Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Die Geschichte des internationalen Eingreifens in
Mazedonien ist eine einzige Erfolgsgeschichte. Von Be-
ginn an gehörte die Bundesregierung, die rot-gute,
die rot-grüne Bundesregierung, zu den treibenden Kräften
der internationalen Politik, die sich beherzt in die inneren
Angelegenheiten Mazedoniens politisch eingemischt hat,
als die beiden großen Ethnien Mazedoniens dabei waren,
auf beiden Seiten hochgerüstet, einen ähnlichen Bürger-
krieg vom Zaun zu brechen, wie wir ihn in den Nachbar-
regionen in den Jahren zuvor erlebt hatten.
Erinnern wir uns daran: Es waren die ethnisch-albani-
schen Kräfte, die das Gewaltmonopol des Staates und
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1015
die territoriale Integrität nicht anerkennen wollten. Es war
auf der anderen Seite die slawische Mehrheitsethnie, die
nicht anerkennen wollte, dass die Minderheit Volksgrup-
penrechte und Minderheitenrechte braucht.
Als der Konflikt kurz vor der bewaffneten Eskalation
stand, waren es die europäischen Staaten, war es insbe-
sondere die Bundesregierung, die mit einem politischen
Konzept dazu aufgewartet sind, wie man diesen Konflikt
beilegen kann.
Es kam zu einem Tausch, zu einem Verhandlungspro-
zess, der in Ohrid in einem entsprechenden Abkommen
seinen Niederschlag fand. Die ethnische Minderheit er-
kannte das Gewaltmonopol und die territoriale Integrität
an. Die Mehrheit ließ sich auf einen verfassunggebenden
Prozess ein, der der Minderheit die Volksgruppen- und
Minderheitenrechte einräumte.
Dies war das politische Konzept, auf dessen Basis der
militärische Einsatz, die militärische Sicherheitsflankie-
rung dann erfolgreich sein konnte. Ich betone dies des-
halb, weil wir auf der einen Seite festhalten müssen, dass
der militärische Einsatz erforderlich und unvermeidlich war.
Er wurde auch – wir schließen uns der Gratulation an – mit
großer Umsicht durchgesetzt.
Dass dieser Einsatz aber erfolgreich sein konnte, hing
auch davon ab, dass eindeutig das Primat des Politischen
vorherrschte, dass es ein politisches Lösungskonzept gab,
dass es auch politische Monitore durch die OSZE gab, die
dann flankierend durch die militärischen Kräfte gesichert
wurden. Es ging also nicht um einen Kampfeinsatz, son-
dern es ging darum, ein schlüssiges politisches Konzept
sicherheitspolitisch zu flankieren.
Diese Politik war erfolgreich. Dennoch muss man sa-
gen, dass diejenigen, die früher kritische Fragen zu dem
Einsatz gestellt haben, dies durchaus zu Recht taten. Das
ist Aufgabe des Parlaments. Ich meine aber, dass die Bun-
despolitik nachweisen konnte, dass dieser Einsatz mit Au-
genmaß durchgeführt wurde, und dass alle Befürchtun-
gen, wir könnten dort in Abenteuer geraten, dann doch in
der Luft zerplatzt sind.
Wir wissen, dass nun, da der interne Aussöhnungspro-
zess in Mazedonien weit gediehen ist, dennoch eine Si-
cherheitskomponente notwendig sein wird. Vertrauens-
bildende Maßnahmen werden auch in den nächsten
Jahren durch internationale Beobachter begleitet werden
müssen.
Wenn wir einen Blick von vielleicht höherer Warte auf
den Konflikt und die Konfliktbearbeitung werfen, kann
man mehreres lernen: Es ist notwendig, dass immer dann,
wenn sich Volksgruppen in einem Staatsgebilde so inein-
ander verkeilt haben, dass sie aus eigener Kraft zu einer
Lösung nicht in der Lage zu sein scheinen, die internatio-
nale Gemeinschaft frühzeitig, möglichst geschlossen und
möglichst mit schlüssigen Konzepten dort interveniert.
Das ist die erste notwendige Schlussfolgerung.
Die zweite notwendige Schlussfolgerung ist: Wenn denn
eine Sicherheitskomponente notwendig ist, dann sollte sie
auch möglichst früh dort eingesetzt werden. Denn wenn das
möglichst früh getan wird, ist offensichtlich die Eskalati-
onsgefahr erheblich niedriger. Es wäre wünschenswert, dass
die Europäer die Kraft entwickelten, um solche Aufgaben
zumindest in ihrer Region selbstständiger wahrnehmen zu
können. Die Bundesregierung arbeitet intensiv daran, dass
die ESVP diese Potenziale erhält. Sie betreibt auch eine ak-
tive Politik bezogen auf den Europäischen Rat, damit dort
die Regelungen von Berlin plus durchgesetzt werden.
Noch einen Satz zum Antrag der FDP, die fordert, für
Südosteuropa eine Art KSZE einzurichten. Dieser Antrag
kommt wahrscheinlich um Jahre zu spät. Denn das, was
dort gefordert wird, ist längst im Gange, wenn auch in et-
was anderen Konstruktionen.
Wir haben den Stabilitätspakt für Südosteuropa.
Auch hier war die Bundesregierung eine der treibenden
Kräfte, die den Stabilitätspakt eingeleitet hat. Der Stabili-
tätspakt gibt auf der ökonomischen Ebene mehr Perspek-
tiven, als es der alte ökonomische Korb der KSZE konnte.
Auf der politischen Ebene haben wir die mittelfristige
Perspektive für einen vollständigen EU-Beitritt aller
Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien, bei den
einen früher, bei den anderen später. Auch dies gibt eine
politische Stabilisierungsperspektive, die man nicht da-
durch ergänzen oder vielleicht sogar zerreden sollte, dass
man nun völlig neue Modelle in die Debatte wirft.
Wir, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, unterstützen
die Politik der Bundesregierung. Wir werden dem Antrag
auf Entsendung von 70 Soldaten für die neue Mission
Allied Harmony zustimmen und wir werden den FDP-
Antrag ablehnen.
Danke.