Rede von
Klaus
Minkel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Die Rede des Herrn Ministers hat mir ausnehmend
gut gefallen. Im Gegensatz zum Bundeskanzler hat er die
Opposition nicht beschimpft. Deshalb läuft er auch nicht
Gefahr, von uns beschimpft zu werden.
Es wird hier auch niemand diffamiert. Trotzdem muss ich
warnen: Wenn hier ab und an die Wahrheit gesagt wird,
dann kann das hart genug sein.
Der Minister hat in seiner Rede einen weiten Bogen ge-
schlagen: vom Golf von Biscaya über Köln, Pirmasens bis
Leinefelde. Auch zum Infrastrukturaufbau hat er Wesent-
liches gesagt. Trotzdem ist diese Rede seltsam hinkend
dahergekommen. Ein wesentlicher Bereich seines Ge-
schäftsbereiches, nämlich der Wohnungsbau, kam in der
Rede praktisch überhaupt nicht vor.
Deshalb möchte ich den Teil der Rede ergänzen, den der
Minister nicht gehalten hat.
Ich bin seit über 20 Jahren sowohl dem sozialen Woh-
nungsbau als auch dem frei finanzierten Wohnungsbau be-
ruflich verbunden. Die Bauwirtschaft ist immer noch eine
Schlüsselindustrie in Deutschland und der Wohnungsbau
hat bisher einen wesentlichen Teil dieser Schlüsselindus-
trie ausgemacht. Zurzeit liegt der Wohnungsbau todkrank
am Boden, aber statt Medizin verabreicht diese Bundes-
regierung dem Wohnungsbau blankes Gift.
Ich möchte zunächst auf die kleinen Täuschereien ein-
gehen, die auch in diesem Haushaltsplan eine Rolle spie-
len. Vor der Wahl ist das Metropolenprogramm mit
70 Millionen Euro mit großem Getöse ins Schaufenster
gestellt worden. Nach der Wahl aber kommt dieses Pro-
gramm im Haushalt 2003 nicht mehr vor. Die Städte-
bauförderung West ist vor der Wahl auf 150 Millionen
Euro aufgestockt worden. Nach der Wahl verflüchtigt sich
dieses Programm auf 42 Millionen Euro.
Schlecht ist immer derjenige dran, dessen Angelegen-
heiten sich der Kanzler als Chefsache angenommen hat.
Das Programm Stadtumbau Ost ist zwar mit 394 Milli-
onen Euro dotiert, aber im nächsten Jahr werden nur
19 Millionen Euro kassenwirksam abfließen. Bei diesem
Umsetzungstempo sind 21 Jahre nötig, um dieses Pro-
gramm abzuarbeiten. Dieser Zeitraum ist viel zu lang, um
etwas für die Bauwirtschaft im Osten zu bewirken.
Am schlimmsten aber ist das Vorgehen der Bundesre-
gierung bei der Eigenheimzulage. Das Gedächtnis der
Opposition ist sehr gut, Frau Faße.
Sie müssen es heute Abend nicht nachlesen, Herr
Spanier; ich lese Ihnen vor, was der Kanzler vier Wochen
vor der Wahl gesagt hat:
Jährlich erfüllen sich rund 700 000 Haushalte mit
dem Erwerb einer eigenen Wohnung oder eines Hau-
ses einen Herzenswunsch.
Recht hat der Kanzler.
Für viele, insbesondere kinderreiche Familien, wäre
dies ohne die Eigenheimzulage nicht möglich.
Recht hat der Kanzler.
Das wissen wir und deshalb ist und bleibt die Eigen-
heimzulage das entscheidende Mittel zur Förderung
von Wohneigentum.
Auch da hat der Kanzler Recht.
– Warten Sie doch ab! Zum Schluss sagt er:
Ihre Unterstellung, die Eigenheimzulage werde von
der Bundesregierung als finanzpolitische Manövrier-
masse benutzt, wird schon durch die Zahlen wider-
legt.
Der Kanzler bzw. die Regierung werden weder durch
die Zahlen noch durch die Opposition widerlegt, sondern
durch das eigene Verhalten des Kanzlers. Unmittelbar
nach der Wahl ist die Eigenheimzulage nämlich entweder
weggesäbelt oder entscheidend gekürzt worden. Die kin-
derlosen Familien können nicht mehr mit der Eigenheim-
zulage rechnen.
Das bedeutet auf acht Jahre verteilt einen Verlust von rund
20 000 Euro und wird in vielen Fällen dazu führen, dass
das Projekt nicht mehr durchführbar ist.
