Rede von
Siegfried
Helias
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Es geht heute nicht nur um den Antrag der Bundes-
regierung, sondern auch um den Antrag der FDPmit dem
Titel „Für eine Konferenz für Sicherheit und Zusammen-
arbeit in Südosteuropa“. Wir von der CDU/CSU werden
diesem Antrag zustimmen; denn Sicherheitspolitik be-
schränkt sich nicht allein auf den militärischen Aspekt.
Daher danke ich nicht nur den Soldaten und Soldatin-
nen sowie ihren Familien, sondern spreche auch den zivi-
len Kräften einen herzlichen Dank aus, die in vielen
Hilfsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen
tätig sind und einen genauso wertvollen Beitrag für Frie-
den, Sicherheit und Stabilität in Südosteuropa leisten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Einsatz
der Bundeswehr in Mazedonien – das wurde hier aus-
führlich dargestellt – hat zur Konfliktbeilegung beigetra-
gen. Gerade deswegen braucht Mazedonien jetzt auf dem
Gebiet der wirtschaftlichen Zusammenarbeit Taten
statt Worte. Wenn militärische Präsenz die Voraussetzung
für eine langfristige Investition in die Zukunft des Landes
war und bleibt, dann ist es gerade jetzt notwendig, die Ent-
wicklung Mazedoniens zu fördern, um die notwendige
Friedensdividende zu erhalten.
Dabei sind aus entwicklungspolitischer Sicht die För-
derziele klar: Es geht um Investitionen zur Stabilisierung
der Demokratie und den weiteren Aufbau der Zivilgesell-
schaft, um Investitionen in die Umwelt – Trinkwasserver-
sorgung, Abwasserproblematik, Management der Wasser-
ressourcen und Länder übergreifende Umweltprojekte im
Dreieck von Mazedonien, Griechenland und Albanien –
sowie um eine Wirtschaftsreform und den Aufbau markt-
wirtschaftlicher Strukturen.
Die bisherigen Schwerpunkte in der Entwicklungszu-
sammenarbeit sind dabei nicht zu beanstanden. Ich bean-
stande jedoch, dass der von Rot-Grün verabschiedete
Bundeshaushalt 2002 das Ende des Stabilitätspakts in
Südosteuropa bereits eingeleitet hat. Auch gestern hat die
Bundesministerin bei der Vorstellung des Einzelplans 23
Südosteuropa und den Stabilitätspakt mit keinem einzigen
Bundesminister Joseph Fischer
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Siegfried Helias
Wort erwähnt. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis für die
Entwicklungspolitik.
Ich kritisiere aber keineswegs nur die mangelnde Mit-
telausstattung und das von der Bundesregierung faktisch
eingeleitete Ende des Stabilitätspakts. Ich kritisiere auch
den Zustimmungs- und Abstimmungswirrwarr sowie das
Kompetenzgerangel bei der Mittelbeantragung und bei
der Mittelvergabe, bei der der Koordinator – mag er
Hombach oder Busek heißen – lediglich die Rolle eines
Maklers übernehmen kann; denn er verfügt über keine ei-
genen operativen Mittel. Zudem tritt sich noch eine Viel-
zahl von Ober- und Unterkoordinatoren auf die Füße.
Der Hauptkoordinator muss den Spagat zwischen Ge-
bern und Nehmern leisten. Er muss die Geber – das ist eine
ganze Reihe: die EU-Kommission, Mitgliedstaaten, inter-
nationale Finanzorganisationen – überzeugen, bestimmte
Projekte zu fördern, und gleichzeitig die Empfänger bitten,
dieselben Projekte zu beantragen. Einen verbrieften Zugriff
gibt es dabei nicht. Die Koordination ist also völlig vom
Geberwohlwollen und vom Empfängervertrauen abhängig.
Dass dies nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand.
Einen besseren Zeugen für diesen Kompetenzwirrwarr als
Bodo Hombach gibt es nicht. Er sagte bei seiner Verab-
schiedung: Wenn ich nachts aus einem ganz fürchterli-
chen Albtraum schweißgebadet aufwachte, dann hatte ich
ganz bestimmt an irgendwelche Verhandlungsprotokolle
der EU gedacht.
Es kommt also nicht nur auf die Mittelausstattung und
auf die Mittelbestimmung an, sondern auch auf den Mit-
telabfluss. Insofern muss es uns alle außerordentlich be-
denklich stimmen, dass von den zugesagten und im Bun-
deshaushalt vorgesehenen 100 Millionen Euro für die
finanzielle Zusammenarbeit lediglich 10 Prozent abge-
flossen sind. Was nützt es, wenn Hilfe auf der einen Seite
notwendig ist, die zugesagten Fördermittel aber über-
haupt nicht ankommen, weil die bürokratischen Hürden
viel zu hoch sind?
Die Hilfe ist notwendig; man denke an die Geißel Ar-
beitslosigkeit. Von den rund 2,2 Millionen Menschen im
Land sind fast 400000 ohne Arbeit. Weitere 500000 Men-
schen leben unterhalb der Armutsgrenze. Der Kollege
Weisskirchen hat vorhin auf andere besondere Problem-
stellungen in dieser Region hingewiesen.
Des Weiteren möchte ich auf die Flüchtlingsproble-
matik aufmerksam machen. Noch sind längst nicht alle
Flüchtlinge zurückgeführt worden.
Sie können auch gar nicht zurückgeführt werden. In den
Lagern bei Skopje leben noch viele Tausende, insbeson-
dere Roma, die keine Papiere haben. Wer da „papierlos“
ist, der ist auch rechtlos. Wenn wir über Frieden und Sta-
bilität in dieser Region sprechen, dann müssen wir uns
auch um die Menschen kümmern, die dort wirklich am
unteren Ende der Existenzskala leben. Unsere Fürsorge
gilt auch den Sinti und den Roma.
Fazit: Die Lage im Land ist friedlich; aber es ist immer
noch ein labiler Frieden, der weiter gefestigt werden
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