Rede von
Waltraud
Lehn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Seehofer, ich halte es für wirklich nicht hinnehm-
bar, wie Sie hier eine gezielte Emotion gegen eine Gruppe
unserer Bevölkerung geschürt haben,
und zwar gegen die Bezieher von Sozialhilfe.
Herr Seehofer, Sie wissen, so behaupte ich, dass
80 Prozent derjenigen, die in unserem Land Sozialhilfe er-
halten, vor allem derjenigen, die ergänzende Sozialhilfe
erhalten, sehr wohl in der gesetzlichen Krankenkasse
sind.
Zu dem Personenkreis, der dort nicht vertreten ist,
gehören in der Regel diejenigen, die Hilfe in besonderen
Lebenslagen erhalten, nämlich die Behinderten, und die-
jenigen, die von Kindesbeinen an in schweren Situationen
gewesen sind. Das sind diejenigen, denen der Zugang zur
gesetzlichen Krankenkasse in der Tat verwehrt worden
ist.
– Sie brauchen da gar nicht abzuwinken. Ich habe we-
sentlich mehr Erfahrung in diesem Bereich, als Sie sie je
erwerben werden. Ich bin Sozialdezernentin gewesen. Ich
weiß, wie die Situation in meiner Stadt war. Ich kenne die
Statistiken des Landes Nordrhein-Westfalen. Es mag sein,
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1085
dass in Bayern den Sozialhilfeempfängern der Weg in die
Krankenkasse verwehrt wird. Das wäre dann aber einer
besonderen Prüfung wert.
Ich finde es verantwortungslos,
mit welchen Mitteln Sie gestern beim Thema Türkei und
heute gegen die Sozialhilfeempfänger emotionalisiert ha-
ben.
Dafür kann man sich wirklich nur schämen.