Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Diese Haushaltswoche war, zumindest was die Rolle der
Opposition betrifft, nicht gerade glanzvoll.
Das gilt auch für die Reden, die Sie heute hier zum Ein-
zelplan 12 gehalten haben.
Für den Haushalt 2003 und auch die mittelfristige Fi-
nanzplanung gelten zwei wichtige Maßstäbe. Erstens sind
die finanzpolitischen Rahmenbedingungen zu nennen.
Zwingend notwendig ist die Konsolidierung der Haus-
halte von Bund, Ländern und Gemeinden.
Zweitens sind die mittel- und langfristigen Ziele unserer
Städtebau- und Wohnungspolitik zu nennen.
Ich stelle fest: Äußerungen zu beiden Maßstäben wei-
chen Sie aus.
Kein Wort über das Thema Haushaltskonsolidierung
und auch kein inhaltliches Wort zur Städtebau- und Woh-
nungspolitik! Das sind wir seit zwei Jahren von Ihnen ge-
wohnt. Kein einziger Beitrag dazu in den letzten Jahren!
Max Weber hat einmal gesagt, Politik sei das langwierige
Bohren dicker Bretter.
Mit Verlaub, ich stelle fest: Sie haben selbige offensicht-
lich vor Ihren Köpfen.
Kein Wort dazu, dass es zwingend notwendig ist, in
der Städtebau- und Wohnungspolitik einen Paradigmen-
wechsel nicht nur einzuleiten – das haben wir in der letz-
ten Legislaturperiode getan –, sondern auch konsequent
fortzusetzen. Kein Wort höre ich von Ihnen zum demo-
graphischen Wandel. Kein Wort von der Änderung der
Altersstruktur.
Kein Wort von der Binnenwanderung, kein Wort von Ver-
siegelung und Flächenverbrauch, kein Wort von sich dif-
ferenzierenden Anforderungen an das Wohnen, an die
Qualität des Wohnens, kein Wort zur sozialen Balance in
den Städten! Kein Wort dazu, dass wir die Städtebau- und
Wohnungspolitik verzahnt auf diese Entwicklungen hin
ausrichten müssen! Kein Wort davon, dass die alten Maß-
stäbe – gute Wohnungspolitik bemisst sich allein an den
Fertigungszahlen – längst überholt sind und dass wir un-
seren wichtigen Beitrag zu einer nationalen Nachhaltig-
keitsstrategie zu leisten haben.
1114
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1115
Erste wichtige Schritte haben wir bereits eingeleitet: die
Reform der sozialen Wohnraumförderung, die Programme
„Soziale Stadt“, „Stadtumbau Ost“, „Stadtumbau West“
und das Projekt „City 21“. Der Haushalt 2003 ist konse-
quent auf diese Ziele ausgerichtet
und – das ist unter den Konsolidierungsbedingungen kei-
neswegs selbstverständlich – er hat das gleiche Volumen
wie der Haushalt 2002.
Mit diesem Haushalt 2002 waren Sie nahezu einverstan-
den; sonst hätten zum Beispiel Sie von der CDU/CSU in
ihren Anträgen ja nicht nur äußerst geringfügige Ände-
rungen dazu verlangt.
Deswegen verstehe ich nicht, dass von Ihnen in den
Sitzungen dieser Woche nur Folgendes zu hören war: ein
dumpfes Nein zu allen Reformvorschlägen
und ein dumpfer Ruf nach mehr Geld bei allen Positionen,
die Sie angesprochen haben.
Die wichtigsten Punkte im Haushaltsplan hat schon
Herr Hettlich angesprochen.
Ich möchte die Kontinuität in der Neuorientierung der
Städtebau- und Wohnungspolitik ansprechen; auch dies
ist ein wichtiger Punkt. Die Kontinuität wird dadurch
deutlich, dass das Finanzvolumen gegenüber 2002 gleich
geblieben ist. Das gilt für das Programm „Soziale Stadt“
genauso wie für die Programme „Stadtumbau Ost“ und
„Stadtumbau West“ sowie für die Städtebauförderung in
den neuen und in den alten Ländern.
Zusätzlich – das hat Minister Stolpe eben zu Recht be-
tont – gibt es 300 Millionen Euro mehr für die Altschul-
denhilfe. Diese sind dringend notwendig, um den Stadt-
umbau Ost voranzutreiben und um die Wohnungsgesell-
schaften in die Lage zu versetzen, ihren dringend not-
wendigen Beitrag hierzu zu leisten.
