklagen – das müssen Sie zur Kenntnis
nehmen, Herr Außenminister –, dass zwar in Prag ein
erfolgreicher NATO-Gipfel stattgefunden hat, dass die
deutsche Delegation aber einen recht jämmerlichen Ein-
druck hinterlassen hat.
Nach der antiamerikanischen Rhetorik im Wahlkampf
durften wir immer wieder sehen – es wurden immer die-
selben Bilder gezeigt –, wie ein gequält fröhlich lächeln-
der Kanzler einen Händedruck des US-Präsidenten er-
hascht hat.
Abgesehen von diesem Ereignis war festzustellen, dass
die Medien sehr wenig von Ihren Erfolgen berichtet ha-
ben.
Es ist richtig, dass die Installation von Allied Harmony
das bisherige Scheitern einer eigenständigen europä-
ischen Sicherheitspolitik darstellt. Wenn Sie so herablas-
send lächeln oder sich mit Ihren Kollegen unterhalten,
Herr Fischer, dann zeigt das nur die Überheblichkeit von
Teilen dieser Regierung.
Wir warten bis heute darauf, dass sich Deutschland als
das größte NATO-Land intensiver an der Umsetzung vie-
ler Beschlüsse beteiligt, die dazu führen würden, dass wir
innerhalb Europas stärker an diesen Aufgaben teilhaben.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1019
So haben wir vor mehr als drei Jahren die European
Headline Goals beschlossen, die bis heute nicht umgesetzt
worden sind.
Durch eine veränderte Sicherheitslage nach dem
11. September 2001 finden sich die deutschen Truppen als
Bestandteil von ISAF in Afghanistan wieder, wo sie dem-
nächst als eine der beiden Lead Nations die Führung über-
nehmen werden. Außerdem sind wir an der Operation
Enduring Freedom beteiligt. Ich weise deshalb darauf hin,
damit wir über den sehr gefährlichen Aufgaben, die un-
sere Soldaten in Afghanistan wahrnehmen, nicht verges-
sen, was unsere Soldaten auf dem Balkan leisten. Denn
dieses Engagement ist genauso wichtig und es ist auch
nicht ungefährlich.
Die Sicherheitslage dort ist nicht stabil. Auch in diesem
Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, Herr
Fischer, dass der Status des Kosovo noch unklar ist und
ein entsprechendes Konzept, wie dieser Status verändert
und die Lage dort verbessert werden kann, fehlt. Es wäre
aber eigentlich Ihre Aufgabe, ein solches Konzept zu er-
stellen.
Lassen Sie mich etwas zu den Soldatenfamilien an-
merken. Wir haben von Ihrem Vorgänger, Herr Verteidi-
gungsminister, die Zusage bekommen, dass die Verbesse-
rung der Familienbetreuung in Angriff genommen wird.
Bisher liegen uns aber keine Ergebnisse vor.
Wir haben über die Flexibilisierung von Einsatzzeiten
gesprochen. Frau Beer von den Grünen hat in einer ihrer
letzten Reden sogar zugesagt, dass sich die Grünen für
eine Verbesserung der Bedingungen einsetzen werden.
Aber auch in diesem Bereich ist bislang nichts passiert.
Herr Arnold, Sie haben gestern ein so positives Bild
von der Situation unserer Soldaten gezeichnet, dass ich
Ihnen nur die Lektüre des Berichts des Sozialwissen-
schaftlichen Instituts der Bundeswehr empfehlen kann.
Danach ist nur jeder fünfte Soldat mit seiner Betreuung
und der Betreuung seiner Familie vor, während und nach
den Einsätzen einverstanden und zufrieden. 60 Prozent
der Familien und 41 Prozent der Soldaten leiden sehr un-
ter der langen Trennungszeit.
Bei Besuchen in Einsatzgebieten bitten uns Komman-
deure, über eine Flexibilisierung von Einsatzzeiten
nachzudenken. Soldaten sind – das sage ich besonders an
die Regierung gewandt – bei allen Sparbemühungen
keine finanzpolitische Verfügungsmasse.
Ich fürchte, wenn wir so weitermachen, werden wir
bald keine jungen Menschen mehr finden, die bereit sind,
diese Aufgaben zu übernehmen. Demotivation, Enttäu-
schung und Vertrauensverlust sind nicht die beste Ausrüs-
tung für schwierige Einsätze.
Wenn Sie Offiziere und Soldaten, die seit vielen Jahren
der Bundeswehr angehören, fragen, ob sie ihren Söhnen
empfehlen würden, diesen Beruf zu ergreifen, dann wer-
den Sie heute als Antwort ein Kopfschütteln erhalten.
Deswegen hat die Bundeswehr, wenn sie weiterhin so ge-
führt wird, keine gute Zukunft. Wir unterscheiden uns
darin von anderen Nationen, die sehr stolz darauf sind,
was ihre Armeen leisten, und die sie das auch wissen las-
sen.
Allied Harmony wird in Zukunft mit bis zu 70 deut-
schen Soldaten auskommen, die in Mazedonien statio-
niert sein werden. Der Auftrag gilt bis zum 15. Juni 2003.
Vorhandene Destabilisierungsrisiken sollen dort gemin-
dert, der Ohrid-Friedensprozess soll vorangetrieben und
die Gefahren eines erneuten Aufflammens ethnisch be-
dingter Bürgerkriege sollen weiter eingegrenzt werden.
Ich möchte zum Schluss die Gelegenheit nutzen, den
Soldaten und vor allen Dingen ihren Familien sehr herz-
lich dafür zu danken, was sie für uns tun.
Gerade in der Vorweihnachtszeit, in der sich kleine Kin-
der ihre Väter oder ihre Mütter nach Hause wünschen, ist
der Dienst besonders schwer. Wenn wir alle zu Hause
Weihnachten feiern, sollten wir einmal an die Soldaten
denken, die nicht bei ihren Familien sein können.
Ich danke Ihnen.