Die Lösung, innerhalb von vier Jahren nachzuzahlen,
wenn noch ein Kind kommen sollte, ist nichts anderes als
Augenwischerei. Denn welche Bank baut eine Finanzie-
rung darauf auf, dass eine Frau verspricht, innerhalb der
nächsten vier Jahre ein Kind zu bekommen?
Wolfgang Spanier
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Klaus Minkel
Auch Familien mit Kindern sind angeschmiert. Die
Grundförderung wird um 1 556 Euro pro Jahr gekürzt.
Das ist eine Minderung um rund 12 000 Euro, verteilt auf
acht Jahre. Kommen Sie mir jetzt nicht damit, dass im Ge-
genzug der Kinderzuschlag auf 800 Euro erhöht wird!
Das ist eine Erhöhung von 33 Euro pro Kind. Es sind min-
destens 48 Kinder nötig,
um die Kürzung bei der Grundförderung wieder aufzuholen.
– Sagen Sie unseren jungen Familien doch, sie hätten kei-
nen moralischen Anspruch darauf, dass der Staat ihnen in
der schwierigen Phase des Eigentumserwerbs hilft! Sind
Sie es nicht, die auf den Parteitagen immer beklagen, dass
das Eigentum in unserem Land ungerecht und ungleich
verteilt sei? Sie tun aber keinen Handschlag, um an dieser
Ungleichheit etwas zu ändern.
Verehrter Herr Stolpe, an dieser Stelle haben Sie wirklich
etwas nachzuarbeiten. Das gilt übrigens auch für die Fa-
milienministerin, die noch vor einer Woche erklärt hat, in
Sachen Familienförderung komme niemand an ihr vor-
bei. Die jungen Familien in unserem Land sollten die Fa-
milienministerin beim Wort nehmen.
Ich möchte noch mit ein paar Irrtümern aufräumen. Der
erste Irrtum: Es wird so getan, als ob es nicht mehr der
Wunsch unserer Bevölkerung wäre, über Eigentum zu
verfügen.
Es ist aus Umfragen bekannt, dass nahezu jede Familie
den Erwerb eines Eigenheims anstrebt.
Aber nur 40 Prozent unserer Bevölkerung genießen die-
sen Vorteil. Die anderen 60 Prozent bezahlen zwar auch
für ein Haus oder eine Wohnung, aber eben nicht für das
eigene Haus oder die eigene Wohnung. Es ist doch unsere
Pflicht, denjenigen, die kein Eigentum haben, zu helfen.
Der zweite Irrtum: Es wird immer so getan, als ob es in
unserem Land genügend Wohnraum gäbe. Das ist richtig
und zugleich falsch, aber Sie werden einem Frankfurter
oder einem Münchener mit den Plattenbauten in Halle
oder in Rostock keinen Gefallen tun können.
Die jungen Familien haben doch auch einen Anspruch da-
rauf, Wohnraum zu bekommen, der ihren Wünschen und
Bedürfnissen entspricht.
Der dritte Irrtum, der insbesondere von den Grünen
gepflegt wird: Es wird so getan, als ob es nicht genug
Land gäbe. Bei 25Wohneinheiten pro Hektar könnte man
auf 1 000 Quadratkilometer 2,5 Millionen Wohneinheiten
unterbringen. Dann hätte man 7,5 Millionen bis 10 Mil-
lionen Menschen in unserem Land glücklich gemacht. Ich
glaube, dieses Opfer ist es wert.
Ich fasse zusammen: Die jungen Familien sind durch
die jetzige Regierung nachhaltig betrogen worden. Sie
werden um ihre Lebensentwürfe gebracht.
Ihnen wird die Chance genommen, sich eine vom Staat
unabhängige Alterssicherung aufzubauen. Fiskalisch ist
das, was Sie machen, ohnehin ein einzigartiger Irrtum.
Herr Eichel spart zwar pro Jahr zwischen 1 500 und 2 500
Euro pro Förderfall. Bereits im ersten Jahr verliert er
aber – bei einem angenommenen Bauvolumen von
150 000 Euro – pro Haus, das mangels Förderung nicht
gebaut werden kann, 75 000 Euro, die sonst in irgendei-
ner Form in die öffentlichen Kassen gelangt wären.
Außerdem bekommt Herr Eichel gratis noch zwei Ar-
beitslose pro Wohneinheit hinzu, die mangels Förderung
nicht gebaut werden kann.