Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
möchte meine kurze Redezeit darauf verwenden, um die
Aussagen der Ministerin zur Sicherheit der Renten in un-
serem Land zu kommentieren.
Frau Ministerin Schmidt, Sie müssen sich schon gefal-
len lassen, dass wir Ihre Aussagen insbesondere nach den
Chaostagen, die Rot-Grün hier in der letzten Zeit mit ihren
Aussagen zur Sozialversicherung geboten hat, kritisch be-
leuchten.
Zur Erinnerung. Bis zur Bundestagswahl hieß es: Mit
der riesterschen Reform ist alles klar, perfekt, dies ist eine
Jahrhundertreform. Bis auf Weiteres gibt es bei der Rente
keinen Handlungsbedarf. Dann hörte man plötzlich, der
Rentenbeitrag müsse auf 19,3 Prozent angehoben werden.
Kurz danach sagte Frau Schmidt: Das reicht nicht, es müs-
sen 19,5 Prozent werden. Dann haben sich die Grünen
aufgeplustert, sind aber dann wie immer eingeknickt.
Zur Beruhigung der Grünen wurde dann eine Kom-
mission eingesetzt. Über diese Kommission und die mög-
lichen Ergebnisse der Arbeit dieser Kommission haben
Sie, Frau Schmidt, dann gesagt, Sie würden die Vor-
schläge der Kommission vielleicht doch nicht so umset-
zen. Der Kollege Stiegler hat sich dann unsäglich verstie-
gen und geglaubt, schon im Voraus „Professorengeschwätz“
feststellen zu müssen.
Der SPD-Generalsekretär Scholz sagt: Es gibt trotz al-
lem weiterhin keinen Handlungsbedarf. Unterdessen hat
der Bundeskanzler gestern hier erklärt, man habe das Bei-
tragssatzsicherungsgesetz nur gemacht, damit man die
Reformen jetzt in Ruhe durchführen könne.
Frau Schmidt, dies ist wirklich Kakophonie auf höchs-
tem Niveau. Sie müssen sich schon gefallen lassen, dass
wir hier genau hinschauen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1095
Nun zum Gutachten des Bundesrechnungshofes. Ich
habe mir dieses einmal zu Gemüte geführt. Noch mehr als
bei Finanzminister Eichel, der letztes Jahr gesagt hat, sein
Haushalt sei auf Kante genäht, wird es bei Ihnen im
nächsten Jahr sehr eng. In diesem Jahr – so sagt der Bun-
desrechnungshof – hatten wir im Oktober 2002 noch eine
Mindestreserve von 0,47 Monatsausgaben. Behalten Sie
dies bitte im Hinterkopf. Der Bundesrechnungshof weist
darauf hin, dass davon nur 0,36Monatsausgaben kurzfris-
tig verfügbar sind. Der Rest ist in Immobilien gebunden,
die erst verwertet werden müssten.
Ende 2002 wird, wenn alles gut geht, die Mindest-
reserve wieder auf 0,63 Monatsausgaben – so der Bun-
desrechnungshof – ansteigen, jedoch unter der Annahme,
dass das Weihnachtsgeld im November und Dezember so
wie in den Vorjahren gezahlt wird. Aber wenn Sie sich
einmal umhören, was derzeit in der Wirtschaft umgeht,
muss man zu dem Schluss kommen, dass manche viel-
leicht eine Überraschung erleben werden.
– Nicht, dass ich mich darüber freue, Herr Schösser, aber
man darf die Augen vor der Realität nicht verschließen.
Jetzt kommt es. Frau Ministerin, der Bundesrechnungs-
hof sagt: Im Oktober 2003 wird die Mindestreserve auf ei-
nen Wert von nur noch 0,11 Monatsausgaben absinken.
Wenn Sie sich an das erinnern, was ich vorhin gesagt
habe, stellen Sie fest, dass dies genau der derzeitige illi-
quide Teil der Mindestreserve ist. Im Oktober nächsten
Jahres stehen wir wirklich knallhart an der Kante. Nur
dann, wenn es gut geht und die Annahmen der Bundes-
regierung bezüglich des Wachstums der Lohnsumme
stimmen – Sie gehen ja von 2,5 Prozent aus, während die
BfA gestern gesagt hat, dass die Annahme von 1 Prozent
für das nächste Jahr realistischer sei –, wird die Mindest-
reserve bis zum Ende nächsten Jahres wieder auf
0,63 Monatsausgaben aufgefüllt werden können.
Das heißt, Frau Ministerin, Ihre Aussage, die Rente sei
sicher, ist sehr kühn.
Dieses Best-Case-Szenario trifft nur zu, wenn alle Rah-
menbedingungen optimal sind. Aber aufgrund der ne-
gativen wirtschaftlichen Entwicklung, die wir leider
feststellen müssen und die Sie mit Ihren politischen Ent-
scheidungen befördern, ist davon auszugehen, dass ein
„durchschnittliches“ Szenario – ich hoffe, kein Worst-
Case-Szenario – eintreten wird.
Wir werden uns also sehr schnell über mögliche Ände-
rungen des Beitragssatzes in der Rentenversicherung,
über einen höheren Bundeszuschuss und vor allen Dingen
auch über die Inanspruchnahme der Bundesgarantie
nach § 214 SGB VI unterhalten müssen. Aber hierfür ist
in Ihrem Haushalt überhaupt keine Vorsorge getroffen.
Sie tun so, als ob der Fall einer Inanspruchnahme der Bun-
desgarantie nicht in Betracht kommen würde.
Ich bitte Sie, nicht nur die Frage des Kollegen Thomae
zu beantworten, sondern auch mir zu sagen, was aus Ihrer
Sicht im Fall des Eintretens der geschilderten Annahmen
zu tun wäre und wie Sie auf diese Situation reagieren wol-
len.
Danke schön.