Zusätzlich zu den Programmen aus dem Haushaltsjahr
2002 haben wir aus dem Mehraufkommen der Ökosteuer
ein Gebäudesanierungsprogramm in der Größenordnung
von 150 Millionen Euro aufgelegt. Dieses Programm ist
eine wichtige Ergänzung unseres Gebäudesanierungspro-
gramms, das übrigens überaus erfolgreich läuft und das
maßgeblich mit dazu beigetragen hat, dass die Moder-
nisierung, und zwar vor allen Dingen die energetische
Modernisierung, unseres älteren Wohnungsbestandes
Schritt für Schritt vorankommt.
Was bietet die Opposition? Ich habe mir die Protokolle
unserer letzten wohnungspolitischen Debatte vom 13. Juni
– drei Monate vor der letzten Wahl – durchgelesen. Was
haben die Herren Dr. Kansy, Oswald und Meister vorge-
tragen? – Eine Latte von finanziellen Versprechungen und
finanziellen Forderungen!
Der Altschuldenerlass wurde von Ihnen, lieber Kollege
Oswald, für alle Wohnungen im Osten gefordert. Sie woll-
ten mehr Geld für das Programm „Soziale Stadt“. Im Rah-
men der Eigenheimzulage haben Sie mehr Geld für die
Neubauförderung, den Bestandserwerb und für die Fami-
lien gefordert. Selbstverständlich wollten Sie auch bei der
sozialen Wohnraumförderung eine massive Aufstockung.
Darüber hinaus haben Sie verbesserte Abschreibungsbe-
dingungen und die Wiedereinführung des Vorkostenab-
zugs gefordert. – Das alles waren milliardenschwere
Wahlversprechen. Zugleich waren das aber auch milliar-
denschwere Illusionen, weil Sie die finanziellen Rahmen-
bedingungen, die Ihr haushaltspolitischer Sprecher in die-
sem Jahr schon mehrfach vorgetragen hat, völlig ausge-
blendet haben.
So kann man keine Politik machen. Letztlich ist das ver-
antwortungslos.
Und die Reden heute? Natürlich wurden – das muss ich
Ihnen, Herr Oswald, so deutlich sagen – wieder die alten
Geschichten vorgetragen: Sie wollen keine Erhöhung der
Ökosteuer im nächsten Jahr. Das entspricht mal eben
2,3 Milliarden Euro, ohne dass Sie den geringsten Hin-
weis geben, wie das auf der Einnahmenseite oder auf der
Ausgabenseite angesichts der äußerst schwierigen Haus-
haltslage kompensiert werden soll.
Auch die Forderung nach mehr Geld für Straßen tragen
Sie schon immer plakativ vor sich her. Sie haben aber kei-
nen Hinweis gegeben, wie das unter den gegebenen Be-
dingungen, die man nicht einfach wegwischen kann, zu
leisten ist.
Lieber Herr Lippold, ich habe den Artikel im „Focus“,
den Sie angesprochen haben, nicht gelesen, allerdings bin
ich auch nicht so gläubig gegenüber Zeitungsartikeln wie
Sie. Hier in diesem Parlament haben wir im Vorfeld mehr-
fach über das Thema Eigenheimzulage gesprochen.
Mehrfach haben wir, meine Kollegin Franziska Eichstädt-
Wolfgang Spanier
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Wolfgang Spanier
Bohlig wie auch ich, gesagt, das Eigenheimzulagengesetz
gehöre auf den Prüfstand.
Die Neuorientierung der Städtebau- und Wohnungspolitik
verlangt eine Neujustierung aller Förderinstrumente.
Einen Teil davon haben wir bereits in der letzten Legisla-
turperiode geschafft. Das, was noch wichtig ist, machen
wir in dieser Legislaturperiode.
Das Entscheidende ist: Bevor die strukturellen Verän-
derungen, die wir vorgeschlagen haben, in die öffentliche
Diskussion gekommen sind, haben wir darüber gespro-
chen. Ich nenne als Beispiel das neue Verhältnis von Be-
standserwerbsförderung und von Neubauförderung. Ich
mache keinen Hehl daraus: Unter anderen finanziellen
Rahmenbedingungen hätte ich als Wohnungspolitiker das
Gesamtvolumen der Eigenheimzulage durchaus für sinn-
voll gehalten.
Wir hätten es strukturell sicherlich deutlich effizienter und
sinnvoller ausgegeben. Aber ich muss doch einfach aner-
kennen, wie die Haushaltslage ist, nicht nur im nächsten
Jahr, sondern auch in den kommenden Jahren, nicht nur im
Bund, sondern auch in den Ländern und den Kommunen.
Dem muss ich Rechnung tragen. Ich kann doch nicht
einfach mit irgendwelchen Forderungen und Verspre-
chungen durchs Land ziehen, wie Sie das in den letzten
Wochen und Monaten leider häufig tun. Auch die Sache
mit der Wählertäuschung, Herr Lippold, sollten Sie zu-
mindest in Bezug auf dieses Parlament noch einmal über-
prüfen. Sie haben Zugang zu den Protokollen.